11 Sanierung München 11 Projekt Sanierung 66 München mikado edition 2013 ▴▴Im Neubau (rechts) befinden sich in den unteren beiden Geschossen Büroräume der GWG und in den beiden oberen Mietwohnungen Komposition in Grau und Grün Wenn zur energetischen Fassadenmodernisierung auch noch Aufstockungen und Anbauten hinzukommen, dann sind Holzbauelemente besonders interessant. Stefan Müller-Naumann / GWG München S chnell und billig – das waren die Prämissen des Massenwohnungsbaus in den 1950er-Jahren. Funktional, konstruktiv, gestalterisch und energetisch sind diese Gebäude schon lange nicht mehr zeitgemäß. Ihre Sanierung, Nachverdichtung und Aufwertung gehört deshalb zu den wichtigsten Bauaufgaben. Ein typisches Beispiel dafür ist eine Wohnanlage im Münchner Stadtteil Sendling: lange dreigeschossige Mauerwerksbauten, teils aus Kriegsschutt errichtet, mit kleinen Zimmern, Einzelraumheizungen, fast noch im Originalzustand, jedoch ziemlich heruntergekommen. Der Heizenergiebedarf lag ungefähr beim Vierfachen dessen, was die EnEV 2009 für Neubauten vorschreibt. Die Sanierungsziele waren ehrgeizig: Energieeffizienz und Nachhaltigkeit sollten vorbildlich sein, die Bausubstanz für 40 Jahre nachrüstungsfrei bleiben – und Holz zum Einsatz kommen. Schon in den 1990er-Jahren hatte der Bauherr, die städtische Wohnungsgesellschaft GWG München, Neubauten in Holzbauweise errichtet. Nun sollte der Holzbau seine Brauchbarkeit für die Gesamterneuerung innerstädtischer Bausubstanz beweisen. Es lag nahe, dabei auf das große Holzbau-Know-how der Technischen Universität München zurückzugreifen. Schon im Wintersemester 2006/07 hatten Prof. Hermann Kaufmann und 67 11 Sanierung München ▴▴Das linke Gebäude wurde modernisiert und aufgestockt, das rechte neu errichtet. Im Hintergrund steht ein noch unsaniertes Gebäude gleichen Typs Florian Lichtblau ihre Architekturstudenten Entwürfe zur Weiterentwicklung der Wohnanlage anfertigen lassen. 2008 erhielten die beiden Architekten von der GWG den Auftrag zur Entwicklung und Umsetzung eines konkreten Sanierungskonzepts. Parallel lief an der TU München unter Leitung der Lehrstühle von Prof. Hermann Kaufmann und Prof. Stefan Winter das große europäische Forschungsprojekt „TES EnergyFacade“, das die Fassadensanierung mit vorgefertigten Holzrahmenbauelementen wissenschaftlich untersuchte und zu marktfähigen Lösungen weiterentwickelte. Das traf sich natürlich gut. ▴▴Der Neubau erhielt keine vorgestellten Balkone, sondern tief eingeschnittene Loggien 68 mikado edition 2013 Durchdachtes Maßnahmenpaket Bestandserneuerungen lassen sich dann gut finanzieren, wenn dabei auch zusätzliche Flächen zum Verkaufen oder Vermieten entstehen, wenn sich also ein Teil der Ausgaben durch zusätzliche Einnahmen decken lässt. Das war hier der Fall: Um 62 Prozent nahm die Nutzfläche zu. Drei Maßnahmen machten es möglich: (1) die Aufstockung des dreigeschossigen Bestands um ein Geschoss, (2) ein neues Erschließungssystem mit Laubengängen, wobei die alten innenliegenden Treppenhäuser den Wohnungen zugeschlagen wurden, und (3) ein den Bestand ergänzender Neubau – in Holzbauweise. Für den wurde ein Teil der alten, ungeeigneten Bausubstanz abgerissen. Ansonsten war die Erhaltung der Bausubstanz erklärtes Ziel, um Abfall zu vermeiden und die graue Energie auf ein notwendiges Minimum zu beschränken. Die Ökobilanz eines Gebäudes beginnt schon in der Bauphase. Die Maßnahmen verbesserten das Verhältnis der Außenflächen zum Raumvolumen von 0,54 auf 0,45. Schon das reduziert den Heizenergiebedarf, doch für den großen Sprung von vorher 195 kWh/(m²a) auf nachher 21 kWh/(m²a) sorgte die neue Wärmedämmung: Von 1,6 auf 0,12 W/(m²K) verbesserte sich der U-Wert der Außenwand, von 1,2 auf 0,12 W/(m²K) der des Dachs, von 2,6 auf 0,90 W/(m²K) der der Fenster. Die Aufstockungen ersetzten ungedämmte Dachstühle und fassten die Außenräume klarer. Durch den querstehenden Erweiterungsbau und eine sensible Freiflächengestaltung bekamen sie Hofcharakter mit höherer Aufenthaltsqualität. Der markanteste Eingriff sind die neuen Fassaden: Sie besitzen sichtbare Holzoberflächen. So etwas galt früher als ländlich und unangemessen für städtische Lagen. Heute zeigt sich hier ein Sinneswandel und Paradigmenwechsel. ▴▴Laubengänge ersetzen die früheren Treppenhäuser ▴▴Die Fassade: sägeraue Fichtenbretter mit grauer Lasur Ausbalancierte Farbgebung Die Holzschalung besteht aus senkrecht angebrachten, sägerau belassenen und silbergrau lasierten Fichtenbrettern. Das Grau orientiert sich an dem Farbton, der sich bei unbehandeltem Holz von selbst bilden würde. Falls der Regen die Farbpigmente mit der Zeit auswäscht – kein Problem: Das natürliche Grau ersetzt das künstliche. Drei kräftige Grüntöne, mit denen die Metallplatten der Balkon- und Laubengangbrüstungen lackiert wurden, setzen einen markanten Kontrast. Beruhigendes Grau und anregendes Grün sind gut ausbalanciert. Sie bilden eine wohltuende Farbkomposition und verleihen der Wohnanlage Prägnanz. Für den Einsatz von Holz als Fassadenoberfläche gibt es neben ökologischen und gestalterischen Gründen aber auch ganz pragmatische: Sägeraue Holzschalungen sind wesentlich preisgünstiger als Fassadenplatten. Sie sind zudem robuster – „verzeihen“ beim Transport eventuell auftretende Stöße eher als Produkte mit glatten Oberflächen. Kleine Fehlstellen fallen überhaupt nicht auf. Ein weiterer Grund für sägeraue Holzschalungen: Sie sind lange haltbar und brauchen so gut wie keine Wartung. Da die Holzfasern und Fugen senkrecht stehen, läuft der Regen zudem besser ab, als das bei horizontal liegenden der Fall wäre. Das Holz ist schnell wieder trocken. Das mobile Schneidegerät für Dämmstoffe aus Glas- und Steinwolle Optional erhältlich: TAB Abrollbügel Technische Daten: Schnittstärke bis 250 mm Schnittbreite bis 1300 mm Material mit einem U-Wert bis 0,35 Gewicht 24 kg Mit dem SSK-Therminator ist es nun möglich, Dämmstoffe aus Glas- und Steinwolle bis 250 mm Stärke und einer Breite von 1300 mm sowie einem U-Wert bis 0,35 ohne großen körperlichem Kraftaufwand perfekt zu schneiden. Durch die besondere Schneidetechnik des SSK-Therminators ist es ebenso möglich, Schifterschnitte bei Grat und Kehlen passgenau vorzunehmen. Die optional erhältlichen TAB Abrollbügel dienen zum einfachen und sauberen Abrollen. Der optional erhältliche SSK Längenanschlag wird einfach aufgesteckt und ermöglicht ein Ablängen nach Maß. FACHMANN UND PARTNER DES HANDWERKS SCHRAUBEN SCHMID Optional erhältlich: TLA-Längenanschlag www.mikado-online.de Einsteinstraße 10 D-73230 Kirchheim unter Teck Telefon +49 (70 21) 9 50 15-0 Telefax +49 (70 21) 9 50 15-23 Lohrmannstraße 19 D-01237 Dresden Telefon +49 (03 51) 2 82 88-0 Telefax +49 (03 51) 2 82 88-20 69 11 Sanierung München aber auch der Baumethode: Vorgefertigte HolzrahmenbauElemente können aus fertigungs-, transport- und montagetechnischen Gründen nicht beliebig groß sein. Übliche Geschosshöhen sind noch gut handhabbar. Ein Kran hebt die Elemente an ihre Position, wo sie die Zimmerer in kurzer Zeit montieren. Da die Bestandsbauten aufgrund der schlechten Bauqualität kaum statische Reserven besitzen, wird das Gewicht der neuen Fassade nach unten abgeleitet: auf einen Stahlbetonbalken, der auf für die Balkone und Laubengänge neu errichteten Fundamenten liegt. Durch die einheitliche Fassadengestaltung ist der Erweiterungsbau von den beiden Bestandsbauten von außen kaum zu unterscheiden – innen dagegen schon: Der Neubau ist der erste Viergeschosser Münchens, der mit sichtbaren Holzdecken ausgeführt ist – sowohl in den Büroräumen als auch in den Mietwohnungen. Die Decken und Innenwände bestehen aus Brettsperrholz, die Außenwände aus Holzrahmenbau-Elementen. Die Wände wurden aus Brandschutzgründen eingekapselt. Holzbau braucht Bauteams ▴▴Die Bestandsbauten erhielten auf ihrer Westseite neue, vorgestellte Balkone, die deutlich größer sind als die früheren. Ihre Brüstungen bestehen auf der Vorderseite aus in drei Grüntönen lackierten Blechen Brandschutz gliedert Fassade Den Brandschutzbehörden aber sind Holzoberflächen immer noch ziemlich suspekt. In München zerstörte der große Stadtbrand von 1327 ein Drittel der damaligen Stadt. Die Angst vor solchen Katastrophen prägt die Bauregeln bis heute. Für Holzfassaden gilt: Sie dürfen nicht hinterlüftet sein, denn das würde im Brandfall dazu führen, dass sich durch den Kamineffekt das Feuer über die Fassade schnell zu den höher gelegenen Geschossen ausbreitet. Daher ist eine regelmäßige Unterbrechung der Holzschalung vorgeschrieben: ein Band aus horizontalen Blechwinkeln pro Geschoss. Das hemmt im Brandfall die Ausbreitung des Feuers hinter und vor der Fassade. Hinterlüftet ist die Holzschalung bei der Wohnanlage in Sendling aber nicht. Auch nicht belüftet, also unten offen und oben geschlossen. „Das braucht es bei so einer überfälzten Holzschalung gar nicht“, erklärt Kaufmann. „Die ist sowieso nicht luftdicht. Also findet ständig ein Luftaustausch statt, der ausreicht, damit sich im Inneren der Konstruktion keine Feuchtigkeit hält.“ Die Gliederung in Geschosse erinnert an Gründerzeitfassaden, bei denen Gesimse zum üblichen Formenkanon gehörten, entspricht 70 mikado edition 2013 Der erste Bauabschnitt ist fertig. Der zweite im Bau: ein viergeschossiger Neubau in Holzbauweise als Ersatz für einen nicht erhaltenswürdigen Bestandsbau. Und dann kommt wohl bald die nächste Wohnanlage. Tausende noch unsanierter Wohnungen aus den 1950er- und 1960er-Jahren besitzt allein die GWG, Zehntausende gibt es in München, Millionen in Deutschland. Ein gigantischer Markt. Eine große Chance für den Holzbau. Auch eine große Chance für jedes Holzbauunternehmen? „Prinzipiell ja! Es muss nur eine Werkhalle haben, um dort die großen Holzrahmenbau-Elemente vorzufertigen“, antwortet Kaufmann. „Entscheidend für uns Architekten sind nicht Betriebsgröße und Preis, sondern: Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit und Qualität. Das Sanieren mit großen Holzrahmenbau-Elementen sieht zwar lapidar aus, ist aber sehr anspruchsvoll. Es verlangt gewissenhaftes, hochpräzises Planen und Bauen sowie eine exakte Taktung. Maximale Vorfertigung ist das Ziel. Die Methode steht und fällt mit dem Grad der Vorfertigung!“ Die Methode erfordert ein Umdenken bei im Holzbau unerfahrenen Architekten. Im Massivbau haben sich viele daran gewöhnt, ihren Entwurf während des Bauprozesses stufenweise anzupassen, sich irgendwie „durchzuwursteln“. Im Holzbau funktioniert das nicht. Er verlangt eine konsequent zu Ende gedachte Planung und Detaillierung. Die gelingt, wenn Architekten und Holzbauunternehmen schon in einer frühen Planungsphase eng zusammenarbeiten. Der üblichen von der VOB geforderten Ausschreibungs- und Vergabepraxis entspricht das allerdings nicht mehr. „Die muss sich ändern“, fordert Lichtblau. „Bauteamverfahren sind im Holzbau die beste Lösung. Bauteams aus Architekten und Holzbauunternehmen führen zur Optimierung der Planung, Abläufe, Kosten und Bauqualität. Damit Bauteams funktionieren, ist jedoch ein hohes Maß an Kooperationsbereitschaft und Kommunikationsfähigkeit notwendig.“ Bauteams sind eine mittelständische Alternative zum Generalübernehmer. Für Holzbauunternehmen bieten sie die große Chance, wegzukommen vom Kampf um das niedrigste Preisangebot. Architekten suchen zuverlässige Partner und wissen, dass Qualität ihren Preis hat. Wenn die Zusammenarbeit gut klappt, ist das nächste gemeinsame Projekt nur eine Frage der Zeit. Günther Hartmann, Kissing ▪ 11 Sanierung München Steckbrief Bauprojekt: Gesamterneuerung einer Mietwohnungsanlage D-81373 München Bauzeit: Juni 2010 bis Februar 2012 Wohnungen: Vorher: 36 ı Nachher: 46 + Büros Bruttogeschossfläche: Vorher: 4384 m² ı Nachher: 6431 m² Nutzfläche: Vorher: 2016 m² ı Nachher: 3323 m² (inkl. Büros) Heizenergiebedarf: Vorher: 195 kWh/(m²a) ı Nachher: 21 kWh/(m²a) (PHPP) Fassadenschnitt Außenwandaufbau: Nut-und-Feder-Schalung, Fichte, sägerau, silbergrau gestrichen, 24 mm Lattung, 24 mm Winddichtung Gipsfaserplatte, 15 mm Brettschichtholz, 210 mm dazwischen Wärmedämmung Hartfaserplatte, 4 mm Ausflockung mit Zellulose als Toleranzausgleich, 3 – 7 cm Putz (Bestand), 25 mm Mauerwerk (Bestand), 300 mm Putz (Bestand), 15 mm Bauherr: GWG Städtische Wohnungsgesellschaft München mbH D-80339 München ı www.gwg-muenchen.de Planung: Kaufmann.Lichtblau.Architekten ı D-81545 München www.hermann-kaufmann.at www.lichtblau-architekten.de Brandschutz: Bauart Konstruktions GmbH & Co. KG D-80796 München ı www.bauart-konstruktion.de Balkonplatte: Betonfertigteil, Gefälle 2 % Stahlträger IPE 140 Ausführung: müllerblaustein Holzbau GmbH D-89134 Blaustein ı www.muellerblaustein.de Schallschutz im Element LIGNATUR Decken- und Dachelemente haben hervorragende schalldämmende Eigenschaften bei geringem Eigengewicht und minimaler Höhe. Sie wollen mehr wissen? Wir beraten Sie gerne. Telefon +41 (0)71 353 04 10 20 dB Verbesserung im Tieftonbereich www.mikado-online.de Lignatur AG CH-9104 Waldstatt [email protected] www.lignatur.ch 71