Universität Zürich IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung SYCOM | Learning System for an Introduction to Communication and Media Studies Texte zum Selbstlernmodul Journalistische Ethik Barbara Thomaß 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. Dürfen Medien alles, was sie können? Über den Charakter des Feldes und seine Probleme ..........................................................2 Grundlegende Begriffe und Konzepte der Ethik .................................................................3 2.1. Ethik, Moral und Ethos.............................................................................................................. 3 2.2. Das Verhältnis von Recht und Ethik der Medien ......................................................................... 5 2.3. Die Entstehung von Berufskodizes und Selbstregulierung ........................................................... 6 Der wissenschaftliche Diskurs über journalistische Ethik...................................................8 Ethische Problembereiche im Journalismus ......................................................................17 Analysewerkzeuge zur Bearbeitung journalistisch-ethischer Dilemmata, mit Fallstudie .....................................................................................................................23 Schweizer Pressekodex und Schweizer Presserat .............................................................26 Media Accountability Systems...........................................................................................36 SYCOM | Medienwirkungsforschung ©2004 by IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich 1 Universität Zürich IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung SYCOM | Learning System for an Introduction to Communication and Media Studies Texte zum Selbstlernmodul Journalistische Ethik Barbara Thomaß 1. Dürfen Medien alles, was sie können? Über den Charakter des Feldes und seine Probleme Journalistische Ethik: kritische Beobachter der Medienentwicklung stellen die Frage, ob sie überhaupt existiere. Skeptiker halten sie ohnehin nicht für vereinbar mit den ökonomischen Bedingungen, unter den Medien produziert werden. Und da sollen Sie sich in einem Selbstlernmodul damit beschäftigen? Wo Sie doch fast täglich Beispiele finden, wie die ethischen Vorstellungen von Medien, die Sie möglicherweise haben, von den Machern missachtet werden? Vielleicht ist das gerade ein Grund, genauer einzusteigen in das Thema, dass immer dann Konjunktur hat, wenn wieder einmal ein Skandal oder auch nur ein Skandälchen in der Öffentlichkeit diskutiert wird. Und solche Fehltritte gibt es zuhauf: Die Darstellung der US-Geiseln in irakischer Hand im arabischen Fernsehen Al Jazeera, der Fall des britischen Wissenschaftlers Kelly, der die BBC über Hintergründe der Irak-Politik der britischen Regierung informierte (Sie können dazu einen Artikel anklicken ), die Berichterstattung über den Moderator Michel Friedmann (dazu haben wir eine Fallstudie für Sie vorbereitet), – Fälle allein aus dem zweiten Vierteljahr 2003. Durften die Medien so handeln, wie sie es im jeweiligen Fall taten? Wer entscheidet darüber, ob sie es durften? Und nach welchen Kriterien wird entschieden? Woher beziehen wir solche Maßstäbe? Und wie lassen sich so gewonnene Ansprüche auch tatsächlich umsetzen? Sind alleine die Journalistinnen und Journalisten verantwortlich? Ethische Betrachtungen haben eine jahrtausend Jahre alte Tradition. Sollen sie gerade in einem Bereich, an den so hohe normative Anforderungen gestellt werden wie an die Medien, obsolet geworden sein? Dem Journalismus wird nachgesagt, er würde in einer Multimedia-Umwelt möglicherweise in seiner Funktion, Öffentlichkeit herzustellen, überflüssig werden. Ist angesichts dieser Möglichkeit nicht eine Selbstvergewisserung vonnöten, die auch moralische Implikate beinhalten müsste? Ethik wartet mit Fragestellungen auf, die letztendlich immer das Individuum in den Mittelpunkt ihrer Reflexion stellt; der Journalismus wird dagegen als soziales System begriffen, das in vielfältigen Abhängigkeitsverhältnissen von den ökonomischen und technologischen Gegebenheiten steht, angesichts derer er seine Inhalte produziert. In der wissenschaftlichen Diskussion wurde das Wort vom „Ethikbedarf“ aufgegriffen, als sich Ende der 80er Jahre und Anfang der 90er Jahre journalistische Fehlleistungen spektakulärer Art in vielen westeuropäischen Ländern häuften. Und so entstand eine wachsende Glaubwürdigkeitslücke. Vor SYCOM | Medienwirkungsforschung ©2004 by IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich 2 diesem Hintergrund ist das Interesse an einer Rückbesinnung auf den publizistischen Auftrag gewachsen. Ich hoffe, dass ich Ihr Interesse geweckt habe, sich auf eine Entdeckungstour zu den oben angeschnittenen Fragen zu begeben. Eindeutigkeiten werden Sie dabei vermissen, hingegen werden Sie Handwerkszeug oder besser Handreichungen finden, wie Sie mit Vieldeutigkeiten und den vielen Möglichkeiten moralischen Urteilens umgehen. Und so verbinde ich mit dieser Lerneinheit den Wunsch, dass sie nicht nur Ihr Nachdenken über Standards im Journalismus anregt, sondern auch Ihr Handeln. Denn Ethik stellt schließlich die Grundfrage: "was soll ich tun?" 2. Grundlegende Begriffe und Konzepte der Ethik 2.1. Ethik, Moral und Ethos Wir könnten über dieses Kapitel auch die Frage stellen: "Was ist journalistische Ethik, und was leistet sie?" Beantworten Sie doch einmal diese Frage, bevor sie weiter lesen. Sicher fallen Ihnen viele Aspekte ein, beschränken Sie sich jedoch auf die fünf wichtigsten. Was ist journalistische Ethik? Was leistet journalistische Ethik? 1. 2. 3. 4. 5. Im Sprachgebrauch des Alltags wird selten zwischen den Begriffen Ethik und Moral unterschieden, mehr noch, sie werden überwiegend synonym eingesetzt. Da ist von ethischen Ansprüchen die Rede, von ethisch verwerflichen Handlungen oder auch von der Feststellung, es gebe einen erhöhten Ethikbedarf in der Gesellschaft. In diesen Zusammenhängen geht es jedoch, wenn wir uns wissenschaftlich präzise ausdrücken wollen, um moralische Ansprüche, moralische Handlungen oder den Appell, moralischer zu sein. Denn wir sprechen hier von singulären Handlungen, bzw. Ansprüchen, die einer Beurteilung nach Maßstäben der Moral unterworfen werden. Die Ethik als philosophische Disziplin hingegen macht die Moral selbst zu ihrem Gegenstand, fragt nach Prinzipien von Handlungen, nach Kriterien, nach denen zu beurteilen ist, was moralisch ist oder untersucht die Bedingungen, unter denen sich moralische Werte durchsetzen und als allgemeingültig anerkannt werden. Ethik ist eine Teildisziplin der praktischen Philosophie und beschäftigt sich mit der Frage "Was soll ich tun?" Die Antwort enthält nicht nur geltende Konventionen und Moral- SYCOM | Medienwirkungsforschung ©2004 by IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich 3 vorstellungen, sondern auch Begründungen für den Sinn und die Verbindlichkeit solcher Handlungsdirektiven. Im Rahmen der Ethik werden aber auch Verhaltensmuster und Grundeinstellungen beschrieben (-- > deskriptive Ethik) und auf ihren moralischen Gehalt hin analysiert, werden moralische Probleme und Konflikte erfasst, Lösungsvorschläge entwickelt und auf ihre moralischen Konsequenzen hin überprüft. Mit dieser Abgrenzung, dass Ethik nicht die Moral selbst, sondern die Reflexion über die Moral ist, müssen wir allerdings noch den Begriff der Moral klären. Das lateinische "mos" (im Plural mores, vgl. "jemanden Mores lehren") beinhaltet die Doppeldeutung von Sitte und Charakter, bezeichnet also sowohl die Handlungsmuster einer Gemeinschaft, denen normative Geltung zugesprochen wird, als auch die Eigenschaft eines Individuums oder einer Gruppe, diesem Regelwerk Genüge zu tun (Pieper 1991: 26). Die Moral einer Gesellschaft oder Gemeinschaft begegnet uns als Katalog von Normen- und Wertvorstellungen, und entsprechend können verschiedene Gruppen unterschiedliche Moralen haben; dabei kann sich der Inhalt einer Moral ändern - Bedenken Sie die Veränderung der Sexualmoral in nur wenigen Jahrzehnten! - nicht jedoch ihr Anspruch, handlungsleitend für die Individuen zu sein, die im Bereich ihres Geltungsanspruches leben. Jedes Werturteil über Handlungen, richtet sich nach Kriterien, die - mehr oder minder explizit - moralischer Natur sind. Jede Entscheidung innerhalb eines Konfliktes oder eines Problems wird nach Überlegungen, die - mehr oder minder - auch moralischer Art sind. Als ethisch ist dabei eine Haltung zu bezeichnen, die eine Reflexion der Moral beinhaltet. Moralität, als Qualität des Handelns, und damit die Orientierung auf das Handeln, ist ein wesentliches Element der Ethik, die als praktische Philosophie von Aristoteles begründet worden war. In der Beantwortung der Grundfrage der Ethik "Was soll ich tun?" geht es um Sinn und Verbindlichkeit und den Grund der Verbindlichkeit von Handlungsdirektiven, also um die Frage, wie die Gültigkeit von Wertmaßstäben, die für moralisches Handeln angelegt werden, zu begründen sind. Ein weiterer Terminus, den wir im Weiteren benötigen werden, ist der des Ethos - so zum Beispiel wenn wir vom Berufsethos der Journalisten sprechen. Damit bezeichnen wir zunächst das Ganze der moralischen Einstellung und des moralischen Verhaltens eines Menschen, die moralische Gesamthaltung und die sittlichen Lebensgrundsätze, welche die Grundlage des Wollens und Handels bilden. Dazu gehört ebenso die Gesamtheit der ethischen Normen, Ideale, u.s.w. Unter Berufsethos wird nicht nur die Haltung eines Menschen in und zu einem Beruf verstanden, welche einen allgemeinen Werthintergrund des beruflichen, oft auch des außerberuflichen Handelns und Verhaltens, bildet. Sondern auch das Auftreten eines ganzen Berufes und die Wahrnehmung seiner Leistungen durch die Öffentlichkeit gehören hierzu. Das galt zunächst nur für sehr wenige Berufe, führte aber mit der Aufwertung der Arbeit zur Entstehung eines differenzierten Systems von Berufsständen, die zum Teil bis heute an einem im Beruf gründenden Standesethos orientiert sind, wie Ärzte oder Rechtsanwälte - oder eben auch Journalistinnen und Journalisten. In diesem Sinne beschäftigen wir uns in dem Modul "Journalistische Ethik" mit der Moral des Journalismus, mit Wertvorstellungen und Geltungsansprüchen, die in diesem Beruf zu finden sind. Dass es zu einem spezifischen Ethos des Journalismus kam, ist das Ergebnis komplizierter Ausdifferenzierungsprozesse, innerhalb derer der Beruf sich selbst als System etablierte. Mit der Ausdifferenzierung der Gesellschaft, der Entwicklung eines modernen Staatswesens und der Herausbildung der Rolle des Individuums im staatlichen Gemeinwesen sind seit jeher ethische Fragen verbunden gewesen, die der Klärung des Verhältnisses von einzelnem und Gesellschaft, von SYCOM | Medienwirkungsforschung ©2004 by IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich 4 individueller Freiheit und staatlichen Ansprüchen dienen sollten. Die entsprechenden philosophischen Strömungen - die Aufklärung, die Vertragsethik, der Utilitarismus, der kategorische Imperativ, um nur einige zu nennen - sind in die Vorstellungen moderner westlicher Demokratien von der Rolle der Presse, später der Medien in einer Gesellschaft eingeflossen. Seit der Einführung von gedruckten Periodika im späten 15. und frühen 16. Jahrhundert wurden auch die mit ihnen verbundenen Rechte und Pflichten debattiert. Im 18. und 19. Jahrhundert drängte die neue bürgerliche Klasse danach, sich neben der bisher herrschenden Aristokratie zu behaupten und verteidigte selbstbewusst ihren Beitrag zur Modernisierung der Gesellschaft. Neue Berufe, die sich die Ideologie vom wissenschaftlichen und technischen Fortschritt zu eigen machten, rangen um Anerkennung. Druckunternehmer und Verleger waren Teil dieser neuen gesellschaftlichen Schichten, die nach der Absicherung ihres gesellschaftlichen und ökonomischen Status' suchten, und innerhalb ihres Berufsstandes wandelte sich eine allgemein liberale Weltauffassung zu einem professionellen liberalen Ethos. Die philosophische Diskussion des 18. Jahrhunderts entwickelt in ihrem Nachdenken über die Rolle von Staat, Gesellschaft und Individuum ein System von Normen, welche auch die Verpflichtungen und Freiheiten der Presse und der in ihr Tätigen berührten. Inspiriert von ethischen Grundpositionen einerseits und andererseits beeinflusst vom sozialen und politischen Wandel fand ein Teil dieser Normen Eingang in die Verfassungen und in die Rechtsprechung. Unser heutiges Recht auf Presse-, Meinungs- und Informationsfreiheit, das Recht auf Zeugnisverweigerung für bestimmte Berufe (das längst nicht in allen Gesetzgebungen verankert ist), das Recht am eigenen Bild - all dies sind de jure verankerte Normen, die für die berufliche Praxis der Journalisten grundlegend sind. Schwieriger fassbar, aber nicht weniger virulent sind die Elemente, die grundlegend für das Berufsethos der Journalismus in der modernen Demokratie geworden sind - so zum Beispiel die Grundannahme des Journalismus, dass die Menschen informiert werden müssen, weshalb die Medien eine besondere Rolle in der Gesellschaft spielen sollten, die Vorstellung, dass die Medien lediglich Fakten zu bringen haben, aus denen sich der Rezipient sein eigenes Bild macht oder - dem entgegengesetzt - die Vorstellung von der sozialen Verantwortlichkeit der Medien. 2.2. Das Verhältnis von Recht und Ethik der Medien Ist die Pressefreiheit der Ausgangspunkt presserechtlicher wie journalismusethischer Überlegungen, so ist mit ihr gleichzeitig die grundlegende Frage verbunden, wie viel Bindungen diese Freiheit bedarf. Denn die mit der Pressefreiheit verbunden Rechte (Freiheit der Informationsbeschaffung, verbreitung und des Informationsempfangs, Verbot von Staatseingriffen und Zensur) finden ihre Grenzen zum Beispiel in den Rechten von Individuen auf Achtung der Privatsphäre, in den Sicherheits- und Geheimhaltungsbedürfnissen des Staates und in der Sicherung des friedlichen Zusammenlebens. Fragt man nach den normativen Grundlagen ethischer Standards im Journalismus ist man also zunächst auf die medienrechtlichen Bestimmungen verwiesen. Doch das Recht ist dabei nur als eine Minimalvoraussetzung für ethische Standards zu sehen. Die Alltagsweisheit "Was das Gesetz nicht verbietet, verbietet der Anstand" verweist auf das komplexe Verhältnis, in dem Recht und Ethik - grundsätzlich und auch - in Bezug auf den Journalismus stehen. Ethik ist Selbstbindung des Berufes und damit eine Steuerungsressource neben dem Markt und dem Recht, doch wenn sie versagt - wie im Angesicht von zahllosen Medienskandalen konstatiert wird, wird der Ruf nach dem Gesetz besonders laut. SYCOM | Medienwirkungsforschung ©2004 by IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich 5 Als formal wie inhaltlich bedeutender Unterschied zwischen beiden ist festzuhalten, dass das Gesetz von außen auf die Journalistinnen und Journalisten auferlegt wird, während ethische Regeln aus dem Berufsstand heraus definiert und gegebenenfalls in Kodizes festgeschrieben werden. Damit sind auch beider Leistungsfähigkeit und Grenzen gegeben. Gesetzliche Regelungen sind wirksam, weil ihnen ein hohes Sanktionspotential innewohnt. Mit Polizei und Gerichten existieren Institutionen, die ihre Einhaltung überwachen und gegebenenfalls durchsetzen können; Individuen können sich auf sie als verbindliche und einklagbare Grundlagen berufen. Allerdings sind sie gleichermaßen vage wie rigide und können nur gegenüber eindeutigen und schweren Vergehen angewandt werden. Wie jedwede gesetzlichen Festschreibungen folgen auch presserechtliche Normierungen aufgrund der komplexen Verfahren, die sie voraussetzen, tatsächlichen gesellschaftlichen Entwicklungen und Notwendigkeiten mit erheblicher zeitlicher Verzögerung. Aus dem Berufsstand erwachsende ethische Regeln haben den Vorteil, aufgrund ihrer - in der Regel - konsensualen Entstehung eine größere Akzeptanz und Praxisnähe erreichen zu können. Sie können Selbstkritik und Selbstdisziplin stimulieren. Allerdings ist ihr Sanktionspotential so stark begrenzt, dass sie in Zeiten gehäufter medienethischer Fehlleistungen geradezu wirkungslos erscheinen. Aufgrund dieser unterschiedlichen Leistungsfähigkeit und ihres gemeinsamen Gegenstandes sind drei Arten von Beziehungen zwischen presserechtlichen und berufsethischen Regelungen möglich: Kodizes können das Gesetz korrigieren, ergänzen bzw. ersetzen oder im Widerspruch zu ihm stehen. Dort wo die Gesetzgebung unzureichend, unangemessen, oder nicht geeignet ist, soll die journalistische Selbstverpflichtung greifen. Während die Gesetze nur Negatives verhindern, können ethische Regeln Positives erreichen. Betrachten wir die Medienethik als umfassender, die journalistische Ethik einrahmend, so können wir noch eine grundsätzliche Leistung dieser Reflexionsebene anführen. Eingedenk der Tatsache, dass weder das Recht noch der Markt (durch die bewusste Entscheidung der Käuferinnen und Käufer von Medienprodukten) in der Lage sind, Auswüchse und Fehlentwicklungen der Medien und ihrer Leistungen zu verhindern, wird zunehmend das Potential der Medienethik als Steuerungsressource diskutiert. Durch die Zuweisung von Selbstverpflichtung und die Förderung entsprechender Strukturen (vgl. 3.3. Presserat und Pressekodex) soll die Regulierung der Leistungen der Medien und der Wahrung von Standards an diese selbst übertragen werden. Durch die Institutionalisierung von Formen der Selbstkontrolle soll das Verantwortungsbewusstseins von Medienorganisationen und den in ihnen Handelnden gehoben werden. 2.3. Die Entstehung von Berufskodizes und Selbstregulierung In dem Dilemma des Journalismus, einerseits mögliche gesetzliche Restriktionen abzuwehren, andererseits einen positiven Orientierungsrahmen für die Profession zu bieten, hat sich letztlich auch die Entwicklung und Festschreibung berufsethischer Regeln vollzogen. Wenn die öffentliche Meinung nach schärferen Gesetzen gegenüber der Presse ruft, versucht diese ihrerseits, dieser Gefahr durch eine Selbstkontrolle zu begegnen. Dies ist der Hintergrund für die Entstehung der Pressekodizes, die insbesondere in den Jahren zwischen 1960 und 1970 enorm zugenommen haben (weiter zur Selbstregulierung und zu Pressekodizes vgl. 3.3). Pressekodizes können als elementarer Bestandteil einer professionellen Selbstregulierung gelten. Selbstregulierung, verstanden als die Fähigkeit eines Sektors, die Formulierung und Implementie- SYCOM | Medienwirkungsforschung ©2004 by IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich 6 rung von Maßnahmen, die gewünschtes Verhalten wahrscheinlicher machen, zu sichern, setzt eine gewisse Organisationsfähigkeit dieses Sektors und ein Interesse an einem gemeinsamen Vorgehen voraus (vgl. Mayntz/Scharpf 1995). In der Wahrung der Rahmenbedingungen für Pressefreiheit ist für den Journalismus dieses Interesse prinzipiell gegeben. In einer grundsätzlichen Betrachtung lassen sich für die Einführung von Berufskodizes drei im engen Zusammenhang stehende Erklärungen anführen (vgl. White 1986: 51 ff.): - Eine funktionalistische Erklärung sieht die Einführung von Ethikkodizes als Schutzmechanismus für die potentiellen Kunden oder Adressaten eines Berufes, die vor der Gefahr eines unkontrollierten Expertentums bewahrt werden sollen. Diese Erklärung erhält besondere Tragweite in Zeiten schneller Expansion von neuen, gesellschaftlich nicht beherrschten oder kontrollierten Kenntnissen. Die schnelle Einführung neuer Kommunikationstechniken mit den daraus resultierenden Sorgen kann das in jüngster Zeit gestiegene Interesse an der Medienethik erklären. - Eine monopolistische oder ökonomische Erklärung argumentiert, dass Berufskodizes einen Teil eines umfassenderen Mechanismus' darstellen, der den Berufszugang restriktiv gestalten soll, damit die einschlägige fachliche Kompetenz als knappes Gut am Markt gehandelt werden kann. - Eine berufssoziologische Erklärung sieht in der Etablierung von Berufskodizes den Versuch, den sozialen Status einer Profession innerhalb der Gesellschaft abzusichern. Diese Erklärung fußt auf der Überlegung, dass Professionalisierung eine Ideologie ist, die den sozialen Status und den politischen Einfluss der neuen Mittelklassen in den USA zu Beginn des 20. Jahrhunderts absichern sollte. In diesem Bestreben haben viele Berufe zwischen 1900 und 1930 Berufskodizes eingeführt. Mit der Abfassung von Ethikkodizes sollten die individuellen und gemeinschaftsbezogenen Werte, die man durch die Einführung der großen bürokratischen, anonymen, einzig am Wettbewerb orientierten Unternehmensformen bedroht sah, aufrechterhalten werden. Die Aufstellung von Kodizes, die zunächst zu Beginn dieses Jahrhunderts auf nationaler Ebene erfolgte (die ersten Pressekodizes tauchten in den USA auf (vgl. Kap. 2.5.2), wurde bald auch in internationalen Gremien zu einem Anliegen. So formulierte 1936 die Union internationale des association de presse ethische Prinzipien; 1939 verabschiedete die Fédération internationale des journalistes (FIJ) einen Ehrenkodex. 1950 arbeitete die UNO an einem internationalen Kodex, ohne ihn jedoch jemals zu beschließen, da sich die Berufsorganisationen verschiedener Länder gegen Einmischungen seitens ihrer Regierungen wandten (vgl. Bertrand 1991a). Darauf fußend verabschiedete die FIJ 1954 die so genannte Erklärung von Bordeaux. Allen Kodizes ist gemeinsam, daß sie grundlegende Regeln zum Gebaren der Medien und der in ihnen Tätigen enthalten. Dem Inhalt und Geist nach wenden sich die meisten sowohl an Arbeitgeber als auch an Journalistinnen und Journalisten, aber auch nur von Journalistenverbänden entwickelte Kodizes, die sich ausschließlich an journalistisch Tätige wenden, sind existent, wie auch Normenkataloge von Verlegerverbänden und - in neuerer Zeit Medienunternehmen. Sie regeln den Umgang zwischen den Informierenden und den Informierten und unterscheiden sich dabei in Ausführlichkeit und Details. Auch in den sich entwickelnden Demokratien Osteuropas ist auffällig, wie sich die Journalistenverbände (und nicht nur sie) darum bemühen, Aufstellungen gemeinsam geteilter Werte und Vorsätze bei der Berufsausübung zu veröffentlichen - eine Beobachtung, die als Beleg der These von der Rolle der Kodizes in einem Prozeß gesellschaftlicher Umgestaltung gelten kann. Eine Aufstellung und einen Überblick über Pressekodizes nationaler und internationaler Provenienz geben u.a. Nordenstreng/Topuz 1989, Bertrand 1986, Fleck 1985. Pressekodizes finden sich im Wortlaut darüber hinaus mittlerweile auch im Internet: http://www.uta.fi/ethicnet/index.html. SYCOM | Medienwirkungsforschung ©2004 by IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich 7 Übung Vergleichen Sie nun Ihre auf die am Anfang gestellte Frage gegebenen Antworten mit den folgenden, im Text genannten: Was ist journalistische Ethik? Ethik ist die systematische Reflexion über Moral. Die journalistische Ethik ist entsprechend die systematische Reflexion über Moral im Journalismus. Ethik im Journalismus fragt nach den Prinzipien guten journalistischen Handelns und ihren Begründungen. Was leistet journalistische Ethik? 1. Begründung von Moralvorstellungen 2. Orientierung des Handelns 3. Sicherung von Standards 4. Stärkung des Verantwortungsbewusstseins von Medienorganisationen und Medienschaffenden 5. Ethik wirkt als Steuerungsressource neben dem Recht auf dem Markt 3. Der wissenschaftliche Diskurs über journalistische Ethik Die Entwicklung der Begründungen zu Wertvorstellungen und Geltungsansprüchen im Journalismus kann auf eine lange Diskussion zurückblicken. Der wissenschaftliche Diskurs über journalistische Ethik hat in den vergangen Jahrzehnten viele verschiedene Perspektiven eingenommen, die letztendlich auch stark differierende Antworten auf journalismusethische und medienethische Fragestellungen der Praxis nach sich ziehen. Der folgende Text zeichnet diese Diskussion nach. Sie sollen im Anschluss an die Lektüre dieses Textes Positionen aus verschiedenen medienethischen Kontroversen den im Text genannten Theorieansätzen und/oder Autoren zuordnen. Ihre Auflösung wird als richtig gewertet, wenn das entscheidende Stichwort oder der entsprechende Name genannt wird. Es lohnt sich also, während der Lektüre ein paar Notizen zu machen! Barbara Thomaß: Von Aristoteles zu Habermas: Theorien zur Ethik des Journalismus Aus: Löffelholz, Martin (2000): Theorien des Journalismus. Ein diskursives Handbuch. Opladen: Westdeutscher Verlag. Ethik im Journalismus fragt nach den Prinzipien guten journalistischen Handelns und ihren Begründungen. Die Moralität menschlichen Tuns, seine sittliche Qualität und der Versuch ihrer Begründung stellen eine der Grundfragen der praktischen Philosophie dar, die in ihrer Teildisziplin Ethik bearbeitet wird. Ethik untersucht die Struktur des moralisch richtigen Handelns und beansprucht, Einsichten zu vermitteln, "wie gehandelt werden muss, damit die Handlung als moralisch anerkannt werden kann" (Pieper 1991, 97). Ethik beschreibt und analysiert darüber hinaus Verhaltensmuster und Grundeinstellungen auf ihren moralischen Gehalt hin, erfasst moralische Probleme und Konflikte, entwickelt Lösungsvorschläge und überprüft sie hinsichtlich ihrer moralischen Konsequenzen. Auf nichts anderes zielt die journalistische Ethik oder die Theorie zur journalistischen Ethik. SYCOM | Medienwirkungsforschung ©2004 by IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich 8 In der praxisorientierten wie auch in der wissenschaftlichen Diskussion zum Thema hat es sich durchgesetzt, von Ethik sowohl zu sprechen, wenn es um Handlungen von Journalisten, um die Qualität ihrer Produkte oder um Fehlleistungen und Konfliktfelder geht, als auch wenn die Begründung der Werturteile gegenüber solchen Handlungen und ihre theoretische Fundierung zur Debatte steht. Aber es ist zu unterscheiden zwischen der Moral der Journalisten und der Ethik des Journalismus, also der Theorie zur moralischen Praxis. Insofern zielt der vorliegende Beitrag über Theorien zur Ethik des Journalismus auf den Kern ethischer Reflexion. Pressefreiheit in der Philosophie Mit der Ausdifferenzierung der Gesellschaft, der Entwicklung eines modernen Staatswesens und der Herausbildung der Rolle des Individuums im staatlichen Gemeinwesen sind seit jeher ethische Fragen verbunden gewesen, die der Klärung des Verhältnisses von einzelnen und der Gesellschaft, von individueller Freiheit und staatlichen Ansprüchen dienen sollten. Und mit der Entwicklung der journalistischen Berufsrolle und der Medien haben sich die Beiträge zur Klärung dieser Frage auch auf dieses gesellschaftliche Praxisfeld bezogen. Theorien zur Ethik des Journalismus werden also zunächst in der Geschichte der Philosophie fündig. In ihr finden sich Begründungen zur Rolle der Presse in einer freiheitlichen Gesellschaft, die die Grundlage für jeden Begründungszusammenhang journalistischer Ethik abgeben, ja für das Thema überhaupt, da erst aus der besonderen Stellung, die den Akteuren in einer freien Presse zugebilligt wird, ein Anspruch an deren Verhalten, das bestimmten professionsethischen Prinzipien zu folgen habe, abzuleiten ist. Die philosophische Diskussion des 18. Jahrhunderts entwickelte in ihrem Nachdenken über die Rolle von Staat, Gesellschaft und Individuum ein System von Normen, welche auch die Verpflichtungen und Freiheiten der Presse und der in ihr Tätigen berührten. Inspiriert von ethischen Grundpositionen einerseits und beeinflusst vom sozialen und politischen Wandel andererseits fand ein Teil dieser Normen Eingang in die Verfassungen und in die juristischen Interpretationen dieser Verfassungen. Schwieriger fassbar, aber nicht minder virulent sind die Elemente, die grundlegend für ein Berufsethos des Journalismus in den modernen Demokratien geworden sind. Etliche solcher Elemente sind auf ihre Urheber zurückzuführen. So findet sich bei dem Vertragsethiker Hobbes die Überzeugung, dass die Herrschenden nicht allmächtig seien und das Volk eine eigene Macht besitze. Daraus entstand die Grundannahme des Journalismus, dass die Menschen informiert werden müssen, weshalb die Medien eine besondere Rolle in der Gesellschaft spielen sollen. Die Idee des Staatsphilosophen Milton vom marketplace of ideas, nach der die Wahrheit durch den Austausch der Ideen ans Licht komme, begründete die Vorstellung, dass die Medien lediglich Fakten zu bringen haben, aus denen sich der Rezipient sein eigenes Bild macht. Allerdings ist in dieser liberalistischen Auffassung das Argument der Freiheit wichtiger als das Vertrauen auf die Durchsetzungskraft von Wahrheit. Auf diesem geistigen Boden entsteht die klassische Theorie der Pressefreiheit. Die Utilitaristen Hume (1972) und Mill (1962) können als Urheber des Gedankens von der sozialen Verantwortlichkeit der Medien gelten. Und im Kant'schen kategorischen Imperativ ist die Begründung für die Auffassung zu finden, dass der einzelne Journalist dafür verantwortlich ist herauszufinden, was gut und was schlecht ist in der Ausübung seines Berufes (Kant 1945). Seit Aristoteles die Ethik als eine eigenständige Disziplin neben der Physik und der Metaphysik begründet hat, haben die Philosophen zu verschiedenen Zeiten unterschiedliches Gewicht auf die vielfältigen Bereiche ethischer Überlegungen gelegt. So wurde die Akzentuierung theoretischer Fragestellungen, die seit der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert einsetzte, in den 60er Jahren von SYCOM | Medienwirkungsforschung ©2004 by IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich 9 einer "Rehabilitierung der praktischen Philosophie" abgelöst (Riedel 1972/74). Sie machte den Wert ethischer Reflexionen in so unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen wie dem der Medizin, der Wirtschaft oder auch der Ökologie deutlich. So fand sie letztlich auch Eingang in die Publizistikund Kommunikationswissenschaft. Ethik in der Kommunikationswissenschaft Dass Journalisten nicht als einzelne selbstverantwortliche Individuen tätig sind, sondern in einem Geflecht von ökonomischen, technischen und hierarchischen Strukturen, ist Allgemeingut, seitdem systemtheoretisches Denken in die Publizistik- und Kommunikationswissenschaft Eingang gefunden hat (vgl. u.a. Weischenberg 1995, 1992, Blöbaum 1994, Rühl 1980). Deswegen ist in dieser Perspektive von einer Medien-, oder noch umfassender, Kommunikationsethik die Rede (vgl. Funiok 1996, Wunden 1996, 1994). Die Konsequenzen dieser Erkenntnis haben zu der Auseinandersetzung zwischen individualethisch argumentierenden und systemtheoretisch orientierten Positionen geführt. Bevor diese Debatte hier in ihren Grundzügen wiedergegeben wird, ist jedoch ein Rückblick hilfreich. Theorien zur Ethik des Journalismus sind zunächst in den USA entwickelt worden. Dort haben sie sich in enger Anlehnung an Entwicklungen in der Profession und ihrer Auseinandersetzung mit den moralischen Grundsätzen ihres Tuns entwickelt. So datieren Medienhistoriker die Einführung formaler Ethikkodizes von Journalisten zurück auf das Jahr 1910 in den USA in Kansas, wo ein Verlegerverband erstmals einen professionellen Ehrenkodex verfasste (vgl. White 1986, 41). Parallel dazu begann sich die Forschung in den USA mit der Medienethik zu befassen, welche mittlerweile zu einem relevanten Zweig der Medienwissenschaft mit eigenen Verbänden und einer eigenen Zeitschrift, dem Journal of Mass Media Ethics, geworden ist. Ein besonderes Interesse an Ethik und Moralität, welches das Gewicht auf professionelle Moralstandards legt und auch in den Journalismus einging, wurde durch die Hutchins Commission entfacht, die, 1947 einberufen, sich des ethischen raison d'être des Journalismus annahm. Mit der Entscheidung, dass der Legitimationsgrund des Journalismus in seiner Verantwortlichkeit gegenüber der menschlichen Gesellschaft läge, vertrat sie eine Position, die so alt ist wie die Schriften des John Milton. Ein ethischer Journalist, so die Hutchins Commission, arbeite im Dienste der Menschheit und versuche nicht nur, seine eigene Zielen zu verfolgen (vgl. Altschull 1990, 359). Damit wurde eine Phase, in der unvoreingenommene Tatsachenberichterstattung der Inbegriff journalistischer Moralität war, durch eine soziale und moralische Inpflichtnahme des Journalismus abgelöst (vgl. Boventer 1983, 27). Drei Medienwissenschaftler haben die seit dem Bericht der Hutchins Commission nicht abgeebbte journalismusethische Diskussion in den USA vor allem geprägt: • Wilbur Schramm, Mitautor des einflussreichen Buches "Four Theories on the Press" (Siebert, Peterson & Schramm 1956), griff die Position der Hutchins Commission auf und vertrat die Theorie der social responsibility und plädierte für ein Konzept der Sozialverantwortung und Sozialkontrolle der Medien (vgl. Rivers, Schramm & Christians 1980). • John C. Merrill setzte sich mit den verbreiteten Codes of Ethics auseinander, verurteilte sie als hochtrabende Rhetorik, die im Berufsalltag nicht standhält, und setzte auf eine individuelle und engagierte Selbstverpflichtung eines subjektiven Journalismus (u.a. 1977). • Clifford C. Christians dagegen kritisierte die Berufsehre und Selbstdisziplinierung der Journalisten als nicht hinreichend und wollte Formen der Selbstregulierung durch eine Systema- SYCOM | Medienwirkungsforschung ©2004 by IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich 10 tik der Wert- und Moralphilosophie in der Journalismuswissenschaft und -ausbildung ergänzen (Christians & Covert 1980). Im Zuge der weiteren Debatte wurde der Blick auf das gesamte Mediensystem erkenntnisleitend. Neben Postman, der in Europa vor allem als technisch orientierter Medienkritiker rezipiert wurde (1985), sind in jüngerer Zeit zahlreiche neuere Veröffentlichungen zu der ohnehin umfangreichen US-Literatur zur Ethik im Journalismus erschienen, die sich zum einen danach unterscheiden lassen, auf welche Abstraktionsebene sie den Fokus legen - geht es um die Begründung der Existenz von Kodizes, wird eine umfassende Philosophie der Kommunikation entwickelt, oder wird diese sogar in die politisch-ökonomische Organisation einer Gesellschaft eingebettet? -, und zum anderen nach dem Stellenwert, den sie der Entwicklung und Begründung von Normen einräumen[1].1 Des weiteren spielt die Diskussion der individuellen Verantwortungszuschreibung eine gewichtige Rolle, die angesichts der Komplexität der Strukturen moderner Medienunternehmen zunehmend relativiert wird (vgl. u.a. Lowenstein & Merrill 1990). Es wird die Frage nach der ökonomischen Rationalität ethischer Forderungen in den Medien gestellt (Fink 1988) und die Erkenntnis der Globalisierung der Medienlandschaft in die Forderung nach "communication ethics in a global context" (Christians 1986, 3) übersetzt. Individualethische und systemtheoretische Betrachtung Zwar orientierte sich die (west-)deutsche Publizistik- und Kommunikationswissenschaft spätestens seit den 60er Jahren an der amerikanisch geprägten empirischen Sozialwissenschaft, ignorierte jedoch die dargestellte Debatte und ließ wenig Raum für ethische Fragestellungen (vgl. u.a. Wilke 1987, 233). Mit Beginn der 80er Jahre jedoch wurde diese Abstinenz aufgegeben. Ein zunehmender Ethik-Bedarf wurde konstatiert (vgl. Haller 1992, 196 ff.), und dies nicht nur für den Journalismus, sondern auch für andere Kommunikationsberufe, z.B. innerhalb der Public Relations und der Informations- und Bibliothekswissenschaft. Seitdem ist die Debatte um Journalismusethik in Deutschland lebendig, und sie hat fast alle maßgeblichen kommunikationswissenschaftlichen Schulen mobilisiert. Dominant in der deutschsprachigen Literatur zur journalistischen Ethik ist denn auch der Versuch, Systematiken bereitzustellen, in die das Nachdenken über Ethik im Journalismus einzuordnen sei. Eine grundlegende Unterscheidung, die zwischen deontologischer und teleologischer Ethik, zwischen einem Begründungszusammenhang, der den Fokus auf das Wesen von Handlungen legt und solchem, der nach den Konsequenzen von Handlungen fragt, zwischen wertrationalen und zweckrationalen Überlegungen, ist in neuerer Zeit in dem Begriffspaar von der Gesinnungs- und der Verantwortungsethik, wie bei Weber ausgeführt, umschrieben worden (vgl. Weber 1973). Weitere Polarisierungen gängiger Ethiktypen, die vorgenommen worden sind, orientieren sich an den Begriffspaaren absolut - relativ, objektiv - subjektiv, legalistisch - autonomistisch oder Situationsethik Prinzipienethik (vgl. Saxer 1996, 148). Angeregt durch Spinner, der sich zum Verhältnis von Wissenschaft und Journalismus äußerte und dabei ethische Überlegungen zum Wissenschaftsjournalismus anstellte, hat sich der Diskurs in viele Richtungen verzweigt (Spinner 1988). Die Hauptkonfliktlinie wird zwischen dem normativontologischen Ansatz, für den vor allem die Arbeiten von Boventer und Binkowski stehen, und dem empirisch-analytischen Ansatz, der vor allem durch Rühl und Saxer, aber auch Gottschlich ausgearbeitet wurde, verortet (vgl. Boventer 1988, 1985, 1984; Binkowski 1981; Rühl & Saxer 1981; Gottschlich 1980). Während bei Boventer "die personale Selbstverpflichtung [...] die ausschlaggebende Kategorie" bleibt (1985, 440), zweifelten Rühl & Saxer: [1] Ein ausführlicher Überblick zu Theorien der Medienethik in USA findet sich in Thomaß (1998). SYCOM | Medienwirkungsforschung ©2004 by IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich 11 Angesichts der Entwicklung und des Aufbaus neuzeitlicher, primär funktional orientierter Differenzierungen der Gesellschaft und damit der Ausdifferenzierung von Journalismus und Massenmedien 1als funktional spezifische Teilsysteme der Gesamtgesellschaft, stellt sich die Frage, ob diesem sozialen Wandel noch ein ethischer Kodex entsprechen kann, der rollenspezifisch, etwa als eine besondere Ethik von Einzeljournalisten [...] entwickelt wird. (1981, 475) Hier finden sich die eingangs erwähnten individualethisch argumentierenden und die systemtheoretisch orientierten Positionen wieder, an der sich auch die US-amerikanischen Theoretiker der medienethischen Debatte lange abgearbeitet haben. Individualethisch sind die einen insofern zu titulieren, da sie konsequent und nahezu ausschließlich auf die Moralität des Einzelnen fokussieren, ihn als Anfangs- und Endpunkt ethischer Reflexionen sehen, da er schließlich derjenige sei, der handele und der sein Handeln zu verantworten habe. "Im Journalismus gibt es eine personale Verantwortungszuweisung" konstatiert Boventer eindeutig (1996, 64). Folgerichtig ist somit seine Forderung: "Von Tugenden, von Verantwortung, von Schuld und Gewissen muss gesprochen werden" (1996, 60). Wohl erkennt er an, dass Journalismus in Strukturen, ökonomische Bedingungen und juristische Ordnungen eingebunden ist. Das enthebe aber nicht den einzelnen Journalisten der Verantwortung. Mehr noch: "Der Journalismus hat zwar die Systemzwecke zur Voraussetzung, aber in seiner Subjektivität überschreitet er die bloß technischen Zwecke auf ein Mehr hin, das Journalismus erst zu Journalismus macht" (1996, 60). Somit wird der Journalist zum Adressaten von normativen Appellen, wie sie in Ethikkodizes - beispielsweise den Publizistischen Grundsätzen des Deutschen Presserates - niedergelegt sind. Genau der Sinn- und Zweckhaftigkeit dieser appellativen Ethik widerspricht eine Argumentationsweise, die den systemischen Charakter moderner Aussagenproduktion in den Medien in den Mittelpunkt stellt: "Nicht mehr der einzelne als 'ganzer Mensch' macht Journalismus, sondern Journalismus wird durch organisatorisches Handeln produziert" (Rühl 1996, 93). Journalismus als gesellschaftliches Funktionssystem zu begreifen, heißt, davon auszugehen, dass ein Zusammenwirken unterschiedlicher Strukturen, in denen vielfältige Werte, Normen, Rollen, Stellen, Techniken usw. repräsentiert sind, die Selektion und Aufbereitung von medialen Aussagen bewerkstelligen. Daraus folgt: " [...] individuelle Wertvorstellungen, Gesinnungen und Willensentscheidungen sind im Journalismus gegenüber organisatorischen Arbeits- und Berufsprämissen zurückgetreten" (Rühl 1996, 93). Insofern ist zwar sehr wohl noch von einer persönlichen Verantwortlichkeit zu sprechen, ihre Bedeutung ist allerdings erheblich geschwunden. Stattdessen plädiert Rühl für ein Berufsethos, das ausgehend von gesamtgesellschaftlichen Werten, für den organisatorischen Journalismus umgesetzt wird. Leitkategorie für dieses Ethos ist die Achtung: Achtung (deference) ist [...] eine besondere, im Kommunikationsprozess hergestellte Struktur für normatives Erleben von Mitmenschlichkeit, und damit eine, vielleicht die zentrale Kategorie einer [...] Kommunikationsethik. (Rühl & Saxer 1981, 487, Hervorhebung im Original) Während dem normativ-ontologischen Ansatz der Vorwurf gemacht wird, er reduziere die komplexen Wirkungszusammenhänge des Systems Journalismus auf Appelle an einzelne Journalisten, wird für den systemtheoretischen Ansatz konstatiert, dass er kaum praktikable Hilfestellungen für den Journalismus erbracht habe. Den Wert dieses Ansatzes sieht Weischenberg darin, dass er "die Ethikdiskussion entstaubt und das journalistische Handeln in Medienorganisationen entmythologisiert" habe (1992, 204). Dass die entschiedene Gegenüberstellung beider Ansätze mittlerweile durch eine SYCOM | Medienwirkungsforschung ©2004 by IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich 12 integrierende Betrachtungsweise überholt ist, wurde eingangs angedeutet. Dies soll nun weiter ausgeführt werden. Medienethik auf mehreren Ebenen Die Gegenüberstellung individualethisch argumentierender und systemtheoretisch orientierter Sichtweisen hat dazu gedient, in ihrer Polarisierung das Problem der Reichweite von Verantwortlichkeit zu akzentuieren, also die Grenzen von Akteuren und ihrem moralischen Handeln oder auch die Grenzen der Teilsysteme in einer ethischen Betrachtungsweise zu bestimmen. Loretan überwindet diese Gegenüberstellung, wenn er sechs verschiedene Ebenen bzw. medienethische Inhaltsbereiche unterscheidet (1994, 61 f.). Danach geht es 1. auf einer metaethischen Ebene um die Prinzipien einer Medienethik; 2. auf einer gesellschaftspolitischen Ebene werden diese Prinzipien vor dem Hintergrund ihrer historischen und gesellschaftlichen Entstehung diskutiert; 3. auf der medienpolitischen Ebene ist nach dem Rahmen zu fragen, innerhalb dessen sich Mediensysteme und Medienunternehmen organisieren; 4. auf der Organisationsebene steht das Handeln der einzelnen Medienunternehmen als Subjekten der Pressefreiheit im Mittelpunkt; 5. auf der berufsbezogenen Ebene sind die normativen Ansprüche an journalistisches Handeln und ihre Umsetzung zu diskutieren; und 6. auf einer personalen Ebene geht es um die Gestaltungsmöglichkeiten, die sowohl der einzelne Journalist wie die einzelne Rezipienten bei der Teilhabe an Medienkommunikation haben. Systematisierungen, die beispielsweise nach einer Systemethik, Institutionen- bzw. Organisationsethik, Professionsethik und Individualethik unterscheiden, berücksichtigen diese Vielfalt der Aspekte in der medienethischen Diskussion (vgl. Pürer 1992). Geht es um reale Handlungen und seine Folgen, so ist im Rahmen dieser verschiedenen Ebenen von einer gestuften Verantwortung zu sprechen. Diese Ebenen gegeneinander ausspielen oder einzelne davon verabsolutieren zu wollen, würde dem Gegenstand und dem Problemkomplex nicht gerecht, weder in praktischer noch in analytischer Hinsicht: "Nur arbeitsteilig, von allen Positionen der Medienkommunikation her, namentlich auch derjenigen des Publikums, kann gesamtgesellschaftlich verantwortbare Medienethik realisiert werden" (Saxer 1996, 152). Die genannten Ebenen ergänzen einander, überlappen und durchdringen sich in Teilaspekten, sind gegenseitig aufeinander angewiesen, und ihre Inhalte entwickeln sich in dieser wechselseitigen Abhängigkeit. SYCOM | Medienwirkungsforschung ©2004 by IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich 13 Von der Diskussion um Ethik zum Konzept der Qualität Auffällig ist, dass sich der deutsche Diskurs zur journalistischen Ethik zunehmend hin zur Diskussion und Entwicklung von Konzepten rund um den Begriff der Qualität entwickelt hat [2].1Ob die Gefahr gesehen wurde, dass die Diskussion um journalistische Ethik zu sehr in akademischen Kreisen verbleibe, ob der normative Anspruch, der mit dem Gebrauch des Begriffes der Ethik einhergeht, als zu hoch oder uneinlösbar angesehen wurde oder welche weiteren Gründe für diese Bedeutungsverschiebung denkbar sind, sei dahingestellt. Die Konzeptionierung der "Medienethik als Qualitätsproblem" (Teichert 1996) bedeutet in jedem Fall eine Konkretisierung der Aufgabenstellung, der es ihrer-seits gelingen kann, den Brückenschlag zur journalistischen Praxis herzustellen. Die sich entfaltende Qualitätsdebatte zielt darauf, Standards und Möglichkeiten zur ihrer Wahrung zu entwickeln und zu verankern, die eine Konkretisierung der oben dargestellten Ebenen der Medienethik darstellen. So geht Ruß-Mohl von drei Bereichen aus, in denen Qualitätssicherung zu verankern wäre: Im Vorfeld des journalistischen Produktionsprozesses ist in der Aus- und Weiterbildung anzusetzen; der journalistische Produktionsprozess ist im Hinblick auf Themenwahl, Recherche, Schreiben, Redigieren und Präsentation in qualitativer Hinsicht zu verbessern, wozu innerredaktionelle Maßnahmen sowie entsprechende Procedere innerhalb des Berufsstandes zu entwickeln sind; zur Rückkoppelung und Korrektur schließlich dient der Dialog mit dem Publikum (1996, 104). Diskursethik als prozessuale Ethik der Kommunikation Allerdings ist in dieser Auseinandersetzung, die die Gegenstandsbereiche von Ethik in Journalismus und Medien zu fassen versucht, noch nichts über den Charakter der in ihnen zur Geltung kommenden Normen ausgesagt. Deshalb soll zum Abschluss dieses Beitrags auf eine Theorie verwiesen werden, die den Fokus auf das Procedere richtet, wie Werte - statt einklagbar zu sein — von Betroffenen entwickelt werden können, und die damit auch auf das Problem reagiert, dass in einer fragmentierten und sich enorm beschleunigt verändernden Medienwelt Werte immer aufs neue in einem Konsensprinzip entwickelt werden müssen. Das Projekt der Diskursethik von Jürgen Habermas, die sich explizit als eine Ethik der Kommunikation versteht, bettet sich in ein wesentlich umfangreicheres Netzwerk von Reflexionen ein, welche eine Theorie des kommunikativen Handelns begründen sollen (vgl. u.a. Habermas 1993, 1992, 1983). Weil dieser Ansatz, der unter den gegenwärtigen deutschsprachigen Entwürfen in der Philosophie mit die größte Aufmerksamkeit erhält, sich explizit auf die Prinzipien der Kommunikation bezieht, ist es viel versprechend, ihn auf seine Bedeutung für die Medienethik und auch im engeren Sinne für die Ethik im Journalismus hin zu befragen. Habermas geht von der Idee eines verständigungsorientierten Handelns aus, in dem die Beteiligten durch Kommunikation ein Einvernehmen über ihre Handlungspläne erlangen (vgl. 1981, 367 ff.). Dies gelingt in dem Maße, wie die in der Kommunikation geltend gemachten Ansprüche auf Wahrheit, Richtigkeit und Wahrhaftigkeit gegenseitig anerkannt werden (vgl. 1983, 68). Während es bei Wahrheitsansprüchen um Aussagen geht, die sich auf Sachverhalte beziehen, stehen die für die Frage nach der Begründbarkeit von Normen relevanten Richtigkeitsansprüche im Zusammenhang mit Aussagen über die soziale Welt und die interpersonalen Beziehungen. Wahrhaftigkeitsansprüche sind bedeutsam in Bezug auf Äußerungen über die eigene subjektive Welt. Diese Ansprüche werden wiederum in dem Maße anerkannt, wie der Sprecher glaubhaft machen kann, dass er sie auch einlösen wird. Er löst sie im Falle von Wahrhaftigkeitsansprüchen durch stimmiges Verhalten ein; Wahrheits- und Richtigkeitsansprüche werden durch das Beibringen von Gründen, also diskursiv, eingelöst. Habermas geht somit davon aus, dass Normen rational begründet werden müssen und auch begründbar sind. [2]]Ausführungen und Konkretisierungen zum Qualitätsbegriff finden sich unter anderem bei Ruß-Mohl 1994, Reiter & Ruß-Mohl 1994, Wallisch 1995, Teichert 1996, Fabris 1996, Karmasin 1996a und Saxer 1996, 160. 1 SYCOM | Medienwirkungsforschung ©2004 by IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich 14 Somit stellt sich die zentrale Frage, wie Normen begründet werden können. Habermas hält es für notwendig, dass die Betroffenen in eine Argumentation eintreten, innerhalb derer sie die Möglichkeit haben, ihre Zustimmung zu einer Norm zu geben oder gegebenenfalls zu verweigern: "Der Diskursethik zufolge darf eine Norm nur dann Geltung beanspruchen, wenn alle von ihr möglicherweise Betroffenen als Teilnehmer eines praktischen Diskurses Einverständnis darüber erzielen (bzw. erzielen würden), dass diese Norm gilt" (vgl. 1983, 76, Hervorhebung im Original). Diesem diskursethischen Grundsatz stellt er den Universalisierungsgrundsatz, für den der Kategorische Imperativ das Modell abgab, als Argumentationsregel zur Seite: "[...]bei gültigen Normen müssen Ergebnisse und Nebenfolgen, die sich voraussichtlich aus einer allgemeinen Befolgung für die Befriedigung der Interessen eines jeden ergeben, von allen zwanglos akzeptiert werden können" (1991, 12). Habermas benutzt den Begriff des Diskurses für eine Argumentation, von der die Teilnehmer idealerweise annehmen können, dass sie - bei der Berücksichtigung angemessener demokratischer Regeln - potentiell zu einem einvernehmlichen Ende führen kann. In der Kommunikationswissenschaft hat die Diskursethik eine durchaus widersprüchliche Aufnahme erfahren[3].1Die oben angeführten Geltungsansprüche der Wahrheit, Wahrhaftigkeit und der Richtigkeit sind für Arens hinreichend, sie als ethische Prinzipien der Wahrheitsorientierung, der Wahrhaftigkeit und der Gerechtigkeit für die massenmediale Kommunikation einzuführen (1996, 90 ff.). Die medienethischen Implikationen dieser Prinzipien erläutert er wie folgt: (a) "Wahrheitsorientierung heißt [...] erstens das 'Die Wahrheit Sagen', zweitens das 'Für die Wahrheitsansprüche anderer Offensein' und drittens das 'Auf gemeinsame, geteilte Wahrheit Aussein'" (1996, 90). Medienethik hat demnach massenmediale Kommunikation auf diese Ansprüche hin zu untersuchen und zu beurteilen. (b) Wahrhaftigkeit bedeutet in medienethischer Perspektive, dass in der massenmedialen Kommunikation die Person hinter der Information, deren Lebenswelt hinter der Bilderwelt sichtbar zu werden hat, dass die Kommunikatoren ihre Einstellungen authentisch, d.h. täuschungsfrei [...] zum Ausdruck bringen. (1996, 92) (c) Das Prinzip der Gerechtigkeit hat medienethisch eine dreifache Bedeutung: Partizipation soll gewährleisten, dass alle das Recht und die Möglichkeit haben, an Diskursen teilzunehmen; Emanzipation soll dazu beitragen, dass auf solche Kommunikations- und gesellschaftlichen Verhältnisse hingearbeitet wird, in denen das auch gewährleistet ist; Advokation impliziert, "gegen den Ausschluss von Themen und Personen(gruppen) aus dem öffentlichen Diskurs angehen, das Recht auf 'Kommunikation für alle' einklagen [...]" (1996, 95). Damit verbleibt Arens im Rahmen der Postulierung und Begründung von Prinzipien der Medienethik, ohne auf den prozessualen Charakter, der der Diskursethik innewohnt, einzugehen. Demgegenüber gibt es die Kritik, dass die Diskursethik einen "Programmabsturz" erlebt hätte, weil sie "ohne einen Blick auf verbindliche Institutionen gedacht worden" sei (Reese-Schäfer 1991, 66). Dem ist entgegenzuhalten, dass die Suche und die Prüfung geeigneter Institutionen in einem arbeitsteilig vorgehenden Wissenschaftsbetrieb ja durchaus von den betroffenen Fachwissenschaften noch vorgenommen werden kann. Von einem Programmabsturz kann also nicht die Rede sein, wenn es gelingt, Institutionen zu finden, in denen Diskurse geführt werden, oder die Diskurse anstoßen. Auch bei Weischenberg trifft die Diskursethik auf Skepsis. Seine Ablehnung ist allerdings etwas vorsichtiger. Er hält sie für "weitgehend irrelevant" (Weischenberg 1992, 197), solange aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive noch keine Voraussetzungen für eine Lehre von den Diskursinstitutionen vorhanden sind. [3]1 Zur allgemeinen Kritik an der Diskursethik vgl. Münch 1991 und Spaemann 1989. SYCOM | Medienwirkungsforschung ©2004 by IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich 15 Eine weitergehende Nutzbarmachung der Diskursethik für die journalistische Ethik konzentriert sich also auf die Frage, wo und wie Betroffene Diskurse zur Entwicklung von Normen führen können, die den bei Habermas gestellten Anforderungen zumindest ansatzweise gerecht werden. Jeder journalistische Skandal zeigt, dass als Folgewirkung die Debatte um die journalistische Moral auflodert. Journalistenorganisationen zeigten und zeigen sich - bei aller Beschränktheit auf momentane journalistische Sachzwänge und eine Politik der Interessenvertretung - gewillt und geneigt, nicht nur Selbstverständnisdiskussionen zu führen, sondern sich dabei auch an der Entwicklung und Überprüfung von verbindlichen Normen zu orientieren (vgl. Thomaß 1998). In einem eingeschränkten Sinne können auch Institutionen der Journalistenausbildung als solche Orte der Debatte gelten. Dies sind noch keine Diskurse Habermas'scher Vorstellung. Aber sie zeigen, dass das Potential einer Diskursethik größer als zunächst angenommen ist, wenn die Idee der Diskursinstitutionen im Hinblick auf die mediale Produktion weiterentwickelt wird. Theorien zur Ethik des Journalismus oszillieren um die Frage der Begründbarkeit von Normen journalistischen Handelns und der Reichweite ihres Geltungsanspruches. Mit dem Blick auf den Prozeß der Gewinnung von Normen, der seinerseits wiederum auf die Erfolgsaussichten ihrer Implementierung verweist, wird ein weiterer Schritt gegangen, der die Grundfrage der Ethik "Was soll ich tun?" den Betroffenen in einer sich zunehmend fragmentierenden Medienumwelt in gewandelter Form stellt: "Wie können wir uns darüber einig werden, was wir tun sollen?" Übung 1: Medienethische Positionen SYCOM | Medienwirkungsforschung ©2004 by IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich 16 4. Ethische Problembereiche im Journalismus Journalistische Berufskodizes listen eine Fülle von "Dos & Donots" auf, die - entsprechend den Entstehungsbedingungen des jeweilige Kodex - zunächst nichts anderes wiedergeben als den Stand der Diskussion und/oder die Kompromisse, die Journalisten und Verleger eines Landes zu ihrer Selbstverpflichtung erreicht haben. Sie sind nicht unbedingt systematisch und auch nie vollständig. Allein ein Vergleich vieler internationaler Kodizes zeigt, wie verschiedenartig die in den Kodizes festgeschriebenen Normen sein können [1]. Wir können eine Systematisierung solcher normativen Anforderungen auf der Basis der Beziehungen, die ein Journalist oder eine Journalistin in Ausübung der Arbeit eingeht, vornehmen. Die Fokussierung der Betrachtung auf den Einzelnen und nicht auf das System Journalismus ist dabei nicht eine Negation der Kontexte der journalistischen Produktion, sondern soll den handelnden Journalisten zum Ausgangspunkt der Betrachtung machen, weil er (also Sie!) Adressat der Bemühungen ist, die Wirksamkeit von Medienethik nicht nur durch die Etablierung ethischer Strukturen im Mediensystem, sondern auch durch die Verankerung von ethischen Orientierungen im Individuum zu erhöhen. Folgende Beziehungen geht ein Journalist in Ausübung seiner Arbeit ein: • Ein Journalist ist bei seiner Arbeit auf Quellen, also auf Informanten angewiesen. • Ein Journalist berichtet über Akteure und Betroffene, den Objekten seiner Berichterstattung. • Ein Journalist liefert Inhalte an seine Rezipienten, die deren Zutreffendheit annehmen. • Ein Journalist steht bei seiner Arbeit unter der Beobachtung von Vorgesetzten und Kollegen. • Ein Journalist prägt mit seiner Arbeit das Image mit, das in der Öffentlichkeit über die Profession vorherrscht - wobei Öffentlichkeit hier mehr darstellt als die Summe der Rezipienten eines spezifischen journalistischen Produktes. Jeder dieser fünf Beziehungen lässt sich (mindestens) eines von fünf Prinzipien zuordnen, deren Einhaltung zum Funktionieren der Beziehungen beitragen oder sie optimieren. [1] Eine nahezu vollständige Darstellung aller derzeit existierenden Kodizes finden Sie auf der Webseite www.presscouncils.org SYCOM | Medienwirkungsforschung ©2004 by IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich 17 Beziehungsgefüge journalistischer Arbeit und seine Prinzipien Rühl/Saxer hatten in einem programmatischen Aufsatz, der am Beginn einer langen medienethischen Debatte stand, Anfang der 80er Jahre ein Berufsethos gefordert, das ausgehend von gesamtgesellschaftlichen Werten, für den organisatorischen Journalismus umgesetzt wird. Leitkategorie für diese Ethos sollte die Achtung sein: "Achtung (deference) ist (...) eine besondere, im Kommunikationsprozess hergestellte Struktur für normatives Erleben von Mitmenschlichkeit, und eine, vielleicht die zentrale Kategorie einer (...) Kommunikationsethik" (Rühl/Saxer 1981: 487, Herv. i. Org.). Dieser Ansatz erfuhr allerdings immer wieder Kritik, weil er letztlich zu unspezifisch verblieb und weil die Konkretisierung dieser Leitkategorie für journalistisches Handeln ausblieb. Der Vorwurf, der in dem hier zitierten Aufsatz an die Existenz von Ethikkodizes gerichtet wurde, dass sie zu sehr im Appellativen verbleiben, kann also auch dieser Leitkategorie gemacht werden, wenn sie nicht im Hinblick auf eine notwendige Praxisorientierung ausgeführt würde. Zudem bedarf es einer Konkretisierung dessen, was Achtung erfahren soll. Somit steht im Mittelpunkt des Interesses, welche Bedingungen, Anforderungen, Konfliktfelder und normativen Erwartungen sich im Rahmen dieser Beziehungen ergeben und wie sie im Hinblick auf die Leitkategorie Achtung gestaltet werden können. Auf der Grundlage dieser Beschreibungen lässt sich eine Begründung der genannten fünf Prinzipien erarbeiten. SYCOM | Medienwirkungsforschung ©2004 by IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich 18 Der Journalist und seine Informanten Informanten sind für Journalisten unerlässliche Quellen bei der Recherche komplexer Sachverhalte. Sie sind geradezu die Begründung journalistischen Erfolgs. Abgeschnitten von seinen Quellen entbehrt der Journalist wesentlicher Arbeitsgrundlagen. Also hegt und pflegt er sie, sucht ihre Nähe und ist bestrebt, ständig neue Quellen zu erschließen. Informanten werden um so wichtiger, je singulärer sie sind, und sie sind um so mehr um ihre Anonymität bedacht, je brisanter die Information ist, über die sie verfügen. Zu ihren Mitteilungen sind sie entweder aus Interesse an der Publizität eines Sachverhaltes bereit oder aufgrund geschickten Recherchierens und Vorgehen des Journalisten, das sie zu ihren Aussagen treiben kann. Auf keinen Fall haben sie Interesse, Nachteile aufgrund ihrer Aussagen hinzunehmen. Als Quellen versiegen sie, wenn sie dies befürchten. Das untadelige Verhalten im Umgang mit Informanten ist Basis der Gewissheit, dass sie auch künftig zur Verfügung stehen mögen. Die Beziehungen zu ihnen sind jedoch problematisch, da immer die Gefahr besteht, von Informanten missbraucht zu werden. Erst die Abwägung der Achtung der Interessen des Informanten mit denen der Rezipienten (siehe unten) wird in solch einem Fall ein angemessenes Ergebnis zu Tage fördern. Dennoch ist die Informantenpflege für einen recherchierenden Journalisten unabdingbar. Seine Informanten zu schützen ist für einen Journalisten eine unverzichtbare Notwendigkeit, weil er nur so das Vertrauen erhalten kann, das ihn aus der Sicht des Informanten zum Erhalt weiterer Informationen legitimiert. Der Informantenschutz ist somit eine Norm, die die Recherchefähigkeit des Journalismus stützt. Die hohe Funktionalität des Informantenschutzes für die journalistische Tätigkeit, das genuine Interesse des Informanten selbst an seiner Wahrung, machen dieses Prinzip somit zu einem, das strukturell wenig Konfliktpotential bietet. Achtung der Interessen des Informanten - um hier die Leitkategorie zu bemühen - ist im Interesse des Journalisten. Konflikte treten erst auf, wenn Ansprüche Dritter auf den Plan treten. Ein Angriff auf das Prinzip des Informantenschutzes erfolgt immer dann, wenn Gerichte an den Informationen, die ein Journalist erhoben hat, interessiert sind und wenn das Zeugnisverweigerungsrecht entweder nicht vorhanden oder nicht weitgehend genug ist. Erinnert sei an Fälle - z.B. in Großbritannien –, in denen ein Journalist den Informantenschutz gegen Ansprüche staatlicher Stellen ernst nahm, und die bis vor den Europäischen Menschengerichtshof getragen wurden. Insbesondere bei der Recherche von brisantem Material, z.B. über gerichtsanhängige Verfahren, über Aktivitäten im Umkreis des organisierten Verbrechens kann die Verletzung der Norm des Informantenschutzes für den Journalisten Konsequenzen haben, die mit der Gefährdung von Leib und Leben einher gehen. Der Journalist und die Objekte seiner Berichterstattung Problematischer ist hingegen die Beziehung, die ein Journalist zu den Objekten seiner Berichterstattung eingeht. In der Ausübung seiner Tätigkeit erhebt der Journalist Informationen über Personen, die an der Veröffentlichung solcher Information nicht interessiert sein mögen - sei’s dass sie materielle oder ideelle Schäden aufgrund von einer Veröffentlichung befürchten oder dass sie sich in einer Weise in den Medien repräsentiert sehen, die vom angestrebten Selbstbild abweicht [2]. Es ist in der Regel eher funktional für den Journalismus, Persönlichkeitsrechte zu ignorieren, bzw. sogar einzuschränken, weil so mit großer Wahrscheinlichkeit mehr Informationen zu erlangen sind. Die Konsequenzen einer solchen Ignoranz greifen so tief in die Persönlichkeitssphäre ein, dass ihre Verteidigung unabdingbar wird, will man Betroffene schützen. Das Grundrecht auf Schutz der Privat[2] Der umgekehrte Fall, dass z.B. politische Akteure hochgradig daran interessiert sind, in den Medien zu Wort zu kommen, berührt einen anderen Problembereich (siehe Der Journalist und seine Informanten). SYCOM | Medienwirkungsforschung ©2004 by IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich 19 sphäre kollidiert dabei prinzipiell mit dem Grundrecht der Pressefreiheit, die Frage der Menschenwürde mit dem journalistischen Interesse, Publizität herzustellen. In ethischer Hinsicht ist hier die Leitkategorie Achtung - im Sinne der Achtung der Erwartungen und Interessen des Anderen im Kern angesprochen. Welche Themen als schutzwürdig der Privatsphäre zuzurechnen sind, variiert dabei innerhalb von Zeit, Kultur, betroffenen Personen etc. Insbesondere Fragen der persönlichen Moral, der Sexualität, des individuellen Verhaltens - z.B. von Personen des öffentlichen Lebens - werden in den gesellschaftlichen und journalistischen Kulturen verschiedener Länder durchaus unterschiedlich eingeschätzt. Und auch innerhalb einer gegebenen Kultur stellt sich das Problem, dass sich die Grenzen zwischen Öffentlichem und Privaten beschleunigt verschieben, so dass es nahezu unmöglich wird, verbindliche Grenzen zu definieren [3]. Der Persönlichkeitsschutz wird aber als Gut so hoch eingestuft, dass jenseits der journalistischen Ethik die stärker bindende Norm des Rechts zu seiner Verteidigung eingesetzt wird. Rechtliche Auseinandersetzungen um Wahrung des Persönlichkeitsschutzes werden vielfach von Eliten angestrengt, die sich einerseits von sensationsgierigen Journalisten verfolgt sehen und die andererseits selbst oft die Präsenz in den Medien zur Erhöhung der eigenen Publizität suchen. Als Konflikt mit individuellen und gesellschaftlichen Dimensionen erscheint die Verletzung der Privatsphäre, wenn Opfer von Verbrechen oder Katastrophen in entwürdigender Form dargestellt werden. Der Schutz der Privatsphäre ist also ein ethisches Gebot, das auch rechtlich abgesichert wird, das das Interesse an und das Recht des einzelnen auf Selbstbestimmung thematisiert, das Selbstbewahrung in räumlicher wie in sozialer Hinsicht anerkennt und diese individuellen Ansprüche gegen Ansprüche, die sich aus dem Auftrag der Medien ergeben, verteidigt. An Journalisten ergehen in diesem Konfliktfeld die auseinander strebenden Anforderungen, diese Rechte zu wahren und den Objekten der Berichterstattung keinen Schaden durch die Verletzung ihrer Privatsphäre zuzufügen, andererseits jedoch Informationen, nach denen ihre Auftraggeber, der Markt, ihr professioneller Ehrgeiz etc. verlangen, zu liefern. Achtung gegenüber denen, über die berichtet wird, ist in diesem Feld also ein Korrektiv, das den herrschenden Berichterstattungsmustern entgegengesetzt wird. Funktional ist Achtung der Persönlichkeitsrechte also nicht in Beziehung zu den Objekten der Berichterstattung unmittelbar, sondern in Beziehung zu jenen, die potentiell zu Objekten der Berichterstattung werden können. Zu viele oder zu große Missachtungen könnten tiefes Misstrauen gegenüber Journalisten kreieren, so dass künftig Zugang zur Berichterstattung über bestimmte Ereignisse erschwert oder verhindert würde (z.B. bei Katastrophen, Unfällen etc.) Ein weiteres Prinzip, das im Hinblick auf die Objekte der Berichterstattung eine Konkretisierung der Leitkategorie Achtung darstellt, ist der Anwendung angemessener Recherchemethoden zum Tragen, das weiter unten ausführlicher diskutiert wird. Der Journalist und seine Rezipienten Journalismus produziert Darstellungen über aktuelle Themen. Dabei erwarten Rezipienten von Journalisten die Zutreffendheit der berichteten Ereignisse, wahrhaftige und umfassende Informationen, das "ganze" Bild, die Richtigkeit der Fakten - dies alles unbenommen des Phänomens, dass sich Rezipienten in ihrer Meinung bestätigt sehen wollen und deshalb um so eher Informationen aufnehmen, die in Übereinstimmungen mit ihren Erwartungen sind. Auf der (möglichst weit reichenden) [3] Siehe die Debatte um das Fernsehformat "Big Brother". SYCOM | Medienwirkungsforschung ©2004 by IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich 20 Erfüllung dieser Erwartungen basiert die Glaubwürdigkeit des Journalismus. Die Wahrung der Glaubwürdigkeit rechtfertigt die Privilegien in der Ausübung des Berufes und liegt der Funktionsfähigkeit des Journalismus als Beobachtungssystem der Gesellschaft zugrunde. Glaubwürdigkeit im Journalismus - und damit die Legitimationsgrundlage der Profession - ist ein wichtiger Imagefaktor der Medien (Bentele 1994: 296). Rezipienten beurteilen Medien und die in ihnen dargebotenen Informationen nach Glaubwürdigkeit und erwarten damit, dass sie umfassend und richtig informiert werden, wissend, dass dies längst nicht immer der Fall ist. Um dieser Erwartung nach umfassender und richtiger Information zu entsprechen, sind die Normen der Fairness und Sorgfaltspflicht aufgestellt worden, die sich auch in allen Pressekodizes an mehr oder minder prominenter Stelle finden. Sie einzuhalten, bedeutet also, Rezipienten mit ihrer Erwartung an die Qualität von Informationen zu achten. Diese Achtung ist funktional, weil damit auch künftig die Leistungen des Journalismus geachtet und nachgefragt werden. Dass dieses Zusammenspiel durchaus gefährdet sein kann, zeigen Länderbeispiele, in denen sinkende Glaubwürdigkeit die Folge von gestiegener Fehlerhaftigkeit der Berichterstattung war[4]. Ob sich sinkende Glaubwürdigkeit in mangelnde Nachfrage nach bestimmten journalistischen Produkten ummünzt, wäre erst noch nachzuweisen. Sicher aber ist gesunkene Glaubwürdigkeit ein Schaden an sich und dysfunktional für die Beziehungen zwischen Journalisten und Rezipienten. Deren Achtung hat also eine hohe Funktionalität für den Journalismus. Der Journalist und seine Kollegen Voraussetzung für das Funktionieren der Beziehungen zwischen den einzelnen Journalisten untereinander und zu ihren Vorgesetzten ist, dass die Produktion nicht gefährdet ist, dass Konkurrenzverhalten nicht zur Zurücksetzung anderer führt, dass also keine Übervorteilung stattfindet und der möglichst reibungslose Betrieb in einer Redaktion gewährleistet ist. Gegenseitige Unterstützung würde dies möglicherweise noch befördern. Des weiteren haben Peers generell ein Interesse an Professionalisierung, d.h. an der öffentlichen Wahrnehmung des Berufes als einer Profession. Dazu gehört, dass die Professionsangehörigen eindeutige Zugehörigkeit demonstrieren, d.h. kein Grenzgängertum praktizieren, welches das Profil des Berufes aufweicht, auch wenn es durchaus im Partialinteresse liegt, Tätigkeiten im Bereich der Public Relations, der Unternehmenskommunikation etc. zu übernehmen. Die daraus resultierenden Interessenkonflikte gefährden also grundsätzlich die Beziehungen der Journalisten untereinander als Peers. Die Vermeidung von Interessenkonflikten - als eine Konkretisierung der Achtung von Peers - ist auch angesprochen, wenn es um die Motivation zur Veröffentlichung exklusiver bzw. sensationeller Bericht geht. Wird sie durch das Interesse an der Sache gespeist oder durch die mögliche Realisierung eines "Wettbewerbsvorteils" gegenüber Kollegen? Wird die Jagd nach dem Scoop als Selbstzweck ohne Betrachtung der Relevanz der Veröffentlichung exzessiv betrieben, gefährdet sie das Verhältnis zu Kollegen, weil sie eine Aufkündigung der Kollektivität bedeutet. Sich durch die Veröffentlichung von bestimmten Informationen im Wettbewerb am journalistischen Arbeitsmarkt zu behaupten, birgt prinzipiell Störungen im kollegialen Verhältnis. Die Vermeidung von Interessenkonflikten ist insofern eine Norm, die auf das professionelle Binnenverhältnis zielt, aber auch das Verhältnis zu Rezipienten und zur Öffentlichkeit berührt. Denn Interessenkonflikte liegen des Weiteren vor, wenn Journalisten Informationen, die ihnen in Ausübung ihrer Tätigkeit zukommen, zu anderen als publizistischen Zwecken nutzen - und zwar zu eigenen, z.B. Informationen aus der Wirtschaftswelt zu Finanzspekulationen. Auch die weit verbrei- [4] So in Frankreich zu Beginn der 90er Jahre (vgl. Thomaß 1998) SYCOM | Medienwirkungsforschung ©2004 by IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich 21 tete Annahme von großzügigen Pressegeschenken schafft Interessenkonflikte, weil sie eine Beeinflussung einer unabhängigen Berichterstattung bedeutet. Diese Konstellationen berühren aber vornehmlich das Verhältnis zu Rezipienten, weil diese an der Glaubwürdigkeit von Informationen zweifeln müssen, die aus zweifelhaften Interessen erhoben wurden. Schließlich ist dadurch auch das Image, das Journalisten generell in der Öffentlichkeit haben berührt, weil es durch die mangelnde Vermeidung solcher Interessenkonflikte beschädigt wird. Achtung der Kollegen - spezifiziert als Vermeidung von Interessenkonflikten - hat als Prinzip insofern eine relativ schwache Wirkmächtigkeit, weil Kollegialität und die Notwendigkeit der Zusammenarbeit, im Bewusstsein der Berufsangehörigen ohnehin relativ schwach ausgeprägt sind. Der Journalist und die Öffentlichkeit Wenn hier die Beziehung zwischen Journalist und Öffentlichkeit betrachtet wird, so ist Klärung notwendig. Hier sollen damit nicht die jeweiligen Rezipienten eines gegebenen journalistischen Produktes angesprochen sein, sondern die öffentliche Meinung über den Journalismus und die Journalisten. Dies wiederum ist in den seltensten Fällen die veröffentlichte Meinung - denn wann thematisieren Journalisten ihren Beruf selbst? - sondern die in Berufsratings und anderen Meinungsumfragen erhobene. Die Normen, die für das Verhältnis zu Rezipienten als nützlich galten, sind auch hier relevant, also das Gebot der Fairness und Sorgfaltspflicht, sowie das der Vermeidung von Interessenkonflikten. Denn Glaubwürdigkeit ist nicht nur eine Qualität der einzelnen journalistischen Produkte, sondern des Berufes insgesamt. Bei der Beurteilung des Journalismus in der Öffentlichkeit werden darüber hinaus jedoch allgemeine moralische Ansprüche an das Verhalten von Journalisten zugrunde gelegt (Anständigkeit, Ehrlichkeit etc.), weshalb die Achtung solcher allgemein menschlichen moralischen Kategorien hier vor allem eine Rolle spielt. Das Bild vom Journalismus in der Öffentlichkeit wird vom Gebaren der Journalisten mit bestimmt. Dabei kann die Meßlatte aus dieser Perspektive zunächst keine andere sein, als die, welche aus einer allgemein gültigen Moral resultiert. Aufrichtigkeit über die eigenen Absichten als Journalist, die Anwendung angemessener Recherchemethoden, die die gebotene Distanz und Achtung im kommunikativen Umgang mit einander beachten, sind somit die Normen, die die Reputation journalistischen Berufshandelns in der Öffentlichkeit bestimmen. Sie sind eine Konkretisierung der Leitkategorie Achtung in Bezug auf Öffentlichkeit. Dabei ist die Beurteilung dessen, was angemessen ist, kulturell durchaus unterschiedlich. So wie die verschiedenen nationalen journalistischen Kulturen sich beispielsweise in der Bereitschaft zu aggressiven Vorgehensweisen bei der Recherche unterscheiden, so ist auch deren Akzeptanz in der Öffentlichkeit durchaus als divergierend anzunehmen[5]. Vielleicht mag die Interpretation des Gebotes der Angemessenheit der Recherchemethoden als Konkretisierung der Leitkategorie Achtung im Hinblick auf Öffentlichkeit zu weitgehend erscheinen als eine Dimension des Selbstverständnisses verweist sie auf die Beziehung des Journalisten zu sich selbst, also auf die individuelle Moral und thematisiert damit die Selbstachtung. Fazit Ausgehend von dem Postulat von Rühl/Saxer, "Achtung" sei die zentrale Kategorie einer Kommunikationsethik, stellen die hier dargestellten Prinzipien bzw. Gebote eine Spezifizierung dieser Leitka- [5] Dies zu erheben könnte ein interessantes Folgeprojekt zu der Erhebung journalistischen Selbstverständnisses sein (vgl. Weischenberg 1994: 25) SYCOM | Medienwirkungsforschung ©2004 by IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich 22 tegorie dar. Für ihre Berücksichtigung im Sinne einer Funktionalität für die Ausübung des Berufes ist hier aus der Sicht der verschiedenen Beziehungen, die Journalisten in ihrer Arbeit eingehen, plädiert worden. Dabei sollen sie nicht als unreflektiert zu befolgende Dos bzw. Donots verstanden werden - zu komplex sind ethische und praktische Anforderungen in konkreten Dilemmasituationen. Als Strukturierung unübersichtlicher Problemlagen und Anregung zur ethischen Reflexion von Entscheidungen unter den konkreten Bedingungen der Berufspraxis haben sie sich jedoch als nützlich erwiesen. 5. Analysewerkzeuge zur Bearbeitung journalistisch-ethischer Dilemmata, mit Fallstudie Fallstudien haben sich als Instrument bewährt, die Gültigkeit oder Relativität von moralischen Urteilen zu erkennen und auch das eigene ethische Reflexionsvermögen über ethische Dilemmata zu sensibilisieren. Deshalb sollen auch Sie im Rahmen dieser Lerneinheit einmal anhand eines vorliegenden Falles untersuchen, welche medienethischen Problemstellungen vorliegen und sich Ihr eigenes Urteil darüber bilden. Aus den bisherigen Abschnitten dieser Lerneinheit sollte deutlich geworden sein, dass ein absolutes "Richtig" und "Falsch" in ethischen Fragestellungen schwierig zu erzielen ist, dass es vielmehr darauf ankommt, ob man alle relevanten Erwägensgründe in das eigene Urteil mit einbezogen hat. Um diese mögliche Vollständigkeit der Betrachtung anzuregen, wollen wir Ihnen im weiteren zwei Analysewerkzeuge für die Bearbeitung der Fallstudie zur Verfügung stellen: einen systematischen Fragekatalog und ein Modell zum Bedingungsgefüge journalistischer Ethik. Bitte bereiten Sie kurze Statements zu folgenden Fragen vor, die zur Beurteilung und Diskussion der nachfolgenden Fallstudie zum Fall von Michel Friedmann dienen sollen. 1. Was ist (aus der Perspektive der journalistischen Vorgehensweise) geschehen? Beschreiben Sie das Wesentliche aus Ihrer Sicht. 2. Warum ist es geschehen? Welche Hintergründe, Motive, Ursachen erscheinen plausibel? 3. Was ist problematisch am Geschehenen? Inwiefern bewerten Sie Geschehen und Handlungen darin als negativ, kritikwürdig etc.? 4. Welche Alternativen der journalistischen Vorgehensweise gibt es zum beobachteten Vorgehen? Können Sie sich andere Haltungen und Handlungen vorstellen? 5. Welche Vorteile haben diese Alternativen? Inwiefern würden sie die Gesamtsituation verbessern? Modell zum Bedingungsgefüge journalistischer Ethik Bemühungen, Standards journalistischer Ethik zu heben, setzen meist bei den Journalisten an. Dabei kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass der einzelne Journalist oder die einzelne Journalistin selbst bestimmt diese Standards definieren und realisieren würde. Vielmehr müssen wir journalistische Ethik auf mehreren Ebenen in Kontexte eingebunden betrachten: Das Individuum handelt im Rahmen der Profession und ihrer Berufsvorstellungen und unter den Bedingungen des jeweiligen Medienunternehmens. Dieses wiederum ist eingebettet in ein Mediensystem, das nach rechtlichen, ökonomischen und politischen Vorgaben und auch nach technologischen Gegebenheiten ausgestaltet ist. Das Mediensystem selbst erfährt seine das wiederum seine Prägungen von wesentlichen Strömungen innerhalb der Gesellschaft. Und diese werden philosophisch reflektiert. SYCOM | Medienwirkungsforschung ©2004 by IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich 23 Entsprechend lässt sich in dem folgenden Modell Zugang zu der Frage nach der Verantwortlichkeit finden, ebenso wie es analytische Kategorien für die Eingrenzung ethischer Fragestellungen liefert. Es baut auf der Überlegung auf, dass sich in einem vielschichtig ausdifferenzierten Mediensystem sechs verschiedene Ebenen bzw. medienethische Inhaltsbereiche unterscheiden lassen, innerhalb derer Bedingungen für ethisches Handeln liegen und die gleichzeitig als Reichweiten für die Handlungen von Akteuren gelten können (vgl. auch Loretan 1994: 61 f.). Sie kennen dieses Modell bereits aus dem Abschnitt zum wissenschaftlichen Diskurs über journalistische Ethik. Folgendes ist also lediglich eine Wiederholung für Sie. • Auf einer metaethischen Ebene werden die Prinzipien einer Medienethik diskutiert; Freiheit ist solch ein Prinzip von fundamentaler Bedeutung für den Journalismus. • Auf einer gesellschaftspolitischen Ebene werden diese Prinzipien vor dem Hintergrund ihrer historischen und gesellschaftlichen Entstehung konkretisiert; so sind Meinungs- und Informationsfreiheit akzeptierte Werte in pluralistischen Gesellschaften. • Auf der medienpolitischen Ebene wird der Rahmen gestaltet, innerhalb dessen sich Mediensysteme und Medienunternehmen organisieren; hier stellt sich beispielsweise die Frage, ob die Informationsfreiheit das Zeugnisverweigerungsrecht beinhaltet, wie der Zugang zu Informationen geregelt ist etc. • Auf der Organisationsebene steht das Handeln der einzelnen Medienunternehmen als Subjekten der Pressefreiheit im Mittelpunkt; hier lassen sich die Unterschiede der Leistungen von beispielsweise einer Boulevardzeitung oder eines öffentlich-rechtlichen Senders erklären. • Auf der berufsbezogenen Ebene werden die normativen Ansprüche an journalistisches Handeln und ihre Umsetzung formuliert; und • auf einer personalen Ebene geht es um die Gestaltungsmöglichkeiten, die sowohl der einzelne Journalist wie die einzelnen Rezipienten bei der Teilhabe an Medienkommunikation haben. Medienethische Fragen, die Beschreibung von Konfliktfeldern, praktische Dilemmata, Perspektiven für mögliche Korrektive und Handlungsorientierungen können anhand dieses Modells präziser gefasst und Interdependenzen aufgezeigt werden. Und so können auch Sie anhand des vorliegenden Falles überlegen, welche Ebenen in welcher Weise berührt sind. Bedingungsgefüge journalistischer Ethik: ein Modell SYCOM | Medienwirkungsforschung ©2004 by IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich 24 Noch ein Fragenkatalog Für Menschen in der redaktionellen Praxis, die vor schwierigen Entscheidungen über das etwaige Publizieren eines Ereignisses stehen, hat sich folgender Fragenkatalog bewährt, der sowohl den Zeitpunkt des Entscheidens, als auch eine vorweggenommene rückwirkende Betrachtung einschließt und auf möglicherweise noch zu recherchierende Zusammenhänge verweist. Wenn Sie auch diesen Fragenkatalog auf die vorliegende Fallstudie (oder auch auf einen anderen Fall, der Ihnen bekannt geworden ist) anwenden, könne Sie ja einmal den Erkenntnisgehalt, den beide Vorgehensweisen zutage fördern, miteinander vergleichen. 1. Analyse des Dilemmas: Welches ist das Hauptproblem? Sind in dem Problem moralische Aspekte berührt? Welche? 2. Welche Einzelpersonen oder Personengruppen sind in das Problem involviert? 3. Welche Interessen anderer Gruppen müssen auch in Rechnung gestellt werden? 4. Welche (zusätzliche) Information wird benötigt, um eine verantwortliche Entscheidung treffen zu können? 5. Welche Meinungen und Sichtweisen, welche Normen und Werte stehen im vorliegenden Fall zur Debatte? 6. Welche Argumente könne für, welche gegen diese Meinungen vorgebracht werden? Welche Gültigkeit haben diese Argumente? 7. Welche Alternativen zur Behandlungen des Falles sind möglich? Welches ist die beste Lösung? Welcher Schluss ist - zieht man alle Erwägungen in Betracht - der beste? 8. Wie wird derjenige, der entschieden hat, später auf die getroffene Entscheidung zurückblicken? Wird er in Zukunft in vergleichbaren Fällen genauso entscheiden? SYCOM | Medienwirkungsforschung ©2004 by IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich 25 6. Schweizer Pressekodex und Schweizer Presserat Im Kapitel 2 haben wir beschrieben, wie und warum sich im Rahmen und für die journalistische Ethik Berufskodizes entwickelt haben. Allen Kodizes ins gemeinsam, dass sie grundlegende Regeln zum Gebaren der Medien und der in ihnen Tätigen enthalten. Dem Inhalt und dem Geist nach werden siech die meisten sowohl an Arbeitgeber als auch an Journalistinnen und Journalisten, aber auch nur von Journalistenverbänden entwickelte Kodizes, die sich ausschließlich and journalistisch Tätige wenden, sind existent, wie auch Normenkataloge von Verlegerverbänden und von Medienunternehmen. Sie regeln den Umgang zwischen den Informierenden und den Informierten und unterscheiden sich dabei in Ausführlichkeit und Details. Die "Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten", die in der Schweiz verabschiedet wurde, ist noch relativ jung. Und es ist eine Besonderheit dieses Kodex, dass er, wie der Titel schon benennt, nicht nur die Pflichten der Journalistinnen und Journalisten auflistet, sondern ihnen auch Rechte zuschreibt. Die Erkenntnis aus der lang anhaltenden wissenschaftlichen medienethischen Diskussion, dass es nicht nur Individuen zuzuschreiben ist, ob ethische Standards in den Medien gewahrt werden, sondern dass auch entsprechende Bedingungen gegeben sein müssen, findet hier einen ersten berufspolitischen Niederschlag. Hier finden sie die "Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten" im Wortlaut (siehe unten oder http://www.presserat.ch/code.htm) Mit der Herausbildung von Pressekodizes ist verbunden gewesen, dass entsprechende Institutionen zur Wahrung und Durchsetzung dieser Normen geschaffen worden sind. Auch hier sind die verschiedenen Länder durchaus unterschiedliche Wege gegangen. Es gibt Presseräte, die ausschließlich aus Journalisten bestehen, solche, die paritätisch mit Verlegern und Journalisten besetzt sind, weitere, die Publikumsvertreter und /oder Vertreter der Öffentlichkeit mit in ihren Reihen haben. Immer ist das Anliegen dieser Presseräte, nicht nur über die Wahrung der von ihnen ausgegebenen Normen zu wachen, sondern auch die medienethische Diskussion in ihrem jeweiligen Land anzuregen und zu begleiten. Mit den Verfahren, die bei Verstößen gegen den Kodex eingeleitet werden, soll den Presseräten ein Sanktionspotential zuwachsen, dass sie als moralische Instanz wirkmächtig werden lässt. Genau hier liegt ihr Dilemma, aufgrund dessen sie in der Öffentlichkeit oft als "zahnloser Tiger" o.ä. etikettiert werden. Einerseits wollen sie beratend auf den Berufsstand einwirken, und also von diesem als Partner anerkannt werden. Andererseits wollen sie über eine Sanktionsmacht verfügen, aufgrund derer sie Wirkung entfalten können. Letztlich ist es aber nur die moralische und professionelle Autorität, aufgrund derer Presseräte mit ihren Stellungnahmen zu anhängigen Beschwerden korrigierend in das Verhalten von Journalisten und Medienunternehmen eingreifen können. Wer mehr erwartet, sei nochmals auf das Kapitel 2 verwiesen, in dem das Verhältnis von Recht und Ethik erläutert worden war. Erläuterungen zu Verfahren, wie sie der Schweizer Presserat durchführt, finden sie hier (siehe untern oder http://www.presserat.ch/12350.htm) SYCOM | Medienwirkungsforschung ©2004 by IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich 26 Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten Präambel Das Recht auf Information, auf freie Meinungsäusserung und auf Kritik ist ein grundlegendes Menschenrecht. Journalistinnen und Journalisten sichern den gesellschaftlich notwendigen Diskurs. Aus dieser Verpflichtung leiten sich ihre Pflichten und Rechte ab. Die Verantwortlichkeit der Journalistinnen und Journalisten gegenüber der Öffentlichkeit hat den Vorrang vor jeder anderen, insbesondere vor ihrer Verantwortlichkeit gegenüber ihren Arbeitgebern und gegenüber staatlichen Organen. Die Journalistinnen und Journalisten auferlegen sich freiwillig die bei der Erfüllung ihrer Informationsaufgabe einzuhaltenden Regeln; diese sind in der nachstehenden Erklärung der Pflichten der Journalistinnen und Journalisten festgelegt. Um die journalistischen Pflichten in Unabhängigkeit und in der erforderlichen Qualität erfüllen zu können, braucht es entsprechende berufliche Rahmenbedingungen; diese sind Gegenstand der anschliessenden Erklärung der Rechte der Journalistinnen und Journalisten. Erklärung der Pflichten der Journalistinnen und Journalisten Die Journalistinnen und Journalisten lassen sich bei der Beschaffung, der Auswahl, der Redaktion, der Interpretation und der Kommentierung von Informationen, in Bezug auf die Quellen, gegenüber den von der Berichterstattung betroffenen Personen und der Öffentlichkeit vom Prinzip der Fairness leiten. Sie sehen dabei folgende Pflichten als wesentlich an: 1. Sie halten sich an die Wahrheit ohne Rücksicht auf die sich daraus für sie ergebenden Folgen und lassen sich vom Recht der Öffentlichkeit leiten, die Wahrheit zu erfahren. 2. Sie verteidigen die Freiheit der Information, die sich daraus ergebenden Rechte, die Freiheit des Kommentars und der Kritik sowie die Unabhängigkeit und das Ansehen ihres Berufes. 3. Sie veröffentlichen nur Informationen, Dokumente, Bilder, und Töne deren Quellen ihnen bekannt sind. Sie unterschlagen keine wichtigen Elemente von Informationen und entstellen weder Tatsachen, Dokumente, Bilder und Töne noch von anderen geäusserte Meinungen. Sie bezeichnen unbestätigte Meldungen, Bild -und Tonmontagen ausdrücklich als solche. 4. Sie bedienen sich bei der Beschaffung von Informationen, Tönen, Bildern und Dokumenten keiner unlauteren Methoden. Sie bearbeiten nicht oder lassen nicht Bilder bearbeiten zum Zweck der irreführenden Verfälschung des Originals. Sie begehen kein Plagiat. 5. Sie berichtigen jede von ihnen veröffentlichte Meldung, deren materieller Inhalt sich ganz oder teilweise als falsch erweist. 6. Sie wahren das Berufsgeheimnis und geben die Quellen vertraulicher Informationen nicht preis. 7. Sie respektieren die Privatsphäre der einzelnen Personen, sofern das öffentliche Interesse nicht das Gegenteil verlangt. Sie unterlassen anonyme und sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigungen. SYCOM | Medienwirkungsforschung ©2004 by IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich 27 8. Sie respektieren die Menschenwürde und verzichten in ihrer Berichterstattung in Text, Bild und Ton auf diskriminierende Anspielungen, welche die ethnische oder nationale Zugehörigkeit, die Religion, das Geschlecht, die sexuelle Orientierung, Krankheiten sowie körperliche oder geistige Behinderung zum Gegenstand haben. Die Grenzen der Berichterstattung in Text, Bild und Ton über Kriege, terroristische Akte, Unglücksfälle und Katastrophen liegen dort, wo das Leid der Betroffenen und die Gefühle ihrer Angehörigen nicht respektiert werden. 9. Sie nehmen weder Vorteile noch Versprechungen an, die geeignet sind, ihre berufliche Unabhängigkeit und die Äusserung ihrer persönlichen Meinung einzuschränken. 10. Sie vermeiden in ihrer beruflichen Tätigkeit als Journalistinnen und Journalisten jede Form von kommerzieller Werbung und akzeptieren keinerlei Bedingungen von Seiten der Inserenten. 11. Sie nehmen journalistische Weisungen nur von den hierfür als verantwortlich bezeichneten Mitgliedern ihrer Redaktion entgegen, und akzeptieren sie nur dann, wenn diese zur Erklärung der Pflichten der Journalistinnen und Journalisten nicht im Gegensatz stehen. Journalistinnen und Journalisten, welche dieser Bezeichnung würdig sind, halten es für ihre Pflicht, die Grundsätze dieser Erklärung getreulich zu befolgen. In Anerkennung der bestehenden Gesetze jedes Landes nehmen sie in Berufsfragen nur das Urteil ihrer Berufskolleginnen und -kollegen, des Presserates oder ähnlich legitimierter berufsethischer Organe an. Sie weisen dabei insbesondere jede Einmischung einer staatlichen oder irgendeiner anderen Stelle zurück. Erklärung der Rechte der Journalistinnen und Journalisten Damit die Journalistinnen und Journalisten die von ihnen übernommenen Pflichten erfüllen können, müssen sie zum mindesten folgende Rechte beanspruchen können: a. Sie haben freien Zugang zu allen Informationsquellen und die Freiheit zur unbehinderten Ermittlung aller Tatsachen, die von öffentlichem Interesse sind; die Geheimhaltung öffentlicher oder privater Angelegenheiten kann dabei den Journalistinnen und Journalisten gegenüber nur in Ausnahmefällen und nur mit klarer Darlegung der Gründe geltend gemacht werden. b. Sie dürfen nicht veranlasst werden, beruflich etwas zu tun oder zu äussern, was den Berufsgrundsätzen oder ihrem Gewissen widerspricht. Aus dieser Haltung dürfen ihnen keinerlei Nachteile erwachsen. c. Sie dürfen jede Weisung und jede Einmischung zurückweisen, die gegen die allgemeine Linie ihres Publikationsorgans verstossen. Diese allgemeine Linie muss ihnen vor ihrer Anstellung schriftlich mitgeteilt werden; ihre einseitige Änderung oder Widerrufung ist unstatthaft und stellt einen Vertragsbruch dar. d. Sie haben Anspruch auf Transparenz über die Besitzverhältnisse ihres Arbeitgebers. Sie müssen als Mitglied einer Redaktion vor jeder wichtigen Entscheidung die Einfluss auf den Gang des Unternehmens hat, rechtzeitig informiert und angehört werden. Die Redaktionsmitglieder sind insbesondere vor dem definitiven Entscheid über Massnahmen zu konsultieren, welche eine grundlegende Änderung in der Zusammensetzung der Redaktion oder ihrer Organisation zur Folge haben. e. Sie haben Anspruch auf eine angemessene berufliche Aus- und Weiterbildung. SYCOM | Medienwirkungsforschung ©2004 by IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich 28 f. Sie haben Anspruch auf eine klare Regelung der Arbeitsbedingungen durch einen Kollektivvertrag. Darin ist festzuhalten, dass ihnen durch ihre Tätigkeit in den Berufsorganisationen keine persönlichen Nachteile entstehen dürfen. g. Sie haben das Recht auf einen persönlichen Anstellungsvertrag, der ihnen ihre materielle und moralische Sicherheit gewährleisten muss. Vor allem soll durch eine angemessene Entschädigung ihrer Arbeit, die ihrer Funktion, ihrer Verantwortung und ihrer sozialen Stellung Rechnung trägt, ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit als Journalistinnen und Journalisten sichergestellt werden. Diese "Erklärung" wurde an der konstituierenden Sitzung des Stiftungsrats der Stiftung Schweizer Presserat vom 21. Dezember 1999 verabschiedet. SYCOM | Medienwirkungsforschung ©2004 by IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich 29 Geschäftsreglement des Schweizer Presserates I. Institution, Sitz, Zusammensetzung, Sekretariat und Finanzen Art. 1 (Aufgabe) 1. Der Schweizer Presserat steht dem Publikum und den Medienschaffenden als Beschwerdeinstanz für medienethische Fragen zur Verfügung. Mit seiner Tätigkeit soll er zur Reflexion über grundsätzliche medienethische Probleme beitragen, und damit medienethische Diskussionen in den Redaktionen anregen. 2. Der Schweizer Presserat nimmt auf Beschwerde hin oder von sich aus Stellung zu Fragen der Berufsethik der Journalistinnen und Journalisten. Er verteidigt die Presse- und Meinungsäusserungsfreiheit. 3. Grundlage der Stellungnahmen des Schweizer Presserates bilden die "Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten", die dazu vom Schweizer Presserat erlassenen Richtlinien sowie die Praxis des Schweizer Presserates. Der Schweizer Presserat kann für seine Stellungnahmen auch ausländische und internationale medienethische Kodizes heranziehen. 4. Die Zuständigkeit des Schweizer Presserates erstreckt sich auf den redaktionellen Teil oder damit zusammenhängender berufsethischer Fragen sämtlicher öffentlicher, periodischer und/oder auf die Aktualität bezogenen Medien. Art. 2 (Sitz) Der Presserat hat seinen Sitz bei seinem Sekretariat. Art. 3 (Zusammensetzung) 1. Der Schweizer Presserat besteht aus 21 Mitgliedern. Sechs Mitglieder des Schweizer Presserates sind Publikumsvertreter. Sie üben keine Medienberufe aus. Die übrigen Mitglieder des Presserates sind als Berufsjournalistinnen- und journalisten tätig. Mitglieder des Stiftungsrats der Stiftung Schweizer Presserat sind nicht wählbar. 2. Mindestens sechs Mitglieder des Schweizer Presserates müssen aus der französischsprachigen Schweiz, mindestens zwei aus der italienischsprachigen Schweiz stammen. Nach Möglichkeit ist auch die rätoromanische Sprachgruppe zu berücksichtigen. Der Präsident / die Präsidentin und die beiden Vizepräsident/innen dürfen nicht alle der gleichen Sprachregion angehören. 3. Jedes Geschlecht besetzt mindestens 8 Sitze. 4. Der Schweizer Presserat tagt in drei siebenköpfigen Kammern, die vom Präsidenten/der Präsidentin und den beiden Vizepräsidenten/Vizepräsidentinnen geleitet werden. Die Zusammensetzung der Kammern wird durch das Presseratsplenum festgelegt. 5. Die Präsidentin / der Präsident, die beiden Vizepräsident/innen und die Mitglieder des Schweizer Presserates werden vom Stiftungsrat der Stiftung Schweizer Presserat auf eine Amtsdauer von vier Jahren gewählt. Zweimalige Wiederwahl ist möglich. SYCOM | Medienwirkungsforschung ©2004 by IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich 30 Art. 4 (Sekretariat) 1. Dem Schweizer Presserat wird ein Sekretariat beigegeben. 2. Die Stellenbesetzung erfolgt durch den Stiftungsrat der Stiftung Schweizer Presserat im Einvernehmen mit dem Presseratspräsidium. 3. Die Pflichten und Rechte des Sekretariats werden durch einen Anstellungsvertrag geregelt. Art. 5 (Finanzen) 1. Der Schweizer Presserat verfügt über einen Kredit, der im Budget der Stiftung Schweizer Presserat aufgeführt wird. 2. Der Kredit wird durch das Presseratssekretariat verwaltet. II. VERFAHREN Art. 6 (Legitimation) 1. Beschwerdeberechtigt ist jedermann 2. Der Presserat kann mit Mehrheitsbeschluss Fälle von sich aus aufgreifen. Art. 7 (Verfahrenseinleitung) 1. Ein Verfahren vor dem Schweizer Presserat wird durch Einreichung einer Beschwerde an das Sekretariat oder durch Beschluss des Plenums des Schweizer Presserates eröffnet. 2. Die Genehmigung der Eröffnung eines Verfahrens kann das Plenum auch erteilen, nachdem das Verfahren durch Beschluss einer Kammer bereits vorläufig eröffnet worden ist. 3. Der Beschwerdeeingang ist dem Beschwerdeführer / der Beschwerdeführerin durch das Sekretariat umgehend zu bestätigen. Art. 8 (Begründung) 1. Beschwerden sind zu begründen. 2. Die Beschwerdebegründung muss den massgeblichen Sachverhalt enthalten und zudem angeben, welche Punkte der "Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten" aus Sicht der Beschwerdeführerin/des Beschwerdeführers durch den beanstandeten Medienbericht verletzt worden sind. 3. In der Beschwerdebegründung ist weiter anzugeben, ob im Zusammenhang mit dem Beschwerdegegenstand bereits ein Gerichtsverfahren eingeleitet worden ist oder ob ein solches noch anhängig gemacht werden soll. 4. Mit der Beschwerdegründung ist eine Kopie des beanstandeten Medienbeitrags in Text und/oder Ton bzw. Bild einzureichen. SYCOM | Medienwirkungsforschung ©2004 by IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich 31 Art. 9 (Instruktion) 1. Das Sekretariat leitet die eingegangenen Beschwerden unverzüglich an die Präsidentin / den Präsidenten und die beiden Vizepräsident/innen weiter. 2. Das Presseratspräsidium unterzieht die Beschwerden einer vorläufigen Prüfung. 3. Offensichtlich unbegründete Beschwerden und Beschwerden, die sich nicht auf berufsethi-sche Fragestellungen beziehen, sind zurückzuweisen. 4. Ist eine Beschwerde nicht offensichtlich unbegründet, ist durch das Sekretariat eine Beschwerdeantwort einzuholen. Art. 10 (Beschwerdeantwort) 1. Ist eine Journalistin / ein Journalist oder ein Informationsmedium von einer Beschwerde direkt betroffen, ist die Beschwerdegegnerin / der Beschwerdegegner zur Beschwerde anzuhören. 2. Das Presseratssekretariat stellt der Beschwerdegegnerin/dem Beschwerdegegner eine Kopie der vollständigen Beschwerdeunterlagen zu und räumt eine Frist von 30 Tagen zur Einreichung einer Stellungnahme ein. 3. Eine Kopie der Beschwerdeantwort ist vom Sekretariat der Beschwerdeführerin / dem Beschwerdeführer zuzustellen. 4. Nach Eingang der Beschwerdeantwort entscheidet das Präsidium über weitere Instruktionsmassnahmen. 5. Erscheinen aus Sicht des Präsidiums keine weiteren Instruktionsmassnahmen notwendig, gibt das Sekretariat den Parteien den Abschluss des Schriftenwechsels bekannt. 6. Wird die Beschwerde vom Präsidium zur Behandlung an eine Kammer überwiesen, gibt das Sekretariat den Parteien umgehend die Zusammensetzung der Kammer bekannt. 7. Das Präsidium kann zu Beschwerden, die in ihren Grundzügen mit vom Presserat bereits früher behandelten Fällen übereinstimmen oder sonst wie von untergeordneter Bedeutung erscheinen, abschliessend Stellung nehmen. 8. Sämtliche vom Präsidium verabschiedete Stellungnahmen sind vor ihrer Veröffentlichung allen Presseratsmitgliedern auf dem Korrespondenzweg zuzustellen. Verlangen mindestens 2 Mitglieder innerhalb von 10 Tagen nach Erhalt der Stellungnahme eine Behandlung einer Beschwerde durch eine Kammer, wird das Verfahren gemäss den Art. 13ff. fortgesetzt. Art. 11 (Ablehnungsbegehren) 1. Begründete Einwände gegen die Zusammensetzung der zuständigen Kammer sind innert 10 Tagen nach Erhalt der Mitteilung des Presseratssekretariats vorzubringen. 2. Der Kammerpräsident oder, im Falle seiner Ablehnung, die beiden anderen Kammerpräsidenten, sind für den Entscheid über Ablehnungsbegehren zuständig. SYCOM | Medienwirkungsforschung ©2004 by IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich 32 3. Einem Ablehnungsbegehren ist stattzugeben, wenn eine besondere Nähe zu einer der Parteien oder zum Beschwerdegegenstand besteht, die die Fähigkeit zu einer unbefangenen Stellungnahme als wesentlich eingeschränkt erscheinen lassen. Art. 12 (Ausstand) 1. Mitglieder des Schweizer Presserates haben von sich aus in den Ausstand zu treten, wenn sie sich ausserstande sehen, zu einer Beschwerde unbefangen Stellung zu nehmen. 2. Ein Ausstandsgrund ist insbesondere gegeben, wenn das Medium betroffen ist, für das ein Presseratsmitglied arbeitet oder in den letzten fünf Jahren gearbeitet hat. Art. 13 (Beratung) 1. Die Kammerpräsidentin/der Kammerpräsident setzt den Termin für die Beratung der Beschwerde fest. 2. Die Beratungen in den Kammern finden in Form von Sitzungen statt. Ergänzende Beratungen können auf schriftlichem Wege durchgeführt werden. 3. Eine Kammer ist beschlussfähig, wenn mindestens die Hälfte ihrer Mitglieder anwesend ist. 4. In Ergänzung des Schriftenwechsels kann die Kammer die Parteien einladen und Hearings mit Experten durchführen. Sie kann ergänzende Stellungnahmen von den Parteien oder von Dritten einholen. 5. Stellen sich mit einer Beschwerde berufsethische Fragen von grundsätzlicher Natur, kann die Kammer von sich aus die Gesamtheit des Presserates einbeziehen. Art. 14 (Stellungnahme) 1. Aufgrund des Ergebnisses der Beratungen wird durch ein Kammermitglied oder das Presseratssekretariat eine Stellungnahme redigiert. 2. Die Verabschiedung der Stellungnahme erfolgt mit einfacher Mehrheit der anwesenden Kammermitglieder. 3. Die Stellungnahme ist den Kammermitgliedern nach erfolgter Redaktion noch einmal auf dem Korrespondenzweg zur definitiven Genehmigung zu unterbreiten. 4. Der Schweizer Presserat kann in seinen Stellungnahmen Feststellungen treffen und Empfehlungen erlassen. Er hat keine Sanktionsmöglichkeiten. Die Stellungnahme kann auf Nichteintreten, Gutheissung oder Abweisung der Beschwerde lauten. 5. Stellungnahmen, die keine grundsätzlichen, vom Presserat noch nicht behandelten berufsethischen Fragen berühren, werden von den Kammern abschliessend verabschiedet. 6. Sämtliche von den Kammern verabschiedete Stellungnahmen sind vor ihrer Veröffentlichung allen Presseratsmitgliedern auf dem Korrespondenzweg zuzustellen. SYCOM | Medienwirkungsforschung ©2004 by IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich 33 7. Stellen mindestens zwei Presseratsmitglieder fest, dass in einer Stellungnahme eine vom Presserat noch nicht behandelte berufsethischen Frage berührt wird oder von der bisherigen Praxis des Presserates abgewichen wird, können sie innerhalb von 10 Tagen nach Erhalt der Stellungnahme verlangen, dass diese dem Plenum vorgelegt wird. Andernfalls gilt sie als vom Presserat genehmigt. Art. 15 (Nichteintreten) 1. Der Schweizer Presserat tritt auf Beschwerden nicht ein, wenn deren Gegenstand ausserhalb seines Zuständigkeitsbereichs (Art. 1 Abs. 4) liegt. 2. Der Schweizer Presserat kann auf Beschwerden eintreten, auch wenn im Zusammenhang mit dem Beschwerdegegenstand bereits ein Gerichtsverfahren eingeleitet worden ist oder ein solches von der Beschwerdeführerin/dem Beschwerdeführer noch anhängig gemacht werden soll. 3. Der Schweizer Presserat tritt auf eine Beschwerde nicht ein, wenn er aufgrund einer Interessenabwägung zum Schluss gelangt, dass a. die manifeste Gefahr der Beeinflussung eines hängigen Gerichtsverfahrens durch das Presseratsverfahren das Interesse der Beschwerdeführerin / des Beschwerdeführers an einer Stellungnahme des Presserates eindeutig überwiegt und b. wenn sich im Zusammenhang mit der Beschwerde keine grundlegenden berufsethischen Fragen stellen. 4. Der Schweizer Presserat tritt nicht auf Beschwerden ein, wenn die Beschwerdeführerin / der Beschwerdeführer den Presserat missbrauchen will, um an Beweismittel zu gelangen, an die sie auf anderem Wege nicht gelangen könnte oder wenn die Beschwerde führende Partei dem Presserat Beweismittel vorenthält. 5. Der Schweizer Presserat tritt auf Beschwerden nicht ein, wenn die Publikation des beanstandeten Medienberichts länger als ein Jahr zurückliegt. Art. 16 (Plenum) 1. Der Presserat hält mindestens einmal im Jahr eine Plenarsitzung ab. 2. Für das Verfahren im Plenum gelten die Bestimmungen für das Verfahren in den Kammern analog. Art. 17 (Zustellung an die Parteien) 1. Nach der definitiven Verabschiedung einer Stellungnahme ist diese den Parteien vor der Veröffentlichung durch das Sekretariat zuzustellen. 2. Die Stellungnahmen sind durch das Kammerpräsidium und das Sekretariat zu unterzeichnen. 3. Die Parteien sind durch das Sekretariat aufzufordern, auf eine Veröffentlichung der Stellungnahme zu verzichten, bis diese vom Schweizer Presserat zur Veröffentlichung freigegeben wird. SYCOM | Medienwirkungsforschung ©2004 by IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich 34 Art. 18 (Veröffentlichung) 1. Die Stellungnahmen des Schweizer Presserates werden kontinuierlich zu Handen der Medien und auf der Internetwebsite des Schweizer Presserates veröffentlicht. Der Schweizer Presserat gibt zudem jährlich eine Sammlung der Stellungnahmen heraus. 2. Der Zeitpunkt der Veröffentlichung wird durch das Präsidium des Schweizer Presserates bestimmt. 3. Beschäftigt ein medienethisches Thema die Öffentlichkeit überdurchschnittlich stark, kann das Präsidium des Schweizer Presserates per Medienmitteilung ankünden, dass sich der Schweizer Presserat mit dieser Fragen an seiner nächsten Sitzung befassen wird bzw. dass das Präsidium dem Plenum beantragen wird, diese Problematik aufzugreifen. Art. 19 (Endgültigkeit der Stellungnahmen) 1. Die Stellungnahmen des Plenums des Schweizer Presserates bzw. der einzelnen Kammern sind endgültig. 2. Vorbehalten ist die nachträgliche Berichtigung einer Stellungnahme, die auf nachweislich unrichtigen Fakten beruht. Art. 20 (Verfahrenskosten) 1. Das Verfahren vor dem Schweizerischen Presserat ist kostenlos. 2. Es werden weder Verfahrens- noch Parteikosten gesprochen. (Auszüge aus : http://www.presserat.ch/regulation_d.htm) SYCOM | Medienwirkungsforschung ©2004 by IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich 35 7. Media Accountability Systems Jenseits der Presseräte gibt es noch eine Fülle von Möglichkeiten, was getan werden kann, um ethischen Standards in dem Medien zur Durchsetzung zu verhelfen. Der französische Journalistikprofessor Claude-Jean Bertrand hat solche vorfindbaren Maßnahmen weltweit gesammelt und sie unter dem Label M*A*S (Media Accountability Systems) oder auch MARS (Moyens pour assurer la responsabilité des médias) zusammengestellt. Die Bezeichnung mach deutlich, worum es ihm geht: Medien zu verantwortlichem Handeln anzuregen und Strukturen zu schaffen, aufgrund derer man diese Verantwortung auch einfordern kann. Dazu gehören seiner Ansicht nach Publikationen und Texte, wie ein Pressekodex oder auch ein kritischer Brief an Herausgeber, oder Rundfunkprogramme, die sich mit Medieninhalten auseinandersetzen. Des weiteren zählt er dazu alle Einzelpersonen oder Gruppen, die für die Verbesserung von Medienqualität tätig sind, wie Presseräte, Ombudsleute, Medienkritiker oder auch Bürger, die in einem Herausgebergremium beratend tätig sind. Letztlich sieht er auch Prozesse, die der Verbesserung von Ethik und Qualität von Medien als Teil der M*A*S an, und dazu gehören Aus- und Fortbildungen, die Medienforschung oder Ethik-Audits. Einen Überblick über alle M*A*S, die Bertrand gefunden hat, finden Sie auf der Website von presscouncils.org: http://www.presscouncils.org/library/MAS%20(80)%20January%202003.doc (siehe auch unten) Sicherlich ist dies ein sehr umfassender Begriff von qualitätsfördernden Maßnahmen, der auch den Begriff der Ethik sehr erweitert versteht. Geht es jedoch um die Umsetzung ethischer Reflexion und die Bemühungen, ethische Erkenntnis handlungsrelevant werden zu lassen, so ist dies sicher ein lohnender Ansatz. Überprüfen Sie doch einmal, welche dieser M*A*S Sie in der Schweiz (in Österreich, in Deutschland etc.) verwirklicht sehen. In einem zweiten Schritt ließe sich diskutieren, welche der aufgeführten Maßnahmen für Ihr Land denkbar wären. M*A*S Media Accountability Systems Non-governmental means of inducing media and journalists to respect the ethical rules set by the profession. They are extremely diverse but all aim at improving news media, using evaluation, monitoring, education or feedback. Here is a list of over 80, but more can, and will, be invented. The most obvious classification of the M*A*S is into three groups according to their intrinsic nature: documents (printed or broadcast) / people (individuals or groups) / processes (long or short). Text, Broadcast or Website - A written code of ethics, or an "ethics handbook", listing rules which media professionals have discussed A written code of ethics, or an "ethics handbook", listing rules which media professionals have discussed and/or agreed upon with, preferably, input by the public. And which should be made known to the public. SYCOM | Medienwirkungsforschung ©2004 by IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich 36 - An internal memo reminding the staff of ethical principles (maybe the "tradition" of the paper [1]) and provides it with guidelines as to behavior in particular circumstances. - A daily internal self-criticism report circulated in the newsroom. [2] - A correction box, published, very visibly. Or time taken to correct an error on the air. - A regular « Letters to the Editor » column/program, including messages critical of the newspaper/ magazine/ station. - Other means of public access, like an on-line message board or a forum for immediate feedback. - An accuracy-and-fairness questionnaire, mailed to persons mentioned in the news or published for any reader to fill out. - A public statement about media by some eminent decision-maker, abundantly quoted in the news [3]. - A space or time slot purchased by an individual, a group or a company to publish an "open letter" about some media issue [4]. - An occasional "Letter from the editor", expounding values and rules or explaining how media function. - A sidebar explaining some difficult editorial decision to publish or not to publish. - A newsletter to readers, inserted or mailed, to keep them informed of what goes on at the newspaper or station. - A regular media column, page, section [5] in a newspaper, newsmagazine, trade review - or a program on radio or television, that does more than just mention new appointments and ownership changes. - A regular ethics column in a trade magazine. [6] - Regular reports by media-oriented citizens' associations that are published by newspapers.[7] - A web site systematically posting corrections of media errors, [8] - or the grievances of working journalists[9], - or abuses by advertisers. [10] - A website offering journalists information and advice on "promoting accountability". [11] [1] To its "Standards & Ethics" code, the Washington Post appends Eugene Meyer's (its former owner) 1933 "Principles". [2] Like at Zero Hora, a daily of Porto Alegre in Brazil. [3] A huge ballyhoo greeted US Vice-President Spiro Agnew's two 1969 speeches against "liberal" media. [4] Like the one against toxic popular culture published in newspapers all over the US by 56 eminent Americans in July 1999. [5] Like the Media Guardian within the Monday edition of the Guardian (London). [6] As the monthly "Ethics Corner" in Editor & Publisher since 1999. [7] Like ......... in Korea. [8] Like www.slipup.com in the US. [9] Like, in the US, the News Mait site maintained by Maurice Tamman for 3 years until 1999. [10] Like www.adbusters.org in Vancouver, run by former Madison Avenue types. [11] Like the IFJ (International Federation of Journalists) website for African news people: www.ifj.org/regions/africa. SYCOM | Medienwirkungsforschung ©2004 by IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich 37 - A website devoted to debate on media issues (e.g. media and the children). - A website teaching the public how to evaluate media. [12] - An alternative periodical (esp. published by a minority), non-profit station or website, that publishes facts and gives viewpoints which regular media ignore, including criticism of the said media. - A "journalism review", on paper or the air or the Web [13] , devoted principally to media criticism, exposing what media have distorted or omitted, and whatever other sins reporters or media companies have committed . - "Darts and Laurels", a page or website consisting of short stories in criticism or praise of some media action, such as most journalism reviews have had. [14] - A yearbook of journalism criticism, written by reporters and media users, edited by academics. [15] - A weblog run by a journalist, or by an amateur, giving a serious critique of media performance. - An article, report, book, film, TV series about media, informative about media and, to some extent at least, critical. - Newsletters emailed to subscribers by media-watch organizations. [16] - The review of a consumer group (regional or national) which occasionally deals with media. - A television network [17] or weekly newsmagazine [18] entirely made up of material borrowed from foreign media, enabling users to evaluate their own media. - A petition signed by hundreds or thousands to put pressure on media directly or via advertisers or via some regulatory agency. - [Very exceptional] A newspaper given by its publisher to a journalism school to serve as a "teaching hospital". [19] Individuals or groups - An in-house critic, or a «contents evaluation commission» [20] , to scrutinize the newspaper, or monitor the station, for breaches of the code - without making their findings public. - An ethics committee or a « staff review group » (a rotating panel of journalists) set up to discuss and/or decide ethical issues, preferably before they occur. - An ethics coach operating in the newsroom, occasionally, to raise the reporters' ethical awareness, to encourage debate and advise on specific problems. - A media reporter assigned to keep watch on the media industry and give the public full, unpreju- [13] Like the American JR (University of Maryland) or the On-Line JR (U. of Southern California). [14] See also the internal bulletin circulated by the New York Times, called "Winners and Sinners". [15] Like the one put out by the University of Tampere, in Finland, after an annual seminar on the topic. [16] Like FAIR (Fairness and Accuracy in Reporting) or Project Censored in the US. [17] Like SBS in Australia. [18] Like Courrier International in France. [19] The Anniston Star, whose assets were given in 2003 to a foundation that will join the University of Alabama in running a "community journalism" program. [20] Like the shinsa-shitsu set up by Japanese dailies as early as the 1920s. SYCOM | Medienwirkungsforschung ©2004 by IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich 38 diced reports [21]. - An outside critic paid by a newspaper to write a regular column about the paper. - A whistle-blower who dares to denounce some abuse within the media company. - A consumer reporter who warns readers/viewers against misleading advertising - and intervenes on their behalf. [22] - An ombudsman, "editor in charge of reader relations", or a team of reporters, employed by a newspaper or station, to listen to suggestions and complaints from customers, investigate, obtain redress if need be and (usually) report on his activities. - A Complaints bureau or Customer service unit to listen to grievances and requests. [23] - A disciplinary committee set up by a union or other professional association to obtain that its code be respected - under pain of expulsion. - A liaison committee set up jointly by media and a social group with which they may occasionally clash [24]. - A citizen appointed to the editorial board; or several (often chosen among users who have complained) invited to attend the daily news meeting. - A panel (or several specialized panels) of readers/ listeners/ viewers regularly (e.g. daily or twice a month) consulted [25]. - A club (of readers / listeners / viewers) that uses perks to attract members and leads them into a dialogue about the medium (most often a magazine).[26] - A local press council, i.e. regular meetings of some professionals from the local media and representative members of the community. - A national (or regional) press council set up by the professional associations of media owners and of journalists, and normally including representatives of the public - to speak up for press freedom and to field complaints from media users. - A national ombudsman appointed by the press to deal with complaints, either in association with a press council (Sweden) or independent (South Africa). - "Media observatories" set up by journalists to monitor attacks on press freedom and adherence to a code, receive complaints, debate ethical issues with publishers. - A watchdog agency set up by a media-related industry (like advertising) to filter contents - and ask that some not be made public, for ethical reasons [27]. - A militant association dedicated to media reform [28] or to helping persons with grievances against media [29]. [22] Like the "Action Line" teams common in US newspapers in the 1970s. [23] Like that of the BBC in Britain. [24] Like the police or some ethnic minority. [25] In Mexico, the Reforma group of newspapers uses 60 "reader boards" assigned to various fields. [26] "Radio clubs" have been an institution in rural parts of Niger where they help broadcasters serve the audience better and help listeners understand and use the material broadcast. [27] Like the BVP (Bureau de vérification de la publicité) in France or the Advertising Standards Authority in Britain. [28] Like FAIR in the US (www.fair.org) . [29] Like PressWise in Britain (www.presswise.org.uk) SYCOM | Medienwirkungsforschung ©2004 by IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich 39 - A foundation that funds projects or institutions aiming at the improvement of media. [30] - A media-related institution, national [31] or international, that has a direct or indirect interest in promoting media quality [32] through conferences, seminars, publications etc. - An NGO that trains personnel, and provides free services to media, in emerging democracies (Eastern Europe) and under-developed nations. - A citizen group (like a labor union or a parents' association) which, for partisan and/or public interest reasons (e.g. the welfare of children [33]), monitors the media - or attacks a special target, like advertising 34]. - A consumers' association, especially one of media users, using awareness sessions, monitoring, opinion polls, evaluations, lobbying, mail campaigns, even boycotts to obtain better service. [35] - A representative group of journalists in the newsroom, endowed with some rights, as allowed by law in Germany or required in Portugal. - A "société de rédacteurs", an association of all newsroom staff, that demands a voice in editorial policy - and preferably owns shares in the company so as to make itself heard. [36] - A "société de lecteurs", an association of readers which buys, or is given, shares in the capital of a media company and demands to have a say. [37] I am inclined also to place in this category three types of institutions that some experts would leave out of the M*A*S concept. To the extent that they do not take orders from government, to the extent that their purpose is to improve media service, it does not seem possible to leave them out completely. They might be called associate M*A*S or para-M*A*S: - The regulatory agency, set up by law, provided it is truly independent, especially if it takes complaints from media users. [38] - The international broadcasting company, public or private, using short wave radio or satellites, that makes it difficult for national media to hide or distort the news. [39] - The autonomous non-commercial broadcasting company [40], whose sole purpose is to [31] Like the AEJMC (Association of Educators in Journalism and Mass Communication) in the US. [32] Like the International Press Institute or the World Association of Newspapers. [33] Like ANDI in Brasilia which monitors Brazilian media, and reports on how they deal with children. [34] Like "Résistance à l'agression publicitaire" in France. [35] Like People For Better TV, a US broad-based national coalition. [36] The first was set up at the French daily Le Monde (1951). [37] As is the case at Le Monde , of which it owns about 11%. [38] Like the Italian Ordine dei giornalisti (Order of Journalists) or the French Conseil Supérieur de l'Audiovisuel (equivalent to the FCC in the US), two very different types of institutions. [39] Like the BBC World Service or CNN. [40] Like NSK in Japan or ARD in Germany SYCOM | Medienwirkungsforschung ©2004 by IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich 40 serve the public and which constitutes implicit criticism of commercial media. That category might be widened to include all high quality media whose primary aim is good journalism and can serve as models. Processes - A higher education, a crucial M*A*S. Quality media should only hire people with a university degree, preferably (though this is controversial) one in mass communications. - A separate course on media ethics required for all students in journalism. - Further education for working journalists: one-day workshops, one-week seminars, six-month or one-year fellowships at universities. Such programs, quite common in the US [41] , are very rare elsewhere. - An in-house awareness program to increase the attention paid by media workers to the needs of citizens, especially women and cultural, ethnic, sexual or other minorities; - or to teach journalists how to respond appropriately to readers/ listeners/ viewers on the phone. - Building a date-base of all errors (type, cause, person involved) so as to discern patterns and take measures. - An internal study of some issue involving the public (like a newspaper's relations with its customers). - An ethical audit: external experts come and evaluate the ethical awareness, guidelines, conduct within the newspaper or station. - Giving the email addresses and/or telephone numbers of editors and of journalists (whenever a story of theirs is published). - The (controversial) "readback" of quotes to sources to avoid errors.[42] - A "media at school" program to train children from an early age in the understanding and proper use of media. - A "media literacy" campaign to educate and mobilize the general public. - A listening session: once a week or irregularly, editors man the phones to answer calls from readers. [43] - The regular encounter of news people with ordinary citizens in a press club , on the occasion of neighborhood meetings - or even on a cruise [44]! - A regular (e.g. quarterly) opinion survey (polls, public meetings, internet forum), commissioned by the media, to get feedback from the person-in-the-street; also a questionnaire on a newspaper or station website. - A nation-wide survey of public attitudes towards all or some media (e.g. towards public broadcasting). - Non-commercial research, done mainly by academics in the universities, but also in think-tanks or scientific observatories [45], studies of the contents of media (or the absence of them [46]), of the [42] As the Wall Street Journal encourages its reporters to do. [43] As is done at some Brazilian papers. [44] The Belgian daily La Libre Belgique has organized such cruises. [45] Like the European Institute for the Media in Düsseldorf, Germany. [46] Like Project Censored in the US. SYCOM | Medienwirkungsforschung ©2004 by IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich 41 perception of media messages by the public, of the impact of those messages. - An annual seminar on journalism criticism organized by a Journalism School.[47] - An annual conference bringing together media decision-makers, political leaders and representatives of citizens' groups of all kinds[48]. - International cooperation to promote media quality and accountability.[49] - A prize, and other tokens of satisfaction, to reward quality media and quality journalists - or an anti-prize [50]. Internal, external and cooperative Another classification of M*A*S depends on who is involved: some M*A*S function exclusively inside the newspaper or broadcast station; some exist outside of it and escape its control; others require that media and non-media people work together. Those boxes, however, are not air-tight: they allow variants of one M*A*S to slip from one into either of the other two. • The internal M*A*S constitute self-regulation proper, quality control in the narrow sense. • External M*A*S prove that accountability can be applied to the media without their acceptance; their aim is not reparation to aggrieved individuals but benefit to the public as a whole. • Cooperative M*A*S are certainly the most interesting since they imply that press, professionals and public can join together for quality control. [48] Like the "Université de la communication" in late August, in Carcans-Maubuisson, later in Hourtin, SW France. [49] Like the European alliance of press councils (AIPCE) or the Ibero-American Federation of Ombudsmen. [50] Like the "Silver Sewer Award" bestowed by Empower America, a conservative media watchdog. SYCOM | Medienwirkungsforschung ©2004 by IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich 42 Internal M*A*S Media page/ program Letter from the editor, sidebar Newsletter to customers Correction box Media reporter Consumer reporter In-house critic Daily self-criticism report Media weblog by journalist Evaluation commission Filtering agency Internal study of issues Readership survey Ethical audit Ethics coach Internal memo Awareness program Code of ethics Whistle-blower Ethics committee Disciplinary committee Newsroom committee Media observatory Company of journalists Reproduction of foreign material [ Public broadcasting] [ International broadcasting ] [High quality service-oriented media] External M*A*S Alternative media Journalism review "Darts and laurels" Critical book / report / film Media-related website Petition to pressure media Public statement by VIP Higher education Required ethics course Non-profit research Opinion survey on media Media literacy campaign Media literacy website Media-at-school program Consumer group Association of militant citizens Bulletin of consumer group Media-serving NGO [Indep. regulatory agency] Co-operative M*A*S Letter to the editor Outside media columnist On-line message board Ombudsman Complaints bureau Listening session by editors Accuracy & fairness question. Paid advertisement Encounter with public Panel of media users Inviting in readers Journalists' email and phone Citizen on board Club of readers/ viewers Local press council Annual conference Seminar on media criticism Yearbook on media crit. National press council National ombudsman Liaison committee Media-related association International cooperation Training NGO Continuous education Prize or other reward For more information, see the two books by Claude-Jean BERTRAND ([email protected] ): SYCOM | Medienwirkungsforschung ©2004 by IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich 43 - Media Ethics and Accountability Systems, New Brunswick (NJ) & London, Transaction, 2000 (2nd ed. 2002) - 164 pages - ISBN 1-56000-420-7 [Originally published in French, translated in Brazil (EDUSC 1999), Romania, Portugal, Armenia and Greece). - An Arsenal For Democracy: Media Accountability Systems , Cresskill (NJ), Hampton Press, 2002, Originally published in French (Paris, Economica, 1999). Published in Brazil (EDUSC 2002). Being translated in Japan. Literatur • -- (1995): Journalistik. Theorie und Praxis aktueller Medienkommunikation. 2 Bände. Bd. 2: Medientechnik, Medienfunktionen, Medienaktuere. 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