Ängste bei JugendlichenErscheinungsform, Ursachen und diagnostisches Vorgehen Seminar WS 2012/2013: ,,Diagnostik und Beratung bei Verhaltensauffälligkeiten‘‘ Dozentin: Dr. S. Andrée Lara Schaidnagel Merlette Jensen Gliederung 1 2 3 4 5 6 7 8 Begriffsklärung Diagnostische Klassifikation Ursachen Epidemiologie, Komorbidität und Verlauf Diagnostische Methoden bei Angststörungen Fallbeispiel Therapiemöglichkeiten Quellen 2 1 Begriffsklärung 1.1 Angst Angst und Furcht unterschiedlich, teilweise aber auch als Synonym verwendet Angst Grundform des menschlichen Verhaltens dient als Schutzfunktion 4 1.2 Definition unzählige Definition, nicht die einzig Wahre zwei Arten von Definition: 1. Realdefinition „Angst ist das Gefühl der Hilflosigkeit gegenüber einer potentiell unfreundlichen Welt“ (Horney, 1951, aus Lazarus-Mainka & Siebeneick, 2000, S. 12.) 2. Operationale Definition „Angst ist eine Reaktion auf eine Gefahr“ (Freud, 1926, aus Lazarus-Mainka & Siebeneick, 2000, S. 12.) 5 1.3 Zustand und Wesenszug von Angst Zustand: jemand bekommt in einer bestimmten Situation Angst akut starke Intensität und kurze Dauer Wesenszug: jemand ist ein ängstlicher Mensch „Persönlichkeitseigenschaft“ chronisch geringe Intensität unbefristete Dauer 6 1.4 Drei Ebenen der Erscheinungsformen Ebene des subjektiven Erlebens z.B. Sorgen, Befürchtungen Ebene des beobachtbaren Verhaltens z.B. Schreien, Weglaufen Ebene der körperlichen Begleiterscheinungen z.B. Schweißausbrüche, Zittern Rupprecht & Kellner, S. 30. 7 1.5 Entwicklung von Ängsten bei Kindern und Jugendlichen Säuglingsalter sensorische Erlebnisse sind die Hauptursache von Angst im ersten Lebensjahr Fremdeln Kleinkindalter Ängste vor der Dunkelheit und imaginären Lebewesen Grundschulalter Ängste um die eigene Leistung Pubertät soziale Ängste 8 2 Diagnostische Klassifikation 2.1 Diagnostische Klassifikation Angststörungen in Verbindung mit psychiatrischen Krankheiten Angstsyndrom = die Angststörung tritt als Hauptsyndrom auf parallel zur empfundenen Angst tritt ein ausgeprägtes Vermeidungsverhalten auf Klassifikationssysteme: ICD, DSM 10 Klassifikation der Angststörung nach ICD-10 und DSM-IV Günter, S. 215 11 2.1 Diagnostische Klassifikation Angststörungen und Angstsymptome treten bei vielen psychischen Störungen auf, z.B. bei der Schizophrenie wichtig bei der Diagnose: Abgrenzung zwischen ,,normalen‘‘/realen und pathologischen Ängsten 12 Teufelskreis der Angst Meermann & Okon, S. 25 13 2.3 Die wichtigsten Angststörungen fünf Gruppen der wichtigsten Angststörungen bei Kindern und Jugendlichen Günter, S. 217 14 Klassifikation der Angststörung nach ICD-10 und DSM-IV Günter, S. 215 15 2.3.1 Umgrenzte/Spezifische Phobie eindeutig identifizierbare Objekte oder Situationen, z.B. Tierphobien (Spinnenphobie) der erwachsende Patient erkennt normalerweise, dass seine Angst übertrieben/unvernünftig ist – Kinder noch nicht Folgen: massive Angstreaktionen und Vermeidungsverhalten ◦ somatisch (Herzklopfen, Schwitzen) ◦ psychisch (Angstgefühl) ◦ behavioral (Schreien, Flucht) möglicher Panikanfall 16 Welches Fallbeispiel stellt die umgrenzte/spezifische Phobie dar? 2.3.2 Panikstörungen und Agoraphobien Panikstörung: Panikattacke, die plötzlich und wiederholt auftritt nicht vorhersehbar – nicht an spezifische Situationen gebunden Symptome: ◦ ◦ ◦ ◦ ◦ Herzklopfen Brustschmerzen Erstickungsgefühle Schwindel Entfremdungsgefühle Ängste vor Kontrollverlust, wahnsinnig zu werden oder zu sterben 18 2.3.2 Panikstörungen und Agoraphobien Häufigkeit und zeitliche Abstände variieren Dauer beläuft sich auf wenige Minuten abhängig/unabhängig von einer Agoraphobie Panikattacke kann zu agoraphobischen Tendenzen führen Agoraphobie: - Angst vor großen/öffentlichen Plätzen - Angst vor Menschenversammlungen - Angst, sich weit von zu Hause zu entfernen/alleine zu reisen 19 Welches Fallbeispiel stellt die Panikstörungen und Agoraphobien dar? 2.3.3 Generalisierte Angststörungen übersteigerte Ängste und Sorgen dauerhafte Empfindungen situations- und themenunabhängig fast tägliches Auftreten chronische Erkrankung somatische Beschwerden, Angst vor Beschämung, Bedürfnis, beruhigt werden zu wollen keine klare Abgrenzungen möglich hohe Komorbidität zu anderen Angststörungen 21 Welches Fallbeispiel stellt die generalisierten Angststörungen dar? 2.3.4 Trennungsangst und Schulphobie Trennungsangststörungen bei Kindern Angst und Widerstand abnormal intensiv, dauert über die typische Altersstufe hinaus ,,Drohung‘‘ als ausreichend Vermeidungsverhalten: ◦ ◦ ◦ ◦ ◦ Schreien Betteln Weinen verbale Drohungen körperlicher Widerstand 23 2.3.4 Trennungsangst und Schulphobie unrealistische Besorgnis mit Kontrollversuchen ‚Unheilsgedanken‘ Trennungsangststörung kann sich zu einer Schulphobie entwickeln 24 Welches Fallbeispiel stellt die Trennungsangst und Schulphobie dar? 2.3.5 Soziale Ängste Vermeiden von sozialen (gleichaltrigen) Kontakten Befürchtung ◦ in peinliche Situationen zu gelangen ◦ beschämt zu werden ◦ Blamage Auftreten in der Schule abnormal intensiv, dauert über die typische Altersstufe hinaus hohe Komorbidität 26 Welches Fallbeispiel stellt die Trennungsangst und Schulphobie dar? 3 Ursachen von Angststörungen 3.1 Drei-Pfade-Modell (Rachman 1977) 1. durch direkte Konditionierung 2. durch stellvertretende Konditionierung 3. durch Instruktion und Information symbolische Konditionierung 29 3.2 2- Phasen- Theorie (Mowrer 1939) 1. Phase Angst wird durch das Konditionieren an bisher neutrale Reize gekoppelt, führt z.B. zu Klaustrophobie 2. Phase Vermeidungsverhalten wird durch instrumentelles Lernen entwickelt Flucht und Vermeidungsverhalten führt zum Nachlassen der Angst 30 3.3 Beobachtungslernen (Bandura 1969, Marks 1987, Mineka & Cook 1993) nicht alle Patienten können Konditionierungen nachweisen Personen beobachten, wie andere Personen auf bestimmte Situationen/Gegenstände reagieren Imitieren dieser Beobachtung 31 3.4 Prädispositionen Unterschiede in der Intensität und Dauer eines Traumata Personenbedingte Unterschiede (Vorbelastung in der Kindheit) Empfindlichkeit Kontrollwahrnehmung Angstsensibilität 32 3.5 Ursachen für Angststörungen bei Kindern • Verzerrung der kognitiven Informationsverarbeitung • Erziehung der Eltern und Interaktion in der Familie • genetische Faktoren 33 4 Epidemiologie, Komorbidität und Verlauf 4.1 • Prävalenz 50% der bei Kindern und Jugendlichen diagnostizierbaren psychischen Krankheiten = emotionale Störungen mit ängstlich gehemmtem und depressivem Verhalten (insgesamt werden bei15-20% der Kinder und Jugendlichen psychische Störungen diagnostiziert) • Mädchen sind im Verhältnis 60 : 40 häufiger von Angststörungen betroffen 35 4.2 Epidemiologie bei Trennungsangst und Schulphobie • • • Kinder: Prävalenzrate: 3-5% Jugendliche: Prävalenzrate: 0,5-2% Trennungsangststörungen werden bei Mädchen häufiger diagnostiziert als bei Jungen 36 4.3 • • • Komorbidität Komorbidität bis zu 50% hoher (überzufälliger) Zusammenhang zwischen Angststörungen und depressivem Verhalten bei Kindern Faktoren wie Geschlecht und Alter sind wichtig 37 4.4 Verlauf (nach Cantwell & Baker 1989, Kashani & Ovaschel 1990) negative Auswirkungen dürfen nicht unterschätzt werden Langzeitstudien: (Aus-) Wirkungen von Angststörungen auf die allgemeine Entwicklung Kinder mit Angststörungen haben in allen Altersbereichen eine höhere Belastung durch andere psychische Störungen erheblicher Forschungsbedarf 38 Verlauf der Trennungsangst und Schulphobie Kindesalter: instabile, vorübergehende, leichte Trennungsängste schwere, chronische Trennungsangststörungen können im weiteren Leben ernsthafte Trennungsschwierigkeiten mit sich bringen 39 5 Diagnostische Methoden bei Angststörungen Diagnostische Methoden • • • • • • • • Anamnese, Exploration, klinische Interviews körperliche (intern-neurologische) und psychologische Standarduntersuchungen Fragebögen, Angstfragebögen und andere Selbstberichtsmethoden Eltern-Fragebögen und -Ratings Lehrer-Fragebögen und -Ratings familiendiagnostische Maße verhaltensdiagnostische Methoden psychophysiologische Maße 41 6 Fallbeispiel Günter, S. 211 Trennungsstörungen und Schulphobie Günter, S. 213 Günter, S. 212 43 7 Therapiemöglichkeiten Wichtigste Therapiemethoden bei Kindern und Jugendlichen Entspannungsverfahren Systematische Desensibilisierung Massierte Konfrontation Modell-Lernen Kognitive Methoden Operante Methoden 45 Wichtigsten Therapiemethoden bei Kindern und Jugendlichen Eltern- und Familienorientierte Behandlungsansätze nicht-behaviorale Therapieform Pharmakotherapie in der Praxis besteht eine Therapie aus einer Kombinationen von unterschiedlichen methodischen Komponenten 46 8 Quellen Literatur Becker, E., Margraf, J., Generalisierte Angststörung. Weinheim, Basel, Berlin: Beltz Verlag (2002). Günter, E. (Hrsg.), Lehrbuch der Klinischen Psychologie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters. Stuttgart: Georg Thieme Verlag (2002). Klicpera, C.; Gasteiger-Klicpera B., Emotionale und verhaltensbezogene Störungen im Kindes- und Jugendalter. Wien: Facultas Verlags- und Buchhandels AG (2006). Lazarus-Mainka, G.; Siebeneick, S., Angst und Ängstlichkeit. Göttingen, Bern, Toronto, Seattle: Hogrefe-Verlag (2000). Levitt, E. E., Die Psychologie der Angst. Stuttgart: W. Kohlhammer (1987). Meermann, R.; Okon, E., Angststörungen: Agoraphobie, Panikstörung, spezifische Phobien – Ein kognitiv-verhaltenstherapeutischer Leitfaden für Therapeuten. Stuttgart: W. Kohlhammer GmbH (2006). Remschmidt, H. (Hrsg.), Psychotherapie im Kindes- und Jugendalter. Stuttgart: Thieme (1997). Rupprecht, R.; Kellner, M., Angststörungen – Klinik, Forschung, Therapie. Stuttgart: W. Kohlhammer GmbH (2012). 47 8 Quellen Internet http://www.uniklinikumsaarland.de/fileadmin/UKS/Einrichtungen/Kliniken_und_Institute/Neurologie_ und_Psychiatrie/Kinder_und_Jugendpsychiatrie/Folien_Vorlesung/Angststoer ung__Paulus.pdf (10.11.2012) http://www.psychologische-praxis-heger.de/2011/02/20/panikattacken/ (11.11.2012) 48 Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit!!