Geistige Behinderung Folie 1 ⇒Geistige Behinderung Diagnosekriterien 1. + 2. + 3. Deutlich unterdurchschnittliche intellektuelle Leistungsfähigkeit: ein IQ von ca 70 oder weniger bei einem individuell durchgeführten Intelligenztest (bei Kleinkindern durch eine klinische Beurteilung der deutlich unterdurchschnittlichen intellektuellen Leistungsfähigkeit) Gleichzeitige Defizite oder Beeinträchtigungen der gegenwärtigen sozialen Anpassungsfähigkeit (d.h. der Fähigkeit einer Person, die sozialen Normen ihres Umfelds altersgemäß zu erfüllen) in mindestens zwei der folgenden Bereiche: Kommunikation Eigenständigkeit häusliches Leben soziale/zwischenmenschliche Fertigkeiten Nutzung öffentlicher Einrichtungen Selbstbestimmtheit schulische Fertigkeiten Arbeit Freizeit Gesundheit Sicherheit Beginn der Störung vor Vollendung des 18. Lebensjahres Geistige Behinderung Folie 2 ⇒Anpassungsfähigkeit bezieht sich darauf, wie effektiv eine Person die Anforderungen des täglichen Lebens bewältigt und wie gut sie den Grad persönlicher Unabhängigkeit erfüllt, der unter Berücksichtigung des Alters, des soziokulturellen Hintergrunds und des sozialen Umfelds von ihr erwartet wird. Die Anpassungsfähigkeit kann durch verschiedene Faktoren beeinflußt sein, dazu gehören Bildung, Motivation, Persönlichkeitsmerkmale, soziale und berufliche Möglichkeiten sowie psychische Störungen und medizinische Krankheitsfaktoren, die mit einer geistigen Behinderung verbunden sein können. Anpassungsprobleme lassen sich mit höherer Wahrscheinlichkeit durch Förderung verbessern als der kognitive IQ, der eher das stabilere Merkmal ist. Informationen über Anpassungsdefizite sind aus verschiedenen Quellen, Anamnese, Befragung oder auch über Fragebögen zu erhalten. Letztere sind oft wenig reliabel und deshalb kritisch zu beurteilen. Verhaltensweisen wie Abhängigkeit und Passivität, die normalerweise als Zeichen für eine schlechte Anpassung gelten, können im Kontext der besonderen Lebensumstände einer Person Zeichen für eine gute Anpassung sein. Das Klassifikationssystem für Geistige Behinderung (1992) gemäß der American Association on Mental Retardation, AAMR, unterscheidet den Schweregrad der geistigen Behinderung nach „Art und Ausmaß der benötigten Hilfe“ (zeitweise, begrenzt, ausgedehnt, allumfassend). In dieser AAMR spielt die Anpassung eine hervorragende Rolle. Geistige Behinderung Folie 3 ⇒Beurteilung der Anpassung Zur Beurteilung der Anpassung wurden vor allem in den USA Skalen gebildet. Sie beruhen auf folgenden Faktoren: Im Frühkindheits und Vorschulalter: 1. Sensomotorische Fertigkeiten 2. Kommunikative Fertigkeiten (einschließlich Sprechen und Sprache 3. Fertigkeiten der Selsbtversorgung 4. Sozialverhalten (Interaktion mit anderen) In der Schul- und frühen Jugendzeit: 5. Anwendung grundlegender Kulturtechniken im Alltag 6. Anwendung angemessener Begründungen und Urteile in der Bewältigung der Umwelt 7. Sozialfertigkeiten (Teilnahme an Gruppenfertigkeiten und interpersonale Beziehungen) Als Heranwachsender und Erwachsener: 8. Berufliche und soziale Verantwortlichkeit und Leistungen Zu beachten ist, daß mit Anpassung gerade nicht die eher passive unterworfene Haltung unserer Umgangssprache gemeint ist, sondern gerade die aktive Bewältigung der aus der Umwelt herangetragenen Aufgaben. Aus gelungener Anpassung bzw. Adaptation resultieren persönliche Unabhängigkeit und soziale Verantwortlichkeit. Geistige Behinderung Folie 4 ⇒Kurt Schneider (1946/1955) Klinische Psychopathologie (75ff) Der Schwachsinn wird von der Psychiatrie wenig und schlecht behandelt, obschon er wohl die häufigste seelische Abnormität ist. Die Gründe liegen vor allem einerseits in seiner relativ ärmlichen Symptomatik, andererseits in der Tatsache, daß der weitaus größte Teil der Schwachsinnigen sich nicht in der unmittelbaren Obhut von Ärzten befindet. Selbst da, wo körperlich faßbare Grundlagen vorliegen, ist mit wenigen Ausnahmen die Behandlung eine heilpädagogische und keine ärztliche. Das Gedächtnis kann weder zur Intelligenz noch zur Persönlichkeit gerechnet werden, die Auffassung nur mit Einschränkung zur Intelligenz. Die Phantasie kann man ohne weiteres weder der Intelligenz noch der Persönlichkeit zuteilen. Die formale Phantasie, also die Frage, ob mehr reproduktiv oder mehr produktiv gedacht wird, gehört eher zur Intelligenz, die eigentlich schöpferische Phantasie eher zur Persönlichkeit. Im Grunde ist es belanglos, wie man das zu einer lebendigen Einheit verbundene individuelle seelische Sein aus didaktischen Gründen aufteilen mag. Auch auf die Aufzählung weitere unterscheidbarer Einzelzüge soll hier verzichtet werden. Man denke vor allem an besondere Talente und spezielle Fähigkeiten. (143) Über die Intelligenz des Menschen kann man sich leicht täuschen. Daß verschüchterte Menschen in der Untersuchungssituation oft dumm oder dümmer erscheinen, als sie sind, ist immer noch nicht genügend bekannt. Dies gilt sowohl für die einfache Unterhaltung wie für die in mancher Hinsicht zweifelhafte Prüfung von Intelligenz und Wissensbestand. Diese muß stets auf den Lebenskreis des Prüflings eingestellt sein. Es gibt keinen Fragebogen für alle. Schwachsinnige primitiver Herkunft verhalten sich in ungewohnter Umgebung oft so seltsam, daß erst nach Tagen der Gedanke an eine Schizophrenie, insbesondere an eine sogenannte Pfropfschizophrenie, aufgegeben wird. Sie sind ambulant oft überhaupt nicht diagnostizierbar. Das gleiche gilt von der Pseudodemenz. Sie kann produktiv sein, d.h. Dummheit oder Verrücktheit vortäuschen wollen, oder einfach ein Schweigen, ein Nichtmitmachen. Erschwert wird die Lage noch dadurch, daß es sich meist um wirklich Debile handelt, die in ihrer Unfähigkeit, sich anders zu helfen, zu diesem scheinbar einfachen Mittel greifen. Der Intelligenzgrad gibt den Psychosen eine verschiedene Farbe. Ein debiler Schizophrener hat andere Inhalte und verhält sich anders als ein kluger und differenzierter. Auch bei dem in seiner Persönlichkeit veränderten oder gar zerstörten Schizophrenen ist nicht seine Intelligenz zerstört; er ist nicht dement geworden. Geistige Behinderung Folie 5 ⇒ Einteilung der Geistigen Behinderung Leichte Geistige Behinderung: IQ 50-55 bis ca. 70 Mittelschwere Geistige Behinderung IQ 35-40 bis 50-55 IQ 20-25 bis 35-40 Schwere Geistige Behinderung Schwerste Geistige Behinderung IQ unter 20 bzw. 25 Geistige Behinderung hat viele verschiedene Ätiologien und kann als der letzte gemeinsame Weg unterschiedlicher pathologischer Prozesse betrachtet werden, die die Funktionsfähigkeit des zentralen Nervensystems beeinträchtigen. Geistige Behinderung Folie 6 ⇒ Beurteilung der Intelligenz IQ-Bestimmung z.B. durch HAWIK-R oder Kaufmann Assessment Battery for Children, Meßfehler etwa 5 Punkte (also 75 kann noch Geistige Behinderung sein und 65 muß noch nicht geistige Behinderung sein). Der soziokulturelle Hintergrund einer Person, ihre Muttersprache, begleitende kommunikative, motorische und sensorische Beeinträchtigungen müssen bei der Interpretation der Testergebnisse berücksichtigt werden. Bei bedeutsamer Streuung der Punktwerte der einzelnen Untertests spiegelt das Profil von Stärken und Schwächen die Lernfähigkeit besser wieder als der IQ-Gesamtwert. Bei deutlicher Diskrepanz zwischen verbalen Fähigkeiten und allgemeiner Leistungsfähigkeit (Handlungsteil) sagt der Durchschnittswert wenig aus. IQ von 70 entspricht zwei Standardabweichungen, also der 3%-Perzentile. In früheren Bestimmungen hatte man geistige Behinderungen schon bei einer Abweichung von einer Standardabweicheng nach unten beginnen lassen, was bedeutet hatte, daß etwa 16% der Bevölkerung dazuzurechnen waren. Heute wird der Bereich zwischen einer und zwei Standardabweichungen als Lernbehinderung aufgefaßt, geistige Behinderung zählt unterhalb zweier Standardabweichungen und somit sind weniger als 3% betroffen. Das Konstrukt Intelligenz ist allerdings ein höchst fragwürdiges Konstrukt: es erfaßt viele Einzelfähigkeiten und versucht daraus eine Durchschnitt zu bilden und mit dieser gemittelten Zahl, etwas über den individuellen Menschen auszusagen. Verschiedene Intelligenztests fragen nun unterschiedliche Muster dieser Fähigkeiten ab. Jede Verwendung von Intelligenzquotienten als diagnostisches Instrument sollte sich der Willkürlichkeit ihrer Bestimmung bewußt sein und darüber, daß zwar etwas über schulische Erfolgsaussichten gesagt werden kann, jedoch nicht über die wirkliche Leistungsfähigkeit der Person in nicht schulischen Situationen. Geistige Behinderung Folie 7 ⇒ Einteilung der Intelligenz nach dem Entwicklungsalter Entwicklungsstand bei geistiger Behinderung: leichte geistige Behinderung: 15 Jahre mittlere und schwere geistige Behinderung 6 Jahre schwerste geistige Behinderung 18 Monate Geistige Behinderung Folie 8 ⇒ Leichte geistige Behinderung (IQ 50-55 bis ca. 70): 85% der geistig behinderten Personen. „Debilität“ Früher in den USA als „schulfähig“ klassifiziert. Im Vorschulalter (bis 5 Jahre) werden soziale und kommunikative Fertigkeiten entwickelt, Unterscheidung von Kindern ohne geistige Behinderung oft erst später. Sensomotorik nur minimal beeinträchtigt. Bis zur Adoleszenz können Schulkenntnisse bis etwa zur 6. Klasse erworben werden. Können im Erwachsenenalter gewöhnlich für sich selbst sorgen, können aber auch der Unterstützung bedürfen. Sie leben selbständig oder in betreuten Einrichtungen. Geistige Behinderung Folie 9 ⇒ Mittelschwere geistige Behinderung (IQ 35-40 bis 50-55) 10% der geistig behinderten Personen. „Imbezillität“ Früher in den USA als trainierbar klassifiziert. Erwerben in früher Kindheit kommunikative Fähigkeiten. Profitieren von beruflichem und sozialem Training und können unter leichter Aufsicht für sich selbst sorgen. Schulkenntnisse können kaum über das Niveau der 2. Klasse hinaus erworben werden Während der Adoleszenz können Schwierigkeiten, soziale Koventionen zu berücksichtigen, die Beziehungen zu Gleichaltrigen beeinträchtigen. Arbeiten in betreuten Werkstätten oder verrichten auf dem freien Arbeitsmarkt ungelernte oder angelernte Arbeiten unter Aufsicht. Leben gewöhnlich in betreuten Einrichtungen. Geistige Behinderung Folie 10 ⇒ Schwere geistige Behinderung (IQ 20-25 bis 35-40) 3-4% der geistig behinderten Personen „Ausgeprägte Imbezillität“ Erwerben in der frühen Kindheit keine oder nur wenige Fähigkeiten der sprachlichen Kommunikation. Lernen im Schulalter sprechen und grundlegende Selbstversorgungsfertigkeiten. Einige für das Leben wichtige Wörter können druch Training erkannt werden. Können als Erwachsene unter enger Aufsicht einfache Arbeiten druchführen. Passen sich gut an das Leben in der Gemeinschaft an in Wohnheimen oder in der Familie. Geistige Behinderung Folie 11 ⇒ Schwerste geistige Behinderung (IQ unter 20 oder 25) 1-2% aller geistig behinderten Personen. „Idiotie“ Bei der Mehrzahl liegt ein bekannter neurologischer Krankheitsfaktor zugrunde. Schon in der frühen Kindheit erhebliche Beeinträchtigungen der Sensomotorik. Ständige Hilfe und Aufsicht sowie individualisierte Beziheung zu einer Pflegeperson ermöglichen Entwicklung von Motorik, Eigenständigkeit und Kommunikationsfähigkeit durch geeignetes Training. Einige können in beschützten Einrichtungen einfache Arbeiten verrichten. Geistige Behinderung Folie 12 ⇒ Ätiologie: biologisch oder psychosozial, in 30-40% nicht klärbar prädisponierende Faktoren: Erblichkeit (ca. 5%): angeborene Stoffwechselstörungen (meist autosomal rezessiv vererbt) andere singuläre Genveränderungen Chromosomenaberrationen (z.B. Down-Syndrom) frühe Schädigungen der Embryonalentwicklung (ca. 30%) Chromosomenveränderungen (z.B. Down-Syndrom) pränatale Schäden durch toxische Stoffe (z.B. Alkohol) pränatale Schäden durch Infektionen Probleme während der Schwangerschaft und Geburt (ca. 10%) Mangelernährung des Fötus Frühgeburt Sauerstoffmangel während der Geburt Virus- und andere Infektionen Traumata in der frühen Kindheit oder Kindheit erworbene medizinische Krankheitsfaktoren (ca. 5%) Infektionen, Traumata, Vergiftungen Umwelteinflüsse und andere psychische Störungen (ca. 15-20%) Mangel an Nahrung Mangel an sozialen und sprachlichen und anderen Stimulationen schwere psychische Störungen (z.B. autistische Störung) Geistige Behinderung Folie 13 ⇒ Verursachung organischer Hirnschaden einschließlich Wahrnehmungs- und Verarbeitungsstörungen Epilepsie zusätzlich wirksame Faktoren: soziale Ablehnung intrafamiliäre Störungen Störungen der sozialen Beziehungen niedriger Sozialstatus institutionelle Deprivation Kommunikationsstörungen Vorkommen: Prävalenzrate bei etwa 1%. In allen sozioökonomischen Schichten etwa gleich. Ohne spezifische biologische Ursachen untere sozioökonomishe Schichten überrepräsentiert und geistige Behinderung leichter. Zeitpunkt der Diagnosestellung hängt von der Schwere der geistigen Behinderung ab sowie von der Art der Grundkrankheit (z.B. Down-Syndrom bei Geburt). Der Verlauf einer geistigen Behinderung ist eher variabel und von Umweltfaktoren abhängig. Die Störung ist nicht zwangsläufig lebenslang. Geeignetes Training und gute Anpassungsfähigkeit in anderen Bereichen können Beeinträchtigung so vermindern, daß die Diagnose nicht mehr gestellt werden kann. Geistige Behinderung Folie 14 ⇒ Differentialdiagnose: Es gibt keine Ausschlußkriterien. Bei Lern- oder Kommunikationsstörungen ohne gleichzeitige geistige Behinderung ist die Entwicklung in einem bestimmten Bereich beeinträchtigt, jedoch ohne allgemeine Beeinträchtigung der intellektuellen Entwicklung und der Anpassungsfähigkeit. Sie können bei unterschiedlicher Schwere zusätzlich zur Geistigen Behinderung diagnostiziert werden. Bei den Tiefgreifenden Entwicklungsstörungen ist die Entwicklung der sozialen Interaktion sowie die Entwicklung von verbalen und nonverbalen Kommunikationsfähigkeiten qualitativ beeinträchtigt. 75-80% der betroffenen Personen haben auch eine geistige Behinderung. Bei Demenz deutliche Beeinträchtigung des Gedächtnisses + eine weitere Beeinträchtigung in mindestens einer weiteren kognitiven Funktion (Sprache (Aphasie), Motorik (Apraxie), Erkennen (Agnosie), Planen (Störung der Exekutivfunktion)). Demenz erfordert einen signifikanten Abfall von einem vormals höheren Leistungsniveau. Deshalb unter 4 -6 Jahren schwierig zu beurteilen. Geistige Behinderung mit Beginn vor Vollendung des 18. Lebensjahres. Demenz nur dann diagnostizieren, wenn Zustandsbild durch die Diagnose der Gestigen Behinderung nicht genügend beschrieben wird. Der Grenzbereich der intellektuellen Leistungsfähigkeit (IQ 71 bis 84, unterdurchschnittliche Intelligenz, „Grenzdebilität“) hat weniger Defizite im Anpassungsverhalten als entscheidendes Unterscheidungskriterium im Bereich IQ 70-75. Geistige Behinderung Folie 15 ⇒ Merkmale Geistiger Behinderung Es gibt keine spezifischen Persönlichkeits- oder Verhaltensmerkmale für geistige Behinderung. Sowohl Sanftmütigkeit, Abhängigkeit und Passivität können vorkommen als auch Aggressivität und Impulsivität. Geistig behinderte Personen sind anfällig für Ausnutzung durch andere Körperliche Mißhandlung Sexuellen Mißbrauch Beschneidung ihrer Rechte und Möglichkeiten Geistige Behinderung ⇒ Psychiatrische Behinderung: Folie 16 Störungen bei geistiger Risiko gegenüber Gesunden 3-4 mal erhöht ähnliche psychiatrische Störungen wie bei Normalintelligenten: emotionale Störungen dissoziale Störungen Persönlichkeitsabweichungen Entwicklungsstörungen bei schwerer geistiger Behinderung: organische Psychosyndrome hyperkinetische Störungen Psychosen Stereotypien autistische Syndrome spezielle psychopathologische Phänomene bei geistiger Behinderung: Autismus desintegrative und schizophrene Psychosen affektiven Psychosen Hyperaktivität und Aufmerksamkeitsstörung Stereotypien und Automutilationen Enuresis und Enkopresis Eßstörungen Auffälligkeiten des Psychomotorik Auffälligkeiten der Stimmung, Affekte, Triebfunktionen Es gibt keine typischen Auffälligkeiten, die eine geistige Behinderung beweisen. Es gibt keine Auffälligkeiten, die nur bei geistiger Behinderung auftreten. Es gibt keine Auffälligkeiten, die bei jeder geistigen Behinderung auftreten. Geistige Behinderung Folie 17 ⇒ Bei geistiger Behinderung häufig auftretende psychische Krankheitsbilder: Autismus bzw. autistische Symptome Psychosen bei IQ < 50 schwierige Diagnosestellung Schizophrenie bei geistiger Behinderung mit schlechterer Prognose in der Kindheit autismusähnliche atypische Psychosen: Stereotypien, Hyperaktivität, Automutilation, Pica, verlangsamte Sprachentwicklung, Kontaktstörungen Hyperaktivität und Aufmerksamkeitsstörung dranghaft ausgeprägte motorische Unruhe mit mangelnder Zielorientierung ungenügende Zentrierung der Aufmerksamkeit und hochgradige Ablenkbarkeit Erethie = ausgeprägte motorische Unruhezustände bei geistiger Behinderung Ursachen: Hirnschädigung mangelnde Anregung durch sensorische und soziale Deprivation besonders typisch bei Alkoholembryopathie Phenylketonurie Epilepsien vor der Pubertät Hypoaktivität z.B. Down Syndrom Geistige Behinderung Folie 18 ⇒ Bei geistiger Behinderung häufig auftretende psychische Krankheitsbilder II: Stereotypien und Automutilation Jaktation auch bei normalen Säuglingen bis zum 3. Lebensjahr bei diesen vor allem in sozialer Isolation, bei Müdigkeit, Inaktivität bei geistiger Behinderung anhaltender und unabhängiger von Umgebung umso ausgeprägter, bizarrer und resistenter, je geringer die Stimulation Automutilationen häufiger bei jüngeren und längerfristig institutionell untergebrachten Patienten sowie bei schwerergradiger geistiger Behinderung (etwa bei 10%) Enuresis und Enkopresis möglicherweise weniger effektive Sauberkeitserziehung gute Erfolge der lerntheoretische begründeten Verhaltenstherapie Eßstörungen Pica bei geistig behinderten, sozial benachteiligten und deprivierten Kindern Rumination v.a. bei Deprivation Polyphagie und Polydipsie Triebstörung v.a. bei hirnorganischer Schädigung Psychomotorik wenig differenziert, grob, dysharmonisch Stimmungsveränderungen depressiv (dysphorisch) euphorisch (manisch) Affektdurchbrüche und Affekthandlungen Konervsionssyndrome dissoziale Störungen Störungen der sexuellen Entwicklung dranghaftes Masturbieren, Prostitution Geistige Behinderung Folie 19 ⇒ Altersverteilung psychiatrischer Störungen bei geistig Behinderten: Kindheit: Hyperaktivität Enuresis Enkopresis Sprachentwicklungsstörungen Aggressivität Angstzustände Jugend: Verwahrlosung Delinquenz schizophrene Psychosen Erwachsene: Depressionen psychosomatische Symptome Konervsionsstörungen Psychosen Geschlechtsverteilung: männlich: aggressiv-dissoziale Störungen weiblich: emotional-neurotische Störungen Geistige Behinderung Folie 20 Zweifel an Psychotherapiefähigkeit von Behinderten: „Diagnostic overshadow“: Angstsymptomatik von „dummen“ Patienten wird wesentlich weniger gravierend und behandlungsbedürftig beurteilt als bei normalintelligenten „lebensunwerten Lebens“ = psychiatrische Tradition in Deutschland intellektuelle Voraussetzungen für Therapie Geistige Behinderung Folie 21 Psychologische Konzepte bei geistiger Behinderung Dummheit als häufigste Neurose, Autotomie (Landauer) Pseudo-Imbezillität als Tarnkappe (Mahler) Pseudodemenz Ganser-Syndrom („Vorbeiantworten“ als dissoziative Störung mit psychogenen Ursachen) Familiendynamik von Behinderung Behinderung als Traumatisierung sekundärer Krankheitsgewinn für alle Beteiligten psychomotorische Störungen als fehlende Trennung des kindlichen Körpers von der Mutter Geistige Behinderung „Rivalität um die bessere Elternschaft“ zwischen „geborenen“ und „professionellen“ Erziehern hat eine Ursache in: Verleugnung • der Behinderung • der Gefühle geistig Behinderter • der Gefühle, die ihnen entgegengebracht werden als Reaktion auf das ständige Trauma Folie 22 Geistige Behinderung Folie 23 Pädagogischer Idealismus führt zu ⇒ Abspaltung der eigenen aggressiv ablehnenden Gefühle gegenüber den behinderten Kindern ⇒ Projektion dieser Aggression auf die Eltern ⇒ unbewusste Bestrafungswünsche ⇒ Ablehnung der Beziehungsangebote ⇒ Ablehnung der Wahrnehmung des Leidensdrucks ⇒ Ablehnung der Wahrnehmung der Hilfsbedürftigkeit Lösung: Analyse der emotionalen Reaktion der Helfer als Gegenübertragungsreaktion zum besseren Verständnis der eigenen Reaktionen und der Familiendynamik Geistige Behinderung Abwehr der Eltern: Gegen die eigene Ohnmacht und Hilflosigkeit und gegen Schuldgefühle wirken: Aktivismus vielfältige Trainingsprogramme (Angst der Therapeuten und Eltern erstarrt in Trainingsprogrammen) Schuldzuweisungen an professionelle Helfer (Verursachung, mangelnde Unterstützung, ...) Überidentifikation mit dem Kind mit Selbstheilungswunsch Bausteine Folie 24 Geistige Behinderung Folie 25 psychoanalytischer bzw. tiefenpsychologischer Therapiekonzepte bei geistiger Behinderung präverbaler Kontakt (gegen chronifizierte frühkindliche Depression) körpertherapeutischer Zugang musiktherapeutischer Zugang ... Aufdeckung der Verdrängungs-, Ausgrenzungsund Projektionsprozesse gegenüber Behinderten und ihren Angehörigen Analyse der Gegenübertragungsgefühle ⇒ ⇒ ⇒ ⇒ Interessenverlust der Therapeuten als Gegenübertragungsreaktion Projektive Identifikation z.B. der Resignation (Depression) oder Aggression Selbstheilungswünsche und Größenphantasien Schrecken oder Panik vor zerstörten oder zerstörenden Menschen (Gott Pan als Symbol für Dunkles, Schreckenerregendes und Phallisches löste bei Geburt bei seiner Mutter Schrecken aus (bärtiges Gesicht, Bockshörner und – hufe) LEA Geistige Behinderung Folie 26 Level of emotional awareness entwicklungspsychologisches Modell für Gefühlswahrnehmung 5 Wahrnehmung differenzierter Gefühle bei sich und bei anderen 4 mehrere differenzierte Gefühle 3 einfaches einzelnes Gefühl 2 unbewusster Affekt 1 unspezifische autonome Erregung bewusst unbewusst