Burkhard Wehner Die Proteststimme - warum, wofür

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Burkhard Wehner
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Die Proteststimme - warum, wofür und wie?
Stellt euch vor, es ist Wahl und keiner geht hin. Auf den ersten Blick eine schöne Utopie.
Mit Wahlen ist es wie mit Krieg, auch wenn die Folgen von Wahlen ähnlich schlimm sein können:
Irgendjemand macht immer mit. Im Krieg wie bei Wahlen gibt es immer genug Mittäter, um stolze
Sieger hervorzubringen. Die Leidtragenden stehen im Schatten.
Demokratische Wahlen können viele politische Katastrophen befördern, große wie kleine, bis hin zu
Kriegen und Bürgerkriegen. Sie tun dies auch und gerade in der Gegenwart. (S. hierzu auch den Essay B.
Wehner, Die Katastrophen der Demokratie, Kurzfassung verfügbar im Gesamtkatalog von www.reformforum-neopolis.de.) Dass etwas
faul ist mit den demokratischen Wahlverfahren, wird daher immer mehr Bürgern bewusst. Bis vor
wenigen Jahrzehnten waren die meisten Wähler noch engagierte Überzeugungstäter, jetzt sind es
nur noch die wenigsten. Die Wahlbeteiligungen sinken, und wer noch wählt, tut dies zumeist ohne
große innere Anteilnahme. Dies ist so bei Wahlen, bei denen es um Personen, erst recht aber, wenn
es um Parteien geht. Restlos überzeugte Parteienanhänger sind selten geworden. Auch diejenigen,
die vom Parteienwesen insgesamt enttäuscht sind, werden immer mehr.
Letztere sind vielleicht schon die Mehrheit. Genau weiß dies niemand. Es hängt natürlich davon ab,
was man unter Enttäuschung versteht. Auf die Frage, ob sie wirklich von allen politischen Parteien
enttäuscht sind, würden vielleicht die meisten noch mit Nein antworten. Fragt man anders, fragt man
z.B., ob politische Parteien noch die großen politischen Probleme unserer Zeit beherrschen, wäre die
Mehrheit der Antworten sicher höchst skeptisch.
Wie gehen die Bürger mit dieser Skepsis um? Als Wähler haben sie genau drei Alternativen. Sie
können:
- nicht wählen
- zähneknirschend - als vermeintlich kleineres Übel - eine „normale“ Partei wählen.
- eine sog. Protestpartei wählen, um ihre Skepsis wenigstens publik zu machen.
Keine dieser Alternativen hilft natürlich wirklich, keine macht irgendetwas wirklich besser. Es ist die
Wahl zwischen Pest, Cholera & Co.
Das Nichtwählen der Enttäuschten wird nicht einmal als politische Meinungsäußerung
wahrgenommen. Es ist nicht unterscheidbar vom Nichtwählen aus Bequemlichkeit, aus
Gleichgültigkeit oder dumpfer Zufriedenheit. Dies macht es Parteien und Medien leicht, über die
wachsende Enttäuschung von Nichtwählern achtlos hinwegzugehen.
Das Nichtwählen bleibt aber auch deswegen wirkungslos, weil es für die Parteien keine
Konsequenzen hat. Die politische Machtverteilung hängt von den Anteilen der abgegebenen
Stimmen ab, nicht davon, wie viele Wahlberechtigte tatsächlich wählen. Den Parteien sind die
Nichtwähler daher schlicht egal.
Erst recht bleibt natürlich das zähneknirschende Wählen bedeutungslos. Der zähneknirschende
Wähler ist so wenig unterscheidbar vom überzeugten wie der enttäuschte Nichtwähler vom
gleichgültigen oder dumpf zufriedenen. Die Parteien können es sich leisten, die stillen Vorbehalte
vieler ihrer Wähler geflissentlich zu übersehen. Zähneknirschendes Wählen kann sogar die
etablierten Parteien in der falschen Gewissheit wiegen, sie hätten weiterhin breiten Rückhalt bei den
Bürgern. Damit aber untergräbt es dringend notwendigen Veränderungsdruck auf Parteien und
Parlamente.
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Bleibt die dritte Alternative, die Wahl einer Protestpartei. Dass nur wenige Protestwähler ihrer
Protestpartei nachhaltige Problemlösungskompetenz zutrauen, zeigen die extrem schwankenden
Wahlerfolge dieser Parteien. Protestwähler wollen den etablierten Parteien einen Denkzettel
verpassen. Dies verschafft ihnen emotionale Erleichterung, aber auch dies macht natürlich die reale
Politik nicht besser. Es kann sogar erheblichen politischen Schaden anrichten, wenn Protestparteien
zu Mehrheitsbeschaffern für normale Parteien werden und damit unversehens politische Macht
erlangen.
Für die - reale oder heranwachsende - Mehrheit der Parteien-Skeptiker bedeutet dies: Es bedarf
dringend neuer Formen politischer Willensbekundung. Skeptiker und Enttäuschte müssten ihre
Skepsis und ihre Enttäuschung zumindest unmissverständlich und öffentlichkeitswirksam artikulieren
können. Sie müssten es auf gleiche Weise tun können, wie die Anhänger von Parteien, die Nochnicht-Enttäuschten also, es mit der Stimmabgabe für ihre Partei tun.
Das bedeutet konkret: Wähler müssten explizite Proteststimmen abgeben, also auf Wahlzetteln
keine Partei bzw. kein Kandidat ankreuzen können.
Bundeswahlgesetz, § 4 Stimmen, lautet bisher:
Jeder Wähler hat zwei Stimmen, eine Erststimme für die Wahl eines Wahlkreisabgeordneten, eine
Zweitstimme für die Wahl einer Landesliste.
Dieser Paragraf ist daher wie folgt zu ändern:
Jeder Wähler hat zwei Stimmen: eine Erststimme für die Wahl eines Wahlkreisabgeordneten oder
keines Wahlkreisabgeordneten, eine Zweitstimme für die Wahl einer Landesliste oder keiner
Landesliste.
Natürlich ist die Forderung einer solchen Wahlrechtsänderung nur ein erster Schritt, und natürlich
werden die Parteien alles tun, um die Einführung der Proteststimme zu verhindern. Die
Proteststimme lautstark zu fordern kann die Parteien aber immerhin unter extremen
Rechtfertigungsdruck setzen, und das Verweigern der Proteststimme kann sie Reste von politischem
Respekt kosten. Und je respektloser die Bürger den Parteien gegenübertreten, desto brüchiger wird
deren eigennütziger Widerstand. Der Widerstand gegen die Proteststimme bräche als erster.
Um Politik nachhaltig besser zu machen, muss natürlich dennoch viel mehr geschehen.
Näheres hierzu auf www.parteien-stop.de unter: Was danach kommt.
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