Philosophische Fakultät Institut für Philosophie, Lehrstuhl für Theoretische Philosophie, Dr. Holm Bräuer 3. Erkenntnistheorie 617 SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 618 Wissen praktisches Wissen (knowing how) propositionales Wissen (knowing that) Wissen, wie etwas ist (knowing how it is) Fähigkeiten, Fertigkeiten theoretisch, Erkenntnisse Sinnesqualitäten, Eindrücke Erkenntnistheorie SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie Philosophie des Geistes 619 Praktisches Wissen (Wissen (Wissen, wie) Albert weiß weiß, wie man Posaune spielt. spielt Hans und Maria wissen, wie man Fahrrad fährt. H l Helena weiß, iß wie i man Rüh Rühreii macht. ht SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 620 Praktisches Wissen besteht in einer praktischen Fertigkeit oder einem Können. Es besitzt keinen „Inhalt“, d.h. es ist kein Wissen, dass sich etwas so-und-so verhält. Wer weiß, wie man Fahrrad fährt, hat keine theoretische Einsicht; er kann das nur dadurch zeigen, dass er tatsächlich Fahrrad fährt. Dieser Typ von Wissen ist nicht Thema der Erkenntnistheorie. Erkenntnistheorie SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 621 Propositionales Wissen (Wissen (Wissen, dass) Der Detektiv weiß, weiß dass der Gärtner der Mörder ist. ist Maria wusste gestern nicht, dass heute schönes Wetter sein wird. Jetzt weiß sie es. Ich weiß, dass ich zwei Hände habe. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 622 Zuschreibungen des (theoretischen) Wissens haben die folgende Form: S weiß, dass p. wobei „S“ für eine bestimmte Person (oder irgendein Subjekt des Wissens) steht und „p“ für einen propositionalen Gehalt (den Inhalt des Satzes „Der Der Mörder ist der Gärtner.“ oder „Ich habe zwei Hände.“ usw.) SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 623 Theoretisches Wissen ist immer ein Wissen Wissen, das einen Inhalt hat. Man weiß, dass sich etwas so-undso verhält. Der Gegenstand der Erkenntnistheorie ist das propositionale iti l Wi Wissen. Erkenntnis = propositionales Wissen SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 624 Wissen wie etwas ist Wissen, Albert weiß weiß, wie eine Kiwi schmeckt. schmeckt Johanna weiß, wie es ist, wenn man einen Sonnenbrand hat. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 625 Gegen die Gleichsetzung des „Wissens, Wissens wie etwas ist ist“ mit dem propositionalen Wissen sprechen zwei Argumente. (1) Auf A f die F Frage age „Wie Wie ist es denn, denn eine Kiwi Ki i zu essen?“ gibt es keine befriedigende Antwort, die es Albert erübrigen würde, eine Kiwi zu kosten, um das zu wissen. (2) Auch wenn man propositional von Kiwis alles weiß, weiß man dennoch nicht, wie eine Kiwi schmeckt, wenn man nie eine probiert hat. (Argument der Wissenslücke) SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 626 Bei dieser Art von Wissen handelt es sich weder um praktisches noch um propositionales Wissen. Das Wissen, wie etwas ist, ist Gegenstand der Philosophie des Geistes (Qualiadebatte). SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 627 Skeptizismus Was ist Wissen? Was ist Wahrheit? Worin besteht Rechtfertigung? SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 628 Skeptizismus p SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 629 Philosophische Skepsis vs. Alltagsskepsis SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 630 Philosophische Skeptiker bestreiten oder bezweifeln, bezweifeln dass wir Wissen über die Welt haben oder haben können, aber: SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 631 Sie haben Gründe für ihren Zweifel. Zweifel SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 632 Sie argumentieren für ihre Position und machen dabei bewusst bestimmte Voraussetzungen. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 633 Sie erheben einen Allgemeinheitsanspruch. Allgemeinheitsanspruch SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 634 Der philosophische Skeptiker stellt die Möglichkeit des Wissens über die Welt grundsätzlich in Frage. Er argumentiert für diesen Zweifel, begründet diesen und ist sich der Voraussetzungen, die er dabei eingeht, durchaus bewusst. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 635 Irrtum und Zweifel SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 636 Irren ist menschlich! Folgt aus der Tatsache, Tatsache dass ich mich manchmal irre, die Möglichkeit, dass ich mich immer irre? Vielleicht habe ich gar kein Wissen über die Welt um mich herum? SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 637 Bei der Feststellung, Feststellung dass wir uns manchmal irren, irren wird vorausgesetzt, dass man Irrtümer feststellen kann. Das aber setzt voraus, dass man sich nicht in jeder d Hinsicht h täuschen h kann. k SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 638 Die Feststellung eines Irrtums kann selber kein Irrtum sein, sonst wäre sie gerade nicht die Feststellung eines Irrtums. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 639 Wenn ich feststelle feststelle, dass ich mich geirrt habe, habe dann habe ich einen besonderen Grund, der gegen meine frühere Überzeugung spricht. Gegen meine jetzige Überzeugung habe ich keinen spezifischen ifi h G Grund. d IIch hh habe b keinen k i Grund, G d sie i aufzugeben. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 640 Die Tatsache, Tatsache dass wir uns hin und wieder irren, irren sollte uns nicht beunruhigen und erst recht nicht zum Skeptiker werden lassen! SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 641 Sekundäre Qualitäten SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 642 Haben Gegenstände Farben, Geschmäcker oder Temperaturen? John Locke SS 2012 „Was in der d Idee d von Süß, ß Blau l oder d Warm ist, ist nur eine gewisse Größe, Gestalt und Bewegung der sinnlich nicht wahrnehmbaren Teilchen in den Körpern selbst, die wir so benennen.“ (John Locke) Einführung in die Theoretische Philosophie 643 Primäre Qualitäten: Eigenschaften, Eigenschaften die den Gegenständen als solchen zukommen (Ausdehnung, Festigkeit, Gestalt). Sekundäre Qualitäten: Eigenschaften, die von unseren kognitiven und Wahrnehmungsfähigkeiten abhängig sind (Farbe, Temperatur, Geschmack). SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 644 Skeptische Schlussfolgerung Wir nehmen die Welt nicht so wahr wahr, wie sie an sich beschaffen ist! SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 645 Descartes´ Traumargument Descartes SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 646 Rene Descartes Prämisse: Wenn ich weiß weiß, dass ich jetzt eine Vorlesung halte, dann weiß ich auch, dass ich jetzt nicht im Bett liege und bloß träume, dass ich eine Vorlesung halte. Prämisse: Ich weiß jjetzt nicht,, ob ich jjetzt träume oder nicht. modus tollens Konklusion: Also weiß ich nicht, dass ich jetzt eine Vorlesung halte. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 647 Argument für die zweite Prämisse: Prämisse: Um zu wissen,, ob ich jetzt j träume,, müsste ich ein Kriterium besitzen, das es mir erlaubt, Traum von Wachheit zu unterscheiden. Prämisse: Ich kann kein solches Kriterium besitzen, besitzen denn immer wenn ich meine, ein brauchbares Kriterium anzuwenden, könnte es sein, dass ich bloß träume, dass ich ein brauchbares Kriterium anwende! modus tollens Konklusion: Ich weiß jetzt nicht, ob ich träume oder wach bin! SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 648 Descartes` Außenweltskepsis Descartes SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 649 Halluzinationen Wir alle wissen, dass Menschen unter bestimmten Umständen halluzinieren. Nach langer Arbeit an dieser Vorlesung sehe ich aus dem Fenster und erblicke einen rosa Elefanten auf der Straße. In Wirklichkeit ist kein Elefant in der Nähe. Auf der Straße ist nichts los. In Fällen wie dem der Halluzination besteht die Täuschung darin, dass ich meine, dass meiner Vorstellung ein Gegenstand in der Welt (der rosa Elefant) entspricht. Ich täusche mich aber nicht darin, dass ich meine, einen Elefanten zu sehen. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 650 Wie kann ich wissen wissen, dass sich meine Vorstellungen auf etwas beziehen? SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 651 Ist es möglich, möglich dass ich nur meine Vorstellungen besitze, denen „in Wirklichkeit“ nichts entspricht? SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 652 Kann ich wirklich wissen wissen, dass es überhaupt eine Welt jenseits oder außerhalb meiner Vorstellungen – eine Außenwelt – gibt? SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 653 I am plagued by doubts. doubts What if everything is an illusion and nothing exists? In that case, I definitely overpaid for my carpet. Woody Allen: Selections from the Allen Notebooks SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 654 Prämisse: Wenn ich etwas über irgendeinen Gegenstand der Außenwelt weiß, dann weiß ich auch, dass es eine Außenwelt gibt. Prämisse: Ich kann nicht wissen, dass es eine Außenwelt gibt. g modus tollens Konklusion: Ich kann über keinen Gegenstand g der Außenwelt etwas wissen. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 655 Wie das Traum-Argument endet auch das Außenwelt-Argument mit der Konklusion, dass ich kein empirisches Wissen über die Welt haben kann. Das Außenwelt-Argument bestreitet eine der Voraussetzungen, welche beim Traum Traum-Argument Argument gemacht werden muss; dass es nämlich eine Außenwelt gibt. Das Traum-Argument kann auch unter der Prämisse geführt werden, dass es eine Außenwelt gibt. Es handelt sich um zwei verschiedene Argumente. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 656 Putnam´s Putnam s Gehirne im Tank SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 657 Hilary Putnam Stellen wir uns folgendes Szenario vor: Jemandem ist von einem übelwollenden Neurowissenschaftler das Gehirn entnommen worden. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 658 Um es am Leben zu erhalten, erhalten hat dieser es in eine Nährlösung gegeben. Die Nervenenden sind mit einem leistungsfähigen Computer verbunden worden, d der d d durch h Einspeisung elektrischer l k h Signale l das Gehirn so aktiviert, dass der Eindruck entsteht, alles sei wie immer und ganz normal. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 659 Das Gehirn hat also den Eindruck, Eindruck dass es von den vertrauten Gegenständen umgeben ist, während in Wirklichkeit dieser Eindruck nur von elektronischen Impulsen l ausgeht, h d die d der Computer d dem Gehirn h sendet. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 660 Prämisse: Wenn ich irgendetwas über die Welt weiß, dann weiß ich auch, dass ich kein Gehirn im Tank bin. Prämisse: Ich kann nicht wissen, ob ich ein Gehirn im Tank bin. modus tollens Konklusion: Ich kann nichts über die Welt wissen. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 661 Unsere epistemische Situation SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 662 Die skeptischen Fragen sind Ausdruck des Versuchs herauszufinden, ob wir uns überhaupt in einer epistemischen Situation befinden, die Wissen möglich macht. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 663 Der Skeptiker zeigt uns uns, dass durchaus die Möglichkeit in Erwägung zu ziehen ist, dass uns einige oder die meisten Aspekte unserer epistemischen Umgebung intransparent sind. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 664 Ein Träumer hat, hat während er träumt, träumt nicht die Möglichkeit festzustellen, ob er träumt oder wach ist. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 665 Wir haben keine (direkte) Möglichkeit festzustellen, festzustellen ob unseren Vorstellungen tatsächlich Gegenstände entsprechen oder nicht, d.h. wir können die Existenz der Außenwelt nur annehmen, nicht beweisen. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 666 Wir haben keinen Grund zu der Annahme Annahme, dass die Welt um uns herum so beschaffen ist, wie wir sie wahrnehmen, denn viele der Eigenschaften, die wir erkennen können, sind keine Eigenschaften der Dinge, sondern Eigenschaften, die von unserer sinnlichen und kognitiven Ausstattung abhängig sind. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 667 Was ist Wissen? SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 668 Gestern wusste ich nicht, nicht wie heute das Wetter sein wird. Heute weiß ich es. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 669 Wir sind in der Lage Lage, Fälle des Wissens von Fällen des Nicht-Wissens zu unterscheiden. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 670 Wir können den Begriff des Wissens korrekt verwenden. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 671 Wozu also diese Frage? W iist d Was das eigentlich i li h fü für eine i Frage? F ? SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 672 Begriffsanalyse* Notwendige und hinreichende Bedingungen *auch: philosophische Analyse, reduktive Definition SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 673 x ist ein Junggeselle, Junggeselle gdw. gdw (1) x unverheiratet ist (2) x männlich ist und ((3)) x die meisten Abende allein verbringt. Eine Bedingung ist nicht notwendig. notwendig SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 674 Notwendige Bedingungen … sind diejenigen Bedingungen Bedingungen, die für den fraglichen Begriff immer erfüllt sein müssen. (Von links nach rechts lesen!) Die dritte Bedingung ist nicht notwendig notwendig, da es Junggesellen gibt, die die meisten Abende nicht allein a e verbringen e b ge (Partylöwen, ( a ty ö e , die d e Single S g e sind). s d) SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 675 x ist ein Junggeselle, Junggeselle gdw. gdw (1) x unverheiratet ist und (2) x männlich ist. Bedingungen sind zusammen nicht hinreichend. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 676 Hinreichend … ist eine Menge von Bedingungen dann dann, wenn sie immer Fälle des fraglichen Begriffs sind. (Von rechts nach links lesen!) Die beiden angeführten Merkmale sind zusammen nicht hinreichend, da es unverheiratete, männliche Wesen ese gibt, g bt, d die e keine e e Junggesellen Ju ggese e sind s d (Knaben). ( abe ) SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 677 x ist ein Junggeselle, Junggeselle gdw. gdw (1) x unverheiratet ist (2) x männlich ist und ((3)) x im heiratsfähigem g Alter ist. Sind die Bedingungen einzeln notwendig und zusammen hinreichend um den fraglichen Begriff zu bestimmen? hinreichend, Falls ja, dann liegt eine korrekte Begriffsanalyse vor. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 678 Die traditionelle Konzeption des Wissens SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 679 Die für viele Jahrhunderte unbestrittene Definition des Wissens stammt aus der Antike, nämlich von Platon, und lautet: SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 680 Wissen = wahre, wahre gerechtfertigte M i Meinung SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie Irrtum Zufall Ignoranz 681 S weiß, weiß dass p, p gdw. gdw SS 2012 (1) S glaubt glaubt, dass p; (2) p ist wahr; (3) S ist gerechtfertigt zu glauben, dass p. Einführung in die Theoretische Philosophie 682 Die erste Bedingung für Wissen verlangt das Haben einer Überzeugung. Wir lesen von links nach rechts: Wenn S weiß, dass p, dann hat S die Überzeugung, dass p. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 683 Hans weiß, weiß dass Dresden südlich von Berlin liegt, liegt aber er glaubt es nicht. Wenn es möglich ist, dass dies wahr ist, dann wäre die erste Bedingung nicht notwendig. Dies scheint nicht der Fall zu sein. Wissen ohne Überzeugung ist offenbar nicht möglich. möglich SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 684 Das Haben einer Überzeugung entsprechenden Inhalts ist eine notwendige Bedingung für Wissen! SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 685 Überzeugungen allein sind nicht hinreichend für Wissen, denn Überzeugungen können wahr oder falsch sein. Und falsche Überzeugungen sind keine Fälle von Wissen! SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 686 Die zweite Bedingung für Wissen verlangt daher die Wahrheit der Überzeugung. Wir lesen wieder von links nach rechts: Wenn S weiß, dass p, dann ist es wahr, dass p. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 687 Hans weiß, weiß dass Berlin südlich von Dresden liegt. liegt Offenbar sind Falschheit und Wissen auch nicht miteinander vereinbar. Wenn etwas falsch ist, dann liegt kein Wissen vor. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 688 Auch die Wahrheit des Gewussten ist eine notwendige Bedingung für Wissen! Wissen ist faktiv. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 689 Ist das Haben einer wahren Überzeugung eine hinreichende Bedingung für Wissen? SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 690 Hans bekommt ein Säckchen mit Murmeln vorgesetzt. Er soll nun raten, wie viele Murmeln sich in dem Säckchen befinden. Nach einer Weile sagt er „16“. “ Jetzt wird dd das Säckchen k h geöffnet, ff wobei b sich h herausstellt, dass es zufällig wirklich 16 Murmeln sind! Hans hatte also eine wahre Überzeugung g g über die Anzahl der Murmeln. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 691 Wusste Hans, Hans wie viele Murmeln im Säckchen sind? SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 692 Zufällig wahre Überzeugungen stellen kein Wissen dar. Der Besitz einer wahren Überzeugung ist daher nicht hinreichend, um Wissen zu definieren. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 693 Wir brauchen eine weitere notwendige Bedingung für Wissen. Diese Bedingung muss es uns erlauben, zufällig wahre Überzeugungen von Wissen zu unterscheiden. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 694 „Sokrates: Sokrates: ... die richtigen Vorstellungen sind eine schöne Sache, solange sie bleiben, und bewirken alles Gute; lange Zeit aber pflegen sie nicht zu bleiben, sondern gehen davon aus der Seele des Menschen Menschen, so dass sie doch nicht viel iel wert e t sind, sind bis man sie bindet durch Aufweisen ihrer Begründung. ... Nachdem sie aber gebunden werden, werden sie zuerst Erkenntnisse und dann auch bleibend. Und deshalb nun ist Erkenntnis höher zu schätzen als die richtige Vorstellung, und es unterscheidet sich eben durch das Gebundensein die Erkenntnis von der richtigen g Vorstellung.“ Platon: Menon 97e-98a 97e 98a SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 695 S weiß, weiß dass p, p gdw. gdw SS 2012 (1) S glaubt glaubt, dass p; (2) p ist wahr; (3) S ist gerechtfertigt zu glauben, dass p. Einführung in die Theoretische Philosophie 696 Handelt es sich bei der Rechtfertigung um eine notwendige Bedingung für Wissen? Wir lesen wieder von links nach rechts: Wenn S weiß, dass p, dann ist S S‘s s Überzeugung, dass p, gerechtfertigt. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 697 Die dritte Bedingung wäre nicht notwendig, notwendig wenn der folgende Fall vorkommen könnte: S weiß, dass p, besitzt aber keinerlei Rechtfertigung dafür zu glauben, dass p. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 698 Was auch immer im Einzelnen unter „Rechtfertigung“ zu verstehen ist, lässt sich nicht leicht beantworten. Dennoch: Die traditionelle Konzeption des Wissens als l wahrer, h gerechtfertigter htf ti t Meinung M i lässt lä t sich i h an vielen Beispielen belegen. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 699 Maria weiß nur dann, dann dass die Bibliothek sonntags geöffnet ist, wenn sie Gründe hat, das anzunehmen. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 700 Eine Frau weiß, weiß dass sie schwanger ist nicht schon, schon wenn sie es ahnt (und es zufällig stimmt), sondern erst dann, wenn sie gewisse Evidenzen dafür hat. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 701 Ein Mathematiker weiß erst dann dann, dass ein mathematischer Satz wahr ist, wenn er ihn beweisen kann und nicht schon, wenn er das nur vermutet oder d glaubt. l b SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 702 Hans weiß nicht, nicht wie viele Murmeln im Säckchen sind, wenn er es nur rät. Er weiß es erst dann, wenn er seine Vermutung stützen und begründen kann; wenn er entsprechende t h d Anhaltspunkte A h lt kt hat. h t SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 703 Edmund Gettiers Problem SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 704 Edmund Gettier „Ist Ist gerechtfertigte gerechtfertigte, wahre Meinung Wissen? Wissen?“ (1963) Schmidt und Müller bewerben sich auf dieselbe Stelle Schmidt hat aus glaubhafter Quelle erfahren Stelle. erfahren, dass sich die Firma für Müller entscheiden wird. Außerdem hat er zufällig gesehen, dass Müller zehn Münzen in seiner Hosentasche hat. Diese Daten rechtfertigen seine Annahme: SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 705 Müller wird die Stelle bekommen. bekommen Rechtfertigung: vertrauenswürdiger Informant Müller hat zehn Münzen in seiner Hosentasche. Rechtfertigung: eigene Wahrnehmung SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 706 Aus diesen beiden gerechtfertigten Überzeugungen folgt … SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 707 Derjenige, der die Stelle bekommen wird, Derjenige wird hat zehn Münzen in der Hosentasche. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 708 Nun ereignen sich für Schmidt zwei unerwartete Zufälle. Er selbst hat auch genau zehn Münzen in seiner Hosentasche und er selbst, nicht Müller, bekommt trotz gegenteiliger Vorinformation die Stelle. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 709 Schmidt hat eine wahre Überzeugung. Überzeugung „Derjenige, Derjenige der die Stelle bekommen wird, wird hat zehn Münzen in seiner Hosentasche.“ SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 710 Seine Überzeugung ist zudem gerechtfertigt. gerechtfertigt Glaubhafte Quelle, Quelle eigene Wahrnehmung, Wahrnehmung logisches Schließen SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 711 Schmidt hat eine wahre und gerechtfertigte Überzeugung. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 712 Wusste Schmidt wirklich wirklich, was er glaubte? SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 713 Zusatzbedingungen SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 714 Schmidts Rechtfertigung beruhte auf der falschen Prämisse, dass Müller die Stelle bekommt. Vielleicht sollten wir falsche Überzeugungen als Rechtfertigungsgründe ausschließen? SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 715 S weiß, weiß dass p, p gdw. gdw SS 2012 (1) S glaubt glaubt, dass p; (2) p ist wahr; (3) S ist gerechtfertigt zu glauben, dass p. (4) die rechtfertigenden Überzeugungen sind wahr. Einführung in die Theoretische Philosophie 716 Problem: Scheunen-Attrappen Scheunen Attrappen Angenommen Henry sieht bei einem Ausflug eine Scheune. Er hat gute Augen und keinen Grund seiner Wahrnehmung zu misstrauen. Weiterhin ist seine Wahrnehmung korrekt: es handelt sich tatsächlich um eine Scheune. Aufgrund dessen kommt er zu der Überzeugung, Ü dass vor ihm eine Scheune steht. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 717 Henry hat eine wahre Überzeugung und kann diese durch eine Wahrnehmung rechtfertigen, die selbst korrekt ist. Alle vier Bedingungen sind erfüllt. Weiss Henry, Henry dass vor ihm eine Scheune steht? SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 718 Angenommen, in der Gegend, Angenommen Gegend in der sich Henry gerade auhält, wird – ohne dass er das wüßte – ein Film gedreht. Daher stehen sehr viele Scheunen ScheunenAttrappen herum, die den echten Scheunen zum Verwechseln ähnlich sehen. Die von Henry gesehene Scheune ist zufällig eine der wenigen echten Scheunen in dieser Gegend. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 719 Intuitiv würden wir diesen Fall nicht als ein Fall von wirklichem Wissen betrachten, denn Henrys Wahrnehmung ist nur zufälligerweise korrekt. Hätte er eine Scheunenattrape gesehen, hätte er diese ebenfalls für eine Scheune gehalten. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 720 Der eben konstruierte Fall beruhte darauf darauf, dass die rechtfertigenden Gründe zwar wahr, aber nur zufällig wahr sind. Dies weist darauf hin, dass die vierte Bedingung noch zu schwach war. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 721 Ein nichtzufälliger wahrer Grund für eine Überzeugung liegt offensichtlich dann vor, wenn dieser selbst gerechtfertigt ist: S weiß, dass p, gdw. SS 2012 (1), (2), (3) und (4) die Rechtfertiger wahr und g gerechtfertigt g sind. Einführung in die Theoretische Philosophie 722 Das führt leider in einen infiniten Regress Regress. Die vierte Bedingung hat dieselbe Struktur wie die ersten drei Bedingungen. Wir könnten nun fragen, wie es um die rechtfertigenden Überzeugungen der rechtfertigenden Überzeugungen steht usw. Das Problem verschiebt sich statt gelöst zu werden! SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 723 internalistische Konzepte externalistische Konzepte S weiß, dass p, gdw. (1) S glaubt, glaubt dass p; (2) p ist wahr; und (3) S ist gerechtfertigt, p zu glauben. (4) ??? SS 2012 S weiß, dass p, gdw. (1) S glaubt, glaubt dass p; (2) p ist wahr; und (3) ??? Einführung in die Theoretische Philosophie 724 Externalistische Konzepte … halten Rechtfertigung nicht für eine notwendige Bedingung des Wissens. Sie suchen diese durch eine andere zu ersetzen. Sie versuchen also die Voraussetzung des „nicht zufällig Wahrseins Wahrseins“ anders zu bestimmen. bestimmen SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 725 Die kausale Konzeption des Wissens SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 726 Alvin I. Goldman S weiß, weiß dass p, p gdw. gdw SS 2012 (1) S glaubt glaubt, dass p; (2) p ist wahr; und (3) S S´s Überzeugung Üb wurde d durch die Tatsache, dass p, verursacht. verursacht Einführung in die Theoretische Philosophie 727 Wahrnehmungswissen Nehmen wir wieder Schmidt Schmidt. Im ersten Fall hatte er die wahre Überzeugung, dass derjenige, der die Stelle bekommt, zehn Münzen in seiner Hosentasche hat. Diese jedoch wurde nicht von seinen Evidenzen verursacht, sondern beruhte auf einem logischen Schluss, den Schmidt aus seinen Evidenzen zog. Die dritte Bedingung der kausalen Konzeption ist demnach nicht erfüllt gewesen. gewesen SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 728 Probleme SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 729 Zukunft Ich kann wissen wissen, dass das Wasser im Teekessel kochen wird, wenn ich diesen auf eine heiße Herdplatte stelle. Man kann Wissen über zukünftige Tatsachen haben. Zukünftige Tatsachen können aber keine Ursachen für gegenwärtige Überzeugungen sein. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 730 Devianz Die Verursachung der Überzeugung muss von der „richtigen A t“ sein. Art“ sein Luise ist an Masern erkrankt. Die Masern haben zu einer zusätzlichen allergischen Reaktion geführt, welche die Ursache für die kleinen roten Flecken ist, welche in Luise die Überzeugung verursachen, dass sie Masern hat. Zwar ist die Tatsache, dass Luise Masern hat, die Ursache für Luises Überzeugung, dass sie Masern hat, aber hier würden wir nicht von Wissen sprechen. Die allergische Reaktion und ihre Masernerkrankung sind zwei unterschiedliche Phänomene. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 731 S weiß, weiß dass p, p gdw. gdw (1), (2) und (1) (3) S´s Überzeugung mit der Tatsache,, dass p, in angemessener Weise kausal verbunden ist. Was genau besagt die Bedingung, dass es sich um eine angemessene kausale Verbindung handelt? SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 732 Negative Tatsachen? Ich weiß weiß, dass es in der Sahara keine Eisberge gibt. gibt Gibt es auch h „negative ti Tatsachen“ T t h “ (das (d Nichtvorhandensein von Eisbergen in der Sahara), die die Ursache für meine Überzeugung sein können, dass es keine Eisberge in der Sahara gibt? SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 733 Mathematisches Wissen? Ich weiß weiß, dass 7+5=12 7+5 12 ist. ist Welche W l h Tatsachen T t h könnten kö t U Ursache h für fü di dieses Wissen sein? SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 734 Modales Wissen? Ich weiß weiß, dass die Straßen nass wären, wären falls es geregnet hätte. Es gibt keine modalen Tatsachen. Es hat nicht geregnet Dass es hätte regnen können, geregnet. können kann also nicht Ursache meiner Überzeugung sein. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 735 Die reliabilistische Konzeption des Wissens SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 736 Frank P. Ramsey 1903-1930 1903 1930 S weiß, dass p, gdw. SS 2012 (1) S glaubt, dass p; (2) p wahr ist; und (3) S auf eine verlässliche Art und Weise zu seiner Überzeugung p gelangt ist. Einführung in die Theoretische Philosophie 737 Schmidt ging im ersten Gettier-Fall Gettier Fall von der falschen Information aus, dass Müller die Stelle bekommt. Falschinformationen stellen keine verlässliche Weise des Erwerbs für eine Überzeugung dar. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 738 Im Scheunen-Attrappen-Fall Scheunen Attrappen Fall benutzte Henry zufällig wahren Wahrnehmungen als Basis des Überzeugungserwerbs. Wer sich auf nur zufällig wahre Wahrnehmungen verlässt, kommt nur selten auf wahre Meinungen. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 739 Wenn mir eine Wahrsagerin prophezeien würde, würde dass ich den Hauptgewinn bei einer Tombola ziehe und dies tatsächlich geschieht, dann kann man nicht sagen, ich wusste, dass ich gewinnen werde. Wahrsagerei stellt keinen verlässlichen Prozess des Überzeugungserwerbs dar. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 740 Die dritte Bedingung verlangt, verlangt dass die Überzeugung durch eine verlässliche Methode zustande gekommen ist. Doch welche Methode ist verlässlich? SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 741 Eine verlässliche Methode des Meinungserwerbs zeichnet sich dadurch aus, dass die Wahrscheinlichkeit, mit dieser Methode zu einer wahren Überzeugung zu kommen, hoch (nahe 1) ist. 0< SS 2012 Anzahl der mit einer Methode erworbenen wahren Meinungen Anzahl der Anwendungen der Methode Einführung in die Theoretische Philosophie <1 742 Verlässlichkeit ist graduell graduell. Die Grenze zwischen verlässlichen Methoden und unverlässlichen Methoden ist daher willkürlich und vage. Es wird immer Fälle geben, bei denen nicht klar ist, ob man eine Methode verlässlich nennen sollte oder nicht. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 743 Die Verlässlichkeit einer Methode des Meinungserwerbs ist relativ zu einem gegebenen Zweck. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 744 Wahrnehmung ohne technische Hilfsmittel … ist eine verlässliche Methode Methode, wenn man an Informationen über mittelgroße Gegenstände in der näheren Umgebung interessiert ist (z.B. ob jetzt ein ein i Stück Stü k Kreide K id vor mir i liegt). li t) … ist keine verlässliche Methode Methode, wenn wir etwas zur Mikrostruktur eines Metalls oder über die Oberfläche eines entfernten Planeten wissen möchten. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 745 Wahrnehmung unter Zuhilfenahme komplizierter Instrumente … ist eine verlässliche e lässliche Methode Methode, wenn enn es sich um m Gegenstände handelt, die nur durch den Gebrauch eines technischen Instruments (Mikroskop, Teleskop) wahrnehmbar sind. … ist unverlässlich, wenn wir etwas von den mittelgroßen Gegenständen in unserer Umgebung wissen wollen (das Stück Kreide z.B.) oder wenn das Instrument selbst unzuverlässig arbeitet. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 746 Wahrnehmung Reliabel in Bezug auf Wissen von mittelgroßen Gegenständen in unserer unmittelbaren Handlungsumgebung SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 747 Wahrsagerei Im Allgemeinen nicht reliabel SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 748 Schlussfolgern aus wahren Prämissen Immer reliabel SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 749 Schlussfolgern aus falschen Prämissen Nicht reliabel SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 750 Raten/Münze werfen Nicht reliabel SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 751 Expertenwissen Reliabel in Bezug auf das entsprechende Fachgebiet SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 752 Alltagserfahrung Reliabel in Bezug auf die entsprechenden Alltagsthemen SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 753 Träumen Nicht reliabel SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 754 Zeugenbefragung Reliabilität abhängig von Umständen (Glaubwürdigkeit etc.) SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 755 Probleme SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 756 Unbestimmtheit der Methode SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 757 SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 758 Anna sieht ein Flugzeug in weiter Ferne vorbei fliegen. Weiß sie, dass ein Flugzeug vorbei fliegt? SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 759 Visuelle Wahrnehmung mit „bloßen bloßen Augen Augen“ ist für diesen Fall normalerweise nicht zuverlässig, da das fragliche Objekt zu weit entfernt ist. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 760 Aber … In vorliegenden Fall bestanden besondere Umstände: die Sicht war außergewöhnlich klar; Anna hatte gerade Augentropfen genommen, die die F Fernsicht i ht verstärken; tä k Anna A war besonders b d aufmerksam usw. Alles in allem können wir daher von einem zuverlässigen Wissenserwerb sprechen. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 761 Wie sollen wir die angewandte Methode korrekt beschreiben? 0< SS 2012 Anzahl der mit einer Methode erworbenen wahren Meinungen Anzahl der Anwendungen der Methode Einführung in die Theoretische Philosophie <1 762 Maximal: Einbeziehung aller besonderen Umstände. Umstände Das führt im Extremfall zu sehr detaillierten Beschreibungen von Einzelfällen. Einzelfälle aber haben keine probabilistischen Eigenschaften, d.h. es k kann nicht i ht gesagtt werden, d ob b die di angewandte dt Methode zuverlässig war. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 763 Minimal: Weglassung aller Details Das führt zu einem unbrauchbaren Verhältnis zwischen Reliabilität und Wissen, und dann zu falschen Zuschreibungen von Wissen bzw. Ni ht i Nichtwissen. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 764 Kontextualismus SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 765 Bert ist Laien-Meteorologe. Laien Meteorologe Am Freitag Nachmittag schließt er aus der Art der Wolken, dem Westwind und noch einigem Anderen mehr darauf, dass es am Samstag regnen wird. Und Bert hat Recht: Am Samstag fällt Regen. Als Laien-Meteorologe hat Bert eine reliable Methode der Wetterprognose entwickelt. entwickelt Er weiß demnach, dass es am Samstag regnen eg e wird. d SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 766 Erna ist professionelle Meteorologin. Meteorologin Erna stellt genau dieselben Überlegungen wie Bert an. Sie hat aber noch nicht die aktuellen Wetterdaten durchgesehen und antwortet am Freitag Nachmittag auf die Frage, ob sie schon sagen kann, ob es am Samstag regnen wird korrekt wird, korrekt, dass sie das noch nicht wüsste, da sie die entsprechenden Informationen o at o e noch oc nicht c t hat. at SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 767 Ein und dieselbe Methode liefert in Bezug auf Berts und Ernas Kontext unterschiedliche Ergebnisse hinsichtlich der Frage, ob sie wissen, dass es am Samstag regnen wird. Die Standards einer professionellen Wettervorhersage sind anspruchsvoller als die einer Laienvorhersage. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 768 S weiß, weiß dass p, p gdw. gdw SS 2012 (1) S glaubt glaubt, dass p; (2) p ist wahr; und (3) S die im gegebenen Kontext einschlägigen Standards erfüllt. Einführung in die Theoretische Philosophie 769 Wodurch wird bestimmt bestimmt, was die einschlägigen Standards sind? SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 770 Konventionen Es gibt keine von uns unabhängige Tatsache, Tatsache die den Standard für Wissen festlegt. Vielmehr legen wir ihn konventionell fest. Es gibt zum einen Konventionen, die die professionellen Meteorologen untereinander teilen, zum anderen Konventionen, die die meteorologischen Laien im Alltag miteinander teilen. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 771 Zuschreibungen von Wissen hängen von den zugrundeliegenden Standards ab. Die Auswahl eines Standards hängt vom Kontext ab. Standards werden durch (implizite) Konventionen festgelegt. festgelegt SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 772 Was legt den Kontext fest? SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 773 Erna sitzt am Freitag über ihren meteorologischen Daten und schaut aus dem Fenster. Sie kommt aufgrund ihrer Beobachtungen zu der (wahren) Überzeugung, dass es am Samstag regnen wird. Diese Überzeugung stellt Wissen dar, wenn wir Erna als Laien-Meteorologin betrachten; sie stellt kein Wissen dar, wenn wir Erna als professionelle Meteorologin betrachten. betrachten SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 774 In welchem Kontext befindet Erna sich gerade? SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 775 Wissen ist relativ zu einem Zuschreiber, Zuschreiber d.h. dh derjenigen Person, die beurteilen muss, in welchem Kontext sich jemand befindet, wenn er eine Überzeugung erwirbt. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 776 Was der entsprechende Kontext ist, ist hängt nicht von objektiven Merkmalen der Welt ab, sondern ist betrachterrelativ bzw. perspektivengebunden. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 777 Die Relativität des Wissensbegriffs SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 778 Unter welchen Bedingungen gilt eine wahre Überzeugung als Wissen? SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 779 Verlässlichkeit Die Beurteilung der Verlässlichkeit des Meinungserwerbs hängt davon ab, wie detailliert wir die verwendeten Methoden beschreiben. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 780 Standards Die Zuschreibung von Wissen ist abhängig von den zugrundegelegten Standards. Welchen Standard wir wählen, hängt davon ab, in welchem Kontext wir den Wissenserwerb betrachten. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 781 Kontext Die Wahl des Kontexts ist nicht objektiv objektiv, sondern perspektivengebunden. SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 782 Sollten wir den Versuch einer reduktiven Definition des Wissensbegriffs ganz aufgeben? SS 2012 Einführung in die Theoretische Philosophie 783