INITIATIVE MILLENNIUMSDÖRFER KONZEPT Hintergrund und Zielsetzung Die Vereinten Nationen sind mit der Zuversicht in das aktuelle Millennium gestartet, dass bis 2015 große Fortschritte in der globalen Armuts- und Hungerbekämpfung gemacht werden können. Schon früh wurde der Welthungerhilfe klar, dass für die Erreichung der Millenniumsziele nicht nur finanzielles Engagement, sondern auch überzeugende und zielgruppengerechte Konzepte benötigt werden. 2006 startete sie daher ihre Initiative Millenniumsdörfer um zu zeigen, dass anhand der Instrumente der ländlichen Entwicklung und insbesondere der Hilfe zur Selbsthilfe mit geringem Mittelaufwand erhebliche und messbare Fortschritte in der Armuts- und Hungerbekämpfung gemacht werden können. Eine Zwischenevaluierung hat 2009 gezeigt, dass die Initiative für die Menschen vor Ort nicht nur zur Verbesserung des Lebensstandards führt, sondern auch ihre Position als Akteure ihrer eigenen Entwicklung stärkt. Bei Spendern, Gebern und in der Öffentlichkeit haben authentische, transparente Berichte und nachvollziehbare Fortschrittsmessungen zu mehr Anerkennung für die Wirkung der Entwicklungsarbeit der Welthungerhilfe beigetragen. In der Fortsetzung der Initiative von 2011 bis 2015 geht es vor allem darum, die Millenniumsdörfer – neben einem Instrument zur regionalen und lokalen Verwirklichung der Millenniumsziele - pars pro toto für die Arbeit der Welthungerhilfe zu nutzen. Konkret heißt das: Die Initiative veranschaulicht beispielhaft und Kontinent übergreifend, wie immer mehr Menschen in Armutsregionen die Chance haben, das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben in Würde und Gerechtigkeit, frei von Hunger und Armut wahrzunehmen. Sie bietet darüber hinaus die Chance, Lernerfahrungen in der Projektarbeit besser zu nutzen und dadurch in den Projektregionen und der deutschen sowie internationalen Öffentlichkeit Erfolge einer sich an den Rechten und Bedürfnissen der Menschen orientierenden Entwicklungszusammenarbeit zu vermitteln und für deren Unterstützung zu werben. Damit dies gelingt, hat die Initiative sich konkrete Ziele für die zweite Phase gesetzt: Die Initiative macht die Zielsetzungen und positiven Wirkungen der Entwicklungsarbeit im ländlichen Raum für die Armuts- und Hungerbekämpfung sowohl für die Menschen vor Ort als auch für Geber und Öffentlichkeit fassbar. Sie trägt dazu bei, die lokale Bevölkerung zu befähigen, ihre Bedürfnisse zu äußern, sich zu organisieren, Entwicklungsoptionen zu identifizieren, ihre Rechte einzufordern und dadurch langfristig ihre Lebensbedingungen aus eigener Kraft zu verbessern. Die weltweite Initiative bietet ideale Räume für den Aufbau von Süd-Süd und Süd-NordNetzwerken sowie für gegenseitiges Lernen und trägt damit zum Aufbau einer informierten Zivilgesellschaft bei. Spender und Fachöffentlichkeit erleben die Initiative als überzeugendes und wirkungsorientiertes Vorhaben der Entwicklungszusammenarbeit. Dies gelingt durch Konzept Initiative Millenniumsdörfer 2011-2015 1 langfristige Begleitung der Menschen vor Ort, eine systematische Erfassung von Entwicklungsfortschritten und ein zielgruppengerechtes Berichtswesen. Gegenseitiges Lernen, partielle Eigenfinanzierung und systematisches Monitoring bieten für die Welthungerhilfe und ihre Partner ideale Rahmenbedingungen für Innovation und die Fortschreibung von good practices in der Entwicklungszusammenarbeit. Wie alle Projekte der Welthungerhilfe wird die Grundfinanzierung der Initiative durch öffentliche und private Zuwendungsgeber gesichert. Innovative Bausteine wie die Entwicklung eines situationsadäquaten Monitorings und die Aufarbeitung der Projektfortschritte für Medien, Globales Lernen und breite Öffentlichkeit werden überwiegend aus Eigenmitteln der Welthungerhilfe finanziert. Bedeutung für die Gesamtorganisation Zentrales Element der Welthungerhilfe-Strategie 2012-2014 ist die Vision, dass alle Menschen die Chance haben sollen, ihr Recht auf ein selbstbestimmtes Leben in Würde und Gerechtigkeit frei von Hunger und Armut wahrzunehmen. Dafür tritt die Welthungerhilfe seit fast fünfzig Jahren mit ihren Projekten zur nachhaltigen Ernährungssicherung ein – und das ist auch der Kerngedanke der Millenniumsdörfer. In der Initiative Millenniumsdörfer geht es darum, Inhalte dieser Vision beispielhaft zu kommunizieren. Die Millenniumsdörfer – oft mehrere Dörfer oder eine Region – veranschaulichen, wie ländliche Gebiete in Afrika, Asien und Lateinamerika, wo nach wie vor die meisten Hungernden leben, neue Entwicklungschancen erhalten und diese erfolgreich nutzen. Das Prinzip „Hilfe zur Selbsthilfe“ steht dabei im Mittelpunkt: Dorfgemeinschaften benennen ihre Probleme, erarbeiten mit Unterstützung der Welthungerhilfe und Partnerorganisationen Lösungswege und setzen eigenverantwortlich Maßnahmen um (Auswahlkriterien für Millenniumsdörfer siehe Anlage 1). Welche der Millenniumsziele die Bewohner bis 2015 erreichen wollen, bestimmen sie gemeinsam mit unseren Partnerorganisationen und Mitarbeitern. Die Bewohner passen die Millenniumsziele inhaltlich auf ihre lokale Situation an. Fortschritte finden nicht isoliert im Gebiet der Millenniumsdörfer statt, sondern Veränderungsprozesse strahlen in die gesamte Region aus: d.h. auch umliegende Gebiete profitieren von verbesserten Markstrukturen und Innovationen in der landwirtschaftlichen Produktion. Zudem wird einmal jährlich im Rahmen des MDG-Monitorings Bilanz gezogen, die geplanten Maßnahmen gegebenenfalls an die aktuelle Situation angepasst (Beschreibung des Monitorings siehe Anlage 2). Jedes Dorf / jede Region leistet in der Regel einen Beitrag zum Millenniumsziel 1, bei dem es um die Beseitigung von extremer Armut und Hunger geht. Hierfür wurden eine Reihe an Indikatoren entwickelt und damit erste Grundsteine und Erfahrungswerte für relevante Indikatoren zu einer nachhaltigen Ernährungssicherung gelegt, die auf andere Programme der Welthungerhilfe übertragen werden können. Analog zu dem Mitte 2012 getroffen Beschluss, außerhalb von Deutschland die feststehende deutsche Wort-/Bildmarke Welthungerhilfe durch eine programmatische Subline in lokaler Konzept Initiative Millenniumsdörfer 2011-2015 2 Sprache zu ergänzen, soll eine solche Übersetzungshilfe auch für den Begriff Millenniumsdörfer mitgedacht werden. Höchstwahrscheinlich werden jeweils in die relevanten Sprachen übersetzte Untertitel (taglines) entwickelt, die den Begriff ergänzen, um so die Verständigung vor Ort zu erleichtern. Die Millenniumsdörfer und die Zivilgesellschaft vor Ort Die Arbeit der Welthungerhilfe mit der Bevölkerung in den Millenniumsdörfern unterstützt Prozesse der Bewusstseinsbildung und trägt langfristig zur Stärkung der Bevölkerung bei. Langfristiges Ziel ist eine informierte Zivilgesellschaft, die Entwicklungshemmnisse und -optionen identifiziert, diskutiert und Verantwortung für Entwicklungsprozesse in ihrem Ort oder ihrer Region übernimmt: Methodisch engagiert sich in jedem Millenniumsdorf eine repräsentative Gruppe von Frauen und Männern an partizipativen Planungs- und Steuerungsprozessen. Die Ergebnisse des Welthungerhilfe Monitorings werden gemeinsam von Projektmitarbeitern und den Repräsentanten des Dorfes diskutiert und umgesetzt. Die Fortschritte in den Millenniumsdörfern sind sehr unterschiedlich und hängen von der jeweiligen Ausprägung zivilgesellschaftlicher Strukturen in den Ländern sowie vom lokalen Kontext ab. Gute Erfahrungen gibt es beispielsweise mit Vertreter/innen eines Millenniumsdorfes in Indien, die ihre Kenntnisse und Erfahrungen bei der Durchführung partizipativer Workshops in einem Millenniumsdorf in Nepal einbrachten; in Uganda bilden sich erste Netzwerke von Bauerngruppen in der Millenniumsdorfregion. Darüber hinaus fördert die Welthungerhilfe den Süd-Süd Austausch, u.a. durch gegenseitige Feldbesuche, Tagungen etc. Informierte und in Methoden geschulte Vertreter/innen der Zivilgesellschaft sind dadurch in der Lage, konstruktiv an der Erarbeitung von nationalen Entwicklungsplänen mitzuwirken und die Interessen armer Bevölkerungsgruppen wie in den Millenniumsdörfern selbstbewusst zu vertreten. Relevanz der Initiative Millenniumsdörfer für die Öffentlichkeit Die Initiative Millenniumsdörfer bietet Chancen für einen gezielten Einsatz im Marketing: als anschauliche, emotional ansprechende Beispiele einer überzeugenden und wirkungsvollen Entwicklungszusammenarbeit, die die lokale Bevölkerung befähigt, eigene Bedürfnisse zu äußern, sich zu organisieren, Entwicklungsoptionen zu identifizieren, ihre Rechte einzufordern und dadurch langfristig die Lebensbedingungen aus eigener Kraft zu verbessern. Dieser Ansatz ist für die Kommunikation mit Spendern relevant, weil er eine klare Exit-Strategie beinhaltet und unsere Organisation als innovativ und selbstlernend positioniert. Besonders eignet sich die Initiative für eine Kommunikation, bei der ein intensiver bzw. persönlicher Dialog möglich und notwendig ist. Dies gilt vor allem bei folgenden Zielgruppen: Groß-Spender, Freundeskreise, Unternehmen und informierte Fachöffentlichkeit. Aber auch in der Arbeit mit Schulen bietet die Initiative gute Möglichkeiten. Im Fokus der Fundraising-Aktivitäten steht das Umlenken von Spendern, die traditionell nur durch projektgebundene Spenden zu motivieren wären, auf zweckgebundene Spenden durch das Anbieten verschiedener Thementöpfe, zu denen auch der Thementopf Millenniumsdörfer gehört. Orientiert am Gestaltungswunsch des Spenders, wird ein Spektrum an thematischen Zweckbindungsoptionen über die Thementöpfe angeboten. Das etablierte Monitoring der Millenniumsdörfer bietet die Möglichkeit eines besonders fundierten, Prozess orientierten Konzept Initiative Millenniumsdörfer 2011-2015 3 Berichtswesens für diese Zielgruppen. Ziel ist jedoch, bei allen Thementöpfen ein einheitliches Steuerungs- und Berichtswesen zu etablieren. Eine weitere Nutzung der Initiative liegt in ihrem enormen Fundus an anschaulichen, authentischen Geschichten und Bildern. Im Rahmen der Gesamtstrategie bzw. des strategischen Projektes „Erlebbarkeit“ stellen die Millenniumsdörfer somit eine sehr gut nutzbare Quelle an „Bewegenden Geschichten“ für die Kommunikation dar. Der nachweisliche Wirkungsgrad, der globale Ansatz und die Möglichkeit innovative Maßnahmen auszuprobieren und dadurch zu lernen, auch für andere Projekte, sind unterstützende Argumente für die Qualität unserer Arbeit. Durch Projektreisen von Groß-Spendern, Unternehmen und Journalisten entsteht Erlebbarkeit unmittelbar und schafft emotionale Bindung an die Organisation. Dies geschieht auch durch den Einsatz von Mitarbeitern u.a. aus den Millenniumsdörfern bei Veranstaltungen, Gesprächen mit Groß-Spendern, Unternehmen und im Rahmen von Vorträgen in Deutschland. „Bewegende Geschichten“ in aufbereiteter Form werden auch in entsprechenden Kommunikationskanälen forciert eingesetzt - speziell bei Mailings, im Spendermagazin und bei Events - hier jedoch mit dem vorrangigen Ziel, freie Spenden zu generieren. Zeithorizont nach 2015 und Organisationsstruktur Die zweite Phase der Initiative ist auf einen Fünfjahres-Zeitraum von 2011 bis 2015 festgelegt. Im Hinblick auf die Zielsetzung zur Erreichung von positiven Wirkungen der Entwicklungsarbeit im ländlichen Raum für die Armuts- und Hungerbekämpfung ist es wünschenswert, die gemachten Erfahrungen und Fortschritte bei der Stärkung der Zivilgesellschaft auch über diesen Zeitraum hinaus zu nutzen, um die lokale Bevölkerung zu befähigen, langfristig ihre Lebensbedingungen zu verbessern. Die Initiative bietet zahlreiche Entwicklungsmöglichkeiten, die auch nach dem offiziellen Ende der Millenniumsziele im Jahr 2015 Bestand haben und genutzt werden sollen. Langfristig ist es denkbar, dass positive Erfahrungen aus der Initiative komplett in die Programmarbeit der Welthungerhilfe integriert werden. Zur Begleitung der Initiative gibt es eine bereichsübergreifende Steuerungsgruppe, die im halbjährlichen Rhythmus die Entwicklungen der Initiative beobachtet, bei Bedarf konzeptionelle Anpassungen vornimmt und konkrete Maßnahmen insbesondere für die Bereiche Marketing und Öffentlichkeitsarbeit vorschlägt. Die Bereiche Politik, Marketing und Presse stellen im Rahmen einer integrierten AgendaPlanung sicher, dass für die Thementöpfe im Allgemeinen und die Millenniumsdörfer im Besonderen für das jeweilige Folgejahr entsprechende Maßnahmen und Budgetansätze im Wirtschaftsplan Berücksichtigung finden. Im Bereich Marketing wird proaktiv darauf geachtet, projektorientierte Spender durch entsprechende Beratung möglichst für ein zweckgebundenes Engagement in den existierenden Thementöpfen, einschließlich der Millenniumsdörfer, zu begeistern. Der Thementopf Millenniumsdörfer dient zur Finanzierung verschiedener Instrumente und Maßnahmen im Rahmen der Initiative. Dieser „Topf“ soll dazu beitragen, dass die Verwendung von zweckgebundenen Mitteln flexibel ermöglich wird und eine bedarfsgerechte Verteilung ebenso wie eine Mittelvergabe für innovative Maßnahmen erfolgen kann. Die Steuerungsgruppe entscheidet halbjährlich über die Zuteilung der Mittel. Konzept Initiative Millenniumsdörfer 2011-2015 4 IMPRESSUM Herausgeber: Deutsche Welthungerhilfe e.V. Friedrich-Ebert-Straße 1 D-53173 Bonn E-Mail: [email protected] http://www.welthungerhilfe.de/millenniumsdoerfer.html Verantwortlich: Bärbel Mosebach, KnowledgeXchange Unit (FG 10) Autoren: Mark Ankerstein, Julia Escher, Bärbel Mosebach, Theo Riedke, Dr. Rafaël Schneider, Dr. Iris Schöninger, Jeannette Weller Redaktion: Bärbel Mosebach Jeannette Weller Stand: Bonn, Oktober 2012 Zum Ausdrucken: Intranet > Knowledge > Folder > Programmes and Projects: Cross-Cutting issues > Sectoral Programmes > Millennium Villages > Konzept Konzept Initiative Millenniumsdörfer 2011-2015 5