M E D I Z I N >3 Punkte cme Zertifizierte medizinische Fortbildung Die chronische Herzinsuffizienz Gerhard Bauriedel, Dirk Skowasch, Berndt Lüderitz Dieser Beitrag wurde von der Nordrheinischen Akademie für ärztliche Fort- und Weiterbildung der Ärztekammer Nordrhein zertifiziert. Eine Teilnahme an der zertifizierten medizinischen Fortbildung im Deutschen Ärzteblatt ist nur im Internet möglich, unter der Adresse: www.aerzteblatt.de/cme Zusammenfassung Die chronische Herzinsuffizienz mit ihrer altersabhängigen Prävalenz und Inzidenz ist eine der häufigsten internistischen Erkrankungen. Hohe Mortalität und Morbidität begründen die Notwendigkeit einer frühen sicheren Diagnostik und den Einsatz möglichst kausaler therapeutischer und/oder präventiver Maßnahmen. Die medikamentöse Stufentherapie bei systolischer linksventrikulärer Dysfunktion basiert auf einer Kombinationstherapie mit ACE-Hemmern, β-Blockern, Diuretika, gegebenenfalls AT1-Blockern und Herzglykosiden. Dosiertes Bewegungstraining ist zusätzlicher Therapiebestandteil. Bei Beschwerdepersistenz und optimaler Medikation stellt die kardiale Resynchronisationstherapie ein neueres Behandlungskonzept dar. Zahlreiche Studien zeigen hohe Effektivität von implantierbaren Kardioverter/Defibrillator-Systemen in der Verhinderung des plötzlichen Herztodes sekundär- wie primärpräventiv. Weitere Verbesserungen der Therapie von Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz bleiben eine erstrangige interdisziplinäre ärztliche Aufgabe, dies unter Berücksichtigung evidenzbasierter und leitlininiengerechter Therapie. Schlüsselwörter: Herzinsuffizienz, ACE-Hemmer, β-Blocker, Diuretika, Herzglykoside, kardiale Resynchronisationstherapie (CRT), implantierbarer Cardioverter/Defibrillator (ICD) Summary Chronic Heart Failure Chronic heart failure with its age-dependent prevalence and incidence is one of the most frequent diseases. Due to high mortality and morbidity there is the necessity of early safe diagnosis, and therapeutic and/or preventive measures being causal as possible. Medical graded therapy for systolic left-ventricular dysfunction is based on the combination of ACE-inhibitors, β-blockers, diuretics, AT1blockers and cardiac glycosides, if necessary. Regular exercise is an additional element of therapy. In case of persistent symptoms with optimal drug application, cardiac resynchronization therapy represents a novel option of treatment. Several studies show significant benefit by implantable cardioverter/defibrillator systems in prevention of sudden cardiac death, in secondary as well as in primary prevention. Additional improvement in the treatment of patients with chronic heart failure remains a pivotal interdisciplinary task, with consideration of evidence- and guidelines-based therapy. Key words: Heart failure, ACE inhibitors, β-blockers, diuretics, glycosides, cardiac resynchronization therapy (CRT), implantable cardioverter/defibrillator (ICD) Chronische Herzinsuffizienz ist definiert als das Unvermögen des Herzens, die Peripherie des Körpers ausreichend mit Blut zu versorgen, um den Gewebestoffwechsel in Ruhe und bei Belastung zu gewährleisten. V eränderte Altersstrukturen unserer Bevölkerung und verbesserte Überlebenschancen durch medizinischen Fortschritt haben wesentlich zu einer erhöhten Inzidenz von Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz beigetragen – einem erstrangigen medizinischen, sozialen und wirtschaftlichen Problem unserer Gesellschaft. Auch bei optimaler Therapie sind Mortalität und Morbidität der Herzinsuffizienz weiterhin hoch (33, 34). Daraus ergibt sich die Notwendigkeit einer frühen, sicheren Erkennung derjenigen Patienten, die von therapeutischen und/ oder präventiven Maßnahmen profitieren. Definition Medizinische Klinik und Poliklinik II (Direktor: Prof. Dr. med. Dr. h. c. Berndt Lüderitz), Universitätsklinikum Bonn A 592 Pathophysiologisch ist die Herzinsuffizienz definiert als das Unvermögen des Herzens, bei normalen Füllungsdrucken die Körperperipherie ausreichend mit Blut – Sauerstoff und Substraten – zu versorgen, um den Gewebestoffwechsel in Jg. 102 Heft 9 4. März 2005 Deutsches Ärzteblatt M E D I Z I N Klinisch ist die Herzinsuffizienz ein Syndrom einer gemeinsamen Endstrecke vielfältigster kardialer Erkrankungen. Ruhe oder bei Belastung sicherzustellen. Aus klinischer Sicht ist die Herzinsuffizienz ein Syndrom einer gemeinsamen Endstrecke vielfältigster kardialer Erkrankungen, die sich mit charakteristischen, jedoch nicht spezifischen Symptomen, wie Dyspnoe, Leistungsabnahme, Kongestion und anderen mehr, darstellen (28, 64). Epidemiologie Die chronische Herzinsuffizienz mit ihrer altersabhängigen Prävalenz und Inzidenz ist eine der häufigsten internistischen Erkrankungen. Hypertonie und Myokardinfarkt machen drei Viertel des populationsbezogenen Herzinsuffizienzrisikos aus. Die Herzinsuffizienz ist eine der häufigsten internistischen Erkrankungen; mehr als ein Prozent der Bevölkerung westlicher Länder leiden an einer chronischen Herzinsuffizienz. Die Anzahl jährlicher Neuerkrankungen liegt bei 2 bis 12/1 000 (34, 58). Das Lebenszeitrisiko, eine Herzinsuffizienz zu erwerben, ist für Frauen und Männer über 40 Jahre etwa gleich und liegt bei durchschnittlich 20 Prozent (34). Diese aktuellen Daten der Framingham-Heart-Studie bestätigen einmal mehr die zentrale Bedeutung von Hypertonie und Myokardinfarkt, die drei Viertel des populationsbezogenen Herzinsuffizienzrisikos ausmachen (70). Inzidenz und Prävalenz der Herzinsuffizienz sind deutlich altersabhängig: In der Gruppe der 45- bis 55-Jährigen leiden weniger als ein Prozent an Herzinsuffizienz, jedoch bereits zwei bis fünf Prozent der 65- bis 75-Jährigen und etwa zehn Prozent der über 80-Jährigen (28). Bezogen auf den klinischen Schweregrad, zeigen 0,2 Prozent der Bevölkerung mit 40 und mehr Lebensjahren schwerste Herzinsuffizienz bei eingeschränkter Ventrikelleistung, etwa zwei Prozent Herzinsuffizienz aller Schweregrade, etwa 20 Prozent zeigen Hochrisikokonstellation mit Hypertonie oder erlittenem Myokardinfarkt und mehr als 40 Prozent Hochrisikokonstellation und Übergewicht (70). Ätiologie und Pathophysiologie Chronische Herzinsuffizienz ist charakterisiert durch einen Regelkreis hämodynamisch sinnvoller Kompensationsmechanismen, die jedoch zu einer weiteren Verschlechterung struktureller wie funktioneller Eigenschaften des Herzens und damit zur weiteren Progression der Erkrankung beitragen. Jg. 102 Heft 9 4. März 2005 Deutsches Ärzteblatt Auslösend ist eine primäre Einschränkung der kardialen Pumpleistung; nachfolgend kommt es zu neurohumoralen Anpassungsvorgängen, wie der Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems, des sympathischen Nervensystems, verschiedener Zytokine, vasoaktiver Substanzen und anderen mehr (2, 6, 12, 19, 21, 61). Daraus resultieren periphere Vasokonstriktion, erhöhte myokardiale Inotropie und Chronotropie sowie eine Zunahme des extrazellulären Flüssigkeitsvolumens mit erhöhter enddiastolischer Vordehnung des Herzens (Frank-Starling-Mechanismus) mit dem Ziel, die Perfusion lebenswichtiger Organe zu sichern. Gleichfalls mögliche maladaptive Folgen sind ansteigende Kapillardrucke mit der Konsequenz pulmonaler Stauung und peripherer Ödeme, zunehmende Herzbelastung (afterload) durch erhöhten peripheren Widerstand, Arrhythmieneigung, Verschlechterung der koronaren Ischämie durch Katecholamineffekte auf Kontraktilität und Herzfrequenz, Förderung des Zelltodes von Myozyten durch Angiotensin II und Katecholamine sowie pathologischen Umbau (remodeling) des Myokards (17, 19, 28, 63). Zusammenfassend ist die chronische Herzinsuffizienz charakterisiert durch einen Regelkreis hämodynamisch sinnvoller Kompensationsmechanismen, die jedoch zu einer weiteren Verschlechterung struktureller wie funktioneller Eigenschaften des Herzens und damit zur weiteren Progression der Erkrankung beitragen. Stimmig mit diesen Arbeitsvorstellungen ist die Fähigkeit von ACEHemmern und von β-Blockern, die Überlebensrate zu steigern und die Progression der Herzinsuffizienz zu verlangsamen. Prinzipiell können der chronischen Herzinsuffizienz Herzmuskelschädigungen durch Verlust von Myokard beziehungsweise Myozyten, Druck- und/oder Volumenüberlastungen zugrunde liegen; ebenso können dies Erkrankungen des Perikards, der Herzklappen oder der großen Gefäße sein. Bei der großen Mehrzahl an Herzinsuffizienzpatienten liegt eine gestörte linksventrikuläre (LV) Pump- A 593 M E D I Z I N Kasten 1 Ursachen der chronischen Herzinsuffizienz > ischämische Kardiomyopathie/koronare Herzerkrankung > dilatative Kardiomyopathie > Herzklappenerkrankung > hypertensive Herzerkrankung/arterielle Hypertonie > rhythmogene Herzinsuffizienz (Tachyarrhythmie, Bradykardie) > Myokarditis > Endokarditis > hypertrophische Kardiomyopathie, hypertrophisch-obstruktive Kardiomyopathie > Perikarderkrankungen funktion vor. Allerdings sind nach systematischen Echokardiographieuntersuchungen der Framingham-Studie nur etwa die Hälfte dieser Patienten symptomatisch (36), was die hohe Dunkelziffer für Herzinsuffizienz unterstreicht. Bei etwa 60 Prozent der Patienten liegt eine systolische Dysfunktion vor mit einer Ejektionsfraktion (EF) von unter 40 Prozent (28, 69). Andere Untersuchungen berichten von einer 13- bis 74-prozentigen altersabhängigen Prävalenz der diastolischen Dysfunktion, also einer erhaltenen systolischen linksventrikulären Ejektionsfraktion (24, 68, 69). Kasten 1 gibt eine Übersicht über verschiedene Ursachen der chronischen Herzinsuffizienz bei systolischer und/oder diastolischer Dysfunktion. Klinisch führt die koronare Herzerkrankung, gefolgt von arterieller Hypertonie, verschiedenen spezifischen Kardiomyopathien, Herzklappenfehlern, Myokarditiden und anderen mehr, zum Teil auch in Kombination.Vorbestehende Hypertonie erhöht das Risiko einer Herzinsuffizienz nach Myokardinfarkt (57). Voraussetzung einer möglichst kausalen, erfolgreichen Behandlung der Herzinsuffizienz bleibt die exakte Diagnose der zugrunde liegenden Herzkrankheit. Koronarrevaskularisationen und Eingriffe an den Herzklappen sind hier die wichtigsten nicht-medikamentösen Therapiemaßnahmen mit hoher klinischer Effizienz. > toxisch-metabolische Kardiomyopathien (Alkohol, Doxorubicin und andere mehr) > peripartale Kardiomyopathie > andere Kardiomyopathien, wie idiopathische, Non-Compaction, HIV und andere mehr Einteilung und Klassifikation Unverändert gültig und klinisch relevant ist die funktionelle Einteilung der Herzinsuffizienz nach den Kriterien der New York Heart Association (NYHA) (23, 28), dargestellt in Kasten 2. Basierend auf aktuellen Konzepten zur Pathogenese und der weiteren Progression der Herzinsuffizienz, basierend aber auch auf Risikokonstellationen im Vorfeld der manifesten Erkrankung, erfolgte die aktuelle Stadieneinteilung der American College of Cardiology/American Heart Association (ACC/AHA) (30) – mit Perspektive auf primär- und sekundärpräventive Therapiemaßnahmen (Kasten 3). Prognose Die Prognose verschlechtert sich mit zunehmender kardialer Funktionseinschränkung, ist jedoch beeinflussbar durch therapeutische Maßnahmen. Kasten 2 Funktionelle Klassifikation der Herzinsuffizienz nach NYHA-Stadien (23, 28) I II II IV Herzerkrankung ohne Symptomatik Herzerkrankung mit Beschwerden bei stärkerer Alltagsbelastung Herzerkrankung mit Beschwerden bei leichter Alltagsbelastung Herzerkrankung mit Beschwerden bereits in Ruhe A 594 Die Zahl der Todesfälle, die auf Herzinsuffizienz zurückgeführt werden kann, hat seit 1970 um den Faktor 3 bis 4 zugenommen. Mehr als 90 Prozent treten bei Patienten über 65 Jahren auf (28, 33). Diese Zahlen kontrastieren zunächst zu Berichten rückläufiger Koronar- beziehungsweise Hospital-Mortalität (4, 52), sind jedoch auch Ausdruck der zwischenzeitlich erheblich verbesserten Diagnostik und Therapie mit Verschiebung vorzeitiger Mortalität. Tatsächlich zeigen populationsbezogene Zahlen der Framingham-Studie eine Sterblichkeitsabnahme nach Auftreten von Herzinsuffizienz (33). So ging die 1- beziehungsweise 5Jahres-Mortalität für Männer von 30 und 70 Prozent (im Zeitraum 1950 bis 1969) auf 28 und 59 Prozent (1990 bis 1999), die für Frauen von 28 und 57 Prozent (1950 bis 1969) auf 24 Prozent und 45 Prozent (1990 bis 1999) zurück (33). Entsprechend früheren Berichten war die Sterblichkeit bei Männern höher als bei Frauen (27, 28, 33). Generell verschlechtert sich die Prognose mit zunehmender kardialer Funktionseinschränkung, ist jedoch beeinflussbar durch therapeutische Maßnahmen. Studienergebnisse wiesen für Patienten mit NYHA-Stadien II und III unter Therapie mit ACE-Hemmern eine 1-Jahres-Mortalität von 9 bis 12 Prozent aus gegenüber 52 Prozent bei Patienten mit terminaler Herzinsuffizienz ohne diesbezügliche Therapie (14, 28, 65, 66). Patienten mit systolischer Dysfunktion haben eine schlechtere Prognose als die mit diastolischer Dysfunktion bei jährlicher Sterblichkeit von 15 bis 19 Prozent versus 8 bis 9 Prozent (24, 69). Todesursachen sind im Wesentlichen fortschreitendes Pumpversagen (Herztod mit vorausgehend symptomatischer oder hämodynamischer Verschlechterung) und plötzlicher Herztod (Herztod innerhalb einer Stunde nach kardiovaskulärem Kollaps bei vorher stabilem Patienten) (41, 65, 66). Jg. 102 Heft 9 4. März 2005 Deutsches Ärzteblatt M E D I Z I N Kasten 3 Stadieneinteilung der Herzinsuffizienz nach ACC/AHA 2001 (30) A Patienten mit Risikokonstellation für spätere Herzinsuffizienz; keine erkennbaren strukturellen oder funktionellen Abnormalitäten; keine Herzinsuffizienzzeichen Beispiele: Arterielle Hypertonie, koronare Herzerkrankung, Diabetes mellitus, kardiotoxische Substanzen oder Alkoholabusus, rheumatisches Fieber, familiäre Disposition B Patienten mit struktureller Herzerkrankung aber ohne Herzinsuffizienzsymptomatik Beispiele: Linksventrikuläre Hypertrophie oder -fibrose, linksventrikuläre Dilatation oder Hypokontraktibilität, asymptomatischer Herzklappenfehler, früherer Myokardinfarkt C Patienten mit aktueller oder früherer Herzinsuffizienzsymptomatik mit struktureller Herzerkrankung Beispiele: Dyspnoe, Erschöpfung bei systolischer Dysfunktion; asymptomatischer Patient unter Herzinsuffizienztherapie D Patienten mit fortgeschrittener struktureller Herzerkrankung und mit deutlicher Herzinsuffizienzsymptomatik in Ruhe trotz maximaler medikamentöser Therapie Beispiele: Gehäufte Hospitalisierung, Indikation zur Herztransplantation, „Bridging“ beziehungsweise „Assist-Devices“; präfinale Konstellation Therapieziele sind: Mortalitätsminderung, Beschwerdebesserung, Progressionshemmung und -verzögerung, geringere Hospitalisierung, Primärprävention bei Risikokonstellationen. Diagnostik Neben Anamnese (Dys- beziehungsweise Orthopnoe, Leistungsabnahme) und körperlichem Untersuchungsbefund (Ödeme, pulmonale Stauung, Hepatomegalie, Aszites, Tachykardie) sollten bei jedem Patienten Laboruntersuchungen (Blutbild, Kreatinin, Elektrolyte), 12-Kanal-EKG, Röntgen der Thoraxorgane und transthorakale Echokardiographie durchgeführt werden. Spezifische Fragestellungen gelten vorliegenden Vitien, Kontraktionsstörungen, ventrikulärer Dilatation, diastolischen Relaxations- oder Compliancestörungen (56, 71), Myokardhypertrophie und Perikarderkrankungen (28, 30). Innerhalb der Laboruntersuchungen stellt die Bestimmung der Peptide „brain natriuretic peptide“ (BNP) und N-terminales (NT)-proBNP eine wichtige Neuerung in der Diagnostik der Herzinsuffizienz dar (35). Diese Marker können hilfreich sein insbesondere zum Ausschluss einer linksventrikulären Pumpfunktionsstörung bei symptomatischen Patienten und bieten zusätzliche Anwendungsmöglichkeiten für Risikostratifizierung und Verlaufskontrollen bei gesicherter Herzinsuffizienz (35). Bei Verdacht auf koronare Herzerkrankung sollten ein nichtinvasiver Ischämienachweis und gegebenenfalls eine Koronarangiographie erfolgen. Therapiemaßnahmen bei systolischer Herzinsuffizienz Therapieziele bei chronischer Herzinsuffizienz sind Mortalitätsminderung, Beschwerdebesserung, Progressionshemmung beziehungsweise -verzögerung, Senkung der Hospitalisierungsrate sowie Primärprävention bei Risikokonstellationen. Prinzipiell sind kausale Therapieansätze anzustreben, zum Beispiel operativ, katheterinterventionell oder medikamentös, entsprechend der (den) zugrunde liegende(n) Ursache(n) der Herzinsuffizienz (Kasten 1). Darüber hinaus gelten allgemeine Therapiemaßnahmen, wie Gewichtsnormalisierung, Flüssigkeitsrestriktion unter 1,5 L pro Tag, limitierte Kochsalzzufuhr unter 3 g pro Tag – damit verbunden tägliche Gewichtskontrolle und gegebenenfalls Anpassung der Diuretikadosis. Eine weitere Maßnahme ist die Einschränkung des Alkoholkonsums (weniger als 30 g pro Tag bei Männern und weniger als 20 g pro Tag bei Frauen) (28, 30, 64). Wesentlicher Bestandteil der Therapie bei allen stabilen Krankheitsphasen ist die regelmäßige körperliche Bewegung, wie umfangreiche ´ Tabelle 1 ´ Medikamentöse Stufentherapie bei Herzinsuffizienz (nach 28) Medikament NYHA I NYHA II NYHA III NYHA IV ACE-Hemmer indiziert indiziert indiziert indiziert β-Blocker nach Myokardinfarkt bei Hypertonie indiziert indiziert indiziert bei Hypertonie – bei Flüssigkeitsindiziert*1 retention bei Flüssigkeitsindiziert retention bei Hypokaliämie indiziert Herzglykoside bei Tachyarrhythmie bei Tachyarrhythmie AT1-Blocker unklar*2 bei ACE-Hemmer- bei ACE-Hemmer- bei ACE-HemmerIntoleranz Intoleranz Intoleranz Diuretika Thiazide Schleifendiuretika Spironolacton – indiziert indiziert*1 indiziert indiziert indiziert *1 grundsätzlich indiziert und zusätzliche Verstärkung der Wirkung von Schleifendiuretika; *2 derzeit keine Empfehlung der Fachgesellschaften Jg. 102 Heft 9 4. März 2005 Deutsches Ärzteblatt A 595 M E D I Z I N Dosiertes Bewegungstraining ist wesentlicher Therapiebestandteil. ACE-Hemmer vermindern Mortalität, Hospitalisierung und klinische Symptomatik von Patienten mit NYHA-Stadium II bis IV. AT1-Blocker sind ähnlich wirksam wie ACE-Hemmer in der Behandlung chronischer Herzinsuffizienz mit NYHA-Stadium II bis IV, allerdings konnte eine Überlegenheit bisher nicht dokumentiert werden. Literatur ausweist (28, 30, 32). Entgegen früheren Befürchtungen einer weiteren Verschlechterung der LVEF, erhöht körperliche Bewegung die Belastungstoleranz, vermindert Symptome und verbessert die Lebensqualität von Patienten mit Herzinsuffizienz, additiv zu Verbesserungen durch ACE-Hemmer und β-Blocker (26, 39). Dosiertes Bewegungstraining ist für alle stabilen Patienten vorzusehen, zum Beispiel 3- bis 5-mal pro Woche für jeweils 20 bis 45 Minuten Radfahren mit einer Belastung von 40 bis 75 Prozent der maximalen Herzfrequenz oder Sauerstoffaufnahme (28, 30, 32). Bettruhe und körperliche Schonung sind nur bei dekompensierter chronischer Herzinsuffizienz indiziert; kurze Wege im Zimmer sind erlaubt. Um die vorstehend genannten Therapieziele mit spezifischer Medikation zu erreichen, ist eine stadiengerechte Behandlung notwendig (Tabelle 1). Angiotensin-Converting-Enzym (ACE)-Hemmer vermindern Mortalität, Hospitalisierung und klinische Symptomatik von Patienten mit Herzinsuffizienz-Stadium NYHA II bis IV (14, 22, 65, 66). ACE-Hemmer reduzieren Morbidität und Herzinsuffizienzprogression bei Patienten mit linksventrikulärer Dysfunktion (EF unter 40 Prozent), auch im Falle von Beschwerdefreiheit (64, 67). Spezifisch die Subgruppe von Patienten nach Myokardinfarkt mit symptomatischer Herzinsuffizienz beziehungsweise EF unter 35 Prozent profitiert von ACE-Hemmern. Kardiovaskuläre Endpunkte wie Tod, Myokardreinfarkt und Apoplex werden in dieser Gruppe vermindert (47, 66). Potenzielle Nebenwirkungen der ACE-Hemmer, wie Hypotonie, ansteigende Nierenretentionswerte und Hyperkaliämie, sind bei geringer Dosis der Ersttherapie (Tabelle 2) seltener. Empfohlen werden jedoch prinzipiell die Zieldosen der bekannten Letalitätsstudien (Tabelle 2). Sollten ACE-Hemmer nur schlecht toleriert werden, können auch geringere Dosen eingenommen werden, nachdem diesbezügliche Wirksamkeitsunterschiede wohl eher gering sind (30, 44). Angiotensin II-Rezeptor-Typ 1 (AT1)-Blocker sind ähnlich wirksam wie ACE-Hemmer in der Behandlung chronischer Herzinsuffizienz NYHA II bis IV (31, 50), allerdings konnte eine Überlegenheit bisher nicht dokumentiert werden. Die CHARM-Alternative Studie demonstrierte bei Patienten mit NYHAStadien II und III, die ACE-Hemmer im Vorfeld nicht toleriert hatten, Vorteile für Candesartan gegenüber Placebo (25). AT1-Blocker sind die Alternative bei ACE-Hemmer-assoziierten Nebenwirkungen, wie zum Beispiel Reizhusten. Ähnlich den ACE-Hemmern wird eine niedrige Initialdosis verabreicht (Tabelle 2). Noch kontrovers ist der Stellenwert von AT1-Blockern in Kombination mit ACE-Hemmern (16, 37, 48): In der CHARM-Added Studie war eine solche Kombinationstherapie vorteilhaft für verschiedene Patientengruppen – mit oder ohne β-Blocker (37). Dies ist bedeutsam, nachdem zusätzliche AT1-Blockade ´ Tabelle 2 ´ Initial- und Zieldosis medikamentöser Therapie (nach 32) Medikament Initialdosis (mg) Zieldosis (mg) ACE-Hemmer Captopril Enalapril Lisinopril Ramipril Trandolapril 3 ⫻ 6,25 2 ⫻ 2,5 1 ⫻ 2,5 2 ⫻ 1,25 1 ⫻1 3 ⫻ 50 2 ⫻ 10 1 ⫻ 35 2 ⫻5 1 ⫻4 AT1-Blocker Valsartan Candesartan Losartan 1 ⫻ 20 1 ⫻2 1 ⫻ 12,5 2 ⫻ 160 1 ⫻ 32 1 ⫻ 50 1 ⫻ 10 1 ⫻ 1,25 1 ⫻ 3,125 2 ⫻ 100 1 ⫻ 10 2 ⫻ 25 β-Blocker Metoprolol Bisoprolol Carvedilol A 596 Jg. 102 Heft 9 4. März 2005 Deutsches Ärzteblatt M E D I Z I N Bei NYHA-Stadium II bis IV führt die Therapie mit β-Blockern, zusätzlich zu ACE-Hemmern, zur Besserung der LV-Pumpfunktion und der klinischen Symptomatik bei verminderter Morbidität und Mortalität. Bei der Therapie mit β−Blockern, sollte eine Zieldosis angestrebt werden, wie sie in den großen Letalitätsstudien verwandt wurde, nachdem die Verbesserung der Ventrikelfunktion dosisabhängig zu sein scheint. Diuretika sind indiziert bei kongestiver Herzinsuffizienz und führen zur Besserung des klinischen Bildes. Üblicherweise werden Diuretika kombiniert mit einem ACE-Hemmer und einem β-Blocker. Jg. 102 Heft 9 4. März 2005 Deutsches Ärzteblatt mit Valsartan bei ACE-Hemmer- und β-Blocker-Therapie zunächst mit erhöhter Mortalität behaftet schien, basierend auf einer nachträglichen Subgruppenanalyse der Val-HeFT Studie (16). Die CHARM-Added Studie beinhaltete demgegenüber eine primäre Endpunkt-Analyse, längeres Follow-up und einen höheren Anteil (55 Prozent) von Patienten mit β-Blocker-Therapie. Die VALIANTStudie zeigte für Valsartan vergleichbare Effektivität wie für Captopril, jedoch vermehrte Nebenwirkungen bei der Kombination beider Medikamente – mit oder ohne β-Blocker (48). Allerdings wurden hier nur Patienten mit Herzinsuffizienz zeitnah nach akutem Myokardinfarkt berücksichtigt. Therapie mit β-Blockern – zusätzlich zu ACE-Hemmern – bei Patienten mit NYHA II bis IV beziehungsweise EF unter 40 Prozent führt zur Besserung der linksventrikulären Pumpfunktion und der klinischen Symptomatik bei verminderter Morbidität und Mortalität (9, 11, 38, 42, 46, 60). Dabei sollte einer der drei β-Blocker Metoprolol, Bisoprolol, Carvedilol eingenommen werden, für die diese positiven Effekte dokumentiert wurden. Während die American Heart Association β-Blocker auch für asymptomatische Patienten (NYHA I) mit systolischer Dysfunktion empfiehlt, wird diese Indikation von der Deutschen und der Europäischen Fachgesellschaft lediglich für asymptomatische Patienten nach Myokardinfarkt gesehen (28, 30, 64). β-Blocker mit intrinsischer sympathomimetischer Aktivität sollten bei Herzinsuffizienz nicht verabreicht werden (9). Noch nicht definitiv entschieden ist, ob β1-selektive (Metoprolol, Bisoprolol) oder nicht-selektive vasodilatierende β-Blocker (Carvedilol) geeigneter sind. So zeigte die COMET-Studie für Carvedilol versus Metoprolol geringere Mortalität, war jedoch limitiert durch ihr Studiendesign (53). Relative Kontraindikationen sind höhergradige AV-Blockierungen, Bradykardien, Hypotonie, schweres arterielles Verschlussleiden, obstruktive Lungenerkrankungen (5). Bei einer Therapie mit β-Blockern sollten folgende Grundregeln beachtet werden: Vor Therapieeinleitung müssen die Patienten klinisch stabilisiert sein, ohne intravenöse Inotropika und ohne Zeichen der Kongestion. Der Patient ist zu informieren über eine mögliche vorübergehende klinische Verschlechterung für vier bis zehn Wochen – zurückzuführen auf eine transiente Abnahme des Blutdrucks und der linksventrikulären Pumpleistung bei Zunahme des enddiastolischen Ventrikeldrucks, bevor eine Besserung eintritt. Daher sollte einschleichend mit einem Zehntel der Zieldosis oder sogar weniger begonnen werden bei sehr sorgfältiger wie langsamer Dosiserhöhung (Tabelle 2). Hier kann eine befristete Erhöhung der Diuretikadosis hilfreich sein (tägliches Wiegen!). Langfristig anzustreben ist eine Zieldosis, wie sie in den großen Letalitätsstudien verwandt wurde, nachdem die Verbesserung der Ventrikelfunktion dosisabhängig zu sein scheint (7). Diuretika sind indiziert bei jeder kongestiven Herzinsuffizienz, sie führen zur Besserung des klinischen Bildes. Auch wenn keine randomisierten, prospektiven Daten zu einer Beeinflussung harter klinischer Endpunkte vorliegen, ist ihr Einsatz allgemein akzeptiert. Üblicherweise werden Diuretika kombiniert mit einem ACE-Hemmer und einem β-Blocker. Die Wahl spezifischer Diuretika wird wesentlich bestimmt von der Nierenfunktion. Thiazide und niedrig dosierte Schleifendiuretika werden eingesetzt bei leichten Herzinsuffizienzbildern. Ab Kreatininwerten von etwa 2 mg/dL, also einer glomerulären Filtrationsrate unter 30 mL pro Minute, werden Thiaziddiuretika ineffektiv und sind Schleifendiuretika indiziert. Das häufigste eingesetzte Schleifendiuretikum zur Therapie der Herzinsuffizienz ist Furosemid, während andere Patienten besser auf die Gabe von Torasemid reagieren aufgrund einer besseren Bioverfügbarkeit (28). Intravenöse Diuretika sind wirksamer als in ihren äquivalenten oralen Dosen, insbesondere bei instabilem oder schwerem Krankheitsbild. Die Kombination eines Schleifendiuretikums mit Thiaziden kann im Sinne einer sequenziellen Nephronblockade bei diuretikaresistenter Herzinsuffizienz hilfreich sein (32). Grundsätzlich sollte bei Einsatz von Diuretika die Gefahr von Elektrolytstörungen, insbesondere einer Hypokaliämie, bedacht werden. A 597 M E D I Z I N Die Aldosteronantagonisten Spironolacton und Eplerenon verlängern die Überlebensrate bei schwerer Herzinsuffizienz. Herzglykoside sind indiziert bei Patienten mit Herzinsuffizienz und tachyarrhythmischem Vorhofflimmern zur Frequenzkontrolle sowie zur symptomatischen Therapie bei Sinusrhythmus. Antikoagulation ist indiziert bei Herzinsuffizienz in Kombination mit Vorhofflimmern/-flattern und nach Embolieereignissen. A 598 Die Aldosteronantagonisten Spironolacton und Eplerenon verlängern die Überlebensrate bei schwerer Herzinsuffizienz. Die endokrinen Nebenwirkungen von Spironolacton, wie zum Beispiel Gynäkomastie, basieren auf einer nicht-selektiven Bindung an die Androgen- und Progesteronrezeptoren; Eplerenon hat eine größere Spezifität für den Mineralokortikoidrezeptor und daher eine geringere Inzidenz endokriner Nebenwirkungen (1 versus 10 Prozent). So zeigte Spironolacton in der RALES-Studie eine Reduktion der 2-Jahres-Mortalität von 46 Prozent auf 35 Prozent bei Patienten mit aktueller oder früherer NYHA-Klasse IV, bei gleichzeitiger Behandlung mit einem ACE-Hemmer und einem Schleifendiuretikum (49). Die EPHESUS-Studie zeigte für Eplerenon eine Mortalitätsabnahme von 16,7 Prozent auf 14,4 Prozent nach 16 Monaten für Patienten, die innerhalb von zwei Wochen nach Myokardinfarkt in die Studie aufgenommen worden waren, und die eine EF unter 40 Prozent, Herzinsuffizienzsymptomatik und/oder Diabetes mellitus aufwiesen (51). Die ACC/AHA-Leitlinien empfehlen Spironolacton in einer Dosis von 25 bis 50 mg pro Tag für Patienten mit aktuellem oder früherem NYHA-Stadium IV, Kreatinin unter 2,5 mg/dL und Kalium unter 5 mmol/L; sie sehen keine gesicherte Indikation bei Patienten mit geringem bis mäßigem Herzinsuffizienzgrad (30). Genaue Dosierrichtlinien und konsequente Überwachung sind bei der Therapie mit Aldosteronantagonisten zu beachten, nachdem immer wieder schwere Hyperkaliämien bis zur Dialysepflichtigkeit berichtet werden. Herzglykoside sind indiziert bei Patienten mit Herzinsuffizienz und tachyarrhythmischem Vorhofflimmern zur Frequenzkontrolle sowie zur symptomatischen Therapie bei Sinusrhythmus. Bei Patienten mit stabiler systolischer Herzinsuffizienz und Sinusrhythmus war in der DIG-Studie die Mortalität für Frauen, nicht jedoch für Männer, erhöht. Allerdings war die Hospitalisierungsrate vermindert (54). Post hoc-Analysen zeigen – zumindest für Männer – verminderte Mortalität bei niedrigerem Serumspiegel (55). Empfehlenswert sind demnach niedrige Serumdigoxin-Konzentrationen von 0,5 bis 0,8 ng/mL. Für Digitoxin liegen keine vergleichbaren Ergebnisse vor. Kontraindikationen sind höhergradige AV-Blockierungen, Bradykardie, Hypo-/Hyperkaliämie, Hyperkalzämie, Präexzitationssyndrome, höhergradige Aortenstenosen, hypertrophischobstruktive Kardiomyopathie, Carotis-Sinus-Syndrom (28). Kombinationsbehandlung mit Hydralazin (Zieldosis 300 mg pro Tag) und Isosorbiddinitrat (160 mg pro Tag) zusätzlich zu einer Diuretika- und Digitalismedikation verminderte Letalität und Symptomatik bei systolischer Herzinsuffizienz (13), jedoch geringer als bei ACE-Hemmergabe (14, 20). Insofern ist eine Therapie mit Hydralazin/Isosorbiddinitrat bei Unverträglichkeit beziehungsweise Kontraindikation zu ACE-Hemmern/AT1-Blockern zu bedenken (13, 14). Durchaus sinnvoll kann ein Einsatz von Nitraten beziehungsweise eine Kombination von Hydralazin/Nitraten oder anderen Vasodilatatoren zusätzlich zu ACE-Hemmern und -Blockern sein, um die Symptomatik zu bessern; für eine weitere Prognoseverbesserung gibt es jedoch keinen Anhalt. Kalziumantagonisten mit ihrer bekannt negativ-inotropen Wirkung können zu einer Verstärkung der Herzinsuffizienz und zu einer Zunahme der Mortalität von Patienten mit eingeschränkter systolischer Ventrikelfunktion führen (28); eine Ausnahme stellt tachyarrhythmisches Vorhofflimmern dar. Die Gabe von Amlodipin zusätzlich zu einer Therapie mit ACE-Hemmern, Diuretika und Digitalis zeigte keine Effekte auf die Mortalität schwer herzinsuffizienter Patienten. Allerdings waren symptomatische kardiale Ischämien und Hypertoniephasen seltener, Herzinsuffizienzzeichen dagegen häufiger (43, 45). Für Felodipin gilt ähnliches (15). Antikoagulation ist indiziert bei Herzinsuffizienz in Kombination mit Vorhofflimmern/-flattern. Sie ist zu empfehlen bei dokumentierten intrakavitären Thromben und nach systemischen oder pulmonalen Embolien (28, 30). Relativ oder sogar absolut kontraindiziert bei Herzinsuffizienz sind Medikamente, wie nichtsteroidale Antiphlogistika,Thiazolidinedione, Metformin, Cilostazol und Antiarrhythmika der Klasse I und III mit Ausnahme des Präparates Amiodaron. Jg. 102 Heft 9 4. März 2005 Deutsches Ärzteblatt M E D I Z I N CRT ist ein neueres Therapieverfahren für Patienten, die auch nach optimaler Medikation symptomatisch bleiben. Zahlreiche Studien belegen die hohe Effektivität von ICD-Systemen in der Verhinderung des plötzlichen Herztodes gegenüber medikamentösen Therapieverfahren. Weitere interventionelle wie chirurgische Therapieoptionen: Perkutane Koronarinterventionen, Bypass- und Herzklappen-OP, mechanische Unterstützungssysteme (assist devices), Kardiomyoplastie, Reduktionsventrikuloplastie, Herztransplantation. Jg. 102 Heft 9 4. März 2005 Deutsches Ärzteblatt Kardiale Resynchronisationstherapie (CRT) ist ein neueres Therapieverfahren für Patienten, die auch nach optimaler Medikation symptomatisch bleiben. Intraventrikuläre Leitungsstörung (Linksschenkelblock) führt zu verzögerter linksventrikulärer Kontraktion, verkürzter diastolischer Füllung und funktioneller Mitralinsuffizienz (29, 59). Durch biventrikuläre Schrittmacher-Stimulation kann der asynchrone Kontraktionsablauf beider Ventrikel – ohne Erhöhung des myokardialen Sauerstoffverbrauchs – wieder resynchronisiert werden mit dem Ziel einer Verbesserung der hämodynamischen Situation. Erhöhte Lebensqualität und verbesserte kardiopulmonale Belastbarkeit bei CRT wurden dokumentiert in mehreren randomisierten, prospektiven Studien (1, 3, 10). In einem Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie werden folgende Kriterien zur Identifikation geeigneter Patienten gefordert: Herzinsuffizienz NYHA III trotz optimaler Medikation, Linksschenkelblock mit QRS-Zeit über 150 bis 155 ms, EF unter 35 Prozent, erhaltener Sinusrhythmus (62). Wichtig ist die COMPANION-Studie, die bei 1 520 Patienten mit Herzinsuffizienz NYHAStadium III bis IV (EF von 35 Prozent oder geringer) aufgrund ischämischer oder nicht-ischämischer Kardiomyopathien (QRS-Zeit 120ms oder mehr) erstmalig eine Prognoseverbesserung durch CRT zeigen konnte (8). So war der primäre Endpunkt Tod oder Hospitalisierung gegenüber Patienten mit alleiniger optimaler Medikation um 20 Prozent reduziert. Durch die Kombination der kardialen Resynchronisationstherapie (CRT) mit einem implantierbaren Kardioverter-Defibrillator (ICD) konnte die Mortalität weiter vermindert werden (8). Keine Empfehlung zur CRT besteht für herzinsuffiziente Patienten mit Rechtsschenkelblock. Noch nicht definitiv geklärt ist, inwieweit Patienten mit Linksschenkelblock und Vorhofflimmern profitieren. Implantierbarer Kardioverter-Defibrillator (ICD): Wesentliche Todesursache bei Patienten mit Herzinsuffizienz sind maligne ventrikuläre Herzrhythmusstörungen. Zahlreiche Studien belegen die hohe Effektivität von ICD-Systemen in der Verhinderung des plötzlichen Herztodes gegenüber medikamentösen Therapieverfahren. ICD-Systeme erreichten bei Patienten mit eingeschränkter linksventrikulärer Pumpfunktion (EF unter 35 Prozent) und überlebtem Kammerflimmern oder hämodynamisch wirksamen Ventrikeltachykardien eine um 30 Prozent verminderte Gesamtmortalität im Vergleich zu einer antiarrhythmischen Amiodarontherapie (18). Die zur Frage einer Primärprävention angelegte MADIT-II-Studie demonstrierte für Postinfarktpatienten mit einer EF unter 30 Prozent bei zusätzlicher ICD-Implantation eine um immerhin 31 Prozent verminderte Gesamtletalität innerhalb von zwei Jahren Beobachtungszeit (40). Aktuell auf europäischer Ebene zugelassen wurde ein neuartiges Gerät zur kardialen Resynchronisationstherapie mit integriertem Defibrillator, das automatisch und kontinuierlich den Flüssigkeitsstatus in der Lunge überwachen und frühzeitig vor einem Lungenödem warnen soll (Insync Sentry, Fa. Medtronic). Weitere interventionelle wie chirurgische Therapieoptionen sind die perkutane koronare Intervention (PCI), Bypass- und Herzklappen-Operationen bis zu mechanischen Unterstützungssystemen (assist devices), Kardiomyoplastie, Reduktionsventrikuloplastie und Herztransplantation, wie in einer kürzlichen Übersichtsarbeit ausführlich dargestellt (59). Therapiemaßnahmen bei diastolischer Herzinsuffizienz Hierzu liegen keine gesicherten Studiendaten vor; die therapeutischen Strategien zur Behandlung der systolischen Herzinsuffizienz können nicht analog für die der diastolischen Herzinsuffizienz übernommen werden. Bei abnormaler aktiver Relaxation und Noncompliance des steifen linken Ventrikels mit eingeschränkter Möglichkeit der Nutzung des Frank-Starling-Mechanismus (56, 71) kann versucht werden, den diastolischen Füllungsdruck durch Diuretika und/oder Nitrate vorsichtig abzusenken und somit die venöse Stauung zu min- A 599 M E D I Z I N Die aktuell gültigen Leitlinien zur Herzinsuffizienz: Hoppe UC, Erdmann E, für die Kommission Klinische Kardiologie: Leitlinien zur Therapie der chronischen Herzinsuffizienz. Z Kardiol 2001; 90: 218–37, (Referenz 28). Hunt SA, Baker DW, Chin MH, et al.: ACC/AHA guidelines for the evaluation and management of chronic heart failure in the adult: executive summary. 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Zusätzlich zu symptomatischen Therapiemaßnahmen sollten zugrunde liegende Ursachen evaluiert und möglichst kausal behandelt werden, wie zum Beispiel arterielle Hypertonie, Myokardhypertrophie, Myokardischämie, Herzklappenfehler, Perikarderkrankungen. Resümee Die chronische Herzinsuffizienz gehört zu den häufigsten internistischen Erkrankungen und ist mit hoher Morbidität und Mortalität assoziiert. Der Einsatz evidenzbasierter und leitliniengerechter Therapiekonzepte, adaptiert an die inviduelle Patientensituation, kann Prognose und Lebensqualität betroffener Patienten verbessern. Sinnvoll ist die Koordination bestehender Behandlungskapazitäten durch interdisziplinäre Vernetzungen und den Aufbau regionaler Versorgungsstrukturen. Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht. Manuskript eingereicht: 12. 10. 2004, revidierte Fassung angenommen: 5. 1. 2005 ❚ Zitierweise dieses Beitrags: Dtsch Arztebl 2005; 102: A 592–601 [Heft 9] Fragen zur zertifizierten Fortbildung (nur eine Antwort pro Frage ist jeweils möglich) Frage 1: Welche Aussage zur Epidemiologie der chronischen Herzinsuffizienz ist richtig? a) Etwa 0,1 Prozent der Bevölkerung westlicher Länder leiden an einer chronischen Herzinsuffizienz. b) Die Anzahl jährlicher Neuerkrankungen liegt bei 0,01 Prozent. c) Das Lebenszeitrisiko, eine Herzinsuffizienz zu erwerben, ist für beide Geschlechter (älter als 40 Jahre) in etwa gleich und liegt bei durchschnittlich 20 Prozent. d) Inzidenz und Prävalenz der Herzinsuffizienz sind altersunabhängig. e) Hypertonie und Myokardinfarkt machen nahezu 25 Prozent des populationsbezogenen Herzinsuffizienzrisikos aus. Frage 2: Welche Aussage zur Definition/Ätiopathogenese der Herzinsuffizienz ist richtig ? a) Herzinsuffizienz ist definiert als Unvermögen des Herzens, die Körperperipherie ausreichend mit Blut zu versorgen, um den Gewebestoffwechsel bei Ruhe und Belastung sicher zu stellen. A 600 b) Herzinsuffizienz ist ein Syndrom einer gemeinsamen Endstrecke vielfältigster kardialer Erkrankungen, die sich ausschließlich mit spezifischen Organsymptomen darstellen. c) Nach systematischen Echokardiographieuntersuchungen der Framingham-Studie zeigen mehr als 90 Prozent der Patienten die Symptomatik einer Herzinsuffizienz. d) Eine vorbestehende Hypertonie reduziert das Risiko für Herzinsuffizienz nach Myokardinfarkt. e) Chronische Herzinsuffizienz ist charakterisiert durch einen Regelkreis hämodynamischer Kompensationsmechanismen, die einer weiteren Progression der Erkrankung entgegenwirken. Frage 3: Folgende Aussage zur Stadieneinteilung und Prognose der Herzinsuffizienz trifft zu: a) Das NYHA-Stadium I beinhaltet auch symptomatische Patienten. b) Die neuere Stadieneinteilung nach ACC/AHA 2001 schließt Risikokonstellationen für spätere Herzinsuffizienzentwicklungen bewusst aus. Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis, das beim Verfasser erhältlich oder im Internet unter www.aerzteblatt.de/lit0905 abrufbar ist. Anschrift für die Verfasser: Prof. Dr. med. Gerhard Bauriedel Medizinische Klinik und Poliklinik II, Universitätsklinikum Bonn Sigmund-Freud-Straße 25, 53127 Bonn E-Mail: [email protected] c) Die Anzahl Herzinsuffizienz-bedingter Todesfälle ist seit 1970 stetig rückläufig. d) Patienten mit NYHA-Stadium II/III unter Therapie mit ACE-Hemmern zeigen eine 1-Jahres-Mortalität von etwa 10 Prozent gegenüber 50 Prozent bei Patienten mit terminaler Herzinsuffizienz ohne diesbezügliche Therapie. e) Patienten mit systolischer Dysfunktion haben eine gleich schlechte Prognose wie die mit diastolischer Dysfunktion. Frage 4: Welche Aussage zur Therapie mit ACE-Hemmern bei Herzinsuffizienz ist richtig ? a) ACE-Hemmer vermindern Hospitalisierung und Symptomatik von Patienten mit Herzinsuffizienz NYHA II bis IV, nicht jedoch die Mortalität. b) ACE-Hemmer reduzieren die Progression der Herzinsuffizienz bei Patienten mit einer linksventrikulären Dysfunktion nicht im Fall von Beschwerdefreiheit. c) Patienten nach Myokardinfarkt und symptomatischer Herzinsuffizienz zeigen keinen Benefit durch ACEHemmer-Gabe. d) Potenzielle Nebenwirkungen der ACE-Hemmer sind bei geringer Dosis der Ersttherapie seltener. e) Die Häufigkeit einer Apoplexie wird durch ACE-Hemmer nicht beeinflusst. Jg. 102 Heft 9 4. März 2005 Deutsches Ärzteblatt M E D I Z I N Frage 5: Zur Therapie mit β-Blockern bei Herzinsuffizienz ist richtig: a) β-Blocker können bereits verabreicht werden bei noch bestehenden Zeichen der Kongestion oder auch im Rahmen der Rücknahme intravenöser Inotropika. b) β-Blocker mit intrinsischer sympathomimetischer Aktivität sollten insbesondere bei Herzinsuffizienz verabreicht werden. c) β-Blocker sind bei chronischer Herzinsuffizienz kontraindiziert. d) Langfristig sollte eine β-Blocker-Zieldosis wie in Großstudien angestrebt werden, nachdem die Verbesserung der Ventrikelfunktion dosisabhängig zu sein scheint. e) Bei Unverträglichkeit oder Kontraindikationen für βBlocker ist eine kombinierte Gabe von ACE-Hemmer und AT1-Blockern kontraindiziert. Frage 6: Zur Therapie mit Diuretika bei Herzinsuffizienz trifft folgende Aussage zu: a) Zum Einsatz von Diuretika bei kongestiver Herzinsuffizienz liegen zahlreiche randomisierte, prospektive Studien vor. b) Diuretika werden als Monotherapie noch vor der Gabe von ACE-Hemmern bei stabiler Herzinsuffizienz empfohlen. c) Die Wahl spezifischer Diuretika ist unabhängig von der Nierenfunktion der Patienten. d) Intravenöse Diuretika sind wirksamer als ihre äquivalenten oralen Dosen, insbesondere bei schwerem klinischen Bild. e) Der Aldosteron-Antagonist Spironolacton ist bevorzugtes Medikament bei niedrigem Herzinsuffizienzstadium. Frage 7: Bei der medikamentösen Therapie der Herzinsuffizienz ist richtig: a) Herzglykoside verstärken tachyarrhythmisches Vorhofflimmern. b) In der DIG-Studie waren bei männlichen Patienten mit stabiler Herzinsuffizienz und Sinusrhythmus Mortalität und Hospitalisierungsrate erhöht. Referiert c) Herzglykoside können unbedenklich verabreicht werden bei höhergradiger Aortenklappenstenose, WPWSyndrom und höhergradigen AV-Blockierungen. d) Empfehlenswert sind niedrige Serum-Digoxin-Konzentrationen bei Digitalistherapie, nachdem Post-hocAnalysen zumindest für Männer verminderte Mortalität bei niedrigerem Serumspiegel zeigten. e) Kalziumantagonisten vermindern Herzinsuffizienzsymptomatik und Mortalität bei systolischer Dysfunktion. Frage 8: Hinsichtlich der kardialen Resynchronisationstherapie (CRT) ist folgende Aussage richtig: a) Indikation zur CRT ist ein Rechtschenkelblock. b) Indikation zur CRT sind Herzinsuffizienzstadien NYHA I und II. c) Indikation zur CRT ist eine EF von 35 bis 50 Prozent. d) Mortalität und Hospitalisierung unter CRT-Therapie war in der COMPANION-Studie um etwa 20 Prozent vermindert gegenüber alleiniger optimaler Medikation. e) Kombination von CRT mit einem ICD-Aggregat vermag die Mortalität nicht weiter zu reduzieren. Frage 9: Zur ICD-Therapie bei Herzinsuffizienz ist richtig: a) Maligne ventrikuläre Herzrhythmusstörugen sind als Todesursache bei Patienten mit Herzinsuffizienz nur von untergeordneter Bedeutung. b) ICD-Systeme sind ähnlich wirksam wie medikamentöse Therapieverfahren in der Verhinderung des plötzlichen Herztodes. c) Nach MADIT II profitieren Patienten mit nicht-ischämischer Kardiomyopathie von der ICD-Therapie. d) ICD-Systeme zeigten sich nach Studienlage nur sekundärpräventiv wirksam. e) Postinfarktpatienten mit einer EF unter 30 Prozent zeigten bei zusätzlicher ICD-Implantation eine um etwa 30 Prozent verminderte Gesamtletalität innerhalb von zwei Jahren Beobachtungszeit. Frage 10: Zur Diagnostik der systolischen Herzinsuffizienz ist richtig: Paroxetin bei Reizdarm-Syndrom? Zur Behandlung des Reizdarm-Syndroms (Colon irritabile) gibt es keine standardisierte Therapie, da die Pathophysiologie des Krankheitsbilds nicht geklärt ist. In zunehmendem Maße werden auch trizyklische Antidepressiva eingesetzt, die die Schmerzschwelle für Dehnungsreize der glatten Muskulatur anheben sollen. Die Autoren berichten über eine Studie mit dem selektiven SerotoninReuptake-Hemmer (SSRI) Paroxetin, werden doch 90 Prozent des kör- Jg. 102 Heft 9 4. März 2005 Deutsches Ärzteblatt pereigenen Serotonins im Darm produziert. In die doppelblinde placebokontrollierte Studie wurden 98 Patienten mit Reizdarm-Syndrom aufgenommen, bei denen eine faserreiche Kost die Symptomatik nicht geändert hatte. Während sich unter Placebo bei 26,3 Prozent das Allgemeinbefinden besserte, war dies unter Paroxetin in 63,3 Prozent der Fall; weniger überzeugend waren die Ergebnisse bezüglich der Symptome Bauchschmerz und Meteorismus. Die Wissenschaftler sind der Auffassung, a) Anamnese und körperliche Untersuchung sind nur in Ausnahmefällen wegweisend. b) EKG und Röntgen-Thorax zeigen pathognomonische Befunde bei nicht-ischämischer Kardiomyopathie. c) Die Echokardiographie hat nur untergeordneten diagnostischen Stellenwert. d) Die Marker BNP und NT-proBNP können hilfreich sein zum Ausschluss einer linksventrikulären Pumpfunktionsstörung bei symptomatischen Patienten. e) Bei Verdacht auf koronare Herzerkrankung ist eine zeitnahe Koronarangiographie ohne vorherige Ischämiediagnostik obligat. Wichtiger Hinweis Die Teilnahme an der zertifizierten Fortbildung ist ausschließlich über das Internet möglich: www.aerzteblatt.de/cme Einsendeschluss ist der 14. April 2005 Einsendungen, die per Brief oder Fax erfolgen, können nicht berücksichtigt werden. Die Lösungen zu dieser cme-Einheit werden in Heft 17/2005 an dieser Stelle veröffentlicht. Die cme-Einheit „Die ärztliche Schweigepflicht“ (Heft 5/2005) kann noch bis zum 17. 3. 2005 bearbeitet werden. Für Heft 13/2005 ist das Thema „Tumorschmerz“ vorgesehen. Lösungen zur cme-Einheit in Heft 1–2/2005 Holtkamp K, Herpertz-Dahlmann B: Anorexia und Bulimia nervosa im Kindes- und Jugendalter. 1e, 2c, 3e, 4d, 5a, 6e, 7e, 8a, 9e, 10b. dass Paroxetin in einer Dosierung von 10 bis 40 mg deutlich besser abschneidet als eine alleinige Behandlung mit faserreicher Kost. Ob SSRIs einer Behandlung mit trizyklischen Antidepressiva überlegen sind, muss durch weitere Studien überprüft werw den. Tabas G, M Beaves, J Wang et al.: Paroxetine to treat irritabile bowel syndrome not responding to high-fiber diet: a double-blind, placebo-controlled trial. Am J Gastroenterol 2004; 99: 914–920. Dr. G. H. 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