LEITLINIENORIENTIERTE PATIENTENINFORMATIONEN ZUR SCHIZOPHRENIE In Abstimmung mit der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) Auf Basis einer Textvorlage des National Institute of Mental Health (NIMH) 2 Gültigkeitsvermerk Stand: April 2001 Diese Patienteninformationen werden regelmäßig aktualisiert bei Vorliegen neuer medizinischer Erkenntnisse Impressum Redaktionelle Überarbeitung: Ralph Menke Gesamtredaktion: Prof. Dr. W. Gaebel Referat Qualitätssicherung der DGPPN Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Heinrich-Heine-Universität Rheinische Kliniken Düsseldorf Postfach 12 05 10 40605 Düsseldorf 3 Gliederung 1. Was ist Schizophrenie? Schizophrenie als Krankheit Die Diagnose Die Wahrnehmung eines Schizophrenie-Kranken § Gestörte Sinneswahrnehmung § Halluzinationen und Illusionen § Wahnvorstellungen § Beeinträchtigung des Denkvermögens § Gefühlsäußerungen § Normal oder Anomal Häufig gestellte Fragen zur Schizophrenie § Können Kinder an Schizophrenie erkranken? § Wie groß ist die mögliche Gefährdung durch Suizid? § Neigen Menschen mit Schizophrenie zu Gewalt? 2. Die Ursachen der Schizophrenie Kann Schizophrenie vererbt werden? Wird Schizophrenie durch Veränderungen im Gehirn verursacht? 3. Die Behandlung der Schizophrenie Wie sieht die medikamentöse Behandlung aus? Wie lange sollten Menschen mit Schizophrenie Antipsychotika nehmen? Welche Nebenwirkungen können auftreten? Medikamentöse Behandlung und Drogen Möglichkeiten der psychosozialen Behandlung § Rehabilitation § Individuelle Psychotherapie § Angehörigenarbeit § Selbsthilfegruppen 4. Möglichkeiten der Unterstützung durch Angehörige und andere 5. Wie verläuft die Schizophrenie? 6. Weiterführende Informationen Adressen / Links zu weiteren Angeboten 4 1. Was ist Schizophrenie? Schizophrenie ist eine psychische Erkrankung, die in vielen Fällen chronisch verlaufen und zu Beeinträchtigungen im Alltagsleben führen kann. In der Bundesrepublik erkranken etwa 800.000 Menschen - das sind nahezu ein Prozent der Bevölkerung - im Laufe ihres Lebens an Schizophrenie. Obwohl Schizophrenie bei Männern wie Frauen mit gleicher Häufigkeit auftritt, erkranken Männern häufig früher - normalerweise mit etwa zwanzig Jahren -, während die Erkrankung bei Frauen gewöhnlich erst zwischen dem zwanzigsten und dreißigsten Lebensjahr auftritt. Menschen, die an Schizophrenie leiden, erleben häufig beunruhigende Symptome: Sie hören Stimmen, die außer ihnen niemand wahrnimmt, oder glauben, dass andere Personen ihre Gedanken lesen, sie kontrollieren oder ihnen etwas anhaben wollen. Derartige Symptome führen oft dazu, dass diese Menschen sich zurückziehen und Angst vor ihren Mitmenschen haben. Ihre Art zu sprechen und ihr Verhalten sind unter Umständen so verändert, dass sie auf andere unverständlich oder bedrohlich wirken können. Die Behandlungsmöglichkeiten, die derzeit zur Verfügung stehen, können viele Auswirkungen lindern, doch einige Betroffene behalten ihr Leben lang eine Reihe von Symptomen zurück; Schätzungen zufolge kann etwa bei einem von fünf Patienten ein vollständiger Rückgang der Krankheitssymptome erreicht werden. Heutzutage gibt es jedoch auch Behandlungsmöglichkeiten für diese Menschen und ihre Familien. Die Forschung entwickelt schrittweise neue und sicherere Medikamente und untersucht das komplexe Ursachengeflecht der Erkrankung. Wissenschaftler nutzen vielfältige Ansätze von der Molekulargenetik bis hin zu Bevölkerungsstudien, um die Schizophrenie zu erforschen. Methoden aus der Hirnforschung, mit deren Hilfe man in der Lage ist, das menschliche Gehirn in seiner Struktur und Funktion abzubilden und zu untersuchen, versprechen neue Einblicke in die Erkrankung. Schizophrenie als Krankheit Schizophrenie ist weltweit verbreitet. Ausmaß und Schwere der Symptome sowie das langjährige chronische Muster der Erkrankung führen oftmals zu einer außerordentlichen Beeinträchtigung des Patienten. Medikamente und andere Formen der Behandlung können bei regelmäßiger und verschreibungsgemäßer Anwendung dazu beitragen, die irritierenden Symptome abzuschwächen und unter Kontrolle zu bekommen. Manchen Patienten jedoch 5 helfen die bislang entwickelten Therapieformen nur sehr unzureichend, andere wiederum brechen die Behandlung vorzeitig ab, aufgrund als unangenehm empfundener Nebenwirkungen oder anderer Gründe. Auch im Falle einer erfolgreichen Behandlung können langfristige Auswirkungen der Krankheit - entgangene Lebensmöglichkeiten, Stigmatisierung, Restsymptome und Nebenwirkungen der Medikation - mitunter sehr störend sein. Erste Anzeichen für Schizophrenie zeigen sich oftmals in irritierenden oder sogar schockierenden Verhaltensänderungen. Besonders für nahe Angehörige kann es sehr schwer sein, mit den Symptomen der Schizophrenie umzugehen - in dem Bewußtsein, wie interessiert oder temperamentvoll die betroffene Person war, bevor sie krank wurde. Der plötzliche Ausbruch schwerer psychotischer Symptome wird als „akute psychotische“ Phase der Schizophrenie bezeichnet. Sie ist gekennzeichnet durch psychische Beeinträchtigungen, die mit Halluzinationen - also Störungen der Sinneswahrnehmung -, und/oder Wahnvorstellungen einhergehen, das heißt falschen, aber unbeirrbaren persönlichen Überzeugungen, die aus dem Unvermögen herrühren, reale von nicht-realen Erlebnissen zu unterscheiden. Weniger auffällige Symptome wie soziale Abkapselung oder auch ungewöhnliches Sprechen, Denken oder Verhalten können den akuten Symptomen vorangehen, zeitgleich mit ihnen auftreten oder ihnen folgen. Manche dieser Menschen haben in ihrem Leben vielleicht nur eine einzige akute psychotische Episode; andere durchleben mehrere solcher Episoden, können aber zwischendurch ein relativ normales Leben führen. Doch der Mensch mit „chronischer“ Schizophrenie - oder einem stetigen oder wiederkehrenden Krankheitsmuster - findet oftmals nicht zu einem normalen Funktionsniveau zurück und benötigt im typischen Fall eine langfristige, zumeist auch medikamentöse Behandlung, um die Symptome kontrollieren zu können. Die Diagnose Beim Auftreten von Symptome einer Schizophrenie ist es von großer Bedeutung, daß durch einen Arzt zunächst das Vorliegen möglicher anderer Erkrankungen ausgeschlossen wird denn manchmal zeigen Patienten schwere psychische Symptome, die auf andere Krankheitsbilder zurückzuführen sind. In diesem Zusammenhang ist es erforderlich, die Krankheitsgeschichte zu erheben und eine körperliche Untersuchung sowie Labortests vorzunehmen, um mögliche andere Ursachen für die Symptome auszuschließen, bevor die Diagnose Schizophrenie gestellt wird. Da zudem Drogenmissbrauch Symptome hervorrufen 6 kann, die denen der Schizophrenie ähneln, können Blut- oder Urinproben des Erkrankten im Krankenhaus oder beim Hausarzt auf diese Drogen hin untersucht werden. Bisweilen ist es zudem schwierig, psychische Störungen voneinander abzugrenzen. So haben beispielsweise manche Menschen mit Symptomen einer Schizophrenie längere Phasen von extremer Hochstimmung oder extremer Niedergeschlagenheit; und es ist wichtig zu unterscheiden, ob ein solcher Patient tatsächlich an Schizophrenie leidet, oder ob nicht vielmehr eine manisch-depressive (bipolare) bzw. eine hauptsächlich depressive Störung vorliegt. Bei Personen, deren Symptome nicht eindeutig in dieser Weise zugeordnet werden können, wird zuweilen auch eine „schizoaffektive Störung“ diagnostiziert. Die Wahrnehmung eines Schizophrenie-Kranken Entgegen einer weit verbreiteten Ansicht kann Schizophrenie nicht als gleichbedeutend mit „Persönlichkeitsspaltung“ angesehen werden. Die Welt der Schizophrenie-Kranken ist vielmehr in der Regel durch folgende Phänomene gekennzeichnet: § Gestörte Sinneswahrnehmung Menschen mit Schizophrenie haben unter Umständen eine Wahrnehmung der Realität, die ganz anders ausfällt als die Wirklichkeit, wie sie von ihren übrigen Mitmenschen gesehen und geteilt wird. Bedingt durch die Tatsache, dass sie in einer durch Halluzinationen und Wahnvorstellungen verzerrten Welt leben, sind sie oft verängstigt, befangen und verwirrt. Aufgrund der außergewöhnlichen Bilder der Wirklichkeit, die sie erfahren, können sie ein sehr wechselhaftes Verhalten an den Tag legen. Manchmal können sie entrückt, distanziert oder in sich versunken erscheinen, sie sitzen vielleicht stundenlang wie versteinert da, ohne sich zu bewegen oder zu sprechen. Dann wiederum gibt es Phasen, in denen sie voller Betriebsamkeit, ständig in Bewegung sind, und auf andere hellwach, konzentriert und aufmerksam wirken. § Halluzinationen und Illusionen Halluzinationen und Illusionen sind Wahrnehmungsstörungen, die häufig bei Menschen auftreten, die an Schizophrenie leiden. Bei Halluzinationen handelt es sich um Wahrnehmungen, die ohne Verbindung zu einer entsprechenden Reizquelle zustande kommen. Obschon Halluzinationen alle Sinne des Menschen betreffen können - den Gehör-, Gesichts-, Tast-, Geschmacks- und Geruchssinn -, ist das Hören von Stimmen, die für andere nicht wahrnehmbar sind, doch die verbreitetste Halluzination bei Schizophrenen. In der Wahrnehmung des Patienten können diese Stimmen beispielsweise seine Aktivitäten kommen- 7 tieren, eine Unterhaltung fortsetzen, vor drohenden Gefahren warnen oder ihm sogar Befehle erteilen. Demgegenüber spricht man von Illusionen, wenn ein Sinnesreiz zwar vorliegt, aber falsch gedeutet wird. § Wahnvorstellungen Mit dem Begriff Wahnvorstellungen werden offenkundig falsche persönliche Überzeugungen bezeichnet, die nicht durch Überlegung beeinflusst oder mit etwaigen Gegenbeweisen entlarvt werden können, und die nicht durch die in einer Gesellschaft herrschenden Kulturvorstellungen erklärbar sind. Wahnvorstellungen können ganz unterschiedlich ausfallen: Beispielsweise leiden Patienten mit sogenannten paranoiden Symptomen - etwa ein Drittel aller Schizophrenie-Erkrankten oft unter Verfolgungswahn oder leben in dem falschen und irrationalen Wahn, sie würden getäuscht, gequält, vergiftet oder man habe sich gegen sie verschworen. Diese Patienten glauben zuweilen, sie selbst, ein Angehöriger oder ein Freund seien Ziel dieser Verfolgung. Darüberhinaus können im Rahmen der Schizophrenie auch Fälle von Größenwahn Selbstbildnis eines schizophren erkrankten Künstlers auftreten. Darunter versteht man die Vorstellung, er oder sie sei eine berühmte oder bedeutende Gestalt. Im Einzelfall können die Wahnvorstellungen von Menschen, die an Schizophrenie erkrankt sind, für die Mitmenschen recht bizarr erscheinen. So kann der Erkrankte der festen Überzeugung sein, ein Nachbar kontrolliere sein Verhalten mit magnetischen Wellen, oder Menschen am Fernsehbildschirm ließen ihm besondere Nachrichten zukommen, oder dass seine eigenen Gedanken an andere laut ausgesendet werden. § Beeinträchtigung des Denkvermögens Schizophrenie wirkt sich bei den Betroffenen häufig auf ihre Fähigkeit aus, „klar zu denken“. Gedanken wechseln unter Umständen Schlag auf Schlag, vielfach kann sich der erkrankte Mensch nicht über einen längeren Zeitraum auf einen Gedanken konzentrieren und lässt sich leicht ablenken, weil er außerstande ist, seine Aufmerksamkeit zu bündeln. Es kommt vor, dass Menschen mit Schizophrenie nicht unterscheiden können, welche Dinge für eine Situation von Bedeutung sind und welche nicht. Dem Einzelnen gelingt es oftmals nicht, Gedanken logisch miteinander zu verknüpfen, so dass seine Gedankengänge unsystematisch und bruchstückhaft bleiben. Diese Beeinträchtigung der Kontinuität logi- 8 schen Denkens, die als „Denkstörung“ bezeichnet wird, erschwert anderen Menschen die Unterhaltung mit dem Kranken und befördert seine soziale Isolierung. Wenn Menschen nicht verstehen können, was der andere sagt, empfinden sie dies schnell als unangenehm und neigen dazu, jeglichen Kontakt mit dieser Person zu meiden. § Gefühlsäußerungen Personen mit Schizophrenie zeigen oft „abgestumpft“ oder „oberflächlich“ erscheinende Emotionen. Ein solches Verhalten hat seine Ursache in einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der emotionalen Ausdrucksfähigkeit. Es kommt durchaus vor, dass ein Mensch, der an Schizophrenie leidet, keinerlei Anzeichen normaler Gefühlsregung zeigt - das heißt er spricht möglicherweise sehr monoton, zeigt kaum Mimik und wirkt äußerst apathisch. Er wird dazu neigen, sich aus dem sozialen Leben zurückzuziehen und den Kontakt zu seinen Mitmenschen zu meiden; und sobald er gezwungen ist, in Interaktion zu anderen zu treten, kann es geschehen, dass er nichts zu erzählen hat, worin sich eine Art „erschöpftes Denken“ widerspiegelt. Ein derartiges Verhalten kann im Einzelfall mit einer allgemeinen Antriebsarmut einhergehen, verbunden mit stark eingeschränktem Interesse oder Freude am Leben. In einigen schweren Fällen können Betroffene ganze Tage verstreichen lassen, ohne das Geringste zu tun, und vernachlässigen dabei sogar die notwendigste Hygiene. Es ist wichtig, diese Beeinträchtigungen von Gefühlsausdruck und Motivation, die auf Familienmitglieder und Freunde sehr belastend wirken können, als Symptome der Schizophrenie zu begreifen - sie sind keinesfalls Charakterfehler oder persönliche Schwächen. § Normal oder Anomal Es kommt oft genug vor, dass auch gesunde Menschen in ähnlicher Weise fühlen, denken oder sich verhalten, wie Schizophrene es tun. Auch sie sind ab und zu nicht mehr in der Lage, „klar zu denken“. So haben viele Menschen beispielsweise extreme Angstgefühle, wenn sie vor einer größeren Gruppe sprechen sollen; sie reagieren irritiert, fühlen sich außerstande, ihre Gedanken beisammen zu halten und können sich nicht erinnern, was sie eigentlich sagen wollten. Natürlich spricht man in solchen Fällen nicht von Schizophrenie. Auf der anderen Seite verhalten sich schizophren Erkrankte auch nicht immer anomal. Vielmehr machen sie in manchen Situationen einen ganz normalen und zuverlässigen Eindruck, selbst wenn sie Halluzinationen oder Wahnvorstellungen erleben. Das Verhalten des Einzelnen kann sich zuweilen mit der Zeit verändern; es kann bizarr ausfallen, wenn die medikamentöse Behandlung unterbrochen wird, sich aber auch im Bereich des Normalen bewegen, wenn eine entsprechende Behandlung erfolgt. 9 Häufig gestellte Fragen zur Schizophrenie § Können Kinder an Schizophrenie erkranken? Kinder über fünf Jahren können grundsätzlich Schizophrenie entwickeln, doch ist dies vor der Pubertät ausgesprochen selten der Fall. Obwohl manche Menschen, die später an Schizophrenie erkrankt sind, vielleicht schon als Kinder in mancherlei Hinsicht anders als ihre Altersgenossen wirkten, treten die psychotischen Symptome der Schizophrenie - Halluzinationen und Wahnvorstellungen - äußerst selten vor dem Erwachsenwerden auf. § Wie groß ist die mögliche Gefährdung durch Suizid? Bei Menschen, die an Schizophrenie leiden, besteht eine große Suizidgefahr. Dementsprechend ist die Suizidrate dieser Gruppe im Vergleich mit der übrigen Bevölkerung deutlich erhöht: Annähernd zehn Prozent aller Menschen mit Schizophrenie (insbesondere jüngere Männer) begehen Suizid. Leider lässt sich bei Menschen, die an Schizophrenie erkrankt sind, nur sehr schwer eine Suizidprognose erstellen. Daher sollte sobald jemand einen Versuch unternimmt, Suizid zu begehen, oder auch nur damit droht, unverzüglich professionelle Hilfe aufgesucht werden. § Neigen Menschen mit Schizophrenie zu Gewalt? Nachrichten und Unterhaltungsmedien neigen dazu, psychische Erkrankungen mit krimineller Gewalt in Verbindung zu bringen; entsprechende Untersuchungen lassen jedoch darauf schließen, dass - abgesehen von Personen, die bereits vor dem Ausbruch der Krankheit für Gewalttätigkeiten bekannt waren, und solchen, die Drogen oder Alkohol missbrauchen - Menschen mit Schizophrenie im allgemeinen nicht auffallend zu Gewalt neigen. Die meisten Schizophrenen zeichnen sich nicht durch Gewaltbereitschaft aus; im typischen Fall sind sie lieber für sich und zeigen sich eher verschlossen. Um es mit einem Satz zu sagen: Die meisten Gewaltverbrechen werden nicht von Schizophrenen begangen, und die meisten Schizophrenen begehen keine Gewaltverbrechen. Wie bei Menschen ohne psychische Erkrankung kann jedoch Drogenmissbrauch die Gewaltrate bei SchizophrenieKranken beträchtlich erhöhen. Auch Personen mit akuten paranoiden und psychotischen Symptomen, welche sich verschlimmern können, wenn die medikamentöse Behandlung unterbrochen wird, können in höherem Maße zu gewalttätigem Verhalten neigen. Sofern es 10 zu Gewalttätigkeiten kommt, spielen sie sich zumeist in den eigenen vier Wänden ab und richten sich größtenteils gegen Familienmitglieder und Freunde. 2. Die Ursachen der Schizophrenie Es ist keine Ursache bekannt, die für sich genommen Schizophrenie auslöst. Viele der weit verbreiteten Erkrankungen, wie zum Beispiel Herzkrankheiten, ergeben sich erst aus einem Zusammenspiel genetischer, verhaltensbezogener sowie weiterer Faktoren. Auch bei der Schizophrenie ist dies vermutlich der Fall. Die Wissenschaftler sind sich noch nicht über alle Faktoren im klaren, die zusammenwirken müssen, um Schizophrenie auszulösen, doch es werden derzeit die unterschiedlichen Möglichkeiten der biomedizinischen Forschung dazu benutzt, nach Genen, kritischen Momenten in der Gehirnentwicklung und anderen Faktoren zu suchen, die Aufschluss über die Krankheitsentstehung geben könnten. Kann Schizophrenie vererbt werden? Es ist seit langem bekannt, dass Schizophrenie familiär gehäuft auftreten kann. Bei Menschen, die eng mit jemandem verwandt sind, der an Schizophrenie leidet, entwickelt sich diese Erkrankung möglicherweise eher als bei Personen, in deren Familie diese Erkrankung bislang nicht aufgetreten ist. Ein eineiiger Zwilling eines Schizophrenen hat dementsprechend die höchste Wahrscheinlichkeit, ebenfalls zu erkranken - sie liegt bei 40 bis 50 Prozent. Ein Kind, bei dem ein Elternteil an Schizophrenie leidet, erkrankt mit einer Wahrscheinlichkeit von etwa zehn Prozent. Im Vergleich dazu beträgt das Risiko für die allgemeine Bevölkerung ungefähr ein Prozent. Wissenschaftler beschäftigen sich mit der Erforschung der genetischen Faktoren, die Schizophrenie begünstigen. Aller Wahrscheinlichkeit nach sind verschiedene Gene daran beteiligt, eine individuelle Veranlagung für diese Erkrankung zu schaffen. Weiterhin beeinflussen offenbar Faktoren wie das Auftreten von Krisen während der Schwangerschaft - beispielsweise mangelnde Versorgung innerhalb der Gebärmutter, Virusinfektionen oder Komplikationen bei der Entbindung - sowie weitere unspezifische Stressfaktoren die Entstehung einer Schizophrenie. Es ist jedoch bislang noch ungeklärt, wie eine genetische Veranlagung vererbt wird, und es kann auch nicht mit Bestimmtheit vorhergesagt werden, ob eine bestimmter Mensch an Schizophrenie erkranken wird oder nicht. 11 Mehrere Regionen des menschlichen Genoms - d.h. seiner genetischen Struktur - werden derzeit erforscht, in der Hoffnung, die Gene zu identifizieren, die eine Anfälligkeit für Schizophrenie übertragen könnten. Diese Identifikation bestimmter Gene, die an der Entwicklung von Schizophrenie beteiligt sind, wird bedeutende Hinweise auf die Frage geben, welche Vorgänge im Gehirn fehl laufen, damit die Krankheit überhaupt entsteht und bestehen bleibt, und sie wird die Entwicklung neuer und besserer Behandlungsformen entscheidend beeinflussen. Um mehr über das genetische Material im Hinblick auf Schizophrenie zu erfahren, werden darüberhinaus in großem Umfang Daten gesammelt über Familien, in denen es ein an Schizophrenie erkrankter Mensch lebt. Wird Schizophrenie durch Veränderungen im Gehirn verursacht? Das Grundwissen über chemische Prozesse im Gehirn verbessert sich beständig. Lange Zeit wurde angenommen, dass Neurotransmitter - Substanzen, die die Kommunikation zwischen Nervenzellen ermöglichen - an der Entwicklung von Schizophrenie beteiligt sind. Mittlerweile geht man davon aus, dass die Krankheit abhängt von einem Ungleichgewicht der komplexen, in sich zusammenhängenden chemischen Systeme des Gehirns, und dass möglicherweise die Neurotransmitter Dopamin und Glutamat dafür verantwortlich sind. Dieses Forschungsgebiet verspricht einiges für die Zukunft. Fortschritte in der Sichtbarmachung der im Gehirn ablaufenden Prozesse erlauben es zudem, Struktur und Funktion des Gehirns auch an lebenden Personen zu untersuchen. Solche Untersuchungen haben bei schizophrenen Personen Veränderungen sowohl der Gehirnstruktur (bzw. Vergrößerungen oder Verkleinerungen bestimmter Gehirnregionen) als auch der Gehirnfunktion (bspw. eine verminderte Stoffwechseltätigkeit in bestimmten Gehirnregionen) festgestellt. Es ist jedoch notwendig zu betonen, dass diese Veränderungen minimal sind und ebenso wenig bei allen Schizophrenen vorliegen, wie sie ausschließlich bei diesen Menschen auftreten. Mikroskopische Untersuchungen von Hirngewebe, das Menschen mit Schizophrenie nach dem Tode entnommen wurde, haben kleine Veränderungen in Verteilung oder Anzahl der Gehirnzellen gezeigt. Anscheinend liegen viele (aber wahrscheinlich nicht alle) dieser Veränderungen bereits vor der Erkrankung der Person vor, so dass Schizophrenie zumindest zum Teil eine Störung der Gehirnentwicklung sein könnte. Untersuchungen haben gezeigt, dass Schizophrenie möglicherweise eine Entwicklungsstörung sein könnte, die sich während der fötalen - d.h. vorgeburtlichen - Entwicklung vollzieht, 12 und zwar in der Weise, dass Nervenzellen Fehlverbindungen miteinander eingehen. Es ist möglich, dass diese Phänomene erst in der Pubertät in Erscheinung treten, sobald bestimmte während dieser entscheidenden Reifephase normale Veränderungen im Gehirn und die genannten Fehlverbindungen ungünstig aufeinander einwirken. Es wird verstärkt daran gearbeitet, Faktoren während der Schwangerschaft zu identifizieren, die einen Einfluss auf diese offenkundige Entwicklungsstörung haben könnten. 3. Wie wird die Krankheit behandelt? Da man annimmt, dass die Schizophrenie nicht nur ein einziges Verlaufsbild aufweist, und die vielfältigen Ursachen noch nicht vollständig bekannt sind, liegen den gängigen Behandlungsmethoden klinische Forschungs- und Erfahrungswerte zugrunde. Diese therapeutischen Methoden werden vom Arzt deshalb gewählt, weil sie in der Lage sind, die Symptome der Schizophrenie abzuschwächen und die Wahrscheinlichkeit zu verringern, dass sie wiederkehren. Wie sieht die medikamentöse Behandlung aus? Sogenannte Antipsychotika gibt es seit Mitte der 50er Jahre. Ihre Entwicklung hat die Aussichten für den einzelnen Patienten erheblich verbessert. Diese Medikamente lindern die psychotischen Symptome der Schizophrenie und ermöglichen dem Patienten im allgemeinen eine bessere und angemessenere Lebensqualität. Antipsychotika sind momentan die besten Behandlungsmittel, doch sie sind nicht in allen Fällen in der Lage, Schizophrenie zu „heilen“ oder sicherzustellen, dass keine weiteren psychotischen Episoden eintreten. Wahl und Dosierung dieser Mittel können nur durch einen qualifizierten Arzt, der in der medikamentösen Behandlung psychischer Störungen entsprechend ausgebildet ist, bestimmt werden. So ist beispielsweise die angemessene Dosierung von Patient zu Patient durchaus verschieden, denn jeder Mensch benötigt eine unterschiedlich große Menge an Wirkstoff, um Symptome zu reduzieren ohne dass störende Nebenwirkungen auftreten. Bei den allermeisten Erkrankten zeigt sich eine beträchtliche Besserung, wenn sie mit Antipsychotika behandelt werden. Es gibt jedoch bestimmte Patienten, für die diese Mittel kaum eine Hilfe sind, und nur einige wenige sind offenbar in der Lage, ganz ohne sie aus- 13 zukommen. Es ist schwierig, im Vorhinein festzustellen, welche Patienten zu den letztgenannten beiden Gruppen gehören und sie von der großen Mehrheit der Patienten zu unterscheiden, denen die Behandlung mit Antipsychotika gut tut. Mittlerweile sind eine Reihe neuer Antipsychotika - die sogenannten „atypischen Neuroleptika“ - entwickelt worden. Das erste von ihnen, Clozapin (Leponex®), hat sich als wirksamer als andere Antipsychotika erwiesen, obschon eine gewisse Möglichkeit ernstzunehmender Nebenwirkungen besteht - vor allem eine Veränderung des Blutbildes, die Agranulozytose genannt wird (d.h. eine Verminderung der weißen Blutkörperchen, die Entzündungen bekämpfen). Clozapin darf in Deutschland nur unter besonderen Bedingungen angewandt werden, und die Patienten müssen sich einer regelmäßigen Blutentnahme unterziehen. Neuere Antipsychotika wie Amisulprid (Solian®), Olanzapin (Zyprexa®), Quetiapin (Seroquel®), Risperidon (Risperdal®), Sertindol (Serdolect®; derzeit nicht mehr im Handel verfügbar), Ziprasidon (Zeldox®; noch nicht im Handel verfügbar), oder Zotepin (Nipolept®), sind besser verträglich. Es scheint, dass sie eine vergleichbar gute Wirkung besitzen wie Clozapin. Weitere Antipsychotika sind derzeit in der Entwicklung. Antipsychotika zeichnen sich in der Regel durch eine starke Wirksamkeit in Hinblick auf einzelne Symptome der Schizophrenie aus - namentlich bei Halluzinationen und Wahnvorstellungen; leider zeigen sie bei anderen Symptomen wie Antriebslosigkeit und reduzierter emotionaler Ausdrucksfähigkeit nicht immer den erhofften Effekt. Im Gegenteil können einige der älteren Antipsychotika („Neuroleptika“), wie z.B. Haloperidol (Haldol®), im Einzelfall Nebenwirkungen hervorrufen, die diesen schwieriger zu behandelnden Symptomen ähnlich sind. Häufig vermag jedoch eine Verringerung der Dosis oder die Umstellung auf ein anderes Medikament diese Nebenwirkungen abzumildern; neuere Mittel rufen vergleichbare Wirkungen offenbar seltener hervor. Wenn Menschen mit Schizophrenie depressiv werden, scheinen sich manchmal zusätzliche Symptome zu verschlimmern. Depressive Symptome können sich bei einer Zugabe von Antidepressiva bessern. Patienten und ihre Familien stehen den Antipsychotika, die zur Behandlung der Schizophrenie angewandt werden, bisweilen kritisch gegenüber. Zu ihrer Sorge um Nebenwirkungen gesellt sich die Befürchtung, dass diese Mittel zu Abhängigkeit führen könnten. Diese Befürchtungen sind jedoch grundlos - die Anwendung von Antipsychotika kann weder Rauschzustände (Euphorie) noch Suchtverhalten auslösen. Außerdem ist in Zusammenhang mit den Antipsychotika die irrtümliche Annahme verbreitet, dass sie wie eine Art Bewusstseinskontrolle oder „chemische Zwangsjacke“ wirken. Antipsychotika, die in einer angemessenen Dosis verabreicht werden, setzen Menschen nicht 14 „außer Gefecht“ oder rauben ihnen den freien Willen. Die beschriebenen Mittel können durchaus eine gewisse beruhigende Wirkung besitzen, die besonders am Anfang einer Behandlung hilfreich sein kann, wenn ein Patient sehr erregt ist, doch der Nutzen dieser Medikamente liegt nicht vorrangig in der beruhigenden Wirkung, sondern in ihrer Fähigkeit, Halluzinationen, Erregung, Verwirrung und Wahnvorstellungen einer psychotischen Episode zu verringern. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Antipsychotika einem Menschen gerade den rationaleren und eigenständigen Umgang mit der Welt ermöglichen sollen. Wie lange sollten Menschen mit Schizophrenie Antipsychotika nehmen? Antipsychotika vermindern bei Patienten, die sich von einer Akutphase erholt haben, das Risiko zukünftiger psychotischer Phasen. Auch bei fortgesetzter Medikation - d.h. bei Einnahme von Medikamenten - erleiden einige von ihnen Rückfälle; der Anteil derer, die einen Rückfall erleiden, ist jedoch weitaus höher, wenn die Medikation unterbrochen wird. In anderen Fällen können Rückfälle durch die medikamentöse Behandlung zwar ebenfalls nicht verhindert werden, man ist aber in der Lage, deren Intensität und Häufigkeit zu reduzieren. Generell läßt sich zudem sagen, dass zur Behandlung schwerer psychotischer Symptome höhere Dosen erforderlich sind, als lediglich zur Erhaltung eingesetzt werden. Wenn Symptome bei niedrigerer Dosierung wieder auftreten, kann eine vorübergehende Erhöhung der Dosis einen vollständigen Rückfall verhindern. Da ein Rückfall wahrscheinlicher ist, wenn Antipsychotika nicht mehr oder nur unregelmäßig eingenommen werden, ist es ausgesprochen wichtig, dass Menschen, die an Schizophrenie erkrankt sind, mit Ärzten und Angehörigen zusammenarbeiten, um sich an das vereinbarte Behandlungskonzept zu halten. Mit Einhaltung des Behandlungskonzepts - auch Compliance genannt - ist hier der Grad gemeint, in dem Patienten den ärztlichen Anweisungen folgen. Sie betrifft die Einnahme der verschriebenen Medikamente in richtiger Dosierung und zum richtigen Zeitpunkt, die Wahrnehmung von Terminen in der Arztpraxis bzw. im Krankenhaus, und/oder die sorgsame Befolgung anderer Therapiemaßnahmen. Für Menschen mit Schizophrenie ist es oft schwierig, sich an die Behandlung zu halten, doch auch hier gibt es Hilfe in Form unterschiedlicher Strategien, sodass eine verbesserte Lebensqualität für den Patienten und die Beachtung der ärztlichen Weisungen durchaus vereinbar ist. Es gibt eine ganze Reihe von Gründen, warum Menschen mit Schizophrenie sich nicht an die Behandlung halten. Manche Patienten betrachten sich selbst nicht als krank und erkennen nicht die Notwendigkeit einer Medikation, andere leiden unter derartigen Denkstörun- 15 gen betroffen, dass sie vergessen, ihre täglichen Medikamente zu nehmen. Auf der anderen Seite kann es auch sein, dass Familienmitglieder oder Freunde die Krankheit Schizophrenie nicht richtig verstehen und der betroffenen Person den falschen Rat geben, mit der Behandlung aufzuhören, sobald der- oder diejenige sich besser fühlt. Drittens mag es im Einzelfall vorkommen, dass der Arzt, der in der Regel eine maßgebliche Rolle bei der Unterstützung seiner Patienten in der Behandlungscompliance spielen kann, die Frage nach der Häufigkeit der Medikamenteneinnahme an seine Patienten vernachlässigt hat, oder nicht darauf eingeht, wenn ein Patient ihn um eine andere Dosierung oder eine andere Behandlungsform bittet. Viertens gibt es vereinzelt Patienten, die die Erfahrung berichten, dass die Nebenwirkungen der Medikamente in ihrem Fall schlimmer seien als die Krankheit selbst. Des weiteren kann Drogenmissbrauch die Wirksamkeit der Behandlung beeinträchtigen, indem er Menschen dazu verleitet, ihre Medikamente abzusetzen. Wenn nun noch ein kompliziertes Behandlungskonzept zu einem der genannten Faktoren hinzukommt, kann dessen Einhaltung zu einer erheblichen Anforderung für Patient und Angehörige werden. Zum Glück gibt es viele Strategien, die Patient, Arzt und Familie nutzen können, um die Einhaltung der Behandlung zu gewährleisten und einer Verschlimmerung der Erkrankung vorzubeugen. Einige Antipsychotika, darunter Haloperidol (Haldol®), Fluphenazin (Lyogen®), Perphenazin (Decentan®) und andere, können bspw. auch injiziert - d.h. gespritzt - werden, und zwar mit Langzeitwirkung (Depotspritzen), so dass die tägliche Tabletteneinnahme entfällt. Ein Hauptanliegen der derzeitigen Schizophrenieforschung besteht darin, ein breiteres Spektrum an Antipsychotika mit einer solchen Langzeitwirkung zu entwickeln, die ebenfalls als Injektion verabreicht werden können, insbesondere in Form der neueren Wirkstoffe mit den geringeren Nebenwirkungen. Medikamentenkalender oder Tablettendöschen, die mit den Wochentagen etikettiert sind, können Patienten und Pflegepersonal eine Erinnerungsstütze sein, wann Medikamente genommen wurden und in welchen Fällen noch nicht. Elektronische Einnahmehilfen, die Signale abgeben, sobald die Medikamenteneinnahme fällig ist, oder auch die regelmäßige Einnahme der Medikamente zu den Mahlzeiten können Patienten darin unterstützen, an ihren Arzneiplan zu denken und ihn zu befolgen. Die Bitte an Familienmitglieder, auf die Medikamenteneinnahme des Betroffenen zu achten, kann ebenfalls zur Einhaltung des Behandlungskonzepts beitragen. Außerdem sind Ärzte mit Hilfe verschiedener weiterer Testmethoden in der Lage festzustellen, ob die Einnahme der Tabletten ein Problem für ihre Patienten darstellt, so dass sie gemeinsam mit ihnen eine leichtere Einhaltung der medikamentösen Behandlung erarbeiten können. Es ist von wesentlicher Bedeutung, Patienten zu motivieren, ihre Medikamente regelmäßig und verschreibungsgemäß einzunehmen. 16 Zusätzlich zu diesen Strategien besteht ein wichtiger Teil des Behandlungsprozesses darin, Patient und Familie über Schizophrenie, ihre Symptome und die zur Behandlung der Erkrankung verschriebenen Medikamente sowie ergänzende Behandlungsformen aufzuklären, um so eine Grundlage für die Einsicht in die Notwendigkeit einer sorgfältigen Einhaltung des Behandlungskonzepts zu schaffen. Welche Nebenwirkungen können auftreten? Antipsychotika haben wie nahezu alle Medikamente neben ihren heilenden Wirkungen auch sogenannte Nebenwirkungen. Zu Beginn der medikamentösen Behandlung kann es vorkommen, dass Patienten über Nebenwirkungen wie Schläfrigkeit, Unruhe, Muskelzucken, Zittern, trockenen Mund oder Sehstörungen klagen. Die meisten dieser Nebenwirkungen lassen sich durch eine Reduzierung der Dosis oder durch die ergänzende Verabreichung anderer Medikamente in den Griff bekommen. Jeder Patient kann auf die Behandlung mit Antipsychotika unterschiedlich reagieren und andere Nebenwirkungen entwickeln. Aller Erfahrung nach wird der eine besser mit diesem Medikament zurechtkommen, der andere eher mit jenem. Mögliche langfristige Nebenwirkungen von Antipsychotika stellen für den Patienten unter Umständen ein weitaus ernsteres Problem dar. Sogenante Spät- oder tardive Dyskinesien (TD) sind eine Störung, die sich in unfreiwilligen Bewegungen des Patienten äußert und hauptsächlich Mund, Lippen oder Zunge und bisweilen auch den Rumpf oder andere Körperteile wie Arme und Beine befällt. Sie tritt bei etwa 15 bis 20 Prozent derjenigen Patienten auf, die die älteren „typischen“ Antipsychotika über Jahre hinweg eingenommen haben, sie kann jedoch auch bei kürzerer Einnahme vorkommen. In den meisten Fällen sind die Symptome der tardiven Dyskinesie recht mild, bei einem Teil bilden sie sich wieder zurück, und der Patient ist sich ihrer möglicherweise gar nicht bewusst. Die Antipsychotika, die in den letzten Jahren entwickelt wurden, bergen in geringerem Maße die Gefahr, tardive Dyskinesie auszulösen als die älteren Antipsychotika. Doch auch ihre Anwendung ist mit einem gewissen Restrisiko verbunden, und sie können bestimmte Nebenwirkungen, wie zum Beispiel Gewichtszunahme, hervorrufen. Weiterhin führen auch die neueren Mittel - bei zu hoher Dosierung - mitunter zu Problemen wie sozialem Rückzug oder zu Symptomen, die der Parkinsonschen Krankheit ähneln, einer Störung, die das Bewegungsvermögen beeinträchtigt. Dennoch markieren die neueren Antipsychotika einen 17 wichtigen Fortschritt gegenüber bisherigen Behandlungsmöglichkeiten, und die Bedingungen ihrer optimalen Anwendung bei Menschen mit Schizophrenie sind ein aktueller Forschungsgegenstand. Medikamentöse Behandlung und Drogen Offenkundiger Drogenmissbrauch gibt Familien und Freunden von Menschen mit Schizophrenie häufig Anlass zur Sorge. Da Menschen, die missbräuchlich Drogen einnehmen, mitunter Symptome zeigen, die denen der Schizophrenie nicht unähnlich sind, wird tatsächlich an Schizophrenie Erkrankten manchmal unterstellt, sie stünden unter Drogeneinfluss. Es kann offenbar davon ausgegangen werden, dass Drogenmissbrauch zwar als Auslöser für Schizophrenie nicht in Betracht kommt, jedoch benutzen viele, die an Schizophrenie erkrankt sind, Alkohol und/oder Drogen in missbräuchlicher Weise mit der Folge einer unter Umständen ausgesprochen heftigen Reaktion auf bestimmte Rauschmittel. Drogenmissbrauch kann die Wirksamkeit der Behandlung einer Schizophrenie nachhaltig negativ beeinträchtigen. Stimulantien (wie Amphetamine oder Kokain) können ebenso ernstzunehmende Probleme bei Patienten mit Schizophrenie hervorrufen wie PCP oder Marihuana: So verschlimmern sich bei einigen Erkrankten unter Drogeneinfluss die schizophrenen Symptome. Durch Drogenmissbrauch verringert sich zudem aller Erfahrung nach die Wahrscheinlichkeit, dass Patienten das Behandlungskonzept befolgen, das die Ärzte ihnen empfohlen haben. Hier ist auch die Nikotinabhängigkeit durch Rauchen mit anzuführen. Während etwa 25 bis 30 Prozent der bundesdeutschen Gesamtbevölkerung rauchen, liegt die entsprechende Quote bei Menschen mit Schizophrenie annähernd dreimal so hoch. Forschungen haben gezeigt, dass die Beziehung zwischen Rauchen und Schizophrenie sehr komplex ist. Obwohl manche Menschen, die an Schizophrenie leiden, teilweise in der Absicht rauchen, die Symptome ihrer Erkrankung selbst zu behandeln, hat sich gezeigt, dass sie auf der anderen Seite nicht mehr so gut auf die verordneten Antipsychotika ansprechen. Mehrere Studien haben nämlich belegt, dass die Raucher unter den Schizophrenie-Patienten höhere Dosen an Antipsychotika benötigen als die Nichtraucher. Für Menschen mit Schizophrenie mag es besonders schwer sein, das Rauchen aufzugeben, denn es ist nicht auszuschließen, dass der Nikotinentzug zu einer vorübergehenden Verschlimmerung der Schizophrenie-Symptome führt. Doch Entzugsstrategien, die einen Nikotinersatz sicherstellen, können hier zum Erfolg führen. Der behandelnde Arzt sollte daher die Arzneidosen sorgsam über- 18 wachen und vor allem reagieren, wenn Patienten mit Schizophrenie mit dem Rauchen beginnen oder damit aufhören. Möglichkeiten der psychosozialen Behandlung Es hat sich erwiesen, dass Antipsychotika die beschriebenen psychotischen Symptome der Schizophrenie - Halluzinationen, Wahnvorstellungen und Denkstörungen - entscheidend verringern, jedoch die Verhaltensauffälligkeiten, die im Rahmen der Störung auftreten, nicht in gleicher Weise zu mildern vermögen. Selbst wenn Patienten mit Schizophrenie weitgehend frei sind von psychotischen Symptomen, haben viele doch Schwierigkeiten mit Kommunikation, Motivation und Selbstversorgung, und sie können nur schwer soziale Beziehungen zu anderen aufbauen oder aufrechterhalten. Da Patienten mit Schizophrenie gehäuft in den entscheidenden Jahren der Schul- und Berufsausbildung erkranken (zwischen 15 und 35), ist es eher unwahrscheinlich, dass sie ihre Berufsausbildung zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen haben. Folglich haben viele von ihnen nicht nur mit Beeinträchtigungen ihres Denkens und Fühlens, sondern auch mit mangelnden sozialen und beruflichen Fähigkeiten und den damit verbundenen negativen Erfahrungen zu kämpfen. Gerade in diesem Bereich psychologischer, sozialer und beruflicher Probleme können psychosoziale Maßnahmen am meisten bewirken. Während psychosoziale Methoden bei akut psychotischen Patienten (denen, die den Bezug zur Realität verloren haben oder an ausgeprägten Halluzinationen oder Wahnvorstellungen leiden) nur bedingt in Frage kommen, können sie bei Patienten mit geringerer Symptomatik oder solchen, deren psychotische Symptome unter Kontrolle sind, durchaus Erfolg haben. Es gibt viele Formen psychosozialer Therapie für Menschen mit Schizophrenie; die meisten konzentrieren sich darauf, das Sozialverhalten des Patienten zu fördern - ob im Krankenhaus oder in der Gemeinschaft, zuhause oder bei der Arbeit. Einige dieser Methoden werden im Folgenden beschrieben. Die Verfügbarkeit dieser unterschiedlichen Behandlungsformen sollte jeweils vor Ort erfragt werden. § Rehabilitation Im weitesten Sinne umfasst die Rehabilitation eine ganze Reihe nichtmedizinischer Maßnahmen für Menschen mit Schizophrenie. Rehabilitationsprogramme setzen sich zum Ziel, das soziale Verhalten und das Verhalten im Beruf zu schulen, um Patienten bei Schwierigkeiten in diesen Bereichen zu helfen. Sie beinhalten Berufsberatung oder Weiterbildung, vermitteln Problemlösungsstrategien, den Umgang mit Geld oder die Benutzung öffentlicher 19 Verkehrsmittel und üben soziale Fähigkeiten ein. Solche Maßnahmen sind für den Erfolg der gemeinschaftsorientierten Behandlung von Schizophrenie sehr wichtig, denn sie geben entlassenen Patienten Fähigkeiten an die Hand, ein produktives Leben außerhalb der schützenden Mauern einer psychiatrischen Klinik zu führen. Übergangswohnheime oder die ambulanten Angebote des Betreuten Wohnens unterstützen bei der Wiedererlangung einer selbständigen Lebensführung. Eine ganze Reihe von Angeboten unterstützt bei der Wiedereingliederung des Erkrankten in das Berufs- und Arbeitsleben. § Individuelle Psychotherapie Individuelle Psychotherapie beinhaltet regelmäßige Gespräche zwischen dem Patienten und professionell mit psychisch Kranken befassten Personen, wie Psychiatern und Psychologen. Diese Sitzungen können sich beispielsweise mit aktuellen oder vergangenen Problemen, Erfahrungen, Gedanken, Empfindungen oder Beziehungen beschäftigen. Indem Menschen mit Schizophrenie ihre Erfahrungen mit einer entsprechend ausgebildeten außerhalb ihrer eigenen Welt stehenden - Person ansprechen, gelangen sie allmählich zu einem besseren Verständnis ihrer selbst und ihrer Probleme. Sie können auch lernen, die tatsächliche von der imaginären und verzerrten Realität zu unterscheiden. Neuere Studien zeigen, dass solche unterstützenden, realitätsorientierten, individuellen Psychotherapien und kognitiv-verhaltensbezogenen Ansätze, die dem Einzelnen zeigen, wie er zurechtkommen und Probleme angehen kann, vor allem für Patienten in ambulanter Behandlung von großem Nutzen sein können. Dennoch kann die Psychotherapie kein Ersatz für die Medikation mit Antipsychotika sein, und sie wird am besten eingesetzt, nachdem die medikamentöse Behandlung die akuten psychotischen Symptome beim Patienten erst einmal gelindert hat. § Angehörigenarbeit In vielen Fällen werden Patienten mit Schizophrenie nach dem Klinikaufenthalt in die Obhut ihrer Familie entlassen. Daher ist es wichtig, dass die Angehörigen möglichst umfassende Informationen über Schizophrenie erhalten und so die Schwierigkeiten und Probleme, die die Krankheit mit sich bringt, verstehen können. Es kann für sie ebenfalls eine große Hilfe sein, zu lernen, wie sie die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls möglichst gering halten können - zum Beispiel indem sie verschiedene Strategien zur Einhaltung der Behandlung befolgen -, und die verschiedenen Angebote kennenzulernen, die dem Patienten und der Familie nach dem Klinikaufenthalt offenstehen. Eine „Psychoedukation“ der Familienmitglieder, die ihnen zeigt, wie sie am besten mit der Erkrankung zurechtkommen und auftretende Probleme lösen können, hilft ihnen womöglich, effektiver mit dem erkrankten Angehörigen 20 umzugehen, so dass sich dadurch auch für den Patienten eine bessere Entwicklung ergeben kann. § Selbsthilfegruppen Selbsthilfegruppen für Menschen und Angehörige, die mit Schizophrenie zu tun haben, werden immer geläufiger. Obwohl sie nicht unter der Leitung eines Therapeuten stehen, können sie eine therapeutische Wirkung für die Teilnehmer in dem Sinne entfalten, dass die Mitglieder sich immer wieder gegenseitig Unterstützung und Trost spenden durch das Wissen, dass sie mit ihren Problemen nicht allein sind. Selbsthilfegruppen können auch weitere wichtige Zwecke erfüllen: Familien haben, wenn sie sich zusammenschließen, die Möglichkeit, nachdrücklicher als Fürsprecher notwendiger Forschung und dringender Programme in Klinik und sozialer Absicherung aufzutreten. Patienten, die als Gruppe statt als EinDas weltweite Antistigma-Programm: eine Aktion gegen Stigma und Diskriminierung schizophren erkrankter Menschen (Bitte als Link einfügen) zelperson handeln, sind unter Umständen eher in der Lage, Stigmatisierung abzubauen und die Öffentlichkeit auf Mißstände aufmerksam zu machen, wie bspw. die Diskriminierung psychisch kranker Menschen. Diese Gruppen - Familiengruppen, Gruppen für Betroffene oder öffentlichkeitswirksame Initiativen - sind sehr aktiv und versorgen Patienten mit Schizophrenie oder anderen psychischen Störungen sowie deren Angehörige mit nützlichen Informationen oder Hilfe. Eine Liste einiger dieser Organisationen findet sich am Ende dieser Informationen. 4. Möglichkeiten der Unterstützung durch Angehörige und andere Die Unterstützung eines Patienten kann von unterschiedlichen Seiten kommen - von der Familie, von Tageskliniken oder Wohnheimen, von Kontakt- und Beratungsstellen, von Freunden und Zimmergenossen, von qualifizierten Sozialarbeitern, von Kirchen, usw. Da viele der Patienten innerhalb ihrer Familien leben, wird im folgenden hauptsächlich der Begriff „Familie“ verwandt. Dies soll jedoch nicht bedeuten, dass die Familie notwendigerweise das Hauptunterstützungssystem darstellen sollte. 21 Es gibt viele Situationen, in denen Menschen mit Schizophrenie die Hilfe der Familie oder der Allgemeinheit brauchen. Oft wehrt sich eine Person, die an Schizophrenie erkrankt ist, gegen eine Behandlung, weil sie ihre Wahnvorstellungen und Halluzinationen für Realität hält, und der Ansicht ist, keinerlei psychiatrische Hilfe zu benötigen. Manchmal müssen Familie oder Freunde sehr energisch werden, damit diese Menschen sich von einem Facharzt untersuchen und beurteilen lassen. Bei allen Versuchen, eine Behandlung zu erwirken, kommt zudem die Frage der persönlichen Rechte mit ins Spiel. Die Gesetze, die Patienten vor unfreiwilliger Einweisung in eine Klinik schützen, sind sehr streng gefasst, und für Familien und Organisationen kann es bisweilen sehr mühevoll sein, sich darum zu bemühen, dass eine Person mit schwerer psychischer Erkrankung die erforderliche Hilfe erhält. Diese Gesetze sind von Bundesland zu Bundesland verschieden; doch im allgemeinen kann sofern Menschen aufgrund einer psychischen Störung eine Gefahr für sich selbst oder für andere darstellen - im Notfall auch die Polizei eine psychiatrische Untersuchung oder gegebenenfalls eine Einweisung in die Klinik unterstützen. Mancherorts kann der erkrankte Mensch auch zuhause durch Mitarbeiter des örtlichen Sozialpsychiatrischen Dienstes (beim Gesundheitsamt) aufgesucht werden, wenn er oder sie nicht gewillt ist, von sich aus in ein Krankenhaus zu gehen. Es kommt durchaus vor, dass sich nur die Familie oder andere nahestehende Personen des merkwürdigen Verhaltens und der Ideen bewusst sind, die eine Person mit Schizophrenie zum Ausdruck bringt. Da Patienten manchmal diese Informationen bei einer Untersuchung nicht von sich aus preisgeben, sollten Familienmitglieder oder Freunde um ein Gespräch mit der Person bitten, die den Patienten untersucht, so dass sämtliche Informationen angemessen berücksichtigt werden können. Außerdem ist es wichtig, dafür zu sorgen, dass eine Person mit Schizophrenie auch im Anschluss an einen Krankenhausaufenthalt in Behandlung bleibt. Es kann ansonsten vorkommen, dass Patienten die Einnahme ihrer Medikamente unterbrechen oder Behandlungstermine nicht mehr einhalten, was oftmals zu einer Wiederkehr der psychotischen Symptome führt. Zur Erleichterung des Übergangs in die anschließende, u.U. längerfristige Betreuung durch den niedergelassenen Arzt steht heute eine Reihe zusätzlicher Angebote zur Verfügung, wie die sogenannte teilstationäre Betreuung des Erkrankten in einer Tagesklinik, oder die ambulante Behandlung in einer Psychiatrischen Institutsambulanz, die es bereits an vielen psychiatrischen Fachkrankenhäusern oder Fachabteilungen gibt, und die auch für Notfälle zur Verfügung stehen können. 22 Die Genesung kann positiv beeinflusst werden, indem man den Patienten zur Fortsetzung der Behandlung ermutigt oder ihn oder sie im Behandlungsverlauf unterstützt. Ohne entsprechende Behandlung werden manche Menschen mit Schizophrenie derart psychotisch und verwirrt, dass sie nicht einmal mehr in der Lage sind, für ihre Grundbedürfnisse wie Essen, Kleidung oder Unterkunft zu sorgen. Oft genug landen Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen wie Schizophrenie auf der Straße oder im Gefängnis, wo sie nur selten die Art der Behandlung erhalten, die sie benötigen. Menschen, die jemandem mit Schizophrenie nahe stehen, sind oft nicht sicher, wie sie sich verhalten sollen, wenn der- oder diejenige Aussagen trifft, die sonderbar erscheinen oder definitiv falsch sind. Dem Betroffenen kommen die bizarren Überzeugungen oder Halluzinationen tatsächlich wahr vor - es sind nicht einfach „frei erfundene Phantasien“. Anstatt mit diesen Wahnvorstellungen „überein zu stimmen“, können Angehörige oder Freunde der erkrankten Person durchaus zum Ausdruck bringen, dass sie die Dinge anders sehen oder mit seinen bzw. ihren Schlussfolgerungen nicht übereinstimmen, doch sie sollten dem Patienten zugestehen, dass er die Welt womöglich anders wahrnimmt als sie. Es kann für die Menschen, die eine Person mit Schizophrenie gut kennen, ebenfalls sehr hilfreich sein, eine Liste zu führen, und zwar über die aufgetretenen Symptome, die eingenommenen Medikamente samt Dosierung und die Auswirkungen, die mit unterschiedlichen Behandlungen einhergegangen sind. In dem Wissen über bisherige Symptome können Familienmitglieder vielleicht besser abschätzen, womit sie in Zukunft rechnen müssen. Sie sind unter Umständen sogar eher und früher als der Patient selbst in der Lage, „Frühwarnzeichen“ für potentielle Rückfälle, wie stärkere Abkapselung oder Veränderungen des Schlafrhythmus, zu erkennen. So kann eine mögliche Wiederkehr der Psychose früh entdeckt und durch eine sofortige Behandlung ein vollständiger Rückfall womöglich abgewendet werden. Durch das Wissen, welche Medikamente in der Vergangenheit geholfen und welche wiederum störende Nebenwirkungen hervorgerufen haben, vermag die Familie auch den Ärzten dabei zu helfen, möglichst schnell eine optimal abgestimmte Behandlung zu finden. Zusätzlich zu ihrem Engagement, geeignete Hilfe zu finden, können Angehörige, Freunde und Betroffenengruppen auch Unterstützung bieten, indem sie den Menschen mit Schizophrenie dazu ermutigen, seine früheren Fähigkeiten wiederzuerlangen. Es ist jedoch von Bedeutung, dass die gesteckten Ziele auch erreichbar sind - denn ein Patient, der sich unter Druck gesetzt fühlt und/oder wiederholt von anderen kritisiert wird, gerät in eine Streßsituation, die womöglich nur zu einer Verschlimmerung der Symptome führt. Wie jeder an- 23 dere brauchen auch Menschen mit Schizophrenie Bestätigung und Lob. Eine positive Herangehensweise kann hilfreich und auf Dauer vielleicht auch wirkungsvoller sein als Kritik. Dieser Rat richtet sich an jeden, der mit einem an Schizophrenie erkrankten Menschen zu tun hat. 5. Wie entwickelt sich die Schizophrenie? Die Aussichten für Menschen mit Schizophrenie haben sich in den letzten 25 Jahren grundsätzlich verbessert. Obwohl es noch keine rundum wirksame Therapie gibt, sollte man sich doch vor Augen führen, dass viele Menschen nach der Erkrankung sich soweit erholen, dass sie ein unabhängiges und zufriedenstellendes Leben führen können. In dem Maße, in dem wir unser Wissen über die Ursachen und die Behandlung von Schizophrenie vergrößern, sollte auch mehr Patienten zu erfolgreichen Entwicklungen verholfen werden können. Studien, die Menschen mit Schizophrenie über Jahre beobachtet haben - vom Beginn der ersten Erkrankung bis ins hohe Alter -, belegen, dass eine Vielzahl unterschiedlicher Entwicklungen möglich ist. Nach der Untersuchung großer Patientengruppen konnten bestimmte Faktoren mit einem eher günstigeren Verlauf in Zusammenhang gebracht werden, so zum Beispiel ein normales soziales, Schulund Arbeitsleben vor der Krankheit. Der heutige Wissensstand lässt jedoch noch keine umfassenden Voraussagen über die langfristige Entwicklung zu. Vor dem Hintergrund der Komplexität der Schizophrenie kann den dringlichsten Fragen über diese Erkrankung - Ursachen, Vor- Typische Verläufe schizophrener Psychosen beugung, Behandlung - nur mit intensiver Forschung begegnet werden. Der Einzelne sollte sich vor denjenigen in acht nehmen, die „die Heilung“ (oder „die Ursache“) der Schizophrenie anzubieten meinen. Solche Behauptungen können unrealistische Erwartungen wecken, die, wenn sie sich nicht erfüllen, zu noch größerer Enttäuschung führen. Obschon es Fortschritte in der Aufklärung über Schi- 24 zophrenie und ihre Behandlung gibt, ist weitere Forschung dringend erforderlich. Man geht davon aus, dass breit angelegte Forschungsbemühungen, angefangen bei der Molekulargenetik bis hin zu epidemiologischen Bevölkerungsstudien, künftig die Prozesse und Prinzipien aufklären werden, die wichtig sind, um die Ursachen der Schizophrenie zu verstehen und wirksamere Behandlungsformen zu entwickeln. 6. Weiterführende Adressen und Links § Kompetenznetz Schizophrenie (mit weiteren Informationen, Hinweisen und Links) (http://www.kompetenznetz-schizophrenie.de) § Antistigma-Verein ‚open the doors e.V.‘ (http://www.schizophrenie-openthedoors.de) § Link zur Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) (http://www.dgppn.de) § Aktion Psychisch Kranke (APK) Brungsgasse 4-6, 53117 Bonn Tel.: (0228) 676740/41 Fax (0228) 676742 E-Mail: [email protected] § Bundesverband der Angehörigen psychisch Kranker (BApK) Thomas-Mann-Straße 49a, 53111 Bonn Tel.: (0228) 632646 Fax: (0228) 658063 E-Mail: [email protected] (http://www.psychiatrie.de/bapk/Default.htm) § Bundesverband der Psychiatrie-Erfahrenen (BPE) Thomas-Mann-Str. 49a, 53111 Bonn Tel.: (0228) 632646 Fax: (0228) 658063 http://www.bpe.berlinet.de