BIOPHYSIK Einleitung 15. Vorlesung Biomechanik, Mechanische Eigenschaften von biologischen Stoffen • • • • • • Mechanische Grundbegriffe Newtonsche Axiome Formstabilität Schwehrpunkt Ein- und zweiarmiger Hebel Belastungen 1 2 3 4 a(t) Frage x(t) Körper 1 Newtonsche Axiome • Das erste Gesetz ist das Trägheitsprinzip. Es gilt nur in Inertialsystemen „Ein Körper verharrt im Zustand der Ruhe oder der gleichförmigen Translation, sofern er nicht durch einwirkende Kräfte zur Änderung seines Zustands gezwungen wird.“ • Das zweite newtonsche Gesetz ist das Grundgesetz der Dynamik „Die Änderung der Bewegung einer Masse ist der Einwirkung der bewegenden Kraft proportional und geschieht nach der Richtung derjenigen geraden Linie, nach welcher jene Kraft wirkt.“ ein Spezialfall , • , • Das dritte Prinzip ist das Wechselwirkungsprinzip „Kräfte treten immer paarweise auf. Übt ein Körper A auf einen anderen Körper B eine Kraft aus (actio), so wirkt eine gleichgroße, aber entgegen gerichtete Kraft von Körper B auf Körper A (reactio).“ • Prinzip der ungestörten Überlagerung oder Superpositionsprinzip der Mechanik „Wirken auf einen Punkt (oder einen starren Körper) mehrere Kräfte , so addieren sich diese vektoriell zu einer resultierenden Kraft auf.“ • 5 Kräfte aus der Aussenwelt, Belastung Themen • • • • • Formstabilität Stehen, Standfestigkeit Bewegungen Mechanische Beanspruchungen Mechanische Eigenschaften von einigen biologischen Stoffen (1) (2) Wiederholung: (Skalargrössen) Leistung, Energie, Arbeit (Vektorgrössen) Kraft, Drehmoment (=Kraft mal Kraftarm) starrer Körper: ein System von Massenpunkten deren Abstände voneninander zeitlich unverändert bleiben (keine Deformation) 6 Vergleich des Skeletts von einigen Tieren Formstabilität Knochen, Skelett für die Formstabilität Lemming Nilpferd 30 • Knochenanteil im Körper • Aufbau des Skeletts • Knochenstruktur Knochenanteil bei verschiedenen Tieren 7 % der Körpermasse Gravitation (Körpergewicht, Last) Bewegungen Die Biomechanik befasst sich mit Funktionen und Strukturen von Bewegungsapparat und Bewegungen von biologischen Systemen. 25 20 15 10 5 0 8 Spitzmaus Katze Hund Mensch Nilpferd Elephant 2 Erklärung des wachsenden Knochenanteils Stehen — mechanisches Gleichgewicht Im mechanischen Gleichgewicht addieren sich alle Kräfte und Drehmomente zu Null: Änderungen der linearen, quadratischen und kubischen Größen bei einem einfachen Körper, z.B. Kugel: r A 4 r V 4 r 3 2 3 Zunahme: 2fach F 0 entsprechende biol. Grösse z.B. 2 12 50 4fach Querschnitt des Knochens 4 34 8fach Körpermasse M 0 Kräftegleichgewicht und Drehmoment-Gleichgewicht Gleichgewichtstypen: Körperhöhe 1 und stabil labil indifferent 9 Schwerpunkt 10 Gleichgewicht bei Verdrehung Schwerpunkt ist der Punkt, in dem der Körper unterstützt werden muss, damit er in jeder Position im Gleichgewicht bleibt. (Bei homogenen Körper: geometrischer Mittelpunkt.) Gleichgewicht: Die Wirkungslinie der Schwerkraft geht durch die Unterstützungsfläche: Der Schwerpunkt S muss so zwischen m1 und m2 liegen, dass m1gr1 = m2g r2 ist Der Schwerpunkt fällt, wenn er nicht über der Unterstützungsfläche liegt. Der Schwerpunkt ist der Angriffspunkt der Schwerkraft: 11 12 3 Schwerpunktsatz Schwerpunkt des Menschen Der Schwerpunkt eines Körpers bewegt sich so, als ob die Gesamtmasse im Schwerpunkt vereinigt wäre und die Summe aller äusseren Kräfte dort angreifen würde. Beispiel: Hochsprung: Fosbury Flop Schwerpunkt bewegt sich unter der Latte (geringere Hubarbeit) Der Mensch kann seinen Schwerpunkt ausserhalb des Körpers verlagern. 13 14 Gleichgewicht bei Verdrehung. Standfestigkeit Einteilung der Vierfüßler Im Durchschnitt die größte Unterstützungsfläche! Je grösser die Unterstützungsfläche ist, desto stabiler ist das Gleichgewicht. 3 Füße +1 15 • • • • • • LH-LV-RH-RV LH-LV-RV-RH LH-RH-LV-RV LH-RH-RV-LV LH-RV-LV-RH LH-RV-RH-LV „vorderlastig” Rind, Pferd, ... „hinterlastig” Bär, Känguruh, Eichhorn, ... 16 4 Bewegung vom Pferd im Luft beim Galopp LH LV beim Tritt am Boden RF RV LV RV LH RH LH LV Traben: zwei Hufen sind immer am Boden RF RV 18 Hebelfunktion: einarmiger Hebel F G Last und Kraft greifen auf der gleichen Seite des Drehpunkts an. rL rK F rK Zweiarmiger Hebel Hebelgesetz (beim Gleichgewicht): Kraftarm ist länger als Lastarm. → F < G M 0, Kraftarm ist kürzer als Lastarm. → F > G G rL G rL Hebelgesetz (beim Gleichgewicht): M 0, G rL F rK 19 rK F G rL F rK Last und Kraft liegen auf entgegengesetzten Seiten des Drehpunkts. Last und Kraft sind gleichgerichtet. 20 5 elastische Wirbelsaeule wirkt wie ein Feder - hilft beim Rennen Fortbewegung • Muskel — „aktive” Feder, Krafterzeugung • Sehne — Feder, Übertragung der Kräfte auf Knochen Gepard • Skelett — Bewirkung der Bewegung des Körper(teil)s 21 22 Der Arm (Ellenbogengelenk) als einarmiger Hebel Modell Bizeps bei senkrecht angreifender Kraft Oberarm Unterarm FB rB = G rL Modell Bizeps bei nicht senkrecht angreifender Kraft FB* rB* = G rL FB < FB* FB = FB* sin FB FB FB rB = G rL FB* rB rB* (Kraftarm) rB rL G (Lastarm) 23 G rL 24 6 Der Arm (Ellenbogengelenk) als zweiarmiger Hebel Beispiele (a) Modell Trizeps bei senkrecht angreifender Kraft F 100 N 100 N 340 mm FB 34 mm FB 1000 N (b) F 100 N 100 N 340 mm FT 21 mm FT 1619 N < FT rT = G rL FT G rT rL G 25 Wirkungsgrad der Bewegungen von Tieren 26 Andere Bewegungen im Körper: Maus 100 Ratte Biene Heuschrecke 10 Grösser, desto effektiver Hase Papagei Taube 0,01 Belastungsdiagramm: z. B. Bewegungen Auto Mensch Lachs 1 0,0001 Bewegungen bei Atmung Herztätigkeit Blutströmung ... Hubschrauber Hund Schaf Kuh Möwe • • • • Belastung Energieaufwand der Fortbewegung (kJ/(kg km) 1000 1 100 Körpermasse (kg) Pferd 10000 mechanische Beanspruchung von Geweben Flugzeug 1000000 27 Deformation Deformationen 28 7 Mechanische Belastungen auf den Bewegungsapparat Bewegung, Krafteinwirkung Deformationen (einfacher zu lernen) Deformation Beanspruchungstypen: Biegung Torsion Kompression unbelastet • Es gäbe ein Körper bei gleichgewicht F 0 und M 0, M 0 aber wirken allegemeine Kräfte und Drehmomente FScherung Scherung Dehnung - Stauchung FDehnung Torsion (Windung) F G rL F rK MBiegung MTorsion M 29 30 Bereiche des Belastungsdiagrammes Belastungen und Wirkungen Belastung Bruch (Riß) Plastischer Bereich (irreversibel) Elastischer Bereich (reversibel) Deformation 31 32 8 Dehnung — Stauchung Dehnung — Stauchung: Hookesches Gesetz E Dehnung (Stauchung): A F F , A N Pa m2 Dehnung — Stauchung: Elastizitätsmodul E2 E 2 E1 E1 E E: Elastizitätsmodul (Youngsches Modul), [E] = Pa 0 33 F E A Zug Dehnung Zugspannung (Druckspannung): F , Gültigkeitsbereich für das Hooksche Gesetz (innerhalb des elastischen Bereiches) 34 Biegung Dehnung „Biegung = Dehnung + Stauchung” E — „Widerstand” gegen Dehnung oder Stauchung neutrale Fläche Stoff E (MPa) Stoff E (MPa) Stahl 200 000 Knochen 10 000 Gold 78 000 Kollagen 1 500 Glas 50 000 Bandscheibe 5 Gummi 1 Elastin 0,5 „Elastisch” in der Umgangssprache bedeutet: — breiteren elastischen Bereich, — kleineres E vgl: Kompressibilitätsmodul = 1/Kompressibilität Widerstand = 1/Leitfähigkeit Druck Stauchung Stauchung — Formfaktor s F 3 1 l s F 3E 35 R R1 R2 R 4 4 4 für volle Stange R24 R14 für Röhre 36 9 Mechanische Eigenschaften von biologischen Stoffen Einleitung • • • • Elastin Kollagen Struktur von Kollagen Struktur von Elastin Elastizität von Adern Elastizität von Knochen KAD 2007.02.26 38 Struktur von Kollagen Kollagen Kollagen ist in allen Tieren von Schwämmen bis zu Wirbeltieren zu finden. In Wirbeltieren macht es etwa die Hälfte (im Gewicht) der Proteine im Körper aus. Es spielt wichtige Rolle in • Sehnen, • der Haut, • Knochen, • dem Glaskörper, • den Blutgefäßwänden, • ….. • 1400 Aminosäure/Kette • 300 nm lang • 3 Ketten Tripelhelix • Glycin, Prolin, Hydroxiprolin,... 39 40 10 Kollagene Fasern Anordnung der Kollagenmoleküle wie Seil Faserbündel Fasern, Ø 4-12 m Faser Fibrillen, Ø 0.3-0.5 m Mikrofibrillen, Ø 20-40 nm Fibrillen Tropokollagen, Ø 1.5 nmLänge 300 nm Kollagenmoleküle Tripelhelix 41 Dehnung von Kollagenfasern F , A Elastin N Pa m2 Nicht wasserlöslich, einzelne Moleküle bilden durch Kreuzbindungen einen Netz. Verhärtung: Struktur ist wenig bekannt. E = 300 MPa … 2 500 MPa Max. Belastung: E R 60 MPa , 0 (Luftdruck: 0,1 MPa) 42 R 0,08 Sehnen, Bänder 43 44 11 Vergleich von Elastin und Kollagen Elastin vs. Kollagen Verhärtung: (MPa) E = 0,1 MPa …. 0,4 MPa 60 Kollagen • Beide verhärten sich bei wachsender Belastung, jedoch Kollagen stärker; Max. Belastung: R 0,6 MPa 0,6 E = 300 MPa … 2 500 MPa Elastin R 3 < R 60 MPa > R 0,08 • E von Elastin ist cca. 4000x kleiner; • R von Kollagen ist cca. 100x größer; Kollagen schützt besser vor Überdehnung. Elastin ist wesentlich dehnbarer. Kollagen besitzt wesentlich höhere Rißfestigkeit. 45 46 Zusammensetzung der Aderwände bei verschiedenen Adern Physiologische Funktionen von Kollagen und Elastin Kollagen gibt dem Gewebe Festigkeit und Widerstand gegen Deformationen, schützt vor Überdehnung und Riß. Elastin gibt dem Gewebe Dehnbarkeit und Elastizität. elastische- z. B. Blutgefäßwände: Bei physiologischen Druckschwankungen müssen sie leicht dehnbar und elastisch sein um die Druckwellen dämpfen zu können; muskulös ekollageneFasern Sie dürfen nicht übergedehnt werden und reißen. Aorta Kollagen und Elastin in anderen Geweben: Haut, Bandscheibe, Knorpel 47 Arterie Arteriole 48 12 Mechanische Funktion der Aderwände Volumenänderung von Blutgefäßen 1. Schritt: Blut aufzunehmen, zu speichern, überzuleiten, Druckwellen zu dämpfen. Druckänderungen (p) bedeuten starke mechanische Belastung für Blutgefäße und für Organe. Umfang des Kreises: U = 2r r r+r Volumenänderungen (V ) t U 2 r r 2 r r [Gl.1] U 2 r r t 1 t E [Gl.2] t Durchmesseränderungen Frage: Was ist der Zusammenhang zw. p und V ? 49 2. Schritt: im Gleichgewicht für die obere Hälfte des Zylinders: 50 Konsequenzen der Laplace-Franck Gleichung Aorta r= Fw F 1,2 cm Arterie 0,2 cm 15 m 2 t l p 2 r l t r p Arteriole [Gl.3] Laplace-Frank Gleichung 51 20 m = relative Zugspannung: 2 mm 8 1 mm 2,7 1 Aneurysma 52 13 3. Schritt: Volumenänderung der Aorta V r r l 2 Volumenänderung: V r l 2 Erwartung: (r 2 2 r r r 2 ) l Messungen: p V 2 r r r V r2 2 r 2 r 2 t Gl.2 Gl.1 V Dp V D genauer: D 1 2 t E 2 r E Gl.3 Distensibilität (Dehnbarkeit) p 3 r 2E D 53 Erklärung der gemessenen Belastungsdiagrammes p p p 2 r p E 2 r , E 1 V D V V V V V 1 E D 2 r 54 Mechanische Funktionen der Knochen • Stützfunktion fest, hart, • Schützfunktion gleichzeitig • Bewegungen • Speicherung von Mineralien (Ca, P) leicht, elastisch, adaptationsfähig V V V V Elastin Kollagen Zusammensetzung, Struktur des Knochens 55 56 14 Hydroxiapatite Zusammensetzung von Knochen Ca10(PO4)6(OH)2 hexagonale Kristalle Fett Wasser organische Faser (Kollagen) Mineralien (Hydroxiapatite) Knochen -gewebe Verbundmaterial ! Im Knochen: 20-60 nm lange, 6 nm dicke Kristallchen. (Ihre Gesamtfläche bei Menschen beträgt 60-70 Ha!) 57 Verteilung der Apatitekristalle im Knochen 58 Belastungsdiagramm bei Dehnung (Stauchung) „Fließen” Bruch Kollagenfasern Matrix Bruchspannung B + Apatitekristalle, verteilt zw. Kollagenfasern E (GPa) Fließgrenze Mehr Kristalle, wo die Belastung größer ist. Kollagen Apatite 0,3 –2,5 165 Knochen 59 10 60 15 Elastizität und Festigkeit von Knochen bei Stauchung Elastizität und Festigkeit von Knochen bei Dehnung z.B: z.B.: E (GPa) B (MPa) max (%) Pferd 25,5 121 0,75 Rind 25 113 0,88 E (GPa) B (MPa) max (%) Beton 16,5 2,1 0,01 Granit 52 4,8 0,001 Knochen sind fester als Beton oder Granit! E (GPa) B (MPa) max (%) Pferd 9,4 145 2,4 Rind 8,7 147 1,7 B (MPa) Beton 21 Granit 145 Knochen sind fester als Beton oder Granit! 61 Optimale Struktur für Biegung 62 Vorteil der Röhrenstruktur „Biegung = Dehnung + Stauchung” volle Stange Dehnung Stauchung neutrale Fläche („Optimale”: höchste Festigkeit bei niedrigsten Stoffaufwand.) Röhre R1 innere, R2 äussere Radius R m und und l sind gleich V gleich A gleich R 2 R22 R12 Röhrenstruktur! 63 64 16 2 R 2 R22 R12 Optimale Wanddicke R 4 R24 2 R22 R12 R14 R 4 R24 R2 R1 R22 R14 voll Röhre Biegung:s svoll sRöhre R2 R1 1,4 1 l3 F 3E s Aus ausführlichen Rechnungen: R12 R12 R12 R14 4 4 R4 R24 R14 Gleiche Masse: Festigkeit 100 % 310 % Gleiche Festigkeit: Masse 100 % 57 % F Bei dergleichen Stoffaufwand ist die Röhre fester! 65 – – + + – – elektrische Signalquelle (Sinusoszillator)+ Wandler (Piezoelektrischer Kristall) a + – elektr. Feldstärke 0,5 Wiederholung Ultraschal Fol. 27 Piezoelektrischer Effekt Piezoelektrizität von Knochen + + + 66 V cm Erzeugung von US: reziproker ~ Detektierung von US: direkter ~ (a) Die Schwerpunkte der negativen und positiven b Ladungen zusammenfallen. Selbstregulation: bei lang andauernden Deformation Elektrotherapie? 67 (b) und (c) Wegen des Druckes die Schwerpunkte wird getrennt, entsteht eine Spannung. c zu Hause: Gasanzünder Hochtöner 68 17 Muskel: Aktive Elastizität Elektrotherapie die mechanische Spannung bleibt die Länge bleibt isometrisch („gleichen Maßes“) Die Kraft erhöht sich bei gleicher Länge des Muskels. isotonisch („gleichgespannt“) Der Muskel verkürzt sich ohne Kraftänderung. 69 Kraftentwicklung (Belastungsdiagramm) 70 „Gleitende” Filamente totale Spannung aktive Spannung Muskeln sind immer leicht angespannt. passive Spannung Ruhelänge l 71 Molekularer Mechanismus der aktiven Kraftentwicklun g Aktin Myosin 72 18 Aufbau von Muskeln (Ähnlich wie beim Kollagene Fasern „wie Seil“) 73 Sarkomer 74 75 Fragen, Bemerkungen, Kommentare?… 19