Reflux (saures Aufstossen): von der Volkskrankheit bis zum Krebs Vortrag von Dr. med. Andreas Schmid, FMH Viszeralchirurgie, Hirslanden Klinik Aarau.* Kurzes saures Aufstossen nach einem üppigen Essen ist etwas, was wohl alle schon einmal erlebt haben. Dieses kurze, seltene Zurückfliessen von Magensaft in die Speiseröhre ist normal und hat noch keinen Krankheitswert. Häufiges oder chronisches, oft jahrelanges Zurückfliessen von Magensaft in die Speiseröhre hingegen verursacht die so genannte Refluxkrankheit. Typische Symptome dieser Refluxkrankheit sind Sodbrennen und anhaltendes saures Aufstossen. Häufige Folgen der chronischen Refluxkrankheit sind Entzündungen der Speiseröhre und Veränderungen der Schleimhaut in der Speiseröhre bis hin zur Entstehung von Krebs in der Speiseröhre. Die richtige medikamentöse Behandlung lindert die lästigen Beschwerden (Sod- oder Magenbrennen). Mittels chirurgischen Eingriffen kann das chronische Zurückfliessen des Magensaftes unterbunden werden, was das Krebsrisiko deutlich vermindert. Wie entsteht der Reflux? Im medizinischen Fachjargon heisst diese Krankheit GERD, eine Abkürzung für die englische Bezeichnung Gastro Esophageal Reflux Disease. Die Refluxkrankheit ist keine seltene Erkrankung. Etwa 10% der Bevölkerung ist davon betroffen. Als Ursachen für die Refluxkrankheit kommen in Frage: Ein ungenügender Verschluss-Mechanismus am Übergang von der Speiseröhre in den Magen, meist aufgrund eines Zwerchfellbruches, übermässige Erhöhung des Druckes im Magen, verstärkte Säureproduktion im Magen oder eine gestörte Schleimhautschutzbarriere in der Speiseröhre. Grosse Mahlzeiten, Übergewicht, Schwangerschaft oder eine Flüssigkeitsansammlung im Magen können den Magendruck erhöhen und so den Reflux begünstigen. Häufig sind „Lifestyle-Sünden“ wie Rauchen und Alkoholkonsum sowie der Konsum gewisser Medikamente schuld an einem Reflux. Diese Umstände Schwächen den Schliessmuskel ebenfalls. Weitere Ursachen für den Reflux sind anatomische Störungen. So etwa, wenn der Schliessmuskel, der sich wie eine Krawatte um das Ende der Speiseröhre legt und damit verhindert, dass Magensaft zurückfliesst, geschwächt ist und nicht mehr richtig verschliesst. Der Zwerchfellbruch (Hiatushernie) ist einer der häufigsten Ursachen für einen Reflux. Beim Zwerchfellbruch ist die Durchtrittsstelle der Speiseröhre durch das Zwerchfell aufgeweitet. Weil aber der Druck in der Bauchhöhle stets grösser ist als in der Brusthöhle, kann sich ein Teil des Magens, der normalerweise unter dem Zwerchfell liegt, durch die vergrösserte Stelle hindurch in den Brustraum schieben. Ein starker Schliessmuskel, der sich nur beim Schluckvorgang öffnet, ist deshalb sehr wichtig, weil sonst der Übergang vom Magen in die Speiseröhre offen bleibt und der Magensaft zurückfliessen kann. Illustration Zwerchfellbruch Esophagus = Speiseröhre Hiatal Hernia = Zwerchfellbruch Diaphragm = Zwerchfell Stomach = Magen Welche Beschwerden macht der Reflux? Ganz typisch ist das Sodbrennen nach dem Essen oder beim Zubettgehen. Dies macht sich bemerkbar als brennender Schmerz hinter dem Brustbein. Achtung: Ähnliche Schmerzen entstehen unter anderem bei einem Herzinfarkt oder bei einer Angina pectoris und sind häufig vom Sodbrennen nicht zu unterscheiden. Ist der Schmerz im Liegen verstärkt und verschwindet er beim Aufstehen, spricht dies für einen Reflux. Beim Liegen erhöht sich nämlich der Druck im Bauchraum und begünstigt so das Zurückfliessen von Magensaft in die Speiseröhre. Reflux kann sich aber auch in anderen Symptomen äussern: Husten, asthmaähnliche Symptome – wenn der Magensaft in die Luftröhre gelangt – oder durch einen bitteren Geschmack im Mund. Bei einer Speiseröhrenentzündung besteht ein dauerhafter Schmerz. Abklärungen beim Reflux – Wie stellt der Arzt die Diagnose? Nebst den typischen Beschwerden sind die Magenspiegelung und das Kontrastmittelröntgen wichtige Bausteine bei der Diagnose des Reflux. Die Magenspiegelung ist deshalb zentral, weil nur damit Entzündungen oder Vernarbungen oder sogar Krebsvorstufen am Ende der Schleimhaut der Speiseröhre festgestellt werden können. Mit dem Kontrastmittelröntgen wird festgestellt, ob Magensaft in die Speiseröhre zurückfliesst und ob ein Zwerchfellbruch besteht. Behandlung des Reflux Folgende allgemeine Massnahmen beugen dem Reflux vor oder können die Beschwerden lindern: • Gewichtsreduktion • Alkohol- und Nikotinabstinenz • Vermeiden von üppigen Mahlzeiten • Hochstellen des Kopfteils des Bettes Medikamentöse Therapie der Reflux-Beschwerden Medikamente, so genannte Säureblocker, werden zur Behandlung der Beschwerden eingesetzt und sind hochwirksam. Die Beschwerden verschwinden in den meisten Fällen nach wenigen Tagen. Die Medikamente können aber auch Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Durchfall, Bauchschmerzen und Übelkeit verursachen. „Durch die medikamentöse Behandlung wird aber der Reflux nicht unterbunden, es wird nur die Säureproduktion des Magens vermindert. Gallenartiger Magensaft fliesst weiterhin in die Speiseröhre zurück und das Risiko für die Krebsentartung bleibt bestehen,“ wie Dr. Schmid in seinem Vortrag betont. Chirurgische Therapie zur Unterbindung des Rückflusses von Magensaft Nur die chirurgische Behandlung gewährleistet, dass der Reflux von Magensaft in die Speiseröhre dauerhaft unterbunden wird. Liegt ein Zwerchfellbruch vor, so muss dieser operativ rekonstruiert und die Durchtrittsstelle der Speiseröhre durch das Zwerchfell wieder verengt werden. Ist der Verschlussmechanismus der Speiseröhre beeinträchtigt, kann mit Hilfe der so genannten Anti-RefluxOperation eine gut funktionierende Refluxbarriere wieder hergestellt werden. Diese Methode wird Fundoplicatio genannt: Dabei wird der oberste Teil des Magens (Fundus), der wie ein Hasenohr aussieht, um die Speiseröhre gelegt. Dadurch wird der Verschlussmechanismus wiederhergestellt. Illustration Anti-Reflux-Operation Diese Operation wird in der Schlüssellochtechnik ausgeführt. Sie dauert ca. 90 Minuten und hat einen Spitalaufenthalt von ca. 4 Tagen zur Folge. Bei über 90% der Patienten wird dadurch eine dauerhafte, vollständige Symptomkontrolle erreicht und das refluxbedingte Krebsrisiko verhindert. Selten kann es zu Blutungen oder Verletzungen der Bauchorgane kommen. Durch die Operation wird zwar künftig Erbrechen erschwert, nicht aber verunmöglicht. Interview mit Dr. Schmid Herr Dr. Schmid, bei welchen Beschwerden, die für eine Refluxerkrankung sprechen, sollte man die Arztpraxis aufsuchen? Beim Reflux spricht man von typischen Symptomen wie Sodbrennen oder Brustschmerzen nach dem Essen und von atypischen Symptomen wie Husten, Asthma, wiederkehrende Lungenentzündungen oder Bronchitis. Jeder Reflux, der häufiger auftritt als zweimal pro Monat, sollte meines Erachtens abgeklärt werden. Wichtig in diesem Zusammenhang ist jedoch die korrekte Abklärung, das heisst, die Erforschung der Ursache des Refluxes. Von einer unkritischen Einnahme von Säureblockern sollte grundsätzlich abgeraten werden. Welchen Reflux-Patienten empfehlen Sie eine Operation? Durch die Operation erreichen wir eine dauerhafte Korrektur der Ursache des Refluxes. Eine Operation empfehle ich somit grundsätzlich jüngeren Patienten, wobei das „biologische“ Alter weit wichtiger ist als das rein chronologische Alter. Betroffene mit Bedenken bezüglich der Langzeitsicherheit von Säureblockern sollten sich ebenfalls über die Möglichkeit einer Operation informieren. Patienten, welche an Nebenwirkungen der Säureblocker leiden, profitieren ebenfalls von einer Operation. Auch Patienten, bei welchen die Symptome des Refluxes durch die Säureblocker nicht genügend kontrolliert sind, oder Patienten mit so genannt atypischen Symptomen (Husten, Asthma, wiederkehrende Lungenentzündungen oder Bronchitis) sollten operiert werden. Bei Frauen im gebärfähigen Alter sollte eine Operation ebenfalls besprochen werden. Welche Faktoren beeinflussen die Erfolgschancen der Operation und wie viele Patienten operieren Sie pro Jahr? Für den Erfolg einer Operation wesentlich ist die sorgfältige und korrekte Abklärung. Weiter beeinflusst die Ausbildung und die persönliche Erfahrung des Chirurgen das Resultat ganz entscheidend. Bei diesen Operationen sollten die Betroffenen darauf achten, von einem erfahrenen Viszeralchirurgen mit grosser Erfahrung in der Reflux-Chirurgie operiert zu werden. Ich persönlich habe über hundert solche Operationen durchgeführt und wende diese Technik regelmässig an. Im Durchschnitt der letzten 5 Jahre habe ich ca. 25 solche Operationen pro Jahr durchgeführt. *Dr. med. Andreas Schmid von der Hirslanden Klinik Aarau ist Chirurg mit Schwerpunkt in der Tumorchirurgie der Verdauungsorgane, der minimal-invasiven Chirurgie (Schlüsselloch-Chirurgie) und der Chirurgie von Schilddrüsen, Nebenschilddrüsen und Nebennieren. Internet Adresse: http://www.hirslanden.ch/global/de/startseite/aerzte/aerztevisitenkarten/121/schmid_frymermanandrea schristoph.html