Citation style Scholz, Sebastian: Rezension über: Geoffrey D. Dunn (Hg.), The Bishop of Rome in Late Antiquity, Farnham: Ashgate, 2015, in: Francia-Recensio, 2016-2, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), heruntergeladen über recensio.net First published: http://www.perspectivia.net/publikationen/francia/francia... copyright This article may be downloaded and/or used within the private copying exemption. Any further use without permission of the rights owner shall be subject to legal licences (§§ 44a-63a UrhG / German Copyright Act). Francia­Recensio 2016/2 Mittelalter – Moyen Âge (500–1500) Geoffrey D. Dunn (ed.), The Bishop of Rome in Late Antiquity, Farnham, Surrey (Ashgate Publishing) 2015, XII–273 p., ISBN 978­1­4724­5551­2, GBP 70,00. rezensiert von/compte rendu rédigé par Sebastian Scholz, Zürich Der Band stellt die grundsätzliche Frage, seit wann die Bischöfe von Rom einen universalen Primatsanspruch in der spätantiken Kirche vertraten. Drei grundsätzliche Fragestellungen liegen den vom wissenschaftlichen Niveau her recht heterogenen Artikeln zugrunde: Wie agierte der Bischof von Rom in seiner eigenen Kirche, in der Beziehung zu anderen Bischöfen und zu weltlichen Autoritäten? Glen L. Thompson gibt einen knappen Überblick über die Entwicklung der christlichen Gemeinden und der Kirchenbauten im Rom des 4. Jahrhunderts. Durch die Hinwendung Kaiser Konstantins zum Christentum und seine Stiftungen sowie jene der christlichen Elite veränderte sich, so seine Meinung, das Gemeindeleben in Rom grundlegend. Im Laufe des 4. Jahrhunderts enstanden fast in allen Teilen Roms neue Kirchen. Die zuvor an Privatgebäude gebundenen Versammlungen und Messfeiern verschoben sich nun in die neu gebauten Basiliken. Damit wuchs die Kontrollmöglichkeit des römischen Bischofs über das Gemeindeleben, auch wenn es Gruppen gab, die weiterhin den Gottesdienst in Privathäusern begingen. Marianne Sághy befasst sich mit dem Inschriftenprogramm Papst Damasus’ I. In dem sehr quellennahen Aufsatz zeigt sie, dass die Inschriften, die nicht nur den Märtyrern, sondern auch Familienmitgliedern und Freunden gewidmet waren, von Damasus sehr bewusst eingesetzt wurden, um die Bedeutung der Einheit der Kirche zu betonen. Das war angesichts des Schismas zu Beginn der Amtszeit des Damasus sowie der Aktivität von »Häretikern« in Rom ein wichtiges Anliegen. Im Bild der vereinigten Märtyrer schuf Damasus ein Vorbild für die Gläubigen, die sich der Märtyrer erinnern sollten. Bei der Interpretation des Epigramms für Petrus und Paulus kann man sich allerdings fragen, ob Damasus mit den Versen »Der Osten schickte die Jünger, was wir gern bekennen […]; und Rom kam es zu, sie als seine Bürger zu beanspruchen«, auf die Translation der Apostel Andreas und Timotheus reagierte und nicht auf Vorstellungen, wie sie im Jahr 338 im Brief der östlichen Bischöfe an Papst Julius formuliert worden waren. Diese hatten Rom zwar aufgrund des Martyriums von Petrus und Paulus einen besonderen Rang zugebilligt, zugleich aber ihre eigene Bedeutung daraus abgeleitet, da es der Osten gewesen war, der Rom diese Männer gesandt hatte. Zudem bleibt die Frage offen, ob nicht auch die paganen Römer durch die Inschriften angesprochen werden sollten. Christian Hornung stellt eine sprachliche Analyse der Dekretale des Siricius an Bischof Himerius von Tarragona in den Mittelpunkt. Hornung betont den Einfluss des römischen Rechts in der Dekretale, deren Sprache die Überordnung des römischen Bischofs über seinen Korrespondenzpartner deutlich Lizenzhinweis: Dieser Beitrag unterliegt der Creative­Commons­Lizenz Namensnennung­Keine kommerzielle Nutzung­Keine Bearbeitung (CC­BY­NC­ND), darf also unter diesen Bedingungen elektronisch benutzt, übermittelt, ausgedruckt und zum Download bereitgestellt werden. Den Text der Lizenz erreichen Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by­nc­nd/4.0/ macht. Die Antwort des römischen Bischofs wurde zu einer Zusammenstellung von Kirchenrecht und entwickelte allgemeine Normen. Derselben Dekretale widmet sich auch Alberto Ferreiro. Ihm zufolge hat sie trotz des Einflusses der römisch­rechtlichen Sprache einen pastoralen Ton. Eine Auseinandersetzung mit den Lehren Priscillians kann Ferreiro im Gegensatz zu anderen Forschern in der Dekretale nicht erkennen. Er geht zudem davon aus, dass sie nur für die Bischöfe Spaniens und Galliens gedacht war, nicht für die gesamte Kirche. Trotzdem bleibt sie auch für ihn das entscheidende Zeugnis eines neuen Überordnungsanspruchs des römischen Bischofs. Geoffrey D. Dunn beschäftigt sich mit dem Brief Innozenz’ I. an jene 19 Bischöfe, die sich im Jahr 400 zur ersten Synode in Toledo versammelten, um u. a. das Problem des Priscillianismus zu lösen. Innozenz wurde mit der Entwicklung in Spanien konfrontiert, weil der spanische Bischof Hilarius gemeinsam mit dem Kleriker Elpidius nach Rom kam. Dunn hebt hervor, der Brief sei bisher von der Forschung kaum beachtet worden. Leider übersieht er die wegweisende Arbeit von Myron Wojtowytsch1, dessen Argumentation in dieselbe Richtung wie jene Dunns zielt: Hilarius kam nicht nach Rom, weil er vom römischen Primat überzeugt war, sondern um dort Unterstützung zu suchen. Dunn gelangt schließlich zu dem Schluss, Innozenz habe den spanischen Bischöfen gut umsetzbare Direktiven gegeben, ohne ihnen direkt Befehle zu erteilen. Wojtowytsch hatte bereits gezeigt, dass der Brief einen scharfen Ton gegenüber den spanischen Bischöfen vermeidet. Trotzdem, und dies ist Dunn entgangen, hat Innozenz den Brief sehr deutlich dazu genutzt, den römischen Anspruch zu formulieren. »Wie es sich gehörte« (ut oportuit), kamen die Spanier nach Rom und Innozenz’ Aufgabe war es, für die Spanier ein geeignetes Heilmittel zu suchen. Michele Renee Salzman untersucht, welcher Art die Beziehung zwischen Leo I. und Prosper von Aquitanien war. Salzman zeigt, dass die Stelle bei Gennadius von Marseille, aus der man geschlossen hat, Prosper sei Leos Sekretär gewesen und habe Briefe für ihn verfasst, sprachlich nicht eindeutig ist. Auch sonst gibt es keine belastbaren Quellen, die Prosper als Sekretär Leos oder als Angehörigen der bischöflichen Administration in Rom wahrscheinlich machen. Philippe Blaudeau zeichnet zunächst die Diskussion um die Entstehung der ersten Fassung (P1) des »Liber pontificalis« nach. Er geht mit Geertmann davon aus, dass sie 535 entstand und die Viten von Petrus bis zu Johannes II. umfasste. Anschließend zeigt er, wie in den einzelnen Viten die Geschichte verschleiert und umgedeutet wird, um die Bedeutung der Päpste zu unterstreichen. George Demacopoulos versucht, die alte Forschungsmeinung, die Gelasius als machtvollen römischen Bischof sieht, zu dekonstruieren. Er zeigt auf, dass Gelasius wenig Erfolg in Ostrom, aber erhebliche Probleme mit der römischen Gemeinde hatte. Deshalb liest er die Entfaltung der Myron Wojtowytsch, Papsttum und Konzile von den Anfängen bis zu Leo I. (440–461), Stuttgart 1981 (Päpste und Papsttum, 17), S. 187–189, 209–211. 1 Lizenzhinweis: Dieser Beitrag unterliegt der Creative­Commons­Lizenz Namensnennung­Keine kommerzielle Nutzung­Keine Bearbeitung (CC­BY­NC­ND), darf also unter diesen Bedingungen elektronisch benutzt, übermittelt, ausgedruckt und zum Download bereitgestellt werden. Den Text der Lizenz erreichen Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by­nc­nd/4.0/ petrinischen Doktrin im Brief des Gelasius an Kaiser Anastasius als Botschaft an die römische Gemeinde. Mit den dafür wichtigen Kommunikationswegen beschäftigt er sich allerdings nicht und geht auch nicht darauf ein, dass Justinian in seiner Novelle Nr. 6,1 wohl auf Gelasius Zweigewaltenlehre Bezug nimmt. Auch beanspruchte Gelasius nicht, Vicarius Christi zu sein, was bereits Michele Maccarrone2 annahm, der nicht zitiert wird, doch wird diese Annahme durch den Textzusammenhang der fraglichen Passage widerlegt3. Bronwen Neil geht von einer Herkunft Gelasius’ I. aus Nordafrika aus. Angesichts des starken Engagements des Gelasius in der Armenfürsorge, dem Umgang mit Sklaven, der Versorgung von Flüchtlingen, dem Freikauf von Kriegsgefangenen und dem Schutz vor Unrecht, das sich bei früheren Päpsten so nicht nachweisen lasse, geht Neil davon aus, dass Gelasius von Augustinus beeinflusst wurde, der mit seinen Briefen in ähnlicher Weise intervenierte. Seine Belege sind jedoch schwach. Vor allem fehlt eine Auseinandersetzung mit der Überlieferungsfrage der Papstbriefe und der Frage, wieweit der Papst nach 476 in Rom neue Aufgaben übernehmen und in neuer Weise agieren musste. Dominic Moreau sieht den Grund für die Doppelwahl von 530 in einem Streit innerhalb des römischen Klerus um die Akzeptanz der theopaschitischen Formel. Christopher Hanlon geht abschließend auf die Bedeutung Siziliens für Papst Gregor den Großen ein. 2 Michele Maccarrone, Vicarius Christi. Storia del titulo papale, Rom 1952, S. 53f. Sebastian Scholz, Das Papsttum und die theokratischen Ansprüche der Herrscher im frühen Mittelalter, in: Kai Trampedach, Andreas Pecar (Hg.), Theokratie und theokratischer Diskurs. Die Rede von der Gottesherrschaft und ihre politisch­sozialen Auswirkungen im interkulturellen Vergleich, Tübingen 2013, S. 258f. 3 Lizenzhinweis: Dieser Beitrag unterliegt der Creative­Commons­Lizenz Namensnennung­Keine kommerzielle Nutzung­Keine Bearbeitung (CC­BY­NC­ND), darf also unter diesen Bedingungen elektronisch benutzt, übermittelt, ausgedruckt und zum Download bereitgestellt werden. Den Text der Lizenz erreichen Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by­nc­nd/4.0/