Unendliche Galoistheorie Beispiel: Ist K ein beliebiger Körper, so sei K s sein separabler Abschluss. Dafür wählt man einen algebraischen Abschluss von K, K̄, und betrachtet K s = K̄s = {a ∈ K̄|a separabel bzgl. K}. Die Automorphismengruppe G(K s/K) = AutK (K s) heisst absolute Galoisgruppe von K. 1 Beispiele: 1) Wir hatten in der Übung gesehen, dass F` für eine Primzahl ` den algebraischen Abschluss S F̄` = n F`n hat. Jedes Element in F`n ist separabel über F` und deshalb ist G(Fs`/F`) = G(F̄`/F`). 2) Separabilitat ist automatisch erfullt in Charakteristik null, d.h. ): G(Qs=Q) = G(Q=Q G(F`=F`) kann man explizit beschreiben; ) weiss man (noch) sehr wenig. G(Q=Q uber 2 Beispiele: 1) Wir hatten in der U bung gesehen, dass F` fur eine Primzahl ` den algebraischen Abschluss S F` = n F`n hat. Jedes Element in F`n ist separabel uber F` und deshalb ist G(F`sn =F`) = G(F`=F`): 2) Separabilität ist automatisch erfüllt in Charakteristik null, d.h. G(Qs/Q) = G(Q̄/Q). G(F̄`/F`) kann man explizit beschreiben; über G(Q̄/Q) weiss man (noch) sehr wenig. 2-a Es sei K ⊂ L eine beliebige Galoiserweiterung. 1. Gibt es eine Entsprechung der Galoiskorrespondenz auch für unendliche Galoisgruppen? D.h., kann man den Verband der Untergruppen von G(L/K) in Bijektion setzen zu Zwischenkörpern K ⊂ K 0 ⊂ L? 2. Wie berechnet man unendliche Galoisgruppen? 3. Was weiss man über G(Q̄/Q)? 3 Zu Frage 1: Ja, es gibt eine Galoiskorrespondenz auch für unendliche Galoiserweiterungen; man muss sich allerdings auf die abgeschlossenen Untergruppen von G(L/K) einschränken. Beispiel dazu: Wir wissen, der Frobenius, Fr ist Element von G(F̄`/F`), Fr: F̄` → F̄`; a 7→ a`. Wäre die Galoiskorrespondenz im naiven Sinn wahr, müsste G(F̄`/F`) = hFri gelten, weil der Fixkörper von Fr genau F` ist. 4 Gegenbeispiel: Es sei an, n ∈ N eine Folge ganzer Zahlen mit den Eigenschaften • an ≡ am mod m, falls m die Zahl n teilt, • Es gibt keine ganze Zahl a mit der Eigenschaft, dass am ≡ a mod m gilt für alle m ∈ N. Eine solche Folge gibt es: Schreibe n = n0`ν`(n) mit maximaler `-Potenz ν`(n) von n. Dann ist n0 teilerfremd zu ` und es gibt Zahlen bn, cn mit 1 = n0bn + `ν`(n)cn. Die Folge an := n0bn erfüllt dann die Forderungen. 5 Definiere ψn := Fran eingeschränkt auf F`n . Die Folge ψn definiert eine kohärente Folge: ψ n eingeschränkt auf F`m mit m|n ist gerade Fram , weil an ≡ am mod m. Die Folge (ψ n) definiert also einen Automorphismus ψ ∈ G(F̄`/F`). Dieses ψ ist aber nicht in hFri enthalten, weil aus ψ = Fra folgen würde, dass an ≡ a mod n gilt für alle n. 6 Topologie auf G(L/K) Betrachte für σ ∈ G(L/K) die Nebenklassen der Form σG(L/K 0), wobei K ⊂ K 0 eine endliche Galoiserweiterung ist. Wir benutzen diese Nebenklassen als Umgebungsbasis von σ. [Natürlich ist σ Element von σG(L/K 0).] Dies definiert eine Topologie auf G(L/K), die sogenannte Krull-Topologie. D.h. eine Teilmenge O ⊂ G(L/K) ist offen, S falls O = ∅ oder O = i σiG(L/Ki) für endliche Galoiserweiterungen K ⊂ Ki. 7 Die Multiplikation und die Inversenbildung in G(L/K) sind damit stetig: Für σ, τ ∈ G(L/K) enthält das Urbild unter der Multiplikation von στ G(L/K 0) die Menge σG(L/K 0) × τ G(L/K 0). Das Urbild von σ −1G(L/K 0) enthält σG(L/K 0) Damit ist G(L/K) eine topologische Gruppe. Satz: Fur jede (endliche oder unendliche) Galoiserweiterung K L ist G(L=K ) mit der Krulltopologie hausdorsch, kompakt und total unzusammenhangend. 8 Die Multiplikation und die Inversenbildung in G(L=K ) sind damit stetig. F ur ; 2 G(L=K ) enthalt das Urbild unter der Multiplikation von G(L=K 0) die Menge G(L=K 0) G(L=K 0). Das Urbild von 1G(L=K 0) enthalt G(L=K 0) Damit ist G(L=K ) eine topologische Gruppe. Satz: Für jede (endliche oder unendliche) Galoiserweiterung K ⊂ L ist G(L/K) mit der Krulltopologie hausdorffsch, kompakt und total unzusammenhängend. 8-a Es sei G(L/K 0) eine offenen Untergruppe von G(L/K), d.h. K ⊂ K 0 ist endliche Galoiserweiterung. Damit ist also G(K 0/K) eine endliche Gruppe und der Index von G(L/K 0) in G(L/K) ist endlich. Dann ist G(L/K)\G(L/K 0) eine endliche Vereinigung von Nebenklassen von G(L/K 0) und somit offen. Jede offene Untergruppe G(L/K 0) ist also auch abgeschlossen! 9 Galoiskorrespondenz (allgemeine Formulierung): Ist K ⊂ L eine beliebige Galoiserweiterung. Dann ist die Zuordnung K 0 7→ G(L/K 0) eine Bijektion zwischen den Zwischenkörpern K ⊂ K 0 ⊂ L und den abgeschlossenen Untergruppen von G(L/K). Die offenen Untergruppen entsprechen hierbei den endlichen Zwischenkörpern K ⊂ K 0. 10 Zu Frage 2: Es sei K ⊂ L galoissch. Dann gilt immer L = S 0 0 K⊂K 0 ⊂L K , wobei K die endlichen Galoiserweiterungen von K durchläuft, die in L liegen. (Argument wie für F` ⊂ F̄`) 11 Betrachte Φ: G(L/K) −→ Y G(K 0/K), K⊂K 0 ⊂L Φ(ϕ) = ϕ|K 0. Ist ϕ|K 0 = idK 0 für alle endlichen K ⊂ K 0 ⊂ L, so ist ϕ die Identität, d.h. die obige Abbildung ist injektiv. Wir brauchen also eine Beschreibung ihres Bildes. 12 Betrachte K ⊂ K 0 ⊂ K 00 ⊂ K 000 ⊂ L mit endlichen K 0, K 00, K 000. Die Restriktion rK 00|K 0 : G(K 00/K) → G(K 0/K) ist surjektiv und es gilt: rK 000/K 0 = rK 00/K 0 ◦ rK 000/K 00 . Das Bild von Φ ist enthalten in der Menge aller Q (σK 0 )K 0 ∈ G(K 0/K), für die gilt, dass rK 00/K 0 (σK 00 ) = σK 0 ∀ K ⊂ K 0 ⊂ K 00 ⊂ L, wobei K 0 wieder über alle endlichen Galoiserweiterungen von K in L läuft. Die obige Menge ist eine Untergruppe des ProQ duktes G(K 0/K). 13 Satz: G(L/K) ist isomorph zu dieser Untergruppe. Diese Gruppe heisst auch inverser oder projektiver Limes der Gruppen G(K 0/K). Notation: lim G(K 0/K). 14 Beispiel: ∼ lim G(F n /F ) = lim Z/nZ. Hierbei G(F̄`/F`) = ` ` ist die Kohärenzbedingung, die ein Element (σn)n∈N im Produkt erfüllen muss, dass rn,m(σn) = σm in G(F`m /F`) für alle m mit m|n: Wir wissen, dass F`m ⊂ F`n genau dann, wenn m|n. G(F`n /F`) 3 σ_n 3 σm rn,m G(F`m /F`) 15 Diesen inversen Limes lim Z/nZ nennt man auch Ẑ. Die Bezeichnung Prüfer-Ring ist gebräuchlich. Mit dem Chinesischen Restsatz zeigt man Y ∼ lim Z/nZ = Ẑ = Zp. pprim Hierbei sind Zp die ganzen p-adischen Zahlen: Zp = lim Z/pnZ ⊂ Y Z/pnZ. n Mit der kanonischen Projektion λn : Z/pnZ → Z/pn−1Z müssen Elemente (xn) im inversen Limes die Bedingung λn(xn) = xn−1 für alle n erfüllen. 16 Zu Frage 3: Was weiss man über ΓQ = G(Q̄/Q)? Ist K eine endliche Galoiserweiterung von Q, so muss G(K/Q) ein endlicher Quotient von ΓQ sein. Vermutung: Jede endliche Gruppe G ist Quotient von ΓQ. Das ist das sogenannte inverse Galoisproblem. 17 Was wissen wir? ΓQ = lim G(K/Q), wobei K wieder alle endlichen Galoiserweiterungen durchläuft. Q ⊂ Q(i) ist eine solche endliche Galoiserweiterung und ihre Galoisgruppe ist isomorph zur Gruppe erzeugt von komplexer Konjugation c = ¯ Wir kennen also mindestens zwei Elemente (). in ΓQ, die Identität und die komplexe Konjugation. 18 Geometrisches Vorkommen: Es sei X eine rationale Varietät, d.h. ein Nullstellengebilde endlich vieler rationaler Polynomgleichungen: X= k \ {(z1, . . . , zn) ∈ Cn|pi(z1, . . . , zn) = 0} i=1 und pi(X1, . . . , Xn) ∈ Q[X1, . . . , Xn]. Ist N eine Untergruppe der Fundamentalgruppe von X, die normal ist und von endlichem Index, so gibt es eine endliche topologische Überlagerung von X, X N (Hauptsatz der Überlagerungstheorie). Grauert-Remmert: X N ist wieder eine Varietät, diesmal aber über Q̄. Damit operiert ΓQ auf XN . 19 Grothendieck-Programm: Es sei Mg,n der Modulraum Riemannscher Flächen vom Geschlecht g mit n Punktierungen. Vermutung: ΓQ operiert auf einer Vervollständigung des modularen Turms. Hierbei werden natürliche Abbildungen zwischen den Mg,n genutzt (vergessen von Punktierungen, Stabilisierung bzgl eines Torus mit zwei herausgeschnittenen Scheiben). 20