24.16 Farbensehen

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24.16 Farbensehen
24.16.1 Farbenphysik
Farben werden unterschieden in Lichtfarben und
Körperfarben.
▶ Lichtfarben. Lichtfarben entstammen direkt
von einer Lichtquelle oder von einem Medium, das
sie durchstrahlt haben, wodurch sie entsprechend
transformiert wurden oder von dessen Oberfläche
so abgestrahlt werden, dass nur bestimmte Wellenlängenbereiche des Lichtes enthalten sind. Physikalisch wird das Farbenspektrum mit den Grundfarben Rot, Grün und Gelb erfasst. Solche reinen
Spektralfarben können miteinander gemischt werden und so zu einem weiteren Farbempfinden führen (Prinzip Fernseher). So z. B. entsteht aus gleichen Teilen Rot und Grün ein Gelbton. Die Anwendung einer solchen Farbenmischung findet sich im
Anomaloskop nach Nagel (s. unten) zur Prüfung
von Rot-Grün-Störungen, indem durch eine RotGrün-Mischung ein Abgleich mit der klaren Spektralfarbe Gelb der Natriumlinie (589 nm) herzustellen ist. Mit der additiven Farbenmischung sind
in der Praxis von den drei Grundfarben ausgehend
alle Mischfarben (z. B. Gelb + Blau → Cyan; Rot
+ Blau → Magenta) herzustellen.
Im Übrigen ist ein gesehenes Bild nicht nur von
der Intensität, sondern ebenso von der Zusammensetzung des Spektrums seiner Farbenwellen
abhängig. Wir brauchen zum farbigen Sehen in
gleicher Weise Farbengegensätze, wie wir auf
Schwarz-Weiß-Kontraste zum Erkennen angewie-
544
sen sind. Wird ein Ganzfeld gleichmäßig ohne
Konturen von einer Farbe mit konstanter Intensität
ausgeleuchtet, tritt bald ein permanent diffuses
Dunstsehen ein (Natriumlicht).
▶ Körperfarben. Körperfarben sind lichtreflektierende Farben eines Körpers, der ein eingestrahltes
Lichtspektrum teilweise resorbiert reflektiert
(subtraktive Farbenmischung): pseudochromatische Farbentafeln. Cave: diese Tafeln können (seltener) durchaus auch von Farbsinngestörten gelesen werden. Die Rezeptoren der Netzhaut arbeiten
nach diesem Prinzip.
Es sind 3 Qualitäten einer Farbe zu unterscheiden:
● Farbton (entspricht der Wellenlänge)
● Sättigung (reine Farbe bis zum Unbunt)
● Helligkeit (hell bis dunkel)
▶ Farbenspektrum. Das menschliche Auge vermag ein Farbenspektrum von 380–760 nm als Farbe wahrzunehmen. Wellenlängen unterhalb
315 nm werden von der Kornea absorbiert, können
jedoch bei höheren Intensitäten Gewebeschädigungen (Verblitzung) verursachen.
24.16.2 Farbenphysiologie
Farbenwahrnehmung
Farbe ist in der heutigen Zeit ein bedeutendes Darstellungs-, Gestaltungs- und Informationsmittel;
es dient als Funktionsträger der Verständigung in
der Technik und im täglichen Leben. Farbe selbst
ist ein Wahrnehmungsphänomen, das bislang
nicht zu erklären ist, wenngleich wesentliche
Komponenten davon bekannt sind.
Hintergrund: Ampelfarben sind so gewählt, dass
sie in ihrer Information auch von Dichromaten eindeutig erkannt werden, da hier neben dem RotGrün- auch das Blau-Gelb-System angesprochen
wird.
Das Farbensehen erfolgt durch die spezielle Zapfenfunktion in der Netzhaut. Zapfen finden sich
zahlreich im Netzhautzentrum und nehmen zur
Peripherie hin zügig ab. Daher beeinflussen zentrale Netzhautprozesse auch die Farbenwahrnehmung.
Die Farbwahrnehmung des menschlichen Auges
ist hoch entwickelt, wenngleich nur ein bestimmter Wellenbereich in einer begrenzten Intensitätsstrahlung als „Farbe“ wahrgenommen werden
kann.
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In der Regel festigt sich der Zustand der Unterdrückung eines Auges und bleibt konstant bestehen oder aber die Augen wandern stärker auseinander, es kommt zum Schielen mit dem bevorzugten Sehen nur eines Auges (einseitiges Schielen).
Solange das beidäugige Zusammensehen gestört
ist, besteht zugleich kein echtes Stereosehen mehr.
Tritt diese Situation im frühen Lebensalter ein,
wird der Verlust durch die Auswertung anderer
Wahrnehmungsabgleiche weitgehend kompensiert. Im späteren Alter ist die Umstellung offensichtlich beschwerlich und teils auch nur partiell
möglich. Diese Vorgänge sind individuell und u. a.
je nach der vorhandenen Flexibilität, der eigenen
Einstellung, den Erfordernissen etc. verschieden
und sollten auch derart begutachtet werden.
24.16 Farbensehen
Die Erscheinungsformen der Farbsinnstörungen
lassen sich gliedern in:
▶ Sättigung. Farben werden abgeblasst und trüber wahrgenommen, was den Betroffenen nur im
Seitenvergleich auffällt. Ein ausgeprägtes beidseitiges Defizit wird im Vergleich zum früheren Farbensehen auffällig. Solche Symptome kennzeichnen Erkrankungen der Netzhaut und des Sehnervs.
▶ Verwechslung. Einigen Beobachtern erscheinen
bestimmte Farben gleich, die von einer Personengruppe unterschiedlich gesehen werden. Dies ist
der Fall bei einer angeborenen Rot-Grün-Sinn-Störung. Die häufig verwendete Bezeichnung „farbenblind“ ist irreführend. Beim Fehlen oder einer Unterwertigkeit eines Zapfentyps besteht nur eine
teilweise Störung des Farbenerkennens im Sinne
einer Spektrumverschiebung (▶ Abb. 24.13).
▶ Chromatopsie. Es werden zusätzliche Farben
wahrgenommen, die kein Außenweltkorrelat haben. Solche Erscheinungen können bei Intoxikationen auftreten, aber auch bei zerebralen Insulten,
dann typischerweise im Gesichtsfeldausfall. Selten
sollen sie auch ein Vorzeichen eines Insults sein
können.
oder es wird zerebral die zugeführte Information
nicht mehr verstanden, weil ein Insult o. Ä. das zuständige Zentrum blockiert hat.
Klinisch zu unterscheiden sind angeborene und
erworbene Farbsinnstörungen.
Angeborene Farbsinnstörung
Die Betroffenen mit angeborenen Farbsinnstörungen wissen häufig nicht um ihre Anomalie, da sie –
wie auch wir Farbennormalen – um die Art, eine
Farbe auch anders empfindend zu sehen, nicht
wissen.
Formen der angeborenen Farbsinnstörung:
● Monochromasie
● Dichromasie
○ Protanopie
– Protanomalie
– extreme Protanomalie
○ Deuteranopie
– Deuteranomalie
– extreme Deuteranomalie
– subextreme Deuteranomalie
○ Tritanopie
24
Den Betroffenen erkläre ich diese Verschiebungen
des subjektiven Farbenspektrums mit dem Vorsetzen einer braun oder grünlich eingefärbten Sonnenbrille. So hat der Betroffene einen Anhalt für
die Art seiner Anomalie (▶ Abb. 24.13).
▶ Achromatopsie. Die Betroffenen nehmen überhaupt keine Farben wahr. Entweder findet sich ein
retinaler Defekt, d. h. es fehlen sämtliche Zapfen,
Protanope
Deuteranope
Tritanope
normal
400
450
500
550
600
650
700 nm
Abb. 24.13 Das Spektrum Farbensinngestörter.
Protanopie: Rot wird nicht wahrgenommen, so wird Dunkelrot als
Schwarzgrau interpretiert. Verwechslungen treten auf bei hellem Rot mit
Gelb, Violett mit Blau und bei Braun
werden viele Farben genannt. Kurzwellige Strahlung erscheint leuchtender (intensiver).
Deuteranopie: Ein Deuteranoper hat
mit Ausnahme der Dunkelrot-SchwarzVerwechslung die gleichen Verwechslungsarten wie der Protananope.
Tritanopie: Der „Tritane“ verwechselt
Rot mit Orange, Blau mit Grün, Grüngelb oft mit Grau sowie immer wieder
Violett und lichtes Gelb mit Weiß.
545
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Farbsinnstörung
Erworbene Farbsinnstörungen
Einige typische Ursachen, die eine Farbsinnstörung
hervorrufen können, sind nachstehend zusammengestellt. Bewährt haben sich hier die Pigmentproben. Ursachen, die den gesamten Organismus
betreffen (z. B. Intoxikationen), werden auf beiden
Augen, lokale Ereignisse nur auf dem betroffenen
Auge eine Wahrnehmungsänderung von Farben
verursachen.
● Deuterostörungen
○ Optikuserkrankungen
○ Optikusatrophie Leber
○ Optikustumor
○ Tabak-/Alkohol-Amblyopie
● Protostörungen
○ juvenile Makuladegeneration
○ Makulazysten
○ Retinopathia pigmentosa (inverser Typ)
○ Resochin-Intoxikation
● Tritostörungen
○ Amotio retinae
○ Makulaerkrankungen
– degenerative
– seröse
– senile
○ tapetoretinale Degeneration
○ diabetische Retinopathie
○ Siderosis retinae
○ Linsentrübungen
○ Intoxikationen
24.16.3 Untersuchungen
Anomaloskop
Das Aufdecken und die Differenzierung von Farbsinnstörungen mit dem Anomaloskop (z. B. nach
Nagel) (▶ Abb. 24.14) ist unerlässlich, wenn Berufe
ergriffen werden sollen, bei den Farbsignale oder
‑kennzeichnungen als Informationsträger dienen.
Pseudoisochromatische Tafelwerke oder Farbenflecksteine (Farnsworth) können gute Hinweise
auf das Vorliegen einer Farbenwahrnehmungsstörung geben und sind vielfach über die Art aufschlussreich, doch sind diese Testverfahren nicht
voll zuverlässig. Ebenso ist auch keine Relation
zwischen den Ergebnissen derartiger Untersuchungen und den Anomaloskop-Ergebnissen gegeben.
546
Mit der Spektralfarbenuntersuchung (Anomaloskop) wird Folgendes festgelegt (▶ Abb. 24.15):
● Absolute Einstellbreite. Unter Neutralstimmung
wird das vorbestimmte Testfarbfeld jeweils für
3 s zur Bestimmung freigegeben und durch die
Angaben der Umschlagpunkt bestimmt. Dieser
gewonnene Anomalquotient (AQ) ist für Tauglichkeits- und Eignungsbeurteilungen maßgebend. Wichtig ist hierbei, nach einer Einsicht
mindestens 5 s eine Neutraladaptation herbeizuführen.
● Relative Einstellbreite. Das Prüffeld wird längere
Zeit betrachtet und dabei der jeweilige Umschlagpunkt zum roten und grünen Bereich hin
ermittelt. Er vermittelt ein Maß für die Umstimmung bei der Farbenbetrachtung und gibt Hinweise für das Vorliegen einer Farbenasthenopie
(bei längeren Anforderungen an das Farbensehen
rasch abnehmendes Farbunterscheidungsvermögen).
Merke
Die Anomaloskop-Untersuchung ist nur von
einem versierten Augenarzt durchzuführen, der
die Angaben des Probanden sicher zu interpretieren weiß.
●
Immer wieder einmal vermag der Prüfling die
Farbenunterschiede in den beiden Testfeldern
als solche nicht zu benennen und gibt die Helligkeitswerte an, z. B. oben hell und unten dunkler.
Der Prüfer wird aus diesen Angaben seine folgerichtigen Rückschlüsse ziehen.
Die Anforderungsprofile beruflicher Vorschriften
und Eignungsvoraussetzungen differenzieren in
der Regel nur nach Proto- oder Deuterostörungen
(Ausnahme Bundeswehr), seltener, welche Quantität gegeben ist. Als Eignungsanforderung werden
häufig AQ-Werte (meist um 1,4 oder 3,0) vorgegeben. Wie sich diese Werte entwickelt haben, ist
mir unbekannt. Auf jeden Fall konnte ich bei der
praktischen Arbeit keinen Unterschied zwischen
einem AQ von 2,8 und 3,6 – möglicherweise jedoch in der Breite der AQ-Einstellung – finden.
Die Diagnose einer Anopie vermag der Laie nicht
zu interpretieren. Daher:
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Sonderkapitel
24.16 Farbensehen
Original Okulareinblick 545 nm
Raleigh-Gleichung
40/15
670 nm
Mischfarbe
Testfarbe
589 nm
Raleigh-Gleichung
Angabe bei
Protanomalie
(nicht Protanopie!)
B
C
A
0/
40/
73/
Farbmischung
/15
/15
/15
Helligkeit
0/
40/
73/
Farbmischung
/30
/15
/6
Helligkeit
24
Deuteranopie
Protanopie (Grobdarstellung)
Abb. 24.14 Anomaloskop nach Nagel. Gerät mit Einblick bei Normaleinstellung (Raleigh-Gleichung).
a Raleigh-Gleichung 40/15 mit Farbwahrnehmung für Farbennormale, Grünschwäche (Deuteranomalie) und
Rotschwäche (Protanomalie).
b Helligkeitseinstellungen und Farbempfinden beim Ausfall der Grünkomponente (Deuteranopie).
c Helligkeitseinstellungen und Farbempfinden beim Ausfall der Rotkomponente (Protanopie).
(Überlassung freundlicherweise von Schmidt + Haensch GmbH & Co.).
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Raleigh-Gleichung
Angabe bei
Deuteranomalie
(nicht Deuteranopie!)
Sonderkapitel
Helligkeit
Raleigh-Gleichung
Achromatopsie
14/15
30
15
Deuteranopie
Deuteranomalie
extreme Deuteranomalie
e
Protanopie
0
20
40
60
grün 548 nm
73
rot 660 nm
Abb. 24.15 Anomaloskop-Einstellungen.
Merke
Bei einer Farbenanomalie ist der jeweilige von 1
abweichende AQ-Wert der absoluten Einstellbreite anzugeben. Opportun sollte die Einstellbreite
in Klammern dazugesetzt werden.
Bei Farben-Anopien ist jeweils ein extremer
Wert als AQ anzugeben: z. B. AQ über 50,0 (Deuteranopie) oder unter 0,001 (Protanopie).
mender Rotsättigung zunehmend gegen 0 eingestellt; dagegen werden kurzwelligere Farben
(grün) intensiver wahrgenommen und die Helligkeitswerte dazu erhöht – in der Mischendstellung
bei 0 (reines Grün) gegen 30 Helligkeitseinheiten
(vgl. ▶ Abb. 24.14).
Merke
Die Einstellung bei einer Protanomalie liegt zu
90 % um 60/7 (AQ-Wert zwischen 0,2 und 0,25).
Farbentüchtigkeit
Mit einem AQ zwischen 0,7 und 1,0–1,7 wird von
Farbentüchtigkeit gesprochen. Die geprüften Werte schwanken individuell und sind von mehreren
Faktoren abhängig. Es gibt sehr enge Einstellbreiten am Anomaloskop wie auch große Bereiche. Zudem kann zwischen relativer und absoluter Einstellbreite unterschieden werden (z. B. zum Erkennen einer Farbenasthenopie).
Protostörung
Protanomalie: AQ unter 0,7 (in der Regel AQ um
0,2). Mit Ausnahme der sehr seltenen extremen
Protostörungen liegen Protanomale im Bereich der
Einstellung um 60/7–5 (d. h. AQ 0,25–0,2). Charakteristisch: Weil das rote Farbempfinden im langwelligen Bereich verkürzt ist, wird Rot intensitätsschwach gesehen und die Helligkeit mit zuneh-
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Bei der Protanopie werden alle Mischfarbeneinstellungen mit einer dazu passenden Helligkeit angenommen. Eine AQ-Angabe ist definitionsgemäß
nicht möglich.
Deuterostörung
Deuteranomalie: AQ über 1,7. Die Einstellungsbreiten der Probanden können sehr variabel sein.
Charakteristisch für Deuterostörungen ist ihr
weitgehend konstanter Helligkeitsbereich um 15
(± 3) Einheiten. Die meisten Deuteranomalen weisen einen AQ zwischen 2,7 und 4,0 auf. Einen Unterschied in der praktischen Tätigkeit (z. B. Farbensortieren) konnte ich bei diesen verschiedenen
AQ-Werten nicht feststellen (über 200 Prüfungen).
Bei einer Deuteranopie werden am Anomaloskop alle Mischgleichungen von 0–70 mit dem
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Prot
anom
ali
589 nm
Helligkeitswert um 15 angenommen. Diese Gruppe von Farbsinnstörungen ist für manche Berufe
ausgenommen.
Farbgleichheiten
Werden diffuse Farbgleichheiten bei unterschiedlichen Helligkeitsvorgaben angegeben, liegt in
der Regel eine Farbenasthenopie vor. In solchen
Fällen ist jeweils nur sehr kurzzeitig das Testfeld
einblicken und vergleichen zu lassen; danach soll
sich der Proband durch das Blicken auf die Lichtscheibe wieder neutralisieren.
Weitere Untersuchungsmethoden
Es wird auf die verschiedenen Untersuchungsmöglichkeiten und Testverfahren verwiesen. Sie sind in
den einschlägigen Veröffentlichungen abgehandelt. Hier soll nur auf eine schnelle, kostengünstige
und sichere Farbsinnuntersuchung hingewiesen
werden, der Farbenscheibe von Rodenstock
(s. ▶ Abb. 19.2). Werden benachbarten Farbtongruppen, die von farbenanomalen Personen nicht
mehr unterschieden werden können, in ein CIEDreieck eingetragen und miteinander verbunden,
so liegen sie auf Geraden, den Farbenverwechslungsgeraden.
Sie zeigen für Proto- und Deuterostörungen eine
unterschiedliche Verlaufsrichtung. Darauf basiert
die Farbentestscheibe von Rodenstock. Sie ist den
Farbentafeln als auch Farnsworth-Tests überlegen
und gibt einen qualifizierten Hinweis auf das Vorliegen einer Proto- oder Deuteroanomalie oder
-anopie. So bietet sich für Untersucher mit wenig
Erfahrung bei Anomaloskopuntersuchungen ein
(fast) sicheres Diagnoseverfahren.
Im Bereich der Eignungsanforderungen für Flugzeugführer wurde bislang ein etwas abstruses Farbenprüfverfahren – mit ebensolchen schwammigen Eignungsvorgaben (siehe dort) vorgegeben.
Wenn ein Versagen an den pseudoisochromatischen Farbentafeln aufgedeckt wurde, ist eine
Anomaloskopuntersuchung oder – gleichwertig –
eine Prüfung der Erkennung von einzeln dargebotenen Farben Weiß-Orange-Rot-Grün-Blau mit der
Beynes-Laterne oder der Holmes-Wright-Laterne
mit zwei übereinanderliegenden Lichtern in Kombinationen Rot, Grün oder Weiß vorgesehen. Nach
eigenen Untersuchungen mit der Beynes-Laterne
ist es zum einen ein Vabanquespiel, die kurz aufblitzende Lichtquelle im finsteren Raum in etwa
zu fixieren (es bleibt keine Zeit zur Einstellbewegung), zum anderen kann keinerlei Diagnose damit
gestellt werden (eigene, später abgebrochene Versuchsreihe). Diese Untersuchung sollte einer wissenschaftlichen Diagnostik fremd sein.
24
24.16.4 Berufe mit
Farbindikatoren
In der ▶ Tab. 24.2 findet sich eine Reihe von Berufen, in denen Farben differenziert werden müssen
(teilweise nur Sparten).
Tab. 24.2 Berufe, die Farbdifferenzierung benötigen.
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Apotheker
Bahnfahrzeugführer
Beleuchtungstechniker
Biomedizintechniker
Bundespolizei
Busfahrer
Chemiker
Chemische Reinigung
Chirurgie
Designer
Elektriker
Elektroniker
Farbdrucker
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Feuerwehr
Fleischbeschauer
Fluglotse
Flugsicherung
Flugzeugingenieur
Flugzeugmechaniker
Flugzeugtechniker
Förster
Frachtabfertigung
Glasbläser
Grafiker
Innenarchitekt
Jagdaufsicht
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Kartograf
Kleidungseinkäufer
Kunstlehrer
Laborpersonal
Lackierer
Luftfahrtpersonal
Maler
Mechatroniker
Meteorologe
Militärberufe
Molkereiberuf
Navigator
Fotograf
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Polizei
Schiffsführer
Schiffskapitän
Schweißer
Stoffeinkäufer
technische Ingenieure
Teppichverkäufer
Tierarzt
Umweltschutztechniker
Zahnärzte
Zahntechniker
Zöllner
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24.16 Farbensehen
Literatur
[1] Burggraf H, Hellner KA, Burggraf H. Erprobung und Beurteilung eines Tests zur Prüfung des Farbensinns. Klin Monbl
Augenheilkd 1981; 179(9): 204–213
[2] Burggraf H. Beurteilung der Farbentestscheibe® im praktischen Einsatz. Augenspiegel 1982; 1–12
[3] Burggraf H. Methodisches Arbeiten mit dem Anomaloskop.
Augenärztliche Fortbildung 1992; 23–31
[4] Dannheim F. Anomaloskopbefunde bei extrem anomalen
Trichromaten. Klin Monbl Augenheilkd 1975; 166: 690–693
[5] Friedburg C. Sehen in der Dämmerung: Physiologische
Grundlagen und Untersuchungsmethoden. Klin Monbl Augenheilkd 2004; 221(7): 570–576
[6] Krastel H, Kolling G, Schiefer U et al. Qualitätsanforderungen
an die Untersuchung des Farbsinns. Ophthalmologe 2009;
106(12): 1083–1102
[7] Mitteilung. Farbsehen AMD – Zufällig verdrahtete RetinaSchaltkreise. Klin Monbl Augenheilkd 2013; 230(3): 209
24.17 FrühgeborenenRetinopathie
Zu dieser Thematik werden immer wieder Gutachten, auch im Rahmen von Arzthaftpflichtprozessen, angefordert. Die nachstehenden Ausarbeitungen basieren auf eigenen Gutachten und sollen
zum einen die wesentlichen Kriterien aufweisen,
zum anderen dem Gutachter Textvorgaben zur eigenen Gestaltung anbieten.
Die sichere und rechtzeitige Aufdeckung einer
therapiebedürftigen Frühgeborenen-Retinopathie
(RPM) ist die Voraussetzung für eine erfolgreiche
Therapie. Nur ein sorgfältiges Screening aller Risikofrühgeborenen ermöglicht es, therapiebedürftige RPM-Stadien frühzeitig zu erkennen und einer
Koagulationsbehandlung zuzuführen. Ziel der vorliegenden Empfehlungen ist, die Qualität der augenärztlichen Versorgung Frühgeborener zu verbessern und so die Erblindungsrate zu senken.
Als Hintergrundinformationen bieten sich folgende Themenkreise.
24.17.1 Sauerstoff
Merke
Sauerstoff ist ein hochwirksames Partialgift.
Diese Grundsatzaussage steht bewusst zu Beginn
aller weiteren Ausführungen, da die für die Begutachtung anstehende Problematik zu einem we-
550
sentlichen Teil vom O2- und CO2-Stoffwechsel geprägt ist.
Jede Körperzelle benötigt für ihren Stoffwechsel
Sauerstoff; es wird von einer Zellatmung gesprochen. Wie der gesamte Organismus – als Verband
der jeweiligen Einzelzellen – stets nur in einer sehr
fein abgewogenen Dosierung aller Elemente existieren kann, so kann sich weder bei einem Zuwenig noch bei einem Zuviel Leben entwickeln. (Beispiel: ohne Wasser kein Leben, zu viel Wasser ertränkt, dsgl. Temperatur etc.). Die einzelnen lebenswichtigen chemischen Elemente stehen mithin in einer engen Wechselwirkung miteinander
und beeinflussen zudem bekanntlich in ihrer Zusammensetzung als Molekülverband ganze Reaktionsabläufe im Organismus. Die Relation O2 und
CO2 im Organismus ist sehr eng definiert, und die
Transportwege beider Gase sind wesentlich von
den jeweils herrschenden lokalen Partialdruckgefällen bei sich verändernden Gaskonzentrationen bestimmt.
Für eine gutachterliche Betrachtung sind an
physiologischen Fakten wichtig:
● Der Embryo hat zum Sauerstofftransport eine
etwas andere Chemiestruktur seiner Erythrozyten als die der Erwachsenen. Damit ist ermöglicht, das O2 vom mütterlichen Erythrozyten (im
Mutterkuchen) zu übernehmen und der Zelle zuzuführen. Beide Erythrozyten – der mütterliche
und der fötale – haben eine differierende Bindungseigenschaft von O2 und CO2.
● Die Embryozelle ist auf die O2-Affinität der sie
versorgenden Erythrozyten eingestellt.
● Zwischen O2 und CO2 besteht ein gewisses
Gleichgewicht; ein Zuviel an O2 verdrängt CO2
und umgekehrt (wichtig für eine Sauerstoffbeatmung).
● Der O2-Spiegel (Partialdruck) im Blut steuert offensichtlich Entwicklungen: hier z. B. die Qualität
und die Weise der zur Netzhautversorgung des
Auges einwachsenden und sich ausbildenden
Blutgefäße.
● Gleiches gilt für den CO2-Partialdruck im Hirn:
Der Hirnstoffwechsel wird vom CO2-Spiegel – als
dem Gegenspieler des O2 – mit gesteuert.
● Sofort nach der Geburt ändert sich schlagartig
die gesamte O2-Stoffwechsellage: Der Erythrozyt, der seinen Sauerstoff bislang via Mutterkuchen bekam, muss sich jetzt den durch die Lungenmembran hindurchdiffundierenden O2 aneignen und weitertransportieren, als auch versuchen, das ihm anhaftende CO2 abzugeben.
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