Klaus Liebseher Die Neuordnung der Oesterreichischen Nationalbank am Vorabend der EURO­ Einführung Kurzfassung Die Wirtschafts- und Währungsunion und der Euro werden das Notenbank­ wesen in Europa grundlegend ändern. Mit der Errichtung der Europäischen Zentralbank und dem System der europäischen Zentralbanken wird auch eine Neuordnung der Oesterreichischen Nationalbank notwendig. Sie be­ trifft sowohl die geldpolitische Zielsetzung, das Notenbankinstrumentarium, diverse Geschäftsfelder als auch die Organisation. Gleichzeitig war auch eine Novelle des Nationalbankgesetzes notwendig. Durch die erfolgreiche Geld- und Währungspolitik der letzten Jahrzehnte und durch eine sich schon über mehrere Jahre erstreckende, systematische Vorbereitung steht die OeNS am Vorabend des Euro sehr gut vorbereitet da und kann mit Zu­ versicht in die Währungsunion, einem Quantensprung in der europäischen Integration, gehen. 1. Einleitung Die Oesterreichische Nationalbank steht 183 Jahre nach ihrer Gründung vor sehr großen, wenn nicht den bisher größten Veränderungen, was ihre Rolle und auch ihre Aufgaben betrifft. Mit dem Beginn der dritten Stufe der Europäi­ schen Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) am 1. Jänner 1999 und der Teilnahme Österreichs daran wird die OeNB zu einem integralen Teil des Eu­ ropäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) und dadurch für die WWU­ weite Geld- und Währungspolitik mitverantwortlich. Sie wird getreu dem im Vertrag von Maastricht festgelegten Prinzip, "ein Gouverneur. eine Stimme", die monetären Entscheidungen auf europäischer Ebene gleichberechtigt mit allen anderen Teilnehmerzentralbanken mitgestalten. Darüber hinaus wird sie getreu dem Prinzip der Subsidiarität insbesondere für die nationale Umsetzung der geldpolitischen Beschlüsse der Europäischen Zentralbank (EZB) in Öster­ reich zuständig und verantwortlich sein. 443 Diese grundlegende Neuordnung des Notenbankwesens in Europa und die damit verbundene neue Rolle der OeNB machen auch eine Neuordnung der Oesterreichischen Nationalbank notwendig. Diese Neuordnung umfaßt mehre­ re Dimensionen: • eine Neuordnung der geldpolitischen Zielsetzung, • eine Anpassung des geldpolitischen Zwischenzieles, • eine Neuordnung der Notenbankinstrumente. • eine grundsätzliche Überarbeitung der Geschäftsfelder, und • eine daraus abgeleitete rechtliche und organisatorische Neuordnung. Über all diesen Prozessen steht die durch die WWU ausgelöste Neuordnung des europäischen wie auch des internationalen GeJd- und Währungsgefüges. Bevor auf die Veränderungen in der OeNB eingegangen wird, sollen die Bedin­ gungen angesprochen werden, die zu diesen Veränderungen geführt haben. In der Folge werden die einzelnen Dimensionen dieses Entwicklungsprozesses beleuchtet und dabei, vom Status quo ausgehend, auf die Veränderungen. die entweder bereits erfolgt sind oder aber in Kürze erfolgen werden, näher einge­ gangen. Dabei kann es sich aber immer nur um eine Momentaufnahme aus heutiger Sicht handeln. Denn auch für das europäische Notenbankwesen im allgemeinen und die OeNB im speziellen gilt, daß Veränderung und Weiterent­ wicklung permanente Prozesse sind, die durch die WWU zwar einen Quanten­ sprung erleben, aber weder durch die WWU ausgelöst noch mit ihrer Verwirkli­ chung beendet sein werden. Durch eine sich schon über mehrere Jahre er­ streckende systematische Vorbereitung ist die OeNB bestens auf die notwen­ digen Veränderungen vorbereitet und kann mit Zuversicht in die neue europäi­ sche Zukunft schreiten. Die OeNB hat damit bereits viele Aspekte der notwen­ digen Neuordnung vorweggenommen, und es ist völlig klar, daß weitere Ver­ änderungen kommen werden, insbesondere nach mehreren Jahren einer er­ folgreichen WWU. 2. Das europäische Streben nach stabilem Geld Schon seit dem Ende der währungspo/itischen Nachkriegsordnung, dem Bret­ ton-Woods-Festkurssystem, streben die Länder Europas nach einem eigenen System stabiler Wechselkurse. Die wirtschaftliche Triebfeder dieses Strebens ist und war. daß die Länder Europas relativ kleine, offene Volkswirtschaften sind, die einen großen Teil ihres Wohlstandes durch den - vor allem gegensei­ tigen - Austausch von Gütern und Dienstleistungen verdienen. Mit einer sehr hohen AußenhandeJsquote, d.h. Exporte plus Importe, von z.B. über 90 Pro­ zent in Österreich, sind diese Länder gegenüber Wechselkursschwankungen sehr anfällig. 444 Daher streben sie seit den frühen siebziger Jahren nach einem europäischen Festkurssystem, wobei eine Währungsunion die konsequenteste Verwirkli­ chung eines solchen Systems wäre. Im Vertrag von Maastricht wurde die Errichtung einer Europäischen Wirt­ schafts- und Währungsunion als nächste Etappe der europäischen Integration festgeschrieben. Am 1. Jänner 1999 wird nunmehr diese WWU Wirklichkeit, und somit ein langgehegtes europäisches Ziel zumindest für einen Kreis von vorerst elf Ländern in die Realität umgesetzt. Damit wird auch eine grundle­ gende Neuordnung des europäischen wie auch des weltweiten Währungssy­ stems verbunden sein. Innerhalb der Europäischen Union löst die WWU das Europäische Währungs­ system (EWS) und seinen Wechselkursmechanismus ab. Das EWS war im März 1979 mit dem Ziel geschaffen worden, eine Zone monetärer Stabilität in Europa zu errichten. Trotz einiger Krisen - insbesondere 1992 und 1993 hat das EWS zu einer monetären Stabilisierung und wirtschaftlichen Konvergenz zwischen den Teilnehmerländern beigetragen. Durch die Verwirklichung des Binnenmarktes und seiner vier Freiheiten - des Warenverkehrs, des Dienstlei­ stungsverkehrs, des Personenverkehrs und des Kapitalverkehrs - hat sich aber die Notwendigkeit ergeben, einen weiteren Schritt in Richtung monetärer Inte­ gration zu tun. Bei völlig freiem Kapitalverkehr können Wechselkurse nur dann stabil gehalten werden, wenn sich die Teilnehmerländer auf eine gemeinsame Geldpolitik verstehen bzw. der Geldpolitik eines Landes unterordnen. Im Rah­ men des EWS hat diese Notwendigkeit zu einem de facto D-Mark-Standard geführt, wobei alle Länder dafür gesorgt haben, ihre jeweiligen Währungen gegenüber der D-Mark zu stabilisieren. Deutschland hat seinerseits eine nach heimischen Gesichtspunkten orientierte Geldmengenpolitik verfolgt, die dann über das Wechselkursgefüge von den anderen Teilnehmerländern quasi im­ portiert wurde. Ein solches asymmetrisches System ist sowohl wirtschaftlich wie auch insbesondere politisch labil und soll nunmehr durch die Verwirkli­ chung der WWU von einem symmetrischen System gemeinsamer währungs­ politischer Verantwortung ersetzt werden. - Die WWU wird aber auch das internationale Währungsgefüge ändern. Mit der gemeinsamen Währung, dem Euro, wird erstmals ein potentieller Konkurrent für den US-Dollar entstehen. Ein stabiler Euro wird sowohl als internationale Transaktions- und Fakturierungs- als auch Veranlagungs- und Reservewäh­ rung interessant werden. Dadurch könnte sich ein bilaterales (Dollar und Euro) oder ein trilaterales (Dollar-Euro-Yen) internationales Währungssystem, d.h. ein Nebeneinander von Währungsblöcken, die aber zueinander in einem flexi­ blen Austauschverhältnis bleiben, herausbilden. An ein neues weltweites Fest­ kurssystem ist damit aber keineswegs gedacht. 445 Österreich wird ein Gründungsmitglied dieser Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion sein. Einerseits haben sich die Österreicherinnen und Öster­ reicher in einer Volksabstimmung im Juni 1994 mit einer überwältigenden Mehrheit von zwei Drittel für den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union und damit auch für die Wirtschafts- und Währungsunion entschieden, anderer­ seits hat Österreich die im Vertrag von Maastricht festgelegten wirtschaftlichen und rechtlichen Eintrittskriterien für die WWU erfüllt. Diese Teilnahme an der WWU ist für Österreich die logische Fortsetzung der sehr erfolgreichen stabilitätsorientierten Geld- und Währungspolitik in einem neuen, europäischen Umfeld. Durch die über rund zwei Jahrzehnte verfolgte enge Bindung des Schilling an die stabilste Währung in Europa und gleichzeitig die Währung unseres wichtigsten Handelspartners - die D-Mark - hat Öster­ reich bereits das Konzept einer stabilitätsorientierten Währungsunion verwirk­ licht. Nunmehr gilt es, die Zone der Stabilität gleichzeitig zu vertiefen und geo­ graphisch auszuweiten. Am 2. Mai 1998 wird der anfängliche Teilnehmerkreis an der WWU auf der Basis der von den einzelnen Ländern erreichten Konvergenz festgelegt. Vor­ aussichtlich elf Staaten werden ab 1. Jänner 1999 an der dritten Stufe der WWU teilnehmen. Mitte 1998 übernimmt die Europäische Zentralbank (EZB) die Vorbereitungsarbeiten vom seit 1994 bestehenden Europäischen Wäh­ rungsinstitut (EWI). Am 1. Jänner 1999 werden die Austauschkurse zwischen den teilnehmenden Währungen endgültig und unwiderruflich fixiert, und die nationalen Währungen - und daher auch der Schilling - werden zu unterschiedlichen (Unicht­ dezimalen") Ausprägungsformen der gemeinsamen Währung, des Euro, der aber während der nächsten drei Jahre nur als Buchgeld existieren wird. Mit diesem Tag geht auch die geld- und währungspolitische Entscheidungskom­ petenz von den nationalen Zentralbanken auf die Europäische Zentralbank über. Die nationalen Zentralbanken werden bereits ab 1999 in Euro agieren und die Geld- und Devisenmärkte werden sich ebenfalls sofort auf Euro um­ stellen. Die private Wirtschaft und die öffentliche Verwaltung werden sich wäh­ rend einer Dreijahresperiode den gewünschten Übergangszeitpunkt individuell aussuchen können. In Form von Banknoten und Münzen wird es den Euro nämlich erst ab 1. Jänner 2002 geben. I nnerhalb einer maximal sechs Monate dauernden Phase, die wir in Österreich auf zwei bis drei Monate konzentrieren wollen, werden dann die Schilling-Banknoten und -Münzen gegen Euro aus­ getauscht werden, sodaß ab spätestens Mitte 2002 auf dem Gebiet der WWU nur mehr der Euro als gesetzliches Zahlungsmittel zirkulieren wird. 446 3. Die Rolle nationaler Notenbanken im ESZB Mit der Gründung der Europäischen Zentralbank ändert sich die Rolle der na­ tionalen Zentralbanken grundlegend. Sie werden zusammen mit der EZB inte­ grale Bestandteile des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB). Sie übernehmen dabei als ausführende Organe des ESZB wichtige Funktionen und handeln gemäß den Leitlinien und Weisungen der EZB. Die geldpolitischen Leitlinien werden vom EZB-Rat erlassen, der sich aus den Mitgliedern des EZB-Direktoriums und den Präsidenten (Gouverneuren) der an der Währungs­ union teilnehmenden nationalen Notenbanken zusammensetzt. Dieser Rat legt die Geldpolitik der WWU fest und erläßt die für die Ausführung notwendigen Leitlinien. Das Direktorium der EZB führt die Geldpolitik gemäß den Leitlinien und Entscheidungen des Rates aus. Es erteilt hierzu den nationalen Zentral­ banken die erforderlichen Weisungen und nimmt sie zur Durchführung von Geschäften in Anspruch, soweit dies möglich und sachgerecht erscheint (Art. 12.1 der Satzung des ESZB und der EZB). Hinter dieser Formulierung steht der Gedanke der Subsidiarität. Während die geld politischen Entscheidungen in einer Währungsunion zentral gefällt werden müssen, bietet sich bei der Umset­ zung die Verwendung der nationalen Notenbanken an, die viel größere Marktkenntnis und Marktnähe haben und damit die natürlichen Geschäfts- und Ansprechpartner der Banken auf den regionalen Finanzmärkten sind. Den nationalen Notenbanken fällt dabei insbesondere die Abwicklung des täglichen Geschäftsverkehrs mit den Banken, die Durchführung von Transak­ tionen am Geld- und Devisenmarkt, der Druck und die Ausgabe von Bankno­ ten, die Sicherstellung der Geldversorgung, das Verwalten sowohl ihrer eige­ nen als auch - zumindest in der Anfangsphase der WWU - der an die EZB übertragenen Währungsreserven, die Bereitstellung und Überwachung von zuverlässigen Zahlungsverkehrssystemen, die Erhebung und Aufbereitung der relevanten Statistiken, die volkswirtschaftlichen Analysen zur Entscheidungs­ vorbereitung, die Mitwirkung an der Aufsicht über Kreditinstitute und die Beteili­ gung an internationalen Finanzorganisationen als Aufgaben zu. Die nationalen Notenbanken werden die einzigen Aktionäre der EZB sein und dieser das Aktienkapital zur Verfügung stellen. Das Kapital der EZB wird fünf Mrd. Euro betragen. Auf die Oesterreichische Nationalbank entfällt dabei auf der Basis aller 15 EU-Staaten ein Anteil von ca. 2,3 Prozent, bei elf Teilneh­ mern ca. 2,9 Prozent des eingezahlten Kapitals. Damit wird auch die OeNB einen entsprechenden Anspruch auf die Gewinne der EZB haben. Auch die Dotation der Gold- und Währungsreserven der EZB erfolgt durch die Noten­ banken der Euro-Teilnehmerländer auf der Basis des Kapitalschlüssels. 447 Dieses Reservenvolumen der EZB wird anfänglich bis zu 50 Mrd. Euro betra­ gen. Die EZB kann die Einzahlung weiterer Währungsreserven fordern. Darüber hinaus können die nationalen Zentralbanken andere als die in der Satzung bezeichneten Aufgaben wahrnehmen, es sei denn, der EZB-Rat stellt mit Zweidrittelmehrheit fest, daß diese Aufgaben nicht mit den Zielen und Auf­ gaben des ESZB vereinbar sind (Art. 14.4 Satzung des ESZB und der EZB). Aus der sehr dezentralen Arbeitsteilung im ESZB ist klar ersichtlich, daß die nationalen Zentralbanken im Rahmen des ESZB weiterhin weitreichende Funk­ tionen haben werden, die teilweise den derzeitigen Rahmen sogar übersteigen werden (wie z.B. im Bereich des Zahlungsverkehrs). Wie auch in anderen de­ zentralen Notenbanksystemen - z.B. dem FED-System in den USA oder der Deutschen Bundesbank - wird das Zentrum des Systems nur eine relativ kleine Schaltzentrale sein und der Hauptteil der Umsetzung und Ausführung der No­ tenbankfunktionen wird bei den nationalen Zentralbanken liegen. 4. Die Neuordnung der geldpolitischen Zielsetzung der OeNS Stabiles Geld war schon bisher das vom österreichischen Gesetzgeber vorge­ gebene Ziel der Politik der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB), und stabi­ les Geld wird auch das vorrangige Ziel der gemeinsamen europäischen Geld­ politik sein. In Österreich rührt das Primat der Geldwertstabilität aus den schmerzlichen Erfahrungen der frühen zwanziger Jahre her. Damals wurde erlebt und erkannt, welchen wirtschaftlichen, sozialen und auch politischen Schaden I nflation anrichten kann. Der Gesetzgeber hat daher die Oesterreichische Nationalbank dazu verpflich­ tet, mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln für die Stabilität des österrei­ chischen Geldes zu sorgen. Damit war auch die richtige Erkenntnis verbunden, daß Konjunktur- und Beschäftigungspolitik nicht Aufgaben der Notenbank sein können, weil sie nicht die dafür notwendigen Instrumente zur Verfügung hat. Mit stabilem Geld kann sie aber eine notwendige - wenn auch nicht allein aus­ reichende - Bedingung für dauerhaftes Wirtschafts- und Beschäftigungs­ wachstum schaffen und so die realwirtschaftliche Entwicklung bestmöglich unterstützen. Die Autoren des Vertrags von Maastricht konnten beim Abfassen des Zielparagraphen für das ESZB auf den empirischen Befund der überwälti­ genden Mehrheit der ökonomischen Wissenschaft aufbauen, daß dauerhaftes Wirtschaftswachstum nur auf der Basis von stabilen monetären Verhältnissen möglich ist. Daher war das Primat der Geldwertstabilität als tragende Säule der neuen europäischen Geldordnung von allem Anfang an unumstritten und hat so Eingang in die europäische Notenbankverfassung gefunden. 448 Das Ziel der österreichischen Geldpolitik war bisher im § 2 (3) des National­ bankgesetzes (NBG) klar definiert. Demnach hatte die OeNB "mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln dahin zu wirken, daß der Wert des österreichischen Geldes in seiner Kaufkraft im Inland sowie in seinem Verhältnis zu den wertbe­ ständigen Währungen des Auslandes erhalten bleibt." Dieser doppelte Stabili­ tätsauftrag hatte demnach eine innere und eine äußere Dimension. Er wurde noch ergänzt durch den in § 4 NBG festgehaltenen Grundsatz, daß die OeNB "bei Festsetzung der allgemeinen Richtlinien der Währungs- und Kreditpolitik ... auf die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung Bedacht zu nehmen [hat)." Der Beitritt zur WWU hat - trotz einer sehr weitgehenden Übereinstimmung zwischen dem bisherigen Auftrag der österreichischen Geldpolitik und dem Ziel der künftigen WWU-weiten Geldpolitik - eine Anpassung dieses Zielparagra­ phen erforderlich gemacht. Der Vertrag von Maastricht legt das Ziel des ESZB unzweideutig fest. In Artikel 105 EG-V heißt es: "Das vorrangige Ziel des ESZB ist es, die Preisstabilität zu gewährleisten. Soweit dies ohne Beeinträchtigung des Zieles der Preisstabilität möglich ist, unterstützt das ESZB die allgemeine Wirtschaftspolitik in der Gemeinschaft, um zu der Verwirklichung der in Artikel 2 festgelegten Ziele der Gemeinschaft beizutragen." In diesem Artikel 2 EG-V wird es u.a. als Aufgabe der Gemeinschaft festgelegt, " ... eine harmonische und ausgewogene Entwicklung des Wirtschaftslebens innerhalb der Gemeinschaft, ein beständiges, nichtinflationäres und umweltverträgliches Wachstum, einen hohen Grad an Konvergenz der Wirtschaftsleistungen, ein hohes Beschäftigungs­ niveau. ein hohes Maß an sozialem Schutz, die Hebung der Lebenshaltung und der Lebensqualität, den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt und die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten zu fördern." Daraus ergibt sich, daß zwar die innere Stabilität das vorrangige Ziel der Geld­ politik sein wird, aber eine äußere Stabilität im Sinne eines festen Wechselkur­ ses zu einer anderen Währung, z.B. dem Dollar, nicht Ziel des ESZB sein wird. Die Neuformulierung des Zielparagraphen für die Oesterreichische National­ bank trägt diesen europäischen Erfordernissen Rechnung. Im neuen § 2 (2) NBG heißt es nunmehr, daß die OeNB "mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln dahin zu wirken [hat], das Ziel der Preisstabilität zu gewährleisten." Die im Artikel 105 EG-V festgehaltene und auf Artikel 2 EG-V verweisende Ver­ pflichtung zur Unterstützung der allgemeinen Wirtschaftspolitik der Gemein­ schaft - soferne es ohne Beeinträchtigung des Primats der Preisstabilität mög­ lich ist - wurde in der Novelle zum NBG in einer gegenüber den Regelungen des EG-Vertrages etwas komprimierten Form folgendermaßen übernommen: "Soweit dies ohne Beeinträchtigung des Ziels der Preisstabilität möglich Ist, Ist den volkswirtschaftlichen Anforderungen in bezug auf Wirtschaftswachstum und Beschäftigungsentwicklung Rechnung zu tragen und die allgemeine Wirt­ schaftspolitik der Gemeinschaft zu unterstützen." 449 5. Die Neuordnung des geldpolitischen Zwischenzieles der OeNS Mit dem Übergang in die WWU und dem damit verbundenen Ende einer Wechselkursorientierung ist auch die Notwendigkeit eines neuen, WWU-weiten geldpolitischen Zwischenzieles verbunden. Ein geldpolitisches Zwischenziel hat die Funktion, der Notenbank als Orientierungsgröße für den Einsatz ihrer geld­ politischen Instrumente zu dienen, da die Verbindung zwischen dem täglichen Instrumenteneinsatz und der Erreichung des geldpolitischen Endzieles, der Preisstabilität, insbesondere in zeitlicher Hinsicht, eine sehr indirekte ist. Bisher diente die Fixierung des Wechselkurses des Schilling zur D-Mark als geldpolitisches Zwischenziel für die österreichische Geldpolitik. Über diese fixe Bindung wurde gleichsam das deutsche Geldmengenziel nach Österreich im­ portiert. Nunmehr braucht die ESZB für ihre Geldpolitik ein eigenes Zwischen­ ziel. Nach einer gründlichen Prüfung ist das EWI zu dem Schluß gelangt, daß dafür entweder die Festlegung eines Geldmengenzieles, wie es die Bundes­ bank während eines Zeitraumes von über zwanzig Jahren verfolgt hat, oder aber eines direkten Inflationszieles, wie es seit 1993 vor allem von der Bank of England verfolgt wird, in Frage kommt. Eine Wechselkursorientierung kommt für die WWU genauso wenig in Betracht wie eine Orientierung an einem Zins­ satz oder am Wachstum des nominellen Bruttoinlandsproduktes. Diese Frage des optimalen Zwischenzieles wird eine der ersten sein, auf die die Europäi­ sche Zentralbank eine geeignete Antwort finden muß. Aus österreichischer Sicht spricht - insbesondere im Lichte der Unsicherheiten bezüglich der Geld­ nachfrage zu Beginn der WWU - viel für eine Kombination aus einem Geld­ mengenziel und einer Orientierungsgröße für die mittelfristig angestrebte (ma­ ximale) Inflationsrate. 6. Die Neuordnung der geldpolitischen Instrumente der OeNS Die OeNB hat sich über die Jahre den für ihre geldpolitische Strategie notwen­ digen und den österreichischen Finanzmarktgegebenheiten angepaßten, geld­ politischen Instrumentenkasten eingerichtet und regelmäßig modernisiert. Die­ se Palette an geldpolitischen Instrumenten umfaßte als die traditionellste Art der Refinanzierung von Geschäftsbanken bei der GeNB den Rediskont von Warenwechseln, der aber in den letzten Jahren zuerst gegenüber den Wertpa­ pierkostgeschäften (GOMEX) und in der Folge gegenüber den angebotsorien­ tierten Offenmarktoperationen (Tenderoperationen) stark an Bedeutung verlo­ ren hat. 450 Daneben hat für die österreichische Geldpolitik die tägliche Wechselkursfest­ setzung im Wege des Devisenfixing der OeNB eine wichtige Rolle gespielt. Erleichtert wurde die Durchsetzung des von der OeNB im Zusammenhang mit ihrer wechselkurspolitischen Zielsetzung jeweils als erforderlich erachteten Zinsniveaus auf dem inländischen Geldmarkt durch das Bestehen von Mindest­ reserveverpflichtungen seitens der Banken. Nunmehr ergeben sich durch die WWU grundlegende Änderungen des geldpolitischen Instrumentariums, das in einem gemeinsamen Währungsraum einheitlich sein muß. Das Instrumentarium des ESZB wird von zwei Säulen getragen werden, den sogenannten ständigen Fazilitäten und den Offenmarktgeschäften. Das ESZB wird den Schwerpunkt der geldpolitischen Operationen auf das Offenmarktge­ schäft legen. Die Zentralbankrefinanzierung wird sich auf wöchentliche Ten­ deroperationen (Versteigerungen) mit jeweils 14-tägiger Laufzeit stützen. Die OeNB hat schon in Vorbereitung auf die WWU im Jahr 1995 ihr System der Zuteilung von Zentralbankgeld in diese Richtung umgestellt. Derzeit schreibt sie wöchentlich eine Versteigerung (Mengentender) mit einer Laufzeit von zwei Wochen aus. Daher ergeben sich diesbezüglich keine gravierenden Änderun­ gen für den österreichischen Bankensektor. Was sich aber insbesondere ändert, ist, daß in der WWU die Konditionen (wie z.B. Volumen, Zinssatz) durch die EZB vorgegeben werden, aber die Abwick­ lung in Österreich durch die OeNB erfolgt. Darüber hinaus wird es eine - volu­ mensmäßig weniger bedeutsame - regelmäßige, längere Tendertranche mit monatlicher Ausschreibung und einer Laufzeit von drei Monaten geben. Dane­ ben stehen dem ESZB noch weitere liquiditätsbereitstellende bzw. liquiditäts­ abschöpfende Instrumente insbesondere für Zwecke der Feinsteuerung zur Verfügung. Die derzeit in Österreich bestehenden individuellen Refinanzie­ rungsplafonds (Diskont, GOMEX) laufen aus. Neben diesen Offenmarktgeschäften wird das ESZB den Banken auch soge­ nannte "Ständige Fazilitäten" (Standing facilities) zur Liquiditätsgestion zur Verfügung stellen, die in etwa den von der OeNB bereits angebotenen Instru­ menten Wertpapierlombard bzw. REGOM entsprechen. Im ersteren Fall geht es um die Zurverfügungstellung von unlimitierter Liquidität zur Spitzenrefinan­ zierung zur Abdeckung von aus dem Zahlungsverkehr offen gebliebenen Sal­ den am Tagesende, im letzteren um die Möglichkeit, überschüssige Liquidität am Tagesende unbesichert, aber verzinst, bei der Notenbank zu veranlagen. Es wird im ESZB zwei Kategorien von Sicherheiten geben, die gleichermaßen für alle Refinanzierungsoperationen herangezogen werden können. Oie soge­ nannten Kategorie-1-Sicherheiten (englisch: "Tier-1") werden ausschließlich marktfähige Schuldtitel sein, deren Emittenten über eine sehr gute Bonität verfügen. Diese Bonität wird aufgrund von einheitlich definierten Kriterien be­ urteilt werden (z.B. auf der Basis von Bonitätseinstufungen von Ratingagentu­ ren). Die derzeit zur Refinanzierung bei der OeNB zugelassenen Wertpapiere werden diese Kriterien erfüllen. 451 Daneben wird es auch eine zweite Kategorie von Sicherheiten, die sogenann­ ten Kategorie-2-Sicherheiten (englisch: "Tier-2") geben. Mit 1. Jänner 1999 wird - wie schon oben erwähnt - der Wechseleskont in der OeNB eingestellt. Die OeNB führt - als teilweisen Ersatz für den Eskont - einen solchen Kategorie-2Sicherheitenpool ein, in den Sicherheiten von (privaten) Unternehmen einge­ bracht werden können. Die Finanzinstitute können dann auf der Basis dieser Sicherheiten bei der OeNB Liquidität im Refinanzierungswege erwerben. Dadurch soll einerseits eine breitere Sicherheitenstreuung (öffentliche Hand/private Unternehmen) erreicht und die Nähe zur Realwirtschaft beibe­ halten, andererseits die Kontinuität zu den bisherigen und sehr bewährten, privaten Refinanzierungsinstrumenten gewahrt werden. Als Sicherheiten sind Wechsel, Schuldverschreibungen und Bankforderungen mit einer Laufzeit von mindestens einem Monat bis maximal zwei Jahren und einem Mindestbetrag von 50.000 Euro vorgesehen. Die OeNB wird daher - wie bereits zu Zeiten des Wechseleskonts - auch die Bonität der Unternehmen, deren Forderungen von ihr akzeptiert werden sollen, zu überprüfen haben. Eine der zentralen Rahmenbedingungen für die Liquiditätssteuerung und für die Aktivitäten auf dem österreichischen Geldmarkt ist durch die Mindestreser­ ve gegeben. Die Primäraufgabe der Mindestreserve wird darin gesehen, für eine stabile Zentralbankgeldnachfrage zu sorgen und somit mitzuhelfen, die Zinsvorstellungen der OeNB auf dem Geldmarkt umzusetzen. Darüber hinaus kann durch die Verpflichtung zur Haltung der Mindestreserve auf Durchschnittsbasis eine starke Zinsvolatilität auf den Geldmärkten verhin­ dert werden. Auch der geldpolitische Instrumentenkasten des ESZB sieht grundsätzlich eine WWU-weite Mindestreserve vor. Ob es eine Mindestreserve tatsächlich geben wird, und wenn ja, in welcher Höhe, auf welcher Basis er­ rechnet und ob unverzinst oder verzinst, muß der EZB-Rat nach der Errichtung der EZB gegen Jahresmitte 1998 entscheiden. Jedes mindestreservepflichtige Finanzinstitut wird dann sein Mindestreserveguthaben grundsätzlich auf einem Konto bei der nationalen Notenbank des Landes der Niederlassung, d.h. die in Österreich angesiedelten Finanzinstitute bei der OeNB, halten. In jedem Fall ist die OeNB diesbezüglich gut vorbereitet, insbesondere weil die Mindestreserve für die österreichische Geldpolitik immer schon ein wichtiges Instrument darge­ stellt hat, das aber auch laufend an die sich ändernden Marktgegebenheiten angepaßt wurde. 452 8. Die Neuordnung ausgewählter Geschäftsfelder der OeNB 8.1 Portfolio Management Zentrales Geschäftsfeld jeder Notenbank und damit auch der OeNB ist, ihre Reserven bestmöglich zu verwalten. Dabei gelten für sie traditionell die Prinzi­ pien Sicherheit, Liquidität und Ertrag (in absteigender Reihenfolge). Die Höhe der von der OeNB zu verwaltenden Aktiva wird sich durch den Übergang zur Währungsunion grundsätzlich nicht ändern. Jener Teil, der wie bereits erwähnt an die EZB zu übertragen ist und zu Interventionszwecken bereitzuhalten sein wird, wird auch weiterhin von der OeNB treuhändig verwaltet werden. Aller­ dings werden für diese Verwaltung zahlreiche neue Regeln gelten, die im Ver­ anlagungsgeschäft zusätzlich zu beachten sind. In diesem Zusammenhang sind Trennwände, sogenannte "chinese walls", zu errichten. Dabei ist primär nicht an eine strikte räumliche und personelle Trennung der EZB-Geschäfte vom Eigengeschäft gedacht, sondern an Regeln, die vor allem darauf abzielen, eine geschäftsmäßige Benachteiligung der EZB zu vermeiden. Darüber hinaus könnten die Veranlagungsprinzipien eine Neuordnung ihrer Reihenfolge in Sicherheit, Ertrag und Liquidität erfahren, was auch eine Veranlagung in län­ gerfristige und damit ertragreichere Aktiva ermöglichen würde. Über die erwähnten, an die EZB zu übertragenden Reserven hinausgehend wird der größte Teil der heutigen Devisenbestände im Eigenbestand der OeNB verbleiben. Darin sind einerseits vor allem Aktiva in D-Mark enthalten, die nach dem Übergang zur Währungsunion in Euro, d.h. in der Heimatwährung, deno­ minierte Deckungswerte werden. Ein Bedarf für Interventionszwecke im D-MarkiSchilling-Markt bei diesen Aktiva ohnedies nicht mehr bestünde, da in der Währungsunion das bisherige Ziel unserer Wechselkurspolitik, die Stabili­ sierung des Schilling-Kurses gegenüber der D-Mark, endgültig und unwiderruf­ lich erreicht ist. Andererseits beinhalten die Devisenbestände der OeNB aber auch wesentlich umfangreichere Fremdwährungsbestände, und zwar vorwie­ gend in US-Dollar. Auch in diesem Bereich werden neue Regeln seitens der EZB zu beachten sein. Die Entscheidung, in welche Veranlagungsinstrumente investiert wird und welche Fälligkeiten bei festverzinsten Wertpapieren gekauft werden, verbleibt aber bei den nationalen Notenbanken. Nur dort, wo die EZB unerwünschte wechselkurspolitische Signalwirkungen von Devisengeschäften nationaler Zentralbanken befürchten müßte, sind Bewilligungspflichten vorge­ sehen. 453 8.2 Statistik Eine zentrale Aufgabe der nationalen Zentralbanken im Rahmen des ESZB ist es, die erforderlichen statistischen Daten entweder von den zuständigen natio­ nalen Behörden oder unmittelbar von den Wirtschaftssubjekten einzuholen. Zu diesem Zweck arbeiten die Notenbanken mit den Organen und Einrichtungen der Gemeinschaft, insbesondere EUROSTAT und EZB, und den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten, also insbesondere dem Österreichischen Stati­ stischen Zentralamt, oder dritter Länder sowie mit internationalen Organisatio­ nen zusammen (z.B. Internationalen Währungsfonds, OECD und Bank für Internationalen Zahlungsausgleich). Denn wie der erste Präsident des EWI, Baron Alexandre Lamfalussy, im Juli 1996 festgehalten hat, "... nichts ist wich­ tiger für die Geldpolitik als gute Statistiken." Dies trifft insbesondere für den neuen Euro-Raum zu, für den erst auf der Basis harmonisierter Länderdaten relevante statistische Aggregate erstellt werden müssen, die dann der wirt­ schaftspolitischen Entscheidungsfindung als verläßliche Basis dienen. Die statistischen Anforderungen der Währungsunion, die vom EWI im Juli 1996 definiert und publiziert wurden, umfassen den gesamten Datenkranz, der für die Beurteilung der notwendigen Geldpolitik erforderlich ist. Dazu gehören sowohl Geld- und Bankenstatistiken, als auch Zahlungsbilanzdaten, eine ge­ samtwirtschaftliche Finanzierungsrechnung und sonstige Wirtschaftsstatistiken (wie Preise, Kosten oder öffentliche Finanzen). Die OeNB hat die notwendigen Vorarbeiten rechtzeitig abgeschlossen, um insbesondere die Monetär- und die Zahlungsbilanzstatistiken auf die neuen Erfordernisse auszurichten. Dafür waren einerseits neue Erhebungen und anderseits neue Erstellungs- und Berechnungsmethoden notwendig. Die stati­ stische Neuordnung der OeNB für die Erfordernisse der WWU ist weitgehend abgeschlossen. 8.3 Volkswirtschaftliche Analyse Der Vertrag sichert jedem Teilnehmerland im Rahmen des EZB-Rates in der Person des Notenbankgouverneurs ein gleichberechtigtes Mitsprache- und Mitentscheidungsrecht bei der Festlegung der WWU-weiten Geldpolitik zu. Der faktische Einfluß wird aber vor allem durch die Qualität der Argumente und das Geschick bestimmt werden, mehrheitsfähige Allianzen zu bilden. Daher ge­ winnt das "volkswirtschaftliche back-office" des Gouverneurs stark an Bedeu­ tung. Gleichzeitig muß sich die volkswirtschaftliche Analyse von einer primär national orientierten zu einer europäischen Sichtweise wandeln, da der Gou­ verneur im Rat der EZB die WWU-weite Geldpolitik mitbestimmt. Seine Funkti­ on ist es nicht, Botschafter seines Landes im EZB-Rat zu sein, sondern perso­ nell unabhängig diejenige Geldpolitik zu vertreten, die für die gesamte Euro­ Zone bestmöglich die Preisstabilität sichern kann. 454 Es ist daher nicht mehr Österreich im Zentrum der geldpolitischen Analyse der OeNB, sondern der gesamte WWU-Raum. Auf diesem Gebiet hat die OeNB schon in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht und ihren Analysehori­ zont stark ausgeweitet und zugleich thematisch vertieft. Die Analyse der mittel- und osteuropäischen Länder könnte zusätzlich ein Analyseschwerpunkt der OeNB sein, der sich aus der geographischen Nähe und der bereits existierenden und während der letzten Jahre auch stark erwei­ terten Expertise ergibt. Mit der sukzessiven Annäherung einiger dieser Staaten an die Europäische Union und deren hoffentlich baldiger Mitgliedschaft wächst das Interesse für und die Relevanz von Analysen dieses Wirtschaftsraumes. Auf diesem Gebiet kann die OeNB langjährig erworbenes Know-how in das ESZB einbringen. 8.4 Bankenaufsicht Laut Artikel 4 der Satzung des ESZB und der EZB trägt das ESZB "zur rei­ bungslosen Durchführung der von den zuständigen Behörden auf dem Gebiet der Aufsicht über die Kreditinstitute und der Stabilität des Finanzsystems er­ griffenen Maßnahmen bei." Gemäß dem Subsidiaritätsprinzip bleibt also die Bankenaufsicht weiterhin in der nationalen Zuständigkeit. Das ESZB wird für die nationalen Aufsichtsbehörden lediglich eine finanzsystemstabilitätsorien­ tierte, unterstützende Funktion wahrnehmen (Art. 105 EG-V und Art.25 ESZB/­ EZB-Statut). Somit steht der vereinheitlichten Geld- und Währungspolitik eine Bankenaufsicht gegenüber, die auf nationaler Ebene durchgeführt wird. Dies wird eine intensive Zusammenarbeit erfordern, denn einerseits setzt eine effiziente Geldpolitik ein stabiles Bankensystem voraus und andererseits kön­ nen bankaufsichtliche Maßnahmen zur Rettung von "Problembanken" Auswir­ kungen auf die Geldpolitik haben. In diesem Zusammenhang ist auch zu be­ denken, daß die Einführung des Euro bedeutende Veränderungen für die Fi­ nanzmarktteilnehmer bringen wird, die den Wettbewerb intensivieren und damit Auswirkungen auf die Stabilität im Bankensystem haben werden (Risiko der sog. "financial fragility" bei Strukturanpassungsschocks). Insbesondere das internationale Großkundengeschäft wird einem noch stärkeren Wettbewerbs­ druck als bisher ausgesetzt sein. Eine mögliche Reaktion der Banken könnte eine Ausweitung der Geschäftstätigkeit in neue, zum Teil auch riskantere Be­ reiche sein. Dies erfordert eine intensivere Betrachtung der geschäftspoliti­ schen Aktivitäten der Kreditinstitute. 455 Die sich ändernden Veranlagungsbedingungen durch den Euro führen auch zu einer zunehmenden Disintermediation (d.h. Verlagerung von Finanzgeschäften aus dem Bankensektor) und zu einer wachsenden Bedeutung der institutionel­ len Investoren wie Investmentfonds, Versicherungen und Pensionskassen. Die Abgrenzung von Kommerzbankgeschäft, Wertpapiergeschäft und Versiche­ rungsdienstleistungen wird angesichts der wachsenden Bedeutung von Fi­ nanzkonglomeraten zunehmend schwieriger. Daraus leitet sich für die OeNB z.B. die Notwendigkeit für eine verbesserte Datenerfassung, für eine Sicherung einer internationalen Qualitätsstandards genügenden Aufsicht und für eine zunehmende Berücksichtigung der institutionellen Investoren bei systemrisiko­ relevanten Betrachtungen ab. Der Euro bzw. die Palette an Euro-Finanzdienstleistungen wird die Transpa­ renz von Veranlagungsentscheidungen erhöhen und Änderungen im Anleger­ verhalten der Kunden bewirken. Der "relevante" Markt für den Kunden ist dann nicht mehr der österreichische Finanzmarkt, sondern der tiefe und liquide Euro­ Markt. Aus dieser zwangsläufigen Europäisierung bzw. Internationalisierung resultieren wachsende Informationsbedürfnisse der OeNB über diese neuen Euro-Produkte. Es wird zu prüfen sein, inwieweit unsere bankenstatistischen Meldungen diesen geänderten Rahmenbedingungen gerecht werden. Der Euro beschleunigt die europäische und internationale Vernetzung der Finanzmärkte. Informationen über Aufsichtssysteme in anderen Ländern wer­ den für uns damit wichtiger. Die Entstehung einheitlicher Euro-Finanzmärkte mit einem zunehmenden Wettbewerb zwischen den Finanzmarktintermediären wird die bilaterale und multilaterale Zusammenarbeit der EU-Aufsichtsbehörden noch weiter verstär­ ken. Weiters wird der Euro strukturpolitische Änderungen und Anpassungen bewirken. Grenzüberschreitende Fusionen werden bedeutend zunehmen. Die Entstehung europäischer und global agierender "Finanzkonglomerate" mit einer breit gestreuten Geschäftstätigkeit wird die Anforderungen an den "Lead­ overseer" bzw. die anderen involvierten Aufsichtsbehörden erhöhen. Gemäß Art. 105 (6) EG-Vertrag könnten weitere bankaufsichtliche Agenden auf die EZB übertragen werden. Es ist derzeit aber keine diesbezügliche Auswei­ tung der Aufgaben der EZB vorgesehen. Nach der Euro-Einführung soll dieses Thema aber nochmals diskutiert werden. 456 8.5 Zahlungsverkehr Die Durchführung einer einheitlichen Geld- und Währungspolitik in Stufe Drei der WWU macht es notwendig, daß alle Teilnehmerstaaten zahlungsverkehr­ stechnisch miteinander taggleich verbunden sind. So kann sichergestellt wer­ den, daß die Übertragung und Gutschrift von Großbeträgen von Land zu Land innerhalb von Augenblicken erfolgen kann und es daher zu keinen Differenzen in den Zinssätzen für Notenbankgeld zwischen den einzelnen Finanzmärkten kommen kann. Daher wurde im Vertrag von Maastricht (Art. 109f 3) EG-V) dem EWI u.a. der Auftrag erteilt, "Instrumente und Verfahren zu entwickeln, die zur Durchführung einer einheitlichen Geld- und Währungspolitik in der dritten Stufe erforderlich sind" sowie "die Effizienz des grenzüberschreitenden Zahlungsver­ kehrs zu fördern." Im sogenannten Trans-European Automated Real-Time Gross Settlement Express Transfer System (TARGET) sollen nunmehr die Zahlungsverkehrssy­ steme der einzelnen Teilnehmerstaaten an der Währungsunion, die alle nach denselben Regeln funktionieren müssen, miteinander verbunden sein. Das Europäische Währungsinstitut hat die Anforderungen an die nationalen Zah­ lungsverkehrssysteme definiert. Die OeNB hat ein den europäischen Anforde­ rungen entsprechendes neues Zahlungsverkehrssystem, ARTIS (Austrian Real Time Interbank Settlement), entwickelt und per Mitte 1997 erfolgreich in Betrieb genommen. Mit dem ARTIS-System steht dem österreichischen Finanzplatz nunmehr ein modernes Abwicklungsinstrument mit der Funktionalität eines modernen Echtzeit-Brutto-Zahlungsverkehrssystems (sog. "Real-Time Gross Settlement System") zur Verfügung, das von den österreichischen Banken bereits intensiv genutzt wird. TARGET, d.h. die Vernetzung der nationalen Systeme, soll am 1. Jänner 1999 den Betrieb aufnehmen und ausschließlich Transaktionen in Euro abwickeln. Auf dem Gebiet der Aufsicht über Zahlungsverkehrssysteme, welche auch die neuen Entwicklungen auf dem Gebiet des "electronic money" umfassen wird, wird die EZB in Kooperation mit den nationalen Notenbanken gewisse Richtli­ nien für die Beaufsichtigung ("oversight") aller Zahlungsverkehrssysteme im Euro-Raum erstellen. Daraus wird sich auch eine stärkere Einbeziehung der OeNB ergeben. Eine Mitarbeit bei der Aufsicht über grenzüberschreitende Zahlungsverkehrssysteme, z.B. Euro-Clearing, wird weiterhin erfolgen. Noch nicht geklärt ist das Ausmaß der Aufsicht über Wertpapierabwicklungssysteme. Sicherlich wird es aber auf diesem Gebiet einen intensiveren innerösterreichi­ schen Kontakt zwischen der Oesterreichischen Kontrollbank und der Oesterrei­ chisehen Nationalbank geben. 457 8.6 Banknotenerzeugung und -verteilung Der Druck und die Ausgabe von Banknoten ist eine der Aufgaben nationaler Notenbanken, die sich im Rahmen der Vorbereitungen auf das ESZB heraus­ kristallisiert haben. Zur Auswahl des Design der europäischen Banknoten hat das EWI 1996 einen Designerwettbewerb ausgeschrieben, den ein Graphiker der OeNB, Robert Kalina, gewonnen hat. Damit hat die OeNB ihre ausgezeich­ nete internationale Reputation auf dem Gebiet des Banknotenentwurfs und der Banknotenerzeugung in überzeugender Weise unterstrichen. Mit diesem Er­ folg, den anerkannten Referenzprodukten in Form der neuen 500- und 1000Schilling-Banknoten und den technischen Möglichkeiten der neuen Bank­ notendruckerei wird die OeNB auch bei der Entwicklung und Erzeugung der Euro-Scheine eine wichtige Rolle spielen. Die Vorbereitung auf die Umstellung auf das Euro-Bargeld - der physische Austausch wird ja erst im Jahr 2002 erfolgen - stellt die EU-Zentralbanken und damit auch die OeNB vor große organisatorische und logistische Herausforde­ rungen. Nach heutigen Schätzungen werden allein in Österreich 2002 etwa 470 Millionen Stück Schilling-Banknoten und rund 500 bis 600 Millionen Stück Schilling-Scheidemünzen innerhalb von zwei bis drei Monaten umzutauschen sein. Die OeNB bereitet sich systematisch und konsequent auf diese Heraus­ forderung vor, bei deren erfolgreicher Bewältigung auch die Zweiganstalten der OeNB in den Landeshauptstädten eine zentrale Rolle spielen werden. 9. Die Notwendigkeit der rechtlichen Neuordnung der OeNB Laut Artikel 108 EG-V muß jeder Mitgliedstaat sicherstellen, "daß spätestens zum Zeitpunkt der Errichtung des ESZB seine innerstaatlichen Rechtsvor­ schriften einschließlich der Satzung seiner Zentralbank mit dem Vertrag sowie mit der Satzung des ESZB im Einklang stehen." Damit ist keine allgemeine Harmonisierung der Notenbankstatuten angestrebt, sondern nur die Verpflich­ tung, die innerstaatlichen Rechtsvorschriften und Zentralbanksatzungen mit dem Ziel anzupassen, sie mit den europäischen Regelungen in Einklang zu bringen. Da eine Reihe von Regelungen des Nationalbankgesetzes 1984 die Vorgaben des EG-Vertrages und des ESZB/EZB-Statuts insbesondere im Hinblick auf Notenbankunabhängigkeit und Integration der OeNB in das ESZB nicht erfüllte, hat die OeNS schon sehr frühzeitig auf eine rechtzeitige Verab­ schiedung der notwendigen Novelle zum Nationalbankgesetz hingewiesen. Mit 25. März 1998 ist die Novelle vom österreichischen Nationalrat verabschiedet worden. 458 Ein Regelungsbereich, der zwar grundsätzlich schon Inhalt des Nationalbank­ gesetzes 1984 und früherer Fassungen war, der aber im Lichte des Vertrags von Maastricht einer Verfeinerung bedurfte, war die Frage der Unabhängigkeit der Notenbank und ihrer Organe. Die Unabhängigkeit ist von grundlegender Bedeutung für die Glaubwürdigkeit der Währungsunion. Daher müssen alle Teile des ESZB spätestens bei Errichtung des Systems - d.h. Mitte 1998 sowohl institutionell und funktionell, wie auch personell und finanziell unabhän­ gig sein. Damit wird schon in der Anfangsphase jede Beeinflussung der Be­ schlußorgane des ESZB durch Mitgliedstaaten ausgeschlossen. Artikel 107 G­ Vertrag spezifiziert, daß weder die EZB noch eine nationale Zentralbank noch ein Mitglied ihrer Beschlußorgane Weisungen von Organen oder Einrichtungen der Gemeinschaft, Regierungen der Mitgliedstaaten oder anderen Stellen ein­ holen oder entgegennehmen darf. § 2 (5) NBG-Novelle enthält die klare Rege­ lung, daß bei der Verfolgung der währungspolitischen Ziele "weder die Oester­ reichische Nationalbank noch ein Mitglied ihrer Beschlußorgane ... Weisungen von Organen oder Einrichtungen der Europäischen Gemeinschaft, von Regie­ rungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft oder von anderen Stellen einholen oder entgegennehmen [darf]." Damit wurde dieses rechtliche Erfordernis erfüllt. Die notwendige rechtliche Integration der OeNB in das ESZB umfaßt - über die Unabhängigkeit hinausgehend - diverse Regelungen, wie z.B. Zielbestimmung, Aufgaben und Instrumentarium, die weiter oben bereits angesprochen wurden. Aber auch die Organisationsstruktur, d.h. die Aufgaben der Organe der natio­ nalen Zentralbanken, gehört zu diesem Problemkreis. Daraus ergab sich für Österreich u.a. die Notwendigkeit, die Aufgaben des Generalrates, der sich aus leitenden Persönlichkeiten des Wirtschaftslebens sowie Rechts- und Wirt­ schaftswissenschaftern zusammensetzt, im wesentlichen auf die eines Auf­ sichtsrates einer Aktiengesellschaft zu reduzieren. Er übt künftig die ständige Überwachung jener Geschäfte aus, die nicht in den Aufgabenbereich des ESZB fallen. In allen geld- und währungspolitischen Fragen, die ja in den Auf­ gabenbereich des ESZB fallen, kann und darf der Generalrat keine Überwa­ chungs- oder Beschlußkompetenz mehr haben, weil diese auf die EZB und insbesondere ihr höchstes Entscheidungsgremium, den EZB-Rat, übergegan­ gen sind. Dort nimmt der Gouverneur der OeNB ad personam und frei jeder Weisung - ob vom Direktorium, dem Generalrat oder einer dritten Stelle - teil. Die NBG-Novelle sieht aber eine Beratung des Direktoriums der OeNB in Fra­ gen der Währungspolitik durch den Generalrat im Rahmen einer mindestens einmal im Vierteljahr stattfindenden gemeinsamen Sitzung vor. Dadurch wird die bewährte Einbindung der österreichischen Sozialpartner in die währungs­ politische Diskussion in einer dem neuen Umfeld angepaßten Form fortgesetzt. 459 10. Die organisatorische Neuordnung der OeNS Die organisatorische Neuordnung der OeNB im Vorfeld zur Einführung des Euro stellt nur eine weitere Etappe auf einem kontinuierlichen Weg der Erneue­ rung dar, der vor fast zehn Jahren begonnen wurde. Die OeNB hat bereits 1988 eine grundlegende und systematische Unternehmenserneuerung in die Wege geleitet. Unter dem Motto "Vom Amt zum modernen Dienstleistungsun­ ternehmen" wurde eine Modernisierung und Entbürokratisierung aller Bereiche der Bank eingeläutet. Das traditionelle leitbild der Nationalbank - "Sicherheit, Stabilität und Vertrauen" - wurde um die Begriffe "Effizienz und Kostenbewußt­ sein" erweitert. Der betriebswirtschaftliche I nstrumentenkasten der OeNB wurde durch eine Reihe von Instrumenten (wie z.B. strategisches Management, strategische Planung, Controlling, Corporate I dentity und Corporate Design) ergänzt bzw. durch gezielte Maßnahmen wie z.B. internationale Ausbildungsoffensive oder befristete Managementverträge weiterentwickelt. Eine Reihe von Strukturanpassungen hatten den Zweck, die strategischen Geschäftsfelder der Bank zu stärken. Hervorzuheben sind dabei insbesondere • • • • • • • • 460 die Diversifikation der Geldproduktion durch die Gründung der Münze Österreich AG (durch Ankauf des Hauptmünzamtes), die innerhalb von wenigen Jahren einen weit über die Grenzen Österreichs hinausgehenden Ruf als kompetenter Hersteller von Umlauf- und Sammlermünzen erwarb; die Intensivierung der innerösterreichischen Zusammenarbeit im Bereich des Zahlungsverkehrs durch die Gründung der Studiengesellschaft für Zu­ sammenarbeit im Zahlungsverkehr (STUZZA), die Internationalisierung der Geschäftsfelder durch die Gründung der Re­ präsentanzen in New York, Brüssel (EU) und Paris (OECD); die vollständige Liberalisierung des Kapitalverkehrs mit dem Ausland und die damit verbundene Auflösung des entsprechenden Organisationsbe­ reichs; die Marktorientierung des geldpolitischen I nstrumentariums durch die Ein­ führung von Auktionsverfahren bei der Liquiditätssteuerung; die verstärkte Unterstützung der Finanzmarktaufsicht durch den Ausbau der Banken- und Versicherungsstatistiken bzw. der Banken- und Firmena­ nalyse; das professionelle Management der Währungsreserven und die Modernisierung der Banknotenherstellung und der Banknotendistributi­ on durch den Neubau des OeNB-Geldzentrums. In weiterer Vorbereitung auf eine optimale Eingliederung in das ESZB und zur weiteren Steigerung der Effizienz der Abläufe wurde die Aufbauorganisation der OeNB Mitte 1 997 überarbeitet. Neben einer Reduktion der Zahl der Res­ sorts und der Abschaffung der Funktion der Bereichsdirektoren wurden inhalt­ lich und ablauforganisatorisch nahestehende Abteilungen in Hauptabteilungen zusammengefaßt. Parallel dazu wurde die systematische Vorbereitung auf die Anforderungen des ESZB im Rahmen eines Masterplans, der rund sechzig verschiedene Umstellungsprojekte um faßt, organisiert und koordiniert. Ein halbes Jahr vor Beginn der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion kann man konstatieren, daß die Oesterreichische Nationalbank im europäi­ schen Vergleich der Notenbanken in punkto Vorbereitung auf die Währungs­ union und die Einführung des Euro zur Spitzengruppe zählt, obwohl wir erst mit dem Beitritt zur EU im Jahre 1 995 in den Vorbereitungsprozeß voll eingebun­ den wurden. Wir haben bereits eine sehr weitgehende Neuordnung hinter uns. Weitere Anpassungsschritte stehen bevor. Aber es zeichnet sich sehr deutlich ab, daß wir unserem sehr ehrgeizigen Ziel, zu den besten Notenbanken Euro­ pas zu gehören, wieder einen großen Schritt näher gekommen sind. Am Vor­ abend des Euro steht die OeNB sehr gut vorbereitet da. 46 1