Quantenmechanik I

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Quantenmechanik I
Mitschriften zur Vorlesung von
Adrian Signer
am
Physik-Institut
der
Universität Zürich
im
Herbstsemester 2017
Assistenten: Dario Müller und Yannick Ulrich
Mitschriften: Nehir Schmid, Oliver Zbinden
Anmerkung
Diese Notizen sind im Rahmen der Vorlesung Quantenmechanik I an der Universität
Zürich im Herbstsemester 2017 entstanden. Sie dienen jedoch lediglich als Orientierung und ersetzen weder das Literaturstudium noch eigene Notizen.
Die Mitschriften werden, sobald sie redigiert wurden, auf der Kursseite publiziert:
http://www.physik.uzh.ch/de/lehre/PHY331/HS2017.html
Diese Notizen folgen zum Teil eng Lehrbüchern und erheben daher keinen Anspruch
auf Originalität.
Um eine schnelle Antwort zu ermöglichen, senden Sie bitte Kommentare und Korrekturen sowohl an Adrian Signer als auch Dario Müller und Yannick Ulrich. Die
Kontaktinformationen finden Sie auf der Kursseite.
Inhaltsverzeichnis
0 Ouvertüre
1
1 Eindimensionale Wellenmechanik
1.1 Potentialtopf (Box) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2 Das freie Teilchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4
5
8
2 Teilchen im Potential
2.1 Zeitunabhängige Schrödingergleichung
2.2 Lösungsarten . . . . . . . . . . . . . .
2.3 Der endliche Potentialtopf . . . . . . .
2.4 Beispiel: Die Potentialbarriere . . . . .
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10
10
10
11
13
3 Der harmonische Oszillator
14
3.1 Analytische Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
3.2 Algebraische Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
iii
iv
Kapitel 0
Ouvertüre
In der klassischen Mechanik haben wir ein System von Punktmassen mit einem
Phasenraum {~xi (t0 ), ~pi (t0 )} zu einem Zeitpunkt t0 betrachtet und die Effekte von
inneren und äusseren Kräften studiert. Dabei haben wir Lagrange- und HamiltonFunktionen L und H betrachtet, um Bewegungsgleichungen für {~xi (t), p~i (t)} für
alle Zeitpunkte t zu erhalten. Insbesondere konnten wir (im Prinzip) alle ~xi und
p~i gleichzeitig beliebig genau bestimmen und messen. In der klassischen Mechanik
beeinflusst die Messung das System (im Prinzip) nicht. Wie wir sehen werden, ist
dies in der Quantenmechanik (QM) anders.
Symmetrien spielen in der klassischem Mechanik eine wichtige Rolle, da nach
dem Noether-Theorem diese stets mit Erhaltungsgrössen (z.B. I~tot , P~tot und Etot )
verbunden sind. Auch in der QM werden wir uns eingehend mit Symmetrien befassen.
Postulate der QM
(intuitiv nicht zugänglich)
Es gibt verschiedene Interpretationen der QM; wir benutzen “shut up and calculate”,
welche keine philosophischen Aspekte betrachtet.
Eine Theorie zeichnet sich dadurch aus, dass sie in sich widerspruchsfrei ist und
experimentell bestätigt werden kann. Dies trifft auf die nachfolgenden Postulate zu,
wie wir im Laufe der Vorlesung sehen werden
1. Ein System (in einem reinen Zustand) wird durch einen Vektor (ket) in einem
Hilbertraum (HR) beschrieben.
• Die Wahl des HR hängt dabei vom betrachtet System ab (vgl. Phasenraum).
• |ψi ∈ HR ist ein Zustandsvektor. Darin ist die maximal mögliche Information über das System enthalten.
• Normierung:
kψk =
p
hψ|ψi = 1 ,
(0.1)
wobei k · k die Norm und h·|·i das Skalarprodukt des Hilbertraums ist.
• Die Phase ϕ des Zustandes |ψi ∼ eiϕ |ψi ist beliebig, da sie unphysikalisch,
dh. experimentell nicht zugänlich, ist.
• Eine Wellenfunktion ψ(x) ist ein Zustand im Hilbertraum der quadratintegrablen Funktionen L2 [a, b].
1
KAPITEL 0. OUVERTÜRE
~ ~x oder E) ent2. Jede Observable A (dh. physikalische Messgrösse wie P~ , L,
spricht einem selbstadjungierten (für uns gleichbedeutend zu hermiteschen)
Operator im HR.
• Der zu A adjungierte Operator A† ist definiert durch
hψ|Aχi = A† ψ χ ≡ hψ|A|χi
oder äquivalent hψ|A|χi∗ = χA† ψ .
(0.2)
• Ein Operator heisst selbstadjungiert, wenn A = A† . Insbesondere beinhaltet dies, dass die Definitionsbereiche übereinstimmen, DA = DA† , wobei
dies in der Physik oft wenig Beachtung findet.
• Spektraldarstellung eines Operators (mit rein diskretem Spektrum):
Für einen selbstadjungierten Operator A können wir
A=
N
X
n=1
an |ϕn i hϕn |
(0.3)
schreiben, wobei an ∈ R die Eigenwerte zu den Eigenvektoren |ϕn i sind,
dh. A |ϕn i = an |ϕn i und N die Dimension des HR ist.
Wir nennen {an } das Spektrum des Operators, welches möglicherweise
entartet ist. Ausserdem bilden die Eigenvektoren ein vollständiges Orthonormalsystem (VONS), dh. hϕn |ϕm i = δnm .
3. Das Resultat einer Messung der Observablen A ist ein EW des Operators A
(genauer: ein Wert im Spektrum von A). Bemerke, dass jeder EW im Spektrum
liegt. Jedoch ist nicht jedes Element im Spektrum ein EW, da das Spektrum
kontinuierlich sein kann.
4. Falls das System im Zustand |ψi ist, dann ist die Wahrscheinlichkeit den EW
an zu messen
p(an ) = | hϕn |ψi |2 .
(0.4)
Falls an entartet ist, muss über alle entsprechenden hϕn | summiert werden.
Inbesondere ist es nicht möglich vorherzusagen, welcher Eigenwert gemessen
wird, ausser wenn |ψi selbst ein Eigenvektor mit Eigenwert aψ ist, da in diesem
Fall p(aψ ) = 1 und alle anderen p(an ) = 0 sind
p(an ) = | hϕn |ψi |2 = δnψ .
5. Kollaps des Zustandes/der Wellenfunktion:
Nach der Messung der Observablen A mit Resultat an ist das System im
Zustand |ϕn i, dh. im Eigenzustand des Operators A zum EW an . Für den Fall,
dass an entartet ist, nimmt das System irgend einen Zustand im Eigenraum
(ER) zu an an
messe A, erhalte an
HR ∋ |ψi −−−−−−−−−−−−→ |ϕn i ∈ ER .
2
Wird A nach erfolgter Messung noch einmal im gleichen (zeitunabhängigen)
System gemessen, ist das Ergebnis garantiert an
messe A, erhalte garantiert an
|ϕn i −−−−−−−−−−−−−−−−−→ |ϕn i .
Wir sehen also, dass Messungen einen starken Einfluss auf ein quantenmechanisches System haben.
6. Zeitevolution:
Sei das System zum Zeitpunkt t0 im Zustand |ψ(t0 )i. Dann kann das System
zum Zeitpunkt t durch den Evolutionsoperator U bestimmt werden
|ψ(t)i = U(t, t0 ) |ψ(t0 )i .
(0.5)
U ist unitär, dh. UU † = 1 und kann aus der Schrödingergleichung
i~
d
|ψ(t)i = H |ψ(t)i
dt
(0.6)
d
U =HU.
dt
(0.7)
wie folgt bestimmt werden:
i~
Der Hamiltonoperator H ist der (selbstadjungierte) Operator, der der Energie
i
entspricht. Falls H zeitunabhängig ist, gilt U(t, t0 ) = e− ~ H(t−t0 ) .
In der Schrödingergleichung (0.6) wir auch häufig die partielle Ableitung ∂/∂t
geschrieben. Da in (0.6) nur eine Variable vorkommt (t) macht das keinen
Unterschied.
3
Kapitel 1
Eindimensionale Wellenmechanik
Wir betrachten ein nicht-relativistisches Teilchen, das sich in einer Dimension (z.B.
der x-Richtung) bewegt und legen einen Bereich a ≤ x ≤ b fest, wobei a = −∞ und
b = +∞ möglich sind.
Aus dem ersten Postulat folgt, dass wir einen HR brauchen und wir wählen
L2 [a, b], den Raum der quadratintegrablen Funktionen auf dem Intervall a ≤ x ≤ b.
Zudem brauchen wir einen Zustandsvektor |ψi ∼ ψ(x) ∈ L2 [a, b], wobei ψ(x) die
Wellenfunktion ist.
Das Skalarprodukt auf L2 [a, b] ist definiert durch
Z b
!
hχ|ψi =
dx χ∗ (x)ψ(x) < ∞ .
(1.1)
a
Weiter ist
2
kψk = hψ|ψi =
Z
a
b
!
dx |ψ(x)|2 < ∞ ,
wobei kψk2 für das Quadrat der Norm steht. Da L2 [a, b] ein Vektorraum ist, folgt
aus |ψi , |χi ∈ L2 [a, b] und c1 , c2 ∈ C, dass auch c1 |ψi + c2 |χi ∈ L2 [a, b].
Auf L2 [a, b] gilt folgende Äquivalenzrelation: Wir schreiben |ψi = |χi falls,
ψ(x) = χ(x) fast überall gilt, dh. überall bis auf einzelne (allenfalls unendlich viele)
Punkte. Das bedeutet, dass es in L2 eigentlich keinen Sinn macht, von ψ(2) oder
ψ ′ (4) zu reden.
Typischerweise schränken wir uns aber auf Ccn [a, b] (n mal stetig differenzierbar
mit kompakten Träger) ein. Dieser Raum liegt dicht in L2 [a, b], dh. jedes |ψi ∈
L2 [a, b] kann beliebig gut durch Funktionen in Ccn [a, b] angenähert werden. Daher
machen ψ(2) oder ψ ′ (4) nun auch Sinn. Beachte aber, dass nur L2 ein HR ist, Ccn ist
nicht vollständig. L2 ist sogar separabel, dh. es existiert eine abzählbare Basis bzw.
ein abzählbares VONS, allerdings mit dim L2 = ∞.
Postulat 6 stellt die Frage nach dem Hamilton-Operator: Aus dem zweiten Postulat wissen wir, dass jede Observable einem selbstadjungierten Operator entspricht.
Wie findet man nun H? Hier ist die Frage einfach zu beantworten, allgemein kann
es aber sehr schwierig sein.
Wir betrachten die klassische Energie E = p2 /2m (Gleichung zwischen Zahlen)
und “quantisieren” den Impuls
4
1.1. POTENTIALTOPF (BOX)
p→P =
~ ∂
,
i ∂x
wobei zu beachten ist, dass p eine klassische Grösse ist und P ein (selbstadjungierter) Operator. Der formale Beweis, dass P selbstadjungiert ist, beinhaltet die
Prüfung des Definitionsbereiches und hängt insbesondere von den Randbedingungen ab.
Damit erhalten wir für
E=
p2
~2 ∂ 2
→H=−
.
2m
2m ∂x2
Daraus folgt die Schrödingergleichung der Wellenmechanik
i~
d
|ψ(t)i = H |ψ(t)i
dt
⇒
i~
∂
~2 ∂ 2
Ψ(x, t) = −
Ψ(x, t) .
∂t
2m ∂x2
Beachte, dass wir in der letzten Gleichung partielle Ableitungen schreiben, da Ψ(x, t)
von zwei Variablen, t und x, abhängt. Diese partielle Differentialgleichung lösen wir
durch Separation der Variablen, dh. wir schreiben Ψ(x, t) = ψ(x)ϕ(t) und erhalten
⇒
~2 1 ∂ 2 ψ
1 ∂ϕ
=−
i~
ϕ ∂t
2m ψ ∂x2
dϕ
~ d2 ψ
i~
= Eϕ
und
−
= Eψ ,
dt
2m dx2
wobei die letzte Gleichung die zeitunabhängige Schrödingergleichung ist. Die Lösung
ψ(x) beschreibt die stationären Zustände, da die Zeitabhängigkeit in ϕ(t) durch eine
ebene Welle (trivial) gelöst wird
i
ψ(x) = e ~ p x
i
und ϕ = e− ~ E t
i
Ψ(x, t) = e ~ (p x−E t)
∀E =
p2
.
2m
Dies sind alle Lösungen. Jedoch kann man keine allgemeine Aussage darüber machen,
welche Werte für E bzw. P möglich sind. Dies hängt vom System ab. Wir betrachten
nun zwei Beispiele.
1.1
Potentialtopf (Box)
Als erstes Beispiel betrachten wir die Situation in der ein Teilchen in eine Box gesperrt wird. Wiederum wählen wir den Raum der quadratintegrablen Funktionen als
HR, jedoch wählen wir ein anderes Intervall: L2 [0, a]. Dies entspricht dem Potential
wie in Abb. 1.1 dargestellt
(
0 0≤x≤a
.
V =
∞ sonst
Zudem betrachten wir den
5
KAPITEL 1. EINDIMENSIONALE WELLENMECHANIK
V (x) = ∞
V (x) = ∞
V (x) = ∞
V (x) = 0
a
0
x
Abbildung 1.1: Das Potential einer Box
• Impulsoperator
~ d
P =
auf dem Definitionsbereich DP =
i dx
ψ, ψ ′ ∈ L2 [0, a]
ψ(0) = ψ(a)
,
(1.2)
dh. wir wählen symmetrische Randbedingungen, damit folgt P = P † (siehe
MMP).
• Eigenzustände von P
Wir wählen folgenden Ansatz, um der Symmetriebedingung zu genügen
1 2πn
|ϕn i = ϕn (x) = √ ei a x ,
a
∀n ∈ Z .
(1.3)
Wendet man nun den Impulsoperator auf |ϕn i an, erhält man
P |ϕn i =
~ d 1 i 2πn x 2π~
√ e a =
n |ϕn i .
i dx a
a
(1.4)
Dies bedeutet, dass |ϕn i Eigenzustände mit Eigenwert n 2π~/a für n ∈ Z ist.
Wir haben also ein rein diskretes Spektrum. Ausserdem gilt
hϕn |ϕm i = δnm ,
sodass |ϕn i ein VONS bildet (vgl. Fourierreihe und Satz von Parseval).
• Hamilton Operator
~2 d2
auf dem Definitionsbereich DH =
H=−
2m dx2
ψ, ψ ′ , ψ ′′ ∈ L2 [0, a]
ψ(0) = ψ(a) = 0
Die Randbegingungen stellen sicher, dass H = H † (siehe MMP).
• Eigenzustände von H
r
nπx 2
, n ∈ N,
sin
|ψn i = ψn (x) =
a
a
~2 π 2 2
~2 d2
ψ
(x)
=
n |ψn i = En |ψn i .
H |ψn i = −
n
2m dx2
2a2 m
Wir haben erneut ein VONS und ein rein diskretem Spektrum.
6
.
(1.5)
1.1. POTENTIALTOPF (BOX)
• VONS
Jedes |ψi ∈ L2 [0, a] (dh. ein beliebiges ψ(x)) kann beliebig genau approximiert
werden (nicht punktweise, sondern in der Norm), entweder durch |ψn i oder
durch |ϕn i. Als Beispiel betrachten wir
√ (
3 a − 2x
ψ(x) = 3/2
a
2x − a
für x <
für x >
a
2
a
2
wobei die Konstante durch die Normierung bestimmt wird. In Figur 1.2 ist
gezeigt, wie sich die Entwicklungen in |ψn i und |ϕn i der Zustand |ψi annähern.
• Zeitentwicklung
Sei der Anfangszustand |ψ(t0 = 0)i = Ψ(x, t0 = 0) gegeben und wir suchen
den Zustand zu einem beliebigen Zeitpunkt, |ψ(t)i = Ψ(x, t).
Wir haben festgestellt, dass ein System gelöst wird, indem alle Eigenzustände
von H |ψn i gefunden werden, dh. H diagonalisiert wird, bzw. seine Spektraldarstellung gefunden wird
H=
∞
X
n=1
En |ψn i hψn | .
(1.6)
Dann entwickeln wir den Anfangszustand
|ψ(t0 )i =
∞
X
n=1
cn |ψn i ,
cn = hψn |ψi =
Z
a
dx ψn∗ (x)Ψ(x, t0 ) .
0
Die Zeitentwicklung der Eigenzustände |ψn i ist trivial und damit erhält man
|ψ(t)i =
∞
X
n=1
i
cn e ~ En t |ψn i .
In der Tat erfüllt dieses |ψ(t)i die Schrödingergleichung
H |ψ, ti =
∞
X
n=1
En |ψn i hψn |ψ, ti =
X
n
i
cn En e ~ En t |ψn i = i~
∂
|ψ, ti .
∂t
Die Spektraldarstellung (1.6) entspricht der Diagonalisierung des Hamiltonian,
bildlich dargestellt als


 


E1
c1
c1 E1


 


E2
H=
 , ψ = c2  → Hψ = c2 E2  .
..
..
..
.
.
.
7
KAPITEL 1. EINDIMENSIONALE WELLENMECHANIK
2.0
1.5
1.5
1.0
1.0
0.5
0.5
0.2
0.4
0.6
0.8
1.0
0.2
0.4
0.6
0.8
1.0
(a) Entwicklung in Eigenfunktionen von H (b) Entwicklung in Eigenfunktionen von P
Abbildung 1.2: Ein Beispiel für eine Entwicklung
eines Zustandes
|ψi = ψ(x) (rot)
PN
PN
in Eigenfunktionen von H bzw. P , dh. n=1 cn |ψn i und n=−N cn |ϕn i für N = 100
(grün), N = 5 (orange) und N = 1 (blau).
Der Hamiltonoperator H und der Impulsoperator P in L2 [0, a] sind nicht beschränkt. Das erkennt man eindeutig daran, dass es immer noch grössere dazugehörige Eigenwerte gibt.
Damit sind sie auch nicht stetig und schon gar nicht kompakt. Kompakte Operatoren sind generell vorteilhaft, da sie ein rein diskretes Spektrum haben, das sogar
höchstens 0 als Häufungspunkt hat.
Obwohl H und P nicht kompakt sind, haben sie ein rein diskretes Spektrum,
denn sie haben ist eine kompakte Resolvente.
Andereseits ist der Ortsoperator X für einen Potentialtopf mit a < ∞ zwar
beschränkt, aber nicht kompakt; es gibt keine Eigenvektoren oder Eigenwerte der
Form
X |Ψi = xΨ(x) = x |Ψi .
Der Operator hat also ein rein kontinuierliches Spektrum σX = [0, a].
1.2
Das freie Teilchen
Wir schreiben die Schrödinger-Gleichung als
−
~2 d2
ψ(x) = E ψ(x) bzw. ψ ′′ = −k 2 ψ ,
2m dx2
mit
k=
√
p
2mE
= > 0.
~
~
Eine allgemeine Lösung ist eine Superposition zweier entgegengesetzt laufender Wellen
ψk (x) = A eik x + B e−ik x ,
da es sich um eine Differentialgleichung 2. Ordnung handelt, also zwei Randbedingungen oder Konstanten A und B fixiert werden müssen. Wir beachten, dass jetzt
keine Quantisierung oder Einschränkung für k mehr vorliegt.
8
1.2. DAS FREIE TEILCHEN
Die Zeitentwicklung folgt entsprechend Postulat 6
~k
t
ik x− 2m
+ B e−ik
|ψk , ti = Ψk (x, t) = A e
~k
x+ 2m
t
.
Diese Lösung entspricht der Kombination von einer Welle, die nach rechts läuft, und
einer Welle, die nach links läuft.
Wir erlauben k ∈ R (also k > 0 und k < 0) und passen die Wellenfunktion
entsprechend an, um die Lösungen von Wellen, die nach links laufen, von denen, die
nach rechts laufen, zu trennen
k > 0 ⇐⇒ p > 0 ⇐⇒ läuft nach rechts;
k < 0 ⇐⇒ p < 0 ⇐⇒ läuft nach links.
Es gibt also überabzählbar viele Lösungen der Form
~k
ik x− 2m
t
Ψk (x, t) = Ak e
mit den Konstanten
k=±
√
2mE
∈ R.
~
Wendet man den Impulsoperator P auf die allgemeine Lösung Ψk (x, t) an, erhält
man etwas, das aussieht wie eine Eigenwertgleichung
P Ψk (x, t) =
~ ∂
Ψk (x, t) = ~kΨk (x, t) = pΨk (x, t) .
i ∂x
Allerdings liegt der vermeintliche EV gar nicht im HR, dh. Ψk ∈
/ L2 [−∞, ∞], da
er nicht quadratintegrabel ist. Wir nennen |ψk , ti uneigentlicher Eigenvektor 1 und
bemerken, dass H und P ein kontinuierliches Spektrum haben.
Um Zustände zu bilden, die tatsächlich im HR liegen, bilden wir Wellenpakete
Z ∞
dk
φ(k) Ψk (x, t) .
Ψ(x, t) =
−∞ (2π)
R
Diese sind im Hilbertraum L2 [−∞, ∞], falls dk |φ(k)|2 < ∞, sind aber keine Eigenzustände vom Impuls- oder Hamiltonoperator. Wir werden im Kapitel 3 näher
darauf eingehen.
Um mit echten EV zu arbeiten wird of folgender Trick angewandt: “Put the
system in a box”: Das System wird von L2 [−∞, ∞] zu L2 [−a, a] mit a gross eingeschränkt. Dadurch bekommt H ein rein diskretes Spektrum mit echten EV. Am
Ende aller Berechnungen wird der Limit a → ∞ vollzogen.
1
Rein mathematisch betrachtet gibt es gar keine EV.
9
Kapitel 2
Teilchen im Potential V (x)
In der Vorlesung Physik III wurden bereits einige der folgenden Eigenschaften und
Potentiale diskutiert. Wir fassen hier kurz das Wichtigste zusammen.
2.1
Zeitunabhängige Schrödingergleichung
Die zeitunabhängige Schrödingergleichung für ein Teilchen in einem Potential V (x)
lautet
−
~2 d2
ψ(x) + V (x)ψ(x) = Eψ(x)
2m dx2
oder
ψ ′′ =
2m
V
(x)
−
E
ψ.
~2
Wir fordern, dass das Potential reell ist, damit H = H † .
Für hinreichend wohldefinierte Potentiale V (x) sind ψ und ψ ′ stetig. Um dies zu
verstehen, betrachten wir einen allgemeinen Punkt x0 und integrieren die Schrödingergleichung von x0 − ǫ bis x0 + ǫ. Danach führen den Limit ǫ → 0 aus
~2
−
2m
Z
x0 −ǫ
|
Z x0 +ǫ
Z x0 +ǫ
d2 ψ
dx V (x)ψ(x) = E
dx ψ(x) .
dx 2 +
dx
x0 −ǫ
x0 −ǫ
{z
} |
{z
} |
{z
}
x0 +ǫ
=ψ′ (x0 +ǫ)−ψ(x0 −ǫ)
→0 für |V |<∞
→0
Weil ψ beschränkt ist und die Länge der Strecke, über die wir integrieren nach 0
strebt, verschwinden der zweite Term und die rechte Seite. Daher muss auch der
erste Term null sein, was bedeutet, dass ψ ′ stetig ist in x0 . Dies gilt jedoch nur wenn
V (x) beschränkt ist. Im unendlich tiefen Potentialtopf ist dies nicht der Fall, daher
ist dort ψ zwar stetig, ψ ′ aber nicht (an den Stellen x = 0 und x = a).
2.2
Lösungsarten
Abhängig von der Energie E werden verschiedene Bereiche unterschieden. Wir betrachten ein Teilchen, das sich anfänglich an einem Ort x befindet, an dem V (x)
eine Vertiefung hat. Der tiefste Punkt der Vertiefung sei V0 , der maximale Punkt an
ihrem Rand Vmax . Siehe dazu auch Abb. 2.1. Wir kategorisieren die folgenden Fälle:
10
2.3. DER ENDLICHE POTENTIALTOPF
V(x)
(4)
Vmax
(3)
Vmin
x
(2)
V0
(1)
Abbildung 2.1: Ein beliebiges Potential mit den Lösungsarten. Siehe Text für Details
1. E < Vmin : Es gibt keine entsprechenden Lösungen.
2. V0 < E < Vmin : Sei Vmin der der kleinste Wert des Potentials ausserhalb
der Potential-Vertiefung. In diesem Bereich gibt es gebundene Zustände.
Die Teilchen können nicht aus der Potential-Vertiefung heraus tunneln. Die
möglichen Teilchenenergien En sind diskret.
3. Vmin < E < Vmax : Hier kann das Teilchen aus der Vertiefung heraus tunneln.
4. Vmax < E: Hier gibt es Streuzustände und das Spektrum von E ist kontinuierlich.
2.3
Der endliche Potentialtopf
Im Unterschied zum unendlich tiefen Potentialtopf definieren wir hier das Potential
wie folgt1
(
−V0
V (x) =
0
−a ≤ x ≤ a
,
|x| > a
mit V0 > 0. Wir diskutieren jetzt der Reihe nach die verschiedenen Lösungen, verweisen aber für die detaillierte Rechnung und Diskussion auf Serie 2 der Aufgaben.
• −V0 < E < 0: Gebundene Zustände
Für gebundene Zustände gibt es diskrete Energieniveaus En . Wir unterteilen
die Schrödingergleichung in drei Sektoren, die wir getrennt lösen:
1
Insbesondere ist das Potential jetzt um den Ursprung zentriert, um die Lösungen angenehmer
zu parametrisieren.
11
KAPITEL 2. TEILCHEN IM POTENTIAL
2mE
ψ ′′ = − 2 ψ = κ2 ψ
~
x < −a:
mit
κ=
√
−2mE
>0
~
ψ(x) = A e−κx + B eκx = B eκx
−a < x < a:
x > a:
A = 0 weil e−κx ∈
/ L2 [−∞, ∞] für x < 0 und κ > 0.
p
2m(E + V0 )
>0
ψ ′′ = −l2 ψ mit l =
~
ψ(x) = C sin(lx) + D cos(lx)
√
−2mE
2mE
2
′′
>0
ψ = − 2 ψ = κ ψ mit κ =
~
~
ψ(x) = F e−κx + G eκx = F e−κx
G = 0 weil eκx ∈
/ L2 [−∞, ∞] für x > 0 und κ > 0 .
Aufgrund der Symmetrie des Potentials V (x) = V (−x) folgt, dass ψ(x) gerade
oder ungerade sein muss. Wir betrachten gerade Lösungen, also C = 0 und
F = B. Wir müssen nun die Konstanten D und F bestimmen. Da die Wellenfunktion überall stetig sein muss (Stetigkeitsbedingungen), also insbesondere
auch an den Grenzen x = −a und x = a, finden wir
D cos(l a) = lim+ ψ(x) = lim− ψ(x) = F e−κ a ,
x→0
x→0
−l D sin(l a) = lim+ ψ (x) = lim− ψ ′ (x) = −κ F e−κ a ,
′
x→0
x→0
⇒
κ = l tan(l a) .
Dabei hängen l und κ von E und V0 ab, dh. nur bestimmte diskrete Werte für
E erfüllen diese Gleichung.
Beachte auch, dass selbst für V0 < E < 0 die Aufenthaltswahrscheinlichkeit
|ψ(x)|2 im klassisch verbotenen Bereich |x| > a nicht verschwindet. Sie ist
jedoch exponentiell unterdrückt und damit bleibt das Teilchen gebunden.
• 0 < E: Streuzustände
Wir wählen als beliebige Anfangsbedingung eine einlaufende Welle von links
Richtung Potentialtopf
A · ei k x .
Das führt zu der Randbedingung bei x > a, wo es nur eine Welle nach rechts,
das heisst eine auslaufende Welle, gibt.
x < −a:
In diesem Gebiet gibt es eine einlaufende Welle (von der Anfangsbedingung) und eine reflektierte Welle.
ψ(x) = A ei k x + B e−i k x
−a < x < a:
x > a:
ψ(x) = C sin(lx) + D cos(lx)
Eine auslaufende Welle:
ψ(x) = F ei k x
12
2.4. BEISPIEL: DIE POTENTIALBARRIERE
Wir können die Konstanten B, C, D und F durch vier Stetigkeitsbedingungen
für ψ und ψ ′ an den Rändern des Potentialtopfs bestimmen. Die Anfangsbedingung, dh. der Fluss der einlaufenden Teilchen, gibt A vor.
Des Weiteren definieren wir den Transmissions- bzw. Reflexionskoeffizient
T =
2.4
|F |2
|A|2
bzw. R =
|B|2
.
|A|2
Beispiel: Die Potentialbarriere
Wir erwähnen noch kurz die Potentialbarriere, dh. folgendes Potential
(
V0 0 ≤ x ≤ a
,
V (x) =
0 sonst
mit V0 > 0. Hier gibt es keine gebundenen Zustände, sondern ein rein kontinuierliches Spektrum. Wir bemerken, dass im Gegensatz zur klassischen Mechanik das
Teilchen selbst für 0 < E < V0 durch die Barriere kommt, dh. |F |2 > 0. Dies nennt
sich Tunneleffekt und ist einer der zentralen Unterschiede zwischen klassischer und
Quantenmechanik.
13
Kapitel 3
Der harmonische Oszillator
Ein harmonischer Oszillator ist ein Teilchen in einem Potential
V (x) =
m 2 2
ω x .
2
Da V (x) unbeschränkt ist, gibt es nur gebundene Zustände und H hat ein rein
diskretes Spektrum. Es gibt also ein VONS von Eigenszuständen H |ψn i = En |ψn i.
Wir stellen die zeitunabhängige Schrödingergleichung auf
−
~2 ′′
m
ψ (x) + ω 2 x2 ψ(x) = Eψ(x) .
2m
2
Es zwei Möglichkeiten diese Gleichung zu lösen, die wir der Reihe nach diskutieren
werden.
3.1
Analytische Lösung
Wir lösen die Differentialgleichung direkt. Das ist ein Problem, das in der MMP
bereits gelöst worden ist.
Dazu skalieren wir
y=
r
mω
x,
~
und schreiben
ψ ′′ (y) = (y 2 − K)ψ(y) ,
mit K = 2E/~ω. Im Bereich y → ±∞ ist K unwichtig und die Differentialgleichung
lautet ψ ′′ = y 2 ψ, was durch
ψ(y) = A e−y
2 /2
+ B ey
2 /2
gelöst wird. Damit |ψi ∈ L2 [−∞, ∞] folgt, dass B = 0. Daher machen wir für die
2
vollständige Lösung den Ansatz ψ(y) = h(y)e−y /2 und erhalten
h′′ (y) − 2yh′(y) + (K − 1)h(y) = 0
14
3.2. ALGEBRAISCHE LÖSUNG
die Hermite Differentialgleichung. Diese lässt sich zum Beispiel durch die Frobenius
Methode lösen, dh. mit einem Ansatz als Potenzreihe
h(y) =
∞
X
ai y i .
i=0
Damit die Wellenfunktion normierbar bleibt, muss h(y) ein Polynom n-tern Grades
sein, dh. die Reihe bricht nach n Termen ab 1 . Allerdings geschieht dies nur für
spezifische Werte von K bzw. E
K = 2n + 1 , n ∈ N .
Die Lösungen h(y) werden Hermite Polynome genannt und haben entweder nur
gerade oder nur ungerade Terme.
Jetzt können wir auch normierte Eigenfunktionen |ψn i und Energien En aufschreiben:
1
En = ~ω n +
,
2
mω 1/4 1
2
√
hn (y) e−y /2 ,
|ψn i = ψn (x) =
n
π~
2 n!
wobei wir den Vorfaktor gewählt haben, damit hψm |ψn i = δmn ist. Da der hermitische Operator H ein rein diskretes Spektrum hat, bilden die Eigenzustände ein
VONS und wir können die Spektraldarstellung anwenden
H=
∞
X
n=1
En |ψn i hψn | .
Wir bemerken noch, dass die Energie des Grundzustandes, also derjenige Zustand
mit kleinst möglicher Energie, nicht verschwindet
E0 =
~ω
> 0.
2
Dies lässt sich mit der Unschärferelation begründen.
3.2
Algebraische Lösung
Wir bemerken, dass wir den Hamilton-Operator als
H=
1
P 2 + (mω X)2
2m
schreiben können, wobei P (X) der Impulsoperator (Ortsoperator) auf L2 [−∞, ∞]
ist. Wir definieren jetzt Operatoren a±
a± = √
1
∓ i P + mω X .
2~mω
15
KAPITEL 3. DER HARMONISCHE OSZILLATOR
Wir betrachten a− a+
1
iP + mωX − iP + mωX
2~mω
1
P 2 + (mωX)2 − imω(XP − P X)
=
2~mω
1
i
=
H − [X, P ]
~ω
2~
1
=
P 2 + (mωX)2 + ~mω .
2~mω
a− a+ =
Wir haben den Kommutator [A, B] = AB − BA definiert und benutzt, dass
[X, P ] = i~ .
(3.1)
Mit (3.1) können wir auch [a− , a+ ] = 1 herleiten. Damit können wir den Hamilton
Operator als
1
~ω
1
= ~ω a+ a− +
=
(a+ a− + a− a+ )
H = ~ω a− a+ −
2
2
2
schreiben.
16
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