Kurzbeschreibungen der Workshops: Beziehungsweise Raum (Stand: 24. August 2015) A. Subjektive Landkarten, Sibylle Fischer (Evangelische Hochschule Freiburg) Lebensweltorientierung auf die pädagogische Arbeit mit Kindern übertragen, bedeutet die Praxis an den subjektiven Bedeutungszuschreibung der Umwelt der Kinder auszurichten. Dabei werden Kinder als ExpertInnen ihrer Lebenswelt angesprochen. Das setzt voraus, dass Fachkräfte den Sozialraum durch die Brille der Kinder kennen lernen, um ihre Handlungsweisen besser zu verstehen und um sich ihren Interessen und Themen anzunähern. Auf dieser Grundlage können Kinder und pädagogische Fachkräfte gemeinsam passende Ansätze zur Erkundung der Umwelt und zur Beantwortung von Themen und Interessen im Sozialraum erarbeiten. Dies setzt voraus, dass Erwachsene die Interessen der Kinder ernst nehmen und bereit sind „Räume“ aus ihrer ursprünglichen Bedeutungszuschreibung herauszulösen. Damit sich Kinder Orte, Gegenstände, Materialien oder Werkzeuge auf ihre Weise aneignen können und sich ihre subjektive Bedeutung und Handlungsmöglichkeiten erschließen lassen, eignen sich qualitative Methoden der Sozialraumforschung, die so aufbereitet sind, dass ihre Anwendung in einfachen Praxiszusammenhängen auch mit jungen Kindern möglich ist. In diesem Workshop befassen wir uns mit der Methode der Subjektiven Landkarte auf handlungspraktische Weise und mit theoretischer Einbettung. B. Sozialraumorientierung in der Kindheitspädagogik, Michael Wünsche (Evangelische Hochschule Freiburg) Zentrale Grundgedanken der Sozialraumorientierung und der Kindheitspädagogik scheinen miteinander vereinbar: Menschen werden hier als Akteure verstanden, die ihre Gemeinschaft, damit ihre sozialen Räume, und letztlich ihre Lebenssituationen gestalten. Räume werden hier nicht als absolute Einheiten verstanden, sondern als „Gewebe sozialer Praktiken“ (Kessl & Reutlinger 2010: 21). Allerdings liegt keine explizite wie gleichermaßen konsequente Einbindung von Kindern – insbesondere von denen unter sechs Jahren – in die aktuellen Fachdiskurse um die Sozialraumorientierung vor. Für die kindheitspädagogische Praxis werden daher Fragen aufgeworfen: Wie konstituieren und gestalten Kinder sozialen Raum – und dies nicht nur innerhalb der Kita, sondern im Rahmen ihrer Lebenslage? In wie weit haben Kinder an dem Weben sozialer Praktiken teil? Wie können und wie werden Kinder im Raum sichtbar und als das Soziale Mitgestaltende erkennbar? Weiterhin werden in der Kindheitspädagogik Lernpotentiale des Alltags postuliert. Doch sind der Alltag und dessen Erleben abhängig von gesellschaftlichen Verhältnissen. Somit ergeben sich weitere Fragen für die im Feld der Kindheitspädagogik tätigen Professionellen: Wie können die pädagogischen Fachkräfte als Anwältinnen und Anwälte von Lebensmöglichkeiten und -perspektiven die Mandatur für und mit den Kindern wahrnehmen? Wie wird die Mission der Einmischung in ausgrenzende Praktiken für und mit den Kindern gestaltet? Im Workshop wird diesen und weiteren, aus der Runde der Teilnehmenden gestellten Fragen nachgegangen. Im Vordergrund stehen dialogisch gewonnene Entwürfe erster Antworten. C. Die Erhebung sozialräumlicher Bezüge durch den Sozialraumgenerator, Katja Veil (Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales Nordrhein-Westfalen) In der Sozialen Arbeit und anderen sozialen Dienstleistungen ist das Erreichen der Zielgruppe ein häufig genanntes Problem. So mangelt es in vielen Stadtteilen, jedenfalls aus Sicht der professionellen Akteure, nicht an Angeboten. Diese werden jedoch nicht von allen Bewohnerinnen und Bewohner gleichermaßen in Anspruch genommen. Angebote zur Partizipation und zur Beteiligung der Bewohnerschaft werden von Personen mit geringem Bildungsstand und/oder Einkommen meist seltener in Anspruch genommen, als von der restlichen Bevölkerung. Dies gilt auch für den Zugang zu Informationen über Hilfsangebote; so ist der Informationsstand bei älteren Menschen über Hilfsangebote in Köln von soziodemographischen Merkmalen abhängig. Um den Zugang zu bestehenden Angeboten zu verbessern und vor allem bisher nicht erreichte Personen einzubinden, müssen neue Beziehungen zwischen den Angeboten im Sozialraum und den jeweiligen Zielgruppen geschaffen werden. Um diese generieren können müssen in einem ersten Schritt die Potenziale der bestehenden sozialen Beziehungen der Bewohnerschaft erfasst werden. Der Sozialraumgenerator wurde im Projekt SILQUA ÖFFNA zur Identifikation von zentralen Kommunikationsgelegenheiten älterer Menschen entwickelt, die potenziell als Träger der Informationsinfrastruktur genutzt werden können. Indem häufig frequentierte Gelegenheiten zum Gespräch im Stadtteil erfragt werden, wird sowohl ein individuelles als auch sozialräumliches Bild der wichtigsten Kontaktpunkte im Sozialraum gewonnen. D. Das Rieselfeld – Entstehung eines Sozialraumes und die Rolle der Quartiersarbeit, Clemens Back (K.I.O.S.K. auf dem Rieselfeld e.V.) In der Sozialen Arbeit ist seit einigen Jahren eine zunehmende Raumorientierung in unterschiedlichen Zusammenhängen und Perspektiven zu beobachten. Sozialraum soll verstanden werden als sozial und räumlich strukturierter Ort, an dem sich Menschen aufhalten, begegnen, interagieren (vgl. Fachdisput über den Raumbegriff). Der Sozialraum ist ein Ort, an dem innerhalb bestimmter sozialstruktureller Verhältnisse alltägliches Leben konkret, überschaubar und identitätsbildend stattfindet. Der Begriff überschneidet sich in großen Teilbereichen mit dem Begriff „Lebenswelt“ und beschreibt den eigensinnigen Möglichkeitsraum von Individuen und Gruppen mit vielfältigen Handlungsalternativen, die durch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen – mehr oder weniger – eingeschränkt sind. Das menschliche Dasein ist in Raumstrukturen eingebunden. Menschen sind im alltäglichen Handeln, mit Planen, mit der Ausübung von Kunst, in der Wissenschaft u.v.m. an der Konstruktion von Räumen beteiligt. Diese Raumkonstruktion in einem neuen Stadtteil ist besonders aufschlussreich für den Beobachter, da hier die Räume neu geschaffen werden. Eine zentrale Frage ist, wo sich die Aneignungen des Stadtteils unter welchen Bedingungen abspielen? Die Identität, die man gewinnt, indem man in einem bestimmten Raum lebt, ist in erster Linie praktisch bestimmt. Nur wenn der Ort des alltäglichen Lebens ein Überleben ermöglicht, wenn Wohnen und Arbeit und die Beteiligungsmöglichkeiten vorhanden sind, ist die notwendige, allerdings nicht immer hinreichende Bedingung für die Bedeutung eines Raumes für die Herausbildung des eigenen Ichs gegeben, das wiederum erst die Herausbildung einer Stadtteilgesellschaft ermöglicht. Dies soll in dem Workshop an Hand der praktischen Erfahrungen aus den letzten Jahren dargestellt werden. E. „Leben und arbeiten, wo ich hingehöre“: Menschen mit Behinderungen im Landkreis Karlsruhe, Jutta Stallbommer (Landratsamt Karlsruhe) und Christine Bruker (FIVE Forschungs- und Innovationsverbund an der Evangelischen Hochschule Freiburg) Arbeit ist ambivalent und spannungsgeladen. Sie ist Lust und Last zugleich. Arbeit bedeutet ein sicheres Einkommen, für andere Menschen bedeutsam zu sein; sie verspricht Anerkennung und kann Selbstvertrauen stiften. Für Menschen mit Behinderungen war die Werkstatt für behinderte Menschen lange Zeit quasi Synonym für die Teilhabe am Arbeitsleben. Übergänge auf den allgemeinen Arbeitsmarkt gab es kaum. Nicht zuletzt seit der Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen und der Leitidee Inklusion bewegen sich die Ziele und Maßstäbe hin zu Teilhabechancen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Der Landkreis Karlsruhe hat sich mit Partnern der Behindertenhilfe vor Ort auf den Weg gemacht und verschränkt das Anliegen der beruflichen Teilhabe mit sozialraumorientierten Ansätzen – jenseits institutioneller Modelle. Wohnortnahe Arbeitsplätze – beispielsweise im Bauhof, Versicherungsbüro, in Handwerksbetrieben oder im Pflegeheim – werden unter Beteiligung von insbesondere klein- und mittelständischen Betrieben, Kommunen und engagierten Bürgerinnen und Bürgern erschlossen und leistungsrechtlich flexibel flankiert. Wie sehen die „neuen Wege“ konkret aus? Welche Ansätze könnten andernorts aufgegriffen und übernommen werden? Welche Wirkungen lassen die Ansätze bei den Menschen mit Behinderungen und im Sozialraum sichtbar werden? Wo liegen Perspektiven und Potenziale? Diese und weitere Themen sollen im Workshop vorgestellt und diskutiert werden. F. Über den Kirchturm hinaus schauen – Gemeinwesendiakonie als sozialraumorientierte Strategie, Günter Rausch (Evangelische Hochschule Freiburg) Gerade im „kirchlichen Raum“ sind wir es selbstverständlich gewohnt, uns an Orten, Plätzen und Strukturen zu orientieren. Traditionell setzen Kirchen vor Ort Markierungspunkte. Wir finden dies in Redewendungen wie „Die Kirche im Dorf lassen“ oder „über die Kirchturmspitze hinausschauen“ wieder. In Zeiten, in denen gewohnte Sicherheiten wegbrechen und allenthalben neue Orientierungen gesucht werden, gibt es mit dem „Fachkonzept Sozialraumorientierung“ für die Soziale Arbeit und der „Handlungsoption Gemeinwesendiakonie“ für den kirchlichen Kontext gleich zwei neue Arbeitsmodelle, die in dieser Arbeitsgruppe vorgestellt und miteinander in Beziehung gesetzt werden. Letztlich geht es um ein neues Paradigma für das Gebot der Nächstenliebe in Kirche und Diakonie. Viele der bisherigen Strategien tragen nicht mehr. Kirche, Diakonie und Sozialarbeit sind herausgefordert, neue Wege zu gehen. In diesem Forum werden Theorien, Arbeitsgrundlagen, Methoden und Techniken dieses innovativen Arbeitsansatzes zur Diskussion gestellt. Der kirchliche Kernauftrag, nämlich die "Option für die Armen", erhält mit einer Verbindung auf sozialraumorientierte Netzwerkarbeit vor Ort eine erfolgversprechende Orientierung. G. „MoBILE“ – Sozialraumorientierung zwischen individuellen Bedürfnissen und gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen im europäischen Kontext, Uta Reuter (Diakonie Baden) und Lesley Curtis (Everton Nursery School and Family Centre, Liverpool) Kitas sind als Bildungs-, Begegnungsorte für Familien bereits durch bestehende Aufgabengebiete stark im Quartier vernetzt und verankert. Sie rücken schon deshalb seit Jahren immer mehr in das Zentrum öffentlichen Interesses. Auch im Zusammenhang mit den derzeitigen Flüchtlingsströmen sind sie Hoffnungsträger. Im Projekt „Mobile Europe“, konnten Fachkräfte in den Partnerländern England und Schweiz hospitieren und sich vor Ort mit relevanten sozialpädagogischen und sozialraumorientierten Konzepten auseinander setzen. Das Kita-Projekt „MoBILE“ beschäftigte sich mit den Chancen einer Öffnung zum Sozialraum, mit Herausforderungen zwischen Bedürfnissen und Bedarfen, nötigen Rahmenbedingungen sowie den Wirkfaktoren des Gelingens. Dr. Lesley Curtis stellt die Grundidee des gesetzlich vorgegebenen Sure Start Programms und die Besonderheiten ihres Familienzentrums vor. Im zweiten Teil folgt ein Bericht über die Öffnung einer Kita aus dem Projekt „MoBILE“ für die Zusammenarbeit mit Flüchtlingen. Wir erläutern dann die u. M. nach notwendigen Rahmenbedingungen und Wirkfaktoren für Kitas, die Familienzentren werden wollen. Gelegenheit zu Nachfragen und Diskursen ist uns wichtig. Dr. Lesley Curtis leitet das Everton Nursery School and Family Centre in Liverpool und wurde im Jahr 2015 von der mit dem britischen Verdienstorden OBE ausgezeichnet. Ihre Einrichtung erhielt zahlreiche Auszeichnungen. Uta Reuter arbeitet beim Diakonischen Werk Baden, Stabsstelle „Kitas werden Familienzentren“. Sie leitete u.a. die Projekte „MoBILE“ und „MoBILE Europe“. H. Hören – Reden – Handeln: Elternbildung am Wohnzimmertisch, Thomas Lutz und Monika Kolb (Diakonie Pforzheim) „Hören - Reden – Handeln“ bringt Erziehende zusammen, um sie für den Erziehungsalltag zu stärken. Das Projekt ist Teil der aufsuchenden Arbeit eines Familienzentrums, dessen Angebote sich auf den Sozialraum beziehen. Im für die Arbeit des Familienzentrums relevanten Sozialraum gibt es viele Eltern, die vom bisherigen Angebot nicht erreicht werden. Die aufsuchende Elternarbeit bietet die Möglichkeit, Eltern zu erreichen und ihnen Hilfestellung in praktisch-alltäglichen Dingen zu geben. „Hören – Reden – Handeln“ hat das Ziel, Eltern in privatem Rahmen zusammenzubringen und so den Austausch über Fragen von Bildung, Erziehung, Gesundheit und Rollenverständnis anzustoßen und zu fördern. Gleichzeitig werden Eltern in der Alltagsbewältigung mit ihren Kindern positiv gestärkt, es werden neue soziale Netze geknüpft und Familien erreicht, die Angebote wie Kurse, Vorträge oder ähnliches nicht in Anspruch nehmen. Den Zugang zu den Eltern erreichen wir mit ehrenamtlichen Moderatorinnen aus dem Sozialraum, die von uns ausgewählt und für ihre Aufgabe eigens fachlich geschult wurden. Die Moderatorinnen suchen sich Eltern, die bereit sind in ihrer Wohnung ein Treffen mit 4-6 Gästen zu vereinbaren, um über ein vorher vereinbartes Thema über Erziehung, Bildung und Gesundheit usw. zu sprechen. Die Moderatorin leitet das Thema ein und führt durch die Gesprächsrunde. Die Moderatorin wählt gemeinsam mit der Gastgeberin die Eltern aus, die sich in ähnlichen Familiensituationen befinden (Eltern mit Kleinkindern, Eltern mit Kindern in der Pubertät). Wie gelingt es Eltern mit einem Bildungsangebot zu erreichen, die bislang keine Angebote wahrgenommen haben, welche Strukturen sind dabei notwendig und wie profitieren die teilnehmenden Eltern aus ihrer Sicht vom Angebot? Diesen Fragen spüren wir im Workshop nach. I. Erfolgsmodell sozialräumliche Hilfen zur Erziehung – Grundlagen, Wirkfaktoren und Erfahrungen, Harald Kuhrt und Bianka Horinek (Ev. Gesellschaft Stuttgart e.V.) Der öffentliche Träger in Stuttgart hat in einer Projektphase von 1998 bis 2005 seine Erziehungshilfen umgebaut bzw. regionalisiert. Stuttgart wurde dabei in zehn Bereiche (Sozialräume) unterteilt. In jedem dieser Bereiche ist ein Beratungszentrum des Jugendamtes zuständig für die Arbeit des Allgemeinen Sozialdienstes. Jedem dieser Bereiche wurde ein Erziehungshilfeträger zugeordnet, die fachlich und konzeptionell in den Umbau involviert waren. Die Evangelische Gesellschaft Stuttgart ist in insgesamt 3 Bereichen ein zugeordneter Träger der sozialräumlichen Erziehungshilfen. Der Umbau der Hilfen zur Erziehung basiert auf folgenden Säulen: Veränderte Hilfeplanung (in Stadtteilteams, Kontraktgespräch, Entwicklung von sogenannten „Maßanzügen“), Fallunspezifische Arbeit, Bereichsverantwortung, Gemeinsame Trainings Jugendamt und Träger und hatte gemeinsame Qualitätsziele, die in einer Rahmenvereinbarung mit allen beteiligten Trägern und dem Jugendamt festgehalten sind. Innerhalb dieses Workshops berichten Ihnen Praktiker und Leitungskräfte von ihren Erfahrungen aus über 10 Jahren sozialräumlicher Erziehungshilfen in Stuttgart. Neben den Grundlagen sozialräumlicher Arbeit erfahren Sie auch etwas über Wirkfaktoren im Sozialen Raum. J. Sozialraum Internet in der Jugendhilfe, Tilmann Pritzens (Gangway Berlin) In diesem Workshop geht es - ganz praktisch - um die sinnvolle Ergänzung von klassischer (Straßen-) Sozialarbeit mit webwork (der ergänzenden Arbeit im Netz). Schwerpunkt wird die sinnvolle Verschmelzung von realer und virtueller Lebenswelt im Arbeitskontext Sozialarbeit/ Streetwork sein. Unter folgendem Link können Fragen und Themen bereits vorab mitbestimmt werden, um quasi an der inhaltlichen Vorbereitung des Workshop mitzuwirken: https://tilidinmann.etherpad.mozilla.org/5 Mögliche Themen sind: Bedeutung der Präsenz von Fachkräften im Netz, Plattformen der jeweiligen Zielgruppe, Einrichtung eines Arbeits-Accounts, Bedeutung von "OnlineVerfügbarkeit", Arten des Auftritts bei Facebook & Co, Beratung (ergänzend) im Netz, Daten(un)sicherheit, webwork mobil (Smartphone), Projektarbeit im Netz, alternative OnlineTools für die Zusammenarbeit mit Adressaten.