Journalistische Ethik

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Universität Zürich
IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung
SYCOM | Learning System for an Introduction to Communication and Media Studies
Texte zum Selbstlernmodul
Journalistische Ethik
Barbara Thomaß
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Dürfen Medien alles, was sie können?
Über den Charakter des Feldes und seine Probleme ..........................................................2
Grundlegende Begriffe und Konzepte der Ethik .................................................................3
2.1. Ethik, Moral und Ethos.............................................................................................................. 3
2.2. Das Verhältnis von Recht und Ethik der Medien ......................................................................... 5
2.3. Die Entstehung von Berufskodizes und Selbstregulierung ........................................................... 6
Der wissenschaftliche Diskurs über journalistische Ethik...................................................8
Ethische Problembereiche im Journalismus ......................................................................17
Analysewerkzeuge zur Bearbeitung journalistisch-ethischer Dilemmata,
mit Fallstudie .....................................................................................................................23
Schweizer Pressekodex und Schweizer Presserat .............................................................26
Media Accountability Systems...........................................................................................36
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Universität Zürich
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Texte zum Selbstlernmodul
Journalistische Ethik
Barbara Thomaß
1. Dürfen Medien alles, was sie können? Über den Charakter des Feldes und seine Probleme
Journalistische Ethik: kritische Beobachter der Medienentwicklung stellen die Frage, ob sie überhaupt existiere. Skeptiker halten sie ohnehin nicht für vereinbar mit den ökonomischen Bedingungen, unter den Medien produziert werden. Und da sollen Sie sich in einem Selbstlernmodul damit
beschäftigen? Wo Sie doch fast täglich Beispiele finden, wie die ethischen Vorstellungen von Medien, die Sie möglicherweise haben, von den Machern missachtet werden?
Vielleicht ist das gerade ein Grund, genauer einzusteigen in das Thema, dass immer dann Konjunktur hat, wenn wieder einmal ein Skandal oder auch nur ein Skandälchen in der Öffentlichkeit diskutiert wird. Und solche Fehltritte gibt es zuhauf:
Die Darstellung der US-Geiseln in irakischer Hand im arabischen Fernsehen Al Jazeera, der Fall des
britischen Wissenschaftlers Kelly, der die BBC über Hintergründe der Irak-Politik der britischen
Regierung informierte (Sie können dazu einen Artikel anklicken ), die Berichterstattung über den
Moderator Michel Friedmann (dazu haben wir eine Fallstudie für Sie vorbereitet), – Fälle allein aus
dem zweiten Vierteljahr 2003.
Durften die Medien so handeln, wie sie es im jeweiligen Fall taten? Wer entscheidet darüber, ob sie
es durften? Und nach welchen Kriterien wird entschieden? Woher beziehen wir solche Maßstäbe?
Und wie lassen sich so gewonnene Ansprüche auch tatsächlich umsetzen? Sind alleine die Journalistinnen und Journalisten verantwortlich?
Ethische Betrachtungen haben eine jahrtausend Jahre alte Tradition. Sollen sie gerade in einem Bereich, an den so hohe normative Anforderungen gestellt werden wie an die Medien, obsolet geworden sein? Dem Journalismus wird nachgesagt, er würde in einer Multimedia-Umwelt möglicherweise in seiner Funktion, Öffentlichkeit herzustellen, überflüssig werden.
Ist angesichts dieser Möglichkeit nicht eine Selbstvergewisserung vonnöten, die auch moralische
Implikate beinhalten müsste? Ethik wartet mit Fragestellungen auf, die letztendlich immer das Individuum in den Mittelpunkt ihrer Reflexion stellt; der Journalismus wird dagegen als soziales System
begriffen, das in vielfältigen Abhängigkeitsverhältnissen von den ökonomischen und technologischen Gegebenheiten steht, angesichts derer er seine Inhalte produziert.
In der wissenschaftlichen Diskussion wurde das Wort vom „Ethikbedarf“ aufgegriffen, als sich Ende
der 80er Jahre und Anfang der 90er Jahre journalistische Fehlleistungen spektakulärer Art in vielen
westeuropäischen Ländern häuften. Und so entstand eine wachsende Glaubwürdigkeitslücke. Vor
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diesem Hintergrund ist das Interesse an einer Rückbesinnung auf den publizistischen Auftrag gewachsen.
Ich hoffe, dass ich Ihr Interesse geweckt habe, sich auf eine Entdeckungstour zu den oben angeschnittenen Fragen zu begeben. Eindeutigkeiten werden Sie dabei vermissen, hingegen werden Sie
Handwerkszeug oder besser Handreichungen finden, wie Sie mit Vieldeutigkeiten und den vielen
Möglichkeiten moralischen Urteilens umgehen.
Und so verbinde ich mit dieser Lerneinheit den Wunsch, dass sie nicht nur Ihr Nachdenken über
Standards im Journalismus anregt, sondern auch Ihr Handeln. Denn Ethik stellt schließlich die
Grundfrage: "was soll ich tun?"
2. Grundlegende Begriffe und Konzepte der Ethik
2.1. Ethik, Moral und Ethos
Wir könnten über dieses Kapitel auch die Frage stellen: "Was ist journalistische Ethik, und was leistet sie?" Beantworten Sie doch einmal diese Frage, bevor sie weiter lesen. Sicher fallen Ihnen viele
Aspekte ein, beschränken Sie sich jedoch auf die fünf wichtigsten.
Was ist journalistische Ethik?
Was leistet journalistische Ethik?
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Im Sprachgebrauch des Alltags wird selten zwischen den Begriffen Ethik und Moral unterschieden,
mehr noch, sie werden überwiegend synonym eingesetzt. Da ist von ethischen Ansprüchen die Rede,
von ethisch verwerflichen Handlungen oder auch von der Feststellung, es gebe einen erhöhten Ethikbedarf in der Gesellschaft. In diesen Zusammenhängen geht es jedoch, wenn wir uns wissenschaftlich präzise ausdrücken wollen, um moralische Ansprüche, moralische Handlungen oder den
Appell, moralischer zu sein. Denn wir sprechen hier von singulären Handlungen, bzw. Ansprüchen,
die einer Beurteilung nach Maßstäben der Moral unterworfen werden.
Die Ethik als philosophische Disziplin hingegen macht die Moral selbst zu ihrem Gegenstand, fragt
nach Prinzipien von Handlungen, nach Kriterien, nach denen zu beurteilen ist, was moralisch ist
oder untersucht die Bedingungen, unter denen sich moralische Werte durchsetzen und als allgemeingültig anerkannt werden. Ethik ist eine Teildisziplin der praktischen Philosophie und beschäftigt sich
mit der Frage "Was soll ich tun?" Die Antwort enthält nicht nur geltende Konventionen und Moral-
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vorstellungen, sondern auch Begründungen für den Sinn und die Verbindlichkeit solcher Handlungsdirektiven. Im Rahmen der Ethik werden aber auch Verhaltensmuster und Grundeinstellungen
beschrieben (-- > deskriptive Ethik) und auf ihren moralischen Gehalt hin analysiert, werden moralische Probleme und Konflikte erfasst, Lösungsvorschläge entwickelt und auf ihre moralischen Konsequenzen hin überprüft.
Mit dieser Abgrenzung, dass Ethik nicht die Moral selbst, sondern die Reflexion über die Moral ist,
müssen wir allerdings noch den Begriff der Moral klären. Das lateinische "mos" (im Plural mores,
vgl. "jemanden Mores lehren") beinhaltet die Doppeldeutung von Sitte und Charakter, bezeichnet
also sowohl die Handlungsmuster einer Gemeinschaft, denen normative Geltung zugesprochen wird,
als auch die Eigenschaft eines Individuums oder einer Gruppe, diesem Regelwerk Genüge zu tun
(Pieper 1991: 26). Die Moral einer Gesellschaft oder Gemeinschaft begegnet uns als Katalog von
Normen- und Wertvorstellungen, und entsprechend können verschiedene Gruppen unterschiedliche
Moralen haben; dabei kann sich der Inhalt einer Moral ändern - Bedenken Sie die Veränderung der
Sexualmoral in nur wenigen Jahrzehnten! - nicht jedoch ihr Anspruch, handlungsleitend für die Individuen zu sein, die im Bereich ihres Geltungsanspruches leben.
Jedes Werturteil über Handlungen, richtet sich nach Kriterien, die - mehr oder minder explizit - moralischer Natur sind. Jede Entscheidung innerhalb eines Konfliktes oder eines Problems wird nach
Überlegungen, die - mehr oder minder - auch moralischer Art sind. Als ethisch ist dabei eine Haltung zu bezeichnen, die eine Reflexion der Moral beinhaltet. Moralität, als Qualität des Handelns,
und damit die Orientierung auf das Handeln, ist ein wesentliches Element der Ethik, die als praktische Philosophie von Aristoteles begründet worden war. In der Beantwortung der Grundfrage der
Ethik "Was soll ich tun?" geht es um Sinn und Verbindlichkeit und den Grund der Verbindlichkeit
von Handlungsdirektiven, also um die Frage, wie die Gültigkeit von Wertmaßstäben, die für moralisches Handeln angelegt werden, zu begründen sind.
Ein weiterer Terminus, den wir im Weiteren benötigen werden, ist der des Ethos - so zum Beispiel
wenn wir vom Berufsethos der Journalisten sprechen. Damit bezeichnen wir zunächst das Ganze der
moralischen Einstellung und des moralischen Verhaltens eines Menschen, die moralische Gesamthaltung und die sittlichen Lebensgrundsätze, welche die Grundlage des Wollens und Handels bilden.
Dazu gehört ebenso die Gesamtheit der ethischen Normen, Ideale, u.s.w. Unter Berufsethos wird
nicht nur die Haltung eines Menschen in und zu einem Beruf verstanden, welche einen allgemeinen
Werthintergrund des beruflichen, oft auch des außerberuflichen Handelns und Verhaltens, bildet.
Sondern auch das Auftreten eines ganzen Berufes und die Wahrnehmung seiner Leistungen durch
die Öffentlichkeit gehören hierzu. Das galt zunächst nur für sehr wenige Berufe, führte aber mit der
Aufwertung der Arbeit zur Entstehung eines differenzierten Systems von Berufsständen, die zum
Teil bis heute an einem im Beruf gründenden Standesethos orientiert sind, wie Ärzte oder Rechtsanwälte - oder eben auch Journalistinnen und Journalisten.
In diesem Sinne beschäftigen wir uns in dem Modul "Journalistische Ethik" mit der Moral des Journalismus, mit Wertvorstellungen und Geltungsansprüchen, die in diesem Beruf zu finden sind.
Dass es zu einem spezifischen Ethos des Journalismus kam, ist das Ergebnis komplizierter Ausdifferenzierungsprozesse, innerhalb derer der Beruf sich selbst als System etablierte.
Mit der Ausdifferenzierung der Gesellschaft, der Entwicklung eines modernen Staatswesens und der
Herausbildung der Rolle des Individuums im staatlichen Gemeinwesen sind seit jeher ethische Fragen verbunden gewesen, die der Klärung des Verhältnisses von einzelnem und Gesellschaft, von
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individueller Freiheit und staatlichen Ansprüchen dienen sollten. Die entsprechenden philosophischen Strömungen - die Aufklärung, die Vertragsethik, der Utilitarismus, der kategorische Imperativ,
um nur einige zu nennen - sind in die Vorstellungen moderner westlicher Demokratien von der Rolle
der Presse, später der Medien in einer Gesellschaft eingeflossen. Seit der Einführung von gedruckten
Periodika im späten 15. und frühen 16. Jahrhundert wurden auch die mit ihnen verbundenen Rechte
und Pflichten debattiert.
Im 18. und 19. Jahrhundert drängte die neue bürgerliche Klasse danach, sich neben der bisher herrschenden Aristokratie zu behaupten und verteidigte selbstbewusst ihren Beitrag zur Modernisierung
der Gesellschaft. Neue Berufe, die sich die Ideologie vom wissenschaftlichen und technischen Fortschritt zu eigen machten, rangen um Anerkennung. Druckunternehmer und Verleger waren Teil
dieser neuen gesellschaftlichen Schichten, die nach der Absicherung ihres gesellschaftlichen und
ökonomischen Status' suchten, und innerhalb ihres Berufsstandes wandelte sich eine allgemein liberale Weltauffassung zu einem professionellen liberalen Ethos.
Die philosophische Diskussion des 18. Jahrhunderts entwickelt in ihrem Nachdenken über die Rolle
von Staat, Gesellschaft und Individuum ein System von Normen, welche auch die Verpflichtungen
und Freiheiten der Presse und der in ihr Tätigen berührten. Inspiriert von ethischen Grundpositionen
einerseits und andererseits beeinflusst vom sozialen und politischen Wandel fand ein Teil dieser
Normen Eingang in die Verfassungen und in die Rechtsprechung.
Unser heutiges Recht auf Presse-, Meinungs- und Informationsfreiheit, das Recht auf Zeugnisverweigerung für bestimmte Berufe (das längst nicht in allen Gesetzgebungen verankert ist), das Recht
am eigenen Bild - all dies sind de jure verankerte Normen, die für die berufliche Praxis der Journalisten grundlegend sind.
Schwieriger fassbar, aber nicht weniger virulent sind die Elemente, die grundlegend für das Berufsethos der Journalismus in der modernen Demokratie geworden sind - so zum Beispiel die Grundannahme des Journalismus, dass die Menschen informiert werden müssen, weshalb die Medien eine
besondere Rolle in der Gesellschaft spielen sollten, die Vorstellung, dass die Medien lediglich Fakten zu bringen haben, aus denen sich der Rezipient sein eigenes Bild macht oder - dem entgegengesetzt - die Vorstellung von der sozialen Verantwortlichkeit der Medien.
2.2. Das Verhältnis von Recht und Ethik der Medien
Ist die Pressefreiheit der Ausgangspunkt presserechtlicher wie journalismusethischer Überlegungen,
so ist mit ihr gleichzeitig die grundlegende Frage verbunden, wie viel Bindungen diese Freiheit bedarf. Denn die mit der Pressefreiheit verbunden Rechte (Freiheit der Informationsbeschaffung, verbreitung und des Informationsempfangs, Verbot von Staatseingriffen und Zensur) finden ihre
Grenzen zum Beispiel in den Rechten von Individuen auf Achtung der Privatsphäre, in den Sicherheits- und Geheimhaltungsbedürfnissen des Staates und in der Sicherung des friedlichen Zusammenlebens. Fragt man nach den normativen Grundlagen ethischer Standards im Journalismus ist
man also zunächst auf die medienrechtlichen Bestimmungen verwiesen. Doch das Recht ist dabei
nur als eine Minimalvoraussetzung für ethische Standards zu sehen.
Die Alltagsweisheit "Was das Gesetz nicht verbietet, verbietet der Anstand" verweist auf das komplexe Verhältnis, in dem Recht und Ethik - grundsätzlich und auch - in Bezug auf den Journalismus
stehen. Ethik ist Selbstbindung des Berufes und damit eine Steuerungsressource neben dem Markt
und dem Recht, doch wenn sie versagt - wie im Angesicht von zahllosen Medienskandalen konstatiert wird, wird der Ruf nach dem Gesetz besonders laut.
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Als formal wie inhaltlich bedeutender Unterschied zwischen beiden ist festzuhalten, dass das Gesetz
von außen auf die Journalistinnen und Journalisten auferlegt wird, während ethische Regeln aus dem
Berufsstand heraus definiert und gegebenenfalls in Kodizes festgeschrieben werden. Damit sind
auch beider Leistungsfähigkeit und Grenzen gegeben.
Gesetzliche Regelungen sind wirksam, weil ihnen ein hohes Sanktionspotential innewohnt. Mit Polizei und Gerichten existieren Institutionen, die ihre Einhaltung überwachen und gegebenenfalls
durchsetzen können; Individuen können sich auf sie als verbindliche und einklagbare Grundlagen
berufen. Allerdings sind sie gleichermaßen vage wie rigide und können nur gegenüber eindeutigen
und schweren Vergehen angewandt werden. Wie jedwede gesetzlichen Festschreibungen folgen
auch presserechtliche Normierungen aufgrund der komplexen Verfahren, die sie voraussetzen, tatsächlichen gesellschaftlichen Entwicklungen und Notwendigkeiten mit erheblicher zeitlicher Verzögerung.
Aus dem Berufsstand erwachsende ethische Regeln haben den Vorteil, aufgrund ihrer - in der Regel
- konsensualen Entstehung eine größere Akzeptanz und Praxisnähe erreichen zu können. Sie können
Selbstkritik und Selbstdisziplin stimulieren. Allerdings ist ihr Sanktionspotential so stark begrenzt,
dass sie in Zeiten gehäufter medienethischer Fehlleistungen geradezu wirkungslos erscheinen.
Aufgrund dieser unterschiedlichen Leistungsfähigkeit und ihres gemeinsamen Gegenstandes sind
drei Arten von Beziehungen zwischen presserechtlichen und berufsethischen Regelungen möglich:
Kodizes können das Gesetz korrigieren, ergänzen bzw. ersetzen oder im Widerspruch zu ihm stehen.
Dort wo die Gesetzgebung unzureichend, unangemessen, oder nicht geeignet ist, soll die journalistische Selbstverpflichtung greifen. Während die Gesetze nur Negatives verhindern, können ethische
Regeln Positives erreichen.
Betrachten wir die Medienethik als umfassender, die journalistische Ethik einrahmend, so können
wir noch eine grundsätzliche Leistung dieser Reflexionsebene anführen. Eingedenk der Tatsache,
dass weder das Recht noch der Markt (durch die bewusste Entscheidung der Käuferinnen und Käufer
von Medienprodukten) in der Lage sind, Auswüchse und Fehlentwicklungen der Medien und ihrer
Leistungen zu verhindern, wird zunehmend das Potential der Medienethik als Steuerungsressource
diskutiert. Durch die Zuweisung von Selbstverpflichtung und die Förderung entsprechender Strukturen (vgl. 3.3. Presserat und Pressekodex) soll die Regulierung der Leistungen der Medien und der
Wahrung von Standards an diese selbst übertragen werden. Durch die Institutionalisierung von Formen der Selbstkontrolle soll das Verantwortungsbewusstseins von Medienorganisationen und den in
ihnen Handelnden gehoben werden.
2.3. Die Entstehung von Berufskodizes und Selbstregulierung
In dem Dilemma des Journalismus, einerseits mögliche gesetzliche Restriktionen abzuwehren, andererseits einen positiven Orientierungsrahmen für die Profession zu bieten, hat sich letztlich auch die
Entwicklung und Festschreibung berufsethischer Regeln vollzogen. Wenn die öffentliche Meinung
nach schärferen Gesetzen gegenüber der Presse ruft, versucht diese ihrerseits, dieser Gefahr durch
eine Selbstkontrolle zu begegnen. Dies ist der Hintergrund für die Entstehung der Pressekodizes, die
insbesondere in den Jahren zwischen 1960 und 1970 enorm zugenommen haben (weiter zur Selbstregulierung und zu Pressekodizes vgl. 3.3).
Pressekodizes können als elementarer Bestandteil einer professionellen Selbstregulierung gelten.
Selbstregulierung, verstanden als die Fähigkeit eines Sektors, die Formulierung und Implementie-
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rung von Maßnahmen, die gewünschtes Verhalten wahrscheinlicher machen, zu sichern, setzt eine
gewisse Organisationsfähigkeit dieses Sektors und ein Interesse an einem gemeinsamen Vorgehen
voraus (vgl. Mayntz/Scharpf 1995). In der Wahrung der Rahmenbedingungen für Pressefreiheit ist
für den Journalismus dieses Interesse prinzipiell gegeben. In einer grundsätzlichen Betrachtung lassen sich für die Einführung von Berufskodizes drei im engen Zusammenhang stehende Erklärungen
anführen (vgl. White 1986: 51 ff.):
- Eine funktionalistische Erklärung sieht die Einführung von Ethikkodizes als Schutzmechanismus
für die potentiellen Kunden oder Adressaten eines Berufes, die vor der Gefahr eines unkontrollierten
Expertentums bewahrt werden sollen. Diese Erklärung erhält besondere Tragweite in Zeiten schneller Expansion von neuen, gesellschaftlich nicht beherrschten oder kontrollierten Kenntnissen. Die
schnelle Einführung neuer Kommunikationstechniken mit den daraus resultierenden Sorgen kann
das in jüngster Zeit gestiegene Interesse an der Medienethik erklären.
- Eine monopolistische oder ökonomische Erklärung argumentiert, dass Berufskodizes einen Teil
eines umfassenderen Mechanismus' darstellen, der den Berufszugang restriktiv gestalten soll, damit
die einschlägige fachliche Kompetenz als knappes Gut am Markt gehandelt werden kann.
- Eine berufssoziologische Erklärung sieht in der Etablierung von Berufskodizes den Versuch, den
sozialen Status einer Profession innerhalb der Gesellschaft abzusichern. Diese Erklärung fußt auf der
Überlegung, dass Professionalisierung eine Ideologie ist, die den sozialen Status und den politischen
Einfluss der neuen Mittelklassen in den USA zu Beginn des 20. Jahrhunderts absichern sollte. In
diesem Bestreben haben viele Berufe zwischen 1900 und 1930 Berufskodizes eingeführt. Mit der
Abfassung von Ethikkodizes sollten die individuellen und gemeinschaftsbezogenen Werte, die man
durch die Einführung der großen bürokratischen, anonymen, einzig am Wettbewerb orientierten
Unternehmensformen bedroht sah, aufrechterhalten werden.
Die Aufstellung von Kodizes, die zunächst zu Beginn dieses Jahrhunderts auf nationaler Ebene erfolgte (die ersten Pressekodizes tauchten in den USA auf (vgl. Kap. 2.5.2), wurde bald auch in internationalen Gremien zu einem Anliegen. So formulierte 1936 die Union internationale des association de presse ethische Prinzipien; 1939 verabschiedete die Fédération internationale des journalistes
(FIJ) einen Ehrenkodex. 1950 arbeitete die UNO an einem internationalen Kodex, ohne ihn jedoch
jemals zu beschließen, da sich die Berufsorganisationen verschiedener Länder gegen Einmischungen
seitens ihrer Regierungen wandten (vgl. Bertrand 1991a). Darauf fußend verabschiedete die FIJ 1954
die so genannte Erklärung von Bordeaux. Allen Kodizes ist gemeinsam, daß sie grundlegende Regeln zum Gebaren der Medien und der in ihnen Tätigen enthalten. Dem Inhalt und Geist nach wenden sich die meisten sowohl an Arbeitgeber als auch an Journalistinnen und Journalisten, aber auch
nur von Journalistenverbänden entwickelte Kodizes, die sich ausschließlich an journalistisch Tätige
wenden, sind existent, wie auch Normenkataloge von Verlegerverbänden und - in neuerer Zeit Medienunternehmen. Sie regeln den Umgang zwischen den Informierenden und den Informierten
und unterscheiden sich dabei in Ausführlichkeit und Details. Auch in den sich entwickelnden Demokratien Osteuropas ist auffällig, wie sich die Journalistenverbände (und nicht nur sie) darum bemühen, Aufstellungen gemeinsam geteilter Werte und Vorsätze bei der Berufsausübung zu veröffentlichen - eine Beobachtung, die als Beleg der These von der Rolle der Kodizes in einem Prozeß gesellschaftlicher Umgestaltung gelten kann.
Eine Aufstellung und einen Überblick über Pressekodizes nationaler und internationaler Provenienz
geben u.a. Nordenstreng/Topuz 1989, Bertrand 1986, Fleck 1985. Pressekodizes finden sich im
Wortlaut darüber hinaus mittlerweile auch im Internet: http://www.uta.fi/ethicnet/index.html.
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Übung
Vergleichen Sie nun Ihre auf die am Anfang gestellte Frage gegebenen Antworten mit den folgenden, im Text genannten:
Was ist journalistische Ethik?
Ethik ist die systematische Reflexion über Moral. Die journalistische Ethik
ist entsprechend die systematische Reflexion über Moral im Journalismus.
Ethik im Journalismus fragt nach den Prinzipien guten journalistischen
Handelns und ihren Begründungen.
Was leistet journalistische Ethik?
1. Begründung von Moralvorstellungen
2. Orientierung des Handelns
3. Sicherung von Standards
4. Stärkung des Verantwortungsbewusstseins von Medienorganisationen
und Medienschaffenden
5. Ethik wirkt als Steuerungsressource neben dem Recht auf dem Markt
3. Der wissenschaftliche Diskurs über journalistische Ethik
Die Entwicklung der Begründungen zu Wertvorstellungen und Geltungsansprüchen im Journalismus
kann auf eine lange Diskussion zurückblicken. Der wissenschaftliche Diskurs über journalistische
Ethik hat in den vergangen Jahrzehnten viele verschiedene Perspektiven eingenommen, die letztendlich auch stark differierende Antworten auf journalismusethische und medienethische Fragestellungen der Praxis nach sich ziehen. Der folgende Text zeichnet diese Diskussion nach. Sie sollen im
Anschluss an die Lektüre dieses Textes Positionen aus verschiedenen medienethischen Kontroversen
den im Text genannten Theorieansätzen und/oder Autoren zuordnen. Ihre Auflösung wird als richtig
gewertet, wenn das entscheidende Stichwort oder der entsprechende Name genannt wird. Es lohnt
sich also, während der Lektüre ein paar Notizen zu machen!
Barbara Thomaß: Von Aristoteles zu Habermas: Theorien zur Ethik des Journalismus
Aus: Löffelholz, Martin (2000): Theorien des Journalismus. Ein diskursives Handbuch. Opladen:
Westdeutscher Verlag.
Ethik im Journalismus fragt nach den Prinzipien guten journalistischen Handelns und ihren Begründungen. Die Moralität menschlichen Tuns, seine sittliche Qualität und der Versuch ihrer Begründung
stellen eine der Grundfragen der praktischen Philosophie dar, die in ihrer Teildisziplin Ethik bearbeitet wird. Ethik untersucht die Struktur des moralisch richtigen Handelns und beansprucht, Einsichten
zu vermitteln, "wie gehandelt werden muss, damit die Handlung als moralisch anerkannt werden
kann" (Pieper 1991, 97). Ethik beschreibt und analysiert darüber hinaus Verhaltensmuster und
Grundeinstellungen auf ihren moralischen Gehalt hin, erfasst moralische Probleme und Konflikte,
entwickelt Lösungsvorschläge und überprüft sie hinsichtlich ihrer moralischen Konsequenzen. Auf
nichts anderes zielt die journalistische Ethik oder die Theorie zur journalistischen Ethik.
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In der praxisorientierten wie auch in der wissenschaftlichen Diskussion zum Thema hat es sich
durchgesetzt, von Ethik sowohl zu sprechen, wenn es um Handlungen von Journalisten, um die Qualität ihrer Produkte oder um Fehlleistungen und Konfliktfelder geht, als auch wenn die Begründung
der Werturteile gegenüber solchen Handlungen und ihre theoretische Fundierung zur Debatte steht.
Aber es ist zu unterscheiden zwischen der Moral der Journalisten und der Ethik des Journalismus,
also der Theorie zur moralischen Praxis. Insofern zielt der vorliegende Beitrag über Theorien zur
Ethik des Journalismus auf den Kern ethischer Reflexion.
Pressefreiheit in der Philosophie
Mit der Ausdifferenzierung der Gesellschaft, der Entwicklung eines modernen Staatswesens und der
Herausbildung der Rolle des Individuums im staatlichen Gemeinwesen sind seit jeher ethische Fragen verbunden gewesen, die der Klärung des Verhältnisses von einzelnen und der Gesellschaft, von
individueller Freiheit und staatlichen Ansprüchen dienen sollten. Und mit der Entwicklung der journalistischen Berufsrolle und der Medien haben sich die Beiträge zur Klärung dieser Frage auch auf
dieses gesellschaftliche Praxisfeld bezogen. Theorien zur Ethik des Journalismus werden also zunächst in der Geschichte der Philosophie fündig. In ihr finden sich Begründungen zur Rolle der Presse in einer freiheitlichen Gesellschaft, die die Grundlage für jeden Begründungszusammenhang
journalistischer Ethik abgeben, ja für das Thema überhaupt, da erst aus der besonderen Stellung, die
den Akteuren in einer freien Presse zugebilligt wird, ein Anspruch an deren Verhalten, das bestimmten professionsethischen Prinzipien zu folgen habe, abzuleiten ist.
Die philosophische Diskussion des 18. Jahrhunderts entwickelte in ihrem Nachdenken über die Rolle
von Staat, Gesellschaft und Individuum ein System von Normen, welche auch die Verpflichtungen
und Freiheiten der Presse und der in ihr Tätigen berührten. Inspiriert von ethischen Grundpositionen
einerseits und beeinflusst vom sozialen und politischen Wandel andererseits fand ein Teil dieser
Normen Eingang in die Verfassungen und in die juristischen Interpretationen dieser Verfassungen.
Schwieriger fassbar, aber nicht minder virulent sind die Elemente, die grundlegend für ein Berufsethos des Journalismus in den modernen Demokratien geworden sind. Etliche solcher Elemente sind
auf ihre Urheber zurückzuführen.
So findet sich bei dem Vertragsethiker Hobbes die Überzeugung, dass die Herrschenden nicht allmächtig seien und das Volk eine eigene Macht besitze. Daraus entstand die Grundannahme des
Journalismus, dass die Menschen informiert werden müssen, weshalb die Medien eine besondere
Rolle in der Gesellschaft spielen sollen. Die Idee des Staatsphilosophen Milton vom marketplace of
ideas, nach der die Wahrheit durch den Austausch der Ideen ans Licht komme, begründete die Vorstellung, dass die Medien lediglich Fakten zu bringen haben, aus denen sich der Rezipient sein eigenes Bild macht. Allerdings ist in dieser liberalistischen Auffassung das Argument der Freiheit wichtiger als das Vertrauen auf die Durchsetzungskraft von Wahrheit. Auf diesem geistigen Boden entsteht die klassische Theorie der Pressefreiheit. Die Utilitaristen Hume (1972) und Mill (1962) können als Urheber des Gedankens von der sozialen Verantwortlichkeit der Medien gelten. Und im
Kant'schen kategorischen Imperativ ist die Begründung für die Auffassung zu finden, dass der einzelne Journalist dafür verantwortlich ist herauszufinden, was gut und was schlecht ist in der Ausübung seines Berufes (Kant 1945).
Seit Aristoteles die Ethik als eine eigenständige Disziplin neben der Physik und der Metaphysik
begründet hat, haben die Philosophen zu verschiedenen Zeiten unterschiedliches Gewicht auf die
vielfältigen Bereiche ethischer Überlegungen gelegt. So wurde die Akzentuierung theoretischer Fragestellungen, die seit der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert einsetzte, in den 60er Jahren von
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einer "Rehabilitierung der praktischen Philosophie" abgelöst (Riedel 1972/74). Sie machte den Wert
ethischer Reflexionen in so unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen wie dem der Medizin, der
Wirtschaft oder auch der Ökologie deutlich. So fand sie letztlich auch Eingang in die Publizistikund Kommunikationswissenschaft.
Ethik in der Kommunikationswissenschaft
Dass Journalisten nicht als einzelne selbstverantwortliche Individuen tätig sind, sondern in einem
Geflecht von ökonomischen, technischen und hierarchischen Strukturen, ist Allgemeingut, seitdem
systemtheoretisches Denken in die Publizistik- und Kommunikationswissenschaft Eingang gefunden
hat (vgl. u.a. Weischenberg 1995, 1992, Blöbaum 1994, Rühl 1980). Deswegen ist in dieser Perspektive von einer Medien-, oder noch umfassender, Kommunikationsethik die Rede (vgl. Funiok 1996,
Wunden 1996, 1994). Die Konsequenzen dieser Erkenntnis haben zu der Auseinandersetzung zwischen individualethisch argumentierenden und systemtheoretisch orientierten Positionen geführt.
Bevor diese Debatte hier in ihren Grundzügen wiedergegeben wird, ist jedoch ein Rückblick hilfreich.
Theorien zur Ethik des Journalismus sind zunächst in den USA entwickelt worden. Dort haben sie
sich in enger Anlehnung an Entwicklungen in der Profession und ihrer Auseinandersetzung mit den
moralischen Grundsätzen ihres Tuns entwickelt. So datieren Medienhistoriker die Einführung formaler Ethikkodizes von Journalisten zurück auf das Jahr 1910 in den USA in Kansas, wo ein Verlegerverband erstmals einen professionellen Ehrenkodex verfasste (vgl. White 1986, 41). Parallel dazu
begann sich die Forschung in den USA mit der Medienethik zu befassen, welche mittlerweile zu
einem relevanten Zweig der Medienwissenschaft mit eigenen Verbänden und einer eigenen Zeitschrift, dem Journal of Mass Media Ethics, geworden ist.
Ein besonderes Interesse an Ethik und Moralität, welches das Gewicht auf professionelle Moralstandards legt und auch in den Journalismus einging, wurde durch die Hutchins Commission entfacht,
die, 1947 einberufen, sich des ethischen raison d'être des Journalismus annahm. Mit der Entscheidung, dass der Legitimationsgrund des Journalismus in seiner Verantwortlichkeit gegenüber der
menschlichen Gesellschaft läge, vertrat sie eine Position, die so alt ist wie die Schriften des John
Milton. Ein ethischer Journalist, so die Hutchins Commission, arbeite im Dienste der Menschheit
und versuche nicht nur, seine eigene Zielen zu verfolgen (vgl. Altschull 1990, 359). Damit wurde
eine Phase, in der unvoreingenommene Tatsachenberichterstattung der Inbegriff journalistischer
Moralität war, durch eine soziale und moralische Inpflichtnahme des Journalismus abgelöst (vgl.
Boventer 1983, 27).
Drei Medienwissenschaftler haben die seit dem Bericht der Hutchins Commission nicht abgeebbte
journalismusethische Diskussion in den USA vor allem geprägt:
•
Wilbur Schramm, Mitautor des einflussreichen Buches "Four Theories on the Press" (Siebert, Peterson & Schramm 1956), griff die Position der Hutchins Commission auf und vertrat die Theorie der social responsibility und plädierte für ein Konzept der Sozialverantwortung und Sozialkontrolle der Medien (vgl. Rivers, Schramm & Christians 1980).
•
John C. Merrill setzte sich mit den verbreiteten Codes of Ethics auseinander, verurteilte sie
als hochtrabende Rhetorik, die im Berufsalltag nicht standhält, und setzte auf eine individuelle und engagierte Selbstverpflichtung eines subjektiven Journalismus (u.a. 1977).
•
Clifford C. Christians dagegen kritisierte die Berufsehre und Selbstdisziplinierung der Journalisten als nicht hinreichend und wollte Formen der Selbstregulierung durch eine Systema-
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tik der Wert- und Moralphilosophie in der Journalismuswissenschaft und -ausbildung ergänzen (Christians & Covert 1980).
Im Zuge der weiteren Debatte wurde der Blick auf das gesamte Mediensystem erkenntnisleitend.
Neben Postman, der in Europa vor allem als technisch orientierter Medienkritiker rezipiert wurde
(1985), sind in jüngerer Zeit zahlreiche neuere Veröffentlichungen zu der ohnehin umfangreichen
US-Literatur zur Ethik im Journalismus erschienen, die sich zum einen danach unterscheiden lassen,
auf welche Abstraktionsebene sie den Fokus legen - geht es um die Begründung der Existenz von
Kodizes, wird eine umfassende Philosophie der Kommunikation entwickelt, oder wird diese sogar in
die politisch-ökonomische Organisation einer Gesellschaft eingebettet? -, und zum anderen nach
dem Stellenwert, den sie der Entwicklung und Begründung von Normen einräumen[1].1 Des weiteren spielt die Diskussion der individuellen Verantwortungszuschreibung eine gewichtige Rolle, die
angesichts der Komplexität der Strukturen moderner Medienunternehmen zunehmend relativiert
wird (vgl. u.a. Lowenstein & Merrill 1990). Es wird die Frage nach der ökonomischen Rationalität
ethischer Forderungen in den Medien gestellt (Fink 1988) und die Erkenntnis der Globalisierung der
Medienlandschaft in die Forderung nach "communication ethics in a global context" (Christians
1986, 3) übersetzt.
Individualethische und systemtheoretische Betrachtung
Zwar orientierte sich die (west-)deutsche Publizistik- und Kommunikationswissenschaft spätestens
seit den 60er Jahren an der amerikanisch geprägten empirischen Sozialwissenschaft, ignorierte jedoch die dargestellte Debatte und ließ wenig Raum für ethische Fragestellungen (vgl. u.a. Wilke
1987, 233). Mit Beginn der 80er Jahre jedoch wurde diese Abstinenz aufgegeben. Ein zunehmender
Ethik-Bedarf wurde konstatiert (vgl. Haller 1992, 196 ff.), und dies nicht nur für den Journalismus,
sondern auch für andere Kommunikationsberufe, z.B. innerhalb der Public Relations und der Informations- und Bibliothekswissenschaft. Seitdem ist die Debatte um Journalismusethik in Deutschland
lebendig, und sie hat fast alle maßgeblichen kommunikationswissenschaftlichen Schulen mobilisiert.
Dominant in der deutschsprachigen Literatur zur journalistischen Ethik ist denn auch der Versuch,
Systematiken bereitzustellen, in die das Nachdenken über Ethik im Journalismus einzuordnen sei.
Eine grundlegende Unterscheidung, die zwischen deontologischer und teleologischer Ethik, zwischen einem Begründungszusammenhang, der den Fokus auf das Wesen von Handlungen legt und
solchem, der nach den Konsequenzen von Handlungen fragt, zwischen wertrationalen und zweckrationalen Überlegungen, ist in neuerer Zeit in dem Begriffspaar von der Gesinnungs- und der Verantwortungsethik, wie bei Weber ausgeführt, umschrieben worden (vgl. Weber 1973). Weitere Polarisierungen gängiger Ethiktypen, die vorgenommen worden sind, orientieren sich an den Begriffspaaren absolut - relativ, objektiv - subjektiv, legalistisch - autonomistisch oder Situationsethik Prinzipienethik (vgl. Saxer 1996, 148).
Angeregt durch Spinner, der sich zum Verhältnis von Wissenschaft und Journalismus äußerte und
dabei ethische Überlegungen zum Wissenschaftsjournalismus anstellte, hat sich der Diskurs in viele
Richtungen verzweigt (Spinner 1988). Die Hauptkonfliktlinie wird zwischen dem normativontologischen Ansatz, für den vor allem die Arbeiten von Boventer und Binkowski stehen, und dem
empirisch-analytischen Ansatz, der vor allem durch Rühl und Saxer, aber auch Gottschlich ausgearbeitet wurde, verortet (vgl. Boventer 1988, 1985, 1984; Binkowski 1981; Rühl & Saxer 1981; Gottschlich 1980). Während bei Boventer "die personale Selbstverpflichtung [...] die ausschlaggebende
Kategorie" bleibt (1985, 440), zweifelten Rühl & Saxer:
[1] Ein ausführlicher Überblick zu Theorien der Medienethik in USA findet sich in Thomaß (1998).
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Angesichts der Entwicklung und des Aufbaus neuzeitlicher, primär funktional orientierter Differenzierungen der Gesellschaft und damit der Ausdifferenzierung von Journalismus und Massenmedien
1als funktional spezifische Teilsysteme der Gesamtgesellschaft, stellt sich die Frage, ob diesem sozialen Wandel noch ein ethischer Kodex entsprechen kann, der rollenspezifisch, etwa als eine besondere Ethik von Einzeljournalisten [...] entwickelt wird. (1981, 475)
Hier finden sich die eingangs erwähnten individualethisch argumentierenden und die systemtheoretisch orientierten Positionen wieder, an der sich auch die US-amerikanischen Theoretiker der medienethischen Debatte lange abgearbeitet haben. Individualethisch sind die einen insofern zu titulieren, da sie konsequent und nahezu ausschließlich auf die Moralität des Einzelnen fokussieren, ihn als
Anfangs- und Endpunkt ethischer Reflexionen sehen, da er schließlich derjenige sei, der handele und
der sein Handeln zu verantworten habe. "Im Journalismus gibt es eine personale Verantwortungszuweisung" konstatiert Boventer eindeutig (1996, 64). Folgerichtig ist somit seine Forderung: "Von
Tugenden, von Verantwortung, von Schuld und Gewissen muss gesprochen werden" (1996, 60).
Wohl erkennt er an, dass Journalismus in Strukturen, ökonomische Bedingungen und juristische
Ordnungen eingebunden ist. Das enthebe aber nicht den einzelnen Journalisten der Verantwortung.
Mehr noch: "Der Journalismus hat zwar die Systemzwecke zur Voraussetzung, aber in seiner Subjektivität überschreitet er die bloß technischen Zwecke auf ein Mehr hin, das Journalismus erst zu
Journalismus macht" (1996, 60). Somit wird der Journalist zum Adressaten von normativen Appellen, wie sie in Ethikkodizes - beispielsweise den Publizistischen Grundsätzen des Deutschen Presserates - niedergelegt sind.
Genau der Sinn- und Zweckhaftigkeit dieser appellativen Ethik widerspricht eine Argumentationsweise, die den systemischen Charakter moderner Aussagenproduktion in den Medien in den Mittelpunkt stellt: "Nicht mehr der einzelne als 'ganzer Mensch' macht Journalismus, sondern Journalismus wird durch organisatorisches Handeln produziert" (Rühl 1996, 93). Journalismus als gesellschaftliches Funktionssystem zu begreifen, heißt, davon auszugehen, dass ein Zusammenwirken
unterschiedlicher Strukturen, in denen vielfältige Werte, Normen, Rollen, Stellen, Techniken usw.
repräsentiert sind, die Selektion und Aufbereitung von medialen Aussagen bewerkstelligen. Daraus
folgt: " [...] individuelle Wertvorstellungen, Gesinnungen und Willensentscheidungen sind im Journalismus gegenüber organisatorischen Arbeits- und Berufsprämissen zurückgetreten" (Rühl 1996,
93). Insofern ist zwar sehr wohl noch von einer persönlichen Verantwortlichkeit zu sprechen, ihre
Bedeutung ist allerdings erheblich geschwunden. Stattdessen plädiert Rühl für ein Berufsethos, das
ausgehend von gesamtgesellschaftlichen Werten, für den organisatorischen Journalismus umgesetzt
wird. Leitkategorie für dieses Ethos ist die Achtung:
Achtung (deference) ist [...] eine besondere, im Kommunikationsprozess hergestellte Struktur für
normatives Erleben von Mitmenschlichkeit, und damit eine, vielleicht die zentrale Kategorie einer
[...] Kommunikationsethik. (Rühl & Saxer 1981, 487, Hervorhebung im Original)
Während dem normativ-ontologischen Ansatz der Vorwurf gemacht wird, er reduziere die komplexen Wirkungszusammenhänge des Systems Journalismus auf Appelle an einzelne Journalisten, wird
für den systemtheoretischen Ansatz konstatiert, dass er kaum praktikable Hilfestellungen für den
Journalismus erbracht habe. Den Wert dieses Ansatzes sieht Weischenberg darin, dass er "die Ethikdiskussion entstaubt und das journalistische Handeln in Medienorganisationen entmythologisiert"
habe (1992, 204). Dass die entschiedene Gegenüberstellung beider Ansätze mittlerweile durch eine
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integrierende Betrachtungsweise überholt ist, wurde eingangs angedeutet. Dies soll nun weiter ausgeführt werden.
Medienethik auf mehreren Ebenen
Die Gegenüberstellung individualethisch argumentierender und systemtheoretisch orientierter
Sichtweisen hat dazu gedient, in ihrer Polarisierung das Problem der Reichweite von Verantwortlichkeit zu akzentuieren, also die Grenzen von Akteuren und ihrem moralischen Handeln oder auch
die Grenzen der Teilsysteme in einer ethischen Betrachtungsweise zu bestimmen. Loretan überwindet diese Gegenüberstellung, wenn er sechs verschiedene Ebenen bzw. medienethische Inhaltsbereiche unterscheidet (1994, 61 f.).
Danach geht es
1. auf einer metaethischen Ebene um die Prinzipien einer Medienethik;
2. auf einer gesellschaftspolitischen Ebene werden diese Prinzipien vor dem Hintergrund ihrer
historischen und gesellschaftlichen Entstehung diskutiert;
3. auf der medienpolitischen Ebene ist nach dem Rahmen zu fragen, innerhalb dessen sich
Mediensysteme und Medienunternehmen organisieren;
4. auf der Organisationsebene steht das Handeln der einzelnen Medienunternehmen als Subjekten der Pressefreiheit im Mittelpunkt;
5. auf der berufsbezogenen Ebene sind die normativen Ansprüche an journalistisches Handeln
und ihre Umsetzung zu diskutieren; und
6. auf einer personalen Ebene geht es um die Gestaltungsmöglichkeiten, die sowohl der einzelne Journalist wie die einzelne Rezipienten bei der Teilhabe an Medienkommunikation
haben.
Systematisierungen, die beispielsweise nach einer Systemethik, Institutionen- bzw. Organisationsethik, Professionsethik und Individualethik unterscheiden, berücksichtigen diese Vielfalt der Aspekte in der medienethischen Diskussion (vgl. Pürer 1992). Geht es um reale Handlungen und seine
Folgen, so ist im Rahmen dieser verschiedenen Ebenen von einer gestuften Verantwortung zu sprechen.
Diese Ebenen gegeneinander ausspielen oder einzelne davon verabsolutieren zu wollen, würde dem
Gegenstand und dem Problemkomplex nicht gerecht, weder in praktischer noch in analytischer Hinsicht: "Nur arbeitsteilig, von allen Positionen der Medienkommunikation her, namentlich auch derjenigen des Publikums, kann gesamtgesellschaftlich verantwortbare Medienethik realisiert werden"
(Saxer 1996, 152). Die genannten Ebenen ergänzen einander, überlappen und durchdringen sich in
Teilaspekten, sind gegenseitig aufeinander angewiesen, und ihre Inhalte entwickeln sich in dieser
wechselseitigen Abhängigkeit.
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Von der Diskussion um Ethik zum Konzept der Qualität
Auffällig ist, dass sich der deutsche Diskurs zur journalistischen Ethik zunehmend hin zur Diskussion und Entwicklung von Konzepten rund um den Begriff der Qualität entwickelt hat [2].1Ob die
Gefahr gesehen wurde, dass die Diskussion um journalistische Ethik zu sehr in akademischen Kreisen verbleibe, ob der normative Anspruch, der mit dem Gebrauch des Begriffes der Ethik einhergeht,
als zu hoch oder uneinlösbar angesehen wurde oder welche weiteren Gründe für diese Bedeutungsverschiebung denkbar sind, sei dahingestellt. Die Konzeptionierung der "Medienethik als Qualitätsproblem" (Teichert 1996) bedeutet in jedem Fall eine Konkretisierung der Aufgabenstellung, der es
ihrer-seits gelingen kann, den Brückenschlag zur journalistischen Praxis herzustellen.
Die sich entfaltende Qualitätsdebatte zielt darauf, Standards und Möglichkeiten zur ihrer Wahrung
zu entwickeln und zu verankern, die eine Konkretisierung der oben dargestellten Ebenen der Medienethik darstellen. So geht Ruß-Mohl von drei Bereichen aus, in denen Qualitätssicherung zu verankern wäre: Im Vorfeld des journalistischen Produktionsprozesses ist in der Aus- und Weiterbildung anzusetzen; der journalistische Produktionsprozess ist im Hinblick auf Themenwahl, Recherche, Schreiben, Redigieren und Präsentation in qualitativer Hinsicht zu verbessern, wozu innerredaktionelle Maßnahmen sowie entsprechende Procedere innerhalb des Berufsstandes zu entwickeln
sind; zur Rückkoppelung und Korrektur schließlich dient der Dialog mit dem Publikum (1996, 104).
Diskursethik als prozessuale Ethik der Kommunikation
Allerdings ist in dieser Auseinandersetzung, die die Gegenstandsbereiche von Ethik in Journalismus
und Medien zu fassen versucht, noch nichts über den Charakter der in ihnen zur Geltung kommenden Normen ausgesagt. Deshalb soll zum Abschluss dieses Beitrags auf eine Theorie verwiesen
werden, die den Fokus auf das Procedere richtet, wie Werte - statt einklagbar zu sein — von Betroffenen entwickelt werden können, und die damit auch auf das Problem reagiert, dass in einer fragmentierten und sich enorm beschleunigt verändernden Medienwelt Werte immer aufs neue in einem
Konsensprinzip entwickelt werden müssen. Das Projekt der Diskursethik von Jürgen Habermas, die
sich explizit als eine Ethik der Kommunikation versteht, bettet sich in ein wesentlich umfangreicheres Netzwerk von Reflexionen ein, welche eine Theorie des kommunikativen Handelns begründen
sollen (vgl. u.a. Habermas 1993, 1992, 1983). Weil dieser Ansatz, der unter den gegenwärtigen
deutschsprachigen Entwürfen in der Philosophie mit die größte Aufmerksamkeit erhält, sich explizit
auf die Prinzipien der Kommunikation bezieht, ist es viel versprechend, ihn auf seine Bedeutung für
die Medienethik und auch im engeren Sinne für die Ethik im Journalismus hin zu befragen.
Habermas geht von der Idee eines verständigungsorientierten Handelns aus, in dem die Beteiligten
durch Kommunikation ein Einvernehmen über ihre Handlungspläne erlangen (vgl. 1981, 367 ff.).
Dies gelingt in dem Maße, wie die in der Kommunikation geltend gemachten Ansprüche auf Wahrheit, Richtigkeit und Wahrhaftigkeit gegenseitig anerkannt werden (vgl. 1983, 68). Während es bei
Wahrheitsansprüchen um Aussagen geht, die sich auf Sachverhalte beziehen, stehen die für die Frage nach der Begründbarkeit von Normen relevanten Richtigkeitsansprüche im Zusammenhang mit
Aussagen über die soziale Welt und die interpersonalen Beziehungen. Wahrhaftigkeitsansprüche
sind bedeutsam in Bezug auf Äußerungen über die eigene subjektive Welt.
Diese Ansprüche werden wiederum in dem Maße anerkannt, wie der Sprecher glaubhaft machen
kann, dass er sie auch einlösen wird. Er löst sie im Falle von Wahrhaftigkeitsansprüchen durch stimmiges Verhalten ein; Wahrheits- und Richtigkeitsansprüche werden durch das Beibringen von Gründen, also diskursiv, eingelöst. Habermas geht somit davon aus, dass Normen rational begründet werden müssen und auch begründbar sind.
[2]]Ausführungen und Konkretisierungen zum Qualitätsbegriff finden sich unter anderem bei Ruß-Mohl 1994, Reiter
& Ruß-Mohl 1994, Wallisch 1995, Teichert 1996, Fabris 1996, Karmasin 1996a und Saxer 1996, 160.
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Somit stellt sich die zentrale Frage, wie Normen begründet werden können. Habermas hält es für
notwendig, dass die Betroffenen in eine Argumentation eintreten, innerhalb derer sie die Möglichkeit
haben, ihre Zustimmung zu einer Norm zu geben oder gegebenenfalls zu verweigern: "Der Diskursethik zufolge darf eine Norm nur dann Geltung beanspruchen, wenn alle von ihr möglicherweise
Betroffenen als Teilnehmer eines praktischen Diskurses Einverständnis darüber erzielen (bzw. erzielen würden), dass diese Norm gilt" (vgl. 1983, 76, Hervorhebung im Original).
Diesem diskursethischen Grundsatz stellt er den Universalisierungsgrundsatz, für den der Kategorische Imperativ das Modell abgab, als Argumentationsregel zur Seite: "[...]bei gültigen Normen müssen Ergebnisse und Nebenfolgen, die sich voraussichtlich aus einer allgemeinen Befolgung für die
Befriedigung der Interessen eines jeden ergeben, von allen zwanglos akzeptiert werden können"
(1991, 12). Habermas benutzt den Begriff des Diskurses für eine Argumentation, von der die Teilnehmer idealerweise annehmen können, dass sie - bei der Berücksichtigung angemessener demokratischer Regeln - potentiell zu einem einvernehmlichen Ende führen kann.
In der Kommunikationswissenschaft hat die Diskursethik eine durchaus widersprüchliche Aufnahme
erfahren[3].1Die oben angeführten Geltungsansprüche der Wahrheit, Wahrhaftigkeit und der Richtigkeit sind für Arens hinreichend, sie als ethische Prinzipien der Wahrheitsorientierung, der Wahrhaftigkeit und der Gerechtigkeit für die massenmediale Kommunikation einzuführen (1996, 90 ff.).
Die medienethischen Implikationen dieser Prinzipien erläutert er wie folgt:
(a) "Wahrheitsorientierung heißt [...] erstens das 'Die Wahrheit Sagen', zweitens das 'Für die Wahrheitsansprüche anderer Offensein' und drittens das 'Auf gemeinsame, geteilte Wahrheit Aussein'"
(1996, 90). Medienethik hat demnach massenmediale Kommunikation auf diese Ansprüche hin
zu untersuchen und zu beurteilen.
(b) Wahrhaftigkeit bedeutet in medienethischer Perspektive,
dass in der massenmedialen Kommunikation die Person hinter der Information, deren Lebenswelt
hinter der Bilderwelt sichtbar zu werden hat, dass die Kommunikatoren ihre Einstellungen authentisch, d.h. täuschungsfrei [...] zum Ausdruck bringen. (1996, 92)
(c) Das Prinzip der Gerechtigkeit hat medienethisch eine dreifache Bedeutung: Partizipation soll
gewährleisten, dass alle das Recht und die Möglichkeit haben, an Diskursen teilzunehmen; Emanzipation soll dazu beitragen, dass auf solche Kommunikations- und gesellschaftlichen Verhältnisse hingearbeitet wird, in denen das auch gewährleistet ist; Advokation impliziert, "gegen
den Ausschluss von Themen und Personen(gruppen) aus dem öffentlichen Diskurs angehen, das
Recht auf 'Kommunikation für alle' einklagen [...]" (1996, 95).
Damit verbleibt Arens im Rahmen der Postulierung und Begründung von Prinzipien der Medienethik, ohne auf den prozessualen Charakter, der der Diskursethik innewohnt, einzugehen. Demgegenüber gibt es die Kritik, dass die Diskursethik einen "Programmabsturz" erlebt hätte, weil sie "ohne einen Blick auf verbindliche Institutionen gedacht worden" sei (Reese-Schäfer 1991, 66). Dem ist
entgegenzuhalten, dass die Suche und die Prüfung geeigneter Institutionen in einem arbeitsteilig
vorgehenden Wissenschaftsbetrieb ja durchaus von den betroffenen Fachwissenschaften noch vorgenommen werden kann. Von einem Programmabsturz kann also nicht die Rede sein, wenn es gelingt, Institutionen zu finden, in denen Diskurse geführt werden, oder die Diskurse anstoßen. Auch
bei Weischenberg trifft die Diskursethik auf Skepsis. Seine Ablehnung ist allerdings etwas vorsichtiger. Er hält sie für "weitgehend irrelevant" (Weischenberg 1992, 197), solange aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive noch keine Voraussetzungen für eine Lehre von den Diskursinstitutionen vorhanden sind.
[3]1 Zur allgemeinen Kritik an der Diskursethik vgl. Münch 1991 und Spaemann 1989.
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Eine weitergehende Nutzbarmachung der Diskursethik für die journalistische Ethik konzentriert sich
also auf die Frage, wo und wie Betroffene Diskurse zur Entwicklung von Normen führen können,
die den bei Habermas gestellten Anforderungen zumindest ansatzweise gerecht werden. Jeder journalistische Skandal zeigt, dass als Folgewirkung die Debatte um die journalistische Moral auflodert.
Journalistenorganisationen zeigten und zeigen sich - bei aller Beschränktheit auf momentane journalistische Sachzwänge und eine Politik der Interessenvertretung - gewillt und geneigt, nicht nur
Selbstverständnisdiskussionen zu führen, sondern sich dabei auch an der Entwicklung und Überprüfung von verbindlichen Normen zu orientieren (vgl. Thomaß 1998). In einem eingeschränkten Sinne
können auch Institutionen der Journalistenausbildung als solche Orte der Debatte gelten. Dies sind
noch keine Diskurse Habermas'scher Vorstellung. Aber sie zeigen, dass das Potential einer Diskursethik größer als zunächst angenommen ist, wenn die Idee der Diskursinstitutionen im Hinblick auf
die mediale Produktion weiterentwickelt wird.
Theorien zur Ethik des Journalismus oszillieren um die Frage der Begründbarkeit von Normen journalistischen Handelns und der Reichweite ihres Geltungsanspruches. Mit dem Blick auf den Prozeß
der Gewinnung von Normen, der seinerseits wiederum auf die Erfolgsaussichten ihrer Implementierung verweist, wird ein weiterer Schritt gegangen, der die Grundfrage der Ethik "Was soll ich tun?"
den Betroffenen in einer sich zunehmend fragmentierenden Medienumwelt in gewandelter Form
stellt: "Wie können wir uns darüber einig werden, was wir tun sollen?"
Übung 1: Medienethische Positionen
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4. Ethische Problembereiche im Journalismus
Journalistische Berufskodizes listen eine Fülle von "Dos & Donots" auf, die - entsprechend den Entstehungsbedingungen des jeweilige Kodex - zunächst nichts anderes wiedergeben als den Stand der
Diskussion und/oder die Kompromisse, die Journalisten und Verleger eines Landes zu ihrer Selbstverpflichtung erreicht haben. Sie sind nicht unbedingt systematisch und auch nie vollständig. Allein
ein Vergleich vieler internationaler Kodizes zeigt, wie verschiedenartig die in den Kodizes festgeschriebenen Normen sein können [1].
Wir können eine Systematisierung solcher normativen Anforderungen auf der Basis der Beziehungen, die ein Journalist oder eine Journalistin in Ausübung der Arbeit eingeht, vornehmen. Die Fokussierung der Betrachtung auf den Einzelnen und nicht auf das System Journalismus ist dabei nicht
eine Negation der Kontexte der journalistischen Produktion, sondern soll den handelnden Journalisten zum Ausgangspunkt der Betrachtung machen, weil er (also Sie!) Adressat der Bemühungen ist,
die Wirksamkeit von Medienethik nicht nur durch die Etablierung ethischer Strukturen im Mediensystem, sondern auch durch die Verankerung von ethischen Orientierungen im Individuum zu erhöhen.
Folgende Beziehungen geht ein Journalist in Ausübung seiner Arbeit ein:
•
Ein Journalist ist bei seiner Arbeit auf Quellen, also auf Informanten angewiesen.
•
Ein Journalist berichtet über Akteure und Betroffene, den Objekten seiner Berichterstattung.
•
Ein Journalist liefert Inhalte an seine Rezipienten, die deren Zutreffendheit annehmen.
•
Ein Journalist steht bei seiner Arbeit unter der Beobachtung von Vorgesetzten und Kollegen.
•
Ein Journalist prägt mit seiner Arbeit das Image mit, das in der Öffentlichkeit über die Profession vorherrscht - wobei Öffentlichkeit hier mehr darstellt als die Summe der Rezipienten
eines spezifischen journalistischen Produktes.
Jeder dieser fünf Beziehungen lässt sich (mindestens) eines von fünf Prinzipien zuordnen, deren
Einhaltung zum Funktionieren der Beziehungen beitragen oder sie optimieren.
[1] Eine nahezu vollständige Darstellung aller derzeit existierenden Kodizes finden Sie auf der Webseite
www.presscouncils.org
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Beziehungsgefüge journalistischer Arbeit und seine Prinzipien
Rühl/Saxer hatten in einem programmatischen Aufsatz, der am Beginn einer langen medienethischen Debatte stand, Anfang der 80er Jahre ein Berufsethos gefordert, das ausgehend von gesamtgesellschaftlichen Werten, für den organisatorischen Journalismus umgesetzt wird. Leitkategorie für diese Ethos sollte die Achtung sein:
"Achtung (deference) ist (...) eine besondere, im Kommunikationsprozess hergestellte Struktur für
normatives Erleben von Mitmenschlichkeit, und eine, vielleicht die zentrale Kategorie einer (...)
Kommunikationsethik" (Rühl/Saxer 1981: 487, Herv. i. Org.).
Dieser Ansatz erfuhr allerdings immer wieder Kritik, weil er letztlich zu unspezifisch verblieb und
weil die Konkretisierung dieser Leitkategorie für journalistisches Handeln ausblieb. Der Vorwurf,
der in dem hier zitierten Aufsatz an die Existenz von Ethikkodizes gerichtet wurde, dass sie zu sehr
im Appellativen verbleiben, kann also auch dieser Leitkategorie gemacht werden, wenn sie nicht im
Hinblick auf eine notwendige Praxisorientierung ausgeführt würde. Zudem bedarf es einer Konkretisierung dessen, was Achtung erfahren soll. Somit steht im Mittelpunkt des Interesses, welche Bedingungen, Anforderungen, Konfliktfelder und normativen Erwartungen sich im Rahmen dieser Beziehungen ergeben und wie sie im Hinblick auf die Leitkategorie Achtung gestaltet werden können.
Auf der Grundlage dieser Beschreibungen lässt sich eine Begründung der genannten fünf Prinzipien
erarbeiten.
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Der Journalist und seine Informanten
Informanten sind für Journalisten unerlässliche Quellen bei der Recherche komplexer Sachverhalte.
Sie sind geradezu die Begründung journalistischen Erfolgs. Abgeschnitten von seinen Quellen entbehrt der Journalist wesentlicher Arbeitsgrundlagen. Also hegt und pflegt er sie, sucht ihre Nähe und
ist bestrebt, ständig neue Quellen zu erschließen. Informanten werden um so wichtiger, je singulärer
sie sind, und sie sind um so mehr um ihre Anonymität bedacht, je brisanter die Information ist, über
die sie verfügen. Zu ihren Mitteilungen sind sie entweder aus Interesse an der Publizität eines Sachverhaltes bereit oder aufgrund geschickten Recherchierens und Vorgehen des Journalisten, das sie zu
ihren Aussagen treiben kann. Auf keinen Fall haben sie Interesse, Nachteile aufgrund ihrer Aussagen
hinzunehmen. Als Quellen versiegen sie, wenn sie dies befürchten.
Das untadelige Verhalten im Umgang mit Informanten ist Basis der Gewissheit, dass sie auch künftig zur Verfügung stehen mögen. Die Beziehungen zu ihnen sind jedoch problematisch, da immer
die Gefahr besteht, von Informanten missbraucht zu werden. Erst die Abwägung der Achtung der
Interessen des Informanten mit denen der Rezipienten (siehe unten) wird in solch einem Fall ein
angemessenes Ergebnis zu Tage fördern.
Dennoch ist die Informantenpflege für einen recherchierenden Journalisten unabdingbar. Seine Informanten zu schützen ist für einen Journalisten eine unverzichtbare Notwendigkeit, weil er nur so
das Vertrauen erhalten kann, das ihn aus der Sicht des Informanten zum Erhalt weiterer Informationen legitimiert. Der Informantenschutz ist somit eine Norm, die die Recherchefähigkeit des Journalismus stützt. Die hohe Funktionalität des Informantenschutzes für die journalistische Tätigkeit, das
genuine Interesse des Informanten selbst an seiner Wahrung, machen dieses Prinzip somit zu einem,
das strukturell wenig Konfliktpotential bietet. Achtung der Interessen des Informanten - um hier die
Leitkategorie zu bemühen - ist im Interesse des Journalisten.
Konflikte treten erst auf, wenn Ansprüche Dritter auf den Plan treten. Ein Angriff auf das Prinzip des
Informantenschutzes erfolgt immer dann, wenn Gerichte an den Informationen, die ein Journalist
erhoben hat, interessiert sind und wenn das Zeugnisverweigerungsrecht entweder nicht vorhanden
oder nicht weitgehend genug ist. Erinnert sei an Fälle - z.B. in Großbritannien –, in denen ein Journalist den Informantenschutz gegen Ansprüche staatlicher Stellen ernst nahm, und die bis vor den
Europäischen Menschengerichtshof getragen wurden. Insbesondere bei der Recherche von brisantem
Material, z.B. über gerichtsanhängige Verfahren, über Aktivitäten im Umkreis des organisierten
Verbrechens kann die Verletzung der Norm des Informantenschutzes für den Journalisten Konsequenzen haben, die mit der Gefährdung von Leib und Leben einher gehen.
Der Journalist und die Objekte seiner Berichterstattung
Problematischer ist hingegen die Beziehung, die ein Journalist zu den Objekten seiner Berichterstattung eingeht. In der Ausübung seiner Tätigkeit erhebt der Journalist Informationen über Personen,
die an der Veröffentlichung solcher Information nicht interessiert sein mögen - sei’s dass sie materielle oder ideelle Schäden aufgrund von einer Veröffentlichung befürchten oder dass sie sich in
einer Weise in den Medien repräsentiert sehen, die vom angestrebten Selbstbild abweicht [2]. Es ist
in der Regel eher funktional für den Journalismus, Persönlichkeitsrechte zu ignorieren, bzw. sogar
einzuschränken, weil so mit großer Wahrscheinlichkeit mehr Informationen zu erlangen sind. Die
Konsequenzen einer solchen Ignoranz greifen so tief in die Persönlichkeitssphäre ein, dass ihre Verteidigung unabdingbar wird, will man Betroffene schützen. Das Grundrecht auf Schutz der Privat[2] Der umgekehrte Fall, dass z.B. politische Akteure hochgradig daran interessiert sind, in den Medien zu Wort zu
kommen, berührt einen anderen Problembereich (siehe Der Journalist und seine Informanten).
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sphäre kollidiert dabei prinzipiell mit dem Grundrecht der Pressefreiheit, die Frage der Menschenwürde mit dem journalistischen Interesse, Publizität herzustellen. In ethischer Hinsicht ist hier die
Leitkategorie Achtung - im Sinne der Achtung der Erwartungen und Interessen des Anderen im Kern
angesprochen.
Welche Themen als schutzwürdig der Privatsphäre zuzurechnen sind, variiert dabei innerhalb von
Zeit, Kultur, betroffenen Personen etc. Insbesondere Fragen der persönlichen Moral, der Sexualität,
des individuellen Verhaltens - z.B. von Personen des öffentlichen Lebens - werden in den gesellschaftlichen und journalistischen Kulturen verschiedener Länder durchaus unterschiedlich eingeschätzt. Und auch innerhalb einer gegebenen Kultur stellt sich das Problem, dass sich die Grenzen
zwischen Öffentlichem und Privaten beschleunigt verschieben, so dass es nahezu unmöglich wird,
verbindliche Grenzen zu definieren [3].
Der Persönlichkeitsschutz wird aber als Gut so hoch eingestuft, dass jenseits der journalistischen
Ethik die stärker bindende Norm des Rechts zu seiner Verteidigung eingesetzt wird. Rechtliche Auseinandersetzungen um Wahrung des Persönlichkeitsschutzes werden vielfach von Eliten angestrengt,
die sich einerseits von sensationsgierigen Journalisten verfolgt sehen und die andererseits selbst oft
die Präsenz in den Medien zur Erhöhung der eigenen Publizität suchen. Als Konflikt mit individuellen und gesellschaftlichen Dimensionen erscheint die Verletzung der Privatsphäre, wenn Opfer von
Verbrechen oder Katastrophen in entwürdigender Form dargestellt werden.
Der Schutz der Privatsphäre ist also ein ethisches Gebot, das auch rechtlich abgesichert wird, das das
Interesse an und das Recht des einzelnen auf Selbstbestimmung thematisiert, das Selbstbewahrung in
räumlicher wie in sozialer Hinsicht anerkennt und diese individuellen Ansprüche gegen Ansprüche,
die sich aus dem Auftrag der Medien ergeben, verteidigt. An Journalisten ergehen in diesem Konfliktfeld die auseinander strebenden Anforderungen, diese Rechte zu wahren und den Objekten der
Berichterstattung keinen Schaden durch die Verletzung ihrer Privatsphäre zuzufügen, andererseits
jedoch Informationen, nach denen ihre Auftraggeber, der Markt, ihr professioneller Ehrgeiz etc.
verlangen, zu liefern.
Achtung gegenüber denen, über die berichtet wird, ist in diesem Feld also ein Korrektiv, das den
herrschenden Berichterstattungsmustern entgegengesetzt wird. Funktional ist Achtung der Persönlichkeitsrechte also nicht in Beziehung zu den Objekten der Berichterstattung unmittelbar, sondern
in Beziehung zu jenen, die potentiell zu Objekten der Berichterstattung werden können. Zu viele
oder zu große Missachtungen könnten tiefes Misstrauen gegenüber Journalisten kreieren, so dass
künftig Zugang zur Berichterstattung über bestimmte Ereignisse erschwert oder verhindert würde
(z.B. bei Katastrophen, Unfällen etc.)
Ein weiteres Prinzip, das im Hinblick auf die Objekte der Berichterstattung eine Konkretisierung der
Leitkategorie Achtung darstellt, ist der Anwendung angemessener Recherchemethoden zum Tragen,
das weiter unten ausführlicher diskutiert wird.
Der Journalist und seine Rezipienten
Journalismus produziert Darstellungen über aktuelle Themen. Dabei erwarten Rezipienten von Journalisten die Zutreffendheit der berichteten Ereignisse, wahrhaftige und umfassende Informationen,
das "ganze" Bild, die Richtigkeit der Fakten - dies alles unbenommen des Phänomens, dass sich
Rezipienten in ihrer Meinung bestätigt sehen wollen und deshalb um so eher Informationen aufnehmen, die in Übereinstimmungen mit ihren Erwartungen sind. Auf der (möglichst weit reichenden)
[3] Siehe die Debatte um das Fernsehformat "Big Brother".
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Erfüllung dieser Erwartungen basiert die Glaubwürdigkeit des Journalismus. Die Wahrung der
Glaubwürdigkeit rechtfertigt die Privilegien in der Ausübung des Berufes und liegt der Funktionsfähigkeit des Journalismus als Beobachtungssystem der Gesellschaft zugrunde. Glaubwürdigkeit im
Journalismus - und damit die Legitimationsgrundlage der Profession - ist ein wichtiger Imagefaktor
der Medien (Bentele 1994: 296). Rezipienten beurteilen Medien und die in ihnen dargebotenen Informationen nach Glaubwürdigkeit und erwarten damit, dass sie umfassend und richtig informiert
werden, wissend, dass dies längst nicht immer der Fall ist.
Um dieser Erwartung nach umfassender und richtiger Information zu entsprechen, sind die Normen
der Fairness und Sorgfaltspflicht aufgestellt worden, die sich auch in allen Pressekodizes an mehr
oder minder prominenter Stelle finden. Sie einzuhalten, bedeutet also, Rezipienten mit ihrer Erwartung an die Qualität von Informationen zu achten.
Diese Achtung ist funktional, weil damit auch künftig die Leistungen des Journalismus geachtet und
nachgefragt werden. Dass dieses Zusammenspiel durchaus gefährdet sein kann, zeigen Länderbeispiele, in denen sinkende Glaubwürdigkeit die Folge von gestiegener Fehlerhaftigkeit der Berichterstattung war[4]. Ob sich sinkende Glaubwürdigkeit in mangelnde Nachfrage nach bestimmten journalistischen Produkten ummünzt, wäre erst noch nachzuweisen. Sicher aber ist gesunkene Glaubwürdigkeit ein Schaden an sich und dysfunktional für die Beziehungen zwischen Journalisten und
Rezipienten. Deren Achtung hat also eine hohe Funktionalität für den Journalismus.
Der Journalist und seine Kollegen
Voraussetzung für das Funktionieren der Beziehungen zwischen den einzelnen Journalisten untereinander und zu ihren Vorgesetzten ist, dass die Produktion nicht gefährdet ist, dass Konkurrenzverhalten nicht zur Zurücksetzung anderer führt, dass also keine Übervorteilung stattfindet und der
möglichst reibungslose Betrieb in einer Redaktion gewährleistet ist. Gegenseitige Unterstützung
würde dies möglicherweise noch befördern. Des weiteren haben Peers generell ein Interesse an Professionalisierung, d.h. an der öffentlichen Wahrnehmung des Berufes als einer Profession. Dazu
gehört, dass die Professionsangehörigen eindeutige Zugehörigkeit demonstrieren, d.h. kein Grenzgängertum praktizieren, welches das Profil des Berufes aufweicht, auch wenn es durchaus im Partialinteresse liegt, Tätigkeiten im Bereich der Public Relations, der Unternehmenskommunikation etc.
zu übernehmen. Die daraus resultierenden Interessenkonflikte gefährden also grundsätzlich die Beziehungen der Journalisten untereinander als Peers.
Die Vermeidung von Interessenkonflikten - als eine Konkretisierung der Achtung von Peers - ist
auch angesprochen, wenn es um die Motivation zur Veröffentlichung exklusiver bzw. sensationeller
Bericht geht. Wird sie durch das Interesse an der Sache gespeist oder durch die mögliche Realisierung eines "Wettbewerbsvorteils" gegenüber Kollegen? Wird die Jagd nach dem Scoop als Selbstzweck ohne Betrachtung der Relevanz der Veröffentlichung exzessiv betrieben, gefährdet sie das
Verhältnis zu Kollegen, weil sie eine Aufkündigung der Kollektivität bedeutet. Sich durch die Veröffentlichung von bestimmten Informationen im Wettbewerb am journalistischen Arbeitsmarkt zu
behaupten, birgt prinzipiell Störungen im kollegialen Verhältnis. Die Vermeidung von Interessenkonflikten ist insofern eine Norm, die auf das professionelle Binnenverhältnis zielt, aber auch das
Verhältnis zu Rezipienten und zur Öffentlichkeit berührt.
Denn Interessenkonflikte liegen des Weiteren vor, wenn Journalisten Informationen, die ihnen in
Ausübung ihrer Tätigkeit zukommen, zu anderen als publizistischen Zwecken nutzen - und zwar zu
eigenen, z.B. Informationen aus der Wirtschaftswelt zu Finanzspekulationen. Auch die weit verbrei-
[4] So in Frankreich zu Beginn der 90er Jahre (vgl. Thomaß 1998)
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tete Annahme von großzügigen Pressegeschenken schafft Interessenkonflikte, weil sie eine Beeinflussung einer unabhängigen Berichterstattung bedeutet. Diese Konstellationen berühren aber vornehmlich das Verhältnis zu Rezipienten, weil diese an der Glaubwürdigkeit von Informationen zweifeln müssen, die aus zweifelhaften Interessen erhoben wurden.
Schließlich ist dadurch auch das Image, das Journalisten generell in der Öffentlichkeit haben berührt,
weil es durch die mangelnde Vermeidung solcher Interessenkonflikte beschädigt wird.
Achtung der Kollegen - spezifiziert als Vermeidung von Interessenkonflikten - hat als Prinzip insofern eine relativ schwache Wirkmächtigkeit, weil Kollegialität und die Notwendigkeit der Zusammenarbeit, im Bewusstsein der Berufsangehörigen ohnehin relativ schwach ausgeprägt sind.
Der Journalist und die Öffentlichkeit
Wenn hier die Beziehung zwischen Journalist und Öffentlichkeit betrachtet wird, so ist Klärung
notwendig. Hier sollen damit nicht die jeweiligen Rezipienten eines gegebenen journalistischen
Produktes angesprochen sein, sondern die öffentliche Meinung über den Journalismus und die Journalisten. Dies wiederum ist in den seltensten Fällen die veröffentlichte Meinung - denn wann thematisieren Journalisten ihren Beruf selbst? - sondern die in Berufsratings und anderen Meinungsumfragen erhobene.
Die Normen, die für das Verhältnis zu Rezipienten als nützlich galten, sind auch hier relevant, also
das Gebot der Fairness und Sorgfaltspflicht, sowie das der Vermeidung von Interessenkonflikten.
Denn Glaubwürdigkeit ist nicht nur eine Qualität der einzelnen journalistischen Produkte, sondern
des Berufes insgesamt. Bei der Beurteilung des Journalismus in der Öffentlichkeit werden darüber
hinaus jedoch allgemeine moralische Ansprüche an das Verhalten von Journalisten zugrunde gelegt
(Anständigkeit, Ehrlichkeit etc.), weshalb die Achtung solcher allgemein menschlichen moralischen
Kategorien hier vor allem eine Rolle spielt. Das Bild vom Journalismus in der Öffentlichkeit wird
vom Gebaren der Journalisten mit bestimmt. Dabei kann die Meßlatte aus dieser Perspektive zunächst keine andere sein, als die, welche aus einer allgemein gültigen Moral resultiert. Aufrichtigkeit
über die eigenen Absichten als Journalist, die Anwendung angemessener Recherchemethoden, die
die gebotene Distanz und Achtung im kommunikativen Umgang mit einander beachten, sind somit
die Normen, die die Reputation journalistischen Berufshandelns in der Öffentlichkeit bestimmen. Sie
sind eine Konkretisierung der Leitkategorie Achtung in Bezug auf Öffentlichkeit. Dabei ist die Beurteilung dessen, was angemessen ist, kulturell durchaus unterschiedlich. So wie die verschiedenen
nationalen journalistischen Kulturen sich beispielsweise in der Bereitschaft zu aggressiven Vorgehensweisen bei der Recherche unterscheiden, so ist auch deren Akzeptanz in der Öffentlichkeit
durchaus als divergierend anzunehmen[5].
Vielleicht mag die Interpretation des Gebotes der Angemessenheit der Recherchemethoden als Konkretisierung der Leitkategorie Achtung im Hinblick auf Öffentlichkeit zu weitgehend erscheinen als eine Dimension des Selbstverständnisses verweist sie auf die Beziehung des Journalisten zu sich
selbst, also auf die individuelle Moral und thematisiert damit die Selbstachtung.
Fazit
Ausgehend von dem Postulat von Rühl/Saxer, "Achtung" sei die zentrale Kategorie einer Kommunikationsethik, stellen die hier dargestellten Prinzipien bzw. Gebote eine Spezifizierung dieser Leitka-
[5] Dies zu erheben könnte ein interessantes Folgeprojekt zu der Erhebung journalistischen Selbstverständnisses sein
(vgl. Weischenberg 1994: 25)
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tegorie dar. Für ihre Berücksichtigung im Sinne einer Funktionalität für die Ausübung des Berufes
ist hier aus der Sicht der verschiedenen Beziehungen, die Journalisten in ihrer Arbeit eingehen, plädiert worden. Dabei sollen sie nicht als unreflektiert zu befolgende Dos bzw. Donots verstanden
werden - zu komplex sind ethische und praktische Anforderungen in konkreten Dilemmasituationen.
Als Strukturierung unübersichtlicher Problemlagen und Anregung zur ethischen Reflexion von Entscheidungen unter den konkreten Bedingungen der Berufspraxis haben sie sich jedoch als nützlich
erwiesen.
5. Analysewerkzeuge zur Bearbeitung journalistisch-ethischer
Dilemmata, mit Fallstudie
Fallstudien haben sich als Instrument bewährt, die Gültigkeit oder Relativität von moralischen Urteilen zu erkennen und auch das eigene ethische Reflexionsvermögen über ethische Dilemmata zu sensibilisieren. Deshalb sollen auch Sie im Rahmen dieser Lerneinheit einmal anhand eines vorliegenden Falles untersuchen, welche medienethischen Problemstellungen vorliegen und sich Ihr eigenes
Urteil darüber bilden. Aus den bisherigen Abschnitten dieser Lerneinheit sollte deutlich geworden
sein, dass ein absolutes "Richtig" und "Falsch" in ethischen Fragestellungen schwierig zu erzielen
ist, dass es vielmehr darauf ankommt, ob man alle relevanten Erwägensgründe in das eigene Urteil
mit einbezogen hat. Um diese mögliche Vollständigkeit der Betrachtung anzuregen, wollen wir Ihnen im weiteren zwei Analysewerkzeuge für die Bearbeitung der Fallstudie zur Verfügung stellen:
einen systematischen Fragekatalog und ein Modell zum Bedingungsgefüge journalistischer Ethik.
Bitte bereiten Sie kurze Statements zu folgenden Fragen vor, die zur Beurteilung und Diskussion der
nachfolgenden Fallstudie zum Fall von Michel Friedmann dienen sollen.
1. Was ist (aus der Perspektive der journalistischen Vorgehensweise) geschehen?
Beschreiben Sie das Wesentliche aus Ihrer Sicht.
2. Warum ist es geschehen?
Welche Hintergründe, Motive, Ursachen erscheinen plausibel?
3. Was ist problematisch am Geschehenen?
Inwiefern bewerten Sie Geschehen und Handlungen darin als negativ, kritikwürdig etc.?
4. Welche Alternativen der journalistischen Vorgehensweise gibt es zum beobachteten Vorgehen?
Können Sie sich andere Haltungen und Handlungen vorstellen?
5. Welche Vorteile haben diese Alternativen?
Inwiefern würden sie die Gesamtsituation verbessern?
Modell zum Bedingungsgefüge journalistischer Ethik
Bemühungen, Standards journalistischer Ethik zu heben, setzen meist bei den Journalisten an. Dabei
kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass der einzelne Journalist oder die einzelne Journalistin selbst bestimmt diese Standards definieren und realisieren würde. Vielmehr müssen wir journalistische Ethik auf mehreren Ebenen in Kontexte eingebunden betrachten: Das Individuum handelt im
Rahmen der Profession und ihrer Berufsvorstellungen und unter den Bedingungen des jeweiligen
Medienunternehmens. Dieses wiederum ist eingebettet in ein Mediensystem, das nach rechtlichen,
ökonomischen und politischen Vorgaben und auch nach technologischen Gegebenheiten ausgestaltet
ist. Das Mediensystem selbst erfährt seine das wiederum seine Prägungen von wesentlichen Strömungen innerhalb der Gesellschaft. Und diese werden philosophisch reflektiert.
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Entsprechend lässt sich in dem folgenden Modell Zugang zu der Frage nach der Verantwortlichkeit
finden, ebenso wie es analytische Kategorien für die Eingrenzung ethischer Fragestellungen liefert.
Es baut auf der Überlegung auf, dass sich in einem vielschichtig ausdifferenzierten Mediensystem
sechs verschiedene Ebenen bzw. medienethische Inhaltsbereiche unterscheiden lassen, innerhalb
derer Bedingungen für ethisches Handeln liegen und die gleichzeitig als Reichweiten für die Handlungen von Akteuren gelten können (vgl. auch Loretan 1994: 61 f.). Sie kennen dieses Modell bereits aus dem Abschnitt zum wissenschaftlichen Diskurs über journalistische Ethik. Folgendes ist
also lediglich eine Wiederholung für Sie.
•
Auf einer metaethischen Ebene werden die Prinzipien einer Medienethik diskutiert; Freiheit
ist solch ein Prinzip von fundamentaler Bedeutung für den Journalismus.
•
Auf einer gesellschaftspolitischen Ebene werden diese Prinzipien vor dem Hintergrund ihrer
historischen und gesellschaftlichen Entstehung konkretisiert; so sind Meinungs- und Informationsfreiheit akzeptierte Werte in pluralistischen Gesellschaften.
•
Auf der medienpolitischen Ebene wird der Rahmen gestaltet, innerhalb dessen sich Mediensysteme und Medienunternehmen organisieren; hier stellt sich beispielsweise die Frage, ob
die Informationsfreiheit das Zeugnisverweigerungsrecht beinhaltet, wie der Zugang zu Informationen geregelt ist etc.
•
Auf der Organisationsebene steht das Handeln der einzelnen Medienunternehmen als Subjekten der Pressefreiheit im Mittelpunkt; hier lassen sich die Unterschiede der Leistungen
von beispielsweise einer Boulevardzeitung oder eines öffentlich-rechtlichen Senders erklären.
•
Auf der berufsbezogenen Ebene werden die normativen Ansprüche an journalistisches Handeln und ihre Umsetzung formuliert; und
•
auf einer personalen Ebene geht es um die Gestaltungsmöglichkeiten, die sowohl der einzelne Journalist wie die einzelnen Rezipienten bei der Teilhabe an Medienkommunikation
haben.
Medienethische Fragen, die Beschreibung von Konfliktfeldern, praktische Dilemmata, Perspektiven
für mögliche Korrektive und Handlungsorientierungen können anhand dieses Modells präziser gefasst und Interdependenzen aufgezeigt werden. Und so können auch Sie anhand des vorliegenden
Falles überlegen, welche Ebenen in welcher Weise berührt sind.
Bedingungsgefüge journalistischer Ethik: ein Modell
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Noch ein Fragenkatalog
Für Menschen in der redaktionellen Praxis, die vor schwierigen Entscheidungen über das etwaige
Publizieren eines Ereignisses stehen, hat sich folgender Fragenkatalog bewährt, der sowohl den
Zeitpunkt des Entscheidens, als auch eine vorweggenommene rückwirkende Betrachtung einschließt
und auf möglicherweise noch zu recherchierende Zusammenhänge verweist. Wenn Sie auch diesen
Fragenkatalog auf die vorliegende Fallstudie (oder auch auf einen anderen Fall, der Ihnen bekannt
geworden ist) anwenden, könne Sie ja einmal den Erkenntnisgehalt, den beide Vorgehensweisen
zutage fördern, miteinander vergleichen.
1. Analyse des Dilemmas: Welches ist das Hauptproblem? Sind in dem Problem moralische
Aspekte berührt? Welche?
2. Welche Einzelpersonen oder Personengruppen sind in das Problem involviert?
3. Welche Interessen anderer Gruppen müssen auch in Rechnung gestellt werden?
4. Welche (zusätzliche) Information wird benötigt, um eine verantwortliche Entscheidung treffen zu können?
5. Welche Meinungen und Sichtweisen, welche Normen und Werte stehen im vorliegenden
Fall zur Debatte?
6. Welche Argumente könne für, welche gegen diese Meinungen vorgebracht werden? Welche
Gültigkeit haben diese Argumente?
7. Welche Alternativen zur Behandlungen des Falles sind möglich? Welches ist die beste Lösung? Welcher Schluss ist - zieht man alle Erwägungen in Betracht - der beste?
8. Wie wird derjenige, der entschieden hat, später auf die getroffene Entscheidung zurückblicken? Wird er in Zukunft in vergleichbaren Fällen genauso entscheiden?
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6. Schweizer Pressekodex und Schweizer Presserat
Im Kapitel 2 haben wir beschrieben, wie und warum sich im Rahmen und für die journalistische
Ethik Berufskodizes entwickelt haben. Allen Kodizes ins gemeinsam, dass sie grundlegende Regeln
zum Gebaren der Medien und der in ihnen Tätigen enthalten. Dem Inhalt und dem Geist nach werden siech die meisten sowohl an Arbeitgeber als auch an Journalistinnen und Journalisten, aber auch
nur von Journalistenverbänden entwickelte Kodizes, die sich ausschließlich and journalistisch Tätige
wenden, sind existent, wie auch Normenkataloge von Verlegerverbänden und von Medienunternehmen. Sie regeln den Umgang zwischen den Informierenden und den Informierten und unterscheiden
sich dabei in Ausführlichkeit und Details. Die "Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten", die in der Schweiz verabschiedet wurde, ist noch relativ jung. Und es ist eine
Besonderheit dieses Kodex, dass er, wie der Titel schon benennt, nicht nur die Pflichten der Journalistinnen und Journalisten auflistet, sondern ihnen auch Rechte zuschreibt. Die Erkenntnis aus der
lang anhaltenden wissenschaftlichen medienethischen Diskussion, dass es nicht nur Individuen zuzuschreiben ist, ob ethische Standards in den Medien gewahrt werden, sondern dass auch entsprechende Bedingungen gegeben sein müssen, findet hier einen ersten berufspolitischen Niederschlag.
Hier finden sie die "Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten" im
Wortlaut (siehe unten oder http://www.presserat.ch/code.htm)
Mit der Herausbildung von Pressekodizes ist verbunden gewesen, dass entsprechende Institutionen
zur Wahrung und Durchsetzung dieser Normen geschaffen worden sind. Auch hier sind die verschiedenen Länder durchaus unterschiedliche Wege gegangen. Es gibt Presseräte, die ausschließlich
aus Journalisten bestehen, solche, die paritätisch mit Verlegern und Journalisten besetzt sind, weitere, die Publikumsvertreter und /oder Vertreter der Öffentlichkeit mit in ihren Reihen haben. Immer
ist das Anliegen dieser Presseräte, nicht nur über die Wahrung der von ihnen ausgegebenen Normen
zu wachen, sondern auch die medienethische Diskussion in ihrem jeweiligen Land anzuregen und zu
begleiten. Mit den Verfahren, die bei Verstößen gegen den Kodex eingeleitet werden, soll den Presseräten ein Sanktionspotential zuwachsen, dass sie als moralische Instanz wirkmächtig werden lässt.
Genau hier liegt ihr Dilemma, aufgrund dessen sie in der Öffentlichkeit oft als "zahnloser Tiger" o.ä.
etikettiert werden. Einerseits wollen sie beratend auf den Berufsstand einwirken, und also von diesem als Partner anerkannt werden. Andererseits wollen sie über eine Sanktionsmacht verfügen, aufgrund derer sie Wirkung entfalten können. Letztlich ist es aber nur die moralische und professionelle
Autorität, aufgrund derer Presseräte mit ihren Stellungnahmen zu anhängigen Beschwerden korrigierend in das Verhalten von Journalisten und Medienunternehmen eingreifen können. Wer mehr erwartet, sei nochmals auf das Kapitel 2 verwiesen, in dem das Verhältnis von Recht und Ethik erläutert worden war.
Erläuterungen zu Verfahren, wie sie der Schweizer Presserat durchführt, finden sie hier (siehe untern
oder http://www.presserat.ch/12350.htm)
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Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten
Präambel
Das Recht auf Information, auf freie Meinungsäusserung und auf Kritik ist ein grundlegendes Menschenrecht.
Journalistinnen und Journalisten sichern den gesellschaftlich notwendigen Diskurs. Aus dieser Verpflichtung leiten sich ihre Pflichten und Rechte ab.
Die Verantwortlichkeit der Journalistinnen und Journalisten gegenüber der Öffentlichkeit hat den
Vorrang vor jeder anderen, insbesondere vor ihrer Verantwortlichkeit gegenüber ihren Arbeitgebern
und gegenüber staatlichen Organen.
Die Journalistinnen und Journalisten auferlegen sich freiwillig die bei der Erfüllung ihrer Informationsaufgabe einzuhaltenden Regeln; diese sind in der nachstehenden Erklärung der Pflichten der
Journalistinnen und Journalisten festgelegt.
Um die journalistischen Pflichten in Unabhängigkeit und in der erforderlichen Qualität erfüllen zu
können, braucht es entsprechende berufliche Rahmenbedingungen; diese sind Gegenstand der anschliessenden Erklärung der Rechte der Journalistinnen und Journalisten.
Erklärung der Pflichten der Journalistinnen und Journalisten
Die Journalistinnen und Journalisten lassen sich bei der Beschaffung, der Auswahl, der Redaktion,
der Interpretation und der Kommentierung von Informationen, in Bezug auf die Quellen, gegenüber
den von der Berichterstattung betroffenen Personen und der Öffentlichkeit vom Prinzip der Fairness
leiten. Sie sehen dabei folgende Pflichten als wesentlich an:
1. Sie halten sich an die Wahrheit ohne Rücksicht auf die sich daraus für sie ergebenden Folgen
und lassen sich vom Recht der Öffentlichkeit leiten, die Wahrheit zu erfahren.
2. Sie verteidigen die Freiheit der Information, die sich daraus ergebenden Rechte, die Freiheit
des Kommentars und der Kritik sowie die Unabhängigkeit und das Ansehen ihres Berufes.
3. Sie veröffentlichen nur Informationen, Dokumente, Bilder, und Töne deren Quellen ihnen bekannt sind. Sie unterschlagen keine wichtigen Elemente von Informationen und entstellen weder Tatsachen, Dokumente, Bilder und Töne noch von anderen geäusserte Meinungen. Sie bezeichnen unbestätigte Meldungen, Bild -und Tonmontagen ausdrücklich als solche.
4. Sie bedienen sich bei der Beschaffung von Informationen, Tönen, Bildern und Dokumenten
keiner unlauteren Methoden. Sie bearbeiten nicht oder lassen nicht Bilder bearbeiten zum
Zweck der irreführenden Verfälschung des Originals. Sie begehen kein Plagiat.
5. Sie berichtigen jede von ihnen veröffentlichte Meldung, deren materieller Inhalt sich ganz oder
teilweise als falsch erweist.
6. Sie wahren das Berufsgeheimnis und geben die Quellen vertraulicher Informationen nicht
preis.
7. Sie respektieren die Privatsphäre der einzelnen Personen, sofern das öffentliche Interesse nicht
das Gegenteil verlangt. Sie unterlassen anonyme und sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigungen.
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8. Sie respektieren die Menschenwürde und verzichten in ihrer Berichterstattung in Text, Bild
und Ton auf diskriminierende Anspielungen, welche die ethnische oder nationale Zugehörigkeit, die Religion, das Geschlecht, die sexuelle Orientierung, Krankheiten sowie körperliche
oder geistige Behinderung zum Gegenstand haben. Die Grenzen der Berichterstattung in Text,
Bild und Ton über Kriege, terroristische Akte, Unglücksfälle und Katastrophen liegen dort, wo
das Leid der Betroffenen und die Gefühle ihrer Angehörigen nicht respektiert werden.
9. Sie nehmen weder Vorteile noch Versprechungen an, die geeignet sind, ihre berufliche Unabhängigkeit und die Äusserung ihrer persönlichen Meinung einzuschränken.
10. Sie vermeiden in ihrer beruflichen Tätigkeit als Journalistinnen und Journalisten jede Form von
kommerzieller Werbung und akzeptieren keinerlei Bedingungen von Seiten der Inserenten.
11. Sie nehmen journalistische Weisungen nur von den hierfür als verantwortlich bezeichneten
Mitgliedern ihrer Redaktion entgegen, und akzeptieren sie nur dann, wenn diese zur Erklärung
der Pflichten der Journalistinnen und Journalisten nicht im Gegensatz stehen.
Journalistinnen und Journalisten, welche dieser Bezeichnung würdig sind, halten es für ihre Pflicht,
die Grundsätze dieser Erklärung getreulich zu befolgen. In Anerkennung der bestehenden Gesetze
jedes Landes nehmen sie in Berufsfragen nur das Urteil ihrer Berufskolleginnen und -kollegen, des
Presserates oder ähnlich legitimierter berufsethischer Organe an. Sie weisen dabei insbesondere jede
Einmischung einer staatlichen oder irgendeiner anderen Stelle zurück.
Erklärung der Rechte der Journalistinnen und Journalisten
Damit die Journalistinnen und Journalisten die von ihnen übernommenen Pflichten erfüllen können,
müssen sie zum mindesten folgende Rechte beanspruchen können:
a.
Sie haben freien Zugang zu allen Informationsquellen und die Freiheit zur unbehinderten
Ermittlung aller Tatsachen, die von öffentlichem Interesse sind; die Geheimhaltung öffentlicher oder privater Angelegenheiten kann dabei den Journalistinnen und Journalisten gegenüber nur in Ausnahmefällen und nur mit klarer Darlegung der Gründe geltend gemacht
werden.
b. Sie dürfen nicht veranlasst werden, beruflich etwas zu tun oder zu äussern, was den Berufsgrundsätzen oder ihrem Gewissen widerspricht. Aus dieser Haltung dürfen ihnen keinerlei
Nachteile erwachsen.
c.
Sie dürfen jede Weisung und jede Einmischung zurückweisen, die gegen die allgemeine
Linie ihres Publikationsorgans verstossen. Diese allgemeine Linie muss ihnen vor ihrer Anstellung schriftlich mitgeteilt werden; ihre einseitige Änderung oder Widerrufung ist unstatthaft und stellt einen Vertragsbruch dar.
d. Sie haben Anspruch auf Transparenz über die Besitzverhältnisse ihres Arbeitgebers. Sie
müssen als Mitglied einer Redaktion vor jeder wichtigen Entscheidung die Einfluss auf den
Gang des Unternehmens hat, rechtzeitig informiert und angehört werden. Die Redaktionsmitglieder sind insbesondere vor dem definitiven Entscheid über Massnahmen zu konsultieren, welche eine grundlegende Änderung in der Zusammensetzung der Redaktion oder ihrer
Organisation zur Folge haben.
e.
Sie haben Anspruch auf eine angemessene berufliche Aus- und Weiterbildung.
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f.
Sie haben Anspruch auf eine klare Regelung der Arbeitsbedingungen durch einen Kollektivvertrag. Darin ist festzuhalten, dass ihnen durch ihre Tätigkeit in den Berufsorganisationen keine persönlichen Nachteile entstehen dürfen.
g. Sie haben das Recht auf einen persönlichen Anstellungsvertrag, der ihnen ihre materielle
und moralische Sicherheit gewährleisten muss. Vor allem soll durch eine angemessene Entschädigung ihrer Arbeit, die ihrer Funktion, ihrer Verantwortung und ihrer sozialen Stellung Rechnung trägt, ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit als Journalistinnen und Journalisten sichergestellt werden.
Diese "Erklärung" wurde an der konstituierenden Sitzung des Stiftungsrats der Stiftung Schweizer
Presserat vom 21. Dezember 1999 verabschiedet.
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Geschäftsreglement des Schweizer Presserates
I. Institution, Sitz, Zusammensetzung, Sekretariat und Finanzen
Art. 1 (Aufgabe)
1. Der Schweizer Presserat steht dem Publikum und den Medienschaffenden als Beschwerdeinstanz für medienethische Fragen zur Verfügung. Mit seiner Tätigkeit soll er zur Reflexion über
grundsätzliche medienethische Probleme beitragen, und damit medienethische Diskussionen in
den Redaktionen anregen.
2. Der Schweizer Presserat nimmt auf Beschwerde hin oder von sich aus Stellung zu Fragen der
Berufsethik der Journalistinnen und Journalisten. Er verteidigt die Presse- und Meinungsäusserungsfreiheit.
3. Grundlage der Stellungnahmen des Schweizer Presserates bilden die "Erklärung der Pflichten
und Rechte der Journalistinnen und Journalisten", die dazu vom Schweizer Presserat erlassenen
Richtlinien sowie die Praxis des Schweizer Presserates. Der Schweizer Presserat kann für seine
Stellungnahmen auch ausländische und internationale medienethische Kodizes heranziehen.
4. Die Zuständigkeit des Schweizer Presserates erstreckt sich auf den redaktionellen Teil oder
damit zusammenhängender berufsethischer Fragen sämtlicher öffentlicher, periodischer
und/oder auf die Aktualität bezogenen Medien.
Art. 2 (Sitz)
Der Presserat hat seinen Sitz bei seinem Sekretariat.
Art. 3 (Zusammensetzung)
1. Der Schweizer Presserat besteht aus 21 Mitgliedern. Sechs Mitglieder des Schweizer Presserates sind Publikumsvertreter. Sie üben keine Medienberufe aus. Die übrigen Mitglieder des
Presserates sind als Berufsjournalistinnen- und journalisten tätig. Mitglieder des Stiftungsrats
der Stiftung Schweizer Presserat sind nicht wählbar.
2. Mindestens sechs Mitglieder des Schweizer Presserates müssen aus der französischsprachigen
Schweiz, mindestens zwei aus der italienischsprachigen Schweiz stammen. Nach Möglichkeit
ist auch die rätoromanische Sprachgruppe zu berücksichtigen. Der Präsident / die Präsidentin
und die beiden Vizepräsident/innen dürfen nicht alle der gleichen Sprachregion angehören.
3. Jedes Geschlecht besetzt mindestens 8 Sitze.
4. Der Schweizer Presserat tagt in drei siebenköpfigen Kammern, die vom Präsidenten/der Präsidentin und den beiden Vizepräsidenten/Vizepräsidentinnen geleitet werden. Die Zusammensetzung der Kammern wird durch das Presseratsplenum festgelegt.
5. Die Präsidentin / der Präsident, die beiden Vizepräsident/innen und die Mitglieder des Schweizer Presserates werden vom Stiftungsrat der Stiftung Schweizer Presserat auf eine Amtsdauer
von vier Jahren gewählt. Zweimalige Wiederwahl ist möglich.
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Art. 4 (Sekretariat)
1. Dem Schweizer Presserat wird ein Sekretariat beigegeben.
2. Die Stellenbesetzung erfolgt durch den Stiftungsrat der Stiftung Schweizer Presserat im Einvernehmen mit dem Presseratspräsidium.
3. Die Pflichten und Rechte des Sekretariats werden durch einen Anstellungsvertrag geregelt.
Art. 5 (Finanzen)
1. Der Schweizer Presserat verfügt über einen Kredit, der im Budget der Stiftung Schweizer Presserat aufgeführt wird.
2. Der Kredit wird durch das Presseratssekretariat verwaltet.
II. VERFAHREN
Art. 6 (Legitimation)
1. Beschwerdeberechtigt ist jedermann
2. Der Presserat kann mit Mehrheitsbeschluss Fälle von sich aus aufgreifen.
Art. 7 (Verfahrenseinleitung)
1. Ein Verfahren vor dem Schweizer Presserat wird durch Einreichung einer Beschwerde an das
Sekretariat oder durch Beschluss des Plenums des Schweizer Presserates eröffnet.
2. Die Genehmigung der Eröffnung eines Verfahrens kann das Plenum auch erteilen, nachdem
das Verfahren durch Beschluss einer Kammer bereits vorläufig eröffnet worden ist.
3. Der Beschwerdeeingang ist dem Beschwerdeführer / der Beschwerdeführerin durch das Sekretariat umgehend zu bestätigen.
Art. 8 (Begründung)
1. Beschwerden sind zu begründen.
2. Die Beschwerdebegründung muss den massgeblichen Sachverhalt enthalten und zudem angeben, welche Punkte der "Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten" aus Sicht der Beschwerdeführerin/des Beschwerdeführers durch den beanstandeten Medienbericht verletzt worden sind.
3. In der Beschwerdebegründung ist weiter anzugeben, ob im Zusammenhang mit dem Beschwerdegegenstand bereits ein Gerichtsverfahren eingeleitet worden ist oder ob ein solches
noch anhängig gemacht werden soll.
4. Mit der Beschwerdegründung ist eine Kopie des beanstandeten Medienbeitrags in Text
und/oder Ton bzw. Bild einzureichen.
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Art. 9 (Instruktion)
1. Das Sekretariat leitet die eingegangenen Beschwerden unverzüglich an die Präsidentin / den
Präsidenten und die beiden Vizepräsident/innen weiter.
2. Das Presseratspräsidium unterzieht die Beschwerden einer vorläufigen Prüfung.
3. Offensichtlich unbegründete Beschwerden und Beschwerden, die sich nicht auf berufsethi-sche
Fragestellungen beziehen, sind zurückzuweisen.
4. Ist eine Beschwerde nicht offensichtlich unbegründet, ist durch das Sekretariat eine Beschwerdeantwort einzuholen.
Art. 10 (Beschwerdeantwort)
1. Ist eine Journalistin / ein Journalist oder ein Informationsmedium von einer Beschwerde direkt
betroffen, ist die Beschwerdegegnerin / der Beschwerdegegner zur Beschwerde anzuhören.
2. Das Presseratssekretariat stellt der Beschwerdegegnerin/dem Beschwerdegegner eine Kopie
der vollständigen Beschwerdeunterlagen zu und räumt eine Frist von 30 Tagen zur Einreichung
einer Stellungnahme ein.
3. Eine Kopie der Beschwerdeantwort ist vom Sekretariat der Beschwerdeführerin / dem Beschwerdeführer zuzustellen.
4. Nach Eingang der Beschwerdeantwort entscheidet das Präsidium über weitere Instruktionsmassnahmen.
5. Erscheinen aus Sicht des Präsidiums keine weiteren Instruktionsmassnahmen notwendig, gibt
das Sekretariat den Parteien den Abschluss des Schriftenwechsels bekannt.
6. Wird die Beschwerde vom Präsidium zur Behandlung an eine Kammer überwiesen, gibt das
Sekretariat den Parteien umgehend die Zusammensetzung der Kammer bekannt.
7. Das Präsidium kann zu Beschwerden, die in ihren Grundzügen mit vom Presserat bereits früher
behandelten Fällen übereinstimmen oder sonst wie von untergeordneter Bedeutung erscheinen,
abschliessend Stellung nehmen.
8. Sämtliche vom Präsidium verabschiedete Stellungnahmen sind vor ihrer Veröffentlichung allen
Presseratsmitgliedern auf dem Korrespondenzweg zuzustellen. Verlangen mindestens 2 Mitglieder innerhalb von 10 Tagen nach Erhalt der Stellungnahme eine Behandlung einer Beschwerde durch eine Kammer, wird das Verfahren gemäss den Art. 13ff. fortgesetzt.
Art. 11 (Ablehnungsbegehren)
1. Begründete Einwände gegen die Zusammensetzung der zuständigen Kammer sind innert 10
Tagen nach Erhalt der Mitteilung des Presseratssekretariats vorzubringen.
2. Der Kammerpräsident oder, im Falle seiner Ablehnung, die beiden anderen Kammerpräsidenten, sind für den Entscheid über Ablehnungsbegehren zuständig.
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3. Einem Ablehnungsbegehren ist stattzugeben, wenn eine besondere Nähe zu einer der Parteien
oder zum Beschwerdegegenstand besteht, die die Fähigkeit zu einer unbefangenen Stellungnahme als wesentlich eingeschränkt erscheinen lassen.
Art. 12 (Ausstand)
1. Mitglieder des Schweizer Presserates haben von sich aus in den Ausstand zu treten, wenn sie
sich ausserstande sehen, zu einer Beschwerde unbefangen Stellung zu nehmen.
2. Ein Ausstandsgrund ist insbesondere gegeben, wenn das Medium betroffen ist, für das ein
Presseratsmitglied arbeitet oder in den letzten fünf Jahren gearbeitet hat.
Art. 13 (Beratung)
1. Die Kammerpräsidentin/der Kammerpräsident setzt den Termin für die Beratung der Beschwerde fest.
2. Die Beratungen in den Kammern finden in Form von Sitzungen statt. Ergänzende Beratungen
können auf schriftlichem Wege durchgeführt werden.
3. Eine Kammer ist beschlussfähig, wenn mindestens die Hälfte ihrer Mitglieder anwesend ist.
4. In Ergänzung des Schriftenwechsels kann die Kammer die Parteien einladen und Hearings mit
Experten durchführen. Sie kann ergänzende Stellungnahmen von den Parteien oder von Dritten
einholen.
5. Stellen sich mit einer Beschwerde berufsethische Fragen von grundsätzlicher Natur, kann die
Kammer von sich aus die Gesamtheit des Presserates einbeziehen.
Art. 14 (Stellungnahme)
1. Aufgrund des Ergebnisses der Beratungen wird durch ein Kammermitglied oder das Presseratssekretariat eine Stellungnahme redigiert.
2. Die Verabschiedung der Stellungnahme erfolgt mit einfacher Mehrheit der anwesenden Kammermitglieder.
3. Die Stellungnahme ist den Kammermitgliedern nach erfolgter Redaktion noch einmal auf dem
Korrespondenzweg zur definitiven Genehmigung zu unterbreiten.
4. Der Schweizer Presserat kann in seinen Stellungnahmen Feststellungen treffen und Empfehlungen erlassen. Er hat keine Sanktionsmöglichkeiten. Die Stellungnahme kann auf Nichteintreten, Gutheissung oder Abweisung der Beschwerde lauten.
5. Stellungnahmen, die keine grundsätzlichen, vom Presserat noch nicht behandelten berufsethischen Fragen berühren, werden von den Kammern abschliessend verabschiedet.
6. Sämtliche von den Kammern verabschiedete Stellungnahmen sind vor ihrer Veröffentlichung
allen Presseratsmitgliedern auf dem Korrespondenzweg zuzustellen.
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7. Stellen mindestens zwei Presseratsmitglieder fest, dass in einer Stellungnahme eine vom Presserat noch nicht behandelte berufsethischen Frage berührt wird oder von der bisherigen Praxis
des Presserates abgewichen wird, können sie innerhalb von 10 Tagen nach Erhalt der Stellungnahme verlangen, dass diese dem Plenum vorgelegt wird. Andernfalls gilt sie als vom Presserat
genehmigt.
Art. 15 (Nichteintreten)
1. Der Schweizer Presserat tritt auf Beschwerden nicht ein, wenn deren Gegenstand ausserhalb
seines Zuständigkeitsbereichs (Art. 1 Abs. 4) liegt.
2. Der Schweizer Presserat kann auf Beschwerden eintreten, auch wenn im Zusammenhang mit
dem Beschwerdegegenstand bereits ein Gerichtsverfahren eingeleitet worden ist oder ein solches von der Beschwerdeführerin/dem Beschwerdeführer noch anhängig gemacht werden soll.
3. Der Schweizer Presserat tritt auf eine Beschwerde nicht ein, wenn er aufgrund einer Interessenabwägung zum Schluss gelangt, dass
a. die manifeste Gefahr der Beeinflussung eines hängigen Gerichtsverfahrens durch das Presseratsverfahren das Interesse der Beschwerdeführerin / des Beschwerdeführers an einer Stellungnahme des Presserates eindeutig überwiegt und
b. wenn sich im Zusammenhang mit der Beschwerde keine grundlegenden berufsethischen
Fragen stellen.
4. Der Schweizer Presserat tritt nicht auf Beschwerden ein, wenn die Beschwerdeführerin / der
Beschwerdeführer den Presserat missbrauchen will, um an Beweismittel zu gelangen, an die
sie auf anderem Wege nicht gelangen könnte oder wenn die Beschwerde führende Partei dem
Presserat Beweismittel vorenthält.
5. Der Schweizer Presserat tritt auf Beschwerden nicht ein, wenn die Publikation des beanstandeten Medienberichts länger als ein Jahr zurückliegt.
Art. 16 (Plenum)
1. Der Presserat hält mindestens einmal im Jahr eine Plenarsitzung ab.
2. Für das Verfahren im Plenum gelten die Bestimmungen für das Verfahren in den Kammern
analog.
Art. 17 (Zustellung an die Parteien)
1. Nach der definitiven Verabschiedung einer Stellungnahme ist diese den Parteien vor der Veröffentlichung durch das Sekretariat zuzustellen.
2. Die Stellungnahmen sind durch das Kammerpräsidium und das Sekretariat zu unterzeichnen.
3. Die Parteien sind durch das Sekretariat aufzufordern, auf eine Veröffentlichung der Stellungnahme zu verzichten, bis diese vom Schweizer Presserat zur Veröffentlichung freigegeben
wird.
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Art. 18 (Veröffentlichung)
1. Die Stellungnahmen des Schweizer Presserates werden kontinuierlich zu Handen der Medien
und auf der Internetwebsite des Schweizer Presserates veröffentlicht. Der Schweizer Presserat
gibt zudem jährlich eine Sammlung der Stellungnahmen heraus.
2. Der Zeitpunkt der Veröffentlichung wird durch das Präsidium des Schweizer Presserates bestimmt.
3. Beschäftigt ein medienethisches Thema die Öffentlichkeit überdurchschnittlich stark, kann das
Präsidium des Schweizer Presserates per Medienmitteilung ankünden, dass sich der Schweizer
Presserat mit dieser Fragen an seiner nächsten Sitzung befassen wird bzw. dass das Präsidium
dem Plenum beantragen wird, diese Problematik aufzugreifen.
Art. 19 (Endgültigkeit der Stellungnahmen)
1. Die Stellungnahmen des Plenums des Schweizer Presserates bzw. der einzelnen Kammern sind
endgültig.
2. Vorbehalten ist die nachträgliche Berichtigung einer Stellungnahme, die auf nachweislich unrichtigen Fakten beruht.
Art. 20 (Verfahrenskosten)
1. Das Verfahren vor dem Schweizerischen Presserat ist kostenlos.
2. Es werden weder Verfahrens- noch Parteikosten gesprochen.
(Auszüge aus : http://www.presserat.ch/regulation_d.htm)
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7.
Media Accountability Systems
Jenseits der Presseräte gibt es noch eine Fülle von Möglichkeiten, was getan werden kann, um ethischen Standards in dem Medien zur Durchsetzung zu verhelfen. Der französische Journalistikprofessor Claude-Jean Bertrand hat solche vorfindbaren Maßnahmen weltweit gesammelt und sie unter
dem Label M*A*S (Media Accountability Systems) oder auch MARS (Moyens pour assurer la
responsabilité des médias) zusammengestellt. Die Bezeichnung mach deutlich, worum es ihm geht:
Medien zu verantwortlichem Handeln anzuregen und Strukturen zu schaffen, aufgrund derer man
diese Verantwortung auch einfordern kann. Dazu gehören seiner Ansicht nach Publikationen und
Texte, wie ein Pressekodex oder auch ein kritischer Brief an Herausgeber, oder Rundfunkprogramme, die sich mit Medieninhalten auseinandersetzen. Des weiteren zählt er dazu alle Einzelpersonen
oder Gruppen, die für die Verbesserung von Medienqualität tätig sind, wie Presseräte, Ombudsleute,
Medienkritiker oder auch Bürger, die in einem Herausgebergremium beratend tätig sind. Letztlich
sieht er auch Prozesse, die der Verbesserung von Ethik und Qualität von Medien als Teil der M*A*S
an, und dazu gehören Aus- und Fortbildungen, die Medienforschung oder Ethik-Audits.
Einen Überblick über alle M*A*S, die Bertrand gefunden hat, finden Sie auf der Website von presscouncils.org:
http://www.presscouncils.org/library/MAS%20(80)%20January%202003.doc (siehe auch unten)
Sicherlich ist dies ein sehr umfassender Begriff von qualitätsfördernden Maßnahmen, der auch den
Begriff der Ethik sehr erweitert versteht. Geht es jedoch um die Umsetzung ethischer Reflexion und
die Bemühungen, ethische Erkenntnis handlungsrelevant werden zu lassen, so ist dies sicher ein
lohnender Ansatz.
Überprüfen Sie doch einmal, welche dieser M*A*S Sie in der Schweiz (in Österreich, in Deutschland etc.) verwirklicht sehen.
In einem zweiten Schritt ließe sich diskutieren, welche der aufgeführten Maßnahmen für Ihr Land
denkbar wären.
M*A*S
Media Accountability Systems
Non-governmental means of inducing media and journalists to respect the ethical rules set by the
profession. They are extremely diverse but all aim at improving news media, using evaluation, monitoring, education or feedback. Here is a list of over 80, but more can, and will, be invented. The most
obvious classification of the M*A*S is into three groups according to their intrinsic nature: documents (printed or broadcast) / people (individuals or groups) / processes (long or short).
Text, Broadcast or Website
- A written code of ethics, or an "ethics handbook", listing rules which media professionals have
discussed A written code of ethics, or an "ethics handbook", listing rules which media professionals
have discussed and/or agreed upon with, preferably, input by the public. And which should be made
known to the public.
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- An internal memo reminding the staff of ethical principles (maybe the "tradition" of the paper [1])
and provides it with guidelines as to behavior in particular circumstances.
- A daily internal self-criticism report circulated in the newsroom. [2]
- A correction box, published, very visibly. Or time taken to correct an error on the air.
- A regular « Letters to the Editor » column/program, including messages critical of the newspaper/
magazine/ station.
- Other means of public access, like an on-line message board or a forum for immediate feedback.
- An accuracy-and-fairness questionnaire, mailed to persons mentioned in the news or published for
any reader to fill out.
- A public statement about media by some eminent decision-maker, abundantly quoted in the news
[3].
- A space or time slot purchased by an individual, a group or a company to publish an "open letter"
about some media issue [4].
- An occasional "Letter from the editor", expounding values and rules or explaining how media function.
- A sidebar explaining some difficult editorial decision to publish or not to publish.
- A newsletter to readers, inserted or mailed, to keep them informed of what goes on at the newspaper or station.
- A regular media column, page, section [5] in a newspaper, newsmagazine, trade review - or a program on radio or television, that does more than just mention new appointments and ownership
changes.
- A regular ethics column in a trade magazine. [6]
- Regular reports by media-oriented citizens' associations that are published by newspapers.[7]
- A web site systematically posting corrections of media errors, [8] - or the grievances of working
journalists[9],
- or abuses by advertisers. [10]
- A website offering journalists information and advice on "promoting accountability". [11]
[1] To its "Standards & Ethics" code, the Washington Post appends Eugene Meyer's (its former owner)
1933 "Principles".
[2] Like at Zero Hora, a daily of Porto Alegre in Brazil.
[3] A huge ballyhoo greeted US Vice-President Spiro Agnew's two 1969 speeches against "liberal" media.
[4] Like the one against toxic popular culture published in newspapers all over the US by 56 eminent
Americans in July 1999.
[5] Like the Media Guardian within the Monday edition of the Guardian (London).
[6] As the monthly "Ethics Corner" in Editor & Publisher since 1999.
[7] Like ......... in Korea.
[8] Like www.slipup.com in the US.
[9] Like, in the US, the News Mait site maintained by Maurice Tamman for 3 years until 1999.
[10] Like www.adbusters.org in Vancouver, run by former Madison Avenue types.
[11] Like the IFJ (International Federation of Journalists) website for African news people:
www.ifj.org/regions/africa.
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- A website devoted to debate on media issues (e.g. media and the children).
- A website teaching the public how to evaluate media. [12]
- An alternative periodical (esp. published by a minority), non-profit station or website, that publishes facts and gives viewpoints which regular media ignore, including criticism of the said media.
- A "journalism review", on paper or the air or the Web [13]
, devoted principally to media criticism, exposing what media have distorted or omitted, and whatever other sins reporters or media companies have committed .
- "Darts and Laurels", a page or website consisting of short stories in criticism or praise of some
media action, such as most journalism reviews have had. [14]
- A yearbook of journalism criticism, written by reporters and media users, edited by academics. [15]
- A weblog run by a journalist, or by an amateur, giving a serious critique of media performance.
- An article, report, book, film, TV series about media, informative about media and, to some extent
at least, critical.
- Newsletters emailed to subscribers by media-watch organizations. [16]
- The review of a consumer group (regional or national) which occasionally deals with media.
- A television network [17] or weekly newsmagazine [18] entirely made up of material borrowed
from foreign media, enabling users to evaluate their own media.
- A petition signed by hundreds or thousands to put pressure on media directly or via advertisers or
via some regulatory agency.
- [Very exceptional] A newspaper given by its publisher to a journalism school to serve as a "teaching hospital". [19]
Individuals or groups
- An in-house critic, or a «contents evaluation commission» [20]
, to scrutinize the newspaper, or monitor the station, for breaches of the code - without making their
findings public.
- An ethics committee or a « staff review group » (a rotating panel of journalists) set up to discuss
and/or decide ethical issues, preferably before they occur.
- An ethics coach operating in the newsroom, occasionally, to raise the reporters' ethical awareness,
to encourage debate and advise on specific problems.
- A media reporter assigned to keep watch on the media industry and give the public full, unpreju-
[13] Like the American JR (University of Maryland) or the On-Line JR (U. of Southern California).
[14] See also the internal bulletin circulated by the New York Times, called "Winners and Sinners".
[15] Like the one put out by the University of Tampere, in Finland, after an annual seminar on the topic.
[16] Like FAIR (Fairness and Accuracy in Reporting) or Project Censored in the US.
[17] Like SBS in Australia.
[18] Like Courrier International in France.
[19] The Anniston Star, whose assets were given in 2003 to a foundation that will join the University of
Alabama in running a "community journalism" program.
[20] Like the shinsa-shitsu set up by Japanese dailies as early as the 1920s.
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diced reports [21].
- An outside critic paid by a newspaper to write a regular column about the paper.
- A whistle-blower who dares to denounce some abuse within the media company.
- A consumer reporter who warns readers/viewers against misleading advertising - and intervenes on
their behalf. [22]
- An ombudsman, "editor in charge of reader relations", or a team of reporters, employed by a newspaper or station, to listen to suggestions and complaints from customers, investigate, obtain redress if
need be and (usually) report on his activities.
- A Complaints bureau or Customer service unit to listen to grievances and requests. [23]
- A disciplinary committee set up by a union or other professional association to obtain that its code
be respected - under pain of expulsion.
- A liaison committee set up jointly by media and a social group with which they may occasionally
clash [24].
- A citizen appointed to the editorial board; or several (often chosen among users who have complained) invited to attend the daily news meeting.
- A panel (or several specialized panels) of readers/ listeners/ viewers regularly (e.g. daily or twice a
month) consulted [25].
- A club (of readers / listeners / viewers) that uses perks to attract members and leads them into a
dialogue about the medium (most often a magazine).[26]
- A local press council, i.e. regular meetings of some professionals from the local media and representative members of the community.
- A national (or regional) press council set up by the professional associations of media owners and
of journalists, and normally including representatives of the public - to speak up for press freedom
and to field complaints from media users.
- A national ombudsman appointed by the press to deal with complaints, either in association with a
press council (Sweden) or independent (South Africa).
- "Media observatories" set up by journalists to monitor attacks on press freedom and adherence to a
code, receive complaints, debate ethical issues with publishers.
- A watchdog agency set up by a media-related industry (like advertising) to filter contents - and ask
that some not be made public, for ethical reasons [27].
- A militant association dedicated to media reform [28]
or to helping persons with grievances against media [29].
[22] Like the "Action Line" teams common in US newspapers in the 1970s.
[23] Like that of the BBC in Britain.
[24] Like the police or some ethnic minority.
[25] In Mexico, the Reforma group of newspapers uses 60 "reader boards" assigned to various fields.
[26] "Radio clubs" have been an institution in rural parts of Niger where they help broadcasters serve the
audience better and help listeners understand and use the material broadcast.
[27] Like the BVP (Bureau de vérification de la publicité) in France or the Advertising Standards Authority in Britain.
[28] Like FAIR in the US (www.fair.org) .
[29] Like PressWise in Britain (www.presswise.org.uk)
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- A foundation that funds projects or institutions aiming at the improvement of media. [30]
- A media-related institution, national [31] or international, that has a direct or indirect interest in
promoting media quality [32]
through conferences, seminars, publications etc.
- An NGO that trains personnel, and provides free services to media, in emerging democracies (Eastern Europe) and under-developed nations.
- A citizen group (like a labor union or a parents' association) which, for partisan and/or public interest reasons (e.g. the welfare of children [33]), monitors the media - or attacks a special target, like
advertising 34].
- A consumers' association, especially one of media users, using awareness sessions, monitoring,
opinion polls, evaluations, lobbying, mail campaigns, even boycotts to obtain better service. [35]
- A representative group of journalists in the newsroom, endowed with some rights, as allowed by
law in Germany or required in Portugal.
- A "société de rédacteurs", an association of all newsroom staff, that demands a voice in editorial
policy - and preferably owns shares in the company so as to make itself heard. [36]
- A "société de lecteurs", an association of readers which buys, or is given, shares in the capital of a
media company and demands to have a say. [37]
I am inclined also to place in this category three types of institutions that some experts
would leave out of the M*A*S concept. To the extent that they do not take orders from
government, to the extent that their purpose is to improve media service, it does not
seem possible to leave them out completely. They might be called associate M*A*S or
para-M*A*S:
- The regulatory agency, set up by law, provided it is truly independent, especially if it
takes complaints from media users. [38]
- The international broadcasting company, public or private, using short wave radio or
satellites, that makes it difficult for national media to hide or distort the news. [39]
- The autonomous non-commercial broadcasting company [40], whose sole purpose is to
[31] Like the AEJMC (Association of Educators in Journalism and Mass Communication) in the US.
[32] Like the International Press Institute or the World Association of Newspapers.
[33] Like ANDI in Brasilia which monitors Brazilian media, and reports on how they deal with children.
[34] Like "Résistance à l'agression publicitaire" in France.
[35] Like People For Better TV, a US broad-based national coalition.
[36] The first was set up at the French daily Le Monde (1951).
[37] As is the case at Le Monde , of which it owns about 11%.
[38] Like the Italian Ordine dei giornalisti (Order of Journalists) or the French Conseil Supérieur de
l'Audiovisuel (equivalent to the FCC in the US), two very different types of institutions.
[39] Like the BBC World Service or CNN.
[40] Like NSK in Japan or ARD in Germany
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serve the public and which constitutes implicit criticism of commercial media. That
category might be widened to include all high quality media whose primary aim is good
journalism and can serve as models.
Processes
- A higher education, a crucial M*A*S. Quality media should only hire people with a university
degree, preferably (though this is controversial) one in mass communications.
- A separate course on media ethics required for all students in journalism.
- Further education for working journalists: one-day workshops, one-week seminars, six-month or
one-year fellowships at universities. Such programs, quite common in the US [41]
, are very rare elsewhere.
- An in-house awareness program to increase the attention paid by media workers to the needs of
citizens, especially women and cultural, ethnic, sexual or other minorities;
- or to teach journalists how to respond appropriately to readers/ listeners/ viewers on the phone.
- Building a date-base of all errors (type, cause, person involved) so as to discern patterns and take
measures.
- An internal study of some issue involving the public (like a newspaper's relations with its customers).
- An ethical audit: external experts come and evaluate the ethical awareness, guidelines, conduct
within the newspaper or station.
- Giving the email addresses and/or telephone numbers of editors and of journalists (whenever a
story of theirs is published).
- The (controversial) "readback" of quotes to sources to avoid errors.[42]
- A "media at school" program to train children from an early age in the understanding and proper
use of media.
- A "media literacy" campaign to educate and mobilize the general public.
- A listening session: once a week or irregularly, editors man the phones to answer calls from readers. [43]
- The regular encounter of news people with ordinary citizens in a press club , on the occasion of
neighborhood meetings - or even on a cruise [44]!
- A regular (e.g. quarterly) opinion survey (polls, public meetings, internet forum), commissioned by
the media, to get feedback from the person-in-the-street; also a questionnaire on a newspaper or
station website.
- A nation-wide survey of public attitudes towards all or some media (e.g. towards public broadcasting).
- Non-commercial research, done mainly by academics in the universities, but also in think-tanks or
scientific observatories [45], studies of the contents of media (or the absence of them [46]), of the
[42] As the Wall Street Journal encourages its reporters to do.
[43] As is done at some Brazilian papers.
[44] The Belgian daily La Libre Belgique has organized such cruises.
[45] Like the European Institute for the Media in Düsseldorf, Germany.
[46] Like Project Censored in the US.
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perception of media messages by the public, of the impact of those messages.
- An annual seminar on journalism criticism organized by a Journalism School.[47]
- An annual conference bringing together media decision-makers, political leaders and representatives of citizens' groups of all kinds[48].
- International cooperation to promote media quality and accountability.[49]
- A prize, and other tokens of satisfaction, to reward quality media and quality journalists - or an
anti-prize [50].
Internal, external and cooperative
Another classification of M*A*S depends on who is involved: some M*A*S function exclusively
inside the newspaper or broadcast station; some exist outside of it and escape its control; others require that media and non-media people work together. Those boxes, however, are not air-tight: they
allow variants of one M*A*S to slip from one into either of the other two.
•
The internal M*A*S constitute self-regulation proper, quality control in the narrow sense.
•
External M*A*S prove that accountability can be applied to the media without their acceptance; their aim is not reparation to aggrieved individuals but benefit to the public as a whole.
•
Cooperative M*A*S are certainly the most interesting since they imply that press, professionals
and public can join together for quality control.
[48] Like the "Université de la communication" in late August, in Carcans-Maubuisson, later in Hourtin,
SW France.
[49] Like the European alliance of press councils (AIPCE) or the Ibero-American Federation of Ombudsmen.
[50] Like the "Silver Sewer Award" bestowed by Empower America, a conservative media watchdog.
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Internal M*A*S
Media page/ program
Letter from the editor, sidebar
Newsletter to customers
Correction box
Media reporter
Consumer reporter
In-house critic
Daily self-criticism report
Media weblog by journalist
Evaluation commission
Filtering agency
Internal study of issues
Readership survey
Ethical audit
Ethics coach
Internal memo
Awareness program
Code of ethics
Whistle-blower
Ethics committee
Disciplinary committee
Newsroom committee
Media observatory
Company of journalists
Reproduction of foreign material
[ Public broadcasting]
[ International broadcasting ]
[High quality service-oriented media]
External M*A*S
Alternative media
Journalism review
"Darts and laurels"
Critical book / report / film
Media-related website
Petition to pressure media
Public statement by VIP
Higher education
Required ethics course
Non-profit research
Opinion survey on media
Media literacy campaign
Media literacy website
Media-at-school program
Consumer group
Association of militant citizens
Bulletin of consumer group
Media-serving NGO
[Indep. regulatory agency]
Co-operative M*A*S
Letter to the editor
Outside media columnist
On-line message board
Ombudsman
Complaints bureau
Listening session by editors
Accuracy & fairness question.
Paid advertisement
Encounter with public
Panel of media users
Inviting in readers
Journalists' email and phone
Citizen on board
Club of readers/ viewers
Local press council
Annual conference
Seminar on media criticism
Yearbook on media crit.
National press council
National ombudsman
Liaison committee
Media-related association
International cooperation
Training NGO
Continuous education
Prize or other reward
For more information, see the two books by Claude-Jean BERTRAND ([email protected] ):
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