Tutor: Martin Friesen, [email protected] Übungsblatt 6 - Funktionentheorie, Prof. G. Hemion Hier werden wir die theoretischen Überlegungen der analytischen Fortsetzungen anhand dieser beiden Beispiele diskutieren. Dieses ist etwas ausführlicher als es die Aufgabenstellung verlangt, jedoch sollte dadurch hoffentlich eine bessere Einsicht in dieses Gebiet möglich sein. 1. Für z = r + iΘ ist exp(z) = er eiΘ . Daher ist die Exponentialfunktion eine Surjektion C −→ C\{0}. Sei nun Sα = {z ∈ C : z = x + iy und α − π ≤ y < α + π} der halb offene Streifen um α. Dann ist exp : Sα −→ C\{0} eine Bijektion. Die zu exp inverse Abbildung ist der Logarithmus, log. Indem verschiedene Zahlen für α genommen werden, kann der Logarithmus immer, zumindest lokal, festgelegt werden. (a) Zeigen Sie, dass die Funktion log analytisch ist. Was ist log0 (z)? (b) Die Funktion log kann durch analytische Fortsetzung entlang des Weges |z| = 1, dh γ(t) = eit , festgelegt werden. Aber es gilt dann, dass log(γ(0)) 6= log(γ(2π)), obwohl doch γ(0) = γ(2π)! Warum? Beweis. Für z ∈ Sα gilt z + 2πik 6∈ Sα , ∀k ∈ Z. Damit ist die Exponentialfunktion auf diesem Streifen nicht periodisch und die Injektivität ist wegen der strengen Monotonie der reellen Exponentialfunktion gesichert. Die Abbildung: exp : Sα −→ C\{0} ist wegen der Polarkoordinatendarstellung surjektiv. Wir wollen zu Beginn eine allgemeine Formel für die Umkehrfunktion logα : exp(Sα ) −→ Sα herleiten. Ist also z ∈ Sα , so haben wir eine Darstellung der Form z = ex+iy , α − π < y < α + π. (1) Da logα die Umkehrfunktion ist gilt somit logα (z) = x + iy. Stellen wir z = |z|ei arg(z) mit arg(z) ∈ [−π, π] in Polarkoordinaten dar, so erhalten wir mit (1) direkt ex = |z|, y ≡ arg(z) mod 2π Aus der ersten Gleichung erhalten wir: x = log(|z|) und aus der zweiten finden wir ein , α+π−arg(z) . Damit haben wir die k = kα ∈ Z mit y = arg(z) + 2πk, dh. k ∈ α−π−arg(z) 2π 2π allgemeine Darstellung logα (z) = log(|z|) + i arg(z) + 2πikα , kα ∈ Z (2) Also ist jede Logarithmusfunktion von dieser Form. Dieses ist bisher nichts neues. Wir wussten ja, dass exp surjektiv ist und dass wir damit Zuordnungen wie obige basteln können (siehe frühere Aufgaben). Ein wichtiger Unterschied ist jetzt, dass wir eine analytische Umkehrung bekommen haben wie sich bald zeigen wird. Zuvor halten wir jedoch 1 fest, wie stark sich logα für verschiedene Werte von α unterscheiden. Und zwar folgt jetzt aus der Darstellung von (2) direkt logα (z) = logβ (z), ∀z ∈ exp(Sα ∩ Sβ ) (3) Mit diesen Zutaten lässt sich überall ein schöner Logarithmus zusammenbasteln. (a) log ist analytisch: Wir betrachten hier erstmal nur das Innere von Sα also die Menge Iα = {z ∈ C : z = x + iy und α − π < y < α + π} welche unter exp auf C\{teiϕ ∈ C : ϕ = α − π, t ≥ 0} abgebildet wird. Der Grund ist, dass die rausgenommene Gerade zum einen uns ermöglicht den Satz der Gebietstreue zu benutzen und zum anderen an dieser Stelle sich eine Unstetigkeit befindet wie in Aufgabenteil (b) zu sehen sein wird. Da exp als analytische Funktion offene Mengen auf offene Mengen abbildet folgt direkt, dass der Logarithmus logα stetig sein muss. Als nächstes zeigen wir, dass logα analytisch ist und bestimmen die Ableitung. Dazu seien z, z0 ∈ exp(Iα ) beliebig und w, w0 ∈ Iα Zahlen mit exp(w) = z sowie exp(w0 ) = z0 . Es gilt jetzt logα (exp(w)) − logα (exp(w0 )) logα (z) − logα (z0 ) = = z − z0 exp(w) − exp(w0 ) 1 exp(w)−exp(w0 ) w−w0 . Gehen wir zu dem Grenzwert z → z0 über so folgt wegen der Stetigkeit von logα auch w = logα (z) → logα (z0 ) = w0 , z → z0 und somit w → w0 . Damit erhalten wir lim z→z0 1 1 1 logα (z) − logα (z0 ) 1 = lim exp(w)−exp(w0 ) = = = . 0 w→w z − z0 exp (w0 ) exp(w0 ) z0 0 w−w0 Also ist logα analytisch und es gilt: log0α (z) = z1 . Fassen wir alles zusammen so haben wir für die bijektive Abbildung exp : Iα −→ exp(Iα ) eine analytische Umkehrabbildung 1 z konstruiert. Beispiele für einige Funktionswerte sind in den Bemerkungen zu finden. Wir betrachten den wichtigen Fall α = 0. Hier haben wir die geschlitzte Ebene logα : exp(Iα ) −→ Iα , log0α (z) = S0 = C\{−t ∈ C : t ≥ 0} als Definitionsbereich und der Logarithmus sieht wie folgt aus 2 Dabei ist links der Definitionsbereich und rechts der Wertebereich. Die roten bzw. blauen Linien werden einfach wieder in die roten bzw. blauen Linien überführt. Die schwarze Linie ist der Halbstrahl mit −t welcher rausgeschnitten wurde. Die Funktion log0 wird auch als Hauptzweig des Logarithmus bezeichnet (k0 = 0 in (2)). Wollen wir jedoch bei log0 auch negative reelle Zahlen einsetzen so sind wir gezwungen den verkleinerten Definitionsbereich wieder auszuweiten. Allgemeiner müssen wir also von Iα zu Sα übergehen. Dieses ist jedoch mit Einbußen verbunden wie der Aufgabenteil (b): zeigt. Nach einem Satz aus der Vorlesung ist die Existenz einer Fortsetzung entlang einer Kette äquivalent zu der Existenz einer Fortsetzung für die Ableitung. Jetzt lässt sich die Funktion 1 B1 := {w ∈ C : |w − 1| < 1} −→ C, w −→ w als Ableitung der Funktion log(1 + z) := ∞ X (−1)k+1 k k=1 z k , B1 −→ C (4) auf ganz C\{0} fortsetzen. Es wurde in anderen Untersuchungen bereits gezeigt, dass (4) einen Logarithmus (den Hauptzweig) liefert. Betrachten wir jedoch den Beweis genauer so stellen wir fest das die Fortsetzung durch Bilden der Stammfunktion und anpassen der Konstanten gewonnen wird. Also erhalten wir: Z dw . (5) log(z) = w γz Dabei ist γz ein Weg von einem festen Punkt z0 nach z. Wählen wir z0 = 1 und γz als ein Weg wie im Tutorium besprochen so erhalten wir direkt (2) zurück. Das heißt die Konstruktion des Logarithmus über Ketten und Stammfunktionen unterscheidet sich nicht wirklich von der Kostruktion über die Umkehrfunktion (sollte wohl ja auch so sein oder). Genauso hätten wir aber auch die Formel (5) direkt auf dem Bereich exp(Iα ) anwenden können, da dieses Gebiet einfach zusammenhängend ist. Werten wir jetzt (5) auf Punkten der Form z = γ(t) = eit wie aus der Aufgabenstellung. Mit der Parametarisierung γz (s) = eis , s ∈ [0, t] erhalten wir die Darstellung (überraschende ?) Z it log(e ) = log(z) = γz dw = w Zt ieis = it. eis 0 Jedenfalls folgt somit log(γ(2π)) − log(γ(0)) = 2πit 6= 0 3 Wir können uns dieses so vorstellen, dass der Logarithmus als Definitionsbereich nicht C sondern eher die oben abgebildete Spriale haben sollte. Je nachdem welche Wahl wir für α bzw. das k aus (2) treffen bewegen wir uns in einer anderen Höhe der Spirale. Genauso gelten die Logarithmusgesetze dann entweder nur, wenn wir diese Modulo 2πi betrachten oder wenn wir diese ”Spiralenverschiebung” mit einbeziehen und uns aus allen Sα einen ganzen Logarithmus basteln. Dieses wurde bereits mit der Formulierung ”lokal festgelegt” in der Aufgabenstellung angedeutet. 2. Die Gammafunktion wird durch das parameterabhängige Integral Z∞ Γ(z) = e−u uz−1 du 0 definiert. (a) Zeigen Sie, dass das Integral konvergiert, für <(z) > 0. (b) Zeigen Sie, das die Funktionalgleichung zΓ(z) = Γ(z + 1) gilt für alle solche z. Beweis. Für die Konvergenz reicht es zu zeigen, dass ZR Ir,R := |e−u uz−1 |du r in r, R > 0 beschränkt ist. Denn der Integrand ist positiv und somit für wachsende R und fallende r monoton wachsend, also konvergent. Wegen lim ux+1 e−u = 0, ∀x > 0 u→∞ sei u0 > 0 so gewählt, dass ux+1 e−u < 1, ∀u ≥ u0 4 (6) gilt. Folglich haben wir mit z = x + iy, x > 0 und 0 < r < u0 < R ZR Ir,R = r Zu0 = e−u ux−1 du e−u ux−1 du + r Zu0 ≤ ZR e−u ux+1 du u2 u0 ux−1 du + ZR (1) r du u2 u0 u R 1 1 ux 0 1 ux0 − rx − − + = = x r u u0 x R u0 x 1 u0 + ≤ x u0 Für die Funktionalgleichung benutzen wir jetzt partielle Integration. Diese verwenden wir erstmal auf dem kompakten Intervall [r, R] und betrachten anschließend die Grenzwerte r → 0 und R → ∞ wo dann die Randterme verschwinden. ZR −u z e R ZR u + z e−u uz−1 dz. −u z u dz = −e r r (7) r Es gilt jetzt |e−r rz | = e−r rx = e−r+x log(r) → 0, r → 0 und |e−R Rz | = e−R Rx = e−R+x log(R) → 0, R → ∞. Gehen wir jetzt in (2) zu dem Grenzwert über und benutzen obige Resultate so bekommen wir Γ(z + 1) = 0 − 0 + zΓ(z) = zΓ(z). Bemerkung 0.1. Aufgabe 1. Jetzt haben wir in der ersten Aufgabe die Existenz der Logarithmusfunktionen bewiesen und auch explizite Formeln konsturiert. Mit diesen wollen wir vielleicht ein wenig spielen. Als erstes bestimmen wir einige Funktionswerte für alle Zweige mittels der Formel aus (2), also k ∈ Z: log(1) = 2πik, π 1 log(i) = i + 2πik = 2πi(k + ) 2 4 log(−x) = log(|x|) + 2πik − πi = log(|x|) + πi(2k − 1), x < 0 Den Hauptzweig erhalten wir jeweils für k = 0. Jetzt wollen wir zu etwas interessanteren Anwendungen kommen und erinnern uns an die Definition ab := exp(b log(a)), a, b ∈ C 5 wann immer dieser Ausdruck definiert ist. Wollen wir jetzt zum Beispiel die Potenzfunktionen f (z) = az = exp(z log(a)) untersuchen so müssen wir lediglich uns für einen Logarithmus entscheiden, seinen Definitionsbereich finden und erhalten eine analytische Funktion. Genauso können wir auch p p f (z) = sin(z), g(z) = Γ(z), . . . untersuchen wann immer diese definiert sind. Dabei schränkt man sich häufig auf den Hauptzweig des Logarithmus ein. Aber auch Ausdrücken wie √ ii , i i kann jetzt eine Bedeutung gegeben werden. Das zweite zum Beispiel hat mit dem Hauptzweig die Darstellung √ √ √ √ √ 2 π 2 2 i (1 + i) i) = exp(− π) exp(iπ ) i = exp( i log(i)) = exp( 2 2 4 4 Zum Beispiel die Funktion f (z) = iz hat mit dem Hauptzweig des Logarithmus die Form πi f (z) = e 2 z und die die Funktion g(z) = √z i mit dem Hauptzweig die Darstellung z g(z) = (−1) 4 In Bildern lässt sich die Wirkung dabei wie folgt darstellen: Aufgabe 2. Die Gammafunktion ist eine sehr wichtige Funktion. Diese findet zum Beispiel Anwendung in der Physik, Wahrscheinlichkeitstheorie, Funktionentheorie... Der erste Teil zeigt, dass diese wohldefiniert ist. Die Funktionalgleichung zeigt uns mit Γ(1) = 1 insbesondere die Identität Γ(n + 1) = n!, n ∈ N. Damit lässt sich diese Funktion als analytische Interpolation der Fakultät deuten (es sollte klar sein, dass Γ analytisch ist). Weiterhin können wir mit dieser Gleichung aber auch Γ auf <(z) ≤ 0 fortsetzen. Dieses funktioniert mit Γ(z) = Γ(z + 1) , <(z) > 0 z 6 durch die formale Rechnung 3 2 1 4 1 4√ Γ − =− Γ − = Γ = π. 2 3 2 3 2 3 Im allgemeinen sei also x + iy = z ∈ C mit z 6= −n, n ∈ N und x ≤ 0. Wähle k ∈ N mit x + k ≥ 0 so haben wir Γ(z) = Γ(z + 1) Γ(z + 2) Γ(z + k) = = · · · = k−1 . Q z z(z + 1) (z + j) j=0 Damit bekommen wir eine analytische Fortsetzung der Gammafunktion auf {x + iy ∈ C : x + iy 6= −n, n ≥ 0} mit der Identität Γ(z) = Γ(z + k) mit x + k ≥ 0, k ∈ N. z(z + 1) . . . (z + k − 1) (8) Man mache sich klar, dass dieses eine analytische Fortsetzung ist und diese unabhängig von der Wahl von k ∈ N ist. An der darstellung (3) sehen wir, dass diese Funktion an den negativen ganzen Zahlen einfache Pole besitzt. Für das Residuum gilt res Γ(z) = z=−n (−1)n . n! Zum Schlußwollen wir einige Identitäten, welche sich mit der Funktionentheorie zeigen lassen, festhalten: ∞ e−γz Y 1+ z k=1 π Γ(z)Γ(1 − z) = sin πz √ 1 Γ(z) ≈ 2πz z− 2 e−z , Γ(z) = n X1 z −1 z − log n e k , γ = lim n→∞ k k k <(z) → ∞. Zum Schluss schauen wir uns das Abbildungsverhalten der Gammafunktion an 7