1 Einführung - Universität Leipzig

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1.1
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Logik und Linguistik
Einführung
1.1 Logik und Linguistik
[ Gamut 9-27, Partee 93-95, Chierchia 17-52 ]
Natürliche Sprachen sind durch Ambiguitäten und Vagheiten beim Ausdruck von
Denkinhalten charakterisiert. In der mathematischen, formalen Logik werden formale
Sprachen, d.h. spezielle Kunstsprachen nach dem Vorbild der Mathematik entwickelt, mit
denen sich begriffliche Inhalte direkt, eindeutig und präzise ausdrücken lassen.
Begründer der mathematischen Logik ist Gottlob Frege (1848-1925); seine ‚Begriffsschrift’
(1879) gilt als Vorbild für Logiksprachen. Die Idee einer formalen Begriffssprache geht auf
Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) zurück.
Verwendung von Methoden der formalen Logik in der Linguistik
(1) in genereller Hinsicht:
Die Linguistik legt − wie jede theoretische Wissenschaft − ihren Untersuchungen die
Prinzipien der logischen Methodologie zugrunde, insofern sie nach Möglichkeit
• präzise Begriffe benutzt,
• klare Aussagen formuliert,
• ihre Ergebnisse generalisiert und
• ihre Behauptungen deduktiv systematisiert.
(2) in spezieller Hinsicht:
Noam Chomsky (Syntactic Structures, 1957):
• Natürliche Sprachen können mit formalen Sprachen beschrieben werden.
⇒ Begründung der formalen Syntax der natürlichen Sprache
Richard Montague (English as a Formal Language, 1970):
• Natürliche Sprachen können als interpretierte formale Sprachen beschrieben werden.
⇒ Begründung der formalen Semantik der natürlichen Sprache,
d.h. jener Wissenschaft, in der die Bedeutung natürlichsprachlicher Ausdrücke mit
Mitteln der mathematischen Logik und Mengentheorie analysiert wird.
Wesentlichen Anteil an der Entwicklung der formalen Semantik haben u.a.
- die Logiker und Philosophen David Lewis, Max Cresswell, Terence Parsons und Hans
Kamp
- die Linguisten Barbara Partee, Emmon Bach, David Dowty und Robin Cooper.
Die Basis der formalen Semantik wird von der elementaren Logik und der elementaren
Mengentheorie gebildet.
Johannes Dölling: Formale Methoden. Institut für Linguistik, Universität Leipzig.
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Einführung
Eine grundlegende Aufgabe der formalen Semantik ist die Klärung von semantischen
Relationen, d.h. Bedeutungsbeziehungen zwischen natürlichsprachlichen Sätzen.
Relation der semantischen Implikation (des semantischen Enthaltens, ‚Entailment’,
Bedeutungseinschlusses)
Ein Satz A impliziert semantisch (enthält semantisch, schließt der Bedeutung nach) einen Satz
B (ein) genau dann, wenn die von B übermittelte Information in der von A übermittelten
Information enthalten ist (bzw. jede Situation, die mit A beschreibbar ist, auch mit B
beschrieben werden kann).
?
Welche Sätze werden von den folgenden Sätzen semantisch impliziert?
(1) Felix ist ein gelber Papagei.
⇓
Felix ist gelb.
Felix ist ein Papagei.
Felix ist gelb und ein Papagei.
Felix ist ein Papagei und gelb.
(2)
Felix ist gelb und ein Papagei.
(3)
Paul ist eine große Maus.
(4)
Jumbo ist groß und ein Elefant.
(5) Paul ist kleiner als Jumbo.
(6)
Max ist so klein wie Moritz.
(7) Max ist so groß wie Moritz.
(8)
Fritz sang laut und schön.
(9) Anna legte sich hin und schlief ein.
(10) Susi aß und trank viel.
(11) Hans küsste Maria leidenschaftlich.
(12) Hans und Maria heirateten einander.
(13) Hans weiß, dass Maria schwanger ist. (14) Hans glaubt, dass Maria schwanger ist.
Johannes Dölling: Formale Methoden. Institut für Linguistik, Universität Leipzig.
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1.2
Schlüsse, gültige Schlüsse, Schlussschemata
Relation der semantischen Äquivalenz (Synonymie, Bedeutungsgleichheit)
Zwei Sätze A und B sind semantisch äquivalent (synonym, bedeutungsgleich) genau dann,
wenn A semantisch B impliziert und B semantisch A impliziert.
?
Sind folgende Sätze jeweils semantisch äquivalent?
(1) (a) Felix ist gelb und ein Papagei.
(b) Felix ist ein gelber Papagei.
(2) (a) Hans küsste Maria leidenschaftlich.
(b) Maria wurde von Hans leidenschaftlich geküsst.
(3) (a)
(b)
(c)
(d)
Paris ist die Hauptstadt von Frankreich.
Die Hauptstadt von Frankreich ist Paris.
Frankreichs Hauptstadt ist Paris.
Frankreich hat eine Hauptstadt, die Paris heißt.
(4) (a) MARIA hat den Kuchen gebacken.
(b) Maria hat den KUCHEN gebacken.
(c) Maria hat den Kuchen GEBACKEN.
Die Relation der semantischen Implikation erlaubt es, von gegebenen Sätzen auf andere Sätze
zu schließen.
1.2 Schlüsse, gültige Schlüsse, Schlussschemata
[ Gamut 1-4, Partee 95-97, McCawley 1-13 ]
Die Logik ist die Wissenschaft vom richtigen Schließen (oder allgemeiner, von den richtigen
Formen des Denkens). Begründer der Logik ist Aristoteles (384-322), dessen Syllogistik die
erste systematische Bestimmung von logisch gültigen Schlüssen ist.
Wann ist ein Schluss gültig?
Wenn die Prämisse(n) des Schlusses wahr ist/sind, dann ist auch notwendigerweise seine
Konklusion wahr.
Es ist ausgeschlossen, dass die Prämisse(n) des Schlusses wahr ist/sind, die Konklusion aber
falsch ist.
Beispiele für gültige Schlüsse:
Alle Menschen sind sterblich.
Sokrates ist ein Mensch.
Sokrates ist sterblich.
(Prämisse)
(Prämisse)
(Konklusion)
Johannes Dölling: Formale Methoden. Institut für Linguistik, Universität Leipzig.
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Einführung
Wenn es regnet, dann wird die Straße nass.
Es regnet.
Die Straße wird nass.
Hans geht zur Party oder er geht ins Kino.
Hans geht nicht zur Party.
Hans geht ins Kino.
Alle Dackel sind Hunde.
Alle Hunde sind gefährlich.
Alle Dackel sind gefährlich.
Beispiele für Schlüsse, die nicht gültig sind:
Wenn es regnet, dann wird die Straße nass.
Es regnet nicht.
Die Straße wird nicht nass.
Alle Katzen sind Säugetiere.
Alle Hunde sind Säugetiere.
Alle Katzen sind Hunde.
Nicht alle gültigen Schlüsse sind formal (oder logisch) gültig.
Wann ist ein Schluss formal gültig?
•
•
Die Gültigkeit des Schlusses besteht unabhängig vom konkreten Inhalt der Sätze.
Die Gültigkeit des Schlusses ist nur abhängig von der logischen Form der Sätze.
Wenn vom konkreten Inhalt eines Satzes abstrahiert wird, erhält man die logische Form des
Satzes.
Wenn vom konkreten Inhalt aller in einem Schluss vorkommenden Sätze abstrahiert wird,
erhält man ein Schlussschema, d.h. das dem Schluss zugrunde liegende Schema.
Was ist ein gültiges Schlussschema?
Jeder Schluss nach einem gültigen Schlussschema ist formal gültig.
Beispiele:
Wenn φ , dann ψ
φ
ψ
φ oder ψ
Nicht φ
ψ
Die Logik untersucht, welche Schlussschemata gültig sind. Sie stellt logische Schlussregeln
(Regeln des logischen Schließens, Deduktionsregeln) zur Verfügung.
Johannes Dölling: Formale Methoden. Institut für Linguistik, Universität Leipzig.
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1.3
Logische Folgerung und logische Konstanten
1.3 Logische Folgerung und logische Konstanten
[ Gamut 4-9, 25-27 ]
Was ist eine logische Folgerung?
Die Konklusion eines formal gültigen Schlusses ist eine logische Folgerung seiner Prämisse(n).
Die Logik untersucht die Eigenschaften der logischen Folgerungsrelation zwischen Sätzen.
Die Relation der logischen Folgerung (logischen Implikation, logischen Konsequenz,
logischen Inferenz) zwischen Sätzen wird mit Hilfe der grundlegenderen Eigenschaft der
Wahrheit definiert.
D1.1 Aus φ folgt logisch ψ genau dann, wenn (gdw) gilt: Immer wenn φ wahr, ist auch ψ
wahr.
Wahrheitsbedingungen und logische Konstanten
Die Logik untersucht die Wahrheitsbedingungen von Sätzen, d.h. die Bedingungen, unter
denen sie wahr sind.
Die Wahrheitsbedingungen von logisch komplexen Sätzen werden durch Eigenschaften der in
ihnen vorkommenden Ausdrücke nicht, und, oder, alle usw. determiniert. Solche Ausdrücke
nennt man logische Konstanten oder Operatoren. Die Logik untersucht deren Eigenschaften.
Man unterscheidet zwei Arten von logischen Konstanten, die entsprechend in zwei Bereichen
der elementaren Logik untersucht werden:
•
Konnektoren (oder Junktoren)
z.B. nicht, und, oder, entweder-oder, weder-noch, wenn-dann
⇒ Aussagenlogik
•
Quantoren
z.B. jeder, einige
⇒ Prädikatenlogik der 1. Stufe
Zu den Erweiterungen der elementaren Logik gehören die
•
•
•
•
•
•
•
Prädikatenlogik höherer Stufe
Typenlogik (einschließlich λ -Operator)
Modallogik (möglicherweise, notwendigerweise)
Temporallogik (es war der Fall, dass; es wird der Fall sein, dass)
Epistemische Logik (wissen, dass; glauben, dass)
Deontische Logik (es ist erlaubt, dass; es ist verboten, dass)
Intensionale Logik (Intension vs. Extension)
Johannes Dölling: Formale Methoden. Institut für Linguistik, Universität Leipzig.
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Übungen
Übungen
Ü1.1 Welche Schlüsse sind gültig? Welche sind es nicht?
(1)
Jeder Teil des Spielzeugs ist weiß/quadratisch.
Das ganze Spielzeug ist weiß/quadratisch.
(2)
Gott ist ein Substantiv.
Alle Gläubigen beten Gott an.
Alle Gläubigen beten ein Substantiv an.
(3)
Ich habe einen Kühlschrank in der Küche.
Die Küche ist in meinem Wohnwagen.
Ich habe einen Kühlschrank in meinem
Wohnwagen.
(4)
Eine Hammelkeule ist besser als nichts.
Nichts ist besser als der himmlische Frieden.
Eine Hammelkeule ist besser als der himmlische
Frieden.
(4 P.)
Ü1.2 Gib für die folgenden Schlüsse die zugrunde liegenden Schlussschemata an. Welche der
Schlussschemata sind gültig?
(4 P.)
(1)
Die Sonne scheint, obwohl es regnet.
Es regnet und die Sonne scheint.
(2)
Wenn Fritz Germanistik studiert, dann beschäftigt er sich auch mit
Logik.
Fritz beschäftigt sich nicht mit Logik.
Fritz studiert nicht Germanistik.
(3)
Wenn Anna Geburtstag hat, bekommt sie ein neues
Kleid.
Anna bekommt ein neues Kleid.
Anna hat Geburtstag.
(4)
Wenn Michael nach Tübingen fährt, dann besucht er Anke.
Wenn er Anke besucht, dann diskutieren beide über
Grammatik.
Wenn beide über Grammatik diskutieren, dann gibt es Streit.
Wenn Michael nach Tübingen fährt, dann gibt es Streit.
Johannes Dölling: Formale Methoden. Institut für Linguistik, Universität Leipzig.
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Übungen
Zusatzübungen:
Ü1.3 Der Schluss
Der Dozent ist krank.
Morgen fällt die Vorlesung aus.
wird auf verschiedene Weisen beurteilt:
(a)
(b)
(c)
(d)
Wie kann man das sagen? Es kann doch genauso gut eine Vertretung geben.
Der Dozent ist gar nicht krank.
Die Vorlesung kann nicht ausfallen, weil nächste Woche Prüfungen sind!
Ob krank oder nicht spielt keine Rolle, weil morgen ein Feiertag ist und die
Vorlesung daher eh nicht stattfinden würde.
Welche Beurteilung nimmt jeweils Stellung
zur Prämisse,
zur Konklusion,
zur Relevanz der Prämisse bzw. zum Gewicht der Prämisse für die Konklusion?
Welche der Beurteilungen sind inhaltlich, welche formal?
Ü1.4 Gib jeweils ein Beispiel an für einen
-
gültigen Schluss mit falschen Prämissen und falscher Konklusion,
gültigen Schluss mit falschen Prämissen und wahrer Konklusion,
ungültigen Schluss mit wahren Prämissen und wahrer Konklusion.
Johannes Dölling: Formale Methoden. Institut für Linguistik, Universität Leipzig.
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