Zwischen Diabetes mellitus und Depressionen besteht eine enge

Werbung
Zwischen Diabetes mellitus und Depressionen besteht eine enge
Wechselbeziehung.
Statistisch gesehen verdoppelt eine anhaltende Depression das Risiko, Diabetes zu
entwickeln. Umgekehrt haben Menschen mit Diabetes ein erhöhtes Risiko,
depressive Symptome zu bekommen.
Studien haben gezeigt, dass Depressionen bei Diabetikern im Erwachsenenalter
drei- bis vierfach häufiger sind als bei stoffwechselgesunden Personen.
Schätzungsweise jeder vierte Mensch mit Diabetes leidet an einer leichten
depressiven Störung, etwa jeder zehnte an einer schweren Depression.
Dabei gibt es keine Unterschiede in der Häufigkeit zwischen Typ-1 und Typ-2Diabetikern. Frauen mit Diabetes erkranken aber deutlich häufiger an Depressionen
als Männer. Allgemein besteht eine erhöhte Depressionsneigung insbesondere

nach der Diagnosestellung “Diabetes”

wenn sich akut Folgeerkrankungen eingestellt haben

nach schweren Unterzuckerungen

nach Umstellung von oraler auf Insulintherapie
Insgesamt überwiegen milde Formen der Depression (Dysthymie) sowie
Anpassungsstörungen, die sich als Reaktion auf die Bewältigung der Erkrankungen
entwickeln. Experten sprechen von depressiv-ängstlichen Reaktionen.
Was sind die Ursachen dieser Wechselbeziehung?

Diabetes ist eine chronische Krankheit. Bei allen chronischen Krankheiten
können sich depressive Störungen als Reaktion auf die Belastungen und
Einschränkungen durch die Krankheit einstellen.

Auch sind bei depressiven Patienten Risikofaktoren für Diabetes erhöht, wie
Rauchen, Übergewicht und zu wenig körperliche Bewegung.

Eine Depression geht noch mit weiteren biochemischen Veränderungen im
Körper einher, die auf den Stoffwechsel wirken: Manche depressiven Patienten
bilden vermehrt “Stresshormone” wie Kortisol und Adrenalin; bei anderen
beobachtet man Störungen des Glukosetransports und erhöhte Blutspiegel
entzündungsfördernder Botenstoffe (Zytokine).
Was sind die Folgen?

Wie Untersuchungen belegt haben, befolgen Patienten mit Diabetes mellitus
und einer Depression in geringerem Umfang die therapeutischen medizinischen
Empfehlungen und weisen eine ungünstigere Stoffwechseleinstellung (HbA1C)
auf.

Menschen mit einem Diabetes und einer Depression haben ein deutlich
erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Folgekomplikationen und eine geringere
Lebenserwartung.

Depressionen beeinträchtigen erheblichen die Lebensqualität und die
Therapiezufriedenheit der Betroffenen.

Depressive Personen mit einem Diabetes haben ein deutlich erhöhtes Risiko
für funktionelle Einschränkungen im Alltag (z.B. Arbeitsfähigkeit).

Das Risiko, an einer Depression zu erkranken, steigt mit der Entwicklung und
der Anzahl der diabetischen Folgeschäden an den großen und kleinen Gefäßen
(Arterien, Augen, Nieren).



Besonders in den ersten 30 Tagen nach einer schweren Unterzuckerung
(Hypoglykämie) besteht oft eine verstärkte depressive Symptomatik.
Weniger für den individuellen Patienten, mehr für die Gesellschaft relevant ist
der Umstand, dass die Kosten der medizinischen Versorgung bei Personen mit
einem Diabetes und einer Depression deutlich höher liegen als bei Diabetes
ohne Depression.
Was unterscheidet eine “Verstimmung” von einer Depression?
Obwohl die Verbindung zwischen Depression und Diabetes mellitus stärker ist
als die Verbindung zwischen Diabetes und rein diabetischen Komplikationen, ist
es manchmal auch für den Arzt schwierig, die Diagnose einer depressiven
Episode zu stellen. Folge: Nur bei jedem dritten Diabetiker mit Depression wird
die letztere erkannt und behandelt.
Das hat verschiedene Ursachen: Zuerst ist nicht jeder depressive
Gemütszustand eine echte Depression. Redewendungen wie “Ich hab’ totale
Depressionen” meinen oft nur eine vorübergehende Niedergeschlagenheit
aufgrund eines konkreten Auslösers. Solche Verstimmung gehören zu den
normalen Hochs und Tiefs unseres Lebens. Oft sind sie eine adäquate Reaktion
auf Verluste, Enttäuschungen und Belastungen.
Erst wenn dieser Zustand über Wochen oder Monate anhält und die
Ausprägung der Symptome zunimmt, spricht man von “Depression” als
ernsthafter Erkrankung.
Wer wirklich depressiv ist, dem fällt es oft schwer, dies offen zuzugeben und
darüber zu sprechen. Gemäß der Devise “Jeder ist auch einmal depressiv” oder
“Wenn ich einen Diabetes hätte, wäre ich auch depressiv” werden
Depressionen oft auch von Behandlern des Diabetes unterschätzt.
Denn “typische” depressive Symptome wie Müdigkeit, Antriebslosigkeit,
verminderter Appetit oder sexuelle Störungen können Folgen einer schlechten
Blutzuckereinstellung sein. Vor einer schnellen Diagnose einer
behandlungsbedürftigen Depression sollte daher überprüft werden, ob diese
Anzeichen nicht die Folge einer Stoffwechselentgleisung sind. Andererseits
sollten Sie sich nicht vorschnell mit der Erklärung abfinden, dass die
depressiven Beschwerden “sicherlich mit dem Diabetes” zusammenhängen.



Wie kann man eine Depression konkret feststellen?
Ihr Arzt kann depressive Symptome im eingehenden Gespräch und/oder mit
Unterstützung durch fragebogenartige Tests feststellen. Mittlerweile gibt es
auch verschiedene Selbstbeurteilungsfragebögen wie beispielsweise folgenden
Kurztest:
Kurztest zur Diagnose einer Depression.
Wenn Sie vier oder mehr positive Antworten gegeben haben, sollten Sie (wenn
möglich, mit einem Ausdruck dieses kleinen Fragebogens) zum Arzt gehen.
Leiden Sie seit mehr als zwei Wochen an
gedrückter Stimmung
Verlust an Interesse und/oder Freude bei sonst angenehmen Ereignissen
Schwunglosigkeit und/oder bleierner Müdigkeit und/oder innerer Unruhe








fehlendem Selbstvertrauen und/oder Selbstwertgefühl
verminderter Konzentrationsfähigkeit und/oder starker Grübelneigung
starken Schuldgefühlen und/oder vermehrter Selbstkritik
negativen Zukunftsperspektiven und/oder Hoffnungslosigkeit
hartnäckigen Schlafstörungen
vermindertem Appetit
tiefer Verzweiflung und/oder Todesgedanken?
Wie lässt sich die Depression behandeln?
Die Wechselbeziehung zwischen Diabetes und Depression ist für die Therapie
sehr bedeutsam: Die konsequente Behandlung einer Depression kann die
Stoffwechsellage bei Diabetes bessern. Umgekehrt kann sich eine optimale
Blutzuckereinstellung positiv auf den Verlauf einer Depression auswirken.
Angesichts der psychischen Belastung und der negativen Auswirkungen auf die
Stoffwechsellage sollte eine Depression beim Diabetiker so konsequent
behandelt werden wie beim Nichtdiabetiker. Grundsätzlich können auch die
gleichen Verfahren eingesetzt werden, psychologischer wie medikamentöser
Art.
Beratung und Psychotherapie
An erster Stelle steht das vertrauensvolle Gespräch mit Ihrem Arzt. Wer sich
anvertraut, hat schon den ersten Schritt zur Entlastung getan. Je nach Situation
kann es darum gehen, zuerst Informationen zu vermitteln (über Depression als
Verstimmung oder als Krankheit), Schuldgefühle zu nehmen, Akzeptanz zu
erfahren. Ihr Arzt kann Sie bei Bedarf an einen Psychologen oder
Psychotherapeuten überweisen.
Bei der ambulanten wie auch stationären Behandlung der Depression haben
sich Verhaltenstherapie, Gesprächstherapie und tiefenpsychologisch fundierte
Psychotherapie als effektiv erwiesen.
Wichtig ist, dass Sie sich klar machen, dass eine Depression nichts mit
persönlicher Schuld oder Versagen zu tun hat. Obwohl man nicht gerne über
psychische Probleme spricht, ist es so, dass sie jeden Menschen treffen
können.
Medikamente
Zur medikamentösen Behandlung depressiver Störungen empfiehlt die
Deutsche Diabetes Gesellschaft in erster Linie neuere Antidepressiva vom Typ
der selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI). Klassische
(trizyklische) Antidepressiva sind ebenfalls wirksam, können aber eher
Gewichtszunahme und Unterzuckerung verursachen. Bei zusätzlicher
Angststörung können Benzodiazepine (zeitlich begrenzt wegen Gewöhnung)
und/oder niederpotente Neuroleptika verordnet werden.
Studie
Spiegelt die Stimmung den Blutzuckerwert?
39 Typ-1-Diabetiker notierten mehrmals täglich auf einer Skala Werte für
schlechte Laune, Ärger und Anspannung bzw. Glück und Energiegeladenheit.
Währenddessen erfasste ein Glukosesensor kontinuierlich den Blutzucker, ohne
dass die Probanden diesen Wert kannten. Die Auswertung zeigte, dass sich
schlechte Stimmung am häufigsten im hypoglykämischen (Unterzucker) und im
ausgeprägt hyperglykämischen Bereich (starker Überzucker) breit machte, gute
Stimmungswerte am häufigsten während guter Blutzuckereinstellung. Das
Ergebnis könnte die bei Diabetikern häufiger vorzufindende Depressivität und
Ängstlichkeit erklären.
Quelle: C. Scheff, Würzburg, DDG-Tagung Berlin 2005
Herunterladen