Psychiatrische Universitätsklinik Zürich Sektor Ost und Zentrale Spezialangebote Direktor: Prof. Dr. med. D. Hell Arbeit unter Leitung von Herrn Prof. Dr. med. J. Modestin Typologie von Opioidabhängigkeit Validierungsstudie Lizentiatsarbeit Philosophische Fakultät der Universität Zürich vorgelegt von Elena Hofmann Zürich 2005 Inhaltsverzeichnis Zusammenfassung ............................................................................................................... 3 1 Einleitung.......................................................................................................................... 5 2 Untersuchungsteil ........................................................................................................... 11 2.1 Probanden ................................................................................................................ 11 2.2 Instrumente .............................................................................................................. 12 2.2.1 „Interviewbogen zur Typisierung von Opioidabhängigkeit“ ........................... 12 2.2.2 SKID-I .............................................................................................................. 12 2.2.3 SKID-II ............................................................................................................. 13 2.2.4 Beck-Depressions-Inventar (BDI) .................................................................... 14 2.2.5 Parental-Bonding-Instrument (PBI).................................................................. 14 2.3 Vorgehen ................................................................................................................. 15 2.4 Statistische Auswertung........................................................................................... 16 3 Ergebnisse....................................................................................................................... 19 4 Diskussion ...................................................................................................................... 36 6 Literaturverzeichnis ........................................................................................................ 43 2 Zusammenfassung Typologie der Alkoholabhängigkeit ist ein Thema, das seit Jahrzehnten verschiedene Forschergruppen beschäftigt. Cloninger et al. (1981) haben eine Zwei-Cluster-Lösung vorgeschlagen, die von weiteren Autoren (von Knorring et al, 1985a, 1987; BuydensBranchey et al. 1989; Babor et al, 1992) repliziert wurde. Da die Alkohol- und Opioidabhängigen sowohl in der Art ihrer Psychopathologie (Depressionen, Suizidversuche, Persönlichkeitsstörungen), wie auch in deren sozialen Folgen (Partner-, Arbeitsverlust, Kriminalität) Ähnlichkeiten aufweisen, hat Matutat (2004) einen Versuch unternommen, die Zwei-Cluster-Typologie der Alkoholabhängigen bei den Opioidabhängigen zu reproduzieren. Es hat sich ergeben, dass sich die Zwei-Cluster-Lösung bei den Alkoholabhängigen auf die Opioidabhängigen übertragen lässt. Das Ziel der vorliegenden Studie war, die Befunde von Matutat (2004) zu replizieren. Es wurden männliche Probanden mit der Diagnose „Opioidabhängigkeit“, die nach ICD-10 Kriterien diagnostiziert wurden, untersucht. Es wurden Patienten aus der Poliklinik Zokl 1 der ARUD ZÜRICH (Arbeitsgemeinschaft für risikoarmen Umgang mit Drogen) rekrutiert, welche zum Zeitpunkt der Untersuchung in einer ambulanten psychiatrischen Behandlung standen und in ein Methadonprogramm integriert waren. Diese Probanden wurden mit folgenden fünf Messinstrumenten untersucht: „Interview zur Typisierung von Opioidabhängigkeit“, das Matutat (2004), ausgehend von den in der Literatur zur Typisierung der Alkoholabhängigkeit angegebenen Kriterien (Cloninger et al., 1981, 1987; von Knorring et al., 1985; Barbor et al., 1992; Buydens-Branchey et al., 1989), erstellt hat. In der vorliegenden Studie wurde dieser Interviewbogen modifiziert. Die vier weiteren Messinstrumente waren SKID-I und -II (Strukturiertes Klinisches Interview für DSM-IV Achse I und II Störungen), BDI (Beck-Depressions-Inventar) und PBI (ParentalBonding-Instrument). Der gewonnene Datensatz wurde mittels Cluster- und Diskriminanzanalyse ausgewertet. Durch Clusteranalyse wurden alle 30 Probanden in zwei Cluster aufgeteilt, wobei eine 2Cluster-Lösung vorgegeben wurde. Der kleinere Cluster, der die Opioidabhängigen des Typs 2 umfasste, bestand aus 9 Probanden. Der grössere Cluster des Typs 1 umfasste 21 Männer. Diese zwei Cluster wurden mittels Diskriminanzanalyse verglichen, woraus Variablen identifiziert wurden, die sich für die Differenzierung der beiden Cluster am 3 besten eigneten. Die Diskriminanzanalyse ergab 4 Variablen, die die Varianz zu 100% aufgeklärt haben. Diese Variablen haben einen Typ von Opioidabhängigen identifiziert, der durch Alkoholismus des Vaters, eigene Depression, schwere Suizidalität und geringeren Beikonsum von Benzodiazepinen gekennzeichnet ist. Bei univariaten Vergleichen wurden zwei weitere Variablen identifiziert, in denen sich beide Cluster unterschieden haben, nämlich vermeidende Persönlichkeitsstörung und Alkoholismus der Mutter. Da dieser Typ der Opioidabhängigen offenbar Komorbidität mit Depression und Suizidalität aufweist, ist eine frühe Identifizierung dieses Typus und eine frühe Einleitung einer Therapie klinisch hoch relevant. 4 1 Einleitung Die Häufigkeit von aktuellen psychischen Störungen, die komorbid zu Opiatabhängigkeit auftreten, variiert in grösseren Studien zwischen 8 und 60 Prozent (Gastpar, 2005). Die zahlenmässig wichtigsten Störungen sind dabei die affektiven Störungen und die Angststörungen. In dieser Arbeit steht Depression als komorbide Störung im Mittelpunkt. Die vorliegende Studie hat ihre Wurzeln in der langjährigen Forschung über die Alkoholabhängigkeit, welche sich durch wiederholte Versuche, die Betroffenen zu typologisieren, kennzeichnet. Prominente Vertreter dieser Forschung sind Cloninger et al. (1981). Sie haben in Schweden alkoholabhängige Männer untersucht, die früh (vor dem 3. Lebensjahr) von nicht Verwandten adoptiert wurden. Für diese Untersuchung wurden umfangreiche Daten über Kriminalität, Alkoholabhängigkeit, beruflichen Status und über die medizinische und soziale Geschichte der Untersuchten erhoben. Zusätzlich wurden die amtlichen Daten über die leiblichen und die Adoptiveltern gesammelt. Der gewonnene Datensatz wurde mittels Diskriminanzanalyse ausgewertet, um mögliche umweltbedingte und biologische Einflüsse und deren Interaktionen auf die Entwicklung von Alkoholabusus bei den Probanden zu erfassen. Ein wichtiges Ergebnis dieser Cross-Fostering Analyse, das für die vorliegende Arbeit relevant ist, besteht in der Differenzierung von zwei Typen von Alkoholabhängigen (Tabelle 1). Die Väter der unter Typ 2 leidenden Alkoholabhängigen zeichneten sich durch schweren behandlungsbedürftigen Alkoholabusus und durch ausgeprägte Kriminalität aus. Die Väter der Probanden des Typs 1 zeichneten sich hingegen durch milden, nicht behandlungsbedürftigen Alkoholabusus und durch ein geringes Ausmass an Kriminalität aus. Die Prävalenz des Typs 2 war drei Mal geringer als diejenige des Typs 1 (4 zu 13). Eine weitere Gruppe bestehend aus von Knorring et al. (1985a), die in diesem Gebiet forschte, hat die Typologie von Cloninger et al. (1981) übernommen und Alkoholiker, deren Diagnose nach DSM-III gestellt wurde, untersucht. Der Datensatz, der die Informationen sowohl über den familiären und sozialen Hintergrund, wie auch über die 5 Personalien der Probanden lieferte, wurde mittels t-Test und mittels χ2 -Test berechnet. Zwei Typen Alkoholabhängiger wurden differenziert (Tabelle 1). Der zweite zeichnete sich durch früheren Beginn der Alkoholproblematik und deren soziale Folgen Fernbleiben der Arbeit, Arbeitsverlust wegen Drogenkonsums, Verhaftungen während eines Rauschzustandes und Fahren in alkoholisiertem Zustand - aus. Der erste Typus zeichnete sich durch späteren Beginn der Alkoholproblematik und durch geringere soziale Komplikationen aus. Buydens-Branchey et al. (1989) bezogen sich in ihrem Versuch, die Alkoholiker in zwei ätiologisch homogene Gruppen einzuteilen, ebenso wie von Knorring et al. (1985a), auf Cloningers et al. (1981) Typologie. Die Alkoholabhängigen wurden je nach Alter ihres Abhängigkeitsbeginns (vor und nach dem 20. Lebensjahr) in zwei Gruppen aufgeteilt (Tabelle 1). Diese Altersvariable wurde in einen Zusammenhang mit persönlichen Charakteristika, mit der Psychopathologie der Probanden und mit dem Alkoholismus deren Eltern gebracht. Mit χ2 -Test wurden beide Gruppen verglichen. Typ 2 Alkoholiker, durch den früheren Beginn der Abhängigkeit definiert, zeichnete sich durch häufigeres Anwenden physischer Gewalt und durch Kriminalität aus. Zusätzlich hatten sie öfters Depressionen, wiesen öfters die Diagnose einer antisozialen Persönlichkeitsstörung auf, unternahmen häufiger Suizidversuche und zeigten öfters aggressives Verhalten als die Probanden mit späterem Beginn der Abhängigkeit. Ihre Väter waren öfters Alkoholiker. Babor et al. (1992) untersuchten alkoholabhängige Frauen und Männer, deren prämorbide Risikofaktoren (Familiärer Alkoholismus, Hyperaktivität und gestörtes Sozialverhalten in der Kindheit) und deren pathologischer Konsum (täglich konsumierte Menge von Alkohol und anderen Substanzen) mit seinen Konsequenzen (Auftreten des Psychiatrischen Symptomen) erfasst wurden. Mit Clusteranalyse wurden deutlich 2 Typen differenziert (Tabelle 1). Typ 2 war durch kindliche und familiäre Risikofaktoren, durch früheren Beginn und höhere Intensität der Alkoholabhängigkeit, durch exzessiven Beikonsum anderer Substanzen, durch ausgeprägtere Konsequenzen des Alkoholismus und durch begleitende psychiatrische Probleme charakterisiert. Typ 1 wurde durch späteren Beginn der Alkoholabhängigkeit, durch geringere Risikofaktoren in der Kindheit, durch weniger ausgeprägte physische und soziale Konsequenzen des Konsums, 6 und durch geringere psychopathologische Dysfunktionen charakterisiert. Diese Probanden waren an der Arbeit und in der Familie weniger gestresst (als Typ 2). Die Ergebnisse der obenaufgeführten Studien bestätigten somit die Existenz von zwei Typen von männlichen Alkoholabhängigen. Typ 2 umfasste schwerer gestörte Patienten, die durch früheren Beginn des Alkoholkonsums und dessen schwerwiegendere Folgen, Suizidversuche, Antisoziale Persönlichkeitsstörung und ausgeprägtere Pathologie der Eltern charakterisiert wurden (Tabelle 1). Typ 1 stellte eine Restkategorie dar, die sich meist durch die Abwesenheit der den Typ 2 charakterisierenden Merkmale auszeichnete. Ausser diesem Befund gibt es mehrere Untersuchungen, die Ähnlichkeiten zwischen Alkohol- und Opioidabhängigen bezüglich affektiven Störungen und Angststörungen, aggressivem Verhalten (Craig, 1979) und Missbrauch zusätzlicher psychotroper Substanzen (O’Donnell, 1969) aufzeigen. Aufgrund dieser Ähnlichkeiten hat Matutat (2004) versucht, die Typologie Alkoholabhängiger auch bei Opioidabhängigen zu reproduzieren. Matutat hat 100 männliche Probanden mit der Hauptdiagnose „Opioidabhängigkeit“ untersucht. Sie hat aus der Literatur für die Typologie Alkoholabhängiger bedeutsame Items übernommen und für Opioidabhängige entsprechend modifiziert und erweitert. Daraus ist ein Fragebogen entstanden, durch den - wie auch mittels SKID-II (Strukturiertes Klinisches Interview für die Symptome, Syndrome und Diagnosen der DSM-IV Achse II Störungen) - die Daten erfasst wurden. Der Datensatz wurde mittels Cluster- und Diskriminanzanalyse ausgewertet. Die Clusteranalyse ergab zwei Cluster Opioidabängiger. Ein kleinerer Cluster Typ 2 (25 Probanden) wurde durch junges Alter, mit schwerer Suizidalität einhergehende Depression, exzessiven Beikonsum von Benzodiazipinen, und zusätzlich Alkoholismus und Depression des Vaters charakterisiert. Bei Typ 1 Opioidabhängiger (52 Probanden) waren die obenerwähnten Merkmale deutlich schwächer ausgeprägt. Die Diskriminanzanalyse ergab sieben Variable (Tabelle 2), die beide Cluster gut differenzieren und somit den depressiven Typus Opioidabhängiger identifizieren. 7 Tabelle 1: Übersicht über Typologiestudien nach Matutat (2004) Studien Variablen Typ 1 Typ 2 Cloninger et al. (1981). Trinkbeginn < 25 J. + +++ Alkoholismus der Eltern + +++ Kriminalität bei den Eltern + +++ Aggressives Verhalten unter Alkoholeinfluss + +++ Kontrollverlust +++ + Schuldgefühle wegen Alkoholkonsums +++ + > 25 < 25 Erster Behandlungskontakt mittleres Alter junger Erwachsener Alter erster subjektiv wahrgenommener Probleme wegen Alkoholismus mittleres Alter junger Erwachsener Dauer des Alkoholkonsums (Jahre) länger kürzer Missbrauch legaler und illegaler Drogen bei den Eltern + +++ Depression bei den Eltern + +++ Verlust der Arbeit wegen Alkoholkonsums + +++ Verhaftung unter Alkoholeinfluss ++ +++ Fahren unter Alkoholeinfluss ++ +++ Kriminalität + +++ Missbrauch von Drogen + +++ Fernbleiben von der Arbeit wegen Alkoholismus ++ +++ + +++ Aggressives Verhalten - ++ Antisoziale Persönlichkeitsstörung + +++ Depression + ++ Angst ++ +++ Antisoziale Persönlichkeit + +++ Hyperaktivität, gestörtes Sozialverhalten + +++ von Knorring et al. (1985a) Trinkbeginn (Jahre) Buydens-Branchey et al. Suizidversuche (1989) Babor et al. (1992) 8 Tabelle 2: Merkmale männlicher Typ 1- und Typ 2- Opioidabhängiger (Matutat, 2004) Studien Variablen Typ 1 Typ 2 Matutat (2004) Patient in Therapie wegen Depression + +++ Vater Alkoholmissbrauch + +++ Patient schwere Suizidversuche + +++ Patient zusätzlicher Benzodiazepinmissbrauch + +++ Vater ambulante Behandlung wegen Depression + ++ Patient jüngeres Alter ++ +++ Patient gewalttätig unter Drogen + ++ In der vorliegenden Arbeit soll die Typologie der Opioidabhängigen und die Identifizierung des obenerwähnten depressiven Typus validiert werden. Diese Validierung wurde an einer unabhängigen Stichprobe durchgeführt: Während die vorangehende Studie die hospitalisierten opioidabhängigen Männer, die in ein abstinenzunterstützendes und -orientiertes Programm integriert wurden, untersuchte, wurde die vorliegende Studie an ambulanten opioidabhängigen Männern durchgeführt, die an einem substitutionsorientierten Programm teilnahmen. Zusätzlich wurde in der vorliegenden Studie die Anzahl der Messverfahren erweitert. Neben den von Matutat verwendeten zwei Messverfahren - zusammengestellte Fragebogen (s. oben) und SKID-II - wurden auch SKID-I (Strukturiertes Klinisches Interview für die Symptome, Syndrome und Diagnosen der DSM-IV Achse I Störungen), Beck-Depressions-Inventar (BDI) und Parental-Bonding-Instrument (PBI) angewendet. SKID-I wurde gewählt, um die Diagnose Depression genauer aufzuschlüsseln und um den depressiven Typus der Oioidabhängigen, die Matutat (2004) identifiziert hat, zu validieren. BDI wurde zur Erfassung der Schwere depressiver Symptome angewendet. Dabei interessierte die Autorin, ob die beiden Typen der Opioidabhängigen sich anhand der aktuellen Ausprägung der BDI-Variable unterscheiden. Nach Patterson (1982) und Stattin & Klackenberg-Larsson (1990) sind Inkonsistenz der Anforderungen und Nachlässigkeit in der Aufsicht diejenigen Merkmale der Eltern-KindInteraktion, die mit späteren Alkohol- und Drogenmissbrauch des Kindes einhergehen. Baumrind (1991) betont, dass diejenigen Eltern, die in der Erziehung geringe Konventionalität, wenig Aufsicht und Herausforderung und wenig Unterstützung aufweisen, Risikofaktoren für Alkohol- und Drogenkonsum ihrer Jugendlichen darstellen. 9 Aus diesen Überlegungen wurde der Versuch unternommen, die Qualität der intimen Eltern-Kind-Beziehungen mittels PBI zu messen. Dabei wurde analog zu BDI überprüft, ob sich zwei Typen der Opioidabhängigen in den Ausprägungen der PBI - Variablen unterscheiden. Da Komorbidität und Mehrfachabhängigkeit häufige Phänomene bei Suchtkranken sind, könnte deren Typisierung helfen, „ätiologisch homogene Gruppen“ und ihre Entstehungsfaktoren zu identifizieren, um entsprechend gezielt präventiv zu handeln. Fragestellungen - Gibt es wirklich zwei Gruppen der Opioidabhängigen (eine von ihnen durch einen depressiven Typ repräsentiert)? - Wenn ja, welche robusten Variablen differenzieren diese beiden Cluster? Sind dies die in der vorangegangenen Untersuchung identifizierten Variablen? 10 2 Untersuchungsteil 2.1 Probanden Es wurden Männer (N=30) mit psychiatrischer Hauptdiagnose „Opioidabhängigkeit“, codiert nach ICD-10 : F 11.21, untersucht. Neben dieser gestellten Hauptdiagnose wurden an die Probanden für die Teilnahme an der Untersuchung folgende Kriterien aufgestellt: sie mussten 20 bis 60-jährig sein, kognitiv und sprachlich fähig, die diagnostischen Instrumente zu verstehen und die Fragebögen vollständig auszufüllen, zum Zeitpunkt der Untersuchung in ambulanter psychiatrischer Behandlung und in ein Methadonprogramm integriert sein. Im weiteren mussten sie ein schriftliches Einverständnis für die Teilnahme an der Studie an die Autorin erteilt haben. Zum Zeitpunkt der Interviews durften sie schliesslich weder eine psychotische Störung noch Entzugserscheinungen aufweisen. Probanden, die diesen Kriterien nicht entsprachen, wurden nicht in die Stichprobe aufgenommen. Die Patienten wurden aus der Poliklinik Zokl 1 der ARUD ZÜRICH (Arbeitsgemeinschaft für risikoarmen Umgang mit Drogen), die die Heroinabhängigen in einer methadon- und buprenorphin-gestützten Behandlung mit umfassendem psychosozialem Angebot betreut, rekrutiert. Ursprünglich hat eine grössere Patientenanzahl (N=33) ihr Einverständnis für die Teilnahme erklärt. Ein Proband wurde aus der Stichprobe ausgeschlossen, da er während des Ausfüllens des SKID-II-Fragebogens ausfällig und aggressiv wurde, zwei weitere Probanden hatten ungenügende Sprachkenntnisse, um die Fragebögen ausfüllen. Für die Teilnahme an der Untersuchung erhielten die in die Stichprobe aufgenommen Probanden je Fr. 20.-. 11 2.2 Instrumente 2.2.1 „Interviewbogen zur Typisierung von Opioidabhängigkeit“ Dieses Forschungsinstrument ist in seiner ursprünglichen Form von Matutat (2004) zusammengestellt worden. Dabei ging die Autorin von den in der Literatur zur Typisierung der Alkoholabhängigkeit vorhandenen Fragebögen (Cloninger et al., 1981, 1987; Knorring et al., 1985; Barbor et al., 1992; Buydens-Branchey et al., 1989) aus. Sie hat die Items entsprechend ihrer eigenen Fragestellung modifiziert und untersucht, ob die Typologie der Alkoholabhängigkeit auf die Opioidabhängigkeit übertragbar ist. Da in der vorliegenden Arbeit - im Vergleich zur Untersuchung von Matutat - zusätzliche Messinstrumente angewendet wurden, sind einige Variablenredundanzen entstanden, die durch Kürzung des obenerwähnten Interviewbogens (von Matutat) behoben wurden. Als Resultat der erwähnten Modifizierung ist ein Interviewbogen entstanden, der 68 Variablen enthält. Die Items betreffen den Konsum, die Arbeits- und Wohnsituation, die Gewaltbereitschaft, die Depressivität und allfällige psychiatrische Behandlungen der Probanden. Weitere Fragen untersuchen, ob ein Proband vorbestraft ist, oder ob eine ADHD (Aufmerksamkeit - und Hyperaktivitätssyndroms) in der Kindheit vorgelegen hat. Der Konsum und ein allfälliges Vorbestraftsein der Eltern wurde miteinbezogen. Auch wurde die Frage nach Suizidalilät gestellt, die nach Motto (1965) differenziert und skaliert ist. Motto stellte vier Schweregrade von Suizidversuchen dar. In der vorliegenden Arbeit wird einzig der vierte Grad - ein unmissverständlicher Versuch, sich das Leben zu nehmen - berücksichtigt. 2.2.2 SKID-I Das Strukturierte Klinische Interview für DSM-IV Störungen (SKID-I) ist ein semistrukturiertes Instrument, das die Symptome, Syndrome und Diagnosen der Achse I entsprechend den Kriterien des Diagnostischen und Statistischen Manuals (DSM-IV, APA 1994, deutsch: Sass, Wittchen und Zaudig, 1996) - zu erfassen ermöglicht. 12 Reliabilität und Effizienz (die ambulanten Patienten benötigten für die Untersuchung durchschnittlich 74 Minuten) dieses diagnostischen Instrumentes ermöglicht eine relativ schnelle und valide Diagnosestellung nach DSM-IV (Schmitz, Fydrich & Limbacher 1996). Zusätzlich erlaubt dieses Messverfahren, bei der Diagnosestellung die PunktzeitPrävalenz von der Lifetime-Prävalenz zu differenzieren. Während des Interviews wurden die Probanden aufgefordert, ihre Symptome zu beschreiben. Dabei wurde bei jeder Frage eine klinische Entscheidung getroffen, ob ein diagnostisches Kriterium erfüllt ist. Die Codierung auf dem Beurteilungsfragebogen gibt an, ob die Kriterien der erfragten Störungen erfüllt sind. Folgende Codierungen sind vertreten: „?, 1, 2, 3“. Dabei wurde „?“ dann codiert, wenn die Informationen nicht ausreichen, um die Diagnose der Störung auszuschliessen oder zu bestätigen. „1“ bezeichnet das Nichterfüllen des Kriteriums, „2“ bezeichnet, dass das Kriterium unterschwellig vorhanden sind, und „3“ deutet schliesslich an, dass das Kriterium erfüllt ist. 2.2.3 SKID-II Das Strukturierte Klinische Interview für die Achse II Störungen des DSM-IV (SKID-II) ist ein diagnostisches Verfahren, das nachvollziehbare Kriterien von Persönlichkeitsstörungen liefert. Damit können zwölf Persönlichkeitsstörungen (zehn auf der Achse II und zwei im Anhang des DSM-IV) diagnostiziert werden. Die Reliabilitätswerte für diejenigen Persönlichkeitsstörungen, die häufig vorkommen, lag zwischen k = .61 [Kappa-Werte] (paranoide Persönlichkeitsstörung) und k = .81 (selbstunsichere Persönlichkeitsstörung). Der Koeffizient für die Interrater-Reliabilität für das Vorhandensein mindestens einer Persönlichkeitsstörung lag bei k = .75 (Renneberg et.al., 1992. In Schmitz et.al., 1996). Im Rahmen dieses Messverfahrens wird zuerst ein Fragebogen ausgefüllt. Auf die vom Patienten im Fragebogen eindeutig als nicht zutreffend beantworteten Fragen wurde im Interviewteil nicht mehr eingegangen, weil bekannt ist, dass es in Selbstfragebögen praktisch keine negativen Angaben in der Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen gibt 13 (Modestin et al., 1998). Dies verkürzte erheblich die Durchführungszeit, die sich dadurch durchschnittlich auf 30 Minuten belief. Bei der Beurteilung der einzelnen Kriterien wurde immer nach entsprechenden Beispielen gefragt, um jedes einzelne Kriterium verifizieren zu können. Für die Codierung und Auswertung des Interviews wurde der gleiche diagnostische Kriterien-Index wie beim SKID-I verwendet. 2.2.4 Beck-Depressions-Inventar (BDI) Um die depressive Symptomatik der Opioidabhängigen zu erfassen, wurde neben SKID-I das BDI (Beck et al., 1995) angewendet. Das BDI ist ein Selbstbeurteilungsinstrument zur Erfassung der Schwere depressiver Symptome - wie traurige Stimmung, Versagen, Schuldgefühle und sozialer Rückzug - aus affektiven, kognitiven, motivationalen und vegetativen Bereichen. Durch die BDI-Items konnten die im DSM-III enthaltenen Kriterien nahezu vollständig erfasst werden. Beck et al. (1988) betonen hohe Reliabilität und Validität des Fragebogens: für psychiatrische Patienten finden sich Innere Konsistenzwerte zwischen .76 und .95. Die Retest-Reliabilitiät für eine Woche liegt zwischen .60 und .86. Mittels des BDI Summenwertes können - im Unterschied zu SKID-I - keine diagnostischen Entscheidungen getroffen werden. Der Summenwert der BDI kann zwischen 0 und 63 Punkten schwanken. Werte unter 11 Punkten werden als unauffällig bezeichnet, Werte zwischen 11 und 17 weisen eine milde bis mässige Ausprägung depressiver Symptome auf. Als klinisch relevant gilt die Punktzahl 18 und darüber. Der Reliabilitätskoeffizient (Cronbach’s Alpha) ergab den Wert von 0.89 (S. 34). 2.2.5 Parental-Bonding-Instrument (PBI) Um die Qualität der intimen Eltern-Kind-Beziehungen zu messen, wurde der PBI (Parker et al.,1979; Wilchelm et al., 1988) angewendet, der zwei Dimensionen - Kontrolle und Fürsorge - mütterlichen und väterlichen Verhaltens in der Eltern-Kind-Beziehung misst. 14 Die Fürsorge-Dimension drückt vor allem die emotionale Komponente aus, die einerseits Wärme, Aufmerksamkeit und Zuneigung, anderseits Vernachlässigung einschliesst. Die Kontroll-Dimension suggeriert einerseits Dominanz, Kritik und autoritäres Verhalten, anderseits Förderung der Autonomie und Unabhängigkeit. Zunehmende Kontrolle in der Beziehung ist mit mangelnder Fürsorge assoziiert; dies impliziert, dass die beiden extrahierten Faktoren (Kontrolle und Fürsorge) voneinander nicht ganz unabhängig sind. Die Probanden wurden angewiesen, sich vom Zeitpunkt ihrer Geburt bis zum 16. Lebensjahr an verschiedene Verhaltensweisen der Eltern zu erinnern und die Fragebögen dementsprechend auszufüllen. Der Fragebogen hat insgesamt 50 Fragen; davon betreffen 25 die Mutter und 25 den Vater. Aus den vier möglichen Antwortkategorien - „trifft zu“, „trifft etwas zu“, „trifft eher nicht zu“, „trifft nicht zu“ - muss der Proband für jede Frage nur die für ihn Zutreffende ankreuzen. Der Retest-Reliabilität dieses Messinstrumentes liegt laut Wilchelm et al. (1988) für sechs Wochen zwischen 0.8 und 0.89 (p< 0.001) und somit sehr hoch. Die Validitätswerte liegen je nach Skala zwischen 0.43 und 0.74 (p< 0.001) (Wilchelm et al., 1988). Die Reliabilitätskoeffizienten (Cronbach’s Alpha) fielen zwischen 0.81 und 0.94 aus (Tabelle 9). 2.3 Vorgehen Die Untersuchungsgenehmigung der Spezialisierten Unterkommission Psychiatrie, Neurologie, Neurochirurgie hat ermöglicht, mit der eigentlichen Untersuchung zu beginnen. Die TherapeutInnen in der ARUD ZÜRICH, Zokl 1, haben sich einverstanden erklärt, eine von der Autorin verfasste Aufklärung über die Studie an ihre Patienten abzugeben. Nach Erhalt der Aufklärung haben diejenigen Probanden, die bereit waren, an der Studie teilzunehmen, die Möglichkeit gehabt, mit der Autorin aufgetauchte Fragen in Bezug auf die Untersuchung zu klären. Jeder Proband musste für die Untersuchung zwei Termine wahrnehmen. Der erste Termin, der dem Ausfüllen von Fragebögen (SKID-II, BDI und PBI) gewidmet war, 15 wurde von den Probanden in kleinen Gruppen (2 bis 4) in Anwesenheit der Autorin durchgeführt. Die untersuchten Männer wurden instruiert, sich beim Ausfüllen des SKIDII-Fragebogens so zu beschreiben, wie sie sich in den letzten fünf bis zehn Jahren im allgemeinen, das heisst ausserhalb einer möglichen psychiatrischen Symptomatik, gefühlt haben. Nach dem Ausfüllen der Fragebögen wurde mit jedem Probanden ein zweiter Termin, diesmal ein Einzeltermin, für die Durchführung der Interviews – SKID-I und „Interviewbogen zur Typisierung von Opioidabhängigkeit“ - festgelegt. Während des zweiten Termins wurde zusätzlich ein SKID-II-Interview durchgeführt. Darin wurden nur Persönlichkeitsstörungen geprüft, die beim ersten Termin im Fragebogen SKID-II eine erforderliche Kriterienschwelle erreicht oder überschritten hatten. Als Ausnahme galten diejenigen Fälle, in denen auf Grund von widersprüchlichen Antworten ein ausreichender Verdacht bestand, dass eine bestimmte Diagnose einer Persönlichkeitsstörung doch möglich wäre, auch wenn die erforderliche Kriterienanzahl um eins unterschritten war. Nach der Untersuchung wurde den Probanden die zuvor ausgemachten Fr. 20.- ausbezahlt und für die Teilnahme gedankt. 2.4 Statistische Auswertung Deskriptive Statistik Zu Beginn der statistischen Auswertung wurden die aus der Untersuchung gewonnenen Daten tabellarisch zusammengestellt. Für die metrischen Daten wurden die Mittelwerte und die Standardabweichungen, für die nicht metrischen Daten hingegen die absoluten und die relativen Häufigkeiten berechnet. Dies hatte zum Ziel, die untersuchte Stichprobe anhand der Ausprägungsgrade der ausgewählten Merkmaldimensionen zu charakterisieren, und die Daten für den Stichprobenvergleich vorzubereiten. Prüfstatistik Danach wurden univariate Vergleiche zwischen den Daten der vorliegenden Arbeit und der zu validierenden Untersuchung von Matutat (2004) durchgeführt, um die 16 Unterschiede zwischen den beiden Stichproben sichtbar zu machen. Diese Vergleiche wurden mit t-Tests, χ2-Tests und Fischer`s-Exact-Test durchgeführt; Der t-Test wurde für die metrischen Variablen, der χ2-Test - für die nicht metrischen Variablen verwendet. Wenn aber die Zahlenhäufigkeit kleiner oder gleich fünf war, wurde für die nichtmetrischen Daten Fischer`s-Exact-Test durchgeführt. (vgl. Hirsig, 1998, Bd. 1, S. 5.53). In einem weiteren Schritt wurde der Datensatz mit der Clusteranalyse ausgewertet. Dieses Verfahren ermöglicht, Gruppen aufgrund ihrer Merkmale „systematisch zu klassifizieren“ (Hirsig, Bd. 2, 12.1); innerhalb eines Clusters werden diejenigen Objekte zusammengefasst, deren Ähnlichkeit möglichst gross ist. Hingegen werden diejenigen Probanden unterschiedlichen Clustern zugeteilt, deren Unähnlichkeit möglichst gross ist. Die Ähnlichkeit bzw. die Unähnlichkeit der Objekte wird anhand der Distanzen im mehrdimensionalen Raum repräsentiert. In der vorliegenden Arbeit wurde das „k-means“Verfahren angewendet, das auf folgendem Prinzip beruht: Alle Objekte „müssen so eingeordnet sein, dass sie zum Centroiden ihres eigenen Clusters eine geringere Distanz aufweisen als zu den Centroiden der anderen Cluster“ (Hirsig., Bd. 2, S. 12.10). Unter dem Clustercentroid versteht man „die Mittelwerte der Koordinaten der zum Cluster gehörenden“ Objekte (Hirsig, 12.6). Für die „k-means“-Clusteranalyse wurde eine 2Clusterlösung vorgegeben. In der weiteren Auswertung wurde für die beiden Cluster eine Diskriminanzanalyse durchgeführt. Die sieben Variablen, die nach den Ergebnissen Matutats (2004) einen depressiven Typus der Opioidabhängigen von der Restkategorie differenzierten, wurden in die Analyse einbezogen. Dies hat die Überprüfung ermöglicht, ob dieselben sieben Variablen eine Unterscheidung zwischen den beiden in der vorliegenden Studie gewonnenen Cluster vornehmen können. Weiterhin wurden folgende PBI-Faktoren identifiziert: Mutter Care, Mutter Control, Vater Care und Vater Control. Für jeden Probanden existierten somit 4 Variablen. Die beiden Cluster wurden bezüglich der Mittelwerte dieser vier Variablen mittels t-Test auf dem Signifikanzniveau von 5% verglichen. 17 Als letzter Schritt der Auswertung wurden beide Cluster bezüglich ihrer Mittelwerte auf dem Signifikanzniveau von 5% im BDI-Fragebogen verglichen. 18 3 Ergebnisse Univariate Vergleiche Die Resultate der univariaten Vergleiche der stationär behandelten männlichen Probanden (Matutat, 2004) einerseits und der ambulant behandelten der vorliegenden Studie andererseits, bzw. einerseits der abstinenzorientiert und andererseits der substitutionsorientiert behandelten Probanden, sind in Tabellen 3-7 aufgelistet. Zuerst wurden soziodemographische Daten und klinische Charakteristika in Tabelle 3 verglichen. Daraus sind folgende signifikante Unterschiede zu entnehmen: Diejenigen Probanden, die im Rahmen der vorliegenden Studie untersucht wurden, sind durchschnittlich älter (36.9 vs. 29.7 Jahre), sie wiesen eine signifikant tiefere Arbeitslosigkeit (67% vs. 87%) auf. Am deutlichsten unterschieden sie sich dadurch, dass fast die Hälfte von ihnen (47% vs. 18%) in einer Partnerschaft lebten. Aus den soziodemographischen Daten ist weiterhin zu entnehmen, dass die beiden Stichproben sich im Merkmal „Ehestand“ - auf dem Signifikanz-Niveau von 5% - nicht signifikant unterschieden: die meisten Probanden (73% vs. 82%) waren ledig, ein kleinerer Teil (17% vs. 5%) verheiratet, ca. ein Zehntel (10% vs. 12%) geschieden. Ergänzend ist zu erwähnen, dass der grösste Teil der Probanden der beiden Stichproben (73% vs. 68%) über eine berufliche Ausbildung verfügte. Bezüglich der aktuellen Lebenssituation der untersuchten Männer wurden ähnliche Verteilungen in folgenden Kategorien festgestellt: Probanden wohnten während der Untersuchungszeit alleine (33% vs. 34%) oder „mit Eltern/Verwandten“ (7% vs. 16%) oder mit anderen Menschen zusammen (10% vs. 13%). Weiterhin sind in Tabelle 3 die klinischen Charakteristika aufgelistet. Die Drogenkarriere betreffende signifikante Unterschiede sind folgende: Die Probanden der von der Autorin durchgeführten Studie haben eine deutlich kleinere Anzahl stationärer Therapien wegen Drogenkonsums (0.2 vs. 5.7) ausgewiesen. Auf der anderen Seite wiesen sie mehr an Konsum bzw. Beikonsum von Methadon (100% vs. 26%), Alkohol (53% vs. 24%), Cannabis (83% vs. 40%), Benzodiazepinen (53.3% vs. 32%) und von 19 Tabelle 3: Vergleich opioidabhängiger, stationär und ambulant behandelter Männer Stationär Ambulant Behandelte Behandelte N = 100 N = 30 Deskriptive Statistika Aktuelles Alter (in Jahren): MD ± SD χ2 (1) t df p -5.39 128 0.000 29.7 ± 6.2 36.9 ± 7.1 ledig 82 22 (73) verheiratet 5 5 (17) 0.043c geschieden 12 3 (10) 1.00c Berufliche Ausbildung: n (%) 68 22 (73) 0.11 0.37 Keine regelmässige Arbeit in den letzten 3 Monaten 87 20 (67) 5.23 0.011 Aktuelle Lebenssituation: n (%) allein 34 10 (33) 0.02 0.43 mit Eltern/Verwandten 16 2 (7) mit Partner 18 14 (47) mit anderen zusammen 13 3 (10) 1.00 anderes 19 1 (3) 0.036c Alter des ersten Drogenkonsums [in Jahren]: MD ± SD 14.9 ± 4.0 16.3 ± 6.1 -1.18 37 0.24 Alter des ersten Opiatkonsums [in Jahren]: MD ± SD 19.6 ± 4.7 22.0 ± 9.2 -1.37 34 0.18 Alter regelmässigen Opiatkonsums (≥ 3 x /Woche) [in Jahren]: MD ± SD 21.1 ± 5.7 22.9 ± 9.1 -1.03 36 0.31 Alter subjektiv empfundener Drogenprobleme [in Jahren]: MD ± SD 22.6 ± 6.2 - Alter der ersten ambulanten Opiatbehandlung [in Jahren]: MD ± SD 23.5 ± 6.1 26.3 ± 7.8 -1.81 40 0.07 Alter der ersten stationären Opiatbehandlung [in Jahren]: MD ± SD 25.4 ± 6.3 23.1 ± 5.6 1.78 128 0.07 5.7 ± 5.6 0.2 ± 0.5 9.69 104 0.000 Ehestand: n (%) 0.61 0.21 c 0.24 8.73 0.002 c Anzahl stationärer Therapien wegen Drogen (einschliesslich aktueller Therapie): MD ± SD a nominalskalierte Variablen: absolute Häufigkeit (relative Häufigkeit in Prozent in Klammern); metrisch skalierte Variablen: Mittelwert ± Standardabweichung. b N = 96; relative Häufigkeit 77 % c Fisher's Exact Test 20 Tabelle 3 (Fortsetzung) Stationär N=100 Ambulant N = 30 Deskriptive Statistika χ2 (1) t df p Zusätzlicher Drogenkonsum/-missbrauch Kokain 75 24 (80) 0.10 0.37 Methadon 26 30 (100) 48.56 0.000 Alkohol 24 16 (53) 8.00 0.002 Cannabis 40 25(83) 15.64 0.000 Benzodiazepine 32 16(53.3) 3.64 Ecstasy/LSD 2 16 (53) - 23 (77) Polytoxikomanie Kontrollverlust bezüglich Opiateinnahme 28 Schuldgefühle wegen Drogenkonsum 60 - b - Konflikte mit den Eltern wegen Drogenkonsum 74 Partnerverlust wegen Drogenkonsum 68 15 (50) Arbeitsunfälle wegen Drogenkonsum 74 - Stellenverlust wegen Drogen 67 Unfälle unter Drogeneinfluss 44 0.06 13 (43) 4.51 0.017 10 (33) 0.69 0.20 43 - Verbale Aggressivität unter Drogeneinfluss 24 - Gewalt unter Drogen 19 0 (0) Verhaftungen unter Drogeneinfluss 79 - Verhaftungen wegen Führen eines Fahrzeuges unter Drogeneinfluss 37 - Vorstrafen: 79 18 (60) Eigentumsdelikte 42 - Verkehrsdelikte 29 - Verstösse gegen das BMG 70 18 (60) andere Delikte 3 - b c c 0.011 3.45 0.032 0.65 0.211 nominalskalierte Variablen: absolute Häufigkeit (relative Häufigkeit in Prozent in Klammern); metrisch skalierte Variablen: Mittelwert ± Standardabweichung. N = 96; relative Häufigkeit 77 % Fisher's Exact Test 21 c 2.51 Verbale Aggressivität unter Abstinenz a 0.005 0.000 Ecstasy (53% vs. 2%) auf. Der grösste Unterschied zwischen beiden Stichproben in der Variablen „Zusätzlicher Drogenkonsum/-missbrauch Methadon“ ist durch die Probandenauswahl für die vorliegende Studie zu erklären. Denn es wurde dazu die Teilnahme der Opioidabhängigen an einem Methadonprogramm verlangt. Folgende Merkmale, welche den Drogenkonsum der Probanden betreffen, wiesen keine signifikanten Stichprobenunterschiede auf: sowohl das Alter des ersten Drogenkonsums (16.3 vs. 14.9 Jahre), wie auch dasjenige des ersten Opiatkonsums (22.0 vs. 19.6 Jahre), wie auch dasjenige des regelmässigen, mehrmals wöchentlichen Opiatkonsums (22.9 vs. 21.1 Jahre,). Dazu ist noch zu ergänzen, dass sowohl das Alter der ersten ambulanten (26.3 vs. 23.5 Jahre) wie auch der ersten stationären (23.1 vs. 25.4 Jahre) Drogenbehandlung vergleichbar sind. Der Beikonsum (d.h. die zusätzlich zu Heroin konsumierten Drogen) von Kokain in beiden Gruppen (80% vs. 75%) deutet auch auf eine Ähnlichkeit der beiden Stichproben hin (Tabelle 3, Fortsetzung). Der Vergleich von sozialen Folgen des Drogenkonsums in Tabelle 3, Fortsetzung (nach der Trennungslinie), stellt klar, dass die beiden Stichproben sich in vier Variablen auf dem Signifikanzniveau von 5% signifikant unterscheiden: Die Probanden der vorliegenden Studie haben deutlich weniger Arbeitsstellen wegen Drogenkonsum verloren (43% vs. 67%) und sie sind unmissverständlich weniger gewalttätig unter Drogen gewesen (0% vs. 19%). Diese Männer waren, im Vergleich mit der anderen Stichprobe, und in Übereinstimmung mit den ersten zwei Variablen, auch insgesamt weniger vorbestraft (60% vs. 79%). Die beiden Stichproben unterschieden sich nicht signifikant in Bezug auf die folgenden zwei Variablen: „Partnerverlust wegen Drogenkonsum“ (50% vs. 68%) und „Unfälle wegen Drogeneinfluss“ (33% vs. 44%). 22 Tabelle 4: Vergleich opioidabhängiger, stationär und ambulant behandelter Männer bezügl. Komorbidität Aktuell generalisierte Angststörung Depressive Störungen Stationär Behandelte Ambulant Behandelte N = 100 N = 30 absolute/relative absolute Häufigkeit Häufigkeit (relative Häufigkeit %) 21 0 (0) - 14 (47) 31 2 (7) Major depression lifetime - 6 (20) Bipolar I Störung lifetime - 1(3) Aktuell depressive Störung χ2 (1) p 0.007 c 0.007 c Aktuell dysthyme Störung - 2 (7) Minor depression lifetime - 5 (17) Frühere Behandlung wegen Depression 41 7 (23) Anzahl Suizidversuche 42 - Suizidversuche 4. Grades 32 2 (7) 0.006 c Wiederholte Suizidversuche 22 1 (3) 0.019 c 2.38 0.061 Störungen in der Kindheit b - Hirnschaden 10 Aufmerksamkeitsstörung 27 9 (30) Hyperaktivitätsstörung 21 5 (17) 0.40 ADHD 11 3 (10) 1.00 54 17 (57) 0.01 0.46 c c Conduct disorder (gestörtes Sozialverhalten) a 0.00 0.48 relative Häufigkeit auf volle Zahl gerundet b N = 98; relative Häufigkeit 10 % c Fisher's Exact Test 23 In Tabelle 4 sind die Komorbiditätsdaten aufgeführt. Die signifikanten Unterschiede sind in folgenden Variablen sichtbar: in der Stichprobe der vorliegenden Studie wies keiner der Probanden eine aktuelle generalisierte Angststörung (0% vs. 21%) auf; diese Probanden wiesen auch deutlich weniger aktuelle depressive Störungen (7% vs. 31%), Suizidversuche 4. Grades (7% vs. 32%) und wiederholte Suizidversuche (3% vs. 22%) auf. Die Stichprobe von Matutat (2004) zeigte im Verhältnis zur Stichprobe der vorliegenden Untersuchung eine Tendenz zu einer höheren Teilnahme an Depressionsbehandlungen (23% vs. 41%), die aber nicht signifikant war. Zusätzlich wiesen beide Stichproben eine hohe Ähnlichkeit in folgenden Störungen der Kindheit auf: Aufmerksamkeitsstörung (30% vs. 27%), Hyperaktivitätsstörung (17% vs. 21%), ADHD-Störungen (10% vs. 11%) und gestörtes Sozialverhalten (57% vs. 54%). 24 Tabelle 5: Vergleich opioidabhängiger, stationär und ambulant behandelter Männer. Mutterbezogene Daten Stationär Ambulant Behandelte Behandelte Mutter Mutter χ2 (1) p 11/99 (11) 6/30 (20) 0.91 0.17 Opioidmissbrauch / -abhängigkeit 1/99 (1) 0/30 (0) 1.00c Missbrauch anderer illegaler Drogen 2/99 (2) 1/30 (3) 0.55c wirkender Drogen 38/99 (38) 1/30 (3) 0.000 Benzodiazipine 15/38 (39) - Nikotin 14/38 (37) - Analgetika 9/38 (24) - 14/44 (32) 1/30 (3) Drogenmissbrauch 6/44 (14) - Ambulante Behandlung wegen Depression 22/96 (23) 6/30 (20) Stationäre Behandlung wegen Depression 9/96 (9) 3/30 (10) - - 17/98 (17) 5/30 (17) 1.00 2/97 (2) 2/30 (7) 0.24c Variablen Alkoholmissbrauch / - abhhängigkeit Gebrauch/Missbrauch anderer psychotrop c Ambulante Behandlung wegen Drogenmissbrauch c 0.003 Stationäre Behandlung wegen 0.01 0.47 1.00 c Behandlung wegen Depression (ambulant oder stationär) Aggressives Verhalten Vorstrafen a relative Häufigkeit auf volle Zahl gerundet b N = 98; relative Häufigkeit 10% c Fisher's Exact Test c 25 Tabelle 6: Vergleich opioidabhängiger, stationär und ambulant behandelter Männer. Vaterbezogene Daten Stationär Ambulant Behandelte Behandelte Vater Vater χ2 (1) p 35/98 (36) 12/29 (41) 0.11 0.37 Opioidmissbrauch / -abhängigkeit 3/98 (3) 0/29 (0) 1.00c Missbrauch anderer illegaler Drogen 3/98 (3) 1/29 (3) 1.00c wirkender Drogen 53/98 (54) 4/29 (14) 0.000 Benzodiazipine 4/53 (8) - Variablen Alkoholmissbrauch / - abhhängigkeit Gebrauch/Missbrauch anderer psychotrop Nikotin 36/53 (68) - Analgetika 13/53 (25) - 12/78 (15) 1/29 (3) 10/77 (13) - 9/96 (9) 1/29 (3) 37/98 (38) 7/29 (24) 7/97 (7) 1/29 (3) c Ambulante Behandlung wegen Drogenmissbrauch 0.18 c Stationäre Behandlung wegen Drogenmissbrauch Behandlung wegen Depression (ambulant oder stationär) Aggressives Verhalten Vorstrafen a relative Häufigkeit auf volle Zahl gerundet b N = 98; relative Häufigkeit 10% c Fisher's Exact Test c 0.45 1.28 0.13 0.68 26 c In Tabellen 5 und 6 sind die elternbezogenen Daten aufgeführt, die in ihrer Gesamtheit hohe Ähnlichkeit der beiden Elternteile zwischen den beiden Untersuchungsstichproben sichtbar machen. Die zwei signifikanten Unterschiede zwischen Müttern der Probanden der beiden Stichproben (Tabelle 5) sind folgende: Gebrauch/Missbrauch anderer psychotrop wirkender Drogen (3% vs. 38%) und Anzahl ambulanter Behandlungen wegen Drogenmissbrauch (3% vs. 32%). Somit konsumierten die Mütter der Probanden aus der vorliegenden Studie wesentlich weniger psychotrop wirkende Substanzen und unterzogen sich weniger häufig einer Behandlung wegen Drogenkonsums. In 7 von 9 der zu vergleichenden Variablen unterschieden sich Mütter der untersuchten Männer nicht signifikant: Missbrauch von Alkohol oder Alkoholabhängigkeit (20% vs. 11%), Missbrauch von Opiaten oder in Opiatabhängigkeit (0% vs. 1%), Missbrauch anderer illegaler Drogen (3% vs. 2%), Anzahl ambulanter Behandlungen wegen Depression (20% vs. 23%), Anzahl stationärer Behandlungen wegen Depression (10% vs. 9%), aggressives Verhaltens (17% vs. 17%) und schliesslich Vorhandensein früherer Gerichtsurteile (7% vs. 2%). Das einzige Merkmal, in welchem die Väter der zu vergleichenden Stichproben (Tabelle 6) sich unterschieden, ist der Gebrauch/Missbrauch anderer psychotrop wirkender Drogen. Die Väter der in der vorliegenden Studie untersuchten Männer haben deutlich weniger Benzodiazepine, Nikotin und Analgetika konsumiert (14% vs. 54%). Die Väter wiesen in 6 der 7 erfassten, im folgenden aufgelisteten Merkmalen keine signifikanten Unterschiede auf: Missbrauch von Alkohol oder Alkoholabhängigkeit (41% vs. 36%), Missbrauch von Opiaten oder Opiatabhängigkeit (0% vs. 3%), Missbrauch anderer illegaler Drogen (3% vs. 3%), Anzahl ambulanter Behandlungen wegen Drogenmissbrauch (3% vs. 15%), Behandlung wegen Depression (ambulant oder stationär; 3% vs. 9%), aggressives Verhalten (24% vs. 38%) und schliesslich Vorhandensein früherer Gerichtsurteile (3% vs. 7%). 27 Tabelle 7: Häufigkeit von im Interview ermittelten Persönlichkeitsstörungen (PD) gemäss DSM-IVKriterien Stationäre N=100 Ambulante N = 30 absolute = relative Häufigkeit absolute Häufigkeit (relative Häufigkeit %a) Paranoide PD 14 3/30 (10)b 0.76c Schizoide PD 12 1/30 (3) 0.30c Schizotype PD 4 0/30 (0) 0.57c Total PD Cluster A 23 4/30 (13) 0.31c Histrionische PD 12 0/30 (0) 0.07c Narzisstische PD 2 0/30 (0) 1.00c Borderline PD 51 2/30 (7) 0.000c χ2 (1) p Antisoziale PD 23 8/30 (27) 0.03 0.43 Total PD Cluster B 59 9/30 (30) 6.66 0.005 Vermeidende PD 7 3/30 (10) 0.70c Abhängige PD 3 0/30 (0) 1.00c Zwanghafte PD 7 0/30 (0) 0.35c Total PD Cluster C 15 3/30 (10) 0.76c Negativistische PD 7 1/30 (3) 0.68c Depressive PD 7 2/30 (7) 1.00c Total PD 67 12/30 (40) 5.97 0.007 a relative Häufigkeit auf volle Zahl gerundet b absolute Häufigkeit (vor dem Schrägstrich), N = 30 (nach dem Schrägstrich), relative Häufigkeit (in Prozent in Klammern) c Fisher's Exact Test 28 In Tabelle 7 werden die Verteilungen der mit SKID-II diagnostizierten Persönlichkeitsstörungen der beiden Cluster einander gegenübergestellt. Daraus ist zu entnehmen, dass sich die beiden Stichproben bezüglich der Anzahl Probanden mit mindestens einer Persönlichkeitsstörung aus dem Cluster B 1 unterschieden (30% vs. 59%), sowie bezüglich der Probanden mit mindestens einer Persönlichkeitsstörung insgesamt (40% vs. 67%). Diese beiden hoch signifikanten Unterschiede gehen alleine aus dem seltenen Auftreten der Borderline Persönlichkeitsstörung (7% vs. 51%) in der Stichprobe der vorliegenden Studie hervor. Die beiden Gruppen unterschieden sich nicht signifikant in der Anzahl der Persönlichkeitsstörungen der Clusters A (13% vs. 23%) und C (10% vs. 15%). Zusätzlich gab es bei den beiden weiteren Diagnosen aus dem Anhang des DSM-IV, der Negativistischen (3% vs. 7%) und der Depressiven Persönlichkeitsstörung (7% vs. 7%,) keine signifikanten Unterschiede. Clusteranalyse Für die Clusteranalyse wurden 7 Variablen (Tabelle 2) einbezogen, welche in der Untersuchung von Matutat 2 beide Cluster der Opioidabhängigen gut differenziert haben. Die vorgegebene 2-Clusterlösung wurde bestätigt. Mehr noch: die Clusterzuteilungen der Probanden aus beiden Studien entsprachen sich ausgezeichnet: In der Studie von Matutat wurden 25 der 77 Probanden (=32%) kleineren, die restlichen 52 Probanden (=68%) grösseren Cluster zugeteilt. In Übereinstimung mit diesen Ergebnissen wurden in der vorliegenden Studie 9 der 30 Probanden (=30%) kleineren Cluster 2, die restlichen 21 Probanden (=70%) grösseren Cluster 1 zugeteilt. Dies ergibt in beiden Studien ein Verhältnis von 1:2 (Abbildung 1). Somit kann die erste Frage der vorliegenden Studie, ob es wirklich zwei Gruppen Opioidabhängiger gibt, den Resultaten der Clusteranalyse zu folge, mit „ja“ beantwortet werden. Die Valenz der Variablen für das Clusterbildungsverfahren wird durch deren F-Wert auf dem Signifikanzniveau p< .1 ausgedrückt. 1 Clusterbezeichnungen für die Diagnose der Persönlichkeitsstörungen 2 Matutat, S. 29, Tab. 14. 29 Abbildung 1: Clusterzuteilung 60 50 40 Cluster 1 30 Cluster 2 20 10 0 MAT HOF Die Väter der Probanden aus Cluster 2 haben wesentlich mehr Alkohol konsumiert (8/9 vs. 4/21). Die Probanden aus diesem Cluster waren häufiger als die Probanden aus Cluster 1 in Depressionsbehandlungen (5/9 vs. 2/21), haben mehr schwere Suizidversuche unternommen (2/9 vs. 0/21) und schliesslich seltener neben Heroin auch Benzodiazipine konsumiert (2/9 vs. 14/21). Bei univariaten Vergleichen (Tabelle 8) wurden zwei weitere Variablen identifiziert, in denen sich beide Cluster unterschieden haben, vermeidende Persönlichkeitsstörung (3/9 (=33%) vs. 0/21 (=0%), p=0.021) und Alkoholismus der Mutter (4/9 (=66.7%) vs. 2/21 (=9.5%), p= 0.049). 30 Tabelle 8: Vergleich der beiden Cluster in Bezug auf alle Variablen χ2 (1) Cluster 2 N=9 Cluster 1 N=21 35.2 ± 8.3 37.6 ± 6.6 Zivilstand ledig 8 14 Berufskategorie: mit Berufsausbildung 6 17 0.64c Patient: Wohnsituation: allein 4 6 0.43c Patient: regelmässige Arbeit letzte 3 Monate 4 6 0.43c Patient: Alter erster Drogenkonsum 14.8 ± 2.0 17.0 ± 7.2 -1.27 26 0.21 Patient: Alter erster Opiatkonsum 24.0 ± 9.3 21.1 ± 9.2 0.75 28 0.46 Patient: Alter erster regelmässiger Opiatkonsum 24.8 ± 9.9 22.1 ± 8.9 0.73 28 0.47 Patient: Alter erste Probleme wegen Drogenkonsum 20.9 ± 4.9 22.9 ± 6.4 -.84 28 0.41 Patient: erste ambulante Opiatbehandlung 27.1 ± 10.4 25.9 ± 6.5 0.32 11 0.54 Patient: erste stationäre Opiatbehandlung 23.4 ± 7.4 23.0 ± 4.9 0.13 14 0.90 Patient: Arbeitsverlust wegen Drogen 4 9 1.00c Patient vorbestraft 5 13 1.00c Patient: Verstoss gegen BMG 5 13 1.00c Patient: Autofahren unter Drogen 3 6 1.00c Patient: Partnerverlust wegen Drogenkonsum 6 9 0.43c Patient: Unfälle unter Drogenkonsum 1 9 0.20c Patient: Depressionsbehandlung 5 2 0.014c Patient: aktuelle Depression 1 3 1.00c Patient: Anzahl stationäre Depressionsbehandlungen 0.3 ± 0.7 0.1 ± 0.3 Patient: schwere Suizidversuche 2 0 Beck Depressions-Inventar (BDI) 18.3 ± 14.7 9.9 ± 5.0 Patient: Aufmerksamkeitsstörung 2 7 0.68c Patient: Hyperaktivität und Impulsivität 1 4 1.00c Patient: ADHD 3 7 1.00c Patient: Beikonsum von Alkohol 7 9 0.12 c Patient: Beikonsum von Benzodiazepinen 2 14 0.046 c Patient: Beikonsum von Kokain 8 16 0.64 c t df p -.85 28 0.40 Patient: Demographische Variablen Alter 0.66 0.21 Patient: Drogenbezogene Variablen Patient: Komorbidität c 0.97 9 3.85 0.36 0.025 1.69 9 0.13 Fisher's Exact Test 31 Tabelle 8: Fortsetzung χ2 (1) Cluster 2 N=9 0 Cluster 1 N=21 2 melancholischer Subtypus der derzeitigen MDE 0 2 1.00 c frühere MDE 2 5 1.00 c derzeitige dysthyme Störung 1 1 0.52 c minor depression 3 2 0.14 c derzeitige MDE t df p 1.00 c 18.3 ± 4.6 23.0 ± 1.4 bipolar I Störung 0 1 1.00 c major depression 2 4 1.00 c major depression mit saisonalem Muster 0 2 1.00c 15.5 ± 2.1 20.0 ± 13.0 Schizophrenie 0 3 0.53c Schizophrenie, paranoider Typus 0 1 1.00c Schizophrenie, undifferenzierter Typus 0 2 1.00c Alkoholmissbrauch 3 7 1.00 c Alkoholabhängigkeit 7 9 0.12 c 21.1 ± 5.7 25.2 ± 8.6 Polytoxikomanie 7 16 1.00c Soziale Phobie 2 1 0.21c PTSD 0 2 1.00c spezifische Phobie 0 1 1.00c Zwangsstörung 1 0 0.30c Anorexia nervosa 1 0 0.30c Selbstunsichere Persönlichkeitsstörung 3 0 0.021c Dependente Persönlichkeitsstörung 0 0 - Zwanghafte Persönlichkeitsstörung 0 0 - Negativistische Persönlichkeitsstörung 1 0 0.30c Depressive Persönlichkeitsstörung 2 0 0.083c Paranoide Persönlichkeitsstörung 2 1 0.21c Schizotypisch Persönlichkeitsstörung 0 0 - Schizoide Persönlichkeitsstörung 1 0 0.30c Histrionische Persönlichkeitsstörung 0 0 - Narzisstische Persönlichkeitsstörung 0 0 - Borderline-Persönlichkeitsstörung 1 1 0.52c Antisoziale Persönlichkeitsstörung 3 5 0.67c Störung des Sozialverhaltens Kindheit/Adoleszenz 5 12 1.00c Alter bei Erstmanifestation minor depression Alter bei Erstmanifestation major depression Alter bei Beginn Alkoholmissbrauch/abhängigkeit -1.64 -0.75 -1.14 3 4 14 0.22 0.49 0.28 Patient: Komorbidität: Persönlichkeitsstörungen c Fisher's Exact Test 32 Tabelle 8: Fortsetzung χ2 (1) Cluster 2 N=9 Cluster 1 N=21 Vater: Alkoholkonsum 8 4 0.001c Vater: andere illegale Drogen 1 1 0.53c Vater: andere Substanzen 1 2 0.69c Vater: ambulante Substanzbehandlung 1 0 0.31c Vater: vorbestraft 0 1 1.00c Vater gewalttätig 4 3 0.16c Vater: Depressionsbehandlung 0 1 1.00c Mutter: Alkoholkonsum 4 2 0.049c Mutter: andere Substanzen 0 1 1.00c Mutter: Substanzbehandlung 1 0 0.30c Mutter: vorbestraft 0 2 1.00c Mutter: gewalttätig 2 3 0.62c Mutter: ambulante Depressionsbehandlung 2 4 1.00c Mutter: stationäre Depressionsbehandlung 1 2 1.00c Parental Bonding Vater Overprotection 12.1 ± 7.1 9.8 ± 8.1 0.77 24 0.45 Parental Bonding Vater Care 18.8 ± 5.5 20.2 ± 10.6 0.46 24 0.65 Parental Bonding Mutter Overprotection 11.3 ± 6.4 13.3 ± 7.5 -0.75 28 0.47 Parental Bonding Mutter Care 26.1 ± 9.1 25.4 ± 11.0 0.18 28 0.86 t df p Vaterbezogene Variablen Mutterbezogene Variablen Parental-Bonding-Fragebogen c Fisher's Exact Test Beide Variablen ‚Patient: gewalttätig unter Drogeneinfluss’ und ‚Mutter: Opiatkonsum’ wurden erfasst, kamen jedoch in der untersuchten Stichprobe nicht vor. 33 PBI Die beiden Cluster wurden bezüglich der Mittelwerte der vier Variablen - Vater Control, Vater Care, Mutter Control und Mutter Care - mittels t-Test verglichen. Aus der Resultaten (Tabelle 8) ist zu entnehmen, dass die beide Cluster sich in diesen 4 Werten nicht signifikant unterscheiden. Die Reliabilitätskoeffizienten (Cronbach’s Alpha) fielen zwischen 0.81 und 0.94 aus und waren somit sehr hoch (Tabelle 9). Tabelle 9: Reliabilitätskoeffizienten (Cronbach’s Alpha) der PBI-Dimensionen Variable Cronbach’s Alpha 4 0.84 5 0.89 PBMO6 0.81 7 0.94 PBVO PBVC PBMC 4- Vater Control; 5- Vater Care; 6 - Mutter Control;7- Mutter Care BDI Die BDI Mittelwerte beider Cluster wurden mit t-Test verglichen. Die Resultate sind in der Tabelle 8 aufgeführt. Es ist daraus zu entnehmen, dass obwohl der Mittelwertunterschied zwischen beiden Clusters gross (8.48) ist, die Mittelwertdifferenz wegen grossen Streuung im Cluster 2 - nicht signifikant ausgefallen ist (t= 1.69, p= 0.13). Zusätzlich wurde der Mann-Whitney U-Test durchgeführt, um die beiden Cluster auf ihre zentrale Tendenz in Bezug auf BDI-Werte zu vergleichen (Mann-Whitney’s U= 68.50, p= 0.24). Die Reliabilitätskoeffizient (Cronbach’s Alpha) hat den Wert von 0.89 erreicht. Tabelle 10: Reliabilitätskoeffizienten (Cronbach’s Alpha) der BDI Variable Cronbach’s Alpha BDI 0.89 34 Diskriminanzanalyse Tabelle 11: Resultate der Diskriminanzanalyse Var. Ν Variablen Bezeichnung Cluster 2 Cluster 1 N=9 N=21 3 4 (19) 19.66 0.000 8 (89) F Signifikanz 1 I05B Vater: Alkoholkonsum 2 I34B Patient: Depressionsbehandlung 5 (56) 2 (10) 9.27 0.005 3 I40R Patient schwere Suizidversuche 2 (22) 0 (0) 5.60 0.025 4 I67B Patient: Beikonsum von 2 (22) 14 (67) 5.60 0.025 0 0 - - 35.2 37.6 0.72 0.40 0 1 (5) 0.45 0.51 Benzodiazepinen 5 I16B Patient gewalttätig unter Drogeneinfluss 6 D01S Alter 7 I12B Vater: Depressionsbehandlung Die sieben Variablen, die in der Untersuchung Matutat die beste Trennschärfe zwischen beiden Gruppen aufwiesen, wurden in die Diskriminanzanalyse einbezogen. Daraus ergaben sich 4 Variablen, die mit 4 Variablen der Clusteranalyse (s. Tabelle 11) identischen sind, die in ihrer Gesamtheit die beiden Cluster ausgezeichnet, d.h. mit 100% Varianzaufklärung, differenzieren. Der Eigenvalue (3.333) ist sowohl ein Mass für die Unterschiedlichkeit der Gruppen wie auch für die Güte (Trennkraft) der Diskriminanzfunktion; dieser zeigt eine gute Trennungsmöglichkeit zwischen beiden Clustern. Die Analyse bestätigte einen hoch signifikanten Wilk`s-Lambda-Wert von 0.231 (χ2= 36.657, p= 0.000). 3 absolute Häufigkeit (relative Häufigkeit %) 35 4 Diskussion Methodische Einschränkungen Die eher kleine Stichprobengrösse (N=30) wurde aufgrund von Schwierigkeiten, die während der Rekrutierung der Probanden entstanden sind, gewählt. Ursprünglich war geplant, 100 Probanden zu untersuchen. Von 55 Probanden, die den ersten Termin wahrgenommen hatten, erschienen jedoch nur 5 (9%) zum vereinbarten zweiten Termin (Interview). Aus diesem Grund wurde die Stichprobengrösse auf 30 Probanden gekürzt. Die Grösse der Stichprobe übt einen Einfluss auf die Signifikanz aus: je grösser die Stichprobe, desto eher wird ein Stichprobenvergleich signifikant. Wenn man dem Rechnung trägt und gleichzeitig die Resultate der vorliegenden Studie mit der obenerwähnten Stichprobengrösse in Betracht zieht (z.B. die Existenz der zwei Typen Opioidabhängiger), wird deutlich, dass das Phänomen der Typologie der Opioidabhängigkeit schon mit einer verhältnismässig geringen Stichprobengrösse belegbar ist. Es zeigt sich also, dass man mit verhältnismässig ökonomischem Aufwand weitere diesem Forschungsthema nahe liegende Fragen untersuchen kann: z.B. ob diese Typologie der Opioidabhängigkeit, die bisher nur an männlichen Probanden untersucht wurde, auch bei Frauen nachweisbar ist. Die Cronbach’s-Alpha-Werte (Tabellen 9, 10) fielen sehr hoch aus. Somit gibt es keinen Hinweis darauf, dass die Aussagen der Probanden nicht glaubwürdig waren. Stichprobenunterschiede Die männlichen Probanden der Stichprobe von Matutat (2004) waren jünger als diejenigen der vorliegenden Studie. Letztere waren besser sozial integriert, und mehrere von ihnen hatten in den letzten drei der Untersuchung vorausgehenden Monaten eine regelmässige Arbeit. Ein weiteres die Probanden der vorliegenden Studie charakterisierendes Merkmal ist, dass diese - im Gegensatz zur Vergleichsstichprobe - zur Zeit der Untersuchung in ein Methadonprogramm integriert waren. Dies weist auf den Unterschied zwischen den Probanden der beiden Untersuchungen im angestrebten Umgang mit Drogen hin: Die stationären Probanden Matutats waren abstinenzorientiert, 36 die Probanden der vorliegenden hingegen substitutionsorientiert behandelt und dies entsprechend ihrer Motivation. Als Bestätigung für diese Überlegungen können Daten gelten, die zeigen, dass substitutionsrientierte Probanden wesentlich mehr (Tabelle 3, Fortsetzung) zusätzliche Drogen konsumierten. Weitere Unterschiede, die die Psychopathologie der zu vergleichenden Gruppen betreffen, sind folgende: Die Probanden von Matutat (2004) litten wesentlich häufiger an einer aktuellen generalisierten Angststörung, an einer aktuellen depressiven Störung und an einer Borderline Persönlichkeitsstörung als diejenigen der vorliegenden Studie. Dies könnte man darauf zurückführen, dass die Probanden mit Abhängigkeitsproblematik, die komorbide Störungen aufweisen, sich eher in eine stationäre Behandlung begeben. Z.B. ist bei Borderline Patienten allgemein bekannt, dass sie eine Pathologie entfalten, die häufiger zur einer Hospitalisation führen kann. Die ambulanten Probanden (der vorliegenden Studie) haben neben Opiaten signifikant mehr zusätzliche Substanzen - Methadon, Alkohol, Cannabis, Benzodiazepine und Ecstasy/LSD (Tabelle 3, Fortsetzung) - konsumiert als die Probanden von Matutat (2004). Dies könnte auf die oben beschriebenen Unterschiede der Stichproben in bezug auf den angestrebten Drogenumgang zurückzuführen sein: Die Probanden der Studie Matutat (2004) suchten einen Abstinenzzustand zu erreichen, die Männer der vorliegenden Studie sind hingegen substitutionsorientiert. Typologie der Opioidabhängigkeit Es wurden zwei Typen von opioidabhängigen Männern identifiziert. Die beiden Typen liessen sich durch die Variablen - Vater: Alkoholkonsum, Patient: Depressionsbehandlung, Patient: schwere Suizidversuche und Patient: Beikonsum von Benzodiazepinen - unterscheiden. Diese Variablen erklären 100% der Varianz. Diese vier Variablen sind dieselben wie in der Untersuchung von Matutat (2004); sie waren auch in ihrer Untersuchung die am besten geeigneten (Variablen), um die beiden Typen der Opioidabhängigen signifikant zu differenzieren. Die Ergebnisse von Matutat konnten somit bestätigt werden. Folglich konnte die gut belegte Typologie der Alkoholabhängigen auf die Opioidabhängigen angewendet werden. Die Ergebnisse von Matutat (2004) wurden repliziert, obwohl die Stichproben beider Untersuchungen bezüglich Alter, sozialem Status und Psychopathologie (s. 37 Stichprobenunterschiede) unterschiedlich waren. Offenbar ist die belegte Typologie für verschiedene Populationen der Opioidabhängiger anwendbar. Ähnlich wie bei Matutat (2004) war der kleinere Cluster (Typ 2) durch den Alkoholkonsum des Vaters und die Depression und Suizidalität des Patienten gekennzeichnet und umfasste ca. ein Drittel (9) der Probanden. Dem grösseren Cluster (Typ 1) gehörten zwei Drittel (21) der Probanden an. Bezüglich des Beikonsums von Benzodiazepinen unterschieden sich die Typ-1- und Typ2-Probanden signifikant. Der Ausprägungsgrad dieser Variable war bei Matutat (2004) beim Typ 2 (Depressiver Typus) mehr als vier Mal höher als beim Typ 1 (56% vs. 13%). In der vorliegenden Studie kehrte sich dieses Verhältnis um (22% vs. 67%). Somit konsumierten die Probanden vom Typ 2 aus der vorliegenden Studie weniger Benzodiazepine als diejenigen vom Typ 1. Dieses Resultat steht somit in Widerspruch zu den Resultaten von Matutat. Es könnte daran liegen, dass die Probanden von Typ 2 in der vorliegenden Studie, die keine Benzodiazepine konsumierten, vermehrt andere Substanzen missbrauchten. Dies konnte in einer zusätzlichen Auswertung bestätigt werden. Von den Typ-2-Probanden, die keine Benzodiazepine konsumierten, wiesen mehr Probanden (5 von 9; 56 %) eine Polytoxikomanie auf als bei den Typ-1-Probanden ohne Benzodiazepinkonsum (2 von 21; 10 %) (p=.014). Somit ersetzten die Probanden von Typ 2 den Benzodiazepinkonsum durch den Konsum von anderen Substanzen. Ein weiteres Merkmal, das bei beiden Typen unterschiedlich ausfiel, ist der Alkoholkonsum der Mutter. Mehr Mütter von Typ-2-Probanden konsumierten Alkohol im Übermass (Tabelle 8). Dies könnte - neben den vier oben erwähnten - ein weiteres Merkmal sein, das die Probanden dieses depressiven Clusters identifiziert. Diese Resultate stimmen mit den Befunden von Cloninger et al. (1981, 1987) und von Knorring et el. (1985) überein: Sie wiesen den Alkoholismus bzw. den Alkoholkonsum der Eltern (nicht allein des Vaters) als dasjenige Merkmal nach, das beide Cluster der Alkoholabhängigen unterschied, und das bei dem Typus, der durch grössere Problematik gekennzeichnet ist, signifikant höher ausfiel. 38 Die aktuelle Schwere der depressiven Symptomatik, die mit BDI erfasst wurde, war beim Typ 2 der Opioidabhängigen im Durchschnitt fast doppelt so hoch wie beim Typ 1. Dies könnte ein weiteres Hinweis für die depressive Symptomatik des Typus 2 sein. Dieser Unterschied war zwar nicht signifikant (p= 0.13); dies ist mit den sehr grossen Streuungsunterschieden zwischen den beiden Clustern erklärbar. Die von den Probanden wahrgenommene Qualität der intimen Eltern-Kind-Beziehungen, die mit PBI erfasst wurde, unterschied beide Typen der Opioidabhängigen nicht, obwohl die Väter des Typs 2 der Opioidabhängigen wesentlich öfter Alkohol konsumiert haben (89% vs. 19%). Auf den ersten Blick stimmen diese Befunde mit den Befunden von Patterson (1982), Stattin & Klackenberg-Larsson (1990, zit. nach Oerter & Montada, 1998), Baumrind (1991) nicht überein, die gezeigt haben, dass Inkonsistenz der Anforderungen, Nachlässigkeit in der Aufsicht und Überforderung Merkmale der ElternKind-Interaktion sind, die mit späterem Alkohol- und Drogenmissbrauch einhergehen; alkoholabhängige Eltern würden häufiger auf diese unvorteilhafte Weise mit ihren Kindern interagieren. Obwohl PBI die Qualität der intimen Eltern-Kind-Beziehungen misst, werden die oben erwähnten belastenden Umstände der Eltern-Kind-Beziehung von PBI offenbar nicht erfasst. In der Untersuchung von Matutat (2004) und auch bei anderen Autoren (Cloninger et al., 1981; von Knorring at al., 1985), die die Typologie der Alkoholabhängigkeit untersucht haben, unterschied das Alter der Probanden die beiden Typen der jeweiligen Abhängigkeit. In der vorliegenden Studie differenzierte die Altersvariable zwar nicht signifikant die beiden Typen der untersuchten Männer, ihre Ausprägung stimmte jedoch tendenziell mit der obenerwähnten Untersuchungen überein: Typ-2-Opioidabhängige sind jünger als diejenigen des Typ-1 (35.2 vs. 37.6 Jahre). Die Resultate von Blatt et al. (1990) zeigen, dass das gemeinsame Auftreten von Alkoholismus der Väter und Depression der Patienten wichtige Prädiktoren für die spätere Opioidabhängigkeit der Patienten sind. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie konvergieren mit diesen Befunden von Blatt et al. insofern, als die Probanden, die durch diese beiden Variablen charakterisiert wurden, zum Typ 2 gehörten. 39 Kandel et al. (1978) beschrieben, dass die Minderheit der Konsumenten, die harte Drogen konsumieren, häufig nicht bei einer bestimmten Substanz bleibt. Die Resultate der vorliegenden Studie stimmen mit derjenigen von Kandel et al. insofern überein, als die Opioidabhängigen sich tatsächlich nicht mit dem Konsum einer Substanz - d.h. Opiaten begnügten. Allerdings war es nicht eine Minderheit, sondern die Mehrheit (Beikonsum von Kokain 80%) der Stichprobe (Tabelle 3, Fortsetzung). Dieser Unterschied ist mit der allgemeinen Steigerung des Drogenkonsums Ende der achtziger Jahre (Bundesamt für Gesundheit, 1999) erklärbar. Die Resultate der vorliegenden Studie stimmen in diesem Zusammenhang mit den neueren Daten von Gastpar (2005) überein, der erwähnt, dass in Deutschland die meisten opioidabhängigen Patienten auch von verschiedenen weiteren Substanzen abhängig sind. Nach Thompson (1996) treten gestörtes Sozialverhalten und ADHD gehäuft gemeinsam auf, was von Modestin et al. (2001), bei männlichen opioidabhängigen Probanden bestätigt wurde. Dass das gemeinsame Auftreten der beiden Störungen, ADHD und gestörtes Sozialverhalten, geht übrigens häufig einer Persönlichkeitsstörung voraus. In der vorliegenden Studie zeigten alle Probanden, die ADHD aufgewiesen haben, ein gestörtes Sozialverhalten in der Kindheit; 66% von ihnen entwickelten eine antisoziale Persönlichkeitsstörung. Somit können auch in der vorliegenden Studie ADHD, gestörtes Sozialverhalten und antisoziale Persönlichkeitsstörung assoziiert werden. Rounsaville et al. (1982c) zeigten auf, dass die Opioidabhängigen, die unter ungünstigen Umständen aufwuchsen und traumatische Erfahrungen durchlebten, in ihrer Persönlichkeit geschwächt wurden; sie neigten zu Angst und Wutausbrüchen, was wiederum eine Vulnerabilität für die Entwicklung einer späteren antisozialen Persönlichkeitsstörung darstellte. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie sind mit diesen Befunden insofern vereinbar, als in der gesamten Stichprobe der Opioidabhängigen die antisoziale Persönlichkeitsstörung - im Vergleich zu anderen Persönlichkeitsstörungen am häufigsten (27%) vorkam. Diese Art der Persönlichkeitsstörung war aber für die Typisierung der Opioidabhängigkeit nicht relevant. 40 Auf der anderen Seite wiesen die Probanden des Typs 2 signifikant häufiger die Diagnose der vermeidenden Persönlichkeitsstörung auf. Die Patienten mit dieser Diagnose vermeiden gemäss Definition berufliche und soziale Kontakte aus Angst vor Kritik und Ablehnung; sie fühlen sich in den näheren Beziehungen gehemmt, weil sie Angst haben, blamiert und ausgelacht zu werden. Psychodynamisch gesprochen, generalisieren Patienten mit einer vermeidenden Persönlichkeitsstörung ihre Erfahrungen, welche sie in realen Situationen erlebt haben: sie haben nach Süss et al. (1992, zit. nach Dornes, 1997) mehr Zurückweisung und/oder Aggression erfahren und erleben die Welt als einen Ort latenter Bedrohung. Häufig wird nur Borderline und Antisoziale Persönlichkeitsstörung im Zusammenhang mit Substanzabhängigkeit berücksichtigt. So berichten Verheul et al. (1995) in ihrem Übersichtsartikel nur die Komorbiditätsraten dieser beiden Persönlichkeitsstörungen. Gemäss einigen Autoren leiden 14% (Ball et al., 1997) bzw. 18.4% (Rounsaville et al., 1998) der Substanzabhängigen komorbid an einer Vermeidenden Persönlichkeitsstörung. Bei beiden Autoren ist die Vermeidende Persönlichkeitsstörung bei Substanzabhängigen eine der häufigsten Achse-II-Diagnosen nach der Antisozialen und der BorderlinePersönlichkeitstörung. Auch in der vorliegenden Studie kommt die Vermeidende Persönlichkeitsstörung mit 10% im Vergleich zu anderen Achse-II-Störungen in der Gesamtstichprobe am zweithäufigsten vor. Alle Probanden mit Vermeidender Persönlichkeitsstörung gehörten in dieser Studie zum Typ 2, also zum depressiven Typus, und machten ein Drittel dieses Clusters aus. Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass bei rund 20% der Depressionen eine Vermeidende Persönlichkeitsstörung komorbid auftritt (Grilo et al., 2005; Brieger et al., 2003). Neben der Clusterzugehörigkeit finden sich in der vorliegenden Studie weitere Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen diesen beiden Störungen: Die Probanden mit Vermeidender Persönlichkeitsstörung erreichten die drei höchsten Werte im BDI (29, 33 und 42). Ausserdem begaben sich die Probanden mit Vermeidender Persönlichkeitsstörung im Lauf ihres Lebens viel häufiger wegen einer Depression in Therapie als die übrigen Probanden (3 von 3 vs. 4 von 27; χ2= 6.71, p= 0.005). Somit könnte die relativ hohe Prävalenz der Vermeidenden Persönlichkeitsstörung bei Opioidabhängigen auf die bekannte Komorbidität dieser Persönlichkeitsstörung mit der Depression zurückzuführen sein. 41 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die von Alkoholabhängigen auf Opioidabhängige übertragene Typologie (Matutat, 2004) repliziert wurde. Dabei wurde ein Typus der Opioidabhängigen identifiziert, der offenbar Komorbidität mit Depression und Suizidalität aufweist. Zusätzlich kann aufgrund der Suizidalität dieses Typus hoher Leidensdruck angenommen Opioidabhängigen könnte werden Das Identifizieren helfen, frühzeitige dieses gezieltere Typus Therapie- der und Präventivmassnahmen einzuleiten. Aufgrund der replizierten Assoziation zwischen Depression und Opioidabhängigkeit stellt sich die Frage, ob nicht durch die Behandlung der Depression auch die Abhängigkeitsproblematik zu beeinflussen ist. Diese Frage ist in weiteren Studien zu untersuchen. 42 6 Literaturverzeichnis Babor TF, Hofmann M, DelBoca FK, HesselbrockV, Meyer RE, Dolinsky ZS, Rounsaville B (1992) Types of alcoholics, I. Archives of General Psychiatry 49: 599-608. Bader M, Pierrehumbert B, Junier L, Halfon O (2001) Die AufmerksamkeitsdefizitHyperaktivitäts-Störung bei Kindern und Jugendlichen. Zentrum für Kinder und Jugendpsychiatrie. Universität Zürich. http://www.suchtundaids.bag.admin.ch/themen/sucht/doku/publikationen/index.ht ml [25.07.2005] Ball SA, Tennen H, Poling JC, Kranzler HR, Rounsaville BJ (1997) Personality, temperament, and character dimensions and the DSM-IV personality disorders in substance abusers. Journal of abnormal psychology 106: 545-553. Baumrind D (1991) The influence of parenting style on adolescent competence and substance use. Journal of Early Adolescence 11: 56-95. Beck AT, Hautzinger M, Bailer M, Worall H, Keller F (1995) Beck-DepressionsInventar. 2. Auflage. Bern: Huber. 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