Seite 1 ??? ??? | KEH-Report Seite 1 Akademisches Lehrkrankenhaus der Charité Konzeption der Psychiatrischen Institutsambulanz der Abteilung für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Evangelischen Krankenhauses Königin Elisabeth Herzberge Bereich: Geistige Behinderung Berlin-Lichtenberg 2012 Gliederung Seite 2 1. Präambel 2. Einleitung 2.1 Ganzheitlicher Ansatz 2.2 Interdisziplinäres Team 2.3 Ziele 2.4Besonderheiten in der Behandlung von Menschen mit geistiger Behinderung 3. Personelle und organisatorische Rahmenbedingungen 3.1 Aufnahmemodalitäten 3.2 Weiterbehandlung 4. Leistungsspektrum 4.1 Ärztliche Betreuung 4.2 Psychologische Betreuung 4.3 Sozialarbeit 4.4 Heilpädagogik 4.5 Krankenpflegerische Betreuung 4.6 Kreativtherapien 4.7 Spezialangebote 4.7.1 DBT angelehnte Behandlung von Borderline Patienten 4.7.2 Autismusdiagnostik 4.8 Notfälle 4.9 Was wir nicht leisten können 5. Kooperationen 6. Literatur Seite 3 Präambel 1 | Präambel Die Sorge für Menschen mit Behinderung Die Psychiatrische Institutsambulanz für erfolgt also nicht allein aus Barmherzigkeit Erwachsene (PIA/E) der Abteilung Psychia­trie, oder aus einer Fürsorgeverpflichtung des Psychotherapie und Psychosomatik des Evan- Staates heraus, sondern ist ein Menschen- und gelischen Krankenhauses Königin Elisa­beth Bürgerrecht. Die Weltgesundheitsorganisation Herzberge (KEH), ist eine seit Inkrafttreten (WHO) stellt in ihrer internationalen Klassifika- der Vereinbarung gemäß § 118 Absatz 2 SGB V tion der Funktionsfähigkeit, Behinderung und ermächtigte Institution zur Erbringung ambu- Gesundheit (ICF) ein integratives Modell von lanter Behandlungsleistungen für psychisch Behinderung3 dar: Behinderung wird beim Kranke. Ein Bereich der PIA ist auf die Behand- medizinischen Modell als krankheitsbedingtes lung erwachsener psychisch kranker Men- Problem einer einzelnen Person, beim sozialen schen mit geistiger Behinderung ausgerichtet. Modell hingegen als gesellschaftlich verurs- Dieses Angebot wurde etabliert, um den achtes Problem betrachtet. Im therapeutischen besonderen Bedürfnissen dieser Menschen mit Fokus liegt somit neben der Behandlung der fachspezifischer Kompetenz gerecht zu wer- Störung auch die Anpassung der Umwelt den. Die Leitlinien und das Menschenbild der (»Barrierefreiheit«). Das Konzept der ICF basiert Ambulanz basieren auf den von den Vereinten auf einer Synthese, einer Integration dieser Nationen definierten Rechten für Menschen beiden gegensätzlichen Modelle. mit Behinderung und auf dem integrativen Modell von Behinderung der WHO. Wir verstehen geistige Behinderung als eine von vielen Möglichkeiten menschlichen Le- Die Vereinten Nationen haben ein Überein- bens. Dabei wird Behinderung nicht als eine kommen über die Rechte von Menschen mit Störung, sondern als integraler Bestandteil Behinderung getroffen , welches nun auch in unserer Gesellschaft verstanden. Diese Wert- Deutschland Gültigkeit hat und einen Leitfa- schätzung der Andersartigkeit führt zu einer den für den Umgang mit unseren Patienten Begegnung auf Augenhöhe. Der Mensch mit darstellt. In den UN-Konventionen wurden vier geistiger Behinderung muss nicht nur betreut zentrale Rechte von Menschen mit Behinde- und gefördert werden, es besteht auch die rung formuliert: Verpflichtung, die Umwelt so zu gestalten, 1. Selbstbestimmung und Unabhängigkeit dass er selbstbestimmt und im Rahmen seiner 2. umfassende gesellschaftliche Teilhabe Möglichkeiten unabhängig am gesamtgesell- 3. angemessener Lebensstandard schaftlichen Leben teilhaben kann und respek- 4. gesellschaftliche Wertschätzung tiert und anerkannt wird. 1 2 Präambel Seite 4 Auf der Basis der genannten Rechte und des integrativen Modells von Behinderung ergeben sich folgende Leitlinien für den Umgang mit unseren Patienten: Unser Menschenbild: •Wir sind zutiefst von der unverlierbaren Würde jedes Menschen überzeugt. Jeder Mensch hat einmalige Gaben. Unsere Arbeit: •Das Grundkonzept unseres Handelns ist primär an den Fähigkeiten des Patienten ausgerichtet. •Wir arbeiten mit wissenschaftlich fundierten Therapiekonzepten, die wir auf- Prof. Dr. med. Albert Diefenbacher MBA Chefarzt grund der psychischen und körperlichen Krankheitsbilder unserer Patienten individuell ihren Fähigkeiten anpassen. •Unser Umgang mit den Patienten ist wertschätzend und respektvoll. Daher sprechen wir verständlich und einfach mit unseren Patienten und erklären ihnen, was wir tun. •Wir vermitteln den Angehörigen und Betreuern unsere therapeutischen Konzepte und beziehen sie aktiv in den Behandlungsprozess mit ein. •Wir sind ein multiprofessionelles Team und arbeiten interdisziplinär. •Wir achten im Umgang miteinander auf besondere Belastungssituationen und unterstützen uns gegenseitig, um Überforderungen zu vermeiden. Bei Schwierigkeiten sind wir bereit externe Hilfe an zu nehmen. •Regelmäßige Supervisionen und die Bereitschaft zur Fortbildung und Evaluation der Qualität unserer Arbeit sind für uns unerlässlich. Dr. Tanja Sappok, Oberärztin Dr. Christoph Schade, Leitender Oberarzt Prof. Dr. Albert Diefenbacher MBA, Chefarzt Dr. Christoph Schade und Dr. Tanja Sappok Seite 5 Einleitung 2 | Einleitung Menschen mit geistiger Behinderung sind im Zusammenarbeit mit dem vorhandenen Helfer- Vergleich zur übrigen Bevölkerung aus me- system (d.h. Wohngruppen- und Werkstattbe- dizinischer Sicht mehrfach benachteiligt: Sie treuer, Familienangehörige, Psychologen etc.) haben eine kürzere Lebenserwartung und erforderlich. Die somatische Ursachenabklä- leiden häufiger unter psychischen und körper- rung ist insbesondere bei nonverbalen, in der lichen Erkrankungen , die aufgrund diagnos- Regel schwerer geistig behinderten Patienten tischer Schwierigkeiten oft nicht oder erst spät wichtig. Häufig wird in Zusammenarbeit mit erkannt werden . Dies stellt eine besondere dem komplementären System eine Verhal- Herausforderung für ambulante und stationäre tensanalyse zum besseren Verständnis von Behandler dar . Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen durchge- 4 5 6 | 7 führt. Die Diagnosestellung und Einordnung in 2.1 Ganzheitlicher Ansatz international gebräuchliche Diagnosesysteme Wir verfolgen einen ganzheitlichen Ansatz in ist ein wichtiger Bestandteil unserer Arbeit. 8 der differentialdiagnostischen Einordnung der Auf der Grundlage der erhobenen Befunde psychischen Störung und dem sich daraus ab- wird in Kooperation mit dem Patienten und leitenden Behandlungskonzept. Grundlage ist seinem Helfersystem ein bedarfsgerechter, ziel- dabei ein bio-psycho-soziales Krankheitsmo- orientierter Gesamtbehandlungsplan erarbeitet, dell, welches hier beispielhaft dargestellt wird: der die unterschiedlichen Störungsebenen (biopsycho-sozial) einbezieht. Grundsätzlich verstehen wir dabei den Patienten als kompetentes, in seine Umgebung eng verflochtenes Individu- Körper um. Der Patient wird über die Diagnose aufgeklärt und notwendige Therapien werden ihm in Umwelt einfacher Sprache erklärt. Er ist mitverantwortlich für die Umsetzung einzelner Aspekte des Behandlungsplans und trägt maßgeblich durch Mensch seine aktive Mitarbeit zum Therapieerfolg bei. Therapeutische Schwerpunkte liegen neben der psychopharmakologischen Behandlung Kognition Emotion in der Psychoedukation und Entwicklung von verhaltenstherapeutisch und heilpädagogisch ausgerichteten Ansätzen (z.B. Verstärkerpläne, Bei Menschen mit Intelligenzminderung ist ein ganzheitliches Vorgehen in der Diagnostik und Behandlung erforderlich. Neben biologischen, psychischen und sozialen Aspekten sollte auch das emotionale Entwicklungsniveau festgestellt und in der Therapieplanung berücksichtigt werden. 13 Aktivitätenaufbau, Wochenpläne, kognitive Therapie, Entspannungsübungen, Verbesserung der Selbstwahrnehmung und der Impulskontrolle, Erarbeiten alternativer Selbstkontrollstrategien etc.) und unterstützenden nicht Die Basis unserer Arbeit ist die sorgfältige Ana- medikamentösen Therapieverfahren (siehe mnese- und psychische wie körperliche Befun- dazu Punkt 4: Leistungsspektrum). Die Thera- derhebung. Im Sinne unseres ganzheitlichen pie wird ggf. durch Labor- und EKG-Kontrollen Behandlungsansatzes ist dazu eine vertrauens- und häufig durch eine präzise, zielorientierte volle, wertschätzende, konstruktive Verhaltensbeobachtung überwacht. Einleitung 2.2 Interdisziplinäres Team Bei dem von uns gewählten, ganzheitlichen Ansatz der Seite 6 2.4 Besonderheiten in der Behandlung von Menschen mit geistiger Behinderung Störungsentstehung (bio-psycho-soziales Krankheits- Generell wächst die diagnostische Herausforderung modell) und den sich daraus ableitenden Interventionen mit dem Schweregrad der geistigen Behinderung. 14 ist die multidisziplinäre Herangehensweise unerlässlich. Die Ausdrucksmöglichkeiten, insbesondere die verbalen Zu unserem Team gehören Ärzte, Krankenschwestern, Fähigkeiten sind von Menschen mit Intelligenzminderung Heilerziehungspfleger, Diplomheilpädagogen, Diplom- häufig reduziert. Dadurch können sie ihre Beschwerden psychologen, Diplompädagogen, Gartentherapeuten, nicht mitteilen und Erkrankungen werden nicht erkannt Musiktherapeuten, Kunsttherapeuten, Sozialarbeiter, (»underreporting«) oder fehlinterpretiert: Alle denkbaren Physiotherapeuten und Sekretärinnen. körperlichen Erkrankungen können sich im Gewand einer Um nachhaltig wirksam und fachkompetent zu arbeiten, psychischen Störung oder Verhaltensauffälligkeit prä- finden regelmäßig Supervisionen und Fortbildungsver- sentieren.9 | 10 Auffällige Verhaltensmuster werden häufig anstaltungen statt. Interdisziplinäre Arbeit bedeutet für als »normal«, »zur geistigen Behinderung gehörend« uns auch, den engen Kontakt, Austausch und Therapie- erachtet (»diagnostic overshadowing«). 11 Durch die oft abstimmung mit Ärzten anderer Fachrichtungen (z. B. eingeschränkten sozialen Fähigkeiten präsentieren sich Epileptologie oder ambulant behandelnde Hausärzte, psychiatrische Symptome u. U. andersartig oder stark ver- Internisten, Chirurgen, Zahnärzte etc.) und dem Helfer- einfacht (»psychosocial masking«). Vielen Menschen mit system aus dem Lebens­umfeld des Patienten zu halten. geistiger Behinderung fällt es schwer, die einströmenden Reize in einen sinnvollen Zusammenhang zu bringen 2.3 Ziele und Zielgruppe (»cognitive disintegration«). 12 Die Lebensbedingungen, Es werden ausschließlich Patienten mit psychischer insbesondere Änderungen in der Alltagstruktur oder trau- Erkrankung und geistiger Behinderung behandelt, matisierende Erfahrungen im Lebenslauf führen u. U. zum deren medizinische Versorgung und Behandlung nicht Ausbruch von psychischen Erkrankungen oder Verhalten- durch das bestehende Netzwerk aus niedergelassenen sauffälligkeiten. Häufig stehen weniger Coping-Strategien Nervenärzten und Psychiatern gewährleistet werden zur Verfügung und die Introspektions- und Reflexionsfä- kann. Unser Angebot ist ausgerichtet auf Patienten mit higkeit ist reduziert. Oft bestehen zusätzliche körperliche problematischem Krankheitsverlauf (Drehtürpatienten), Erkrankungen (Spastik, Epilepsie), die das körperliche und mit schweren Verhaltensauffälligkeiten im Rahmen von seelische Wohlbefinden beeinträchtigen und »normale« chronischen Psychosen, affektiven Störungen und Per- Methoden zur Stressbewältigung (z. B. durch Sport) ver- sönlichkeitsstörungen, mit Demenz, mit Autismusspek- hindern. Das soziale Netzwerk ist meist qualitativ anders trumsstörungen und mit schweren somatischen Komor- als bei nicht behinderten Menschen: Einige leben auch im biditäten (z. B. schwer behandelbare Epilepsien). Nach Erwachsenenalter noch im Elternhaus. Viele leben in the- differentialdiagnostischer Einordnung und Etablierung rapeutischen Wohngemeinschaften oder vollstationären eines Gesamtbehandlungsplans werden die Pa­tienten Wohneinrichtungen zusammen mit anderen Menschen, nach Möglichkeit an den ambulant behandelnden Kolle- die sie sich nicht selbst ausgesucht haben. Verschiedene gen zurück überwiesen. Krankheitsbilder, die bei geistig behinderten Menschen häufig vorkommen wie z.B. Autismusspektrumstörungen oder Syndrom assoziierte psychische Störungen sind nicht regelhafter Bestandteil in der fachärztlichen Ausbildung und werden dadurch unter Umständen nicht erkannt. Diese besonderen Bedingungen führen zu einer erhöhten Vulnerabilität für psychische Erkrankungen und Verhaltens­auffälligkeiten, erschweren die Diagnostik und Therapie und erfordern eine komplexe, spezialisierte, fachkompetente Beurteilung und Behandlung. Seite 7 Einleitung 3. Personelle und organisatorische Rahmenbedingungen 3.2 Weiterbehandlung Für die Weiterbehandlung benötigen wir jedes weitere Das Behandlungsangebot dieses Bereichs der PIA ist Quartal einen aktuellen Überweisungsschein vom Haus- primär auf den Berliner Versorgungsbereich ausgerichtet arzt oder Psychiater. und befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft zum Nach drei bis vier Patientenkontakten wird eine vor- stationären Bereich des Behandlungszentrums, im Haus läufige diagnostische Einordnung vorgenommen und 11 des Ev. Krankenhauses Königin Elisabeth Herzberge ein individueller, bedarfsorientierter Behandlungsplan in Lichtenberg. Um auch für Patienten in den westlichen entworfen. Dieser wird mit dem Patienten und dem Bezirken Berlins ein wohnortnahes Angebot zu schaf- begleitenden Vertreter des Helfersystems besprochen fen, bietet die PIA eine Sprechstunde in der Friedrich- und abgestimmt. Es ist sinnvoll, dass immer die gleichen von-Bodelschwingh-Klinik, Landhausstraße 33 – 35, in Bezugspersonen an den Visiten teilnehmen. Dies können Berlin-Wilmersdorf an. Der größte Teil der Patienten wird Familienangehörige, gesetzliche Betreuer, Einzelfallhel- aufsuchend versorgt. fer, »Gesundheitsbeauftragte« oder Bezugsbetreuer der Wohngruppe sein. Dadurch wird ein konstanter Informa- 3.1 Aufnahmemodalitäten tionsfluss und damit eine stabile Zusammenarbeit mög- Die Kosten für die Behandlung in der Ambulanz über- lich gemacht. Entsprechend unserem ganzheitlichen und nimmt die Krankenkasse. Um sicher zu stellen, dass die interdisziplinären Behandlungsansatz ist neben regelmä- medizinische Versorgung nicht durch einen niedergelas- ßigen Arztvisiten während der gesamten Behandlung die senen Fachkollegen gewährleistet werden kann, ist bei Teilnahme an unserem nichtärztlichen Komplexangebot der Erstvorstellung eines Patienten der Überweisungs- (siehe 4. Leistungsspektrum) sinnvoll und notwendig. schein von einem Nervenarzt oder Psychiater nötig. Die Anmeldung erfolgt telefonisch während der Ambulanzsprechstunde durch das Fachkrankenpflegepersonal (Telefon: 54 72 – 49 16). Wir bitten darum, bereits bei der Erstvorstellung den vorher zugeschickten, ausgefüllten Patientenfragebogen, eine Kopie des Ausweises des gesetzlichen Betreuers, eine Einverständniserklärung des gesetzlichen Betreuers zur Behandlung durch die Ambulanz und eine Schweigepflichtsentbindung gegenüber den Begleitpersonen mitzubringen. Der Patient sollte zum Erstkontakt von jemandem begleitet werden, der ihn gut kennt und ausführliche Auskünfte über die Entwicklung der Beschwerden, die aktuellen Lebensumstände und die Vorgeschichte machen kann. Leistungsspektrum Seite 8 4 | Leistungsspektrum 4.1 Ärztliche Betreuung Der Arzt fungiert als Koordinator bei der 4.2 Psychologische Betreuung Psychologische Diagnostik diagnostischen Abklärung und Therapieab- • stimmung. Um eine Beziehungskontinuität •Bestimmung des sozio-emotionalen Ent- und einen konstanten Informationsfluss zu Kognitives Leistungsniveau wicklungsniveaus (nach Došen) gewährleisten, versuchen wir, Arztwechsel auf ein Minimum zu reduzieren. Im Krank- In Kooperation mit dem stationären heits- oder Urlaubsfall vertreten sich die in der Bereich des Behandlungszentrums auch: Ambulanz tätigen Ärzte gegenseitig. Sie sind • Demenzdiagnostik im stationären Bereich des Behandlungszen- • Autismusdiagnostik trums ausgebildet und damit spezialisiert auf • Persönlichkeitsdiagnostik die Behandlung psychisch kranker Menschen mit geistiger Behinderung. Psychotherapie: •Progressive Muskelrelaxation (PMR) nach Die ärztlichen Leistungen umfassen im Einzelnen: Jacobsen (Stressreduktion, Behandlung •Erhebung der Anamnese und des körper- von Angst- und Unruhezuständen und lichen und psychischen Befundes psychosomatischen Beschwerden, Verbes- •Differentialdiagnostische psychische und somatische Abklärung (Verhaltensanalysen, serung der Selbstwahrnehmung) •In Einzelfällen psychotherapeutische Be- EKG, EEG, Röntgen, CCT etc.) und Beurtei- handlung lung • Erstellung eines Gesamtbehandlungsplans •Indikationsstellung, Durchführung und •Beratung bei der Wohnplatz- und Werk- Überwachung der psychopharmakologischen Behandlung 4.3 Sozialarbeit stattsuche • Angehörigengruppe 4.4 Heilpädagogik •Indikationsstellung nicht-medikamentöser Diagnose-/Therapieverfahren • Ggf. psychotherapeutische Behandlung • Epikrisen- und Gutachtenerstellung •Spezifische, heilpädagogische Angebote (z. B. Gedächtnis- und Konzentrationstraining, basale Stimulation) •Kreativtanzgruppe (Körper- und Selbstwahrnehmung, Aktivierung) •Ernährungsberatung (Wissensvermittlung, Gewichtsreduktion,) •Skillstraining im Rahmen des DBT-Programms (Psychoedukation, aktive Spannungsregulation, Förderung der Gefühlsund Sinneswahrnehmung, s.u.) •In Kooperation mit dem stationäre Bereich des Behandlungszentrums auch Förderdiagnostik (AA-PEP, TTAP) bei Autismus Seite 9 Leistungsspektrum 4.5 Krankenpflegerische Betreuung •Kontakt- und Aktivitätengruppe 4.7.1 DBT angelehnte Behandlung (z. B. Ausflüge, Spielnachmittage, Kaffee- • 4.7 Spezialangebote von Borderline Patienten trinken zur Förderung der Kontakt- und Für Patienten mit emotional instabiler Persön- Kommunika­tionsfähigkeit und der Selbst- lichkeits- oder Impulskontrollstörung wird eine ständigkeit, zur sozialen Integration und Behandlung in Anlehnung an das DBT- Kon- zur Aktivierung) zept von Marsha Linehan angeboten. Es han- Snoezeln (Entspannung, Stressabbau) delt sich um ein Programm, das der bewussten •Koordination der krankenpflegerischen und heiltherapeutischen Aufgaben •Blutentnahmen, Gabe von Depotspritzen, Blutdruck- und Gewichtskontrollen Gefühlswahrnehmung und aktiven Impulsregulation dient. Wir haben für unsere Patienten spezielle Arbeitsmittel entworfen (einfache Sprache, Piktogramme, visuelle Hilfen), um die Inhalte verständlich darzustellen. Bei dieser • 4.6 Kreativtherapien betreuungsintensiven, psychotherapeutischen Kunsttherapie Behandlung ist die aktive Miteinbeziehung Einzel- und Gruppentherapie der Bezugsbetreuer und Familienangehöri- (Förderung der Ausdrucksfähigkeit, gen besonders wichtig, um den Transfer des Anregung der Vorstellungskraft, Ansprechen Erlernten in den Lebensalltag des Patienten zu der visuellen und taktilen Sinne, Aktivierung, gewährleisten. Stärkung der Selbstwirksamkeitserwartung) • Musiktherapie Einzel- und Gruppentherapie • 4.7.2 Autismusdiagnostik und -therapie Die Autismusdiagnostik und -therapie ge- (Diagnostik und Behandlung tiefgreifender schieht in Kooperation mit dem stationären Entwicklungsstörungen, Verbesserung der Bereich des Behandlungszentrums. Die Dia- sozialen Kompetenz und Dialogfähigkeit, gnostik erfordert eine interdisziplinäre Zusam- Affektregulation und -ausdruck) menarbeit: Physiotherapie Adipositasgruppe (Gewichtsreduktion, Körper- und Selbstwahrnehmung, Stressabbau) • Hundetherapie (Expositionstraining, Interaktionstraining, Impulskontrolle) Professionelle Betreuer Psychodiagnostik Verhaltensbeobachtung Familie Frühkindliche Anamnese Psychodiagnostik Verhaltensbeobachtung Pflegepersonal Verhaltensbeobachtung FALLKONFERENZ Alltagssituationen Videoanalyse Therapeuten Verhaltensbeobachtung z.B. in der Musiktherapie Psychologe Psychodiagnostik Arzt ICD-10-Checkliste Leistungsspektrum Seite 10 Im Rahmen einer Fallkonferenz erfolgt die differentialdiagnostische Einordnung und Die Ambulanz übernimmt ausschließlich die Erarbeitung von Empfehlungen zum weiteren Behandlung der psychiatrischen Erkrankung, therapeutischen Vorgehen. Die Diagnose, die die Behandlung von Krankheitsbildern aus erhobenen Befunde und Therapieempfeh- anderen Fachrichtungen, u.a. auch neurolo- lungen werden dem Helfersystem und den gischen Krankheiten (Epilepsie, Spastik etc.) er- Angehörigen des Patienten im Rahmen einer folgt weiterhin durch den jeweiligen Facharzt, Visite durch den behandelnden Arzt mitgeteilt. z. B. Neurologen. Es wurde Informationsmaterial zusammenge- Nach den geltenden Regelungen der Kran- stellt, um die Aufklärung und den Transfer in kenkassen ist die zeitgleiche Doppelbehand- das Lebensumfeld des Patienten zu erleichtern. lung eines Patienten durch die Ambulanz 4.9 Was wir nicht leisten können und weitere Psychiater oder psychologischen 4.8 Notfälle Psychotherapeuten, also auch die parallele Ziel der Ambulanz ist es, die Patienten auch Durchführung einer Richtlinienpsychotherapie, in akuten Krankheitsphasen zu begleiten nicht möglich. und Wege aus der Krise zu finden. Leider ist eine notfallmäßige Aufnahme in den vollsta- tionären Bereich des Behandlungszentrums Es gibt eine enge Verzahnung mit dem statio- aus Kapazitätsgründen nicht immer möglich nären Bereich des Behandlungszentrums (ausgenommen Lichtenberg/Hohenschön- (Haus 9, Stationen P7 und P8). Stationäre Pati- hausen). In solchen Fällen muss die stationäre enten, die eine weitere, ambulante Komplex- Aufnahme zunächst im stadtbezirklich zustän- behandlung benötigen, werden nach Informa- digen psychiatrischen Krankenhaus erfolgen. tion des bisher behandelnden Nervenarztes Wir bitten, die Ambulanz darüber telefonisch an die Ambulanz angebunden. Umgekehrt zu informieren. Ggf. kann der Patient nach können Ambulanzpatienten zur intensiven Ver- Rücksprache in den stationären Bereich des haltensbeobachtung durch unser geschultes, Behandlungszentrums oder in die ambulante stationär tätiges Team, zur raschen soma- Weiterbehandlung übernommen werden. tischen Ursachenabklärung, bei Krankheitsexa- 5.Kooperationen zerbation oder zur medikamentösen Neuein stellung stationär aufgenommen werden. Der behandelnde Arzt aus der Ambulanz hält dann mit dem stationär arbeitenden Kollegen Rücksprache über den bisherigen Krankheitsverlauf und den stationären Behandlungsauftrag. Darüber hinaus visitiert er seine ambulanten Patienten regelmäßig während des stationären Aufenthalts und stimmt das Procedere mit dem stationär behandelnden Kollegen ab. Der stationäre Kollege informiert den ambulanten Arzt über den Entlassungstermin und die Ergebnisse des stationären Aufenthalts. Seite 11 Leistungsspektrum Zur differentialdiagnostischen Einordnung und 6. Literatur Therapieabstimmung finden bei Patienten mit 1 einem zusätzlichen, schweren Anfallsleiden Fallbesprechungen mit den epileptologischen Kollegen des KEH statt. Als Teil des Berliner Behandlungszentrums für Menschen mit geistiger Behinderung und psychischer Erkrankung ist die Ambulanz engmaschig mit verschiedenen Berliner und bundesweiten Spezialbereichen in der Versorgung von geistig behinderten Menschen mit zusätzlichen psychischen Erkrankungen vernetzt. Hierzu zählen insbesondere ·Arbeitsgruppe »Geistige Behinderung« der Bundesdirektorenkonferenz (www.bdk-deutschland.de) ·Bundesarbeitsgemeinschaft »Ärzte für Menschen mit geistiger Behinderung« (www.aemgb.de) · Heilpädagogische Ambulanz Berlin (www.hpa-berlin.de) · LOTSE Berlin · Berliner Krisendienst · Aspies e.V. (www.aspies.de) ·Netzwerk leichte Sprache (www.leichtesprache.org) ·komplementäre Anbieter im Bereich Berlin/Brandenburg (u. a. Lebenshilfe, die Einrichtungen im Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbund und viele mehr). ·DGPPN-Zertifikat UN-Behindertenrechtskonvention vom 13.12.2006, http://www.un.org/esa/socdev/enable/rights/ adhoccom.htm 2 1.1.2009: innerstaatliches Inkrafttreten und Abschluss der Ratifizierung des am 30. März 2007 von der Bundesrepublik Deutschland unterzeichneten Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen und das dazugehörige Fakultativprotokoll, siehe dazu http://www.behindertenbeauftragte.de/ nn_1040386/DE/Gleichstellung/Internationales/Internationales__node.html?__nnn=true 3 International Classification of Functioning, Disability, and Health (ICF) der WHO, 2001, siehe http://www.who.int/classifications/icf/en/ 4 Cooper SA, Smiley E, Morrison J, Williamson A, Allan L: Mental ill-health in adults with intellectual disabilities: prevalence and associated factors. Br J Psychiatry.190:27-35, 2007. 5 White MJ, Nichols CN, Cook RS, Spengler PM, Walker BS, Look KK: Diagnostic overshadowing and mental retardation: a meta-analysis. Am J Ment Retard. 100; 293-298, 1995. 6 Ryan R: Handbook of mental health care for persons with developmental disabilities. Diverse City Press, Canada, 2001. 7 Došen A: Psychische Störungen bei geistig behinderten Menschen. Übersetzung aus dem Niederländischen von Markus Vieten. Urban und Fischer, München, 2002 8 WHO, Internationale Klassifikation psychischer Störungen, ICD 10, Kapitel V, Klinisch diagnostische Leitlinien. Dilling H, Mombour W, Schmidt MH (Hrsg.). 5. Auflage, Verlag Hans Huber, Hogrefe, Bern, 2005. 9 Diefenbacher A: Konsilar- und Liaisonpsychiatrie. In: Helmchen H, Henn F, Lauter H, Sartorius N (Hrsg.), Psychiatrie der Gegenwart, 4. Auflage, 2 Allgemeine Psychiatrie, Kapitel 14, S. 433–456. Springer-Verlag Berlin Heidelberg, 1999. 10 Schade C, Sappok T, Diefenbacher A (2008). Besonderheiten in der Diagnostik und Therapie psychischer Erkrankungen bei Menschen mit geistiger Behinderung. Berliner Ärzteblatt, 121(239): 23–26 11 Reiss S, Szyszko J: Diagnostic overshadowing and professional experience with mentally retarded persons. Am J Ment Defic. 87(4):396-402, 1983. 12 Schmidt H: Strukturelle und methologische Besonderheiten in der Diagnostik bei geistig Behinderten. In: Schanze C (Hrsg.): Psychiatrische Diagnostik und Therapie bei Menschen mit Intelligenzminderung. S. 25–27. Schattauer Verlag, Stuttgart, 2007. 13 Sappok T, Schade C, Kaiser H, Dosen A, Diefenbacher A (2011). Die Bedeutung des emotionalen Entwicklungsniveaus bei der psychiatrischen Behandlung von Menschen mit geistiger Behinderung. Fortschritte Neurologie Psychiatrie, 79: 1-8 14 Lehmkuhl, Sinzig, Sappok, Diefenbacher (2011). Kapitel 24: Intelligenzminderung. In: Psychische Erkrankungen, Hrsg. Berger M, 4. Auflage Evangelisches Krankenhaus Königin Elisabeth Herzberge gGmbH Herzbergstraße 79 10365 Berlin Telefon (030) 54 72 - 0 Telefax (030) 54 72 - 20 00 www.keh-berlin.de [email protected] Abteilung für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik Chefarzt Prof. Dr. med. A. Diefenbacher MBA Sekretariat, Telefon: (030) 54 72 – 48 01 Psychiatrische Institutsambulanz Bereich: Geistige Behinderung Leiter: Dr. med. Christoph Schade Sekretariat, Telefon: (030) 54 72 – 48 05