Wipol WS 2005/2006 -Tut 7Prof. Dr. R. Eisen Wirtschaftspolitik Tutorium 7: Ungleichgewichtsdynamik 1. Erläutern Sie das Konzept des allgemeinen Marktgleichgewichts nach Léon Walras. Wie kann mittels des Tâtonnement-Prozesses ein Marktgleichgewicht erreicht werden? Adam Smith versuchte anhand der „unsichtbaren Hand“ („invisible hand“) zu erklären, dass die auf eigene Interessen gerichteten Handlungen von Menschen letztlich zu einem für alle günstigen Ergebnis führen und zwar in der Abwicklung über Märkte und die Konkurrenz. Léon Walras (1834-1910) zeigte in einem formal-theoretischen Rahmen die Lösung des Problems der „invisible hand“ auf. Im Rahmen der Modellannahmen der vollständigen Konkurrenz ist ein simultanes Marktgleichgewicht (eindeutiges allgemeines Marktgleichgewicht) auf allen Einzelmärkten möglich, d.h. die jeweils gewünschten Angebots- und Nachfragemengen stimmen auf allen Einzelmärkten überein. Folgende Annahmen werden getroffen: • Reine Marktwirtschaft; • Vollständige Konkurrenz, insbesondere: - Zahl der Marktteilnehmer auf jedem einzelnen Markt ist sehr groß, so dass kein Verkäufer und kein Käufer den Preis durch sein Verhalten beeinflussen kann; - Marktpreis ist ein Datum; - Gegebene Anfangsausstattungen. Je nach den herrschenden Preisen, welche dem Haushalt Kauf- und Verkaufsmöglichkeiten zu diesen Preisen eröffnen, wird eine bestimmte Umschichtung der Anfangsausstattungen zu einem Nutzenmaximum führen. Dies bedeutet, dass das Marktverhalten jedes Individuums auf jedem einzelnen Markt durch die Preise (Tauschrelationen) aller Güter und die Anfangsausstattung eindeutig bestimmt ist. Wenn darüber transparente Informationen zur Verfügung stehen, kann der Haushalt optimieren, ohne weiteren Beschränkungen zu unterliegen. Wenn wir nun die Märkte als Ganzes betrachten, so sprechen wir nur dann von einem Gleichgewicht, wenn die einzelnen Individuen tatsächlich ihre Kauf- und Verkaufsabsichten voll realisieren können, d.h. Angebot und Nachfrage auf jedem Markt übereinstimmen. 1 Wipol WS 2005/2006 -Tut 7Prof. Dr. R. Eisen Walras zeigte, dass Marktgleichgewicht unter den tatsächlich getroffenen existiert. Es Annahmen gibt ein also solches ein simultanes System von Gleichgewichtspreisen, sodass für jedes Gut die aggregierte Nachfrage dem aggregierten Angebot entspricht. Die auf Walras zurückgehende Theorie (präzisiert von Kenneth J. Arrow und Gérard Debreu) ist eine rein statische Theorie. Sie zeigt nicht, ob und wie es bei ungleichgewichtigen Preiskonstellationen zu einem Marktgleichgewicht kommt. Mit der Konzeption der Tâtonnement-Analyse versuchte Walras die Frage zu beantworten, wie nach einer Störung im Markt das System wieder in einen gleichgewichtigen Zustand zurückkehrt. Unter Tâtonnement versteht man die Interpretation des Marktmechanismus als Auktionsverfahren. Man geht von einem Preisnehmer- oder Mengenanpasserverhalten aus. Aus diesem Grund muss es eine Instanz geben, welche die Preise verändert, und zwar so lange, bis der Gleichgewichtszustand erreicht ist. Diese Instanz ist der virtuelle Auktionator („invisible hand“), der Preise für Güter und Faktoren bekannt gibt und dem daraufhin die von den Konsumenten und Produzenten zu diesen Preisen angebotenen und nachgefragten Mengen mitgeteilt werden. Stimmen monetäres Angebot und die monetäre Nachfrage nicht überein, ändert der Auktionator die Preise, bis sich ein Marktgleichgewicht im Sinne der Markträumung ergibt. Dabei verwendet der Auktionator folgende Regel: Bei Überschussnachfrage (ÜN) erhöht er die Preise, bei Überschussangebot (ÜA) werden die Preise gesenkt. Durch Versuch und Irrtum tastet man sich somit an die markträumenden Preise heran. Erst wenn diese ermittelt werden, lässt der Auktionator den Tausch zu. Annahmen: • Es existiert ein Auktionator, der sich an den Differenzen der Tranksaktionswünsche der Anbieter und Nachfrager orientiert, um den Preis zu ermitteln; • Liegt bei Markteröffnung kein Gleichgewicht vor, werden Preise bei Nachfrageüberschuss (ÜN) angehoben und bei Angebotsüberschuss (ÜA) gesenkt, bis ein Gleichgewicht im Sinne des Ausgleichs von Angebot und Nachfrage erreicht ist; • Es kann nur zu Gleichgewichtspreisen gehandelt werden; • „Normaler“ Verlauf der Angebots- und Nachfragekurven: Fallende Nachfrage- und steigende Angebotskurven auf allen Märkten. 2 Wipol WS 2005/2006 -Tut 7Prof. Dr. R. Eisen Markträumung ohne Auktionator: Zum gleichen Ergebnis wie oben dargestellt gelangt man gem. Francis Y. Edgeworth (1845-1926) auch, wenn man zulässt, dass Individuen direkt Verträge untereinander abschließen und diese so lange neu verhandeln, bis sie kompatibel sind (d.h. bis der Markt geräumt ist), bevor tatsächlich eine Transaktion vollzogen wird. Die Wirtschaftssubjekte können jederzeit von einem Vertrag zurücktreten, wenn sie ein günstigeres Angebot finden (Re-Contracting). Die Existenz eines Kontraktangebots ist allen Individuen bekannt. Im Gegensatz zu diesen „perfekten“ Lösungen lässt Alfred Marshall (1842-1924) Transaktionen zu „falschen“ Preisen auf einzelnen Märkten zu, da diese sehr rasch zu Preiskorrekturen führen, so dass die anderen Märkte nur kurz und wenig „gestört“ werden. Dazu nahm er an, dass die Einkommenseffekte vernachlässigbar klein sind. 2. Erläutern Sie das Cobweb-Modell. Wie beurteilen Sie die dem Modell zugrunde liegende Erwartungsbildungshypothese? Wenn sich der Markt im Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage befindet, so stellt sich die Frage, wie der Markt bzw. das Gleichgewicht auf einen Schock (positiver/negativer Angebots- oder Nachfrageschock) reagiert bzw. sein neues Gleichgewicht findet. Mit Hilfe des Cobweb-Modells können die Anpassungsprozesse in einem Markt über mehrere Perioden hinweg beobachtet werden (dynamische Analyse). Somit können starke Preisschwankungen auf Märkten erklärt werden. Folgende Annahmen werden getroffen: • Die Produktion der Güter dauert eine Periode (etwa 1 Monat, 1 Jahr): Die Entscheidung, wie groß das Angebot „morgen“ ist, wird „heute“ getroffen. • Die Entscheidung der Anbieter über den Umfang der Produktionsmenge für die nächste Periode wird an dem für die nächste Periode erwarteten Preis ausgerichtet. Bei naiven (statischen) Erwartungen sehen die Anbieter den Preis der aktuellen Periode auch als den zukünftig zu erwartenden Preis an. Der heutige (markträumende) Preis für 10 Liter Milch beträgt 5€. Bei einem Preis von 5€ bin ich bereit, 10 Liter Milch zu verkaufen. Ich rechne damit, dass in der nächsten 3 Wipol WS 2005/2006 -Tut 7Prof. Dr. R. Eisen Periode wieder der Preis von 5€ für 10 Liter Milch zustande kommt. Also werde ich für die nächste Periode 10 Liter Milch für 5€ anbieten. • Die Güter sind nicht lagerungsfähig: Der Markt wird in jeder Periode geräumt. -> Das Angebot in der Periode ist somit fix und der Umfang wird bereits in der Vorperiode bestimmt. Es kann innerhalb der Periode nicht angepasst werden. Ausgangssituation: Wir befinden uns in einem Gleichgewicht. Ein exogener Schock führt zu einer Änderung der Nachfrage oder des Angebots. In den folgenden Beispielen betrachten wir eine expansive Verschiebung der Nachfragekurve, d.h. es wird zu jedem Preis mehr nachgefragt. Es können nun drei unterschiedliche Prozesse am Markt ablaufen, die im Folgenden grafisch dargestellt werden. Der konvergierende Fall: • Die linke Grafik zeigt Preise, Mengen sowie die Angebots- und Nachfragekurven. • Die rechte Grafik zeigt die Höhe des Preises während der jeweiligen Periode, welcher durch einen Punkt markiert ist. 4 Wipol WS 2005/2006 -Tut 7Prof. Dr. R. Eisen Die Erklärung des Cobweb-Modells am konvergierenden Fall: Periode 0: Wir finden die Angebotskurve Xs sowie die Nachfragekurve Xd1 der Haushalte vor. Der Markt wird zum Preis P0 geräumt, Angebot und Nachfrage entsprechen sich. Der Markt ist im Gleichgewicht. Schon in dieser Periode (0) müssen die Anbieter über den Umfang des Angebots für die folgende Periode (1) entscheiden. Sie orientieren sich hier am aktuellen Preis P0 und streben erneut die Produktion der Menge X1 an. Zwischen Periode 0 und Periode 1 verschiebt sich die Nachfragekurve der Haushalte durch einen exogenen positiven Nachfrageschock (z.B. durch eine Steuersenkung des Staates -> die Haushalte haben mehr Geld zur Verfügung) nach rechts (Xd2). Die neue Nachfragekurve Xd2 gilt nun für alle kommenden Perioden (1, 2, 3,…). Periode 1: Die Anbieter bieten nun die Menge X1 an. Die Nachfrage ist jetzt durch die exogene Verschiebung der Nachfragekurve allerdings viel höher. Dementsprechend übersteigt die Nachfrage das Angebot und der Preis steigt auf P1. Auch in Periode 1 müssen die Anbieter wieder über den Umfang des Angebots für die Folgeperiode (Periode 2) entscheiden. Sie orientieren sich am aktuellen Preis P1 und streben die Produktion der Menge X2 an. Periode 2: Die Anbieter bieten nun die Menge X2 an. Bei dieser Menge übersteigt das Angebot allerdings die Nachfrage und deshalb sinkt der Preis, zu dem der Markt geräumt wird, auf P2. Erneut müssen die Anbieter über den Umfang des Angebots für die folgende Periode entscheiden. Sie orientieren sich nun am Preis P2 und streben die Produktion der Menge X3 an. Periode 3: Die Anbieter bieten nun die Menge X3 an. Allerdings übersteigt die Nachfrage bei dieser Menge das Angebot und somit steigt der Preis auf P3. Der Nachfrageüberschuss fällt aber nun schon sehr gering aus, und der Abstand zum neuen Gleichgewichtspreis P* ist nur noch sehr gering. 5 Wipol WS 2005/2006 -Tut 7Prof. Dr. R. Eisen Dieser Prozess setzt sich solange fort, bis sich im Zeitverlauf das neue langfristige Gleichgewicht mit dem Preis P* und der entsprechenden Menge einstellt. Der konvergierende Fall liegt vor, wenn die Steigung der Angebotskurve größer ist als der Betrag der Steigung der Nachfragekurve (s. Abbildung). Der divergierende Fall: Preise und Mengen schwanken von Periode zu Periode immer stärker und entfernen sich immer weiter von der gleichgewichtigen Preis-Mengen-Kombination. Dieser Fall liegt vor, wenn die Steigung der Angebotskurve kleiner ist als der Betrag der Steigung der Nachfragekurve, wenn also die Angebotskurve sehr elastisch ist (im Verhältnis zur Nachfragekurve). Der „gleich bleibende“ Fall (zyklische Schwankungen): 6 Wipol WS 2005/2006 -Tut 7Prof. Dr. R. Eisen Preise und Mengen schwanken im gleich bleibenden Fall von Periode zu Periode mit konstantem Abstand um die Gleichgewichtswerte. Dieser Fall liegt vor bei betragsmäßig gleich großer Steigung der Angebots- und Nachfragekurve. Wie wir gesehen haben, gibt es drei unterschiedliche Prozesse. Der Grund hierfür ist das Verhältnis der Steigungen der Angebots- und Nachfragekurven. • Ist die Steigung der Angebotskurve größer als der Betrag der Steigung der Nachfragekurve, so kommt es zum konvergierenden Fall. Dies bedeutet gleichzeitig, dass im Gleichgewichtspunkt die Angebotselastizität (also die relative Veränderung der Angebotsmenge auf eine kleine Veränderung des Preises) kleiner als die Nachfrageelastizität ist. Bei einem vollständig unelastischen Angebot wird sofort ein neues Gleichgewicht erreicht. (Zum Elastizitätsbegriff siehe Exkurs am Ende der Aufgabe). • Wenn der Betrag der Steigung der Nachfragekurve größer ist als die Steigung der Angebotskurve, entsteht der divergierende Fall. • Bei Gleichheit (des Betrages) der Steigungen liegt der Fall gleich bleibender Schwingungen vor. Beurteilung der Erwartungsbildungshypothese des Cobweb-Modells: Innerhalb der Modellannahmen wird vorausgesetzt, dass die Anbieter „naive“ Erwartungen haben. Sie nehmen nämlich an, dass der markträumende Preis der Vorperiode auch der relevante Preis für die aktuelle Periode ist: Pte=Pt-1. Wenn sich nichts ändert (oder wenn wir nicht wissen, was sich ändert), ist diese Hypothese sehr plausibel. Die Beibehaltung dieser Hypothese nach der Nachfrageverschiebung (oder einem systematischen Schock) ist aber nicht sonderlich plausibel, da dadurch impliziert wird, dass die Anbieter nicht aus vergangenen Fehlplanungen lernen. Exkurs Preiselastizität: Die Preiselastizität beschreibt die marginale (oder prozentuale) Veränderung der Menge bei einer marginalen (oder prozentualen) Veränderung des Preises. Formal: dQ(P) / Q(P) = dQ(P) * _P__ dP / P dP Q(P) Vollkommen preiselastisches Angebot oder preiselastische Nachfrage (betragsmäßige Preiselastizität geht gegen ∞): 7 Wipol WS 2005/2006 -Tut 7Prof. Dr. R. Eisen • Angebot: zum Preis P1 wird jede beliebige Menge zur Verfügung gestellt, unterhalb dieses Preises wird nichts angeboten. Die Angebotskurve verläuft horizontal. • Nachfrage: zum Preis P1 wird jede beliebige Menge nachgefragt, oberhalb dieses Preises wird nichts nachgefragt. Die Nachfragekurve verläuft horizontal. Vollkommen preisunelastisches Angebot oder preisunelastische Nachfrage (Preiselastizität geht gegen 0). • Angebots- oder Nachfrageüberschüsse rufen keinerlei Mengenreaktionen, sondern ausschließlich Preisveränderungen hervor. • Eine Angebots- oder Nachfragekurve verlaufen vertikal. geringe Preiselastizität deutet auf fehlende Anpassungsmöglichkeiten der Marktteilnehmer hin. Die Preiselastizität ist umso höher, je lagerfähiger die Güter sind (oder je leichter sich die Produktion bzw. Nachfrage anpassen lässt), d.h. je leichter sich die Produktion oder die Nachfrage auf eine spätere Periode verschieben lassen. 3. Was ist ein Konjunkturzyklus? Welche Bausteine sind bestimmend? Konjunkturzyklen sind mehrjährige Schwankungen der wirtschaftlichen Aktivität in marktwirtschaftlich organisierten Volkswirtschaften, die die Wirtschaft als Ganzes betreffen und bei allen Besonderheiten eine gewisse Regelmäßigkeit aufweisen. Sie sind gekennzeichnet durch Aufschwungphasen, die in den meisten Bereichen der Wirtschaft gleichzeitig zu beobachten sind und denen ebenso im Zeitverlauf Abschwungphasen folgen. Solche Schwankungen werden schon seit langem beobachtet, waren aber oft Folge singulärer Ereignisse, wie z.B. Spekulationskrisen. Eine gewisse Regelmäßigkeit dieser Schwankungen lässt sich zumindest bis ins 19. Jahrhundert hinein belegen. Diese Regelmäßigkeit ist es, die letztlich eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Phänomen "Konjunktur" begründet. Länge der Zyklen Unabhängig voneinander haben mehrere Konjunkturforscher Schwankungen unterschiedlicher Länge identifiziert. Joseph Schumpeter beispielsweise fand Zyklen mit einer Länge von 2–4 Jahren, die er als Kitchin-Zyklen bezeichnete, und solche mit einer Dauer von 7–11 Jahren, die er Juglar-Zyklen (nach Clement Juglar) nannte. Gefunden wurden außerdem 8 Wipol WS 2005/2006 -Tut 7Prof. Dr. R. Eisen Zyklen mit einer Dauer von etwa 30 - 50 Jahren, die als lange Wellen oder KondratieffZyklen bezeichnet werden. Die Länge, die man einem Konjunkturzyklus zuschreibt, hängt wesentlich davon ab, ob man das Niveau der wirtschaftlichen Aktivität (in der Regel gemessen an der gesamtwirtschaftlichen Produktion, also dem Bruttoinlandsprodukt) als Maßstab heranzieht, oder die Wachstumsraten. Grenzt man Anfang und Ende eines Konjunkturzyklus danach ab, ob die Wirtschaftsleistung absolut rückläufig war (,,Klassische Konjunkturzyklen“), so findet man längere Zyklen. Eine Einteilung anhand von Zuwachsraten führt zu einer größeren Zahl von kürzeren ,,Wachstumszyklen“. Alternativ kann man Konjunkturzyklen auch daran messen, wie stark die Produktionskapazitäten der Unternehmen ausgelastet sind. Hier sind Schwankungen zwischen etwa 70 % (Rezession) und 100 % (Boom) denkbar. Von verschiedenen Forschern und Institutionen werden Konjunkturzyklen in mehrere Phasen eingeteilt. Verbreitet ist ein Zwei-Phasen-Schema, bei dem man den Konjunkturzyklus in einen Aufschwung und einen Abschwung einteilt. Die Aufschwungphasen sind meist länger, während Abschwungphasen im Allgemeinen kürzer sind. Ein anderes Schema unterscheidet vier Phasen. Dieses Phasenmodell wurde maßgeblich von Arthur Spiethoff und Gottfried Haberler entwickelt. Zwei-Phasen-Schema a Vier Phasen des Zyklus b a=Aufschwung; b=Rezession. 1=Aufschwung; 2=Boom; 3=Rezession; 4=Depression. Expansive Phase (Aufschwung) Die Phase des wirtschaftlichen Aufschwungs ist geprägt durch steigende Auftragsbestände und Produktionen, das Sinken der Arbeitslosenquoten, eine tendenziell wahrnehmbare jedoch noch geringe Preissteigerung, niedrige Zinsen mit steigender Tendenz sowie optimistische Prognosen betreffend der wirtschaftlichen Entwicklung. 9 Wipol WS 2005/2006 -Tut 7Prof. Dr. R. Eisen Hochkonjunktur In der Phase der Hochkonjunktur (obere Wendepunktphase, Boom) sind aufgrund von starker Nachfrage die Kapazitäten einer Wirtschaft voll ausgelastet. Es herrscht Vollbeschäftigung, zum Teil sogar Arbeitskräftemangel. Das Lohnniveau steigt, allerdings ziehen auch die Preise und die Zinsen weiter an. Die Produktion wird solange gesteigert, bis eine Überhitzung des Marktes, die so genannte Marktsättigung eintritt. Von nun an nimmt das Bruttoinlandsprodukt nicht weiter zu, eine Wende ist eingetreten. Die Phase des Abschwungs wurde eingeleitet. Rezession Die Rezession (Abschwung, kontraktive Phase) bezeichnet die Konjunkturphase, in der eine Stagnation bis hin zum Abschwung der Wirtschaft auftritt. Die am meisten verbreitete Definition besagt, eine Rezession liegt vor, wenn die Wirtschaftsleistung zwei Quartale nacheinander zurückgeht (sinkende Wachstumsraten des BIP). Eine Rezession hat üblicherweise Kursverluste an der Börse zur Folge. Verschärft sich eine Rezession, kann es zur Depression kommen. Depression Eine Depression ist ein Abschwung einer Volkswirtschaft, der noch schwerer ist als eine Rezession. Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass über einen längeren Zeitraum die wirtschaftliche Tätigkeit (wie es etwa das Bruttoinlandsprodukt anzeigt) zurückgeht, die Börsenkurse fallen, die Arbeitslosigkeit stark ansteigt und Deflation aufkommt. Eine Depression kann Folge einer Rezession sein, folgt ihr aber nicht zwangsläufig. Häufig bezieht sich die Bezeichnung konkret auf die Weltwirtschaftskrise am Ende der 1920er Jahre. Konjunkturpolitik Nach dem Zweiten Weltkrieg war die wirtschaftliche Entwicklung in vielen Industrieländern für viele Jahre kräftig und ohne größere Einbrüche aufwärtsgerichtet. Die Gründe dafür lagen darin, dass zum einen vielfach ein erheblicher Nachholbedarf bestand, zum anderen die USA mit dem Marshallplan und einem hohen Dollarkurs Europa zu einem Bollwerk gegen den Kommunismus machten. Als es in den sechziger Jahren erstmals nach 1945 wieder zu einer konjunkturellen Schwäche kam, hatte sich das keynesianische Gedankengut so weit durchgesetzt, dass viele Wirtschaftspolitiker davon ausgingen, konjunkturelle Schwankungen mit Hilfe einer antizyklischen Fiskalpolitik ausgleichen zu können. In Deutschland fand dies den Niederschlag 1967 in der Verabschiedung des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft (siehe Anhang), das eine stetige 10 Wipol WS 2005/2006 -Tut 7Prof. Dr. R. Eisen Wirtschaftsentwicklung zum Ziel der Politik erhob und Instrumente einführte, dieses Ziel auch prinzipiell zu erreichen, z.B. einen Konjunkturzuschlag zur Einkommensteuer oder eine Konjunkturausgleichsrücklage. Allerdings scheiterte die antizyklische Finanzpolitik in Deutschland wie in anderen Ländern in den siebziger Jahren. Zum einen waren die Schwierigkeiten unterschätzt worden, Ausgabenprogramme zeitgerecht zu verabschieden und richtig zu dimensionieren. Es kam zu Verzögerungen bei Erkennen des Abschwungs sowie bei Verabschiedung, Umsetzung und Wirkung der Programme, so dass sie oft erst im folgenden Aufschwung spürbar wurden, die Politik also prozyklisch wirkte. Zum anderen waren Politiker nicht bereit, in der Rezession erlassene Ausgabenprogramme wieder abzuschaffen, wie dies nach dem Konzept der antizyklischen Politik erforderlich gewesen wäre. Es wurden auch selten die nötigen Steuersenkungen durchgeführt, stattdessen sogar Steuern erhöht, um die mit den Konjunkturprogrammen verbundenen Ausgaben zu decken, was zu einer allgemeinen Verringerung des Wachstums führte. Mit dem (in Deutschland allerdings sehr moderaten) Schwenk zur Angebotspolitik in den achtziger Jahren verzichtete die Politik auf eine antizyklische Konjunkturpolitik. Sie lässt aber automatische Stabilisatoren zu; d. h., wenn aus konjunkturellen Gründen höhere Ausgaben (z.B. für die Arbeitslosenversicherung) fällig werden oder geringere Steuereinnahmen anfallen, so nimmt die Politik dies hin und wiederholt nicht den Fehler aus der Weltwirtschaftskrise, unter allen Umständen einen ausgeglichenen Staatshaushalt herbeiführen zu müssen. Allerdings wird auch hier eine Trendwende erkennbar (wie sie insbesondere in den Maastricht-Kriterien festgelegt wurde), was die immer deutlicher werdenden Sparbemühungen zeigen. 11 Wipol WS 2005/2006 -Tut 7Prof. Dr. R. Eisen Anhang: Gesetzesauszüge zu Aufgabe 3. Artikel 109 (1) Bund und Länder sind in ihrer Haushaltswirtschaft selbständig und voneinander unabhängig. (2) Bund und Länder haben bei ihrer Haushaltswirtschaft den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung zu tragen. (3) Durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können für Bund und Länder gemeinsam geltende Grundsätze für das Haushaltsrecht, für eine konjunkturgerechte Haushaltswirtschaft und für eine mehrjährige Finanzplanung aufgestellt werden. (4) Zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts können durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, Vorschriften über 1. Höchstbeträge, Bedingungen und Zeitfolge der Aufnahme von Krediten durch Gebietskörperschaften und Zweckverbände und 2. eine Verpflichtung von Bund und Ländern, unverzinsliche Guthaben bei der Deutschen Bundesbank zu unterhalten (Konjunkturausgleichsrücklagen), erlassen werden. Ermächtigungen zum Erlaß von Rechtsverordnungen können nur der Bundesregierung erteilt werden. Die Rechtsverordnungen bedürfen der Zustimmung des Bundesrates. Sie sind aufzuheben, soweit der Bundestag es verlangt; das Nähere bestimmt das Bundesgesetz. 12 Wipol WS 2005/2006 -Tut 7Prof. Dr. R. Eisen 13