Univ.-Prof. Dr. Stefan D. Josten Grundzüge der Finanzwissenschaft B.2.1 Funktionsweise eines vollkommenen Wettbewerbsmarkts Preis Angebot Konsumentenrente PMarkt MarktGG Produzentenrente Nachfrage Menge QMarkt ► Nachfragekurve: spiegelt den Wert des Gutes für die Konsumenten wider, wie er in der Zahlungsbereitschaft bestimmter Preise zum Ausdruck kommt ► Angebotskurve: zeigt bei jeder beliebigen Menge die Kosten des Grenzanbieters (Grenzkosten) bei der Produktion des Gutes ► Der Preis des Gutes pendelt sich so ein, dass Angebot und Nachfrage übereinstimmen ► Der Bereich unterhalb der Nachfragekurve und oberhalb des Preises misst die Konsumentenrente eines Marktes ► Der Bereich unterhalb eines Preises und oberhalb der Angebotskurve misst die Produzentenrente eines Marktes Univ.-Prof. Dr. Stefan D. Josten Grundzüge der Finanzwissenschaft B.2.2 Wettbewerbliche Selbststeuerung vollkommener Märkte: partialanalytische Effizienz Die Kräfte von Angebot und Nachfrage führen auf einem vollkommenen Wettbewerbsmarkt zu einer effizienten Allokation von Ressourcen: 1. Vollkommene Wettbewerbsmärkte teilen das Güterangebot denjenigen Käufern zu, die es – gemessen an ihrer Zahlungsbereitschaft – am höchsten schätzen und bewerten. 2. Vollkommene Wettbewerbsmärkte teilen die Güternachfrage denjenigen Anbietern zu, die zur Produktion mit den niedrigsten Kosten in der Lage sind. 3. Vollkommene Wettbewerbsmärkte führen zur Produktion genau derjenigen Gütermenge, die die Gesamtrente der Konsumenten und Produzenten maximiert. Univ.-Prof. Dr. Stefan D. Josten Grundzüge der Finanzwissenschaft B.2.3 Marktversagen als Rechtfertigung für wirtschaftspolitische Eingriffe des Staates Allokation Marktversagen führt zu ineffizienter Allokation knapper Ressourcen ► Staat betreibt Allokationspolitik Makroökonomische Stabilität Distribution Markt ist gesamtwirtschaftlich instabil, starke konjunkturelle Schwankungen Markt ist effizient, Verteilung aber ungerecht ► Staat betreibt Stabilisierungspolitik ► Staat betreibt Umverteilung Univ.-Prof. Dr. Stefan D. Josten Grundzüge der Finanzwissenschaft B.2.4 Allokatives Marktversagen Wohlfahrtsökonomisches Referenzmodell ► vollkommene Konkurrenz ► unbegrenzte Teilbarkeit aller Güter und Faktoren ► perfekte Eigentumsordnung ► ausschließlich rivale Wirtschaftsgüter ► vollständige Markttransparenz und Information Allokativer Marktversagensgrund unvollkommener Wettbewerb Unteilbarkeiten und natürliche Monopole externe Effekte öffentliche Güter asymmetrische Informationsverteilung Hauptsätze der Wohlfahrtsökonomik: 1. Jedes Marktgleichgewicht ist ein Pareto-Optimum 2. Jedes Pareto-Optimum kann als Marktgleichgewicht erreicht werden Rechtfertigung für wirtschaftspolitische Eingriffes des Staates Univ.-Prof. Dr. Stefan D. Josten Grundzüge der Finanzwissenschaft B.2.5 Unvollkommener Wettbewerb Monopol ► nicht bestreitbarer Markt, z.B. aufgrund von Marktzutrittsbarrieren (Patente, Regulierungen) ► Marktergebnis: geringere Menge, höherer Preis und mehr Gewinn als bei vollständiger Konkurrenz = allokativ ineffizient (Wohlfahrtsverlust, „deadweight loss“) ► Spezialfall: natürliches Monopol (Unteilbarkeiten, sinkende Durchschnittskosten, Größenvorteile); relevant v.a. in netzbasierten Branchen (Bahnverkehr, Strom,- Gas- und Wasserversorgung, Post, etc.) Oligopol ► strategische Interdependenz ► besondere Gefahr: vertragliche Kartellbildung bzw. abgestimmtes Verhalten („Frühstückskartell“) ⇒ wie Monopol monopolistischer Wettbewerb ► Unterschied zu vollkommener Konkurrenz: Produktdifferenzierung ⇒ Markt unvollkommen ► kurzfristig: jeder Anbieter besitzt gewissen Spielraum, seine Preise zu erhöhen oder zu senken ⇒ (hohe) Gewinne möglich ► solange positive Gewinn im Markt: neue Anbieter treten hinzu ⇒ langfristig: Gewinne Null Univ.-Prof. Dr. Stefan D. Josten Grundzüge der Finanzwissenschaft B.2.6 Negative externe Effekte Preis vw. Kosten Angebot (private Kosten) MarktGG mit St PMarkt MarktGG Pigou-St Nachfrage Menge Qoptimal QMarkt ► Externe Effekte: Auswirkung ökonomischen Handelns auf die Wohlfahrt eines am Marktgeschehen unbeteiligten Dritten ► bei negativen externen Effekte in der Produktion eines Gutes ist die am Markt realisierte Gleichgewichtsmenge zu hoch ► Der Staat könnte durch Erhebung einer Pigou-Steuer in Höhe der externen Kosten der Produktion die externen Effekte internalisieren und so eine effiziente Allokation der Ressourcen herbeiführen Univ.-Prof. Dr. Stefan D. Josten Grundzüge der Finanzwissenschaft B.2.7 Positive externe Effekte Preis Angebot (private Kosten) vw. Kosten MarktGG PMarkt MarktGG mit Subv Subv Nachfrage Menge QMarkt Qoptimal ► bei positiven externen Effekte in der Produktion eines Gutes ist die am Markt realisierte Gleichgewichtsmenge zu gering ► Der Staat könnte durch Zahlung einer Subvention in Höhe der externen Erträge der Produktion die externen Effekte internalisieren und so eine effiziente Allokation der Ressourcen herbeiführen Univ.-Prof. Dr. Stefan D. Josten Grundzüge der Finanzwissenschaft B.2.8 Öffentliche Güter: Definitionen ► Ein Gut ist nichtrival in der Nutzung, wenn seine Nutzung durch einen Nutzer die Nutzungsmöglichkeiten aller anderen (potentiellen) Nutzer nicht beeinträchtigt ► Güter, die nichtrival in der Nutzung sind, nennt man auch öffentliche Güter ► Nichtausschließbarkeit liegt bei denjenigen Gütern vor, von deren Nutzung einzelne Wirtschaftssubjekte nicht wirksam ausgeschlossen werden können ► Güter, die nichtrival in der Nutzung sind und von deren Nutzung niemand wirksam ausgeschlossen werden kann, nennt man reine öffentliche Güter Univ.-Prof. Dr. Stefan D. Josten Grundzüge der Finanzwissenschaft B.2.9 Öffentliche Güter: Taxonomie von Gütern Merkmale Ausschließbarkeit Nichtausschließbarkeit Rivalität in der Nutzung Nichtrivalität in der Nutzung private Güter Clubgüter (Mautgüter) Brot Kleidung Autobahnen (ausgelastet und mit Benutzerentgelt) Bezahlfernsehen Straßentunnel Autobahnen (nicht ausgelastet und mit Benutzerentgelt) Allmendegüter reine öffentliche Güter Hochseefischgründe Fußgängerzone Autobahnen (ausgelastet, ohne Benutzerentgelt) Landesverteidigung Rechtsordnung Autobahnen (nicht ausgelastet, ohne Benutzerentgelt) Univ.-Prof. Dr. Stefan D. Josten Grundzüge der Finanzwissenschaft B.2.10 Öffentliche Güter: partialanalytische Effizienz €/ME MZ1 + MZ2 GK MZ2 MZ1 Menge Qoptimal ► Die Bereitstellung eines öffentlichen Gutes sollte so lange ausgedehnt werden, bis die Kosten einer weiteren Einheit (GK) der von allen Nachfragern zusammen beigemessenen marginalen Zahlungsbereitschaft für diese weitere Einheit (MZ1 + MZ2) gleich ist ⇒ allokativ effiziente Bereitstellungsmenge: Qoptimal Univ.-Prof. Dr. Stefan D. Josten Grundzüge der Finanzwissenschaft B.2.11 Nichtrivalität und unzureichende private Bereitstellung €/ME MZ1 + MZ2 GK+ GK MZ2 MZ1 Menge Q1 Q2 Qoptimal ► Auf privaten Märkten kommt es zu einem ineffizient geringen Niveau der Bereitstellung öffentlicher Güter (Q2 < Qoptimal) ► Gegebenenfalls (z.B. bei GK+) kommt es sogar zu gar keiner Bereitstellung, obwohl eine positive Bereitstellungsmenge gesellschaftlich wünschenswert wäre Univ.-Prof. Dr. Stefan D. Josten Grundzüge der Finanzwissenschaft B.2.12 Nichtausschließbarkeit und Trittbrettfahrerproblem HH 2 HH 1 beitragen nicht beitragen 1 beitragen 1 2 -1 -1 nicht beitragen 2 0 0 ► „Gefangenendilemma“: keiner der beiden Haushalte trägt zur Bereitstellung des öffentlichen Gutes bei, obwohl beide sich besser stellen würden, wenn jeder von ihnen zur Bereitstellung des öffentlichen Gutes beitragen würde Univ.-Prof. Dr. Stefan D. Josten Grundzüge der Finanzwissenschaft B.2.13 Asymmetrische Informationsverteilung ► Asymmetrische Informationsverteilung: Eine Marktseite ist besser als die andere über die relevanten Eigenschaften des gehandelten Gutes informiert und kann diese privaten Informationen (strategisch) zum eigenen Vorteil nutzen kann • die uninformierte Marktseite ist nicht in der Lage, Güter oder Individuen nach marktrelevanten exogenen Merkmalen zu unterscheiden = adverse Selektion (Negativauslese) • die informierte Marktseite ist in der Lage, ihre Merkmale endogen zum eigenen Vorteil zu verändern, ohne dass die Gegenseite die Veränderung (vollständig) beobachten oder kontrollieren könnte = moral hazard (moralisches Risiko) ► Resultierende allokative Effizienzprobleme: • volkswirtschaftliche Kosten der Informationsverarbeitung • Beeinträchtigung des Preiswettbewerbs • dünne oder nicht-existente Märkte Univ.-Prof. Dr. Stefan D. Josten Grundzüge der Finanzwissenschaft B.2.14 Asymmetrische Informationsverteilung: Beispiel Versicherungsmarkt ► Kennen die Versicherungsgeber das Schadensrisiko der einzelnen potentiellen Versicherungsnehmer nicht, • so muss die Prämie im Marktgleichgewicht das durchschnittliche Risiko der Versicherten wiedergeben • dann lohnt es sich aber nur für „schlechte“ Risiken (hohe Schadenswahrscheinlichkeit) sich zu versichern = adverse Selektion (Negativauslese) • das treibt die Versicherungsprämie weiter in die Höhe, da das durchschnittliche Risiko der nun noch Versicherten gestiegen ist • so dass die besten unter den verbliebenen Risiken sich auch nicht mehr versichern, usw. ⇒ dünner oder nicht-existenter Markt (im Extremfall wird überhaupt keine Versicherung abgeschlossen) ► Findet ein Versicherungsabschluss statt, hat der Versicherungsnehmer weniger Anreize, den Eintritt des Schadensfalls zu verhindern bzw. die Schadenshöhe zu begrenzen = moral hazard (moralisches Risiko) • es werden häufiger als erwartet Ansprüche fällig ⇒ Versicherungsgeber machen Verluste ⇒ müssen aus dem Markt ausscheiden ⇒ dünner oder nicht-existenter Markt Univ.-Prof. Dr. Stefan D. Josten Grundzüge der Finanzwissenschaft B.2.15 Distributives Marktversagen Gerechtigkeit versus marktliche Verteilungslogik Marktliche Verteilungslogik Soziale Gerechtigkeit Entlohnung der Produktionsfaktoren als Preis- eine angemessene, unparteiliche und einforder- signale, d.h. als Ausdruck relativer Knappheit bare Verteilung von Gütern und Chancen Ungleichheit ergibt sich über: Ungleichheit ist nur gerechtfertigt, wenn • ungleiche Ausstattung mit Produktionsfaktoren (Arbeit, Sachkapital, Boden) • ungleiche Entlohnung der verschiedenen Produktionsfaktoren (Löhne, Zinsen & Gewinne, Bodenrente) • ungleiche Entlohnung verschiedener Qualitätsstufen von Arbeit (Lohnspreizung) • die Privilegien für alle unter Bedingungen einer fairen Chancengleichheit zugänglich sind • sie Anreize zur ökonomischen Aktivitätsentfaltung steigert • sie zum größtmöglichen Vorteil der am schlechtesten gestellten Person(en) sind (Maximin-Prinzip nach John Rawls) z.B. führen Globalisierung und technischer z.B. ungerecht, weil die (Verteilungs-)Position der Fortschritt zu einer Zunahme der Lohnspreizung schlechter gestellten zusätzlich verschlechtert wird Univ.-Prof. Dr. Stefan D. Josten Grundzüge der Finanzwissenschaft B.2.16 Stabilitätsbezogenes Marktversagen: Konjunkturelle Schwankungen Reales BIP Wachstumstrend (Produktionspotential) oberer Wendepunkt tatsächliches BIP unterer Wendepunkt unterer Wendepunkt 2. Phase: Hochkonjunktur (Boom) 3. Phase: Abschwung 4. Phase: Krise 1. Phase: Aufschwung Zeit In Marktwirtschaften verläuft der Wachstumsprozess nicht stetig, sondern unter konjunkturellen Schwankungen im Auslastungsgrad des Produktionspotenzials (das den Wachstumstrend einer Volkswirtschaft beschreibt) Ein Konjunkturzyklus dauert typischerweise zwischen 3 und 8 Jahren Die Bewegung hin zu einem Hochpunkt wird als Aufschwung bezeichnet, jene zu einem Tiefpunkt als Abschwung Nimmt das reale BIP in absoluten Zahlen ab (negative Wachstumsraten), so spricht man von einer Rezession Univ.-Prof. Dr. Stefan D. Josten Grundzüge der Finanzwissenschaft B.2.17 Staatsaufgaben ► Rechtsschutz (Polizei und Strafgerichte, Zivilgerichtswesen, Nationale Verteidigung) ► Öffentliche Produktion bestimmter Güter (öffentliche Güter, natürliche Monopole) ► Steuerung privater Produktion über Steuern und Subventionen ► Regulierung privater Wirtschaftstätigkeit ► Soziale Sicherung ► Umverteilung von Einkommen und Vermögen ► makroökonomische Stabilisierung