1 Mathematisches Institut II Universität Karlsruhe Priv.-Doz. Dr. N. Grinberg 29.06.2004 SS’05 Schnupperkurs: Ausgewählte Methoden zur Aufgabenlösung Vorlesung 4: Das Extremalprinzip, das Schubfachprinzip • Benutzte Literatur: 1. Arthur Engel, Problem-Solving Strategies 2. A. Spivak, Das mathematische Fest (in Russischer Sprache). 3. Zeitschrift Mathematische Bildung (in Russischer Sprache), 4 (2003). 4. Yan Zhang, Ausarbeitung zum Vortrag über das Schubfachprinzip: http://www-lti.informatik.rwth-aachen.de/ lehre/extremal-combinatorics/ss2004/v3ausarbeitung.pdf 5. A. Beutelspacher, M. - A. Zschiegner, Diskrete Mathematik für Einsteiger, Vieweg 2002 6. Aufgaben des Bundeswettbewerbs-Mathematik. 1 Das Extremalprinzip Das Extremalprinzip ist eine der wichtigsten Taktiken zur Lösung mathematischer Aufgaben, wo es darum geht, die Existenz eines Objektes mit bestimmten Eigenschaften innerhalb einer Menge zu beweisen. In einem solchen Fall ist es oft hilfreich, jedem Element eine Zahl (eine natürliche, eine ganze, eine reelle - je nachdem, wie die Elemente beschaffen sind) so geschickt zuzuschreiben, dass das Element mit der kleinsten bzw. der größten Zahl genau die gewünschten Eigenschaften hat. Anders ausgedrückt, man nehme aus einer Menge von Objekten dasjenige heraus, das in einer gewissen Hinsicht extremal ist. Was das genau bedeutet, hängt von der jeweiligen Aufgabe ab: Bei einer Menge von Zahlen kann dies beispielsweise die größte Zahl sein, oder die kleinste, bei einer Menge von Figuren die mit dem größten Flächeninhalt, oder die mit dem größten Umfang, usw. Hier sind drei wichtige Fakten, die die Anwendung des Extremalprinzips betreffen: • Unter endlich vielen reellen Zahlen findet sich immer eine kleinste und eine größte. Mit anderen Worten: Jede endliche nichtleere Menge A von reellen Zahlen hat ein kleinstes Element min A und ein größtes Element max A. Dies trifft natürlich auch auf Mengen von natürlichen Zahlen zu (denn natürliche Zahlen sind ja reell). 2 • Jede beliebige (also endliche oder unendliche) nichtleere Menge A von natürlichen Zahlen hat ein kleinstes Element min A. (Ein größtes Element hat sie natürlich nicht immer.) • Eine beliebige Menge A von reellen Zahlen braucht im Allgemeinen weder ein kleinstes noch ein größtes Element zu haben. Ist sie allerdings nach oben beschränkt, so hat sie eine kleinste obere Schranke (Supremum) sup A; ist sie nach unten beschränkt, so hat sie eine größte untere Schranke (Infinum) inf A. Ist sup A ∈ A (das heißt, gehört die kleinste obere Schranke der Menge A zur Menge A selber), dann ist sup A auch das größte Element der Menge A; bei inf A ∈ A ist entsprechend inf A das kleinste Element der Menge A. Im allgemeinen hat aber, wie schon gesagt, nicht jede Menge A von reellen Zahlen ein kleinstes und ein größtes Element. 1.1 Vorlesungsbeispiele Aufgabe 4.1. Es seien n Punkte in der Ebene gegeben. Je drei von ihnen bilden ein Dreieck, dessen Fläche kleiner oder gleich 1 ist. Beweisen Sie, dass es ein Dreieck gibt mit der Fläche 4, das alle n Punkte enthält. Lösung: Unter allen Dreiecken, deren Ecken je drei von unseren n Punkten sind, sei ∆ABC dasjenige mit der größten Fläche (falls es mehrere Dreiecke mit der größten Fläche gibt, sei ∆ABC eins von ihnen). Diese Fläche heiße F ≤ 1. Wir zeichnen durch die Dreiecksecken drei Geraden parallel zu den Seiten von ∆ABC. Das Dreieck A0 B 0 C 0 , das von diesen Geraden gebildet wird, hat offensichtlich die Fläche 4F ≤ 4. X A C‘ B‘ C H B H‘ A‘ Wir beweisen, dass alle n Punkte innerhalb (inklusive den Rand) von ∆A0 B 0 C 0 liegen. Wir führen einen Widerspruchsbeweis. Angenommen, ein Punkt X (einer von unseren n Punkten) liegt außerhalb von ∆A0 B 0 C 0 . Ohne Beschränkung der Allgemeinheit nehmen wir an, dass die Gerade B 0 C 0 zwischen X und A0 liegt. Dann ist die Höhe AH 3 kürzer, als die Höhe XH 0 . Also ist die Fläche von dem Dreieck ∆XBC größer, als die Fläche von ∆ABC. Das ergibt einen Widerspruch, da wir ∆ABC als das Dreieck mit maximaler Fläche gewählt haben. Damit haben wir bewiesen, dass das Dreieck A0 B 0 C 0 mit der Fläche ≤ 4 alle n Punkte enthält. Aufgabe 4.2. In der Ebene seien n verschiedene Punkte H1 , ..., Hn (Häuser), sowie n andere Punkte B1 , ..., Bn (Brunnen) gegeben. Keine drei von diesen 2n Punkten sind kollinear (d. h. liegen auf einer Geraden). Zeigen Sie, dass man jedes Haus mit jeweils einem Brunnen so durch eine gerade Strecke verbinden kann, dass sich diese Strecken nicht schneiden. Lösung: Wir betrachten alle injektiven Abbildungen a : H → B, wobei H = {H1 , ..., Hn } die Menge aller Häuser und B = {B1 , ..., Bn } die Menge aller Brunnen ist. Für jede solche Abbildung a berechnen wir die Gesamtlänge l (a) aller geraden Strecken von Hj nach Bij = a (Hj ) : l (p) = |H1 Bi1 | + |H2 Bi2 | + ... + |Hn Bin | . Wir betrachten nun eine Abbildung a = a0 , für die die Zahl l (a) minimal ist. Angenommen, es gibt zwei Strecken - o. B. d. A. seien dies die Strecken H1 B1 und H2 B2 - die sich in einem Punkt M schneiden. Dann könnten wir eine neue ”Kreuzverbindung” a0 bilden, indem wir H1 mit B2 bzw. H2 mit B1 verbinden, und die restlichen Strecken nicht verändern. Es gilt dann l (a0 ) < l (a) , denn nach der Dreiecksungleichung ist |H1 B2 | + |H2 B1 | < (|H1 M | + |M B2 |) + (|H2 M | + |M B1 |) = (|H1 M | + |M B1 |) + (|H2 M | + |M B2 |) = |H1 B1 | + |H2 B2 | . H2 H1 M B2 B1 Das widerspricht der Annahme, dass l (a0 ) minimal ist. Somit haben wir gezeigt, dass die Abbildung a0 die Bedingung der Aufgabe erfüllt. Aufgabe 4.3. (Das Sylvester-Problem aus dem Jahre 1893, erste Lösung von T. Gallai 1933). Es sei S eine Menge aus n verschiedenen Punkten in der Ebene, die die folgende 4 Eigenschaft hat: Jede Gerade, auf der zwei von diesen Punkten liegen, enthält mindestens noch einen Punkt aus S. Beweisen Sie, dass alle diese n Punkte auf einer Geraden liegen. Stimmt die Behauptung auch für eine unendliche Punktmenge? Lösung: Angenommen, nicht alle Punkte in S sind kollinear. Wir betrachten alle Paare (g, A) , wobei g eine Gerade durch zwei Punkte aus S ist, und A ∈ S ein Punkt ist, der dieser Gerade nicht angehört. Unter allen solchen Paaren wählen wir ein, für das der Abstand d1 = dist (g, A) am kleisten ist. Auf der Geraden g gibt es mindestens drei Punkte B, C, D ∈ S. Sei H der Fußpunkt des Lotes von A auf g. Von den drei Punkten B, C und D liegen mindestens zwei auf einer Seite von H. Seien dies die Punkte B und C, und zwar liege B zwischen H und C (es kann auch B = H sein). A H‘ D H B C Dann ist der Abstand d2 = dist ((AC) , B) von B zur Geraden (AC) kleiner als d1 , weil d2 |BH 0 | |BC| |HC| = = ≤ <1 d1 |AH| |AC| |AC| ist. Das widerspricht unserer Wahl des kleinsten Elements. Ist aber die Menge S unendlich, so gilt die Aussage im Allgemeinen nicht mehr. Man betrachte z. B. S = R2 , also alle Punkte in der Ebene. 1.2 Übungsaufgaben Aufgabe 4.4. Ein Köcher enthält 2004 Vektoren. Albert und Bertram nehmen sich, einer nach dem anderen, jeweils einen Vektor aus dem Köcher. Albert fängt an. Das Spiel endet nach 2004 Zügen, wenn jeder Spieler 1002 Vektoren hat. Jeder addiert nun seine Vektoren und berechnet die Länge der Summe. Verlierer ist derjenige, dessen Vektorsumme eine kleinere Länge hat (ein Unentschieden ist möglich). Gibt es für Albert eine sichere Strategie, um nicht zu verlieren? Lösung: Sei s die Summe aller Vektoren. Wir führen ein Koordinatensystem ein, dessen x-Achse die Richtung des Vektors s hat; also ist e1 = s/ |s| . (Ist s = 0, so wählen wir e1 beliebig.) Die Strategie von Albert soll darin bestehen, in jedem Zug einen Vektor v zu nehmen, dessen x-Koordinate v · e1 maximal ist. Wenn die Vektoren von Albert v1 , v3 , ..., v2003 sind, und die von Bertram entsprechend v2 , v4 , ..., v2004 , dann gilt v1 · e1 ≥ v2 · e1 , v3 · e1 ≥ v4 · e1 , ..., v2003 · e1 ≥ v2004 · e1 . 5 Bezeichnen wir die x-Koordinate von sA = v1 + v3 + ...+ v2003 (die Summe von Albert) mit tA und die x-Koordinate von sB = v2 + v4 + ...+ v2004 (die Summe von Bertram) mit tB , so gilt im Endeffekt tA ≥ tB . Nun ist sA + sB = s = |s| e1 und damit tA + tB = |s| ≥ 0. Aus tA + tB ≥ 0 und tA ≥ tB folgt tA ≥ |tB | , also |tA | ≥ |tB | , t2A ≥ t2B . und Man hat ferner sA = tA e1 + p, sB = tB e1 − p, mit einem Vektor p, der senkrecht auf e1 steht. Dann ist ksA k2 = t2A + kpk2 ≥ t2B + kpk2 = ksB k2 . Damit haben wir bewiesen, dass die Summe sA von Albert länger oder gleich ist, als die Summe sB von Bertram. Aufgabe 4.5. Sei ABCDEF ein konvexes Sechseck mit der Fläche 1. Zeigen Sie, dass es (mindestens) eine Diagonale dieses Sechsecks gibt, die von dem Sechseck ein Dreieck mit einer Fläche von höchstens 16 abschneidet. Lösung: Wir zeichnen die Hauptdiagonalen von ABCDEF und markieren ihre (möglicherweise gleichen) paarweisen Schnittpunkte X, Y und Z. Betrachten wir nun die sechs Dreiecke ABY, BCY, CDZ, DEZ, EF X und F AX. B C B C Z Z D Y A D F E Das kleinste von diesen Dreiecken hat eine Fläche ≤ sweise F (ABY ) ≤ 16 . Es ist dann Y Y X X E B C F 1 6 A A F (Extremalprinzip). Sei beispiel- min {F (ABF ) , F (ABC)} ≤ F (ABY ) ≤ max {F (ABF ) , F (ABC)} , was aus der Betrachtung der Höhen von F, Y und C auf (AB) folgt. Also hat das kleinste der beiden Dreiecke ∆ABF und ∆ABC eine Fläche ≤ 16 . 6 1.3 Schwieriegere Aufgaben Aufgabe 4.6a). In einem ebenen Weltall gibt es n kreisförmige Planeten. Für jeden Planet Pj markieren wir auf seinem Kreisumfang alle Punkte, von denen aus man keinen anderen Planeten sehen kann, und bezeichnen die Menge aller solchen Punkte mit Vj . Zeigen Sie, dass Vj eine endliche Vereinigung von offenen Kreisbögen ist. Beweisen Sie ferner, dass die Gesamtsumme aller Mittelpunktswinkel von diesen Bögen (für alle Planeten) 2π ausmacht. b). Im räumlichen Weltall gibt es n kugelförmige Planeten, alle vom Radius 1. Für jeden Planeten Pj markieren wir auf seiner Oberfläche alle Punkte, von denen aus man keinen anderen Planeten sehen kann. Beweisen Sie, dass die Gesamtfläche aller markierter Punkte (für alle Planeten) genau die Oberfläche eines Planeten, also 4π, ausmacht. Lösung: a). Wir betrachten nur den ebenen Weltraum; der dreidimensionale Fall läuft analog. Sei Kj = ∂Pj der Kreisumfang des j-ten Planets. Wir bezeichnen mit Uj,a ⊂ Kj die Menge aller Punkte auf Kj , von denen aus der Planet Pa nicht zu sehen ist. Offensichtlich ist Uj,a ein offener Kreisbogen. Ua,j Pa Uj,a Pj Da Vj = Uj,1 ∩ Uj,2 ∩ ... ∩ Uj,n ist, schließt man sofort, dass Vj eine endliche Vereinigung von offenen Kreisbögen ist (streng genommen muss man das noch induktiv beweisen). Wir bezechnen die Mittelpunktswinkelintervalle für diese Bögen mit ¡ ¢ Ij = (ϕ1 , ϕ2 ) ∪ (ϕ3 , ϕ4 ) ∪ ... ∪ ϕmj −1 , ϕmj , wobei 0 ≤ ϕ1 < ϕ2 < ... < ϕmj −1 < ϕmj ≤ 2π erfüllt ist. Im kartesischen Koordinatensystem mit Ursprung O ist also Vj durch ½ µ ¶ ¾ −−→ cos ϕ 2 Vj = p ∈ R : p = OOj + Rj , ϕ ∈ Ij sin ϕ gegeben, wobei Oj das Zentrum und Rj der Radius des Planeten Pj ist (wir identifizieren hier Vektoren und deren Endpunkte). Ferner bezeichnen wir mit ¢ ¡ |Ij | = (ϕ2 − ϕ1 ) + (ϕ4 − ϕ3 ) + ... + ϕmj − ϕmj −1 die Gesamtsumme aller Mittelpunktswinkel von allen Bögen aus Vj . 7 • Wir müssen zeigen, dass Gesamtsumme s = |I1 | + |I2 | + ... + |In | genau 2π ausmacht. Wir werden erst zeigen, dass die Mengen Ij und Ik für verschiedene j und k paarweise disjunkt sind. µ Sei α ¶ ∈ Ij . Diese Inklusion bedeutet, dass man von dem Punkt pj (α) = −−→ cos α OOj + Rj aus keinen anderen Planeten sieht. sin α Ejinn(α) pj(α) Pj Ejauß(α) Wenn man also die Tangente lj (α) zu dem Kreisumfang von Pj in dem Punkt pj (α) zeichnet, liegen alle Planeten in der gleichen Halbebene Ejinn (α) wie Pj selbst. Die ”äußere” Halbebene Ejauß (α) (inklusive der Geraden lj (α) selbst) ist planetenfrei. lk(α) lj(α) Pk Pj Inbesondere gilt lk (α) ⊂ Ejinn (α) . Daraus folgt, dass die ”äußere” Halbebene Ekauß (α), die einem anderen Planeten Pk entspricht, keinesfalls planetenfrei sein kann: Sie enthält ja einen Teil des Planeten Pj . Also ist α ∈ Ik mit einem k 6= j unmöglich. Somit haben wir gezeigt, dass die Mengen {Ij : j = 1...n} paarweise disjunkt sind. Daher gilt s = |I1 | + |I2 | + ... + |In | = |I1 ∪ I2 ∪ ... ∪ In | . Wir untersuchen jetzt, welche Richtungen α tatsächlich zu der Menge I = I1 ∪ I2 ∪ ... ∪ In gehören. Für eine Richtung α und für jeden Planeten Pj betrachten wir nun den Punkt 8 ¶ cos α , die Tangente lj (α), sowie die entsprechende ”innere” sin α Halbebene Ejinn (α) . Unter allen n Halbebenen Ejinn (α) , j = 1, 2, ..., n, gibt es eine, sagen wir, mit dem Nummer J, die alle anderen enthält (Maximumprinzip!). Gibt es keine andere Nummer k, für die EJinn (α) = Ekinn (α) ist, so kann man von dem Punkt pJ (α) aus keine Planeten sehen; also gehört α zu der Menge I. Die ”Ausnahmerichtungen” α, für die zwei von den Halbebenen Ejinn (α) , j = 1, 2, ..., n, gleich sind, bilden eine endliche Menge Maus ⊂ [0, 2π] . −−→ pj (α) = OOj + Rj µ Pk lj(α) = lk(α) Pj Alle anderen Punkte gehören zu I, d. h. I = [0, 2π] \M0 . Also ist s = |I1 | + |I2 | + ... + |In | = 2π. 2 Das Schubfachprinzip Die einfachste Form des Schubfachprinzips ist die folgende offensichtliche Behauptung: • Tut man n + 1 Kugeln in n Schubfächer, so gibt es ein Fach, wo mindestens zwei Kugeln liegen. Eine etwas raffiniertere Form des gleichen Prinzips ist: • Bei jeder Verteilung von an + 1 Kugeln in n Schubfächer gibt ein Fach, wo sich mindestens a + 1 Kugeln befinden. Dabei werden a und n als natürliche Zahlen angenommen. 2.1 Vorlesungsbeispiele Aufgabe 4.7. Beweisen Sie folgende Behauptungen: a). Unter 25 Schulkameraden gibt es mindestens drei, deren Geburtstage auf einen und derslben Monat fallen. 9 b). Eine Gerade kann nicht alle drei Seiten eines Dreiecks schneiden, falls sie keine Ecke von diesem Dreieck enthält. c). Welche maximale Anzahl von Kanten eines Tetraeders kann eine Ebene schneiden? Lösung: a). Die Anzahle der Monate (”Schubfächer”) ist n = 12, die Anzahl der Schüler (”Kugeln”) ist 25 = 2n + 1. Hier ist a = 2. Also gibt es a + 1 = 3 ”Kugeln” in einem ”Schubfach”. b). Die Gerade zerschneidet die Ebene in zwei Halbebenen. Mindestens 2 von drei Ecken des Dreiecks liegen somit in einer und derselben Halbebene. Die Seite, die diese zwei Ecken verbindet, hat keinen gemeinsamen Punkt mit der Geraden. c). Eine Ebene E teilt den Raum in zwei Halbräume E + und E − . Liegen alle vier Ecken auf einer Seite von E, so schneidet E gar keine Kante. Liegt eine Ecke A in E + und die restlichen drei Ecken in E − , so schneidet E drei Kanten, die von A ausgehen. Der letzte Fall: zwei Ecken A und B gehören zu E + , die zwei anderen Ecken C und D liegen in E − . Dann schneidet E vier Kanten: (AC) , (AD) , (BC) und (BD) . Aufgabe 4.8. Beweisen Sie, dass es unter 6 Leuten entweder solche 3 gibt, die sich alle gegenseitig kennen, oder 3 gibt, die alle einander unbekannt sind. Bemerkung: Es wird vorausgesetzt, daß aus {A kennt B} folgt: {B kennt A} . Lösung: Wir zeichnen einen kompletten Graph mit 6 Ecken, die den 6 Personen entsprechen, und verbinden jede Ecke mit jeder anderen durch eine Kante. Wir färben eine Kante AB rot, wenn sich A und B kennen; sonst färben wir sie blau. Die Behauptung der Aufgabe kann man jetzt so umformulieren: Auf dem Graph gibt es stets ein einfarbiges Dreieck (d. h. ein Dreieck, dessen Kanten alle die gleiche Farbe haben). Wir beweisen jetzt diese Behauptung. Betrachten wir eine Ecke A. Es gibt 5 Kanten, die von dieser Ecke ausgehen. Mindestens 3 davon haben die gleiche Farbe (nach dem Schubfachprinzip). Diese Kanten seien AB, AC und AD. Wir können annehmen, daß diese Kanten rot sind (den Fall blau betrachtet man analog). Es gibt nun zwei Möglichkeiten: 1. Mindestens eine von den drei Kanten BC, CD und DB ist rot (sagen wir: BC). 2. Alle drei Kanten BC, CD und DB sind blau. Im ersten Fall ist das Dreieck ABC rot, also einfarbig. In dem zweiten Fall ist das Dreieck BCD blau, also wiederum einfarbig. A A A D B D B C D B C C 10 Aufgabe 4.9. Gegeben seien sechs irrationale Zahlen. Zeigen Sie, daß es unter diesen sechs Zahlen drei gibt, deren paarweise Summen alle irrational sind, d. h. von diesen drei Zahlen haben jede zwei eine irrationale Summe. Lösung: Ordnen wir unseren sechs irrationalen Zahlen sechs Personen zu; zwei von diesen Personen sollen sich kennen, wenn die entsprechenden irrationalen Zahlen eine rationale Summe haben. Nach der Aufgabe 8 haben wir dann drei Personen, die sich paarweise kennen, oder drei, die sich paarweise nicht kennen. Wenn wir nun drei Personen haben, die sich paarweise kennen, dann müssen die entsprechenden irrationalen Zahlen paarweise rationale Summen haben. Dies ist aber unmöglich, denn nach Aufgabe 3.5, Vorlesung 3, gibt es unter drei irrationalen Zahlen immer zwei mit irrationaler Summe. Also muß es drei Personen geben, die sich paarweise nicht kennen; die entsprechenden irrationalen Zahlen haben dann paarweise irrationale Summen. Damit ist die Aufgabe gelöst. Aufgabe 4.10. Auf einem 1 m ×1 m großem Fenster sitzen 51 Fliegen. Zeigen Sie, dass man mit einer kreisförmigen Fliegenklappe vom Radius 15 cm gleich drei Fliegen erschlagen kann. Lösung: Wir teilen das Quadrat 1 × 1 m2 in 5 × 5 = 25 gleiche kleinere Quadrate mit der Seitenlänge 20 cm . Der Umkreis eines solchen Quadrates hat den Radius √ √ 2 2 · 0, 2 = < 0, 145 m = 14, 5 cm < 15 cm . 2 10 In einem dieser Quadrate gibt es garantiert 3 Fliegen (sonst hat man höhstens 25×2 = 50 Fliegen). Diese drei kann man mit der Klappe vom Radius 15 cm erschlagen. Aufgabe 4.11. Zeigen Sie, dass es unter n + 1 beliebigen Zahlen c1 , ..., cn+1 aus der Menge {1, 2, ..., 2n} stets zwei verschiedene Zahlen cj und ck gibt, so dass ck durch cj teilbar ist. Lösung: Wir schreiben jede Zahl ci in der Form ci = 2ni di , wobei di eine ungerade Zahl ist. Somit haben wir n + 1 ungerade Zahlen d1 , ..., dn+1 aus der Menge {1, 2, ..., 2n} definiert. Da aber die Menge {1, 2, ..., 2n} nur n verschiedene ungerade Zahlen enthält, gibt es unter den Zahlen dj mindestens zwei gleiche Zahlen (Schubfachprinzip). Seien also cj = 2nj d und ck = 2nk d die entsprechenden c-Zahlen, wobei nj < nk ist. Dann ist ck = 2nk −nj cj , und damit ist ck durch cj teilbar. 2.2 Übungsaufgaben Aufgabe 4.12. Unten fünf Punkten innerhalb eines gleichseitigen Dreiecks mit der Seitenlänge 2 gibt es stets zwei, deren Abstand ≤ 1 ist. Lösung: Man teilt das Dreieck durch Mittelparallelen in vier kongruente Teile: ebenfalls gleichseitige Dreiecke mit Seitenlänge 1. Nach dem Schubfachprinzip geraten 11 mindestens zwei Punkte in eins von diesen kleineren Dreiecken. Diese zwei Punkte haben dann einen Abstand kleiner gleich 1. Aufgabe 4.13. Endlich viele Wissenschaftler nehmen an einer Tagung teil. Sie begrüßen sich gegenseitig durch Händeschütteln. Beweisen Sie, dass es zu jedem Zeitpunkt stets zwei Teilnehmer gibt, die gleich viele andere Wissenschaftler begrüßt haben. Lösung: Betrachten wir nur diejenigen N Teilnehmer, die schon mindestens einen Kollegen begrüßt haben. Jeder von ihnen hat eine Anzahl von Kollegen begrüßt, die zwischen 1 und N − 1 liegt. Nach dem Schubfachprinzip gibt es unter N solchen Anzahlen stets zwei gleiche. Aufgabe 4.14. In jedem Graph existieren immer zwei Knoten mit dem gleichen Grad. Lösung: Dies ist eine Umformulierung der Aufgabe 4.14. Aufgabe 4.15. Im dunklen Speicher eines Schuhgeschäftes liegen, durcheinandergeworfen, 10 Paar Schuhe: 5 schwarze Paare und 5 gelbe Paare. Man holt aufs Geratewohl einige Schuhe. Wieviel Stück muss man holen, um sicher zu sein, dass man aus den geholten Schuhen mindestens ein richtiges Paar (d. h. einen linken und einen rechten Schuh von gleicher Farbe) zusammenstellen kann? Lösung: 10 Schuhe reichen dafür nicht aus, denn im ungünstigen Fall kommen beispielsweise 5 linke schwarze und 5 linke gelbe Schuhe. Jetzt betrachten wir 11 Schuhe. Nach dem Schubfachprinzip gibt es darunter 6 Stück von einer Farbe. Seien es 6 gelbe Schuhe. Da es aber insgesamt nur 5 linke und ebenso 5 rechte Schuhe in der Farbe gibt, muss es unter diesen 6 Stück einen linken und einen rechten geben. Diese bilden ein Paar. Aufgabe 4.16. Sei G ein Graph mit n Knoten. Jeder Knoten habe einen Grad von mindestens n−1 . Zeigen Sie, dass G zusammenhängend ist. 2 Bemerkung: Ein Graph heißt zusammenhängend, wenn für jedes Paar von Knoten ein Kantenzug existiert, das diese Knoten verbindet. Lösung: Betrachten wir zwei beliebige Knoten A und B. Wenn es eine Kante zwischen A und B gibt, dann ist sie der Kantenzug zwischen A und B. Angenommen, A und B sind nicht unmittelbar verbunden. Es gibt insgesamt mindestens n − 1 Kanten, die von diesen Knoten ausgehen. Die Anzahl der restlichen Knoten ist n − 2. Daher muß es eine von A ausgehende Kante und eine von B ausgehende Kante geben, die den gleichen zweiten Endknoten haben. Über diesen Endknoten sind dann A und B miteinander verbunden. Aufgabe 4.17. Auf dem Planeten Ypsilon hat ein Jahr genau 365 Tage. Jeder Monat enthält 28, 30 oder 31 Tage. Wieviele Monate gibt es in dem Kalender von Ypsilon? Wieviele davon haben 28 Tage? 31 Tage? Lösung: Wir bezeichnen die Anzahl der Monate mit 28, 30 und 31 Tagen mit a, b und c. Es gilt 28a + 30b + 31c = 365. 12 Daraus folgt, dass c eine ungerade Zahl ist; also ist c ≥ 1. Wir bezeichnen ferner c−1 = c0 und erhalten 28a + 30b + 31c0 = 334. Daraus folgt 28 (a + b + c0 ) ≤ 334 ≤ 31 (a + b + c0 ) . Also ist 334 334 ≤ a + b + c0 ≤ < 12. 31 28 Im Intervall ]10; 12[ gibt es nur eine ganze Zahl, nämlich 11. Also ist a + b + c0 = 11 und entsprechend die Anzahl der Monate in einem Jahr 11 + 1 = 12. Jetzt kommen wir zu der Frage, wieviele Monate von welcher Länge es in dem Kalender gibt. Es ist 10 < 365 = (30 − 2) a + 30b + (30 + 1) c = 30 (a + b + c) − 2a + c = 360 − 2a + c. Daraus folgt die eigentliche Bedingung: c − 2a = 5 wobei 0 ≤ a, 0 ≤ c und a + c ≤ 12 ist. Die Bedingung a + c = a + (2a + 5) = 3a + 5 ≤ 12 ergibt 3a ≤ 7 und damit a ∈ {0, 1, 2} . Mit c = 2a + 5 und b = 12 − (a + c) = 7 − 3a bekommt man die folgenden möglichen Antworten: (a, b, c) = (0, 7, 5) , (1, 4, 7) , (2, 1, 9) . | {z } wie bei uns Aufgabe 4.18. Unter n + 1 Zahlen zwischen 1 und 2n gibt es zwei, die teilerfremd sind. Lösung: Wir ordnen die n + 1 Zahlen an in der Folge 1 ≤ a1 < a2 < ... < an+1 ≤ 2n. Es kann nicht sein, dass für jedes j die Differenz aj+1 − aj mindestens 2 ausmacht, denn dann wäre an+1 = a1 + (a2 − a1 ) + (a3 − a2 ) + ... + (an+1 − an ) ≥ 1 + 2| + 2 + {z... + 2} = 2n + 1. n mal Also gibt es zwei Nachbarzahlen aj und aj+1 = aj + 1. Diese sind teilerfremd. Aufgabe 4.19. Sei n eine ungerade Zahl, die nicht durch 5 teilbar ist. Beweisen Sie, dass es eine Zahl mit der Dezimaldarsellung 11...1 gibt, die durch n teilbar ist. Lösung: Betrachten wir die n Zahlen 1, 11, 111, ... , 11....1 | {z }. n-mal 13 Wir führen einen Widerspruchsbeweis. Angenommen, keine von diesen Zahlen ist durch n teilbar. Dann lässt jede von diesen Zahlen bei Division durch n einen Rest zwischen 1 und n − 1. Da es deshalb mehr Zahlen gibt, als mögliche Reste, sind zwei von diesen Zahlen kongruent modulo n. Die Differenz dieser zwei Zahlen hat die Form p 11...1 | {z } 00...0 | {z } = 11...1 | {z } · 10 . k-mal p-mal k-mal Da aber 10p und n teilerfremd sind, ist somit die Zahl 11....1 | {z } durch n teilbar. Das ergibt k-mal einen Widerspruch. Aufgabe 4.20. Seien b1 , b2 , ..., bn beliebige ganze Zahlen. Beweisen Sie, dass es eine Teilmenge bi1 , ..., bim der Menge {b1 , b2 , ..., bn } mit 1 ≤ i1 ≤ ... ≤ im ≤ n gibt, für die die Summe bi1 + ... + bim durch n teilbar ist. [Diese Summe kann ggf. auch aus einer einzigen Zahl bestehen.] Lösung: Wir betrachten die n Summen s1 = b1 , s2 = b1 + b2 , ... , sn = b1 + ... + bn . Ist eine von den Zahlen s1 , ..., sn durch n teilbar, so ist das die gesuchte Summe. Betrachten wir jetzt den anderen Fall, d. h. jede von den Zahlen sj lasse bei Division durch n einen Rest rj ∈ {1, ..., n − 1} . Nach dem Schubfachprinzipgibt es unter n Zahlen rj zwei gleiche, also rj = rk für ein Paar j und k mit j < k. Das bedeutet genau, dass die Differenz sk − sj = bj+1 + ... + bk durch n teilbar ist. 2.3 Schwieriegere Aufgaben *Aufgabe 4.21. Satz von Erdös-Szekeres. Sei A = (a1 , a2 , ..., an ) eine Folge von verschiedenen reellen Zahlen. Wenn n ≥ sr + 1 ist für natürliche s und r, dann enthält A entweder eine steigende Teilfolge mit s + 1 Zahlen, oder eine fallende Teilfolge mit r + 1 Zahlen. Lösung: Wir führen einen Widerspruchsbeweis. Wir nehmen also an, daß es weder eine steigende Teilfolge mit s + 1 Zahlen, noch eine fallende Teilfolge mit r + 1 Zahlen gibt. Wir schreiben nun jeder Zahl aj zwei natürliche Zahlen xj und yj vor nach der folgenden Regel: xj ist die Länge der längsten steigenden Teilfolge mit der letzten Zahl aj , und yj ist die Länge der längsten fallenden Teilfolge mit der ersten Zahl aj . Laut unserer Annahme ist xj ≤ s und yj ≤ r für jedes j. Es gibt sr verschiedene Paare (x, y) mit x, y ∈ N und 1 ≤ x ≤ s, 1 ≤ y ≤ r. Die Anzahl n der Zahlen aj ist größer als sr; also gibt es zwei Zahlen j und k mit j < k, für die xj = xk und yj = yk ist. Betrachten wir erst den Fall aj < ak . Dann kann man die längste steigende Teilfolge mit der letzten Zahl aj um die Zahl ak ergänzen. Die Folge bleibt dann immer noch steigend, aber um 1 länger. Daraus folgt xk ≥ xj + 1, im Widerspruch zu xk = xj . Ist aj > ak , so schließt man genauso auf yj ≥ yk + 1, was wiederum einen Widerspruch darstellt zu der Annahme yj = yk .