ELEMENTE DER ZAHLENTHEORIE UND AUFBAU DES ZAHLENSYSTEMS von Rolf Waldi Inhaltsverzeichnis Kapitel I. Elementare Zahlentheorie §1 §2 §3 §4 §5 §6 §7 §8 §9 Grundlegende Regeln und Prinzipien Teilbarkeit in Z Primzahlen Vollkommene Zahlen Kongruenzrechnung Lineare Kongruenzen Der kleine Satz von Fermat Summen von Quadraten Pythagoras–Tripel 3 12 19 25 31 36 43 50 55 - 11 18 24 30 35 42 49 54 59 60 66 74 80 - 65 73 79 83 Kapitel II. Algebraische Grundbegriffe §1 §2 §3 §4 Ringe und Körper Restklassenringe und Polynomringe Gruppen Die prime Restklassengruppe modulo p Kapitel III. Aufbau des Zahlensystems §1 §2 §3 §4 §5 §6 §7 §8 Addition und Multiplikation natürlicher Zahlen Der Ring der ganzen Zahlen Die g–adische Darstellung natürlicher Zahlen Die rationalen Zahlen Die reellen Zahlen Konvergente Folgen Dezimalbrüche Die komplexen Zahlen 1 84 - 92 93 - 96 97 - 101 102 - 106 107 - 113 114 - 120 121 - 127 128 - 135 Anhang A: Die Gleichung X 3 + Y 3 = Z 3 §1 §2 §3 §4 §5 Teilbarkeit in Integritätsbereichen Euklidische Ringe Imaginär – quadratische Zahlbereiche √ Der Ring Z[− 12 + i 23 ] Die Gleichung X3 + Y3 = Z3 136 143 148 153 159 - 142 147 152 158 162 - 168 175 181 186 191 Anhang B: Quadratische Irrationalzahlen §1 §2 §3 §4 §5 Reel-quadratische Zahlkörper Die Pell’sche Gleichung Anwendungen der Pell’schen Gleichung Kettenbrüche Periodische Kettenbrüche u. quadr. Irrationalzahlen 2 163 169 176 182 187 Kapitel I. Elementare Zahlentheorie §1 Grundlegende Regeln und Prinzipien Es wird vorausgesetzt, daß der Leser mit ganzen Zahlen rechnen kann und mit der Mengenschreibweise vertraut ist. Bis auf weiteres bedeuten kleine Buchstaben a, b, c, . . . , x, y, z ganze Zahlen, das heißt sie stehen für 1, 2, 3, . . . 0 −1, −2, −3, . . . (positive ganze Zahlen) (Null) (negative ganze Zahlen) Die natürlichen Zahlen sind bei uns die Zahlen 0, 1, 2, 3, . . . Ihre Gesamtheit wird mit N bezeichnet. Z steht für die Gesamtheit aller ganzen Zahlen . . . , −3, −2, −1, 0, 1, 2, 3, . . . Wir werden von den folgenden Regeln für das Rechnen mit ganzen Zahlen Gebrauch machen: Verknüpfungsregeln der Addition (1) (a + b) + c = a + (b + c) (Assoziativgesetz) (2) a + b = b + c (Kommutativgesetz) (3) a + (−a) = 0 (−a ist inverses Element zu a bzgl. +) (4) 0 + a = a (0 ist neutrales Element bzgl. +) Daraus ergibt sich (1.1) Satz. Jede Gleichung X + a = b mit a, b ∈ Z hat in Z eine Lösung, und nur eine. Das soll heißen: Zu jedem Paar a, b ganzer Zahlen gibt es genau eine Zahl x ∈ Z, so daß x + a = b. Beweis. Existenz: Setze x := b + (−a). Dann ist (nach den Regeln (1) bis (4)) x + a = (b + (−a)) + a = b + ((−a) + a) = b + (a + (−a)) = b + 0 = 0 + b = b 3 Eindeutigkeit: Sei y ∈ Z beliebig mit y + a = b. Dann ist b + (−a) = (y + a) + (−a) = y + (a + (−a)) = y + 0 = y Verknüpfungsregeln der Multiplikation (5) (a · b) · c = a · (b · c) (Assoziativgestz) (6) a · b = b · a (Kommutativgesetz) (7) 1 · a = a (1 ist neutrales Element bzgl. ·) (8) a · b = 0 dann u. nur dann, wenn a = 0 oder b = 0 Distributivgesetz (9) a · (b + c) = (a · b) + (a · c) Für a + (−b) schreibt man auch a − b. Dann gilt auch a · (b − c) = (a · b) − (a · c) Wir verwenden gelegentlich die Abkürzungen =⇒“ für daraus folgt“, ” ” ⇐⇒“ für genau dann wenn“, und ” ” := “ für ist definitionsgemäß gleich“. ” ” (1.2) Kürzungsregel. Aus a · b = a · c und a 6= 0 folgt b = c. (9) Beweis. a · b = a · c =⇒ (a · b) − (a · c) = (a · c) − (a · c) = 0 =⇒ a · (b − c) = (8) (a·b)−(a·c) = 0 =⇒ b−c = 0 =⇒ c = (b−c)+c = b+((−c)+c) = b+0 = b. Da für Addition und Multiplikation das Assoziativgesetz gilt, kann man sich viele Klammern sparen: Schreibe: a+b+c für (a + b) + c a·b·c für (a · b) · c Damit sind auch endliche Summen und Produkte ohne Klammern erklärbar: a1 + a2 + a3 + a4 := (a1 + a2 + a3 ) + a4 .. . a1 + a2 + . . . + an−1 + an := (a1 + . . . + an−1 ) + an a1 · a2 · a3 · a4 := (a1 · a2 · a3 ) · a4 .. . a1 · a2 · . . . · an−1 · an := (a1 · . . . · an−1 ) · an 4 Durch die Regelung Punktrechnung geht vor Strichrechnung“ können wei” tere Klammern eingespart werden: a · b + c · d steht für (a · b) + (c · d) Ferner wird der Malpunkt oft weggelassen und man verwendet die abkürzende Schreibweisen k X an := a1 + . . . + ak ; n=1 k Y n=1 an := a1 a2 . . . an ; an = a . . . a} | · {z n-mal Wichtig ist die Formel für die endliche geometrische Reihe (1 + x + x2 + . . . + xn−1 )(1 − x) = 1 − xn Beweis. (1 + x + . . . + xn−1 )(1 − x) = 1 + x + x2 + . . . + xn−2 + xn−1 −(x + x2 + . . . + xn−2 + xn−1 + xn ) = 1 − xn Anordnung der ganzen Zahlen. Z ist in natürlicher Weise angeordnet: . . . − 5, −4, −3, −2, −1, 0, 1, 2, 3, 4, 5, . . . Definition. a heißt kleiner als b( a < b“) wenn a in der obigen Reihung ” links von b steht. Schreibe auch a > b (a größer als b) falls b < a. Damit gilt offensichtlich: a > 0 genau dann, wenn −a < 0. Anordnungsregeln (1) Es gilt entweder a > b oder a = b oder a < b (2) Aus a > b und b > c folgt a > c (3) Aus a > b folgt a + c > b + c (4) Aus a > b und c > 0 folgt ac > bc Schreibweisen a ≥ b steht für a > b oder a = b“. ” a ≤ b steht für a < b oder a = b“. ” 5 Definition. Für a ∈ Z definiert man den Betrag |a| von a als ( a, falls a ≥ 0 |a| := −a, falls a < 0 Betragsregeln (1) |a| ≥ 0; |a| = 0 ⇐⇒ a = 0 (2) |ab| = |a| |b| (3) |a + b| ≤ |a| + |b| Minimum und Maximum. Seien a1 , . . . , an ganze Zahlen. Die kleinste der Zahlen a1 , . . . , an heißt das Minimum und die größte das Maximum von a1 , . . . , an . Schreibe dafür Min(a1 , . . . , an ) bzw. Max(a1 , . . . , an ) Grundprinzipien. Wir wollen das folgende Prinzip anerkennen: (P) Prinzip vom kleinsten Element. Jede nicht leere Menge A von natürlichen Zahlen besitzt ein kleinstes Element, d.h.: Es gibt ein Element a0 ∈ A, so daß x ≥ a0 für alle x ∈ A. Schreibe dann a0 = MinA. Aus diesem Prinzip lassen sich weitere Grundsätze ableiten: A(x) bezeichne eine Aussage, die für eine natürliche Zahl x zutreffen kann, d.h.: Für x ∈ N gilt entweder A(x) oder A(x) gilt nicht. Beispiele a) A(x) sei die Aussage x ist eine gerade Zahl“. ” Die Aussagen A(1), A(3), A(5) sind falsch. Die Aussagen A(2), A(4), A(6) sind wahr (richtig). b) A(x) sei die Aussage 1 + 2 + 3 + ... + x = x(x + 1) für x ≥ 1 2 A(x) ist für alle x ≥ 1 richtig, also allgemein gültig. (G) Prinzip vom kleinsten Gegenbeispiel. Sei A(x) eine Aussage über natürliche Zahlen x ≥ a0 . Ist A(x) nicht allgemein gültig, so gibt es dafür ein kleinstes Gegenbeispiel. Das soll heißen: Ist A(x) falsch für wenigstens ein x ≥ a0 , so gibt es eine Zahl a ≥ a0 , so daß 6 gilt: (1) A(a) ist falsch. (2) A(x) ist richtig für alle x ∈ N mit a0 ≤ x < a. (G) ergibt sich leicht aus dem Prinzip vom kleinsten Element: Sei N = {x|x ∈ N, x ≥ a0 und A(x) ist falsch}. Nach Voraussetzung ist N nicht die leere Menge ∅. Nach (P) existiert daher das Minimum a = Min N . Zeige nun, daß a die Bedingungen (1) und (2) erfüllt. Zu (1): Wegen a ∈ N ist A(a) falsch. Wegen a = MinN ist (∗) x ≥ a für alle x ∈ N . Zu (2): Sei x ∈ N mit a0 ≤ x < a. Wegen (∗) ist dann x 6∈ N . Nach Definition von N bedeutet dies, daß A(x) richtig ist. Aus dem Prinzip vom kleinsten Gegenbeispiel ergibt sich leicht das wichtigere Prinzip der vollständigen Induktion. (V) Prinzip der vollständigen Induktion. Sei A(x) eine Aussage über natürliche Zahlen x mit folgenden beiden Eigenschaften: (i) A(0) ist richtig. (ii) Für alle n ∈ N folgt aus der Richtigkeit von A(n) schon die Richtigkeit von A(n + 1). Dann ist A eine allgemein gültige Aussage, d.h. A(x) ist richtig für alle x ∈ N. Das Induktionsprinzip (V) läßt sich aus (G) herleiten: Sei A(x) eine Aussage mit den Eigenschaften (i) und (ii). Angenommen A wäre nicht allgemein gültig. Dann gibt es gemäß (G) zu A ein kleinstes Gegenbeispiel a, d.h.: A(a) ist falsch und A(b) ist richtig für alle b < a. Wegen (i) ist dann a > 0, also a − 1 ≥ 0 ist eine natürliche Zahl. Nach Wahl von a ist ferner A(a − 1) richtig. Wende nun (ii) auf n = a − 1 an: Aus der Richtigkeit von A(a − 1) folgt die Richtigkeit der Aussage A((a − 1) + 1) = A(a), Widerspruch! Also ist die Ausnahme A ist nicht allgemein gültig“ falsch, d.h. A ist allge” mein gültig. Die Gültigkeit des folgenden Beweisprinzips ergibt sich ebenfalls aus dem Prinzip vom kleinsten Gegenbeispiel: Schema eines Beweises durch vollständige Induktion. Sei A(x) eine Aussage über natürliche Zahlen x mit x ≥ a0 . Es soll gezeigt werden, daß A(x) für alle x ≥ a0 richtig ist. Dazu geht man folgermaßen vor: 7 (a) Man zeigt, daß A(a0 ) richtig ist (Induktionsbeginn). (b) Man nimmt an, daß A(x) gilt für alle x ∈ N mit a0 ≤ x ≤ n (Induktionsannahme (Induktionsbehauptung)). (c) Man schließt aus (a) und (b), daß auch A(n + 1) gilt (Induktionsschluß). Beispiele von Beweisen durch vollständige Induktion (a) A(x) sei die Aussage: 1 + 2 + . . . + x = Induktionsbeginn: A(1) : 1 = 1+1 2 x(x+1) 2 (a0 = 1) ist richtig. Induktionsannahme: Für alle x ∈ N mit 1 ≤ x ≤ n gilt . A(x) : 1 + 2 + . . . + x = x(x+1) 2 Induktionsschluß: Nach Induktionsannahme ist A(n) richtig, d.h. 1 + 2 + . . . + n = n(n+1) 2 Es folgt 1 + 2 + . . . + n + (n + 1) = n(n+1) + (n + 1) = n(n+1)+2(n+1) = (n+2)(n+1) = 2 2 2 (n+1)((n+1)+1) , d.h. A(n + 1) ist richtig. 2 (b) Der binomische Lehrsatz. Seien n und ν ∈ N. Fakultäten: 0! := 1; n! := 1 · 2 · 3 · . . . · (n − 1)n für n ≥ 1 (1! = 1; 2! = 1 · 2 = 2; 3! =1 ·2 · 3 = 6; 4! = 1· 2 · 3 · 4 = 24, . . .) n n Binomialkoeffizienten: := 1 und := n(n−1)·...·(n−ν+1) für ν! 0 ν ν≥1 1.3 Regel. n n n (a) = 1, = 0 für ν > n und = n ν ν n n (b) = für 0 ≤ ν ≤ n ν n−ν n n n+1 (c) + = für ν ≥ 1 ν−1 ν ν 8 n! ν!(n−ν)! für 0 ≤ ν ≤ n n (d) ∈ N. ν Beweis. n = n·(n−1)·...·1 =1 (a) = n(n−1)·...·(n−n+1) 1·2·...·n 1·2·...·n n ν > n =⇒ n + 1 ≤ ν =⇒n + 1 − ν ≤ 0 =⇒ n(n − 1) · . . . · (n − ν + 1) n enthält 0 als Faktor =⇒ = ν!0 = 0. ν 0 ≤ ν < n =⇒ n(n − 1) · . . . · (n − ν + 1) = n·(n−1)·...·(n−ν+1)·(n−ν)·...·2·1 = (n−ν)·...·2·1 n n! n! =⇒ = (n−ν)!ν! (n−ν)! ν n n n! n! = = (b) Nach (a) ist = ν!(n−ν)! und (n−ν)! (n − (n − v))! n−ν ν | {z } ν n n! = (n−ν)!ν! ν n n (c) + = n(n−1)·...·(n−(ν−1)+1) + n(n−1)·...·(n−ν+1) = (ν−1)! ν! ν−1 ν n(n−1)·...·(n−(ν−1)+1)·(ν+n−ν+1) = n(n−1)·...·(n−ν+2)(n+1) = (n+1)n·...·((n+1)−ν+1) ν! ν! ν! n+1 = ν (d) Beweise die folgende Aussage A(m) für alle natürlichen m durch Induktion nach m: A(m): ”Für alle Paare n, ν natürlicher Zahlen mit n + ν = m ist n ∈ N.“ ν n 0 Induktionsbeginn: m = 0 =⇒ n = ν = 0 =⇒ = =1∈N ν 0 Induktionsannahme: A(x) ist richtig für alle x ∈ N mit x ≤ m, d.h.: n ∈ N für alle Paare n, ν ∈ N mit n + ν ≤ m. ν 9 Induktionsschluß: Seien n, ν natürliche Zahlen mit n + ν = m + 1. n Es ist zu zeigen, daß ∈ N. ν n 0 Nach Definition ist = 1 ∈ N, und = 0 für alle ν ≥ 1 0 ν nach (a). Also kann man annehmen, daß n ≥ 1 und ν ≥ 1, insbes. m ≥ 1. Dann sind n − 1, ν − 1 und n − 1, ν Paare natürlicher Zahlen mit (n − 1) + (ν − 1) = m − 1 ≤ mund (n − 1) + ν = m ≤ m. n−1 n−1 Nach Induktionsannahme sind daher und aus N. ν − 1 ν n n−1 n−1 Aus Regel (c) folgt: = + ∈ N. ν ν−1 ν 1.4 Der binomische Lehrsatz. Sei n ≥ 1 ganz. Dann gilt für alle a, b ∈ Z n (a+b) = n X n ν=0 ν a n−ν ν n n−1 b = a +na n n−ν ν b+. . .+ a b +. . .+nabn−1 +bn ν Beweis. Durch Induktion nach n. 1 1 Induktionsbeginn: (a + b) = a + b = a+ b 0 1 1 Induktionsannahme: 1.4 sei bewiesen für alle Exponenten 1 ≤ x ≤ n: x (a + b) = x X x ν=0 ν ax−ν bν für alle x ∈ N, x ≤ n 10 Induktionsschluß: (von n auf n + 1) n+1 (a + b) n = (a + b)(a + b) = (a + b) n X n ν=0 = = = = = ν an−ν bν = ! n−1 X n n (an+1 + aan−ν bν ) + an−ν bbν + bn+1 ν ν ν=1 ν=0 ! n n X n X n an+1 + an+1−ν bν + an−(ν−1) bν + bn+1 ν ν−1 ν=1 ν=1 n X n n an+1 + + a(n+1)−ν bν + bn+1 ν ν−1 ν=1 n X n + 1 (n+1)−ν ν n+1 a + a b + bn+1 ν ν=1 n+1 X n + 1 (n+1)−ν ν a b ν n X ν=0 Dabei gilt die vorletzte Gleichung wegen 1.3c. Anmerkung. Da die für a und b verwendeten Rechenregeln (1) bis (9) auch für reelle Zahlen a und b gelten, ist der binomische Lehrsatz auch für a, b ∈ R richtig. 11 §2 Teilbarkeit in Z Bis auf weiteres stehen kleine Buchstaben für ganze Zahlen. Teilbarkeit. Sei a 6= 0. Eine Zahl b heißt durch a teilbar, wenn es ein q gibt mit b = qa. Wir sagen dann auch: a teilt b (ist ein Teiler von b) und b ist ein Vielfaches von a. Wir schreiben dafür: a | b. Wenn a die Zahl b nicht teilt, schreiben wir: a - b. Ist a | b und b = qa, so ist q = ab eindeutig durch das Paar a, b bestimmt. Die trivialen Teiler von b sind ±b und ±1(b = 1 · b = b · 1 und b = (−1)(−b) = (−b)(−1)). 2.1 Regel (a) Aus a | b folgt a | −b und −a | b und −a | −b und |a| |b|. (b) Aus a | b und b | c folgt a | c. (c) Aus a | b und c | d folgt ac | bd (insbes.: a | b =⇒ ac | bc). (d) Aus a | b und a | c folgt a | bx + cy für beliebige x, y. (e) Aus ac | bc und c 6= 0 folgt a | b. Beweis. (a) b = qa =⇒ −b = (−q)a, b = (−q)(−a), −b = q(−a), |b| = |q| |a| (b) b = qa, c = rb =⇒ c = r(qa) = (rq)a =⇒ a | c (c) b = qa, d = rc =⇒ bd = (qa)(rc) = (qr)(ac) =⇒ ac|bd (d) b = qa, c = ra =⇒ bx + cy = qax + ray = (qx + ry)a 1.2 (e) bc = q(ac), c 6= 0 =⇒ b = qa =⇒ a|b Ist a 6= 0, so kann man b durch a immer mit Rest dividieren. 2.2 Division mit Rest. Sei a 6= 0 und b beliebig. Dann gibt es zu a, b genau ein Zahlenpaar q, r mit (∗) b = qa + r und 0 ≤ r < |a| 12 (a | b ⇐⇒ r = 0). Man nennt q den unvollständigen Quotienten von b durch a, und r den Divisionsrest (Rest bei der Division von b durch a). Beweis. 1. Existenz. Es genügt, dies für a > 0 zu zeigen, denn: Wenn a < 0, so ist −a > 0. Aus b = q̃(−a) + r mit 0 ≤ r < |a| = |− a| folgt: b = qa + r, wobei q := −q̃. Für u0 = −|b| ist b − u0 a = b + |b|a ≥ 0. Also ist die Menge M := {b − ua | u ∈ Z und b − ua ≥ 0} ⊆ N nicht leer. Nach dem Prinzip vom kleinsten Element existiert somit eine kleinste natürliche Zahl r der Form r = b − qa , q ∈ Z. Wegen der Minimalität von r ist r − a = b − (q + 1)a < 0, also r < a. Damit ist, wie gefordert b = qa + r und 0 ≤ r < a. 2. Eindeutigkeit. Sei b = qa + r = q 0 a + r0 mit 0 ≤ r < |a| und 0 ≤ r0 < a. Dann ist (q − q 0 )a = r0 − r und |r0 − r| < |a|. Es folgt q − q 0 = 0, und r0 − r = 0 · a = 0, also r0 = r. Der größte gemeinsame Teiler von zwei Zahlen. 2.3 Bemerkung. Ist a 6= 0 und b | a, so ist |b| ≤ |a|. Insbesondere kommen als Teiler von a nur die endlich vielen Zahlen ±1, ±2, . . . , ±a in Frage. Beweis. b | a =⇒ a = qb, q 6= 0, da a 6= 0 =⇒ |q| ≥ 1 =⇒ |a| = |q| |b| ≥ |b|. Nach dieser Bemerkung gibt es einen größten gemeinsamen Teiler von zwei Zahlen a, b, welche nicht beide Null sind. Schreibe für den größten gemeinsamen Teiler (a, b) oder ggT (a, b). Mit anderen Worten: Der größte gemeinsame Teiler (a, b) von a und b ist die eindeutig bestimmte natürliche Zahl d mit folgenden Eigenschaften: (i) d | a und d | b (ii) Gilt t | a und t | b, so ist t ≤ d. Ist (a, b) = 1 so heißen a und b teilerfremd. In der Tat sind dann +1 und −1 die einzigen gemeinsamen Teiler von a und b. 2.4 Satz. Seien a und b nicht beide 0 und d = (a, b). Dann gilt: 13 (a) d ist die kleinste positive Zahl der Form ax + by. (b) Ist (a, b) = 1, so gibt es Zahlen x und y mit ax + by = 1 (c) Ist t gemeinsamer Teiler von a und b, so ist t ein Teiler von d. Beweis. M+ = {ax + by | x, y ganz und ax + by > 0} ist nicht leer, da a2 + b2 ∈ M+ . Sei δ = MinM+ . Zeige zunächst: (1) δ | a und δ | b (2) t | a und t | b =⇒ t | δ Sei δ = ax + by Zu (1) Dividiere a durch δ mit Rest: a = qδ + r, 0 ≤ r < δ =⇒ r = a − qδ = a − q(ax + by) = a(1 − qx) + b(−qy) = ax0 + by 0 . Es folgt r = 0, da δ = MinM+ , und a = qδ, d.h. δ|a. Analog zeigt man, daß δ | b. 2.1 Zu (2) t | a und t | b =⇒ t | ax + by = δ Speziell gilt (2) für t = d =⇒ d|δ =⇒ d ≤ δ. Nach (1) ist δ gemeinsamer Teiler von a und b, somit δ ≤ d. Es folgt d = δ, und (a) ist bewiesen. (b) folgt aus (a). Wegen (2) und δ = d gilt auch (c). 2.5 Korollar. M = {ax + by | x, y ∈ Z} ist die Menge der Vielfachen von (a, b). 2.1 Beweis. (a, b) = d | a und d | b =⇒ d | ax + by, d.h. ax + by ist Vielfaches von d. Nach 2.4 ist d von der Form d = ax0 + by0 . Sei v = qd Vielfaches von d =⇒ v = a(qx0 ) + b(qy0 ) ∈ M . Das kleinste gemeinsame Vielfache von zwei Zahlen. b heißt Vielfaches von a, wenn a | b. Definition. Seien a > 0 und b > 0. Eine Zahl m heißt kleinstes gemeinsames Vielfaches von a und b, wenn m das kleinste unter den gemeinsamen 14 positiven Vielfachen von a und b ist (es gibt solche Vielfache, etwa ab). Schreibe dafür kgV (a, b). 2.6 Bemerkung. Seien a > 0 und b > 0. Dann gilt: Aus a|n und b|n folgt kgV (a, b) | n. In Worten: Jedes gemeinsame Vielfache von a und b ist ein Vielfaches von kgV (a, b). Beweis. Sei m = kgV (a, b). Division mit Rest ergibt n = qm + r, 0 ≤ r < 2.1 m. =⇒ r = n − qm =⇒ a|r und b|r =⇒ r = 0 nach Definition von m. 2.7 Satz. Seien a > 0 und b > 0. Dann gilt (a, b)kgV (a, b) = ab. Beweis. Sei m = kgV (a, b). Aus a | ab und b | ab folgt nach 2.6: m | ab und ist ganz. Es ist zu zeigen, daß g = (a, b). g = ab m a = g · mb , b = g · m mit m , m ∈ Z, also gilt a a b (1) g | a und g | b. 2.6 Aus t | a und t | b folgt bt , at ∈ Z und a | a bt , b | b at =⇒ m | ab t =⇒ t | ab m =g Also ist gezeigt: (2) Aus t | a und t | b folgt t | g, insbesondere t ≤ g. Aus (1) und (2) ergibt sich: g = (a, b). Nach Satz 2.7 können wir den Begriff kgV“ eigentlich wieder vergessen. Wir ” notieren noch 2.8 Regeln für den größten gemeinsamen Teiler. Sei a 6= 0. (a) 1 ≤ (a, b) ≤ Min(|a|, |b|) falls auch b 6= 0 (folgt aus 2.3) (b) (a, 1) = 1 (folgt aus a)) (c) (a, 0) = |a|, (−a, b) = (a, b) = (b, a) (klar) (d) Für c > 0 ist (ac, bc) = c · (a, b) b a , (a,b) )=1 (e) ( (a,b) (f) (a, b + ax) = (a, b) für alle x (g) b | a =⇒ (a, b) = |b| 15 (h) a | bc und (a, b) = 1 =⇒ a|c Beweis. 2.4 d) d = (a, b) | a und d | b =⇒ dc | ac und dc | bc =⇒ dc | (ac, bc) =: δ 2.4 c | ac und c | bc =⇒ c | δ =⇒ δc ist ganz. Es folgt: δ | ac =⇒ δc | a und δ | bc =⇒ δc | b 2.4 | a und δc | b =⇒ δc | d =⇒ δ | dc dc | δ und δ | dc =⇒ dc = δ δ c d) a b a b e) (a, b) = ( (a,b) · (a, b), (a,b) · (a, b)) = (a, b)( (a,b) , (a,b) ) Kürzen ergibt die Behauptung. 2.1 2.1 f) t | a und t | b =⇒ t | a und t | b + ax =⇒ t | a und t | (b + ax) − ax = b. Also haben die Paare a, b und a, b + ax die gleichen gemeinsamen Teiler =⇒ (a, b) = (a, b + ax) d) b) g) a = bq =⇒ (a, b) = (bq, b · 1) = |b|(q, 1) = |b|. c) h) c = 0 =⇒ a | c. c 6= 0, a | ac, a | bc =⇒ a | (ac, bc) = |c|(a, b) = |c| =⇒ a | c. 2.9 Der euklidische Algorithmus zur Bestimmung des größten gemeinsamen Teilers von a und b. Nach 2.8 können wir annehmen, daß a > b > 0. Man erhält (a, b) nach dem folgenden Verfahren: Setze a0 := a und a1 := b. 1. Schritt. Dividiere a0 durch a1 mit Rest: a0 = q0 · a1 + a2 mit 0 ≤ a2 < a1 2.8 Bleibt kein Rest, so ist a1 | a0 =⇒ (a, b) = (a0 , a1 ) = a1 = b. Sonst gilt 0 < a2 < a1 < a0 . 2. Schritt. Dividiere a1 durch a2 mit Rest: a1 = q1 a2 + a3 , 0 ≤ a3 < a2 Solange ein Rest bleibt fährt man fort und kommt zum k–ten Schritt. Es ist 0 < ak < ak−1 < . . . < a1 < a0 . 16 k–ter Schritt. Dividiere ak−1 durch ak mit Rest: ak−1 = qk−1 ak + ak+1 , 0 ≤ ak+1 < ak Wegen 0 ≤ ak+1 < ak < . . . < a1 < a0 = a muß das Verfahren abbrechen (und zwar nach höchstens a Schritten), d.h.: Es gibt eine Zahl n ≥ 1, so daß (i) ak−1 = qk−1 ak + ak+1 , 0 < ak−1 < ak für 1 ≤ k ≤ n − 1 (ii) an−1 = qn−1 an (also an |an−1 und daher (an , an−1 ) = an ). Nach Regel f) gilt: (ak , ak−1 ) = (ak+1 + qk−1 ak , ak ) = (ak+1 , ak ) für 1 ≤ k ≤ n − 1. Also ist (a, b) = (a1 , a0 ) = (a2 , a1 ) = . . . = (an , an−1 ) = an Fazit. (1) Ist b|a, so ist (a, b) = b. (2) Ist b - a, so ist (a, b) der letzte Divisionsrest, der beim euklidischen Algorithmus auftritt. Rechenbeispiel. a = 531, b = 93 (siehe § 2) 531 93 66 27 12 = = = = = 5 · 93 + 66 1 · 66 + 27 2 · 27 + 12 2 · 12 + 3 4·3 letzter Divisionsrest Also ist (531, 93) = 3. Sind a > 0 und b > 0 teilerfremd, so gibt es nach 2.4 b) Zahlen x und y, so daß ax + by = 1 ist. Mit Hilfe des euklidischen Algorithmus kann man solche x, y leicht berechnen. Verfahren zur Lösung der Gleichung aX + bY = 1, wenn (a, b) = 1 ist. 17 1. Schritt. Führe den euklidischen Algorithmus für a, b durch (o.E. a > b). Erhalte Gleichungen (a0 = a, a1 = b). a0 = q0 a1 + a2 a1 = q1 a2 + a3 .. . ak−2 = qk−2 ak−1 + ak .. . an−2 = qn−2 an−1 + an an−1 = qn−1 an an = (a, b) Im Falle (a, b) = 1 ist dabei an = 1, qn−1 = an−1 . 2. Schritt. Bestimme rekursiv von unten nach oben für k = n, n − 1, . . . z. Zahlen xk , yk , so daß (∗) xk ak−2 + yk ak−1 = 1 Beginn der Rekursion. k = n : 1 · an−2 + (−qn−2 )an−1 = 1. Im Fall k = n = 2 ist man fertig. Sei nun n ≥ k ≥ 3 und seien xk , yk mit der Eigenschaft (∗) schon bestimmt. Setze die Gleichung aus dem Euklidischen Algorithmus ak−1 = ak−3 − qk−3 ak−2 in (∗) ein und erhalte 1 = xk ak−2 + yk (ak−3 − qk−3 ak−2 ) = (xk − yk qk−3 )ak−2 + yk ak−3 = xk−1 ak−3 + yk−1 ak−2 Am Ende erhält man für k = 2 1 = x 2 a0 + y 2 a1 = x 2 a + y 2 b Rechenbeispiel. Zeige, daß (97, 44) = 1 und 97 = 2 · 44 + 9 9 = 44 = 4 · 9 + 8 8 = 9 = 1·8+1 y 1 = löse 97x + 44y = 1 97 − 2 · 44 44 − 4 · 9 9−1·8 Aus 1 = 9 − 1 · 8 und 8 = 44 − 4 · 9 folgt 1 = −44 + 5 · 9. Aus 1 = −44 + 5 · 9 und 9 = 97 − 2 · 44 folgt 1 = 5 · 97 − 11 · 44. Fazit: x = 5, y = −11 ist eine Lösung der Gleichung 97x + 44y = 1. 18 §3 Primzahlen Die Zahl 1 hat nur einen positiven Teiler, nämlich 1. Jede Zahl a > 1 hat mindestens zwei positive Teiler: 1 und a. Definition. Eine Primzahl ist eine Zahl a > 1, welche nur die Teiler 1 und a hat. Beispiele. 2, 3, 5, 7, 11 sind Primzahlen. Im Folgenden ist der Buchstabe p den Primzahlen vorbehalten; ebenso bedeuten p1 , p2 , . . . oder p0 , p0j , p00j , . . . stets Primzahlen. 3.1 Satz. Jedes a > 1 ist als Produkt von Primzahlen darstellbar (Primfaktorzerlegung von a): a = p1 · p2 · . . . · pr = r Y pn , r ≥ 1 n=1 Beweis. Für a = p ist die Aussage offenbar wahr. Wir beweisen 3.1 durch vollständige Induktion nach a. Induktionsbeginn. a = 2 ist eine Primzahl. Induktionsannahme. Sei a ≥ 3 und 3.1 bereits bewiesen für alle b mit 1 < b < a. Induktionsschluß. Ist a Primzahl, so ist 3.1 richtig für a. Sonst gibt es eine Zerlegung a = a1 a2 mit 1 < a1 < a und 1 < a2 < a. Nach Induktionsannahme haben a1 und a2 eine Primfaktorzerlegung; also gilt dies auch für a = a1 a2 . Frage: Wieviele“ Primzahlen gibt es? ” 3.2 Satz. (Euklid) Es gibt unendlich viele Primzahlen. Beweis. Es ist zu zeigen: Zu jeder endlichen Menge von Primzahlen kann man eine weitere Primzahl finden. Seien also r ≥ 1 paarweise verschiedene Primzahlen p1 . . . pr vorgegeben. Setze a := 1 + p1 · . . . · pr Dann ist a > 1 und p1 , . . . , pr sind keine Teiler von a (denn sonst wäre etwa pi ein Teiler von 1 = a − p1 · . . . · pr , Widerspruch.) Nach 3.1 ist aber a durch 19 wenigstens eine Primzahl p teilbar. Diese kommt in der Menge {p1 , . . . , pr } nicht vor. 3.3 Regel. (a) Aus p - a folgt (p, a) = 1 (b) Aus p | ab folgt: p | a oder p | b. (c) Für q > 1 gelte: Aus q | ab folgt q | a oder q | b. Dann ist q eine Primzahl. (d) Aus p | r Q an folgt: p | an für mindestens ein n. n=1 (e) Aus p | r Q pn folgt: p = pn für mindestens ein n. n=1 Beweis. (a) p hat nur die positiven Teiler 1 und p und p - a. Es folgt (p, a) = 1. (a) (p, a) = 1 2.8 =⇒ p | b. (b) p - a =⇒ p | ab (c) Ist q > 1 keine Primzahl, so schreibt sich q nach 3.1 in der Form q = p·r, p Primzahl, r ≥ 2. Also ist q | q = pr und q > p, q > r. Es folgt q - p und q - r. (d) folgt aus (b) durch Induktion. (e) p | r Q (d) pn =⇒ p | pn für ein n =⇒ p = pn , da p 6= 1 und 1 und pn die n=1 einzigen positiven Teiler von pn sind. 3.4 Bemerkung. Wegen Regel 3.3(b) und (c) hätte man Primzahl“ auch ” so definieren können: Eine Zahl p > 1 heißt Primzahl, wenn gilt: Aus p | ab folgt: p | a oder p | b. 3.5 Satz. Die Zerlegung jeder Zahl a > 1 in ein Produkt von Primzahlen ist (bis auf die Reihenfolge der Faktoren) eindeutig. 20 Beweis. Es genügt zu zeigen: r r0 Q Q Aus a = pn = p0n mit p1 ≤ p2 ≤ . . . ≤ pr und p01 ≤ p02 ≤ . . . ≤ p0r0 folgt: n=1 n=1 r = r0 und pn = p0n für alle n, 1 ≤ n ≤ r. Beweis durch Induktion nach a. Induktionsbeginn. Für a = 2 muß offenbar r = r0 = 1 und p1 = p01 = 2 sein. Induktionsannahme. Sei a > 2 und die Behauptung bereits bewiesen für 2, 3, . . . , a − 1. Induktionsschluß. Ist a eine Primzahl, so ist r = r0 = 1 und p1 = p01 = a, denn a hat keine echten Teiler (dies sind die von ±1 und ±a verschiedenen Teiler). Andernfalls sind r > 1 und r0 > 1 und p01 0 Y Y r r 0 pn , p1 pn . n=1 n=1 Nach 3.3(e) gibt es dann n, m mit p01 = pn und p1 = p0m . Wegen p1 ≤ pn = p01 ≤ p0m = p1 folgt p1 = p01 . Wegen 1 < p1 < a folgt 0 r r Y Y a = pn = p0n =: a0 < a, also 1 < a0 < a 1< p1 n=2 n=2 Wende die Induktionsannahme an auf a0 und erhalte r = r0 und pn = p0n für 2 ≤ n ≤ r. p1 = p01 wurde bereits gezeigt. Damit ist alles bewiesen. Man kann in der Primfaktorzerlegung noch gleiche Faktoren zusammenfassen und erhält: 3.6 Korollar. Jede Zahl a > 1 besitzt genau eine Zerlegung m2 mr 1 a = pm 1 · p2 · . . . · pr , p1 < p2 < . . . pr ; mρ ≥ 1 für ρ = 1, . . . , r. (Wir sprechen auch von der kanonischen Zerlegung von a.) 21 3.7 Bemerkung. Sei a = r Q n pm n die kanonische Zerlegung von a > 1. Dann n=1 sind die gesamten positiven Teiler von a die Zahlen r Y plnn , wobei 0 ≤ ln ≤ mn für 1 ≤ n ≤ r. n=1 Insbesondere besitzt a genau r Q (mn + 1) verschiedene positive Teiler. n=1 Beweis. Offenbar sind die angegebenen Zahlen Teiler von a; sie sind nach 3.6 paarweise verschieden; also stimmt die Anzahlaussage, falls a keine weiteren positiven Teiler hat. Ist nun d | a, also a = dq, so gehen in d und in q nur Primzahlen auf, die auch in a aufgehen. Also gilt d= r Y plnn , q= r Y pknn =⇒ plnn +kn = dq = a = n=1 n=1 n=1 r Y r Y n pm n . n=1 Wegen der Eindeutigkeit der Zerlegung folgt mn = ln + kn . Also ist 0 ≤ ln = mn − kn ≤ mn für n = 1, . . . r. Wenn die Primfaktorzerlegungen von a ≥ 1, b ≥ 1 schon vorliegen, so läßt sich (a, b) leicht bestimmen, ohne den euklidischen Algorithmus zu bemühen. 3.8 Satz. Seien p1 , . . . pr die verschiedenen Primteiler von ab, a > 1 und b > 1. Dann kommen auch in den Zerlegungen von a bzw. b höchstens die Primzahlen p1 , . . . , pr vor. Schreibe: mr 1 a = pl11 · . . . · plrr , b = pm 1 · . . . · pr , ln ≥ 0 , mn ≥ 0. Dann gilt: Min(l1 ,m1 ) (a) (a, b) = p1 Max(l1 ,m1 ) (b) kgV (a, b) = p1 Min(lr ,mr ) · . . . · pr Max(lr ,mr ) · . . . · pr Beweis. 22 (a) Nach dem Beweis von 3.7 sind die positiven Teiler von a bzw. b die Zahlen r Y n=1 r Y pknn , 0 ≤ kn ≤ ln pknn , 0 ≤ kn ≤ mn für alle 1 ≤ n ≤ r, bzw. für alle 1 ≤ n ≤ r. n=1 Die gemeinsamen positiven Teiler von a und b sind also die Zahlen r Y pknn mit 0 ≤ kn ≤ Min(ln , mn ) für alle 1 ≤ n ≤ r n=1 Die größte dieser Zahlen ist offenbar r Q Min(ln ,mn ) pn . n=1 (b) folgt aus (a) und der Formel kgV (a, b) · (a, b) = ab, denn Min(ln , mn ) + Max(ln , mn ) = ln + mn . Der größte gemeinsame Teiler von mehr als zwei Zahlen. Bezeichnung. Sind die Zahlen a1 , . . . , ar (r ≥ 1) nicht alle 0, so wird ihr größter gemeinsamer Teiler mit (a1 , . . . , an ) bezeichnet. δ = (a1 , . . . , ar ) ist also die größte ganze Zahl mit δ | a1 , . . . , δ | ar−1 und δ | ar . 3.9 Satz. Seien a1 > 0, . . . , ar > 0, r ≥ 2. Dann gilt (a) (a1 , . . . , ar ) = ((a1 , . . . , ar−1 ), ar ) (b) Jeder gemeinsame Teiler von a1 , . . . , ar teilt (a1 , . . . ar ). Beweis. (Induktion nach r). Für r = 2 ist (a) trivial und (b) gilt nach 2.4. Induktionsannahme. Sei r ≥ 3, (a) und (b) bewiesen für alle k mit 2 ≤ k ≤ r − 1. Induktionsschluß. Ist t gemeinsamer Teiler von a1 , . . . , ar , so auch von a1 , . . . , ar−1 . Nach Induktionsannahme (b) ist daher t ein Teiler von (a1 , . . . , ar−1 ) = a0 . Ferner gilt t | ar . Nach (2.4) ist daher t | (a0 , ar ) = ((a1 , . . . , ar−1 ), ar ). Setze δ := ((a1 , . . . , ar−1 ), ar ). Wegen t | δ ist t ≤ δ. Ferner gilt: δ | (a1 , . . . , ar−1 ) und δ | ar und daher δ | a1 , . . . , δ | ar−1 und 23 δ | ar , d.h.: δ ist gemeinsamer Teiler von a1 , . . . , ar . Damit ist gezeigt, daß δ der größte gemeinsame Teiler von a1 , . . . , ar ist, und (a) ist bewiesen. Im Beweis haben wir gesehen, daß jeder gemeinsame Teiler t von a1 , . . . , ar auch δ teilt. Damit ist auch (b) bewiesen. 3.10 Korollar. Unter den Voraussetzungen von 3.9 ist (a1 , . . . , ar ) die kleinste positive Zahl, welche sich in der Form schreibt a1 x 1 + . . . + ar x r mit x1 , . . . , xr ∈ Z. Beweis. (Induktion nach r.) Für r = 2 wurde dies in 2.4 gezeigt. Nach Induktionsannahme ist δ 0 := (a1 , . . . , ar−1 ) die kleinste positive Zahl der Form δ 0 = a1 y1 + . . . + ar−1 yr−1 . Ferner ist nach Induktionsbeginn δ = (a1 , . . . , ar ) = ((a1 , . . . , ar−1 ), ar ) = (δ 0 , ar ) von der Form δ = δ 0 x + ar xr . Es folgt: δ = a1 (y1 x) + . . . + ar−1 (yr−1 x) + ar xr ist von der gewünschten Gestalt. Ist d = a1 x1 + . . . + ar xr > 0 mit x1 , . . . , xr ∈ Z, so ist wegen δ | a1 , . . . , δ | ar auch δ | d , also δ ≤ d. Mit Hilfe von 3.9 kann man auch (a1 , . . . , ar ) für r ≥ 3 (iterativ) mit Hilfe des euklidischen Algorithmus bestimmen. (a1 , a2 , a3 ) = ((a1 , a2 ), a3 ) (a1 , a2 , a3 , a4 ) = (((a1 , a2 ), a3 ), a4 ) usw. Wir erwähnen noch ohne Beweis: 3.10 Korollar. Seien p1 , . . . , ps die verschiedenen Primteiler des Produkts a1 · . . . · ar von positiven Zahlen a1 , . . . , ar und l an = p11,n · . . . · plss,n , lm,n ≥ 0 für 1 ≤ m ≤ s, 1 ≤ n ≤ r. Setze lm := Min(lm,1 , . . . , lm,r ), 1 ≤ m ≤ s. Dann gilt (a1 , . . . , ar ) = pl11 · . . . · plss . 24 §4 Vollkommene Zahlen Sei a > 0 T (a) bezeichnet die Anzahl der positiven Teiler von a. S(a) bezeichnet die Summe der positiven Teiler von a. Es ist also T (1) = S(1) = 1. Jede Zahl a > 1 hat eine eindeutige Darstellung Y a= plp , wobei lp ≥ 1, falls p | a. p|a Im §3 haben wir gesehen: Die positiven Teiler von a sind die Zahlen der Form Y (∗) pm p wobei 0 ≤ mp ≤ lp , für p | a. p|a Insbesondere gilt deshalb und wegen der Eindeutigkeit der Primfaktorzerlegung für a > 1 Y T (a) = (lp + 1). p|a Es folgt: T (ab) = T (a)T (b) falls a, b ≥ 1 und (a, b) = 1. 4.1 Satz. S(a) = Y plp +1 − 1 p|a p−1 Insbesondere: S(ab) = S(a)S(b), wenn (a, b) = 1. Beweis. Nach der Formel für eine endliche geometrische Reihe gilt (vgl. §1): lp X pmp = mp =0 plp +1 − 1 p−1 Wegen (∗) folgt Yp p|a lp +1 lp X Y − 1 Y X mp (∗) X = p = pmp = t = S(a) p−1 m =0 0≤m ≤l p|a p p p|a 25 p p|a t|a t>0 Dabei gilt das zweite Gleichheitszeichen nach dem Distributivgesetz. Eine Zahl a heißt gerade, falls 2 | a und ungerade, falls 2 - a. Definition. Eine Zahl a > 1 heißt vollkommen, wenn a mit der Summe seiner Teiler t 6= a übereinstimmt, wenn also S(a) = 2a. Beispiele. 6 = 1 + 2 + 3 und 28 = 1 + 2 + 4 + 7 + 14 sind vollkommen. Sie sind die einzigen vollkommenen Zahlen ≤ 30. (Man prüfe das nach.) Frage 1. Wieviele vollkommene Zahlen gibt es? und 28 = 7·8 mit Primzahlen 3 = 22 − 1 und 7 = 23 − 1. Beide Es ist 6 = 3·4 2 2 vollkommenen Zahlen ≤ 30 sind also gerade und von der Form a= p(p + 1) mit einer Primzahl p = 2n − 1, 2 n ∈ N. Wie der nächste Satz zeigt, ist dies kein Zufall. 4.2 Satz. Ist p = 2n − 1, n ∈ N eine Primzahl, so ist p(p+1) eine vollkommene 2 gerade Zahl. Sonst gibt es keine vollkommenen geraden Zahlen. n n Beweis. a = p(p+1) = (2 −1)2 = 2n−1 · (2n − 1) = 2n−1 · p ist die kanonische 2 2 Zerlegung von a. Die verschiedenen Primteiler von a sind 2 und p. Nach 4.1 ist daher S(a) = 2n − 1 p2 − 1 · = (2n − 1)(p + 1) = p(p + 1) = 2a 2−1 p−1 Sei umgekehrt a gerade und vollkommen. Dann schreibt a in der Form a = 2n−1 · u, wobei n > 1 und u ungerade ist. Nach 4.1 gilt 2n u = 2a = S(a) = Es folgt: S(u) = 2n ·n 2n −1 u 2n −1 n =u+ 2n − 1 · S(u) = (2n − 1)S(u) 2−1 u . 2n −1 Insbesondere ist = S(u) − u ganz, also ist t0 = 2nu−1 ein Teiler von u. Wegen n > 1 ist 2 − 1 > 1 und t0 ist ein von u verschiedener Teiler von u. X X S(u) = u + t0 = t=u+ t t|u Also hat u nur zwei Teiler, nämlich u und t0 . 26 t|u t6=u Es folgt: u ist eine Primzahl und t0 = 1. =⇒ u = 2n − 1, u ist eine Primzahl u = (u+1)u . und a = 2n−1 u = (u+1) 2 2 Definition. Die Primzahlen der Form p = 2n − 1 heißen Mersennesche Primzahlen. Gäbe es unendlich viele Mersennesche Primzahlen, so gäbe es auch unendlich viele vollkommene Zahlen. Frage 2: Gibt es unendlich viele Mersennesche Primzahlen? Diese Frage kann bis heute nicht beantwortet werden. 22 − 1 = 3 und 23 − 1 = 7 sind Primzahlen, 24 − 1 = 15 ist keine. 25 − 1 = 31; 26 − 1 = 63 keine Primzahl, 27 − 1 = 127 Primzahl. Man könnte vermuten: 2n − 1 ist Primzahl ⇐⇒ n ist Primzahl. Dies ist falsch: 211 − 1 = 2047 = 23 · 89 ist zusammengesetzt. Beispiel einer sehr großen Mersenneschen Primzahl: 2132049 − 1 ist eine Primzahl mit 39751 Stellen. Die eine Richtung der obigen Vermutung ist jedoch richtig: 4.3 Satz. Ist n keine Primzahl, so ist auch 2n − 1 keine Primzahl. Beweis. Schreibe n = uv mit u > 1 und v > 1. Dann ist 2n − 1 = 2uv − 1 = (2u )v − 1 Nach der Formel für die geometrische Reihe (x = 2u ) gilt: 1 + 2u + (2u )2 + . . . + (2u )v−1 = (2u )v − 1 , also ist 2u − 1 2n − 1 = (2u − 1)(1 + 2u + (2u )2 + . . . + (2u )v−1 ). Wegen u > 1 und v > 1 ist 2u − 1 > 1 und 1 + 2u + . . . + (2u )v−1 > 1, und 2n − 1 ist zusammengesetzt. Anmerkung. Man kennt bis heute nur endlich viele Mersennesche Primzahlen, also auch nur endlich viele gerade vollkommene Zahlen. Ungerade vollkommene Zahlen sind überhaupt keine bekannt. Man weiß auch nicht, ob es welche gibt oder nicht. 27 Multiplikative zahlentheoretische Funktionen Definition. Sei f : N\{0} −→ C (eine zahlentheoretische Funktion“.) Man ” nennt f multiplikativ, wenn f (ab) = f (a)f (b), falls (a, b) = 1 Beispiele. (a) Die konstante Funktion f (n) = 1 ist offenbar multiplikativ. (b) Die Identität f (n) = n ist offenbar multiplikativ. (c) Wie oben gezeigt wurde, sind S und T multiplikativ. Die Aussage (c) folgt auch leicht aus dem folgenden allgemeinen Satz. 4.4 Satz. Ist f (n) eine P multiplikative zahlentheoretische Funktion, so gilt dies auch für F (n) = f (d). d|n d>0 4.5 Korollar. S und T sind multiplikativ. Beweis. 1. Für T wende P man 4.4 an auf f (n) = 1: F (n) = f (d) = T (n) wegen f (n) ≡ 1. Aus f (n) multiplikativ d|n,d>0 folgt F (n) multiplikativ. 2. Für S wende P man Satz P 4.4 an auf f (n) = n: F (n) = f (d) = d = S(n). Schließe wie in 1. d|n d>0 d|n d>0 Beweis von Satz 4.4 Für die Nullfunktion f (n) ≡ 0 ist nichts zu zeigen. Ist f 6= 0 und speziell n ∈ N mit f (n) 6= 0, so gilt f (n) = f (n · 1) = f (n) · f (1). Es folgt f (1) = 1 nach der Kürzungsregel. Ist nun m = 1 oder n = 1, so ist F (n) = f (1) = 1 oder F (m) = f (1) = 1. In jedem Fall ist F (m · n) = F (m) · F (n). Sei also m > 1 und n > 1. Dann schreibt man im Fall (m, n) = 1 28 α α r+s r+1 · . . . · pr+s n = pα1 1 · pα2 2 · . . . · pαr r , m = pr+1 mit paarweise verschiedenen Primzahlen p1 , . . . , pr+s und αi ≥ 1 für i = 1, . . . , r + s. Die Teiler von n sind pβ1 1 · . . . · pβr r , 0 ≤ βi ≤ αi , i = 1, . . . , r. βr+1 βr+s , 0 ≤ βi ≤ αi , i = r + 1, . . . , r + s. Die Teiler von m sind pr+1 · . . . · pr+s Durchläuft nun d1 die Teiler von n und d2 die Teiler von m, so durchläuft d1 d2 die Zahlen β β r+1 r+s , d = d1 d2 = pβ1 1 . . . pβr r pr+1 · . . . · pr+s 0 ≤ βi ≤ αi , i = 1, . . . , r + s. α r+s Dies sind gerade die Teiler von mn = pα−1 · . . . · pr+s . 1 Mit anderen Worten X f (d1 d2 ) = d1 |n,d2 |m d1 >0,d2 >0 X f (d) = F (nm) d|nm d>0 Für d1 | n und d2 | m gilt wegen (n, m) = 1 auch (d1 , d2 ) = 1. Nach Voraussetzung ist daher f (d1 d2 ) = f (d1 )f (d2 ) und P f (d1 d2 ) d1 |n,d2 |m d1 >0,d2 >0 = P f (d1 )f (d2 ) = P P f (d2 ) f (d1 ) d1 |n d1 >0 d1 |n,d2 |m d1 >0,d2 >0 d2 |m d2 >0 = F (n) · F (m). Damit ist F (nm) = F (n)F (m) gezeigt. Anmerkung. Von ähnlicher Bauart wie die Mersenneschen Primzahlen sind die Fermatschen Primzahlen: Eine Primzahl der Form p = 2s + 1 heißt Fermatsche Primzahl. Beispiele. 2 = 20 + 1, 3 = 21 + 1, 5 = 22 + 1, 17 = 24 + 1, 257 = 28 + 1 sind Primzahlen, aber 9 = 23 + 1, 33 = 25 + 1, 65 = 26 + 1, 129 = 27 + 1 sind keine. Allgemein gilt 4.6 Satz. Ist s > 0 keine Potenz von 2, so ist 2s + 1 keine Primzahl. Beweis. Schreibe s = 2t · v mit t ≥ 0, v > 1 ungerade und setze k := 2t . Die Formel für die geometrische Reihe für x = −2k ergibt 1 − xv = 1 + x + x2 + . . . + xv−1 = 1 − 2k + 22k − + . . . + 2k(v−1) ∈ Z 1−x 29 und 1 − (−2k )v 1 + 2kv 1 − xv 1 + 2s = = = . 1−x 1 − (−2k ) 1 + 2k 1 + 2k Also gilt 1 + 2k | 1 + 2s . Zeige noch, daß 1+2k 6= 1 und 1+2k 6= 1+2s . Dann ist 1+2s keine Primzahl. Aus v > 1, k ≥ 1 folgt 1 < 1 + 2k < 1 + (2k )v = 1 + 2kv = 1 + 2s . t Fazit. Als Fermatsche Primzahlen kommen nur die Zahlen 2(2 ) + 1, t = 0, 1, 2, . . . in Frage. Stand der Wissenschaft: 3, 5, 17, 257, 216 + 1 = 65537 sind die einzigen bekannten Fermatschen Primzahlen. (232 + 1 ist zum Beispiel durch 641 teilbar.) Ein ungelöstes Problem: Gibt es unendlich viele Fermatsche Primzahlen? 30 §5 Kongruenzrechnung Sei m > 0 fest vorgegeben. Nach §2 wissen wir: Jede Zahl a läßt sich auf eindeutige Weise durch m mit Rest dividieren, d.h.: Es gibt genau ein Zahlenpaar q, r mit der Eigenschaft (∗) a = qm + r , 0 ≤ r < m Definition. Zwei Zahlen heißen kongruent modulo m, wenn sie bei der Division durch m den gleichen Rest lassen. Schreibe für a ist kongruent zu b modulo m“ kurz ” a ≡ b mod m. Wenn klar ist, welches m gemeint ist auch: a ≡ b. a 6≡ b mod m bedeutet, daß a und b nicht kongruent modulo m (oder in” kongruent modulo m“) sind. Offenbar gilt 5.1 Bemerkung. Kongruenz modulo m“ ist eine Äquivalenzrelation, d.h. ” (a) a ≡ a mod m (Reflexivität) (b) a ≡ b mod m =⇒ b ≡ a mod m (Symmetrie) (c) a ≡ b mod m und b ≡ c mod m =⇒ a ≡ c mod m (Transitivität) 5.2 Bemerkung. Genau dann ist a ≡ b mod m, wenn m ein Teiler von a − b ist. Beweis. Sei a ≡ qm + r, 0 ≤ r < m. a ≡ b mod m =⇒ b = q 0 m + r =⇒ a − b = (q − q 0 )m =⇒ m | a − b. m | a − b =⇒ a − b = v · m =⇒ b = a − vm = (q − v)m + r =⇒ a ≡ b mod m. Die möglichen Divisionsreste modulo m sind die m Zahlen 0, 1, . . . , m − 1. Wir können also die ganzen Zahlen nach ihren Divisionsresten in m Klassen einteilen: Definition. Die Restklasse von a modulo m besteht aus allen Zahlen, welche modulo m den gleichen Divisionsrest haben wie a. Demnach gibt es 31 genau m verschiedene Restklassen modulo m und verschiedene Klassen haben keine Elemente gemeinsam. Rest 0 haben Rest 1 haben .. . : 0, ±m, ±2m, ±3m, . . . : 1, 1 ± m, 1 ± 2m, 1 ± 3m, . . . Rest r haben .. . : r, r ± m, r ± 2m, r ± 3m, . . . Rest m − 1 haben : m − 1, m − 1 ± m, m − 1 ± 2m, m − 1 ± 3m, . . . (für 0 ≤ r < m) Zahlenbeispiele. m = 2 Rest 0 mod 2 : 0, ±2, ±4, . . . haben die geraden Zahlen Rest 1 mod 2 : 1, 1 ± 2, 1 ± 4, . . . haben die ungeraden Zahlen. m = 7 : Identifiziere Z mit den Tagen von Ewigkeit zu Ewigkeit“, genauer ” von −∞ bis +∞, wobei 0 mit dem Tag der Geburt Christi gleichgesetzt wird. n>0: n = n–ter Tag nach Christi Geburt. − n = n–ter Tag vor Christi Geburt. Wir nehmen an: 0 war ein Sonntag (so genau weiß das niemand.) −7, −14, −21, . . . 0 Restklasse von 0 mod 7: Sonntage +7, +14, +21, . . . 1, 8, 15, 22, . . . Restklasse von 1 mod 7: Montage −6, −13, −20, −27, . . . .. . 6, 13, 20, . . . Restklasse von 6 mod 7: Samstage −1, −8, −15, . . . Definitionsgemäß gehören a und b zur gleichen Restklasse modulo m wenn a ≡ b mod m. Man spricht daher auch von Kongruenzklassen modulo m anstelle von Restklassen modulo m. Nach 5.2 gilt: a ≡ b mod m ⇐⇒ m | a − b, d.h. Es gibt ein q ∈ Z mit b = a + qm. Damit gilt 5.3 Bemerkung. Die Restklasse von a modulo m ist die Menge {a + mq | q ∈ Z} 32 Schreibe dafür auch a + mZ oder a + (m). Wir haben gesehen: (1) Es gibt genau m verschiedene Restklassen modulo m. (2) Jede Zahl gehört zu genau einer Restklasse modulo m. Die Aussagen (1) und (2) zusammengenommen kann man auch so ausdrücken: Die Menge aller ganzen Zahlen ist die disjunkte Vereinigung der verschiedenen Restklassen modulo m. Definition. Eine Menge von Zahlen a1 , . . . , am heißt vollständiges Repräsentantensystem (Restsystem) modulo m, wenn a1 +(m), a2 +(m), . . . , am + (m) gerade die m verschiedenen Restklassen modulo m sind, d.h. wenn ai 6≡ aj mod m , falls i 6= j. Beispiel. 0, 1, 2, . . . , m−1 ist ein vollständiges Repräsentantensystem modulo m. (Diese Zahlen sind selbst Divisionsreste und voneinander verschieden.) 5.4 Satz. (a) Ist a1 , . . . , am ein vollständiges Restsystem modulo m, so gilt dies auch für a1 + c, . . . , am + c(c ∈ Z). Insbesondere gilt nach dem Beispiel: Je m aufeinander folgende Zahlen bilden ein vollständiges Restsystem modulo m. Ein solches System mit – dem Betrag nach – möglichst kleinen Elementen ist die Menge der ganzen Zahlen größer als − m2 und kleiner oder gleich + m2 . Für ungerades m sind dies die Zahlen − m−1 , − m−1 + 1, . . . , −1, 0, 1, . . . , 2 2 m−1 2 und für gerades m die Zahlen − m2 + 1, − m2 + 2, . . . , −1, 0, 1, . . . , m = 7 : −3, −2, −1, 0, 1, 2, 3 m = 8 : −3, −2, −1, 0, 1, 2, 3, 4 m 2 (b) Ist a1 , . . . , am ein vollständiges Restsystem modulo m und ist (k, m) = 1, so ist auch a1 k, a2 k, . . . , am k ein vollständiges Restsystem modulo m. 33 Beweis. 5.2 (a) Für i 6= j ist ai 6≡ aj mod m, also m - (ai − aj ) = (ai + c) − (aj + c) =⇒ (ai + c) 6≡ (aj + c) mod m. (b) ai k ≡ aj k mod m =⇒ m | (ai k − aj k) = (ai − aj )k, also m | (ai − aj )k und (m, k) = 1. Nach 2.8 h gilt daher m | (ai − aj ) d.h. ai ≡ aj mod m. Nach Voraussetzung ist dann i = j. Im folgenden sei m > 0 fest vorgegeben, und a ≡ b“ bedeute immer a ≡ b ” mod m. Es soll gezeigt werden, daß man mit ≡“ wie mit einem Gleich” heitszeichen umgehen darf. 5.5 Satz. (a) a ≡ b =⇒ a ± c ≡ b ± c (b) a ≡ b =⇒ ac ≡ bc (c) a ≡ b =⇒ an ≡ bn für alle n ∈ N. (d) Ist f (x) = c0 + c1 x + . . . + cn xn eine Polynomfunktion in der Variablen x, so folgt aus a ≡ b schon f (a) ≡ f (b). Beweis. + + + + (a) a ≡ b =⇒ m | (a − b) = (a (−) c) − (b (−) c) =⇒ a (−) c ≡ b (−) c (b) a ≡ b =⇒ m | a − b =⇒ m | (a − b)c = ac − bc =⇒ ac ≡ bc (c) (Induktion nach n) n = 0 : a0 = 1 ≡ 1 = b0 Induktionsannahme. Sei n ≥ 1 und an−1 ≡ bn−1 schon bewiesen. (b) Mit (b) folgt an = an−1 a ≡ an−1 b ≡ bn−1 b = bn . (d) Sei a ≡ b. Nach (b) und (c) gilt: cν aν ≡ cν bν , ν = 0, . . . , n Induktion nach n. n = 0 : f (x) = c0 für alle x =⇒ f (a) = c0 = f (b). Sei n ≥ 1 und c0 + c1 a + . . . + cn−1 an−1 ≡ c0 + c1 b + . . . + cn−1 bn−1 schon gezeigt. Nach (a) gilt dann f (a) = (c0 + c1 a + . . . + cn−1 an−1 ) + cn an ≡ (c0 + c1 b + . . . + cn−1 bn−1 ) +cn an ≡ (c0 + c1 b + . . . + cn−1 bn−1 ) + cn bn = f (b) 34 5.6 Satz. Sei c > 0 und a, b beliebig. (a) ac ≡ bc mod m und (c, m) = 1 =⇒ a ≡ b mod m (b) a ≡ b mod m ⇐⇒ ac ≡ bc mod cm (c) a ≡ b mod m, n | m und n > 0 =⇒ a ≡ b mod n (d) a ≡ b mod m =⇒ (a, m) = (b, m) Beweis. 2.8 (a) m | (ac − bc) = (a − b)c und (c, m) = 1 =⇒ m | a − b =⇒ a ≡ b mod m (b) m | (a − b) ⇐⇒ cm | c(a − b) = ac − bc ⇐⇒ ac ≡ bc mod cm (c) m | (a − b) und n | m =⇒ n | (a − b) =⇒ a ≡ b mod n 2.8(f ) (d) b = a + mq =⇒ (b, m) = (a + mq, m) = (a, m). Beispiel für die Anwendung der Kongruenzrechnung. Behauptung. 232 + 1 ist durch 641 teilbar und somit keine Primzahl. Beweis. 641 = 640 + 1 = 5 · 27 + 1 =⇒ 5 · 27 ≡ −1 mod 641 =⇒ 54 · 228 = (5 · 27 )4 ≡ (−1)4 = 1 mod 641 =⇒ 641 = 625 + 16 = 54 + 24 =⇒ 54 ≡ −24 mod 641 −232 = (−24 ) · 228 ≡ 54 · 228 ≡ 1 mod 641 =⇒ 641 | 232 + 1 n Fermat glaubte noch, daß alle Zahlen der Form Fn = 22 + 1 Primzahlen sind. Dies ist auch für n = 0, 1, 2, 3, 4 richtig: F0 = 21 + 1 = 3, F1 = 22 + 1 = 5, F2 = 24 + 1 = 17, F3 = 28 + 1 = 257, F4 = 216 + 1 = 65537, aber 641 | (232 + 1) = F5 Fermat hatte Unrecht. Bis heute sind keine weiteren Fermatschen Primzahlen bekannt. 35 §6 Lineare Kongruenzen Sei m > 0 und a, b beliebig. Wir wollen die Frage untersuchen, unter welchen Bedingungen an a, b und m eine Zahl x0 existiert, so daß ax0 ≡ b mod m. Wenn ein solches x0 existiert, sagen wir: Die lineare Kongruenz (∗) aX ≡ b mod m in einer Unbestimmten X ist lösbar (und zwar, indem man die Unbestimmte durch die Zahl x0 ersetzt). Ist x0 eine Lösung der Kongruenz (∗), so ist auch jedes y aus der Restklasse von x0 modulo m eine Lösung von (∗). (y ≡ x0 =⇒ ay ≡ ax0 ≡ b mod m nach 5.5 (b)). Deshalb versteht man unter der Anzahl der Lösungen von (∗) die Anzahl der verschiedenen Restklassen von Lösungen. Dies ist auch die Anzahl der Lösungen x0 mit 0 ≤ x0 < m. Ferner gilt: Ist a0 ≡ a und b0 ≡ b, so hat a0 X ≡ b0 mod m die gleiche Lösungsmenge wie (∗). (Beweis: Übungsaufgabe.) 6.1 Satz. Ist (a, m) = 1 so hat die lineare Kongruenz aX ≡ b mod m genau eine Lösung. Also gibt es genau ein x0 , 0 ≤ x0 < m mit ax0 ≡ b mod m. Beweis. Nach 5.4(b) bilden a · 0, a · 1, . . . , a(m − 1) ein vollständiges Restsystem modulo m. Also gibt es genau ein x0 mit 0 ≤ x0 < m, so daß ax0 ≡ b mod m. Beispiel. a = 10, b = 4, m = 7 : (a, m) = 1 Betrachte die Kongruenz 10X ≡ 4 mod 7. Sie ist wegen 10 ≡ 3 mod 7 äquivalent zur Kongruenz 3X ≡ 4 mod 7. Berechne den Divisionsrest von 3x0 modulo 7 für 0 ≤ x0 < 7. 36 3·0 3·1 3·2 3·3 3·4 3·5 3·6 = = = = = = = 0 3 6 9 12 15 18 6= 6 = 6 = ≡ ≡ ≡ ≡ 4 4 4 2 6= 4 5 6= 4 1 6= 4 4 mod 7 Also ist x0 = 6 die einzige Zahl x0 mit 0 ≤ x0 < 7 und 3x0 ≡ 4 mod 7. Alle Lösungen bilden die Restklasse von 6 modulo 7. Die Lösungsmenge ist also . . . , −22, −8, −1, 6, 13, 20, 27, . . . 6.2 Satz. Die Kongruenz aX = b mod m ist genau dann lösbar, (a, m) | b. Zusatz. Ist (a, m) | b, so bilden die Lösungen von aX ≡ b mod m genau eine m . Restklasse modulo (a,m) Zum Beweis von 6.2 zeigen wir zunächst 6.3 Lemma. Sei n ≥ 2 und a1 , . . . , an nicht alle Null. Genau dann ist die lineare Gleichung (∗∗) a1 X 1 + . . . + an X n = c in den Unbestimmten X1 , . . . , Xn ganzzahlig lösbar, wenn (a1 , . . . , an ) | c. Insbesondere gilt • aX + bY = c lösbar ⇐⇒ (a, b) | c • Ist (a, b) = 1, so ist aX + bY = c lösbar für alle c Beweis von 6.3 Nach 3.10 besteht die Menge M = {a1 x1 + . . . + an xn | x1 , . . . , xn ∈ Z} gerade aus den Vielfachen von (a1 , . . . , an ). Also gilt: (∗∗) ist lösbar ⇐⇒ c ist Vielfaches von (a1 , . . . an ), d.h. (a1 , . . . , an ) | c. Beweis des Satzes. aX ≡ b mod m ist lösbar ⇐⇒ Es gibt ein x0 mit ax0 ≡ b mod m ⇐⇒. Es gibt ein x0 mit m | ax0 − b ⇐⇒. Es gibt x0 , y0 mit 37 ax0 − b = my0 ⇐⇒. Es gibt x0 , y0 mit ax0 + (−m)y0 = b. Letzteres ist nach 6.3 damit äquivalent, daß (a, m) = (a, −m) | b. Beweis des Zusatzes. Sei (a, m) | b ; Wir setzen a0 = b m a , b0 = und m0 = (a, m) (b, m) (a, m) Dann gilt nach 5.6(b): ax0 ≡ b mod m ⇐⇒ a0 x0 ≡ b0 mod m0 . Also stimmen die Lösungsmengen von aX ≡ b mod m und von a0 X ≡ b0 mod m0 überein. m a , (a,m) ) = 1. Aus 6.1 folgt: Die Nun gilt aber nach 2.8(e) (a0 , m0 ) = ( (a,m) 0 0 0 Lösungsmenge von a X ≡ b mod m besteht aus genau einer Restklasse modulo m0 . 6.4 Korollar. Wir betrachten die lineare Gleichung (L) a 6= 0 oder b 6= 0 aX + bY = c , (i) Ist d = (a, b) kein Teiler von c, so ist (L) nicht (ganzzahlig) lösbar. (ii) Ist d | c (etwa wenn (a, b) = 1), so ist (L) lösbar. (iii) Aus einem Lösungspaar x0 , y0 bekommt man wie folgt die Gesamtheit aller Lösungen: x = x0 + h · b d , y = y0 − h · a d durchläuft die Gesamtheit aller Lösungen von (L), wenn h alle ganzen Zahlen durchläuft. Beweis von (iii). ax + by = ax0 + h ab + by0 − h ab = ax0 + by0 = c, somit d d sind die angegebenen Paare Lösungen. Wir zeigen nun, daß jede Lösung von (L) die angegebene Gestalt hat. Dazu können wir b 6= 0 annehmen. Sei x, y ein Lösungspaar von (L), also ax + by = c = ax0 + by0 =⇒ 6.2 ax ≡ c mod |b| =⇒ Zusatz x ≡ x0 mod |b| =⇒ d ax0 ≡ c mod |b| x = x0 + h db mit h ∈ Z =⇒ by = c − ax = = c − a(x0 + h db ) = (c − ax0 ) − b ha = by0 − b ha = d d ha ha = b(y0 − d ) und b 6= 0 =⇒ y = y0 − d . 38 Spezialfall (a, b) = 1: Ist (a, b) = 1 und x0 , y0 eine beliebige Lösung von aX + bY = c, so wird die Lösungseinheit beschrieben durch die Formeln x = x0 + hb, y = y0 − ha, h ∈ Z beliebig. Der Chinesische Restsatz. 6.5 Lemma. Seien m1 > 0 und m2 > 0 teilerfremd. Dann haben die Kongruenzen X ≡ a1 mod m1 X ≡ a2 mod m2 eine gemeinsame Lösung. Zusatz. Die Menge aller gemeinsamen Lösungen besteht aus genau einer Restklasse modulo m1 m2 . Beweis. Es sind z1 , z2 zu finden, so daß a1 + z1 m1 = a2 + z2 m2 . Dann ist x = a1 +z1 m1 = a2 +z2 m2 eine gemeinsame Lösung der obigen Kongruenzen. Äquivalente Aufgabe: Finde z1 , z2 , so daß a2 − a1 = z1 m1 + z2 (−m2 ). Wegen (m1 , −m2 ) = (m1 , m2 ) = 1 gibt es nach 6.3 solche z1 , z2 . Eindeutigkeit der Lösung modulo m1 m2 : Wegen (m1 , m2 ) = 1 gilt nach 2.7: m1 m2 = kgv(m1 , m2 ). Sind x und y Lösungen der beiden Kongruenzen, so ist x ≡ y ≡ a1 mod m1 und x ≡ y ≡ a2 mod m2 , also m1 | (x − y) und m2 | (x − y). Nach 2.6 gilt daher m1 m2 = kgV (m1 , m2 ) | (x − y) =⇒ x ≡ y mod m1 m2 . Ist umgekehrt x gemeinsame Lösung und y ≡ x mod m1 m2 , so gilt auch y ≡ x mod m1 und y ≡ x mod m2 . Es folgt y ≡ x ≡ a1 mod m1 , y ≡ x ≡ a2 mod m2 , d.h. y ist ebenfalls gemeinsame Lösung. 6.6 Der Chinesische Restsatz. Sei r ≥ 2 und seien m1 , . . . , mr positiv und paarweise teilerfremd (d.h. (mi , mj ) = 1 falls i 6= j). Dann hat das System von Kongruenzen X ≡ a1 mod m1 X ≡ a2 mod m2 (∗) .. . X ≡ a mod m n n 39 eine gemeinsame Lösung. Zusatz. Die Menge der gemeinsamen Lösungen besteht aus genau einer Restklasse modulo m = m1 · . . . · mr . Beweis. (Induktion nach r.) Für r = 2 bewiesen in 6.5. Sei r > 2 und die Behauptung sei für r − 1 schon bewiesen. Induktionsschluß: Es gibt nach Annahme eine Zahl a0 , so daß die Lösungsmenge von X ≡ a1 mod m1 .. (∗∗) . X ≡ a r−1 mod mr−1 aus allen Zahlen x mit x ≡ a0 mod (m1 · . . . · mr−1 ) besteht. M.a.W.: Die Lösungsmenge von (∗∗) stimmt mit der Lösungsmenge der Kongruenz X ≡ a0 mod (m1 · . . . · mr−1 ) überein. Daher stimmt die Lösungsmenge von (∗) mit der Lösungsmenge von X ≡ a0 mod (m1 · . . . · mr−1 ) (∗ ∗ ∗) X ≡ ar mod mr überein. Dabei ist auch (m1 · . . . · mr−1 , mr ) = 1, da (mi , mr ) = 1 für i = 1, . . . , r − 1. Nach 6.5 ist daher (∗ ∗ ∗) lösbar, und die Lösungsmenge besteht aus genau einer Restklasse modulo (m1 · . . . · mr−1 )mr = m. Verfahren zur Lösung einer simultanen linearen Kongruenz. Seien Kongruenzen X ≡ ai mod mi , i = 1, . . . , r vorgegeben mit paarweise teilerfremden m1 , . . . , mr . Q 1. Schritt. Setze bi = mj für i = 1, . . . , r j6=i 2. Schritt. Löse die Kongruenzen bi Xi ≡ ai mod mi . Dies ist nach 6.1 möglich, denn (bi , mi ) = 1. 3. Schritt. Berechne x := b1 x1 + b2 x2 + . . . + br xr . Behauptung: x löst das obige System von linearen Kongruenzen. Beweis. mi |bj für i 6= j =⇒ bj xj ≡ 0 mod mi für i 6= j =⇒ x ≡ bi xi ≡ ai mod mi für i = 1, . . . , r. Beispiel. X ≡ 1 mod 2, X ≡ 2 mod 3, X ≡ 4 mod 5. 40 1. m = 2 · 3 · 5 = 30, b1 = 15, b2 = 10, b3 = 6. Löse 2. (a) 15X1 ≡ 1 mod 2 : x1 = 1 (b) 10X2 ≡ 2 mod 3 : x2 = 2 (c) 6X3 ≡ 4 mod 5 : x3 = 4 3. x = b1 x1 + b2 x2 + b3 x3 = 15 · 1 + 10 · 2 + 6 · 4 = 59 x = 59 ist eine Lösung. Die allgemeine Lösung ist 59 + λ · 30, λ∈Z Also sind z.B. auch 59 − 30 = 29 und 59 − 60 = −1 Lösungen. Anmerkung. Beim obigen Lösungsverfahren waren im 2. Schritt Kongruenzen der Form bi X ≡ ai mod mi mit (bi , mi ) = 1 aufgetreten. Bei großen Zahlen hilft Probieren nicht viel: Verfahren zur Lösung einer Kongruenz cX ≡ d mod n mit (c, n) = 1. 1. Schritt. Finde (mit Hilfe des euklidischen Algorithmus) Zahlen y und z, so daß cy + nz = 1 2. Schritt. Setze x := y · d. Dann ist cx ≡ d mod n. (Ändert man x um ein Vielfaches von n ab (x0 = x+kn), so gilt ebenfalls: cx0 = cx+(ck)n ≡ cx ≡ d mod n.) Beweis. cy + nz = 1 =⇒ cy ≡ 1 mod n =⇒ cx = (cy)d ≡ 1 · d = d mod n, also cx ≡ d mod n. Beispiel. 44X ≡ 5 mod 97 : c = 44, d = 5, n = 97 1. Schritt. Zeige daß (44, 97) = 1 und löse 44Y + 97Z = 1 (vgl. §2) 97 = 2 · 44 + 9 44 = 4 · 9 + 8 9 = 1·8+ 1 =⇒ (44, 97) = 1 Liest man den Algorithmus von unten nach oben, so ergibt sich eine Lösung von 44Y + 97Z = 1 (vgl. §2) 41 1 = 9−1·8 8 = 44 − 4 · 9 1 = 9 − 1(44 − 4 · 9) = (−1) · 44 + 5 · 9 1 = (−1)44 + 5 · 9 9 = 97 − 2 · 44 1 = (−1) · 44 + 5(97 − 2 · 44) = 44 · (−11) + 97 · 5 Es folgt y = −11. 2. Schritt. X = y · d = (−11) · 5 = −55 Dann ist auch −55 + 97 = 42 eine Lösung. Fazit: 44 · 42 ≡ 5 mod 97 Probe: 44 · 42 = 1848 1848 : 97 = 19 Rest 5, d.h. 1848 ≡ 5 mod 97. 42 §7 Der kleine Satz von Fermat Polynomkongruenz modulo p. Sei p eine Primzahl, n ≥ 0 und c0 , . . . , cn ∈ Z. Wir betrachten die Kongruenz (∗) c0 + c1 X + . . . + cn−1 X n−1 + cn X n ≡ 0 mod p d.h.: Wir suchen alle x ∈ Z mit der Eigenschaft c0 + c1 x + . . . + cn−1 xn−1 + cn xn ≡ 0 mod p Diese Zahlen nennt man die Lösungen von (∗). Nach 5.5 gilt: (1) Die Lösungsmenge ändert sich nicht, wenn man in (∗) die Koeffizienten c0 , . . . , cn ersetzt durch c00 , . . . , c0n mit ci ≡ c0i mod p. (2) Mit einer Lösung x0 von (∗) ist auch jedes y mit y ≡ x0 mod p eine Lösung von (∗). Also ist die Lösungsmenge von (∗) die Vereinigung von vollen Restklassen modulo p. Daher erklärt man: Definition. Die Anzahl der Lösungen von (∗) ist die Anzahl der Restklassen modulo p, deren Elemente (∗) lösen. (Diese ist auch gleich der Anzahl der Lösungen x0 mit 0 ≤ x0 < p.) 7.1 Satz. Ist p kein Teiler von cn , so hat (∗) höchstens n Lösungen. Beweis. Für n = 0 ist dies klar. Induktionsannahme. 7.1 ist richtig für n − 1. Schluß von n − 1 auf n. Angenommen (∗) habe n + 1 paarweise inkongruente Lösungen x0 , x1 , . . . , xn . Setze für x ∈ Z f (x) := c0 + c1 x + . . . + cn xn . Es gilt dann (wie man nachrechnet) n P f (x) − f (x0 ) = (x − x0 ) ci (xi−1 + x0 xi−2 + . . . + x0i−2 x + x0i−1 ) i=1 = (x − x0 )g(x), wobei g(X) ein Polynom der Form g(X) = b0 + b1 X + . . . + bn−1 X n−1 ist mit bn−1 = cn , p - bn−1 Speziell gilt für X = xk , k = 1, . . . , n: (xk − x0 )g(xk ) = f (xk ) − f (x0 ) ≡ 0 − 0 ≡ 0 mod p, und nach Annahme ist 43 (xk − x0 ) 6≡ 0 mod p. Also gilt p|(xk − x0 )g(xk ), p - xk − x0 =⇒ p|g(xk ), d.h. die Kongruenz g(X) ≡ 0 mod p hat die n paarweise inkongruenten Lösungen x1 , . . . , xn . Dies widerspricht der Induktionsannahme. Also ist die Annahme falsch, daß (∗) n + 1 inkongruente Lösungen hat. Definition. Die zahlentheoretische Funktion ϕ : N\{0} −→ N\{0} m 7−→ Anzahl der zu m teilerfremden Zahlen b mit 1 ≤ b ≤ m heißt Eulersche ϕ–Funktion. Beispiele. ϕ(1) = 1, ϕ(2) = 1, ϕ(3) = 2, ϕ(4) = 2, ϕ(5) = 4, ϕ(6) = 2, ϕ(7) = 6, ϕ(8) = 4, ϕ(9) = 6, ϕ(10) = 4, ϕ(11) = 10, ϕ(12) = 4, . . . Ist b ≡ a mod m, so gilt nach 5.6: (a, m) = (b, m). Insbesondere: Es gibt genau ϕ(m) Restklassen modulo m, welche sämtlich aus zu m teilerfremden Zahlen bestehen. Sie heißen die primen Restklassen modulo m. Die übrigen Zahlen haben mit m einen Teiler t > 1 gemeinsam. Definition. Ein reduziertes Restsystem modulo m ist ein System von ϕ(m) paarweise inkongruenten Zahlen mod m, welche zu m teilerfremd sind. Man erhält es aus einem vollständigen Restsystem modulo m, indem man alle Zahlen wegläßt, die mit m einen Teiler t > 1 gemeinsam haben. Beispiele. m=6: 1 1 m=7: 0 1 − 1 2 − 2 2 3 − 3 3 4 − 4 4 5 5 5 5 6 − 6 6 ist ist ist ist ein ein ein ein vollständiges Restsystem reduziertes Restsystem vollständiges Restsystem reduziertes Restsystem Es soll nun gezeigt werden, daß ϕ multiplikativ ist. 7.2 Bemerkung. Ist a1 , . . . , aϕ(m) ein reduziertes Restsystem mod m und ist (a, m) = 1, so ist auch a1 a, . . . , aϕ(m) a ein solches. Dies ergibt sich sofort aus 5.6. 44 7.3 Lemma. Seien a > 0, b > 0 und (a, b) = 1. Durchläuft x ein vollständiges Restsystem mod b und y ein vollständiges Restsystem mod a, so durchläuft ax + by ein vollständiges Restsystem mod ab. Beweis. Zu zeigen: Die ab Zahlen ax+by sind paarweise inkongruent modulo ab, wenn x und y vollständige Restsysteme mod b bzw. mod a durchlaufen; M.a.W.: Aus ax1 + by1 ≡ ax2 + by2 mod ab folgt x1 ≡ x2 mod b und y1 ≡ y2 mod a. Bew.: ax1 + by1 ≡ ax2 + by2 mod ab =⇒ a1 x1 + by1 ≡ ax2 + by2 mod b =⇒ ax1 ≡ ax2 mod b. Wegen (a, b) = 1 folgt nach 5.6: x1 ≡ x2 mod b. Analog zeigt man y1 ≡ y2 mod a. 7.4 Lemma. Das Lemma 7.3 bleibt richtig, wenn man darin vollständig“ ” durch reduziert“ ersetzt. ” Beweis. Nach dem Beweis von 7.3 ist noch zu zeigen: (x, b) = (y, a) = 1 ⇐⇒ (ax + by, ab) = 1 ⇐=“: Sei d := (x, b) > 1 : d | x und d | b =⇒ d | ax + by ” und d | ab =⇒ (ax + by, ab) ≥ d > 1. Analog folgt (ax + by, ab) > 1 aus (y, a) > 1. =⇒“: Sei (x, b) = (y, a) = 1. Zu zeigen: (ax + by, ab) = 1 ” Angenommen die Primzahl p teilt (ax + by, ab) =⇒ p | ab. Wir können annehmen, daß p | a. Aus p | ax + by und p | a folgt p | by =⇒ p | y Wegen (a, b) = 1 und p | a folgt p - b p | a und p | y widerspricht aber (y, a) = 1. Aus 7.3 und 7.4 ergibt sich 7.5 Korollar. Seien a > 0, b > 0 und (a, b) = 1. Dann ist ϕ(ab) = ϕ(a)ϕ(b) ϕ ist also eine multiplikative Funktion. Zur Berechnung von ϕ(a) müssen wir also nur noch ϕ(pn ), n ≥ 1, p Primzahl kennen. 7.6 Satz. Für a = pn , n ≥ 1 ist 1 ϕ(pn ) = pn (1 − ) p 45 Beweis. Für k ∈ N = {1, 2, . . . , pn } gilt offenbar: (k, pn ) 6= 1 ⇐⇒ p | k ⇐⇒ k ∈ {1 · p, 2 · p, 3 · p, . . . , pn−1 · p} =: M M hat pn−1 Elemente; also besteht N \M aus pn − pn−1 Elementen und N \M = {x | 1 ≤ x ≤ pn und (x, pn ) = 1}, d.h. ϕ(pn ) = Anzahl der Elemente von N \M = pn − pn−1 = pn (1 − p1 ). 7.7 Korollar. Sei a > 1 und a = pe11 · . . . · perr , r ≥ 1, eρ ≥ 1 die kanonische Zerlegung von a. Dann ist r Y 1 ϕ(a) = a 1− pρ ρ=1 Beweis. Da die Zahlen pe11 , . . . , perr paarweise teilerfremd sind, ergibt sich rekursiv aus 7.5 ϕ(a) = ϕ(pe11 ) · . . . · ϕ(perr ) Wegen 7.6 gilt daher ϕ(a) = r Y 1 1 1 er 1− · . . . · pr 1 − =a 1− p1 pr pρ ρ=1 pe11 7.8 Der kleine Satz von Fermat. Sei m > 1. Dann gilt (a, m) = 1 ⇐⇒ aϕ(m) ≡ 1 mod m Beweis. ⇐=“: Sei aϕ(m) ≡ 1 mod m. Dann ist nach 5.6 ” 1 = (1, m) = (aϕ(m) , m), also auch (a, m) = 1. =⇒“: Sei (a, m) = 1 und a1 , . . . , aϕ(m) ein reduziertes Restsystem mod m. ” Dann ist nach 7.2 auch aa1 , . . . , aaϕ(m) ein solches. Nach 5.6 folgt: aϕ(m) ϕ(m) Q n=1 ϕ(m) Q ϕ(m) Q n=1 ϕ(m) Q n=1 (aan ) ≡ an ≡ 1 · an mod m, also an mod m. Kürzen ergibt aϕ(m) ≡ 1 mod m. n=1 (Kürzen ist nach 5.6 wegen (a1 · . . . · aϕ(m) , m) = 1 erlaubt.) Mit ϕ(p) = p − 1 ergibt sich 46 7.9 Korollar. Für p - a ist ap−1 ≡ 1 mod p. Also gilt ap ≡ a mod p für jedes a ∈ Z. 7.10 Satz von Wilson. (p − 1)! ≡ −1 mod p. M.a.W.: (p − 1)! + 1 ist ein Vielfaches von p. Beweis. Betrachte das Polynom f (X) := X p−1 − 1 − p−1 Y (X − m) m=1 Es ist von der Form f (X) = c0 + c1 X + . . . + dp−2 X p−2 . Betrachte die Polynomkongruenz (∗) c0 + c1 X + . . . + cp−2 X p−2 ≡ 0 mod p Nach 7.9 gilt für a ∈ {1, 2, . . . p − 1} : f (a) = ap−1 − 1 ≡ 0 mod p, d.h.: (∗) hat p − 1 Lösungen. Nach 7.1 kann das nur sein, wenn ci ≡ 0 mod p für i = 0, 1, . . . , p − 2. p−1 Q Nun gilt aber c0 = f (0) = −1 − (−m) = −1 − (−1)p−1 (p − 1)! m=1 Also ist −1 ≡ (−1)p−1 (p − 1)! mod p. Für p ≥ 3 ist p ungerade, also (−1)p−1 = 1 und daher (−1) ≡ (p − 1)! mod p Es gilt auch (2 − 1)! ≡ −1 mod 2, da 1 ≡ −1 mod 2. 7.11 Satz. Sei d ein positiver Teiler von p − 1. Dann hat die Kongruenz X d ≡ 1 mod p genau d Lösungen. Beweis. Sei e ∈ N mit de = p − 1. Nach der Formel für die geometrische Reihe ist p−1 d d d 2 d e−1 X −1= X −1 1+X + X + ... + X = X d − 1 g (X) Wegen (X d )e−1 = X d(e−1) ist g(X) ein Polynom vom Grad d(e − 1). Es folgt 47 (1) g(X) ≡ 0 mod p hat höchstens d(e − 1) Lösungen (7.1) (2) X p−1 − 1 ≡ 0 mod p hat genau ϕ(p) = p − 1 Lösungen (7.8) a löst X p−1 − 1 ≡ 0 mod p =⇒ p | ap−1 − 1 = (ad − 1)g(a) =⇒ p | ad − 1 oder p | g(a) =⇒ a löst X d − 1 ≡ 0 mod p oder a löst g(x) ≡ 0 mod p. Also gilt (3) a ist Lösung von X p−1 − 1 ≡ 0 mod p =⇒ a ist Lösung von g(X) ≡ 0 mod p oder von X d − 1 ≡ 0 mod p. Aus (1) bis (3) folgt: X d −1 ≡ 0 mod p hat mindestens p−1−d(e−1) Lösungen. Aber p − 1 − d(e − 1) = d und nach 7.1 gilt auch (4) X d − 1 ≡ 0 mod p hat höchstens d Lösungen. p−1 7.12 Korollar. Sei p ≥ 3. Dann hat X 2 ≡ 1 mod p genau nämlich die Restklassen von 12 , 22 , . . . , ( p−1 )2 . 2 p−1 2 Lösungen, p−1 Beweis. (a2 ) 2 ≡ ap−1 ≡ 1 mod p für a 6≡ 0 mod p nach 7.8. Nach 7.11 ist noch zu zeigen: 12 , 22 , . . . , ( p−1 )2 sind paarweise inkongruent 2 modulo p. mit a2 ≡ b2 mod p. Angenommen es existieren a, b mit 1 ≤ a < b ≤ p−1 2 Dann ist (p − a)2 ≡ (−a)2 ≡ a2 mod p und die Kongruenz X 2 ≡ a2 mod p hat die drei Lösungen a, b und p − a, wobei p>p−a≥p− p+1 p−1 = > b > a ≥ 1, 2 2 im Widerspruch zu 7.1. 7.13 Korollar. Sei p ≥ 3. Die Kongruenz X 2 ≡ −1 mod p hat eine Lösung (das ist ein x mit p | x2 + 1), wenn p ≡ 1 mod 4 und keine Lösung, wenn p ≡ 3 mod 4. Beispiele. 3 ≡ 3 mod 4 : 3 - 12 + 1, 3 - 22 + 1 = 5, also gibt es kein x ∈ N mit x2 ≡ −1 mod 3 5 ≡ 1 mod 4 : 5 | 22 + 1 = 5 22 ≡ −1 mod 5 13 ≡ 1 mod 4 : 13 | 26 = 52 + 1 52 ≡ −1 mod 5 7 ≡ 3 mod 4 : Nach 7.13 gibt es kein x ∈ N mit 7 | x2 + 1, d.h. x2 ≡ 1 mod 7 48 Beweis von 7.13 Ist a2 ≡ −1 mod p, so ist nach 7.8 (−1) p−1 2 ≡ ap−1 ≡ 1 mod p p−1 ist Dann muß (−1) 2 = 1 sein, da −1 6≡ 1 mod p für p ≥ 3. Es folgt: p−1 2 gerade, d.h. 4 | p − 1, d.h. p ≡ 1 mod 4. Ist umgekehrt p ≡ 1 mod 4, so ist p−1 (−1) 2 ≡ 1 mod p und daher −1 ≡ a2 mod p mit 1 ≤ a ≤ p−1 nach 7.12. 2 Wir haben also gesehen: Zusatz. Ist p ≡ 1 mod 4, so gibt es ein a mit 1 ≤ a ≤ mod p. p−1 , 2 so daß a2 ≡ −1 7.14 Teilersummenformel. Für alle m ≥ 1 gilt X ϕ(d) = m d|m d≥1 Beweis. Nach 7.5 ist ϕ multiplikativ. Nach Satz 4.4 ist dann auch φ(m) = P ϕ(d) multiplikativ, ebenso wie χ(m) = m. d|m d≥1 Es genügt daher, 7.14 für Primzahlpotenzen pn , n ≥ 1 zu beweisen. Es ist ϕ(1) = 1 und ϕ(pk ) = pk − pk−1 für 1 ≤ k ≤ n. Daher ist φ(pn ) = ϕ(1) + ϕ(p) + . . . + ϕ(pn−1 ) + ϕ(p) = 1 + (p − 1) + . . . + (pn−1 − pn−2 ) + (pn − pn−1 ) = pn 49 §8 Summen von Quadraten A. Summen von zwei Quadraten. Sei p eine Primzahl. Beispiele. 2 = 12 + 12 , 5 = 12 + 22 , 13 = 22 + 32 Aber 3 und 7 sind nicht Summen von zwei Quadraten. 8.1 Satz. Genau dann ist p Summe von zwei Quadraten, wenn entweder p = 2 oder p ≡ 1 mod 4(p = 2, 5, 13, 17, 29, . . .). Beweis. 2 = 12 + 12 . Sei p ≥ 3. Dann ist p ≡ 1 mod 4 oder p ≡ 3 mod 4. 1. Sei p ≡ 3 mod 4 z ≡ 1 mod 4 =⇒ z 2 ≡ 1 mod 4 z ≡ 2 mod 4 =⇒ z 2 ≡ 0 mod 4 z ≡ 3 mod 4 =⇒ z 2 ≡ 9 ≡ 1 mod 4 z ≡ 0 mod 4 =⇒ z 2 ≡ 0 mod 4 Also ist für alle z ∈ Z : z 2 ≡ 0 mod 4 oder z 2 ≡ 1 mod 4. Es folgt: x2 + y 2 ≡ 0, 1 oder 2 mod 4 für alle x, y ∈ Z. Insbesondere ist x2 + y 2 6= p für alle x, y ∈ Z. 2. Sei p ≡ 1 mod 4. Nach 7.13 gibt es ein x0 ∈ Z, 0 < x0 < 2 x20 ≡ −1 mod p, d.h. x20 + 1 = k · p < p4 + 1 < p2 . Kürzen ergibt 1 ≤ k < p. Damit gibt es ein k, 1 ≤ k < p, so daß die Gleichung (1) p 2 mit X 2 + Y 2 = kp eine Lösung x0 , y0 aus Z hat. Sei k die kleinste positive ganze Zahl, so daß (1) lösbar ist. Behauptung. k = 1, und somit existieren x0 , y0 mit x20 + y02 = p. Beweis. Angenommen k ≥ 2. (Wir konstruieren ein l, 1 ≤ l < k, so daß X 2 + Y 2 = lp eine Lösung hat, im Widerspruch zur Minimalität von k. Also ist tatsächlich k = 1.) Seien also x0 , y0 ∈ N mit x20 + y02 = kp und 2 ≤ k < p. Angenommen k | x0 und k | y0 . Dann ist k 2 | kp, im Widerspruch zu 2 ≤ k < p. Wir können also annehmen, daß k - x0 . Nach 5.4 existiert ein vollständiges Restsystem modulo k aus Zahlen z mit |z| ≤ k2 . Wähle also x1 und y1 mit x0 ≡ x1 mod k, y0 ≡ y1 mod k und |x1 | ≤ 50 k k , |y1 | ≤ 2 2 Dann gilt: x21 + y12 ≡ x20 + y02 ≡ 0 mod k, wobei x1 6= 0, da k - x0 . Es folgt: x21 + y12 = lk mit lk ≥ x21 ≥ 1 und lk = x21 + y12 ≤ 2( k2 )2 = l ≤ k2 < k. k 2 · k, also Verwende nun die folgende allgemeine Identität für Quadrupel z1 , z2 , z3 , z4 von Zahlen (nachrechnen!) (2) (z12 + z22 )(z32 + z42 ) = (z1 z3 + z2 z4 )2 + (z1 z4 − z2 z3 )2 Wende (2) an auf das Quadrupel x0 , y0 , x1 , y1 . Erhalte (3) kplk = (x20 + y02 )(x21 + y12 ) = (x0 x1 + y0 y1 )2 + (x0 y1 − x1 y0 )2 = x̃22 + ỹ22 , wobei x̃2 = x0 x1 + y0 y1 ≡ x20 + y02 ≡ 0 mod k ỹ2 = x0 y1 − x1 y0 ≡ x0 y0 − x0 y0 ≡ 0 mod k wegen x0 ≡ x1 und y0 ≡ y1 mod k. Also ist x̃2 = kx2 , ỹ2 = ky2 . Kürze in (3) durch k 2 , erhalte x22 + y22 = pl, 1 ≤ l < k < p, im Widerspruch zur Minimalität von k. Also ist die Annahme falsch und k = 1. Frage: Wann schreibt sich ein beliebiges m ∈ N (m kein Quadrat) als Summe von zwei Quadraten? 8.2 Satz. Sei m > 1 kein Quadrat. Schreibe m in der Form m = 2e dp1 · . . . · pr , d = n2 ≥ 1, 2 < p1 < · . . . · < pr Primzahlen, r ≥ 0, e ∈ {0, 1}. Genau dann ist m die Summe von zwei Quadraten, wenn pi ≡ 1 mod 4 für alle i = 1, . . . , r. Beweis. ⇐=“ Sei p1 ≡ p2 ≡ . . . ≡ pr ≡ 1 mod 4. ” Nach 8.1 sind dann p1 , . . . , pr Summen von zwei Quadraten, ebenso wie d = n2 + 02 und 2 = 12 + 12 . Aus (2) folgt durch Induktion nach r : m = 2 · . . . · 2 · d · p1 · . . . · pr ist ebenfalls Summe von zwei Quadraten. =⇒“ Angenommen 8.2 ist falsch. Dann gibt es ein kleinstes Gegenbeispiel ” zu 8.2, also eine kleinste Zahl m > 1 der Form m = 2e dp1 · . . . · pr wie im Satz und ohne Einschränkung p1 = p ≡ 3 mod 4, so daß m Summe von zwei Quadraten ist. Schreibe m in der Form (4) m = l · p2k+1 , k ≥ 0, (l, p) = 1, p ≡ 3 mod 4 51 Nach Annahme ist x2 + y 2 = m, p | m. m ist kein Quadrat, also x 6= 0 und y 6= 0. Es folgt p - y, da sonst p | y, p | x und daher p2 | x2 + y 2 = m und ( xp )2 +( yp )2 = pm2 = m0 ; m0 erfüllt die Voraussetzungen von 8.2, im Widerspruch zur Minimalität von m. Also ist p - y. Aus 7.9 folgt: y p−1 ≡ 1 mod p. Wegen x2 ≡ −y 2 mod p folgt (xy p−2 )2 ≡ x2 (y p−2 )2 ≡ −y 2 (y p−2 )2 = −(y p−1 )2 ≡ −1 mod p Setze z := xy p−2 . Dann ist z 2 ≡ −1 mod p und p ≡ 3 mod 4. Dies ist ein Widerspruch zu 7.13. Also gilt 8.2. B. Summen von vier Quadraten. 8.3 Satz. Jede Zahl m ≥ 0 ist die Summe von vier Quadraten. Beweis. Wir benutzen die folgende Identität (nachrechnen!) (5) (x21 + x22 + x23 + x24 )(y12 + y22 + y32 + y42 ) = d21 + d22 + d23 + d24 , wobei d1 d2 d3 d4 = = = = x1 y1 + x2 y2 + x3 y3 + x4 y4 x1 y2 − x2 y1 + x3 y4 − x4 y3 x1 y3 − x3 y1 + x4 y2 − x2 y4 x1 y4 − x4 y1 + x2 y3 − x3 y2 Insbesondere folgt induktiv: Sind a1 , . . . , an Summen von vier Quadraten, so ist auch a1 · . . . · an Summe von vier Quadraten. Ferner ist 0 = 02 + 02 + 02 + 02 , 1 = 12 + 02 + 02 + 02 , 2 = 12 + 12 + 02 + 02 . Wegen (5) genügt es also, die Behauptung für Primzahlen p ≥ 3 zu beweisen. I. Sei p ≥ 3 vorgegeben. Konstruiere ein k, 1 ≤ k < p, so daß X12 + X22 + X32 + X42 = kp lösbar ist: )2 } paarweise Nach 7.12 sind die Elemente von S = {02 , 12 , . . . ( p−1 2 inkongruent modulo p. Dies gilt dann auch für die Menge T = {−1−q | q ∈ S}. Offenbar sind S und T disjunktiv. Daher besteht S ∪ T aus p + 1 Elementen. Zwei davon müssen kongruent sein, und sie können nicht beide zu S bzw. T gehören. Also existieren s ∈ S und t ∈ T mit s ≡ t mod p. Es folgt s = x2 , t = −1 − y 2 , 0 ≤ x, y ≤ p−1 und x2 ≡ −1 − y 2 mod p, d.h. 2 p−1 2 2 2 2 x + y + 1 + 0 = kp, 0 ≤ x, y ≤ 2 , k ≥ 1 52 Aus 0 ≤ x, y < p 2 2 folgt 1 ≤ kp < 2 p4 + 1 = p2 2 + 1 < p2 , also 1 ≤ k < p. Also gibt es ein k mit 1 ≤ k < p, so daß (6) X12 + X22 + X32 + X42 = kp eine Lösung hat. Wähle k minimal mit diesen Eigenschaften. II. Es ist noch zu zeigen, daß k = 1 ist. Wir nehmen an, daß k ≥ 2 ist und führen dies zum Widerspruch. Wähle x1 , x2 , x3 , x4 aus N mit x21 + x22 + x23 + x24 = kp. Teilt k alle xi , so teilt k 2 auch kp, und k = p, Widerspruch. Also ist o.E. k - x1 . 1. Fall: k ist gerade. Wegen x21 + x22 + x23 + x24 = kp gerade können 3 Fälle auftreten: (i) alle xi gerade (ii) alle xi ungerade (iii) x1 , x2 gerade und x3 , x4 ungerade (nach evtl. Umordnung) In jedem Fall sind x1 + x2 , x1 − x2 , x3 + x4 , x3 − x4 sämtlich gerade. 2 2 4 4 =⇒ y1 = x1 +x , y2 = x1 −x , y3 = x3 +x , y4 = x3 −x sind alle ganz, und 2 2 2 4 k 1 2 2 2 2 2 2 2 2 y1 + y2 + y3 + y4 = 2 (x1 + x2 + x3 + x4 ) = 2 · p mit 1 ≤ k2 < k < p, im Widerspruch zur Minimalität von k. 2. Fall: k ist ungerade. Nach 5.4 existieren y1 , y2 , y3 , y4 mit xi ≡ yi mod k und |yi | ≤ k−1 , i = 1, 2, 3, 4. 2 Nach Voraussetzung ist y1 6= 0. Es folgt y12 + y22 + y32 + y42 ≡ x21 + x22 + x23 + x24 ≡ 0 mod k, also 0 6= k 0 k = y12 + y22 + y32 + y42 < 4( k2 )2 = k 2 und 1 ≤ k 0 < k. Nach (5) gilt d21 + d22 + d23 + d24 = (x21 + x22 + x23 + x24 )(y12 + y22 + y32 + y42 ) = kpk 0 k. Wegen x1 ≡ yi mod k gilt: 53 d1 ≡ x1 y1 + x2 y2 + x3 y3 + x4 y4 ≡ x21 + x21 + x23 + x24 ≡ 0 mod k und d2 ≡ x1 x2 − x2 x1 + x3 x4 − x4 x3 ≡ 0 mod k, d.h. k | d1 und k | d2 Analog zeigt man: k | d3 und k | d4 . Also sind die zi = dki ganz und z12 + z22 + z32 + z42 = k 0 p, 1 ≤ k 0 < k < p im Widerspruch zur Minimalität von k. Also ist k = 1 und es existieren x1 , x2 , x3 , x4 ∈ N mit x21 + x22 + x23 + x24 = p C. Summen von drei Quadraten. 8.4 Satz. Eine ganze Zahl m > 1 ist genau dann Summe von drei Quadraten, wenn sie nicht von der Form m = 4a b, a ≥ 0 und b ≡ 7 mod 8 ist. (Beispielsweise ist 7 = 40 · 7 ist nicht Summe von drei Quadraten.) Wir beweisen nur die einfache Richtung: Sei m = 4a b, a ≥ 0, b ≡ 7 mod 8. Zeige, daß m nicht Summe von drei Quadraten ist. Induktion nach a. a = 0 =⇒ m = b ≡ 7 mod 8. Modulo 8 gerechnet gilt: z ≡ 0 ⇒ z 2 ≡ 0; z ≡ 1 ⇒ z 2 ≡ 1; z ≡ 2 ⇒ z 2 ≡ 4, z ≡ 3 ⇒ z 2 ≡ 1 z ≡ 4 ⇒ z 2 ≡ 0; z ≡ 5 ⇒ z 2 ≡ 1; z ≡ 6 ⇒ z 2 ≡ 4, z = 7 ⇒ z 2 ≡ 1 Also ist für alle n ∈ Z n2 ≡ 0, 1, oder 4 modulo 8 und x2 + y 2 + z 2 ≡ 0, 1, 2, 3, 4, 5 oder 6 modulo 8; insbesondere ist x2 +y 2 +z 2 6≡ 7 für x, y, z ∈ N. Schluß von a − 1 auf a. Sei a ≥ 1 und sei schon gezeigt, daß 4a−1 b nicht Summe von 3 Quadraten ist, wenn b ≡ 7 mod 8. Angenommen 4a b = x2 + y 2 + z 2 ⇒ x2 + y 2 + z 2 ≡ 0 mod 4(a ≥ 1). Im Beweis von 8.1 gesehen: x2 , y 2 , z 2 ≡ 0 oder 1 mod 4. Zusammen mit x2 + y 2 + z 2 ≡ 0 mod 4 ergibt sich: x2 ≡ y 2 ≡ z 2 ≡ 0 mod 4. Dann sind aber x2 , y2 , z2 ganz und 4a−1 b = ( x2 )2 + ( y2 )2 + ( z2 )2 , im Widerspruch zur Induktionsannahme. 54 §9 Pythagoras–Tripel Nach Pythagoras gilt: In einem rechtwinkligen Dreieck mit den Katheden a und b und der Hypothenuse c ist a2 + b 2 = c 2 Speziell gilt die sogenannte Zimmermannsregel. Drei Latten der Länge 3, 4 und 5 Meter ergeben zusammengenagelt ein rechtwinkliges Dreieck, denn 32 + 42 = 52 Definition. x, y, z heißt Pythagoras–Tripel, wenn x, y und z positive Zahlen sind mit x2 + y 2 = z 2 Frage: Wie verschafft man sich einen Überblick über alle Pythagoras–Tripel? 9.1 Bemerkung. Sei x, y, z ein Pythagoras–Tripel. Dann gilt: (a) x und y sind nicht beide ungerade. (b) Für alle λ ≥ 1 aus N ist auch λx, λy, λz ein Pythagoras–Tripel. (c) Teilt t die Zahlen x, y und z, so ist auch xt , yt , zt ein Pythagoras–Tripel. Beweis. x, y ungerade =⇒ x2 ≡ y 2 ≡ 1 mod 4 (siehe den Beweis von 8.1) =⇒ x2 + y 2 ≡ 2 mod 4 =⇒ x2 + y 2 ist kein Quadrat (Beweis von 8.1). (b) und (c) sind offensichtlich richtig. Zur Beantwortung obiger Frage genügt es danach, diejenigen Pythagoras– Tripel zu finden mit (i) x, y, z sind (paarweise) teilerfremd, (ii) x ist gerade und y ungerade. Die übrigen Pythagoras–Tripel entstehen aus solchen durch Streckung und evtl. Vertauschung von x und y. 55 9.2 Satz. (Indische Formeln für Pythagoras–Tripel.) (a) Sind a ≥ 1, b ≥ 1 mit a > b, a−b ungerade und (a, b) = 1, so bilden x = 2ab, y = a2 −b2 , z = a2 +b2 ein Pythagoras–Tripel mit den Eigenschaften (i) und (ii) (ein sogenanntes normiertes“ Pythagoras–Tripel). ” (b) Jedes normierte Pythagoras–Tripel x, y, z ist von der Form x = 2ab, y = a2 − b2 , z = a2 + b2 mit a ≥ 1, b ≥ 1, a − b ungerade und (a, b) = 1 (c) Es gibt unendlich viele Pythagoras–Tripel. Beweis. (a) Seien a, b, x, y, z wie in (a) beschrieben. Dann ist x gerade und x2 + y 2 = 4a2 b2 + a4 − 2a2 b2 + b4 = a4 + 2a2 b2 + b4 = (a2 + b2 )2 = z 2 Wegen a − b ungerade ist auch a + b ungerade und daher y = (a + b)(a − b) ungerade. Noch zu zeigen: x und y sind teilerfremd. Angenommen die Primzahl p teilt x und y. =⇒ p ist ungerade und p2 | x2 + y 2 = z 2 =⇒ p ungerade, p | z =⇒ p | y + z = 2a2 und p | y − z = 2b2 und p ungerade =⇒ p | a und p | b, im Widerspruch zu (a, b) = 1. (c) a durchlaufe alle ungeraden Primzahlen p und b := 2. Das Paar a, b erfüllt dann die Voraussetzungen von (a). Also ist nach (a) 4p, p2 − 4, p2 + 4 ein normiertes Pythagoras–Tripel für alle Primzahlen p ≥ 3. (b) Sei x, y, z ein normiertes Pythagoras–Tripel. =⇒ z 2 = x2 + y 2 ist ungerade =⇒ z ungerade; y ungerade =⇒ z ± y gerade =⇒ x2 = · z+y , x0 ≥ 1. (z − y)(z + y) = 4x20 =⇒ x = 2x0 , x20 = z−y 2 2 z+y Behauptung. z−y , =1 2 2 Beweis. Angenommen die Primzahl p teilt p2 | (z − y)(z + y) = z 2 − y 2 = x2 . z±y 2 =⇒ p | z+y 2 − z−y 2 = y und Es folgt p | y und p | x, im Widerspruch zur Voraussetzung. Also ist z−y z+y , 2 = 1 und z−y · z+y = x20 ist ein Quadrat =⇒ z−y = b2 , z+y = 2 2 2 2 2 2 a , a ≥ 1, b ≥ 1. 56 − z−y = a2 − b 2 , z = =⇒ x20 = a2 b2 =⇒ x0 = ab =⇒ x = 2x0 = 2ab, y = z+y 2 2 z−y z+y 2 2 + 2 = a + b =⇒ (a, b) | x und (a, b) | y und (x, y) = 1 =⇒ (a, b) = 1 2 y = a2 − b2 = (a + b)(a − b) ungerade =⇒ a − b ungerade. Der große Satz von Fermat. (Andrew Wiles, Oktober 1994) Für n ≥ 3 hat die Gleichung X n +Y n = Z n keine positive ganzzahlige Lösung x, y, z. (Ein Highlight der Mathematik.) Wir notieren hier den Beweis für n = 4, der von Fermat stammt. Euler hat den (schwierigen) Fall n = 3 bewiesen. 9.3 Satz. Die Gleichung (1) X4 + Y 4 = Z4 hat keine Lösung in positiven ganzen Zahlen x, y, z. Beweis. Zeige, daß die Gleichung (2) X4 + Y 2 = Z4 keine positive ganzzahlige Lösung hat. Dann hat auch (1) keine solche Lösung; denn wäre x4 + y 4 = z 4 so wäre x4 + w2 = z 4 mit w = y 2 eine Lösung von (2). Angenommen es gibt positive ganze Zahlen x, y, z mit x4 + y 2 = z 4 . Sei x, y, z ein solches Tripel mit minimalen z. Dann sind x, y, z paarweise teilerfremd, denn: Ist p ein gemeinsamer Primteiler von zwei dieser Zahlen, so teilt p (wegen x4 + y 2 = z 4 ) auch die dritte 4 2 4 y z x 4 2 4 4 2 + , im = Zahl und p | y = z − x , also p | y. Es folgt 2 p p p Widerspruch zur Minimalität von z. Es gilt: (x2 )2 +y 2 = (z 2 )2 , also ist x2 , y, z 2 ein Pythagoras Tripel aus paarweise teilerfremden Zahlen. 1. Fall. x2 ist ungerade und y gerade. Nach 9.2 gibt es a ≥ 1, b ≥ 1 mit (a, b) = 1, a − b > 0 ungerade und x2 = a2 − b2 , y = 2ab und z 2 = a2 + b2 . Es folgt: (xz)2 = x2 z 2 = (a2 − b2 )(a2 + b2 ) = a4 − b4 , also b4 + (xz)2 = a4 und a2 < z 2 , also a < z. Dies steht im Widerspruch zur Minimalität von z. 2. Fall. x2 ist gerade und y ungerade. Nach 9.2 gibt es a > b ≥ 1 mit x2 = 2ab, y = a2 − b2 , z 2 = a2 + b2 und (a, b) = 1. Wegen y = a2 − b2 ungerade 57 ist a − b ungerade. Es folgt x2 = 2αβ, z 2 = α2 + β 2 , α ungerade, β gerade (α, β) = 1. Wende erneut 9.2 an und zwar auf z 2 = α2 + β 2 : Es gibt r ≥ 1, s ≥ 1 mit z = r2 + s2 , α = r2 − s2 , β = 2rs und (r, s) = 1. Es ist x2 = 2αβ = (r2 − s2 )4rs; r, s und r2 − s2 sind paarweise teilerfremd. Wegen x2 = (r2 − s2 )4 · r · s sind daher r, s und r2 − s2 Quadrate: r = u2 , s = v 2 , r2 − s2 = w2 , also v 4 + w2 = s2 + (r2 − s2 ) = r2 = u4 . Ferner ist u ≤ u4 = r2 < r2 + s2 = z. Dies steht im Widerspruch zur Minimalität von z. Also ist die zu Anfang des Beweises gemachte Annahme falsch und (2) hat keine positive ganzzahlige Lösung. 9.4 Korollar. x (a) Auf dem EinheitskreisK = { ∈ R2 | x2 + y 2 = 1} liegen unendlich y viele Punkte mit rationalen Koordinaten x und y. x (b) Auf der Kurve C = { ∈ R2 | x4 +y 4 = 1} liegen außer den Punkten y ±1 0 und keine Punkte mit rationalen Koordinaten. 0 ±1 Beweis. (a) Ist a, b, c ein normiertes Pythagoras–Tripel, so ist a2 + b2 = c2 , also ! a c b c ( ac )2 + ( cb )2 = 1, d.h. der Punkt liegt auf dem Kreis K und hat rationale Koordinaten. Für verschiedene normierte Pythagoras Tripel a, b, c und a0 , b0 , c0 sind ! ! 0 auch die Punkte a c b c und a c0 b0 c0 0 0 verschieden, denn die Brüche ac , cb , ac0 , cb0 liegen in gekürzter Form vor. Aus 9.2(c) folgt die Behauptung. x (b) Sei ∈ C mit rationalen Zahlen x, y. Ist x = 0 oder y = 0, so ist y y = ±1 oder x = ±1. 58 Angenommen x 6= 0 und y 6= 0, o.E. x > 0 und y > 0. Sei d der Hauptnenner von x und y: Dann ist d4 (x4 + y 4 ) = d4 · 1 = d4 , also (dx)4 + (dy)4 = d4 mit positiven ganzen Zahlen dx, dy und d, im Widerspruch zu 9.3. 59 Kapitel II. Algebraische Grundbegriffe §1 Ringe und Körper Für das Rechnen in Z haben wir in Kap. I, §1 Regeln aufgestellt, welche auch in Q und R gelten. Damit werden Z, Q und R zu Ringen im folgenden Sinn: Sei R eine Menge, auf der zwei Verknüpfungen, + ( plus“, Addition) und ” · ( mal“, Multiplikation), erklärt sind. ” Definition. R, zusammen mit den Operationen + und ·, (kurz (R, +, ·)“) ” heißt ein Ring, wenn Addition und Multiplikation den folgenden sechs Axionen genügen: Addition +“ Multiplikation ·“ ” ” 1. Eindeutige Ausführbarkeit Zu je zwei Elementen a, b ∈ R existiert in R in eindeutiger Weise die Summe a + b das Produkt a · b Für a, b, c ∈ R gelten die folgenden Gesetze: 2. Assoziativgesetze (a · b) · c = a · (b · c) (a + b) + c = a + (b + c) a+b=b+a 3. Kommutativgesetze a·b=b·a 4. Existenz neutraler Elemente Es gibt ein Element n ∈ R, Es gibt ein Element e ∈ R, so daß für jedes a ∈ R gilt: so daß für jedes a ∈ R gilt: a+n=a a·e=a Es ist e 6= n. 60 Bezeichnung: n nennt man Nullelement und e Einselement des Rings R. Bemerkung: Sind 3. und 4. erfüllt, so hat R genau ein Nullelement und genau ein Einselement. Wir bezeichnen diese (wie in Z) mit 0 ( Null“) und ” 1 ( Eins“). ” Beweis. Sind n und ñ Nullelemente, so gilt wegen 3. und 4. ñ = ñ + n = n + ñ = n. Entsprechend schließt man für Einselemente. 5. Umkehrung der Addition Zu jedem a ∈ R gibt es ein 0 Element a ∈ R, so daß gilt a + a0 = 0 0 a heißt ein Negatives von a Bemerkung. Zu jedem a gibt es genau ein Negatives. Wir bezeichnen es mit −a. Schreibe für a + (−b) auch a − b und nenne a − b die Differenz zwischen a und b. Beweis. Seien a0 und ã Negative von a. Dann gilt a + a0 = 0 = a + ã =⇒ ã = ã + 0 = ã + (a + a0 ) = (ã + a) + a0 = (a + ã) + a0 = 0 + a0 = a0 + 0 = a0 . 6. Das Distributivgesetz (a + b) · c = (a · c) + (b · c) für alle a, b, c aus R. Zur Vereinfachung der Schreibweise führen wir folgende Konventionen ein: Schreibe ab für a · b Punktrechnung geht vor Strichrechnung, d.h. ab + c := (a · b) + c a + bc := a + (b · c) Damit schreibt sich z. B. das Distributivgesetz in der Form (a + b)c = ac + bc Bei mehrfachen Summen bzw. Produkten werden Klammern weggelassen (weil es wegen der Assoziativgesetze nicht auf die Art der Klammerung ankommt.) Also a + b + c := (a + b) + c, abc := (a · b) · c 61 u.s.w. Definition. Ein Ring R heißt Integritätsbereich, wenn zusätzlich gilt: 7. Nullteilerfreiheit. Aus ab = 0 folgt: a = 0 oder b = 0. Definition. Ein Ring heißt Körper, wenn zusätzlich zu den Axiomen 1 bis 6 noch gilt: 8. Umkehrbarkeit der Multiplikation. Zu jedem a 6= 0 aus R gibt es ein Element ã mit aã = 1. Bemerkung. In einem Körper gibt es zu jedem a ∈ R, a 6= 0 genau ein ã ∈ R mit aã = 1. Wir bezeichnen dieses Element mit a−1 und nennen es das zu a reziproke Element (Kehrwert von a). ˜ =⇒ ã ˜ = ã ˜ · 1 = ãaã ˜ = aãã ˜ = 1ã = ã1 = ã Beweis. aã = 1 = aã Wir schreiben für a−1 auch 1 a und für b · a−1 auch ab . Beispiele. a) Z ist ein Ring, sogar ein Integritätsbereich; Z ist kein Körper, denn 2 hat in Z kein Reziprokes. b) Q und R sind Körper. c) N ist kein Ring: 1 hat in N kein Negatives. d) Jeder Körper ist ein Integritätsbereich. (Der Beweis wird später geführt.) Unterringe. Sei R ein Ring und S ⊆ R eine Teilmenge mit 1 ∈ S. Man nennt S einen Unterring von R, wenn S abgeschlossen ist unter Addition, Multiplikation und der Bildung des Negativen, d.h.: Sind a, b ∈ S, so sind auch −a, a + b und ab aus S. Offenbar ist jeder Unterring eines Rings selbst ein Ring. 62 Beispiele von Unterringen. a) Z ist ein Unterring von Q und Q ist ein Unterring von R; N ist kein Unterring von Z. b) Reell–quadratische Zahlbereiche. Sei m > 1 eine quadratfreie ganze Zahl, d.h. m = p1 · . . . · pr mit paarweise verschiedenen √ Primzahlen. Die positive Quadratwurzel von m bezeichnen wir mit m. (i) Betrachte in R die Teilmenge √ √ S = Z[ m] := {a + b m | a, b ∈ Z} √ √ Offenbar ist 1 = 1 + 0 m ∈ Z[ m]; es ist sogar Z ⊆ S. S ist abgeschlossen unter den oben drei √ Operationen: √ genannten 0 0 0 0 aus S: Seien a, b, a , b ∈ Z und r √ = a + b m, s = a + b m √ 0 0 r + s = (a + a ) + (b + b ) m ∈ √ S, −r = (−a) + (−b) m ∈ S rs = (aa0 + bb0 m) + (ab0 + a0 b) m ∈ S. Also ist S ein Unterring von R. √ √ (ii) K = Q[ m] := {a + b m | a, b ∈ Q} ist sogar ein Körper: Wie in √ (i) zeigt man,2 daß 2K ein Ring ist. Ferner gilt, falls s = a + b m 6= 0 ist:√a 6= b m, da m kein Quadrat ist. Also √ ist x = a2 −b1 2 m · (a − b m) ein wohldefiniertes Element von Q[ m] √ √ √ √ m) = und (a + b m) · a2 −b1 2 m · (a − b m) = (a+b am)(a−b 2 −b2 m √ a2 −b2 m −1 = a2 −b2 m = 1 und s = x ∈ Q[ m]. Weitere abkürzende Schreibweisen: Sei m ≥ 1 aus Z und a ∈ R. Schreibe ma := a . . + a} , am := |a · .{z . . · a}, ferner | + .{z m-mal m-mal 0 · a := 0, (−m)a := m(−a); a0 := 1, a−m := (a−1 )m , falls a−1 existiert. Für m · 1 schreiben wir auch kurz m. Es ergeben sich folgende Regeln: (−m)a = −(ma); a−m = (am )−1 , falls a−1 existiert, ferner am an = am+n , an bn = (ab)n , (an )m = an·m für alle n, m ∈ N. Dies ergibt sich leicht durch Induktion. 1.1 Bemerkung. Sei R ein Ring und a, b, c ∈ R. Dann gilt 63 a) Es gibt genau ein x ∈ R mit x + b = a, nämlich x = a − b. b) a(b−c) = ab−ac, a0 = 0, −(−a) = a, (−a)b = a(−b) = −ab, (−a)(−b) = ab. c) Kürzungsregeln. (i) Für jeden Ring gilt: Aus a + b = a + c folgt b = c (ii) Ist R ein Integritätsbereich, so gilt: Aus ab = ac und a 6= 0 folgt b = c d) Ist R ein Körper und b 6= 0, so gibt es zu jedem a genau ein x ∈ R mit xb = a, nämlich x = ab−1 . e) Jeder Körper ist ein Integritätsbereich. Beweis. a) (a − b) + b = a + (−b + b) = a + (b + (−b) = a + 0 = a Eindeutigkeit. x+b = a =⇒ x = x+0 = x+(b−b) = (x+b)−b = a−b c)(i) a + b = a + c =⇒ b + a = c + a =⇒ b = b + a − a = c + a − a = c b) a · 0 = a · 0 = a(0 + 0) = a0 + a0 =⇒ 0 = a · 0 nach c)(i). −a + a = a + (−a) = 0 =⇒ a = −(−a) ab + a(−b) = a(b + (−b)) = a0 = 0 =⇒ a(−b) = −ab Analog zeigt man (−a)b = −ab a(b − c) = a(b + (−c)) = ab + a(−c) = ab + (−ac) = ab − ac c)(ii) ab = ac =⇒ a(b − c) = ab − ac = ab − ab = 0 =⇒ b − c = 0, da a 6= 0 und R nach Voraussetzung ein Integritätsbereich ist. b − c = 0 =⇒ c = (b − c) + c = b + (−c + c) = b + (c − c) = b + 0 = b d) (ab−1 )b = a(b−1 b) = a1 = a Eindeutigkeit. xb = a =⇒ x = x · 1 = x(bb−1 ) = (xb)b−1 = ab−1 e) ab = 0 und a 6= 0 =⇒ a−1 existiert und 0 = a−1 0 = a−1 ab = 1b = b 64 Nullteiler und Einheiten. Definition. Sei R ein Ring und a ∈ R. a) a ∈ R heißt Nullteiler von R, wenn es ein b 6= 0 in R gibt mit ab = 0. (Ein Ring ist also genau ein Integritätsbereich, wenn 0 der einzige Nullteiler von R ist. Man spricht daher bei einem Integritätsbereich auch von einem nullteilerfreien“ Ring.) ” b) Ein Element a ∈ R heißt Einheit von R, wenn es ein b ∈ R gibt mit ab = 1. (Ein Ring R ist also genau dann ein Körper, wenn jedes a 6= 0 eine Einheit von R ist.) Ist a Einheit von R, so ist das b mit ab = 1 eindeutig bestimmt (Beweis!). Es wird mit a−1 bezeichnet. Mit Rt imes bezeichnen wir die Menge aller Einheiten von R. Beispiele. a) In Z sind 1 und −1 die einzigen Einheiten. b) In Q sind alle Elemente außer der 0 Einheiten. 1.2 Regel. a) 1 ist eine Einheit. b) Sind a und b Einheiten, so sind auch a−1 , b−1 und ab Einheiten. (Induktiv folgt daraus: am bn sind Einheiten für alle m, n ∈ Z.) Beweis. a) 1 · 1 = 1 b) (ab)(b−1 a−1 ) = a(bb−1 )a−1 = a1a−1 = aa−1 = 1 (a−1 )a = a(a−1 ) = 1. 65 §2 Restklassenringe und Polynomringe Sei m > 1 ganz und mZ := {mx | x ∈ Z}. Nach I. 5.3 gilt: Die verschiedenen Restklassen von Z modulo m sind mZ, 1 + mZ, . . . , (m − 1) + mZ. Für die Gesamtheit aller Restklassen modulo m schreiben wir Z/mZ = {a + mZ | a ∈ Z} = {mZ, 1 + mZ, . . . , (m − 1) + mZ}. Wir wollen die Menge Z/mZ zu einem Ring machen, indem wir Addition und Multiplikation von Restklassen erklären. Definition. Seien a, b ∈ Z. Setze (a + mZ) + (b + mZ) := (a + b) + mZ (a + mZ) · (b + mZ) := ab + mZ 2.1 Bemerkung. a) Addition und Multiplikation sind unabhängig von der Wahl der Repräsentanten wohl definiert. b) Z/mZ ist ein Ring mit Null = mZ, Eins = 1 + mZ. c) Ist m = p eine Primzahl, so ist Z/pZ ein Körper. d) Ist m > 1 keine Primzahl, so ist Z/mZ kein Integritätsbereich. Beweis. Schreibe im Folgenden ≡“ für ≡ mod m“. ” ” 0 a) Sei a + mZ = a + mZ und b + mZ = b0 + mZ. Zu zeigen: (a + b) + mZ = (a0 + b0 ) + mZ und ab + mZ = a0 b0 + mZ Nach Voraussetzung ist also a ≡ a0 und b ≡ b0 . Aus I. 5.5 folgt a + b ≡ a0 + b0 und ab ≡ a0 b0 , d.h. (a + b) + mZ = (a0 + b0 ) + mZ und ab + mZ = a0 b0 + mZ. 66 b) mZ = 0 + mZ und 1 + mZ sind offenbar neutral bezüglich der Addition bzw. Multiplikation, und (−a) + mZ ist ein Negatives von a + mZ. Von den Rechenregeln zeigen wir exemplarisch das Distributivgesetz; für die übrigen Gesetze wären analoge Rechnungen durchzuführen. (a + mZ) ((b + mZ) + (c + mZ)) = (a + mZ) ((b + c) + mZ) = = a(b + c) + mZ = (ab + ac) + mZ = (ab + mZ) + (ac + mZ) = = (a + mZ)(b + mZ) + (a + mZ)(c + mZ). c) Noch zu zeigen: Ist a + pZ 6= pZ, so gibt es ein b mit (a + pZ)(b + pZ) = 1 + pZ: I.6.4 a + pZ 6= pZ =⇒ p - a =⇒ (p, a) = 1 =⇒ Es gibt x, y ∈ Z mit px + ay = 1 =⇒ ay ≡ 1 mod p =⇒ ay + pZ = 1 + pZ, also auch (a + pZ)(y + pZ) = ay + pZ = 1 + pZ. d) Ist m = ab mit 0 < a ≤ b < m, so ist (a + mZ)(b + mZ) = ab + mZ = m + mZ = mZ = 0, aber a + mZ 6= 0 und b + mZ 6= 0. Schreibe 1 für die Eins 1 + mZ von Z/mZ und k für |1 + .{z . . + 1} = (1 + mZ) + . . . + (1 + mZ) = k + mZ k−mal Dann ist Z/Z = {0, 1, 2, . . . , m − 1} und die Addition und Multiplikation in Z/mZ kann auch wie folgt beschrieben werden: + + (k · l ∈ Z/mZ) = (Divisionsrest modulo m von k · l ∈ Z) Beispiele für Verknüpfungstabellen m=3 + 0 1 2 0 0 1 2 1 1 2 0 2 2 0 1 m=4 + 0 1 2 3 0 0 1 2 3 1 1 2 3 0 2 2 3 0 1 · 0 1 2 3 3 0 1 2 · 0 1 2 3 0 0 0 0 0 0 0 0 0 67 1 0 1 2 1 0 1 2 3 2 0 2 1 2 0 2 0 2 1·1 = 1 2·2 = 1 3 0 3 2 1 1·1 = 1 3·3 = 1 2·2 = 0 Einheiten und Nullteiler in Z/mZ. Setze a := a + mZ Beispiele. m = 2 : 1 ist Einheit; 0 ist Nullteiler; ϕ(2) = 1 m = 3 : 1, 2 sind Einheiten; 0 ist Nullteiler; ϕ(3) = 2 m = 4 : 1, 3 sind Einheiten; 0, 2 sind Nullteiler; ϕ(4) = 2 m = 6 : 1 · 1 = 1, 2 · 3 = 6 = 0, 4 · 3 = 0, 5 · 5 = 25 = 1 =⇒ 1, 5 sind Einheiten; 0, 2, 3, 4 sind Nullteiler; ϕ(6) = 2 m = p Primzahl: Z/pZ ist ein Körper mit p Elementen =⇒ 0 ist Nullteiler, die übrigen p − 1 Elemente sind Einheiten; ϕ(p) = p − 1. Diese Rechnungen führen zur Vermutung. ϕ(m) = Anzahl der Einheiten von Z/mZ. 2.2 Satz. In Z/mZ gibt es genau ϕ(m) Einheiten, nämlich die primen Restklassen modulo m. (Dies sind die a+mZ mit (a, m) = 1). Die übrigen Restklassen sind Nullteiler. Beweis. Sei (a, m) = 1. Nach I.7.8 gilt dann aϕ(m) ≡ 1 mod m, d.h. (a + mZ)(aϕ(m)−1 + mZ) = aϕ(m) + mZ = 1 + mZ = 1. Damit ist a + mZ Einheit in Z/mZ. Sei (a, m) = d > 1; m = dd0 , a = d00 d. Dann gilt ad0 = d00 dd0 = d00 m ≡ 0 mod m und 1 ≤ d0 < m. Also ist d0 + mZ 6= 0, aber (a + mZ)(d0 + mZ) = ad0 + mZ = 0 + mZ = 0. 2.3 Korollar. Das Produkt aller von Null verschiedenen Elemente von Z/pZ ist −1. Für alle r ∈ Z/pZ ist rp = r. Beweis. Nach dem Satz von Wilson ist (p − 1)! ≡ −1 mod p, d.h. (1 + pZ) · (2 + pZ) · . . . · ((p − 1) + pZ) = (p − 1)! + pZ = −1 + pZ = −1 Sei r = a + pZ. Nach 7.9 gilt ap ≡ a mod p, d.h. rp = (a + pZ)p = ap + pZ = a + pZ = r. Polynomringe. Definition. Sei R ein Ring. Ein Polynom (in einer Unbestimmten X) über R ist ein Ausdruck 2 n f = a0 + a1 X + a2 X + . . . + an X = n X i=0 68 ai X i wobei n ∈ N und ao , . . . , an Elemente aus R sind. Wir setzen noch ai = 0 für alle i ∈ N mit i > n. Die Elemente ai , i ∈ N nennt man die Koeffizienten ∞ P von f . Ein Polynom über R ist also ein Ausdruck der Form f = ai X i mit i=0 Elementen ai ∈ R, wobei ai 6= 0 nur für endlich viele Indizes i gilt. Beispiele. 1 + 1 · X + 3 · X 2 und 1 + 0 · X + 0 · X 2 + 1 · X 3 sind Polynome über Z. Man schreibt dafür auch kürzer 1 + X + 3X 2 bzw. 1 + X 3 , kann also in einem Polynom Summanden ai X i mit ai = 0 weglassen und X i anstelle von 1 · X i schreiben. Definition. Polynome sind gleich, wenn sie die gleichen Koeffizienten haben. In Formeln: ∞ X i=0 ai X i = ∞ X bi X i genau dann, wenn ai = bi für i = 0, 1, 2, . . . i=0 Auswertung von Polynomen. Sei f = n P ai X i ein Polynom über R und i=0 b ∈ R. Der Wert von f an der Stelle b ist das Element n f (b) := a0 + a1 b + . . . + an b = n X ai b i ∈ R i=0 Bemerkung. Es kann vorkommen, daß verschiedene Polynome an allen Stellen von R den gleichen Wert annehmen. Beispiel. R = Z/2Z = {0, 1}. Die Polynome X, X 2 , X 3 , . . . haben an der Stelle 0 den Wert 0 und an der Stelle 1 den Wert 1. Bezeichne die Menge aller Polynome über R mit R[X]. Wir wollen R[X] zu einem Ring machen, in dem wir eine geeignete Addition bzw. Multiplikation von Polynomen einführen. Vorbetrachtung. Seien a0 , . . . , an bzw. b0 , . . . , bm Elemente aus R. Setzt man noch aj = 0 für j > n und bj = 0 für j > m, so gilt nach den Rechengesetzen für R: (1) (a0 + a1 y + . . . + an y n ) + (b0 + b1 y + . . . + bm y m ) = = (a0 + b0 ) + (a1 + b1 )y + . . . + (al + bl )y l , wenn l = Max (n, m) 69 und (2) (a0 + a1 y + . . . + an y n ) · (b0 + b1 y + . . . + bm y m ) = = c0 + c1 y + . . . + cn+m y n+m , wobei c0 = a0 b0 , c1 = a0 b1 + a1 b0 , c2 = a0 b2 + a1 b1 + a2 b0 , . . . ck = a0 bk + a1 bk−1 + . . . + ak−1 b1 + ak b0 , für k = 0, . . . , n + m. Wegen aj = 0 für j > n und bj = 0 für j > m ist cn+m = a0 bn+m + . . . + an bm + an+1 bm−1 + . . . + an+m b0 = an bm . Definiere nun Addition und Multiplikation von Polynomen so, als wäre X ein Element von R. ∞ X i ai X + i=0 ∞ X ! ai X i i=0 ∞ X i=0 ∞ X bi X i := ! bi X i := i=0 ∞ X i=0 ∞ X (ai + bi )X i ck X k , wobei k=0 ck = a0 bk + a1 bk−1 + . . . + ak−1 b1 + ak b0 = k X ai bk−i . i=0 Insbesondere ist n P i=0 ai X m P i bi X i = c0 + c1 X + . . . + cn+m X n+m mit i=0 c0 = a0 b0 , c1 = a0 b1 + a1 b0 , und cn+m = an bm (siehe (2)). Damit wird R[X] zu einem Ring mit Eins = 1 und Null = 0. Durch Vergleich mit (1) und (2) sieht man: 2.4 Bemerkung. Sind f, g Polynome aus R[X] und ist y ∈ R, so gilt (f + g)(y) = f (y) + g(y) und (f g)(y) = f (y) · g(y). Offenbar ist R ⊆ R[X] ein Unterring (bestehend aus den konstanten Polynomen a = a + 0 · X + 0 · X 2 + . . . , a ∈ R). ∞ P Das konstante Polynom 0 = 0 · X i heißt auch Nullpolynom. i=0 Definition. Sei f = a0 + a1 X + . . . + an X n , n ≥ 0, an 6= 0, ein von 0 verschiedenes Polynom. Dann nennt man n den Grad von f und an den Leitkoeffizienten von f . 2.5 Bemerkung. Sei R ein Integritätsbereich. Dann gilt 70 a) R[X] ist ebenfalls ein Integritätsbereich. b) Sind f, g ∈ R[X] von Null verschiedene Polynome, so ist Grad f g = Grad f + Grad g. c) Die Einheiten von R[X] sind die Einheiten von R. Beweis. a) b) Seien f = a0 +a1 X +. . .+an X n 6= 0 und g = b0 +b1 X +. . .+bm X m 6= 0 mit n ≥ 0, m ≥ 0, an 6= 0, bm 6= 0. Dann ist f g = c0 + c1 X + . . . + cn+m X n+m , cn+m = an bm . Da R integer ist, gilt cn+m = an bm 6= 0. Es folgt f g 6= 0 und Grad f g = n + m = Grad f + Grad g. c) Sei f ∈ R[X] eine Einheit. Dann gibt es ein g ∈ R[X] mit f g = 1. Es folgt Grad f + Grad g = Grad f g = Grad 1 = 0 und daher Grad f = Grad g = 0, d.h. f = a0 , g = b0 und f g = a0 b0 = 1. Es folgt f = a0 ∈ R× . Umgekehrt ist jedes konstante Polynom f = a0 mit a0 ∈ R× in R[X] eine Einheit. Division von Polynomen mit Rest. Sei K ein Körper. 2.6 Satz. Seien f und g Polynome aus K[X], g 6= 0. Dann gibt es eindeutig bestimmte Polynome q, r ∈ K[X] mit (i) (ii) f =g·q+r r = 0 oder r 6= 0 und Grad r < Grad g. Beweis. Existenz: Es ist f = g · 0 + f . Also ist die Menge {r0 ∈ K[X] | Es gibt ein q 0 ∈ K[X] mit f = g · q 0 + r0 } = M nicht leer (f ∈ M ). 1. Fall. Ist 0 ∈ M , so ist f = gq + 0 und wir sind fertig. 2. Fall. Sei 0 6∈ M . Dann hat jedes r0 ∈ M einen Grad. Wähle ein r ∈ M von kleinstmöglichem Grad. Es gibt dann nach Definition von M ein q ∈ R[X] mit f = gq + r. Noch zu zeigen: Grad r < Grad g 71 Angenommen n := Grad r ≥ m := Grad g, r = n P ai X i und g = i=0 m P bi X i . i=0 −1 n−m X g den Grad (n − m) + m = n = Grad r Dann hat das Polynom an bm und den Leitkoeffizienten an b−1 = an , also r = an X n + an−1 X n−1 + . . . und m bm n−m −1 = an X n + a0n−1 X n−1 + . . . an b m b m X n−m g = (an−1 − a0n−1 )X n−1 + niedriger Terme. Ferner Setze r0 := r − an b−1 m X ist n−m f = gq + r = g(q + an b−1 ) + r0 und daher r0 ∈ M , also r0 6= 0. Wir m X haben also ein r0 ∈ M gefunden mit Grad r0 ≤ n − 1 < n = Grad r, im Widerspruch zur Minimalität von Grad r. Eindeutigkeit. Angenommen f = gq + r = gq 0 + r0 mit Grad r < Grad g oder r = 0, und Grad r0 < Grad g oder r0 = 0. Es folgt g(q − q 0 ) = r0 − r. Wäre q 6= q 0 , so wäre r0 − r = g(q − q 0 ) 6= 0 und daher Grad (r0 − r) = Grad g+ Grad (q − q 0 ) ≥ Grad g, im Widerspruch zur Wahl von r und r0 . Also ist q = q 0 , somit auch r0 − r = g · 0 = 0, also r0 = r. Rechenbeispiele. Betrachte die Polynome f = X 3 + X 2 − 2X − 2 und g = X2 + 1 (i) als Polynome in Q[X] (ii) als Polynome in Z/3Z[X] Zu (i): (X 3 + X 2 − 2X − 2) : (X 2 + 1) = X + 1 X 2 − 3X − 2 −3X − 3 =⇒ (X 3 + X 2 − 2X − 2) : (X 2 + 1) = X + 1 Rest −3X − 3, d.h. X 3 + X 2 − 2X − 2 = (X 2 + 1)(X + 1) − 3X − 3 Zu (ii): Mithilfe der obigen Verknüpfungsstabellen für Z/3Z erhält man (X 3 + X 2 − 2X − 2) : (X 2 + 1) = X + 1 X3 + X —————————– X2 +1 72 da in Z/3Z gilt: 3 = 0 und 1 = −2 =⇒ (X 3 + X 2 − 2X − 2) : (X 2 + 1) = X + 1, d.h. X 3 + X 2 − 2X − 2 = (X 2 + 1)(X + 1) 73 §3 Gruppen Definition. Eine Gruppe ist eine Menge G zusammen mit einer Verknüpfung ◦, so daß gilt: (Axiome) (1) Zu je zwei Elementen a, b ∈ G gibt es ein eindeutig bestimmtes Element a ◦ b ∈ G (Eindeutige Ausführbarkeit) (2) Für alle a, b, c ∈ G gilt (a ◦ b) ◦ c = a ◦ (b ◦ c) (Assoziativgesetz) (3) Es gibt ein Element e ∈ G, so daß für alle a ∈ G a◦e=a (Neutrales Element) (4) Zu jedem a ∈ G gibt es ein a0 ∈ G mit a ◦ a0 = e (Existenz des Inversen) Die Gruppe G heißt kommutativ (oder abelsch), wenn (5) a◦b=b◦a (Kommutativgesetz) für alle a, b ∈ G. Wie bei Ringen zeigt man: Neutrales Element und inverses Element zu a sind eindeutig bestimmt. Beispiele. a) (Z, +) ist eine abelsche Gruppe, 0 ihr neutrales Element. b) Ist V ein Vektorraum, so ist (V, +) eine abelsche Gruppe. c) Ist K ein Körper (etwa Q oder Z/pZ), so ist (K\{0}, ·) eine abelsche Gruppe. d) Ist R ein Ring, so ist (R, +) eine abelsche Gruppe. Insbesondere ist (Z/mZ, +) eine abelsche Gruppe mit m Elementen. e) Ist R ein Ring, so ist (R× , ·) eine abelsche Gruppe, die sogenannte Einheitengruppe von R. 74 Insbesondere ist ((Z/mZ)× , ·) eine abelsche Gruppe mit ϕ(m) Elementen, die sogenannte prime Restklassengruppe modulo m. Beweis. a) bis d) sind klar. Zu e). Nach 1.2 gilt: 1 ∈ R× ist neutrales Element. a ∈ R× =⇒ a−1 existiert und a−1 ∈ R× a, b ∈ R =⇒ ab ∈ R× . Assoziativ- und Kommutativgesetz gelten schon in R. Nach 2.2 besteht (Z/mZ)× aus ϕ(m) Elementen. Konventionen und Schreibweisen. Gewöhnlich wählen wir als Verknüpfungszeichen unserer Gruppe den Malpunkt und lassen diesen meistens sogar weg (ab bedeutet a · b). Das neutrale Element wird dann mit 1 (oder e) bezeichnet und das zu a inverse mit a−1 . Mit l > 0 aus Z verwenden wir abkürzend a0 = e, a1 = a, a2 = aa, . . . , al = a · · a}, . . . | ·{z l−mal a−2 := (a−1 )2 = (a2 )−1 , . . . , a−l := (a−1 )l = (al )−1 , . . . Durch Induktion zeigt man für alle a, b ∈ G und l, m ∈ Z: al am = al+m und (al )m = alm (nachprüfen). Zusätzlich gilt, wenn G abelsch ist: (ab)l = al bl . Die vorgestellte Notation nennt man die multiplikative Schreibweise. Additive Schreibweise. Ist + das Verknüpfungszeichen von G, so wird das neutrale Element mit 0 bezeichnet und das zu a inverse mit −a. Ferner sei für l > 0 aus Z 0 · a := 0, 1 · a := a, 2 · a := a + a, . . . , l · a := |a +{z · + a}. l−mal (−2) · a := (−a) + (−a) = −(a + a), . . . , (−l) · a := l · (−a) = −(l · a). Es folgt: l · a + ma = (l + m)a, l · (m · a) = (l · m) · a. Die additive Schreibweise wird nur für abelsche Gruppen verwandt, es gilt somit auch l · (a + b) = l · a + l · b. 75 Untergruppen. Sei (G, ·) eine Gruppe. Definition. Eine Teilmenge H von G heißt Untergruppe von G, wenn H bzgl. der Verknüpfung von G selbst eine Gruppe ist, d.h. wenn 1∈H aus a, b ∈ H bereits ab ∈ H folgt und für a ∈ H auch a−1 zu H gehört . Beispiele. a) G ist eine Untergruppe von G, ebenso {1}. b) Sei a ∈ G beliebig. Setze < a >:= {an | n ∈ Z} Wegen a0 = 1, al am = al+m und (an )−1 = a−n ist < a > eine Untergruppe G. Sie heißt die von a erzeugte Untergruppe von G. Wird G = (G, +) additiv geschrieben, so ist natürlich < a >= {na | n ∈ Z}. Beispielsweise ist in G = (R, +) Z = {1 · n | n ∈ Z} =< 1 > und in (Z, +) für jedes m ∈ Z mZ = {m · n | n ∈ Z} =< m >. Zyklische Gruppen. Definition. Eine Gruppe heißt zyklisch, wenn es ein a ∈ G gibt, so daß G =< a >. In diesem Fall heißt a ein erzeugendes Element (Generator) von G. Beispiele. a) (Z, +) ist zyklisch mit Generator 1. b) Die Menge der bijektiven Selbstabbildungen von R2 bilden eine Gruppe S(R2 ) mit neutralem Element id = identische Abbildung. c) Für α ∈ R sei dα die Drehung der Ebene mit Mittelpunkt 0 um den Winkel α, gemessen im Uhrzeigersinn. G = {dα | α ∈ R} ⊆ S(R2 ) ist eine Gruppe, denn: d0 = id, dα ◦ dβ = dα+β , dα ◦ d−α = dα−α = d0 , dα ◦ d0 = dα . und a = dα . Zur Veranschaulichung zeichnen wir eine Uhr d) Sei α = 2π 12 mit Mittelpunkt 0 ∈ R2 und Radius 1. 76 fig1-eps-converted-to.pdf Die Anwendung von a bedeutet, daß die Uhr um eine Stunde vorgestellt wird. Für k ≥ 1 stellt ak = a . . ◦ a} die Uhr um k Stunden vor, a−1 | ◦ .{z k−mal bedeutet die Rückstellung um eine Stunde. Offenbar ist a12 = d2π die identische Abbildung. Es folgt für k ∈ Z: ak = ar mit 0 ≤ r ≤ 11, wenn r der Divisionsrest von k modulo 12 ist: k = q · 12 + r =⇒ aq·12+r = aq·12 · ar = (a12 )q · ar = (id)q · ar = ar . Damit ist gezeigt U =< a >= {id, a, a2 , . . . , a11 } ist eine zyklische Gruppe mit 12 Elementen. e) Sei m > 1 ganz. Dann ist Z/mZ = {mZ, 1 + mZ, . . . , (m − 1) + mZ} bezüglich der Addition eine zyklische Gruppe der Ordnung m mit Generator 1 + mZ, denn n(1+mZ) = (1+mZ)+. . .+(1+mZ) = n+mZ, für n = 1, . . . , m−1. f) Betrachte die Einheitengruppe von Z/5Z. Nach 2.2 gilt G = (Z/5Z)× = {1 + 5Z, 2 + 5Z, 3 + 5Z, 4 + 5Z}. G ist zyklisch mit Erzeuger a = 2 + 5Z : a = 2 + 5Z, a2 = 4 + 5Z,a3 = 8 + 5Z = 3 + 5Z, a4 = a · a3 = (2 + 5Z)(3 + 5Z) = 6 + 5Z = 1 + 5Z. e) Betrachte die Einheitengruppe von Z/8Z. Nach 2.2 ist (Z/8Z)× = {1 + 8Z, 3 + 8Z, 5 + 8Z, 7 + 8Z} (Z/8Z)× ist nicht zyklisch, denn: < 1 + 8Z >= {1 + 8Z} (3 + 8Z)2 = 1 + 8Z =⇒< 3 + 8Z >= {1 + 8Z, 3 + 8Z} (5 + 8Z)2 = 1 + 8Z =⇒< 3 + 8Z >= {1 + 8Z, 5 + 8Z} und (7 + 8Z)2 = 1 + 8Z =⇒< 7 + 8Z >= {1 + 8Z, 7 + 8Z}. Im Verlauf soll gezeigt werden: (Z/pZ)× ist zyklisch für Primzahlen p. Fortan sei G eine (multiplikativ geschriebene) endliche abelsche Gruppe. Die Anzahl der Elemente von G nennt man die Ordnung von G; schreibe dafür ord G. Beispiel. ord (Z/mZ)× = ϕ(m). Wir haben gesehen: aϕ(m) = 1, also aordG = 1 für alle a ∈ (Z/mZ)× = G. 77 Allgemein gilt: 3.1 Satz. Für alle a ∈ G ist aordG = 1. Beweis. Sei m = ord G, G = {a1 , . . . , am }. Ist a ∈ G beliebig, so gilt nach der Kürzungsregel: aa1 , . . . , aam sind paarweise verschieden (aai = aaj =⇒ ai = a−1 (aai ) = a−1 (aaj ) = (a−1 a)aj = aj ). Also ist G = {aa1 , . . . , aam }. Es folgt: Y a1 · . . . · am = g = (aa1 ) · . . . · (aam ) = am (a1 · . . . · am ) g∈G m Kürzen ergibt: 1 = a . Ist G endlich, ord G = m, so ist nach 3.1 {ν | aν = 1, ν ≥ 1} nicht leer, also existiert Min {ν | aν = 1, ν ≥ 1}. Diese Zahl nennt man die Ordnung von a; schreibe dafür auch ord a. 3.2 Satz. Es ist ord < a >= ord a und < a >= {1, a, a2 , . . . , ad−1 }, wenn d = ord a. Beweis. Sei d = ord a. Schreibe n ∈ Z in der Form n = qd + r, 0 ≤ r ≤ d − 1, q ∈ Z. Dann ist an = aqd ar = (ad )q ar = 1 · ar = ar , somit H :=< a >= {1, a, a2 , . . . , ad−1 } und ord < a >≤ ord a. Andererseits gilt nach 3.1 aordH = 1, also auch ord a ≤ ord H nach Definition von ord a. Insbesondere gilt: Ist 0 ≤ i < j ≤ d − 1, so ist ai 6= aj und < a > besteht aus den d paarweise verschiedenen Elementen 1, a, a2 , . . . , ad−1 3.3 Korollar. Für jedes a ∈ G ist ord a ein Teiler von ord G. Beweis. Nach 3.1 ist aordG = 1. Zeige nun allgemeiner: Aus an = 1 folgt d := ord a | n. Beweis. Schreibe n = qd + r, 0 ≤ r ≤ d − 1 =⇒ 1 = an = (ad )q ar = ar =⇒ r = 0 (nach dem Beweis von 3.2); also ist n = qd, d.h. d | n. 3.4 Satz. Ist G zyklisch, so ist auch jede Untergruppe H von G zyklisch, und ord H | ord G. 78 Beweis. Sei ord G = d, also G =< a >= {1, a, . . . , ad−1 }. Wegen {1} =< 1 > können wir o.E. H 6= {1} annehmen. Sei t = Min {s | s ≥ 1 und as ∈ H}. Zeige nun, daß H =< at >. Bew. Sei as ∈ H, as 6= 1, 1 ≤ s ≤ d − 1. Es folgt s ≥ t. Noch zu zeigen: t | s, somit s = t · q und as = (at )q ∈< at >. Angenommen t - s : s = tq + r, 1 ≤ r ≤ t − 1 =⇒ as = (at )q ar =⇒ ar = as (at )−q ∈ H, da as ∈ H und at ∈ H. ar ∈ H mit 1 ≤ r < t steht aber im Widerspruch zur Minimalität von t. Nach 3.2 und 3.3 ist schießlich wegen H =< at > ord H = ord at | ord G. 79 §4 Die prime Restklassengruppe modulo p Sei K ein Körper. Wir wollen zeigen: 4.1 Satz. Jede endliche Untergruppe von K × ist zyklisch. Insbesondere ist (Z/pZ)× zyklisch, wenn p eine Primzahl ist. Dazu betrachten wir den Polynomring K[X]. Sei f ∈ K[X]. Definition. y ∈ K heißt Nullstelle von f , wenn f (y) = 0. 4.2 Lemma. Ist y eine Nullstelle von f , so gibt es ein g ∈ K[X] mit f = g · (X − y) Beweis. Nach 2.6 gibt es Polynome g, r ∈ K[X] mit f = g · (X − y) + r, wobei r = 0 oder Grad r < Grad (X − y) = 1. In jedem Fall ist r ∈ K. Setze y für X ein und erhalte 0 = f (y) = g(y) · (y − y) + r = 0 + r = r, also f = g · (X − y). 4.3 Korollar. Sind y1 , . . . , ym paarweise verschiedene Nullstellen von f , so gibt es ein g ∈ K[X] mit f = (X − y1 ) · . . . · (X − ym ) · g Beweis. (Induktion nach m). m = 1 gilt nach 4.2. Schluß von m − 1 auf m. Nach Induktionsannahme gibt es ein h ∈ K[X] mit f = (X − y1 ) · . . . · (X − ym−1 ) · h Werte beide Seiten an der Stelle X = ym aus: 0 = f (ym ) = (ym − y1 ) · . . . · (ym − ym−1 ) h(ym ). Es folgt h(ym ) = 0. {z } | 6=0 Nach 4.2 gibt es ein g mit h = (X − ym ) · g und somit f = (X − y1 ) · . . . · (X − ym−1 )(X − ym ) · g 4.4 Korollar. Sei f 6= 0 ein Polynom vom Grad n ≥ 0. Dann hat f höchstens n Nullstellen. 80 Beweis. Seien y1 , . . . , ym paarweise verschiedene Nullstellen von f . Nach 4.3 gibt es ein Polynom g mit f = (X − y1 ) · . . . · (X − ym )g Es folgt g 6= 0 und Grad g = n − m, also n − m ≥ 0 und m ≤ n. 4.5 Korollar. Sei K ein unendlicher Körper (etwa K = R) und f, g Polynome aus K[X]. Ist dann f (a) = g(a) für alle a ∈ K, so ist f = g. Beweis. f −g ist ein Polynom h mit h(a) = f (a)−g(a) = 0 für alle (unendlich vielen) a ∈ K. Nach 4.4 muß dann h = 0 sein, d.h. f = g. Anmerkung. Im Körper K = Z/pZ gilt nach Fermat ap = a für a ∈ K. Also gilt für das Polynom f = X p − X 6= 0 : f (a) = ap − a = 0 für alle a ∈ K. Zum Beweis von 4.1 benötigen wir einen weiteren Hilfssatz. 4.6 Lemma. Sei G eine endliche abelsche Gruppe. Es gelte (∗) | {x ∈ G | xd = 1} |≤ d für alle d | ord G Dann ist G zyklisch. Schließe zunächst 4.1 aus 4.6. Sei G ⊆ K × eine endliche Untergruppe. Nach 4.4 gilt: Ist d | ord G, so hat X d − 1 höchstens d Nullstellen in K, also auch in G. Also ist (∗) erfüllt und G ist zyklisch nach 4.6. Beweis von 4.6. Jedes a ∈ G eine wohlbestimmte Ordnung d ≥ 1, und nach 3.3 ist d | m := ord G. Setze Gd := {x ∈ G | ord x = d}. Zeige, daß Gm 6= ∅. Dann gibt es ein x ∈ G mit ord x = m und daher ord < x >= ord x = ord G nach 3.2, d.h. < x >= G. Wegen ord a | ord G (nach 3.3) gilt G= [ Gd d|m Setze ψ(d) := |Gd |. Wegen (1) gilt: 81 (1) m= X ψ(d) (2) Ferner gilt nach der Teilersummenformel X m= ϕ(d) (3) d|m d|m Zeige noch ψ(d) ≤ ϕ(d) für alle d | m (4) Wenn (4) gezeigt ist, folgt zusammen mit (2) und (3) X X ψ(d) = ϕ(d) und ψ(d) ≤ ϕ(d) für alle d | m d|m d|m Dann muß aber ψ(d) = ϕ(d) sein für alle d | m. Insbesondere ist dann ψ(m) = ϕ(m) 6= 0 und Gm = 6 ∅. Beweis von (4). Im Fall ψ(d) = 0 ist nichts zu zeigen. Sei also ψ(d) ≥ 1. Dann existiert ein a ∈ G mit ord a = d. Dann ist ord < a >= d und es gilt xd = 1 für alle x ∈ H =< a > (nach 3.2 und 3.1). Es ist also ord H = d und H ⊆ H̃ = {x ∈ G | xd = 1}. Nach Voraussetzung (∗) ist aber ord H̃ ≤ d, somit H = H̃ und H = {a, a2 , . . . , ad = 1} = {x ∈ G | xd = 1}. Insbesondere ist Gd ⊆ H. n Für alle n mit 1 ≤ n ≤ d und (n, d) = t > 1 gilt x = a t ∈ H, somit d n (an ) t = (a t )d = xd = 1, also ord an ≤ dt < d, also an 6∈ Gd . Es folgt Gd ⊆ {an | 1 ≤ n ≤ d und (n, d) = 1}. Also gilt ψ(d) = |Gd | ≤| {n | 1 ≤ n ≤ d und (n, d) = 1} |= ϕ(d). Wir haben also gesehen: 4.7 Korollar. Die multiplikative Gruppe K × eines endlichen Körpers ist zyklisch. 4.8 Korollar. Die prime Restklassengruppe modulo p ist zyklisch von der Ordnung p − 1. Definition. Eine Zahl m ∈ Z heißt Primitivwurzel modulo p, wenn p - m und m + pZ ein Generator der primen Restklassengruppe modulo p ist. 82 4.9 Korollar. Es gibt genau ϕ(p − 1) Primitivwurzeln modulo p, die paarweise inkongruent modulo p sind. Beweis. G = (Z/pZ)∗ erfüllt wegen 4.4 die Voraussetzung (∗) von 4.6. Im Verlauf des Beweises von 4.6 haben wir gezeigt: Die Menge Gd = {x ∈ G | ord x = d} besteht aus ϕ(d) Elementen, wenn d | ord G. Insbesondere besteht Gp−1 = {x ∈ G | ord x = p − 1} aus ϕ(p − 1) Elementen. Wegen ord x = ord < x > sind die Elemente von Gp−1 gerade die Erzeuger von G. Nach 2.3 ist das Produkt der von 0 verschiedenen Elemente von Z/pZ gleich −1. Wir zeigen noch, daß die entsprechende Aussage für jeden endlichen Körper gilt. Q 4.10 Satz. Ist K ein endlicher Körper, so ist a = −1. a∈K × Beweis. Sei q = ord K, d.h. q − 1 =ord K × . Nach 3.1 ist aq−1 = 1 für alle a ∈ K × ; m.a.W.: Jedes a ∈ K × ist Nullstelle des Polynoms f = X q−1 − 1. Sei K × = {y1 , . . . , yq−1 }. Nach 4.3 gilt dann mit einem c ∈ K f = X q−1 − 1 = (X − y1 ) · . . . · (X − yq−1 ) · c = X q−1 · c + . . . + (−y1 )(−y2 ) · . . . · (−yq−1 ) · c Es folgt durch Koeffizientenvergleich c = 1 und −1 = (−y1 )(−y2 ) · . . . · (−yq−1 ) = (−1)q−1 y1 · . . . · yq−1 = y1 · . . . · yq−1 , denn (−1)q−1 = 1 nach 3.1. 83 Kapitel III. Aufbau des Zahlensystems §1 Addition und Multiplikation natürlicher Zahlen Wir wollen erklären, wie man natürliche Zahlen addiert und multipliziert und dabei nur den Begriff das Zählens verwenden. Heuristische Überlegung. Die natürlichen Zahlen entstehen durch fortschreitendes Zählen. Man kann diesen Vorgang beispielsweise anhand einer Strichliste dokumentieren: leer, |, ||, |||, . . . , n, n0 , (n0 )0 , . . . Anstelle von Strichfolgen kann man die Zahlen etwa durch arabische oder römische Zifferen ausdrücken: 0, 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11 . . . I, II, III, IV, V, V I, V II, V III, IX, X, XI, . . . Beim Zählen folgt auf eine Zahl genau eine nächste. Nenne diese den Nachfolger; schreibe n0 für den Nachfolger von n. Es gilt: (α) Verschiedene natürliche Zahlen haben auch verschiedene Nachfolger. (β) 0 ist kein Nachfolger einer natürlichen Zahl. (γ) Jede natürliche Zahl wird erreicht, wenn man lange genug“ zählt. ” In der Sprache der Mengenlehre bedeutet dies: Definition. Die natürlichen Zahlen bilden eine Menge N, zusammen mit (1) einem ausgezeichneten Element 0, und (2) einer Abbildung S : N −→ N n 7−→ S(n) =: n0 Es soll gelten (Axiome der natürlichen Zahlen.) (A) S ist injektiv, d.h.: Aus n 6= m folgt n0 6= m0 . 84 (B) 0 6∈ S(N), d.h.: Für alle n ∈ N ist n0 6= 0. (C) (Induktionsaxiom.) Sei M ⊆ N eine Menge mit den Eigenschaften (i) 0 ∈ M ; (ii) Aus x ∈ M folgt x0 ∈ M Dann ist M = N. n0 wird als Nachfolger von n bezeichnet. Alle weiteren Aussagen über natürliche Zahlen und deren Beweise lassen sich einzig und allein auf diese drei Axiome gründen. Wir werden diese Rückführung auf die Axiome an Beispielen demonstrieren. 1.1 Satz. Jede von 0 verschiedene Zahl ist Nachfolger einer natürlichen Zahl. Beweis. Sei M = {0} ∪ S(N). Zeige, daß M = N ist. Es gilt (i) 0 ∈ M (ii) Sei x ∈ M ; dann ist x0 = S(x) ∈ S(N) ⊆ M , also x0 ∈ M . Nach Axiom (C) ist M = N. I. Addition natürlicher Zahlen. 1.2 Satz. Zu jedem x ∈ N existiert genau eine Funktion ax : N −→ N mit folgenden Eigenschaften: (1) ax (0) = x (2) ax (y 0 ) = ax (y)0 für alle y ∈ N. Schreibe x + y := ax (y) für alle x ∈ N. Wegen (1) und (2) gilt: x + 0 = x und x + y 0 = (x + y)0 für alle x, y ∈ N. Definition. Die gemäß 1.2 eindeutig existierende Verknüpfung + : N × N −→ N, (x, y) 7−→ x + y mit den Eigenschaften x + 0 = x und x + y 0 = (x + y)0 heißt Addition natürlicher Zahlen. Beweis von 1.2. Halte x fest. Seien ax , bx : N −→ N Funktionen mit den Eigenschaften (1) und (2), d.h. (1) ax (0) = bx (0) = x, 85 (2) ax (y 0 ) = ax (y)0 und bx (y 0 ) = bx (y)0 für alle y, x ∈ N. Sei M = {y ∈ N | ax (y) = bx (y)}. Zu zeigen: M = N. (i) ax (0) = x = bx (0), also 0 ∈ M (wegen (1)). (ii) Sei y ∈ M , d.h. ax (y) = bx (y). Es folgt mit (2): ax (y 0 ) = (ax (y))0 = (bx (y))0 = bx (y 0 ) also y 0 ∈ M Nach (C) ist M = N. Existenz. Sei M = {x ∈ N | Es existiert eine Funktion ax : N −→ N mit den Eigenschaften (1) und (2) }. Zu zeigen: M = N. (i) Setze a0 (y) := y. Dann gilt (1) a0 (0) = 0 Also ist 0 ∈ M . (2) a0 (y 0 ) = y 0 = (a0 (y))0 (ii) Sei x ∈ M und ax : N → N die wegen x ∈ M in der (bereits bewiesenen) Eindeutigkeitsaussage eindeutig bestimmte Abbildung mit (1), (2). Dann ist ax (0) = x und ax (y 0 ) = (ax (y))0 für alle y ∈ N. Setze ax0 (y) := (ax (y))0 für alle y ∈ N. Da ax die Bedingungen (1) und (2) erfüllt, folgt ax0 (0) = (ax (0))0 = x0 und 0 0 0 ax0 (y ) = (ax (y )) = (ax (y)0 )0 = (ax0 (y))0 Also erfüllt auch ax0 (1) und (2), d.h. x0 ∈ M . Nach (C) ist (wegen (i) und (ii)) M = N. 1.3 Satz. Für alle x, y, z ∈ N gilt (x + y) + z = x + (y + z) x+y = y+x (Assoziativgesetz) (Kommutativgesetz) Beweise nur das Assoziativgesetz. Halte x, y fest. Sei M = {z | (x + y) + z = x + (y + z)}. Zu zeigen: N = M . (1) (1) (i) (x + y) + 0 = x + y = x + (y + 0), also 0 ∈ M . 86 (2) (ii) Sei z ∈ M , d.h. (x + y) + z = x + (y + z). Dann ist (x + y) + z 0 = (2) (2) ((x + y) + z)0 = (x + (y + z))0 = x + (y + z)0 = x + (y + z 0 ), also z 0 ∈ M . Nach (C) folgt M = N. (2) (1) Schreibe 1 für 00 . Dann gilt: x + 1 = x + 00 = (x + 0)0 = x0 . II. Multiplikation natürlicher Zahlen. 1.4 Satz. Zu jedem x ∈ N gibt es genau eine Funktion mx : N → N mit den Eigenschaften (3) mx (0) = 0 (4) mx (y 0 ) = mx (y) + x für alle y ∈ N. Der Beweis verläuft analog zum Beweis von 1.2 und wird daher weggelassen. Setze x · y := mx (y) für alle x, y ∈ N. (3) und (4) bedeuten somit x · 0 = 0 und x · (y + 1) = (x · y) + x für alle x, y ∈ N. Ferner ist x · 1 = x · (00 ) = x · 0 + x = 0 + x = x + 0 = x. Definition. Die Verknüpfung · : N × N −→ N, (x, y) 7−→ x · y heißt Multiplikation natürlicher Zahlen. 1.5 Satz Für alle natürlichen Zahlen x, y, z gilt x·y = y·x (Kommutativgesetz) x · (y + z) = (x · y) + (x · z) (Distributivgesetz) x · (y · z) = (x · y) · z (Assoziativgesetz) Beweise nur das Distributivgesetz. Halte x, y fest und setze M := {z | x · (y + z) = (x · y) + (x · z)}. Zu zeigen: M = N (i) x · (y + 0) = x · y = (x · y) + 0 = (x · y) + (x · 0), also 0 ∈ M. (ii) Sei z ∈ M , d.h. x · (y + z) = (x · y) + (x · z). Es folgt x · (y + z 0 ) = x · ((y + z)0 ) = (x · (y + z)) + x = ((x · y) + (x · z)) + x = (x · y) + ((x · z) + x) = (x · y) + (x · z 0 ), also z 0 ∈ M . 87 Nach (C) gilt daher M = N. Konvention. Wir lassen künftig den Malpunkt weg und schreiben kurz x+y+z xyz xy + z z + xy für für für für x + (y + z) = (x + y) + z, x(yz) = (xy)z; (xy) + z z + (xy) (Punktrechnung vor Strichrechnung). III. Der Rekursionssatz. Bei der Definition von Addition und Multiplikation sind wir nach dem folgenden Schema vorgegangen: (i) Man definiert ax (0) bzw. mx (0). (ii) Man gibt an, wie ax (y 0 ) bzw. mx (y 0 ) aus ax (y) bzw. mx (y) zu berechnen ist. Diese Vorgehen nennt man rekursive (induktive) Definition. Sie funktioniert ganz allgemein: 1.6 Rekursionssatz. (ohne Beweis.) Sei A eine Menge, g : A −→ A eine Abbildung und α ∈ A ein Element. Dann gilt es genau eine Funktion f : N −→ A mit folgenden Eigenschaften: (i) f (0) = α; (ii) f (n0 ) = g(f (n)) für alle n ∈ N. (f (0) = α, f (1) = g(f (0)) = g(α), f (2) = g(f (1)) = g(g(α), f (3) = g(g(g(α))), . . .). Beispiele. a) A = N, g(a) = a0 , α ∈ N : f (n) = aα (n) = α + n b) A = N, g = ax , α = 0 : f (n) = mx (n) = x · n Rekursive Folgen. Man nennt eine Abbildung f : N → A auch eine Folge von Elementen aus A und schreibt auch fn für f (n), (fn )n∈N oder f0 , f1 , f2 , . . . für f . Beispiele. f = c : N → N n 7→ c ist die konstante Folge c, c, c, . . .. f : N → N, n 7→ 2n ist die Folge 1, 2, 4, 8, 16, 32, . . . Eine Folge f , die wie in 1.6 definiert ist, nennt man eine rekursive Folge. 88 Es wird in diesem Fall eine Abbildung g : A → A und ein α ∈ A vorgegeben und erklärt (i) f0 = α ; fn+1 = g(fn ) Man nennt α das Anfangsglied und g eine Rekursionsgleichung für die Folge f . 1 ; α = 1. Dann ist f0 = 1, fn+1 = Beispiel. Sei g : R → R, g(x) = 1+x Die Folgenglieder berechnen sich nacheinander als f0 = 1, f1 = 1 1 1 = , f2 = 1+1 2 1+ 1 2 1 2 = , f3 = 3 1+ 2 3 1 . 1+fn 3 = ,... 5 Allgemeiner kann man rekursive Folgen definieren, indem man angibt, wie ein Folgenglied aus den k vorangegangenen berechnet werden soll (k–fache Rekursion): (1.6)’Satz. Sei g : Rk → R eine Funktion in k Variablen. Dann wird durch Vorgabe von f0 , . . . , fk−1 und die Rekursionsvorschrift fn+k = g(fn , . . . , fn+k−1 ) für n = 0, 1, 2, . . . eine eindeutig bestimmte Folge definiert. Beispiel. k = 2, g(x, y) = x + y; f0 = 0, f1 = 1 : fn+2 = g(fn , fn+1 ) = fn + fn+1 = Summe der beiden vorangegangenen Folgenglieder. Die Folge beginnt mit 0, 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34, 55, 89, 144, . . . Es handelt sich um die berühmte Fibonacci–Folge. Das Induktionsaxiom (C) läßt sich auch etwas anders formulieren: (V) Beweisprinzip der vollständigen Induktion. Sei A = A(n) eine Aussage über natürliche Zahlen. Es sei bekannt: (a) (Induktionsbeginn) A(0) ist richtig. (b) (Induktionsschluß) Aus der Gültigkeit von A(x) (Induktionsannahme) folgt stets die Gültigkeit von A(x + 1). Dann ist A allgemein (d.h. für alle n ∈ N) richtig. Beweis. Sei M := {x | x ∈ N und A(x) gilt}. Zu zeigen: M = N. 89 (i) 0 ∈ M , da A(0) gilt. (ii) Sei x ∈ M , dann gilt A(x). Nach Voraussetzung gilt dann auch A(x+1). Also ist x + 1 ∈ M . Nach (C) ist daher M = N. IV. Die Anordnung der natürlichen Zahlen. 1.7 Satz. Für alle x, y, z ∈ N gilt: a) Aus x + y = x + z folgt y = z ( Kürzungsregel“). ” b) Aus x + y = 0 folgt: x = 0 und y = 0. Beweis. a) Zu zeigen: Aus y 6= z folgt x + y 6= x + z. Halte y, z mit y 6= z fest; setze M = {x | x + y 6= x + z} Zeige mit Hilfe von (C), daß M = N. (i) 0 + y = y 6= z = 0 + z, also 0 ∈ M . (ii) Sei x ∈ M , d.h. x + y 6= x + z =⇒ (x + y)0 6= (x + z)0 nach (A). Aber (x + y)0 = (y + x)0 = y + x0 und (x + z)0 = (z + x) = z + x0 ; also ist y + x0 6= z + x0 und somit x0 ∈ M . Nach (C) folgt M = N. b) Aus y 6= 0 folgt y = w0 mit w ∈ N nach 1.1, und x + y = x + w0 = (x + w)0 6= 0 nach (B). Analog schließt man, wenn x 6= 0 ist. 1.8 Korollar. Für x, y ∈ N tritt genau einer der folgenden Fälle ein: (1) x = y (2) Es gibt ein u 6= 0 in N mit x = y + u (3) Es gibt ein v 6= 0 in N mit y = x + v Beweis. Unvereinbarkeit: Wegen 1.7a) ist y + u 6= y für u 6= 0. Also sind (1) und (2) unvereinbar. Entsprechend zeigt man dies für (1) und (3). Aus (2) und (3) folgt x = y + u = (x + v) + u = x + (v + u), also v = u = 0 nach 1.7a) und b); Widerspruch. 90 Eintreffen eines der drei Fälle: Halte x fest, zeige induktiv die Aussage A(y) : Für x, y gilt (1), (2) oder (3). Induktionsbeginn: y = 0 : x = y + x =⇒ (1) oder (2) gilt für x, y Induktionsannahme: Für x, y gilt (1), (2) oder (3). Schluß von y auf y + 1: Wir unterscheiden zwei Fälle: a) (1) oder (3) gilt für x, y =⇒ y = x+v, v ∈ N =⇒ y +1 = x+(v +1) =⇒ v + 1 6= 0 nach 1.7b) und (3) gilt für x, y + 1. 1.1 b) (2) gilt für x, y =⇒ x = y + u, u 6= 0 =⇒ u = w0 = w + 1, w ∈ N =⇒ x = (y + 1) + w, w ∈ N =⇒ (1) oder (2) gilt für x, y + 1. Definition. x < y := y = x + v mit v 6= 0 (Fall (3)) Im Fall (2) ist daher y < x. Aus 1.8 ergibt sich 1.9 Korollar. Für x, y tritt genau einer der Fälle x = y, x < y oder y < x ein. Im Fall x < y (sprich x kleiner als y“) schreibt man auch y > x (sprich y ” ” größer als x“). Definition. x ≥ y := x > y oder x = y x ≤ y := x < y oder x = y 1.10 Korollar. Die Relation ≤“ ist eine lineare Ordnung (oder Total” ordnung) auf N, d.h.: (1) x ≤ x (Reflexivität) (2) Aus x ≤ y und y ≤ x folgt x = y (Antisymmetrie) (3) Aus x ≤ y und y ≤ z folgt x ≤ z (Transitivität) Ist dabei x 6= y oder y 6= z, so ist auch x 6= z. (4) Es gilt x ≤ y oder y ≤ x. Beweis. (1), (2) und (4) sind klar nach 1.9. Zu (3): y = x + v, z = y + w =⇒ z = x + (v + w) =⇒ x ≤ z. 1.7b) Dabei: v 6= 0 oder w 6= 0 =⇒ v + w 6= 0 =⇒ x < z. 1.11 Korollar. (Monotonie) Für alle x, y, z ∈ N gilt 91 a) Aus x ≤ y folgt x + z ≤ y + z b) Aus x ≤ y folgt x · z ≤ y · z Beweis. a) y = x + u =⇒ y + z = x + u + z = (x + z) + u b) y = x + n =⇒ yz = (x + u)z = xz + uz Definition. Sei A ⊆ N nicht leer. Ein Element a0 ∈ A heißt Minimum von A (oder kleinstes Element von A) wenn a0 ≤ a für alle a ∈ A (Schreibe dann a0 = MinA). 1.12 Prinzip vom kleinsten Element. Jede nicht leere Menge natürlicher Zahlen besitzt ein Minimum. Dieses ist eindeutig bestimmt. Die Eindeutigkeit folgt aus 1.10 (2). Beweis. 0 ∈ A =⇒ 0 = Min A, denn 0 ≤ n für alle n ∈ N (wg. n = 0 + n). Sei nun 0 6∈ A. Angenommen A besitze kein Minimum. Setze B := {n | n ∈ N und n < x für alle x ∈ A}. Es folgt B ∩ A = ∅. Wegen A 6= ∅ folgt B 6= N. Zeige, daß auch B = N, Widerspruch. (i) Wegen 0 6∈ A ist 0 < x für alle x ∈ A, also 0 ∈ B. (ii) Sei n ∈ B. Dann ist n < x für alle x ∈ A. Es folgt n + 1 ≤ x für alle x ∈ A. Da A kein Minimum besitzt ist n + 1 6∈ A. Also gilt n + 1 < x für alle x ∈ A, d.h. n + 1 ∈ B. Nach (C) gilt daher B = N. 1.13 Satz. N ist nullteilerfrei, d.h. Aus x 6= 0 und y 6= 0 folgt: x · y 6= 0 Beweis. y = z 0 , z ∈ N (nach 1.1). Also gilt wegen x 6= 0 xy = xz 0 = xz + x 6= 0 nach 1.7b). 92 §2 Der Ring der ganzen Zahlen Die additive Gruppe der ganzen Zahlen. Zielvorstellung. Die ganzen Zahlen sollen eine abelsche Gruppe (G, +) bilden, welche N umfaßt und so daß gilt: (i) Jedes Element aus G schreibt sich in der Form a − b mit a, b ∈ N. (ii) 0 ∈ N ist das neutrale Element von G. Es folgt: Sind a, b, c, d ∈ N so gilt (∗) a − b = c − d in G ⇐⇒ a + d = c + b in N. Wir wollen uns eine Gruppe mit diesen Eigenschaften schaffen. Betrachte die Menge N×N = {(a, b) | a ∈ N und b ∈ N} der Paare natürlicher Zahlen. Führe auf N × N eine Äquivalenzrelation ein; dabei soll am Ende die Äquivalenzklasse von (a, b) der Zahl a − b in der zu konstruierenden Gruppe G entsprechen. Definition. Die Paare (a, b) und (c, d) aus N × N heißen äquivalent, wenn a + d = b + c. Schreibe dann (a, b) ∼ (c, d) “. ” 2.1 Bemerkung. ∼ ist eine Äquivalenzrelation, d.h. (1) (a, b) ∼ (a, b) (Reflexivität) (2) (a, b) ∼ (c, d) =⇒ (c, d) ∼ (a, b) (Symmetrie) (3) (a, b) ∼ (c, d) und (c, d) ∼ (e, f ) =⇒ (a, b) ∼ (e, f ) (Transitivität) Beweis. (1) und (2) sind klar. (3) (a, b) ∼ (c, d) ∼ (e, f ) =⇒ a + d = c + b und c + f = e + d =⇒ a + d + f = b + c + f = b + d + e. Nach der Kürzungsregel 1.7a) folgt a + f = b + e, d.h. (a, b) ∼ (e, f ). Seien a, b ∈ N. Definition. Die Menge [a, b] := {(c, d) | (a, b) ∼ (c, d)} nennt man die Äquivalenzklasse von (a, b) modulo ∼. Also ist [a, b] = [c, d] ⇐⇒ (a, b) ∼ (c, d) ⇐⇒ a + d = c + b. 93 Wir bezeichnen Z := Menge der Äquivalenzklassen modulo ∼ = {[a, b] | (a, b) ∈ N × N} als Menge der ganzen Zahlen. Heuristische Überlegung. In der zu konstruierenden Gruppe G soll gelten: s.o a − b = c − d ⇐⇒ a + d = c + b ⇐⇒ [a, b] = [c, d]. Identifiziere daher a − b mit [a, b]. Bei der Addition auf G sollte gelten: (a − b) + (c − d) = (a + c) − (b + d). Nachdem a − b mit [a, b] identifiziert ist bedeutet die letzte Gleichung: [a, b] + [c, d] = [a + c, b + d]. Wir erheben dies zur Definition der Addition auf G. Definition. [a, b] + [c, d] := [a + c, b + d] (Addition ganzer Zahlen.) Es ist zu zeigen, daß dies eine sinnvolle Definition ist, d.h. [a, b] = [a0 , b0 ] und [c, d] = [c0 , d0 ] impliziert [a + c, b + d] = [a0 + c0 , b0 + d0 ]. Der Nachweis wird dem Hörer (Leser) überlassen. 2.2 Satz. (Z, +) ist eine abelsche Gruppe mit Null= [0, 0] und −[a, b] = [b, a]. Beweis. Assoziativ- und Kommutativgesetz übertragen sich sofort von N auf Z. [a, b] + [0, 0] = [a + 0, b + 0] = [a, b] [a, b] + [b, a] = [a + b, a + b] = [0, 0] denn (a + b) + 0 = 0 + (a + b) Einbettung von N in Z. Betrachte die Abbildung l : N −→ Z, a 7−→ [a, 0] 2.3 Satz. Die Abbildung l ist injektiv und mit der Addtion verträglich“, ” d.h.: l(a + b) = l(a) + l(b). Man kann daher (N, +) als Teilmenge von (Z, +) auffassen indem man a für [a, 0] schreibt. Beweis. [a, 0] = [b, 0] =⇒ a + 0 = b + 0 =⇒ a = b, also ist l injektitiv. [a, 0] + [b, 0] = [a + b, 0 + 0] = [a + b, 0]. 2.4 Satz. Fasse N gemäß 2.3 als Teilmenge von Z auf. (Schreibe a für [a, 0].) Für a, b ∈ N ist dann [a, b] = a − b und es gilt ˙ ˙ >0 Z = (−N>0 )∪{0} ∪N (N>0 := {n ∈ N | n 6= 0}, −M = {−m | m ∈ M } für M ⊆ N.) Beweis. a − b = [a, 0] + (−[b, 0]) = [a, 0] + [0, b] = [a, b]. Nach 1.8 gilt in N genau eine der Relationen a = b, a < b, b < a a = b : [a, b] = [a, a] = [0, 0] = 0 94 a < b : b = a + x, x ∈ N>0 =⇒ [a, b] = [0, x] = −[x, 0] = −x ∈ −N>0 b < a : a = b + y, y ∈ N>0 =⇒ [a, b] = [y, 0] = y ∈ N0 Multiplikation ganzer Zahlen. Nach 2.4 ist [a, b] = a − b. Heuristische Vorüberlegung. (Z, +, ·) soll ein Ring werden, also muß nach dem Distributiv- und Assoziativgesetz gelten: [a, b] · [c, d] = (a − b)(c − d) = (ac + bd) − (ad + bc) = [ac + bd, ad + bc] . Wir definieren daher: Definition. [a, b] · [c, d] := [ac + bd, ad + bc] (Dies ist die Fortsetzung der Multiplikation auf N ⊆ Z : [a, 0] · [c, 0] = [ac + 0, a · 0 + 0·] = [ac, 0] = ac.) Wie man leicht nachrechnet, gilt 2.5 Regel. Seien a, b ∈ N. Dann gilt: a) (−1)a = −a b) (−a)b = −ab c) a(−b) = −ab d) (−a)(−b) = ab 2.6 Satz (Z, +, ·) ist ein nullteilerfreier Ring mit Einselement 1 und Nullelement 0. Beweis. Die Nullteilerfreiheit gilt nach 1.13 und 2.5. Zeige noch als Beispiel das Distributivgesetz in Z: [a, b]([c, d] + [e, f ]) = [a, b][c + e, d + f ] = [(ac + ae) + (bd + bf ), (ad + af ) + (bc + be)] = [ac + bd, ad + bc] + [ae + bf, af + be] = [a, b][c, d]+ +[a, b][e, f ] Die Anordnung der ganzen Zahlen. Definition. Für x, y ∈ Z sei x ≤ y :⇐⇒ y − x ∈ N x < y :⇐⇒ x ≤ y und x 6= y( d.h. y − x ∈ N>0 ) 2.7 Satz. ≤ “ ist eine lineare Ordnung auf Z, welche die Ordnung auf N ” fortsetzt. Sie ist monoton, d.h. 95 (1) Aus x ≤ y folgt x + z ≤ y + z (für alle x, y, z ∈ Z). (2) Ist z ∈ N so folgt aus x ≤ y schon x · z ≤ y · z. Beweis. Seien a, b ∈ N. Gilt a ≤ b in N, so ist b = a + x, x ∈ N, also b−a = x ∈ N, d.h. a ≤ b in Z (und umgekehrt). Also ist ≤“eine Fortsetzung ” der Ordnung von N auf Z. Reflexivität. Aus x − x = 0 ∈ N folgt x ≤ x. Antisymmetrie. x ≤ y und y ≤ x =⇒ y − x ∈ N und x − y ∈ N 2.4 =⇒ y − x ∈ N und y − x = −(x − y) ∈ N =⇒ y − x ∈ N ∩ (−N) = {0} =⇒ y = x. Transitivität. Sei x ≤ y und y ≤ z. Dann ist y − x ∈ N und z − y ∈ N z − x = (z − y) + (y − x) ∈ N =⇒ x ≤ z. Lineararität. Sei x 6≤ y. Zu zeigen y ≤ x. 2.4 Aus x 6≤ y folgt y − x 6∈ N =⇒ y − x = −a, a ∈ N =⇒ x − y = −(y − x) = −(−a) = a ∈ N =⇒ y ≤ x. Monotomie. (1) x ≤ y =⇒ y − x ∈ N =⇒ (y + z) − (x + z) = y − x ∈ N =⇒ x + z ≤ y + z (2) x ≤ y und z ≥ 0 =⇒ y − x ∈ N und z ∈ N =⇒ (y − x) · z ∈ N, d.h. yz − xz ∈ N =⇒ xz ≤ yz. Übungsaufgabe. Für a ∈ Z nennt man a falls a ≥ 0 |a| := −a falls a < 0 den Betrag von a. Zeigen Sie, daß für alle a, b ∈ Z | − a| = |a|, |a| ≥ 0, |a| = 0 =⇒ a = 0, |ab| = |a||b| und |a + b| ≤ |a| + |b| Damit ist Kapitel I, §1 neubegründet worden. Wir werden daher hinfort alles verwenden, was wir in den Kapiteln I und II über die ganzen Zahlen gelernt haben. 96 §3 Die g–adische Darstellung natürlicher Zahlen Wir sind gewöhnt, natürliche Zahlen im Dezimalsystem darzustellen und mit diesen Darstellungen zu rechnen. Dazu führt man zehn Zeichen (Ziffern) ein, üblicherweise 0, 1 := 00 , 2 := 10 , 3 := 20 , 4 := 30 , 5 := 40 , 6 := 50 , 7 := 60 , 8 := 70 , 9 := 80 . Sind a0 , a1 , . . . , an ∈ {0, 1, 2, . . . , 9} solche Ziffern, n ≥ 1 (und ist an 6= 0), so bedeutet die Ziffernfolge (∗) an an−1 · . . . · a1 a0 die Zahl 0 0 an · 9 n + an−1 9 n−1 + · . . . · +a1 · 90 + a0 . Insbesondere bedeutet die Ziffernfolge 10 die Zahl 1 · 90 + 0 = 90 . Wir wollen zeigen, daß man mit dieser Ziffernnotation unmißverständlich Zahlen darstellen kann, d.h.: Jede Zahl z ∈ N hat eine und nur eine Darstellung (∗) mit Ziffern aus {0, 1, 2, . . . , 9}. Man spricht von der Dezimaldarstellung der Zahl z. Hier ist die Grundzahl zehn, man benutzt zehn Zeichen. Es gibt auch Systeme mit mehr oder weniger als zehn Zeichen. Die Babyloner rechneten im Zwölfersystem. Die Computer begnügen sich mit zwei Zeichen, 0 und 1; 1101001“ bedeutet ” im Zweiersystem die Zahl 1 · 26 + 1 · 25 + 0 · 24 + 1 · 23 + 0 · 22 + 0 · 2 + 1 = 64 + 32 + 8 + 1 = 105, wenn man Sie im Zehnersystem darstellt. Wir wollen hier jede natürliche Zahl g ≥ 2 als Grundzahl zulassen. 3.1 Satz. Sei g ≥ 2 eine natürliche Zahl. Dann läßt sich jede natürliche Zahl a eindeutig in der Form a = an g n + an−1 g n−1 + . . . + a2 g 2 + a1 g + a0 97 schreiben, wobei a0 , . . . , an ∈ N, n ≥ 0, 0 ≤ ni < g und an 6= 0 falls a 6= 0. Hat man für die ganzen Zahlen z mit 0 ≤ z < g Zeichen (Ziffern, Chriffren) vereinbart, so schreibt man für a auch die Aneinanderreihung der betreffenden Zeichen für a0 , . . . , an : an an−1 . . . a1 a0 bedeutet die Zahl an g n + an−1 g n−1 + . . . + a2 g 2 + a1 g + a0 = a. Beide Schreibweisen nennt man die g–adische Darstellung von a. Beweis. Existenz der g–adischen Darstellung. Induktion nach a. Für a = 0 und a = 1 ist dies klar. Sei also a ≥ 2. Schluß von a − 1 auf a. Die Behauptung sei bereits bewiesen für natürliche Zahlen b mit 1 ≤ b < a. Zu zeigen: Dann gilt die Behauptung auch für a. Dividiere dazu a durch g mit Rest: a = q · g + r, 0 ≤ r < g, q≥0 Setze a0 := r. Im Falle q = 0 ist die gewünschte Darstellung a = a0 (n = 0) Ist q > 0, so ist q < qg ≤ a, da g ≥ 2. Nach Induktionsannahme besitzt daher q eine g–adische Darstellung q = q0 + q1 g + · . . . · +qm g m , 0 ≤ qi < g für i = 0, m, qm 6= 0. Es folgt a = a0 + qg = a0 + q0 g + q1 · g 2 + . . . + qm g m+1 . Setze a1 = q0 , . . . , am+1 = qm und erhalte die Darstellung a = a0 + a1 g + . . . + am+1 g m+1 , 0 ≤ aj < g, j = 0, . . . , m + 1, am+1 6= 0. Eindeutigkeit der Darstellung. a ≥ 1 habe zwei Darstellungen a0 + a1 g + . . . + an g n = a00 + a01 g + . . . + a0m g m = a, 0 ≤ ak , a0k < g wobei o.E. m ≥ n ≥ 0, an 6= 0 und a0m 6= 0. Zeige zunächst, daß m = n ist. 98 Es ist a ≥ g m , a ≥ g n und aν ≤ g − 1. Es folgt a ≤ (g−1)g n +. . .+(g−1)g+g−1 = (g−1)(g n +g n−1 +. . .+g+1) = g n+1 −1 < g n+1 Angenommen m ≥ n + 1. Dann wäre g n+1 ≤ g m ≤ a < g n+1 , Widerspruch. Also ist m = n. Zeige nun, daß aν = a0ν für ν = 0, . . . , n: Andernfalls ist die Menge M = {ν | 0 ≤ ν ≤ n, aν 6= a0ν } nicht leer und besitzt daher ein Maximum k. Es folgt a0 + a1 g + . . . + ak g k = a00 + a01 g + . . . + a0k g k ; 0 ≤ k ≤ n, ak 6= a0k Es muß dann k > 0 sein, da sonst a0 = a00 und a0 6= a00 gelten würde. Es folgt (ak − a0k )g k = (a00 − a0 ) + (a01 − a1 )g + . . . + (a0k−1 − ak−1 )g k−1 mit |a0ν − aν | ≤ g − 1 für ν = 0, . . . , k. Es folgt |ak − a0k |g k ≤ |a0k−1 − ak−1 |g k−1 + . . . + |a01 − a1 |g + |a00 − a0 | ≤ (g − 1)(g k−1 + g k−2 + . . . g + 1) = g k − 1 < g k , im Widerspruch zu |ak − a0k | ≥ 1, da ak 6= a0k . Beispiel. Sei a die natürliche Zahl mit der Dezimaldarstellung a = 7 + 3 · 10 + 5 · 100 + 1 · 1000 Berechnung der 9–adischen Ziffernfolge von a. Division von a durch 9 mit Rest ergibt 1537 : 9 = 170 Rest 7, d.h. 63 7 1537 = 170 · 9 + 7 170 = 18 · 9 + 8 18 = 2 · 9 + 0 Dividiere 170 mit Rest, usw. Es folgt 1537 = 170 · 9 + 7 = (18 · 9 + 8)9 + 7 = (2 · 9 · 9 + 8)9 + 7 = 2 · 93 + 0 · 92 + 8 · 91 + 7 · 90 =2087 ˆ im Neunersystem Zur Unterscheidung der verschiedenen System kann man einen Index g für die g–adische Ziffernfolge angeben, also (1537)10 = (2087)9 99 Neunerprobe und Elferprobe im Dezimalsystem Sei g > 1 und (an an−1 . . . a1 a0 )g die g–adische Darstellung der Zahl a ≥ 1. Definition. a) Die Quersumme von a (bzgl. g) ist die Zahl Q(a) := a0 + a1 + . . . + an . b) Die alternierende Quersumme von a (bzgl. g) ist die Zahl Q0 (a) := a0 − a1 + a2 − + . . . + (−1)n an . 3.2 Satz. a ≡ Q(a) mod (g − 1) und a ≡ Q0 (a) mod (g + 1). Beweis. Es ist g ≡ 1 mod (g − 1) und g ≡ −1 mod (g + 1). Nach den Regeln der Kongruenzrechnung gilt also g ν ≡ 1 mod (g − 1) und g ν ≡ (−1)ν mod (g + 1) für alle 0 ≤ ν ≤ n. n P Für a = aν g ν ergibt sich daraus ν=0 a≡ a≡ n P ν=0 n P aν 1ν = Q(a) mod (g − 1) und aν (−1)ν = Q0 (a) mod (g + 1) ν=0 Sind x ≡ y mod m, so ist m | x ⇐⇒ x ≡ 0 mod m ⇐⇒ y ≡ 0 mod m ⇐⇒ m | y. Aus 3.2 folgt also 3.3 Korollar. (g − 1) | a ⇐⇒ (g − 1) | Q(a) und (g + 1) | a ⇐⇒ (g + 1) | Q0 (a) Speziell gilt für g = 10 3.4 Korollar. 9 | a ⇐⇒ 9 | Q(a) 11 | a ⇐⇒ 11 | Q0 (a) und Induktiv erhält man 9 | a ⇐⇒ 9 | Qn (a), 11 | a ⇐⇒ 11 | Q0n (a). Für große n wird Qn (a) bzw. Q0n (a) einstellig und es ist offensichtlich ob 9 | Qn (a) bzw. 11 | Q0n (a). 100 3.5 Korollar. + + Q(a · b) ≡ Q(a) · Q(b) mod (g − 1) und + + Q0 (a · b) ≡ Q0 (a) · Q0 (b) mod (g + 1) + Beweis. Nach 3.2 gilt Q(x) ≡ x mod (g − 1) für alle x ∈ N =⇒ Q(a · b) ≡ + + a · b ≡ Q(a) · Q(b) mod (g − 1). Entsprechend schließt man für Q0 und g + 1. 3.6 Korollar. 3 | a ⇐⇒ 3 | Q(a) Beweis. Offenbar gilt: 3 | x =⇒ 9 | x2 . Da 3 eine Primzahl ist gilt: 9 | x2 =⇒ 3 | x2 =⇒ 3 | x. Also gilt: 9 | x2 ⇐⇒ 3 | x für alle x ∈ N. Nach 3.2 und 3.5 ist a2 ≡ Q(a2 ) ≡ Q(a)2 mod 9, somit 3 | Q(a) ⇐⇒ 9 | Q(a)2 ⇐⇒ 9 | Q(a)2 ⇐⇒ 9 | a2 ⇐⇒ 3 | a Neunerprobe. Als Resultat einer Multiplikation erhält man a · b = c. Man möchte überprüfen, ob die Rechnung stimmen kann: Ist a · b = c“ richtig gerechnet, so gilt nach 3.5 auch Q(a) · Q(b) ≡ Q(c) ” mod 9. Mit anderen Worten: Aus Q(a)Q(b) 6≡ Q(c) mod 9 folgt ab 6= c, die Rechnung ist falsch. Beispiel. Man erhält beim Multiplizieren 1312 · 911 = 1195232 Q(a) = 7, Q(b) = 11, Q(c) = 23 Q(a) · Q(b) = 77 ≡ 5 mod 9, Q(c) ≡ 5 mod 9 Die Rechnung kann also stimmen. (Sie stimmt auch!) Elferprobe. Wie oben hat man a · b = c“ gerechnet. Ist dies richtig, so gilt ” auch Q0 (a) · Q0 (b) ≡ Q0 (c) mod 11. Beispiel. Man erhält (etwa durch einen Schreibfehler) 1312 · 911 = 1105232. Es gilt Q0 (a) = 3, Q0 (b) = 9, Q0 (c) = −4 ≡ 7 mod 11. Q0 (a)Q0 (b) = 27 ≡ 5 6≡ 7 ≡ Q0 (c) mod 11. Die Rechnung muß also falsch sein. (Mit der Neunerprobe hätte man’s nicht gemerkt.) 101 §4 Die rationalen Zahlen Der Ring der ganzen Zahlen hat den Mangel, daß nicht jede Gleichung a = bX, b 6= 0 innerhalb Z lösbar ist. (Z.B. ist 1 = 2 · X unlösbar in Z). Zu seiner Beseitigung erweitert man den Zahlbereich zum Körper der rationalen Zahlen (Brüche). A. Die rationalen Zahlen. Definition. Die Menge der rationalen Zahlen besteht (1) aus den ganzen Zahlen, und (2) aus den Paaren (a, b) mit a, b ∈ Z, b ≥ 2, ggT (a, b) = 1 ˙ Q = Z∪{(a, b) | a, b ∈ Z, b ≥ 2, ggT (a, b) = 1} 4.1 Einführung der Bruchschreibweise. Seien a, b ∈ Z, b 6= 0: a) a 1 := a ∈ Z b) Ist ggT (a, b) = 1 und b ≥ 2, so setzen wir a b := (a, b). c) Nach Kap. I, 2.8 gibt es durch (a, b) eindeutig bestimmte Zahlen d = ±ggT (a, b), ã und b̃ mit a = dã, b = db̃, b̃ ≥ 1, ggT (ã, b̃) = 1, d 6= 0. ( ! ã falls b̃ = 1 a ã Setze b := b̃ = . Damit ist (ã, b̃) falls b̃ ≥ 2 a Q = { | a, b ∈ Z, b 6= 0}. b Für a, b ∈ Z mit b 6= 0, nennt man den Ausdruck ab einen Bruch, a seinen Zähler und b seinen Nenner. Nach obiger Definition schreibt sich jedes r ∈ Q in eindeutiger Weise als r = ãb̃ mit b̃ ≥ 1 und ggT (ã, b̃) = 1. Dieser Ausdruck heißt gekürzte Bruchdarstellung von r ∈ Q. Sind also ãb̃ und dc̃˜ gekürzte Brüche, so gilt (∗) ã c̃ = ⇐⇒ ã = c̃ und b̃ = d˜ b̃ d˜ 102 4.2 Gleichheit von Brüchen. Seien a, b ∈ Z, b 6= 0. b b a) 0 b = 1 und =0 b) Für alle t ∈ Z\{0} gilt die Kürzungsregel at a = bt b c) Sind c, d ∈ Z, d 6= 0, so gilt a c = ⇐⇒ ad = bc b d Beweis. a) und b) sind Spezialfälle von c). Zu c) Seien ãb̃ = ab und dc̃˜ = dc die zugehörigen reduzierten Bruchdarstellungen. Dann gilt ˜ ggT (ã, b̃) = ggT (c̃, d) ˜ = 1, a = tã, b = tb̃, c = t0 c̃, d = t0 d, b̃ > 0, d˜ > 0 und tt0 6= 0. (∗) a = c =⇒ ã = c̃ =⇒ ã = c̃, b̃ = d˜ =⇒ ad = tt0 ãd˜ = tt0 b̃c̃ = bc. b d b̃ d˜ ad = bc =⇒ tt0 ãd˜ = tt0 b̃c̃ =⇒ tt0 (ãd˜ − b̃c̃) = 0, tt0 6= 0 =⇒ ãd˜ − b̃c̃ nach 2.6, d.h. ãd˜ = b̃c̃. ˜ c̃) = 1, d˜ > 0, b̃ > 0. Es folgt ã = c̃ und b̃ = d, ˜ Ferner gilt ggT (ã, b̃) = ggT (d, da man in Z eine eindeutige Primfaktorzerlegung hat. Also ist ã c̃ c a = = = ˜ b d b̃ d B. Addition und Multiplikation von Brüchen. Seien ab , dc ∈ Q. Wir definieren a b + a b · c d c d := ad+bc bd (Addition) und := ac bd (Multiplikation) 4.3 Bemerkung. Addition und Multiplikation von rationalen Zahlen sind unabhängig von der Darstellung definiert, d.h. Aus (i) a b ac bd = = a0 b0 und a0 c0 ; b0 d0 c d = (ii) c0 d0 folgt ad+bc bd = a0 d0 +b0 c0 b0 d0 103 Beweis. Nach 4.2 c) gilt (iii) ab0 = a0 b und cd0 = c0 d, und somit ac 4.2b) acb0 d0 = bdb0 d0 bd = ab0 cd0 bdb0 d0 a0 bc0 d 4.2b) a0 c0 = b0 d0 bdb0 d0 = 0 0 0 bb0 0 0 0 dbb0 ad+bc 4.2b) (ad+bc)b0 d0 = = ab ddbdb+cd = a bddbdb+c 0 d0 0 d0 bd bdb0 d0 4.4 Regel. Sei ab ∈ Q. Dann gilt = bd(a0 d0 +c0 b0 ) 4.2b) a0 d0 +c0 b0 = bd(b0 d0 ) b0 d0 a) + und · setzen die Addition und Multiplikation von Z auf Q fort. b) a b · b a = 1, falls a, b ∈ Z\{0}. Insbesondere ist a· a1 = 1 für alle a ∈ N\{0}. c) a b löst die Gleichung bX = a. d) a b ·1= e) a b + c b a b = und a+c ; b a b + 0 = ab . insbesondere ist a b + −a b = 0 b =0 Beweis. a) a 1 a 1 + 1b = a·1+b·1 = a+b =a+b 1·1 1 ab · 1b = 1·1 = ab = ab 1 b) a b · b a = ab ba = 1 1 c) b · a b = b 1 a b = d) e) · = 1 nach 4.2 ab 1·b = a 1 = a nach 4.2 a b a b · 1 = ab · 11 = a·1 = ab b·1 + 0 = ab + 01 = a·1+0·b = b·1 a b + c b = ab+cb bb = (a+c)b bb = a b a+c b nach 4.2 4.5 Satz. (Q, +, ·) ist ein Körper. Beweis. Nach 4.4 sind nur noch das Distributiv-, Assoziativ- und Kommutativgesetz zu zeigen. Zeige exemplarisch: +de +ade a c ( + fe ) = ab · cfdf = acfbdf und b d b(acf +dae) acbf +bdae a e a c · + b · f = bdbf = b(dbf ) b d = acf +ade , bdf also gilt das Distributivgesetz. 104 C. Anordnung der rationalen Zahlen. Definition. Eine rationale Zahl heißt positiv, wenn sie eine Darstellung r = ab hat mit ab > 0. 4.6 Bemerkung. Ist r positiv und r = dc , so ist auch cd > 0. Beweis. Sei r = ab mit ab > 0. Es folgt ad = bc, also (ab)(cd) = b2 c2 = (bc)2 > 0; wegen ab > 0 folgt auch cd > 0. Setze P = { ab | a b ∈ Q positiv } = Menge der positiven rationalen Zahlen. 4.7 Satz. P ist abgeschlossen bzgl. der Addition und Multiplikation und es ˙ ˙ gilt: Q = P ∪{0} ∪(−P ). Beweis. N>0 ist abgeschlossen bezüglich + und ·. Also ist nach Definition der Positivität rationaler Zahlen auch P abgeschlossen bezüglich + und ·: , r + s = ad+bc =⇒ acbd = (ab)(cd) > 0 Seien r = ab , s = dc aus P =⇒ rs = ac bd bd und (ad + bc)bd = (ab)d2 + (cd)b2 > 0. Sei ab 6∈ P ∪ {0} =⇒ ab < 0 =⇒ −(a)b = −ab > 0 =⇒ ∈ −P. − −a b Sei r = − ab ∈ −P, d.h. ab > 0 und r = ist daher r 6∈ P ∪ {0}. −a b −a b ∈ P =⇒ a b = mit (−a)b = −ab < 0. Nach 4.6 Definition. r ≤ s := s − r ∈ P0 := P ∪ {0}. P0 ist nach 4.7 abgeschlossen bzgl. + und ·. 4.8 Satz. ≤“ ist eine lineare Ordnung auf Q, welche die Ordnung auf Z ” fortsetzt. Sie ist monoton, d.h. r≤s r≤s =⇒ und r+t≤s+t t ≥ 0 =⇒ rt ≤ st Beweis. a ≤ b in Z ⇐⇒ b − a ∈ N ⇐⇒ Def. b 1 − a 1 = b−a 1 a Def. 1 ∈ P0 ⇐⇒ ≤ b 1 in Q. Damit setze ≤“ die Ordnung auf Z fort. ” Zeige beispielsweise noch die Transitivität von ≤“ : ”4.7 r ≤ s und s ≤ t ⇐⇒ s − r ∈ P0 und t − s ∈ P0 =⇒ t − r = (s − r) + (t − s) ∈ P0 =⇒ t ≤ r 105 und die Monotomie bzgl. + “ : r ≤ s =⇒ s − r ∈ P0 =⇒ ” (s + t) − (r + t) = s − r ∈ P0 =⇒ r + t ≤ s + t 4.7 und bzgl. · “ : r ≤ s, t ≥ 0, =⇒ s − r, t ∈ P0 =⇒ ” st − rt = (s − r)t ∈ P0 =⇒ rt ≤ st. 4.9 Das Prinzip des Archimedes. Für alle r, s ∈ P gibt es eine natürliche Zahl n mit n · r > s. Beweis. Schreibe r = hp , s = hq mit dem gleichen Nenner h > 0 und p, q > 0. (Dies erreicht man durch Erweitern.) Es gilt dann nach 4.8: nr > s ⇐⇒ (nr)h > sh ⇐⇒ np > q, denn rh = p, sh = q. Es genügt also, zu zeigen: Zu gegebenen natürlichen Zahlen p 6= 0 und q 6= 0 gibt es eine natürliche Zahl n mit np > q. Beweis: Wegen p ≥ 1 ist (q + 1)p ≥ (q + 1) · 1 = q + 1 > q. 4.10 Satz. Die Elemente von Q liegen dicht gedrängt“: ” Für r, s ∈ Q mit r < s liegt immer noch ein t ∈ Q dazwischen, d.h. r < t < s. Beweis. Setze t := 21 (r + s) : s − t = s − 21 r − 21 s = = 12 s − 12 r = 12 · (s − r) > 0, da s > r. Also ist s > t t − r = 12 (r + s) − r = 12 s − 21 r = 12 (s − r) > 0, da s > r und somit s − r > 0. Also ist auch t > r. Im nächsten Abschnitt werden wir sehen, daß trotz der Aussage 4.10 die Menge der rationalen Zahlen in gewissem Sinne lückenhaft“ sind. Um die” se Lücken zu stopfen, haben die Mathematiker die reellen Zahlen erfunden. Wir werden im nächsten Paragraphen den Weg nachzeichnen, den der große Mathematiker Richard Dedekind gegangen ist, um die reellen Zahlen zu begründen. 106 §5 Die reellen Zahlen Heuristische Vorbetrachtung. Wir zeichnen einen Strahl und veranschaulichen die nicht negativen rationalen Zahlen als Punkte auf diesem Strahl. Der Ausgangspunkt wird mit 0 gleichgesetzt. Dann wird ein von 0 verschiedener Punkt markiert und gleich 1 gesetzt. Trage nun die Strecke [0, 1] sukzessive nach rechts ab und erhalte weitere Punkte; bezeichne diese nacheinander mit 2, 3, 4, . . . . Für jedes n ∈ N+ teile man die Strecke [0, 1] in n gleiche Teile. Nenne , m ≥ 2 erhält man durch den ersten Teilpunkt n1 . Marken für die Zahlen m n wiederholtes abtragen der Strecke [0, n1 ]. Das Endergebnis ist der rationale Zahlenstrahl. Durch Spiegelung am Nullpunkt erhält man schließlich die rationale Zahlengerade. Jede rationale Zahl wird somit durch einen Punkt der Zahlengerade repräsentiert. Messen von Strecken. Der Abstand zwischen zwei Punkten der Ebene wird gemessen, indem man sie von 0 aus auf dem Zahlenstrahl abträgt. Man sagt, die Strecke habe eine rationale Länge, wenn dabei das Ende auf eine Marke r ∈ Q fällt. Unvollständigkeit der rationalen Zahlen. Es gibt Strecken, die keine rationale Länge haben. Dazu zeichen wir ein Quadrat mit Kantenlänge 1 und tragen die Diagonale von 0 aus ab. Behauptung: Das Ende r markiert keine rationale Zahl. 107 Beweis. Durch Vergleich der Flächen des großen und des kleinen Quadrats sieht man, dass r2 = 2. Angenommen r ist eine rationale Zahl, r = ab , a > 0 und b > 0 ganz, ggT (a, b) = 1. Es folgt a2 = 2b2 , d.h. 2 | a2 =⇒ 2 | a =⇒ a = 2c =⇒ 4c2 = a2 = 2b2 =⇒ b2 = 2c2 =⇒ 2 | b2 =⇒ 2 | b, im Widerspruch zu ggT (a, b) = 1. Fazit. Mit dem rationalen Strahlenstrahl kann man nicht jede Strecke exakt messen. Zur Behebung dieses Mangels hatte Dedekind folgende Idee: Man zerschneide die Zahlengerade auf alle erdenkliche Weisen“ in zwei ” Stücke s und s, auch an allen Stellen, die nicht durch rationale Zahlen markiert sind. Die reellen Zahlen sind dann gerade die Gesamtheit aller so entstandenen Paare (s, s). Nun hat man unendlich viele Maßstäbe, mit denen alles meßbar ist. Definition. Sei β ⊆ Q eine Menge rationaler Zahlen. Das Paar (Q \β, β) [bzw. die Menge β] heißt ein Dedekindscher Schnitt, wenn gilt (D1) β 6= ∅ und Q \β 6= ∅ (D2) Aus r ∈ β und s > r folgt s ∈ β (D3) β hat kein Minimum. Die Menge aller Dedekindschen Schnitte bezeichnen wir mit R. Beispiele von Dedekindschen Schnitten. a) Rationale Schnitte. Sei s ∈ Q. Dann ist nach 4.10 β = s := {r ∈ Q | r > s} ein Dedekindscher Schnitt. Behauptung. Aus s 6= t, s, t ∈ Q folgt s 6= t. Beweis. Ohne Einschränkung sei t > s. Dann ist t ∈ s und t 6∈ t, also s 6= t. 108 Damit hat man eine injektive Abbildung Q ,→ R s 7→ s = {r ∈ Q | r > s} Fasse vermöge der Zuordnung s 7→ s die Menge Q als Teilmenge von R auf; lasse den unteren Strich künftig auch weg. √ b) Der Dedekindsche Schnitt 2: Betrachte die Menge β := {r | r ∈ Q, r > 0 und r2 > 2} Wir werden später sehen, daß β 2 = 2“ (6.7). ” Behauptung 1. β ist ein Dedekindscher Schnitt. Beweis. (D1) ist klar. (D2) Sei r ∈ β und s ∈ Q mit s > r =⇒ s2 > r2 > 2, also s ∈ β. (D3) Zu zeigen: Für jedes r ∈ β gibt es ein s ∈ β mit s < r. 2 −2 r>0 Setze s := 2r+2 > 0 =⇒ s < r =⇒ s > 0 und r − s = rr+2 r+2 s2 − 2 = 2(r2 −2) (r+2)2 > 0 =⇒ s2 > 2, also ist s ∈ β, s < r. Behauptung 2. β ist kein rationaler Schnitt s, s ∈ Q. Insbesondere ist Q ( R. Beweis. Angenommen β = s, s ∈ Q. Dann besitzt die Menge α := Q\s das Maximum s. Zeige aber, daß α kein Maximum haben kann, Widerspruch. Beweis. Wegen 1 ∈ α = Q \β genügt es zu zeigen: Ist r ∈ α und r ≥ 1, so gibt es ein s ∈ α mit s > r. Setze s := 2r+2 . Dann ist s > 0 und r2 ≤ 2 r+2 wegen r 6∈ β. Wie oben gesehen ist r2 6= 2, also r2 < 2. Es folgt s2 − 2 = 2(r2 − 2) r2 − 2 2 < 0, also s < 2 und r − s = <0 (r + 2)2 r+2 Also ist s > r, s ∈ α. Die Elemente von R nennen wir reelle Zahlen. Alle rationalen Zahlen sind also reelle Zahlen, aber nicht alle reellen Zahlen sind rational. Die Anordnung der reellen Zahlen. Seien β und β 0 Dedekind’sche Schnitte. 109 Definition. β ≤ β 0 genau dann, wenn β 0 ⊆ β β < β 0 := β ≤ β 0 und β 6= β 0 , d.h. β 0 ( β) 5.1 Bemerkung. ≤“; ist eine lineare Ordnung auf R, welche die Ordnung ” auf Q fortsetzt. Beweis. Fortsetzung der Ordnung auf Q. Seien s, t ∈ Q, t ≤ s. Zu zeigen: t ≤ s, d.h. s ⊆ t: r ∈ s =⇒ r > s ≥ t =⇒ r > t =⇒ r ∈ t; also ist s ⊆ t. Reflexivität. β ⊆ β Transitivität. β 0 ⊆ β und β 00 ⊆ β 0 =⇒ β 00 ⊆ β =⇒ β ≤ β 00 Antisymmetrie. β 0 ⊆ β und β ⊆ β 0 =⇒ β = β 0 Linearität. Zu zeigen: Aus β1 ( β2 folgt β2 ⊆ β1 . Wegen β1 ( β2 gibt es ein r ∈ β1 mit r ∈ β1 mit r 6∈ β2 . Dann gilt nach (D2): r < s für alle s ∈ β2 . Also ist r ∈ β1 und r < s für alle s ∈ β2 . Nach (D2) ist dann s ∈ β1 für alle s ∈ β2 , d.h. β2 ⊆ β1 . Untere Schranken und Infimum. Sei M ⊆ R. Definition. a) x ∈ R heißt eine untere Schranke von M , wenn x ≤ m für alle m ∈ M . Die Menge M heißt nach unten beschränkt; wenn M eine untere Schranke besitzt. b) Sei M nach unten beschränkt. Eine untere Schranke s von M heißt Infimum (größte untere Schranke) von M , wenn alle unteren Schranken von M kleiner oder gleich s sind. Schreibe dann dafür Inf M . Also Inf M = Max{s | s ist untere Schranke von M }, falls die rechte Seite existiert! Beispiel. M = {r ∈ R | r > 0} : Inf M = 0, 0 6∈ M . 5.2 Vollständigkeit der reellen Zahlen. Jede nicht leere nach unten beschränkte Teilmenge von R hat ein Infimum. Beweis. Sei B ⊆ R nicht leer und nach unten beschränkt. α ∈ R sei eine untere Schranke für B, d.h. α ≤ β für alle β ∈ B(d.h. β ⊆ α für alle β ∈ B) 110 Behauptung. β0 := S β ∈ R und β0 = Inf B β∈B Beweis: Für β0 ∈ R müssen die Axiome (D1), (D2), (D3) nachgewiesen werden. (D1) B 6= ∅ und β 6= ∅ für β ∈ B =⇒ β0 6= ∅. α ≥ β0 , denn α ≥ β für alle β ∈ B =⇒ Q\β0 ⊇ Q\α 6= ∅. (D2) Sei r ∈ β0 ; s ∈ Q mit s > r =⇒ Es gibt ein β ∈ B mit r ∈ β und s ∈ Q (D2) mit r < s =⇒ s ∈ β =⇒ s ∈ β0 . (D3) (D3) r ∈ β0 =⇒ Es gibt ein β ∈ B mit r ∈ β =⇒ Es gibt ein s ∈ β mit s < r =⇒ s ∈ β0 und s < r. β0 = Inf B, denn: (i) β ⊆ β0 für alle β ∈ B =⇒ β0 ≤ β für alle β ∈ B, d.h. β0 ist untere Schranke von B. (ii) Sei β̃ untere Schranke von B =⇒Sβ̃ ≤ β für alle β ∈ B =⇒ β ⊆ β̃ für alle β ∈ B =⇒ β0 = β ⊆ β̃ =⇒ β̃ ≤ β0 . β∈B Addition in R. Seien β1 , β2 ∈ R. β1 + β2 := {r + s | r ∈ β1 und s ∈ β2 } 5.3 Satz. (R, +) ist eine abelsche Gruppe. Die Addition auf R setzt die Addition auf Q fort. Es gelten die folgenden Regeln: (i) 0 = {r | r ∈ Q, r > 0} ist ein neutrales Element von R. (ii) −β = {−r | r ∈ Q\β, r 6= Max Q\β, falls dieses existiert } (iii) Aus α < β folgt α + γ < α + β für alle α, β, γ ∈ R. Beweis. H.D.Ebbinghaus et al: Zahlen, Springer, Berlin (1988) Multiplikation in R. Seien α, β ∈ R Definition. Ist α ≥ 0 und β ≥ 0, so setzt man α · β := {rs | r ∈ α, s ∈ β} Ist α < 0 und β < 0, so setzt man αβ := (−α)(−β) Ist α < 0 und β > 0, so setzt man αβ := −(−α)β Ist α > 0 und β < 0, so setzt man αβ := −α(−β) 111 5.4 Satz. (R, +, ·) ist ein Körper; er heißt Körper der reellen Zahlen. Die Multiplikation setzt die Multiplikation auf Q fort. Ferner gelten die folgenden Regeln (1) 1 ist das neutrale Element der Multiplikation (2) Für α > 0 ist α−1 = {r−1 | r ∈ Q\α, r > 0, r 6= Max Q\α} Für α < 0 ist α−1 = −(−α)−1 (3) Ist α ≤ β und γ ≥ 0, so ist auch αγ ≤ βγ. Beweis. E. Landau: Grundlagen der Analysis, Leipzig (1930) 5.6 Satz von Archimedes. Seien a, b ∈ R mit b > 0. Dann gibt es ein n ∈ N mit nb > a. Beweis. Angenommen für alle n ∈ N wäre nb ≤ a, also −a ≤ −nb für alle n ∈ N. Dann wäre die reelle Zahl −a untere Schranke für die Menge M = {−nb | n ∈ N}. Nach 5.2 existiert das Infimum I von M in R. Ferner gilt wegen b > 0 auch I + b > I. Also ist nach Definition des Infimums I + b keine untere Schranke von M . Es gibt daher eine Zahl n0 ∈ N mit −n0 b < I + b. Es folgt I > −(n0 + 1)b. Wegen −(n0 + 1)b ∈ M widerspricht dies der Tatsache, daß I untere Schranke von M ist. Also ist die Annahme falsch und es existiert ein n ∈ N mit nb > a. 112 §6 Konvergente Folgen Gemäß §5 gelten folgende Grundlegende Eigenschaften der reellen Zahlen ( Axiome“) ” (R, +, ·, ≤) ist eine Menge mit zwei Verknüpfungen +“ und ·“ und einer ” ” Relation ≤“, so daß gilt: ” (R1) (R, +, ·) ist ein Körper. (R2) ≤“ ist eine lineare Anordnung auf R, welche folgende Monotonieei” genschaften besitzt: Seien a, b, c ∈ R. (i) Aus a ≤ b folgt a + c ≤ b + c. (ii) Aus a ≤ b und c ≥ 0 folgt ac ≤ bc. (R3) (Vollständigkeitsaxiom). Jede nicht leere, nach unten beschränkte Teilmenge hat in R ein Infimum. Man kann zeigen, daß R durch diese Axiome“ im folgenden Sinne eindeutig ” festgelegt ist: 6.1 Bemerkung. Sei (K, +, ·, ≤) eine Menge mit Verknüpfungen +“ und ” ·“ sowie einer Relation ≤“, so daß (R1) bis (R3) erfüllt sind. Dann gibt es ” ” eine bijektive Abbildung R −→ K , r 7→ r̃ mit den Eigenschaften (1) (2) (3) ˜ s = r̃ + s̃ r+ r ˜· s = r̃ · s̃ r ≤ s ⇐⇒ r̃ ≤ s̃ Weiter ergab sich in §5 aus (R1) bis (R3) der Satz des Archimedes. Zu jedem Paar (a, b) ∈ R × R mit b > 0 gibt es ein n ∈ N mit nb > a. A. Konvergente Folgen. Für a ∈ R setzen wir ( a, falls a ≥ 0 |a| = −a, falls a < 0 |a| heißt Betrag von a. Offenbar ist |a| = | − a|. Wie man leicht nachrechnet, gilt 113 6.2 Regel. a) |a| ≥ 0; |a| = 0 ⇐⇒ a = 0 b) |a||b| = |ab| c) |a + b| ≤ |a| + |b| Erinnerung. Eine Folge reeller Zahlen ist eine Abbildung a : N =⇒ R, n 7−→ an . Andere Schreibweisen sind (an | n ∈ N); (an )n∈N ; (an ); a0 , a1 , a2 , . . .“ ” Auch Abbildungen {n ∈ N | n ≥ k} −→ R, n 7−→ an werden als Folgen bezeichnet: (an | n ≥ k) oder ak , ak+1 , . . .“ ” Beispiele. a) Die konstanten Folgen (c): c, c, c, . . . “(c ∈ R) ” 1 1 1 1 b) ( n )n∈N>0 : 1, 2 , 3 , 4 , . . . c) (xn )n∈N : 1, x, x2 , x3 , . . . d) Rekursive Folgen, etwa: a1 = 1, an = 8 13 21 Folge 1, 21 , 23 , 35 , 85 , 13 , 21 , 34 , . . . 1 1+an−1 für n ≥ 2 definiert die Definition. Eine Folge (an ) konvergiert gegen a ∈ R, wenn gilt: Zu jeder reellen Zahl ε > 0 existiert eine Zahl N ∈ N, so daß |an − a| < ε für alle n > N . Anders ausgedrückt. Für jedes vorgegebene ε > 0 - so klein es auch gewählt sein mag - sind nur endlich viele Folgenglieder außerhalb des Bereichs I = (a − ε, a + ε) := {x | a − ε < x < a + ε}. (Den schraffierten Bereich I nennt man das Intervall zwischen a − ε und a + ε. Es hat die Länge 2ε.) Die Folge häuft “sich also nur in der Nähe“von ” ” a. Eine Folge, die nicht konvergiert, heißt divergent. 114 Für die Aussage (an ) konvergiert gegen a“ schreibt man kurz ” (an ) −→ a oder a = lim an n→∞ Wir werden gleich sehen, daß die Zahl a dann durch die Folge (an ) eindeutig bestimmt ist und nennen a den Limes oder Grenzwert der Folge (an ). Beispiele. a) (c) konvergiert gegen c. ( 1 falls n gerade b) Die Folge an = (−1)n = −1 falls n ungerade ist divergent, denn sie häuft sich bei 1 und bei −1. c) ( n1 )n≥1 konvergiert gegen Null. Beweis von c). Sei ε > 0 vorgegeben. Nach Archimedes gibt es eine Zahl N , so daß N > 1ε . Für alle n > N ist dann n1 < N1 < ε. Daher ist | 1 1 − 0 |= < ε für alle n > N n n 6.3 Satz. (Eindeutigkeit des Grenzwertes.) Konvergiert (an ) gegen a und (bn ) gegen b, so gilt: a) Aus an ≤ bn für alle n ∈ N folgt a ≤ b b) Jede konvergente Folge hat nur einen Grenzwert. Beweis. a) Angenommen a > b. Wähle ε = a−b > 0. Dann existiert ein N ∈ N, so 2 daß für alle n > N gilt: |an − a| < a−b und |bn − b| < a−b . Es folgt 2 2 a − b ≤ (a − b) + (bn − an ) = |(a − an ) + (bn − b)| ≤ ≤ |a − an | + |bn − b| = |an − a| + |bn − b| < Widerspruch. 115 a−b a−b + = a − b, 2 2 b) Im Fall (an ) = (bn ) ist an ≤ bn und bn ≤ an . Nach a) folgt daraus a ≤ b und b ≤ a, also a = b. Folgen kann man addieren und multiplizieren. Man setzt λ(an ) := (λan ) für λ ∈ R (an ) + (bn ) := (an + bn ) (an ) · (bn ) := (an bn ) 6.4 Satz. (an ) konvergiere gegen a und (bn ) gegen b. Dann gilt a) λ(an ) konvergiert gegen λa (λ ∈ R) b) (an ) + (bn ) konvergiert gegen a + b c) (an )(bn ) konvergiert gegen ab d) Ist cn = an+1 , d.h. (cn ) : a1 , a2 , a3 , . . . , so konvergiert (cn ) gegen a. Beweis. Für a) und b) zeigen wir, daß λ(an )+µ(bn ) −→ λa+µb für λ, µ ∈ R. Sei ε > 0 vorgegeben. Es ist zu zeigen: Für fast alle“ n (d.h. für alle n bis ” auf endlich viele Ausnahmen) ist An =| λan + µbn − (λa + µb) |< ε. An = | λ(an − a) + µ(bn − b) |≤ |λ| |an − a| + |µ| |bn − b| Setze B = |λ| + |µ| + 1 und η = ε B > 0. Dann gilt für fast alle n ∈ N |an − a| < η und |bn − b| < η, also An ≤ |λ| |an − a| + |µ| |bn − b| ≤ |λ| η + |µ| η < Bη = ε c) Sei ε > 0 vorgegeben. Es ist zu zeigen, daß (∗) | an bn − ab |< ε für fast alle n ∈ N. Dazu zeigen wir zunächst 6.5 Lemma. Jede konvergente Folge (bn ) ist beschränkt, d.h. es gibt ein B ∈ R, so daß |bn | < B für alle n ∈ N. 116 Beweis. Sei (bn ) −→ b. Für ε = 1 gibt dann ein n ∈ N, so daß |bn − a| < 1 für alle n > N . Es folgt |bn | − |b| ≤ |bn − b| < 1, also |bn | < |b| + 1 für alle n > N . =⇒ |bn | < Max {|b0 |, . . . , |bN |, |b| + 1} + 1 := B. Zum Beweis von (∗). Nach 6.2 gilt (∗∗) = |an bn − ab| = |an bn − abn + abn − ab| = |bn (an − a) + a(bn − b)| ≤ |bn | |an − a| + |a| |bn − b| Nach 6.5 existiert ein B > 0, so daß |bn | < B für alle n und |a| < B. Daher ist nach (∗∗) |an · bn − ab| < B(|an − a) + |bn − b|) für alle n ε = ε0 und |bn − b| < ε0 , es folgt Für fast alle n ist |an − a| < 2B ε ε ) = ε für fast alle n. B(|an − a| + |bn − b|) < B( 2B + 2B c) ist klar. B. Monotone Konvergenz. Definition. Eine Folge (an ) heißt monoton wachsend, wenn an ≤ an+1 für alle n ∈ N monoton fallend, wenn an+1 ≤ an für alle n ∈ N nach unten beschränkt, wenn es ein B gibt mit an ≥ B für alle n ∈ N nach oben beschränkt, wenn es ein B gibt mit an ≤ B für alle n ∈ N. Wie gesehen sind konvergente Folgen (nach unten und oben) beschränkt. Von dieser Aussage gibt es eine partielle Umkehrung. 6.6 Satz von der monotonen Konvergenz. a) Eine monoton fallende nach unten beschränkte Folge konvergiert gegen das Inifum der Menge seiner Folgenglieder. b) Eine monoton wachsende nach oben beschränkte Folge konvergiert. c) Jede reelle Zahl erhält man als Grenzwert einer Folge rationaler Zahlen. Beweis. 117 a) Nach Voraussetzung gibt es ein B ∈ R mit B ≤ an+1 ≤ an für alle n ∈ N. Daher besitzt die Menge {an | n ∈ N} nach 5.3 ein Infimum a = Inf M ∈ R. Es ist dann insbesondere an ≥ a für alle n ∈ N. Sei ε > 0 vorgegeben. Dann ist a + ε keine untere Schranke von M , da a die größte untere Schranke von M ist. Also gibt es ein N ∈ N mit aN < a + ε. Da (an ) monoton fallend ist gilt dann auch an ≤ aN < a + ε für alle n > N . Also ist a ≤ an < a + ε und somit |an − a| = an − a < a + ε − a = ε für alle n > N b) Ist (an ) monoton wachsend und nach oben beschränkt, so ist (bn ) = (−an ) monoton fallend und nach unten beschränkt, konvergiert also nach a) gegen ein b ∈ R. Dann konvergiert nach 6.4 auch (an ) = −(bn ), und zwar gegen −b. c) Sei α ∈ R beliebig. Setze βn := α + n1 , n ≥ 1. Dann ist (βn ) monoton fallend und βn > α; daher ist (βn ) konvergent nach a). Definitionsgemäß bedeutet α < βn , daß βn ( α. Wähle ein rn ∈ α mit rn 6∈ βn . Dann ist α ≤ rn ≤ βn für alle n ∈ N. 1 n→∞ n Nach 6.4 ist lim βn = α + lim n→∞ = α. Sei ε > 0 vorgegeben. Dann gibt es ein n ∈ N, so daß βn − α = |α − βn | < ε für alle n > N . Es folgt |α − rn | = rn − α ≤ βn − α < ε für alle n > N, d.h. α = lim rn . n→∞ C. Quadratwurzeln. Als Anwendung wollen wir zeigen, wie man zu jeder positiven reellen Zahl eine Quadratwurzel berechnet. Sei a > 0 aus R. Wir konstruieren ein w ∈ R mit w2 = a. Dazu betrachten wir die rekursive Folge (an ) mit (∗) a0 = a + 1 und an+1 = an a + für n ≥ 0. 2 2an 6.7 Satz. Die Folge (an ) konvergiert gegen eine positive reelle Zahl w mit 2 w √ = a. Man nennt w die Quadratwurzel aus 2a und schreibt dafür auch a. Ist a ∈ Q, so ist w = {r | r ∈ Q, r > 0 und r > a} =: α. 118 6.8 Lemma. Setze noch a−1 = a + 2. Dann gilt für alle n ≥ 0 an > 0, an < an−1 und a2n > a. Insbesondere ist (an )n∈N monoton fallend und nach unten beschränkt, also nach 6.6 konvergent. Zeige zunächst, wie 6.7 aus dem Lemma folgt. Sei w = lim an . Wegen 6.6 n→∞ ist w = Inf {an | n ∈ N} ≥ 0. Nach (∗) gilt ferner 2an+1 an = a2n + a. Mit 6.4 folgt daraus 2(an+1 )(an ) −→ 2ww = 2w2 und 2(an+1 )(an ) = (a2n ) + (a) −→ w2 + a. Also ist 2w2 = w2 + a und w2 = a mit w > 0. Beweis von 6.8. (Vollständige Induktion nach n) n = 0 : a0 = a + 1 > 0; a0 = a + 1 < a + 2 = a−1 , a20 = (a + 1)2 ≥ 2a + 1 > a Sei n ≥ 0 und es gelte an > 0, an < an−1 und a2n > a. Schluß von n auf n + 1: Setze x = a−a2n ; a2n+1 2a2n an+1 = an + an+1 = an 2 + = an (1 + x)2 > a2n (1 + 2x) = a wegen x 6= 0 a−a2n < an , denn a − a2n < 0 und an 2an a < a2n > 0, da an > 0 und a > 0 2an >0 Sei M = {β | β ∈ R, β > 0 und β 2 ≥ a}. Wie man leicht sieht (Übungsaufgabe) ist dann α ∈ M und β ⊆ α für alle β ∈ M , d.h. α = InfM = w. Nachtrag. Sei M eine nach oben beschränkte Menge dann ist −M = {−x | x ∈ M } nach unten beschränkt. Ist b = Inf (−M ) so ist offenbar −b die kleinste obere Schranke von M . Wir haben also gesehen 5.3’ Satz. Jede nach oben beschränkte Menge besitzt ein Supremum. Aus dem Beweis von 6.6 ergibt sich 6.6’ Satz. Jede monoton wachsende und nach oben beschränkte Folge konvergiert gegen das Supremum der Menge ihrer Folgenglieder. 119 §7 Dezimalbrüche Wir wollen die bekannte Tatsache herleiten, daß die reellen Zahlen nichts anderes sind als die sogenannten Dezimalbrüche. A. Dezimalbrüche. Sei (an )n≥1 eine Folge reeller Zahlen. Betrachte dazu die Folgen (sn )n≥1 mit s1 = a1 , s2 = a1 + a2 , . . . , sn = a1 + . . . + an , . . . (sn )n≥1 wird dann auch als unendliche Reihe mit den Summanden a1 , a2 , a3 , . . . bezeichnet. Konvergiert (sn ) gegen die Zahl s, so schreibt man für s auch den Ausdruck ∞ P an . n=1 s= ” ∞ X an“ bedeutet also: s = lim sn n→∞ n=1 Definition. Eine Folge (an )n≥1 heißt Ziffernfolge, wenn gilt: (i) an ∈ N und 0 ≤ an ≤ 9 für alle n ∈ N. (d.h.: an ist eine Ziffer im Zehnersystem.) (ii) Für jedes n ∈ N gibt es ein m > n mit am 6= 9. (M.a.W.: Unendlich viele Ziffern an sind von 9 verschieden.) 7.1 Satz. Sei (an )n≥1 eine Ziffernfolge. Dann konvergiert die unendliche Reihe mit den Teilsummen a2 an + . . . + 10 sn = a101 + 100 n und es gilt 0≤ ∞ X an <1 n 10 n=1 Beweis. Wegen (i) gilt für die Teilsummen sn = sn + 1 10n ≤ 9 10 + 9 102 + ... + 9 10n + 1 10n = 9 10 + = ... = 1 Also gilt für alle n ≥ 2 120 9 102 a1 10 + a2 100 + ... + + ... + 9 10n−1 + an 10n 1 10n−1 = 0 ≤ sn−1 ≤ sn < 1 (1) Nach 6.6’ konvergiert daher (sn ) gegen s := sup{sn | n ∈ N}. Ferner gilt nach (1): 0 ≤ s ≤ 1. Also ist ∞ X an ≤1 0≤ 10n n=1 (2) für alle Ziffernfolgen (an )n≥1 . Wegen (ii) gibt es ein k ≥ 1, so daß ak < 9. Dann ist auch die Folge ( an für k 6= n ãn = eine Ziffernfolge an + 1 für k = n und s̃n := n P ν=1 ãν 10ν = sn + 1 10k für alle n ≥ k. Wende (2) auf die Folge (s̃n ) an und erhalte ∞ X ãν 1 1 s+ k = ≤ 1, also 0 ≤ s < s + k ≤ 1. ν 10 10 10 ν=1 7.2 Satz. Verschiedene Ziffernfolgen (an ) und (bn ) induzieren auch verschie∞ ∞ P P bn an und . dene Grenzwerte n 10 10n n=1 n=1 Beweis. Sei k = Min{n | n ≥ 1 und an 6= bn }. Wir können ak ≥ bk + 1 annehmen. Setze tn = b1 bn + ... + n 10 10 ; sn = a1 an + ... + n. 10 10 Dann gilt für alle n ≥ 1 10k sk+n = (10k−1 a1 + . . . + ak ) = α k k−1 10 tk+n = (10 b1 + . . . + bk ) = β k+n + ( ak+1 + . . . + a10 n ) 10 + s̃n , α ∈ N, bk+1 ak+n + ( 10 + . . . + 10n ) + t̃n , β ∈ N. 121 Nach Voraussetzung ist α ≥ β + 1. Ferner sind ãn := ak+n , b̃n := bk+n , n ≥ 1 ebenfalls Ziffernfolgen. Nach 7.1 gilt daher 0 ≤ lim s̃n < 1 und 0 ≤ lim t̃n < 1. Es folgt n→∞ n→∞ ! ∞ X an = 10k lim sk+n = α + lim s̃n ≥ 10k n n→∞ n→∞ 10 n=1 ≥ α ≥ β + 1 > β + lim t̃n = 10k lim tk+n = 10k n→∞ Kürzen ergibt: ∞ P n=1 an 10n > ∞ P n=1 n→∞ ∞ X bn 10n n=1 ! . bn . 10n Definition. Eine reelle Zahl der Form r = a0 + ∞ X an 10n n=1 wobei a0 ∈ N und (an )n≥1 eine Ziffernfolge ist heißt Dezimalbruch. Nach 3.1 hat a0 eine eindeutige Zifferndarstellung a0 = bn bn−1 . . . bn = bn 10n + bn−1 10n−1 + . . . + b1 10 + b0 , wobei n ≥ 0, 0 ≤ bν ≤ 9 für ν = 0, . . . , n und bn 6= 0, falls n ≥ 1. Aus 3.1 und 7.2 ergibt sich also: Die Dezimalbrüche entsprechen eineindeutig den Paaren von Folgen natürlicher Zahlen bestehend aus (1) einer endlichen Folge bn , bn−1 , . . . , b1 , b0 mit 0 ≤ bν ≤ 9 für alle 0 ≤ ν ≤ n und bn 6= 0, falls n 6= 0, und (ii) einer Ziffernfolge a1 , a2 , a3 , . . . Schreibe beide Folgen nebeneinander, getrennt durch ein Komma: (∗) bn bn−1 . . . b0 , a1 a2 a3 . . . 122 Der Ausdruck (∗) heißt dann die Dezimaldarstellung der Zahl n n−1 r = bn 10 + bn−1 10 ∞ X an + . . . + b1 · 10 + b0 + 10n n=1 7.3 Satz. Jede nicht negative reelle Zahl ist ein Dezimalbruch. Zum Beweis sind einige Vorbereitungen zu treffen. Der ganze Anteil einer nicht negativen reellen Zahl. Sei a ∈ R, a ≥ 0. Nach Archimedes (5.6 mit b = 1) gilt: Es gibt ein n ∈ N mit n > a Nach dem Prinzip vom kleinsten Element (§1) besitzt daher M = {n | n ∈ N, n > a} ein kleinstes Element m. Dann ist m − 1 ≥ 0 und m − 1 ist die größte natürliche Zahl ≤ a. Sie wird mit [a] bezeichnet. Offenbar ist 0 ≤ a − [a] < 1 Man nennt daher [a] auch den ganzen Anteil von a und s = a − [a] den gebrochenen Anteil von a. Es gilt a = [a] + s, [a] ∈ N und 0 ≤ s < 1 Beweis von 7.3. Nach 3.1 hat a0 = [a] eine Dezimaldarstellung a0 = ∞ P an mit einer bn bn−1 . . . b0 . Es genügt daher, s in einen Dezimalbruch s = 10n n=1 Ziffernfolge (an )n≥1 zu entwickeln. Definiere dazu rekursiv r0 = s a1 = [10r0 ], .. . r1 = 10r0 − a1 an = [10rn−1 ], rn = 10rn−1 − an , n ≥ 0 Induktiv folgt: 0 ≤ rn < 1, an ∈ N und 0 ≤ an ≤ 9 für alle n ≥ 1. Setze: sn = a1 10 + ... + an . 10n Es ist zu zeigen (1) (sn ) konvergiert gegen s 123 (2) an 6= 9 für unendlich viele n. Beweis. Zu (1). Durch vollständige Induktion ergibt sich rn s − sn = n für alle n ≥ 1 : 10 a1 r1 n = 1 s − s1 = r0 − 10 = 10 . rn−1 10n−1 rn = 10 n. n Nach der binomischen Formel ist 10n > 2n = (1 + 1)n ≥ 1 + > n und 1 rn 1 1 daher 0 ≤ 10 n < 10n < n . Schluß von n − 1 auf n : s − sn = s − sn−1 − an 10n = − an 10n Da ( n1 ) eine Nullfolge ist gilt (ε > 0 beliebig) rn 1 < < ε für fast alle n. n 10 n Zu (2). Angenommen es sei am = 9 für alle m ≥ n. |s − sn | = Setze tk = (sn+k − sn )10n , d.h. 9 9 9 + 2 + . . . + k für alle k ≥ 1 10 10 10 n n Es folgt (tk ) = 10 (sn+k −sn ) −→ 10 (s−sn ) = rn für k → ∞ und 0 ≤ rn < 1. tk = Andererseits ist aber tk + 1 10k = 1, daher gilt nach 6.4 (1) = (tk ) + ( 101k ) −→ rn + 0 = rn , denn wegen 0 < 101k < k1 ist mit ( k1 ) auch ( 101k ) eine Nullfolge. Es folgt rn = 1, im Gegensatz zu 0 ≤ rn < 1. Fazit. Die nicht negativen reellen Zahlen besitzen eine eindeutig bestimmte Dezimaldarstellung. bn bn−1 . . . b0 , a1 a2 a3 . . . , wobei n ≥ 0 und bν und aµ 10–adische Ziffern sind mit bn 6= 0, falls n ≥ 1 und aµ 6= 9 für unendlich viele µ. Offenbar bedeutet die Multiplikation mit 10 eine Verschiebung des Kommas um eine Stelle nach rechts. Frage. Wie sieht man es der Dezimaldarstellung von r ∈ R an, ob r eine rationale Zahl ist? 7.4 Satz. Sei r ≥ 0 eine reelle Zahl und 0, a1 a2 a3 . . . die Dezimaldarstellung des gebrochenen Anteils von r. Dann sind folgende Aussagen äquivalent: 124 (i) r ist rational (ii) Die Folge (an )n≥1 ist periodisch, d.h. ab einer gewissen Stelle s+1 kehrt immer ein und derselbe Ziffernkomplex c1 , . . . , ct wieder: Es gibt s ≥ 0 und t ≥ 1 mit a1 , a2 , a3 , . . . = a1 . . . as =: a1 . . . as c1 . . . ct c1 . . . ct c 1 . . . ct c1 . . . ct ...... Beweis. (ii) =⇒ (i) “. Sei r ∈ R, r > 0 mit periodischer Dezimalbruchent” wicklung. Dann gibt es ein µ ∈ N, so daß 10µ · r = g + 0, c1 . . . cν , g ∈ N s+g ∈ Q. 10µ mit h = c1 . . . cν ∈ N. Es folgt s = 10νh−1 ∈ Q. Sei r > 0 eine rationale Zahl. Schreibe r = pq mit Zeige, daß s = 0, c1 . . . cν ∈ Q. Dann ist auch r = 10ν · s = h + s (i) =⇒ (ii) “. ” ganz und ggT (p, q) = 1. p ≥ 1, q ≥ 1 Nach Abzug des ganzen Anteils können wir annehmen, daß 0 < r < 1. Unterscheide drei Fälle: 1) q = 2α 5β mit α, β ∈ N, α + β ≥ 1. Wähle ein n ∈ N mit n ≥ α und n n ≥ β. Dann ist r̃ := 10n · r = 210 α 5β · p ∈ N. Aus 0 < r < 1 folgt: 0 < r̃ < 10n . Daher hat r̃ eine Dezimaldarstellung der Form r̃ = a0 + a1 · 10 + . . . + aµ 10µ mit 0 ≤ µ ≤ n − 1, Es folgt r = r̃ 10n = a0 10 + a1 10n−1 + ... + aµ 10n−µ 0 ≤ ak ≤ 9, aµ 6= 0 und r = 0, 0 · · · 0aµ aµ−1 . . . a1 a0 0 . . . (ν = 1, c1 = 0) 2) ggT (q, 10) = 1. Dann ist g := 10 + qZ ein Element der Einheitengruppe G = (Z/qZ)× des Rings Z/qZ. 125 Es folgt ν = ord g | ord G = ϕ(g) und g ν = 1 in G, d.h. 10ν ≡ 1 mod q. Definitionsgemäß ist ν = ord g das kleinste n ≥ 1 mit 10n ≡ 1 mod q, 10ν · r = (mq + 1)p p 10ν p = = mp + = mp + r, m ∈ N q q q Also ist r der gebrochene Anteil von 10ν · r, d.h.: Ist r = 0, r1 r2 . . . rν rν+1 . . . , so ist 10ν · r = r1 . . . rν , rν+1 . . . = r1 . . . rν , r1 r2 . . . Es folgt r1 = rν+1 , r2 = rν+2 , . . . rν = r2ν , . . . .rk = rk+ν für alle k ≥ 0, d.h. r1 r2 r3 . . . ist rein periodisch mit Periode r1 . . . rν . 3) q = 2α 5β · Q mit ggT (Q, 10) = 1. Sei n wie in 1) so, daß n ≥ α und n ≥ β. Setze ν = ord (10 + Q · Z) in 0 G = (Z/QZ)× . Dann gilt 10n · r = PQ und P 0 ∈ N mit ggT (Q, P 0 ) = 1 wegen ggT (p, Q) = (10, Q) = 1. Wegen 0 < r < 1 ist 0 < 10n r < 10n . Dividiere P 0 durch Q mit Rest. Erhalte P0 P P = R+ mit ggT (P, Q) = 1, ggT (10, Q) = 1, 0 ≤ < 1, 0 ≤ R < 10n Q Q Q P, R ∈ N. wobei P, R ∈ N. R hat dann eine Dezimaldarstellung R = An−1 An−2 . . . A0 . Die Zahl P P ∈ Q mit 0 ≤ Q < 1 erfüllt die Voraussetzungen von 2). Also gilt Q P = 0, r1 . . . rν und Q r = 0, An−1 An−2 . . . A0 r1 . . . rν 126 §8 Die komplexen Zahlen Wir betrachten eine Polynomgleichung X n + an−1 X n−1 + . . . + a1 X + a0 = 0 mit reellen Koeffizienten a0 , a1 , . . . , an−1 , n ≥ 2. Sie hat im Allgemeinen keine reelle Lösung, d.h es gibt kein y ∈ R mit y n + an−1 y n−1 + . . . + a1 y + a0 = 0 Um diesen Mangel zu beheben, haben Euler und Andere die komplexen Zahlen erfunden. Sie bilden eine Erweiterung von R, in der alle Gleichungen obigen Typs Lösungen haben. Die komplexen Zahlen werden mit C bezeichnet. Zum Beispiel ist die Gleichung X 2 + 1 = 0 in R unlösbar und in C lösbar. Die Lösungen bezeichnet man gewöhnlich mit i und −i. Der Bereich C wird ein Körper sein, der R umfaßt, möglichst klein“ ist und i enthält. Genauer ” wird gelten: C = {a + ib | a, b ∈ R} mit einer imaginären“ Größe i, welche ” die Bedingungen i2 = −1 erfüllt. Konstruktion von C. Die Menge R2 = {(x, y) | x, y ∈ R} der Paare reeller Zahlen bilden bekanntlich einen Vektorraum vermöge der Operationen (x1 , y1 ) + (x2 , y2 ) = (x1 + x2 , y1 + y2 ) (Vektoraddition) λ(x, y) = (λx, λy) für alle λ ∈ R (Skalarmultiplikation) (i) Die dem Körper C zugrunde liegende Menge ist R2 ( C = R2“). ” 2 (ii) Die Addition auf C ist die Vektoraddition auf R . (iii) Die Multiplikation von Elementen aus C ist erklärt durch (x1 , y1 ) · (x2 , y2 ) := (x1 x2 − y1 y2 , x1 y2 + y1 x2 ) 8.1 Bemerkung. (1) (C, +) ist eine abelsche Gruppe (denn (R2 , +, ·) ist sogar ein Vektorraum). (2) Die Multiplikation ist kommutativ und (1, 0) · (x, y) = (x, y), d.h. 1C := (1, 0) ist neutrales Element der Multiplikation. 127 (3) Für die Multiplikation gilt das Assoziativgesetz. (4) Jedes (x, y) 6= (0, 0) hat ein Inverses bezüglich der Multiplikation: ( x y , − ) · (x, y) = (1, 0) = 1C x2 + y 2 x2 + y 2 (5) Es gilt das Distributivgesetz in C. Mit anderen Worten bedeuten (1) bis (5): C ist ein Körper mit Eins = (1, 0) und Null = (0, 0). Die Gültigkeit von (2), (3) und (5) prüft man leicht nach. Wir wollen noch R als einen Unterring von C auffassen: Einbettung“ von R in C. Die Abbildung ” ϕ : R −→ C = R2 x 7−→ (x, 0) ist injektiv. Sie ist mit Addition und Multiplikation verträglich, d.h. ϕ(x + y) = ϕ(x) + ϕ(y) und ϕ(x · y) = ϕ(x)ϕ(y) Wir identifizieren x ∈ R mit (x, 0) ∈ C. Damit wird R zu einem Unterring von C. Insbesondere ist dann 1 = (1, 0) und 0 = (0, 0): x=(x, ˆ 0) für x ∈ R R(C , (6) (0, 1)2 = (0, 1) · (0, 1) = (−1 · 1, 0) = −(1, 0) = −1 Setze nun i = (0, 1). Dann gilt: (α) i2 + 1 = 0, d.h. i löst die Gleichung X 2 = −1. (β) Jedes (x, y) ∈ C schreibt sich eindeutig in der Form (x, y) = (x, 0) + (0, y) = (x, 0) + (0, 1)(y, 0) = x + iy; x, y ∈ R. Damit ist C = {x + iy | x, y ∈ R}. Ist z = (x, y) = x + iy ∈ C mit x ∈ R, y ∈ R, so heißt x der Realteil und y der Imaginärteil von z. Schreibe dafür x = Rez und y = Imz. z heißt rein imaginär, wenn Re z = 0, also z = iy, y ∈ R. 128 Die Gaußsche Zahlenebene. Zeichnet man in der Zeichenebene E ein kartesisches Koordinatensystem aus, so kann man die Elemente von C = R2 mit den Punkten von E identifizieren. Man spricht deshalb von C auch als von der Gaußschen Zahlenebene. Bei dieser Darstellung entsprechen die reellen Zahlen den Punkten auf der x–Achse. Die Punkte auf der y–Achse sind die rein imaginären Zahlen. Konjugation. Für x, y ∈ R heißt z := x − iy die zu z = x + iy konjugierte Zahl. Die Länge des Vektors (x, y) heißt Betrag der komplexen Zahl z = x + iy, d.h. nach Pythagoras p |z| := x2 + y 2 , wenn z = x + iy mit x, y ∈ R. 8.2 Regel. Für komplexe Zahlen z und w gilt a) z = z; b) z = z ⇐⇒ z ∈ R; c) z + w = z + w, zw = zw; d) |z|2 = zz; e) Für z 6= 0 ist z −1 = 1 z; |z|2 f) |zw| = |z||w| Beweis. a) und b) sind klar nach Definition. c) Seien z = (x, y) und w = (u, v). z + w = (x + u) + i(y + v) = x + u − iy − iv = x − iy + u − iv = z + w zw = (xu − yv) + i(xv + yu) = (xu − yv) − i(xv + yu) =⇒ z w = (xu − (−y)(−v)) + i(x(−v) + (−y)u) = zw d) zz = (x + iy)(x − iy) = x2 − i2 y 2 = x2 + y 2 = |z|2 e) folgt aus d) 129 f) |zw|2 = (zw)zw = (zw)(z w) = (zz) · ww = |z|2 |w|2 nach den vorangegangenen Regeln. Als Nächstes wollen wir Addition, Multiplikation und Konjugation eine geometrische Deutung geben. Für die Multiplikation ist es zweckmäßig, vorher zu erklären, was die Polarkoordinaten eines Punktes der Ebene bzw. einer komplexen Zahl z = x + iy = (x, y) sind. 130 Polarkoordinaten in der Gaußschen Zahlenebene. Aus der Zeichnung ist ersichtlich: Ist r = |z| und ϕ der Winkel (im Bogenmaß) zwischen der positiven reellen Achse und dem Ortsvektor von z 6= 0, so schreibt sich z in der Form z = x + iy = r(cos ϕ + i sin ϕ) Die Zahl z ist durch Angabe von r und ϕ eindeutig festgelegt. Man nennt r und ϕ die Polarkoordinaten von z. Ihr Betrag r = |z| ist durch z eindeutig festgelegt. Dagegen ist ϕ nur bis auf ein Vielfaches von 2π bestimmt: r(cos ϕ + i sin ϕ) = r(cos(ϕ + n · 2π) + i sin(ϕ + n2π)) für n ∈ Z. ϕ heißt Argument von z. Mit ϕ soll auch ϕ + n2π, n ∈ Z Argument von z sein. Schreibe Arg z“ für das Argument von z. ” Geometrische Deutung von Addition, Multiplikation und Konjugation. 131 (i) Addition. Vektoren addieren sich wie Kräfte, d.h. die Punkte 0, w, z + w, z bilden ein ( Kräfte“ -) Parallelogramm. ” (ii) Multiplikation. Stelle z 6= 0 und w 6= 0 in Polarkoordinaten dar, d.h. z = r(cos ϕ + i sin ϕ) und w = s(cos ψ + i sin ψ) mit r = |z|, ϕ = Arg z; s = |w|, ψ = Arg w Nach 8.2 ist |zw| = rs. Aus den Additionstheoremen für Sinus und Cosinus folgt zw = rs(cos ϕ cos ψ − sin ϕ sin ψ) + i(cos ϕ sin ψ + sin ϕ cos ψ) = |zw|(cos(ϕ + ψ) + i sin(ϕ + ψ) Also gilt: Arg zw = Arg z+ Arg w und |zw| = |z||w| Merkregel. Komplexe Zahlen (dargestellt durch ihre Polarkoordinaten) werden multipliziert, indem man ihre Beträge multipliziert und ihre Argumente addiert. Induktiv erhält man noch für alle n ≥ 1: z n = rn (cos nϕ + i sin nϕ), d.h. : |z n | = |z|n und Arg (z n ) = n · Arg z Anschauliche Darstellung. 132 (iii) Konjugation. Die Konjugationsabbildung C −→ C, z 7−→ z ist also die Spiegelung an der reellen Achse. 133 Anhang A: Die Gleichung X 3 + Y 3 = Z 3 §1 Teilbarkeit in Integritätsbereichen Sei R ein Integritätsbereich. Wie in Z erklärt man auch in R den Begriff der Teilbarkeit. Definition. d ∈ R ist ein Teiler von a ∈ R, wenn es ein q ∈ R gibt mit a = d · q. Schreibe d | a“. Wie in Z gilt auch hier für a, b, c, d ∈ R: ” 1.1 Regel. a) a | a und 1 | a. b) a | b und b | c =⇒ a | c. c) a | b und c | d =⇒ ac | bd. d) a | b und a | c =⇒ a | (bx + cy) für alle x, y ∈ R. e) ac | bc und c 6= 0 =⇒ a | b. Der Beweis geht wörtlich wie in I.2.1. 1.2 Bemerkung. Ein Element e ∈ R ist genau dann eine Einheit von R, wenn e | 1. (Damit teilt nach 1.1 eine Einheit sogar jedes Element von R.) R× bezeichne wie früher die Einheitengruppe von R. Definition. a und b aus R heißen assoziiert zueinander, wenn a | b und b | a (Schreibe dann a ∼ b“) ” 1.3 Bemerkung. a) ∼ ist eine Äquivalenzrelation. b) Aus a ∼ b folgt für alle c ∈ R: (i) a | c ⇐⇒ b | c; (ii) c | a ⇐⇒ c | b c) Genau dann ist a ∼ b, wenn es ein e ∈ R× gibt mit b = ea. 134 Beweis. a) Reflexivität und Symmetrie sind klar. a ∼ b und b ∼ c =⇒ a | b , b | a , b | c und c | b. a | b und b | c =⇒ a | c ; c | b und b | a =⇒ c | a. Also ist a ∼ c. b) Nach Voraussetzung ist a | b und b | a. (i) a | c und b | a =⇒ b | c ; b | c und a | b =⇒ a | c. (ii) c | a und a | b =⇒ c | b ; c | b und b | a =⇒ c | b. c) a ∼ b =⇒ b = aq und a = bq 0 =⇒ a = (aq)q 0 = a(qq 0 ) =⇒ b = 1 · a = a = 0 oder a 6= 0 und qq 0 = 1 =⇒ q Einheit, b = qa. e Einheit mit b = ea =⇒ a = e−1 b =⇒ a | b und b | a. Definition. b heißt ein trivialer Teiler von a, wenn b eine Einheit ist oder wenn b ∼ a (d.h. b = ea, e ∈ R× ). Die nicht trivialen Teiler b von a nennt man auch echte Teiler von a. Schreibe dafür b k a“. ” 1.4 Korollar. Sei a 6= 0 und a = bc. Dann gilt: b k a genau dann, wenn c k a 1.3 Beweis. b k a =⇒ b keine Einheit und b a =⇒ b keine Einheit und c keine 1.3 Einheit =⇒ c a und c keine Einheit =⇒ c k a, und umgekehrt. Definition. Ein Element u von R heißt irreduzibel (unzerlegbar), wenn gilt: (i) u 6= 0 und u ist keine Einheit (ii) u hat keine echten Teiler. p heißt Primelement in R, wenn gilt: (i) p 6= 0 und p ist keine Einheit (ii) Aus p | ab folgt p | a oder p | b. 135 Beispiele. a) Die irreduziblen Elemente in Z sind ±p, p eine Primzahl. b) Nach I.3.3 gilt in Z: a irreduzibel ⇐⇒ a Primelement. Wir werden später Ringe kennenlernen, in denen die Begriffe irreduzibel“und Prim” ” element“ verschieden sind. 1.5 Bemerkung. Sei u ∈ R irreduzibel. Dann gilt: a) Ist a ∈ R keine Einheit, so ist a | u genau dann, wenn a ∼ u b) Aus a ∼ u folgt: a ist irreduzibel. Beweis. a) a | u =⇒ a Einheit oder a ∼ u =⇒ a ∼ u a ∼ u =⇒ a | u (gilt immer). 1.1 b) a ∼ u =⇒ u = εa, ε Einheit; u 6= 0, u 6∈ R× =⇒ a 6= 0 und a ist keine Einheit. d | a =⇒ d | u = εa =⇒ d Einheit oder d ∼ u =⇒ d Einheit oder d ∼ a. Als ist d kein echter Teiler von a. 1.6 Bemerkung. Sei p ∈ R ein Primelement. Dann gilt: a) Aus p | a1 . . . an folgt p | a1 oder p | a2 oder . . . oder p | an . b) p ist irreduzibel. c) Jedes p0 ∼ p ist ebenfalls ein Primelement. Beweis. a) ergibt sich induktiv aus der Definition. b) d | p =⇒ p = dq und q | p =⇒ p | d oder p | q. (i) p | d und d | p =⇒ p ∼ d; (ii) p | q und q | p =⇒ p ∼ q =⇒ d Einheit. Also hat p keine echten Teiler. 136 1.3 1.3 c) p0 | ab =⇒ p | ab =⇒ p | a oder p | b =⇒ p0 | a oder p0 | b. 1.7 Bemerkung. Seien p1 , . . . , pr und q1 · . . . · qs Primelemente und a = p1 · . . . · pr ∼ q1 · . . . · qs = b Dann ist r = s und bei geeigneter Numerierung ist pj ∼ qj für j = 1, . . . , r 1.6.b) Beweis. (Induktion nach r.) r = 1 : p1 prim =⇒ p1 hat keine echten Teiler =⇒ s = 1. Analog:s = 1 =⇒ r = 1. Schluß von r − 1 auf r. r ≥ 2 =⇒ s ≥ 2 (wie gerade gesehen). 1.6a) 1.5 p1 | b =⇒ Es gibt ein j mit p1 | qj , o.E. j = 1 =⇒ p1 ∼ q1 . Kürzen ergibt p2 · . . . · pr ∼ q2 · . . . · qs . Nach Induktionsannahme ist r = s und pj ∼ qj , j = 2, . . . , s (Numerierung geeignet gewählt). Faktorielle Ringe. Ein nullteilerfreier Ring heißt faktoriell, wenn sich jede Nichteinheit a ∈ R\{0} als Produkt von Primelementen schreiben läßt: a = p1 · . . . · ps , s ≥ 1, p1 , . . . , ps Primelemente. Beispiel. Z ist (nach I.3.1) ein faktorieller Ring. 1.8 Bemerkung. In einem faktoriellen Ring ist jedes irreduzible Element schon ein Primelement. Beweis. Sei a = p1 · . . . · ps , s ≥ 1 wie oben und a irreduzibel. Dann muß s = 1 sein, da sonst a echte Teiler hätte. Sei bis auf weiteres R ein faktorieller Ring. Wähle ein Repräsentatensystem P für die Klassen assoziierter Primelemente, d.h.: (1) P ist eine Menge von Primelementen von R. (2) Für p 6= q aus P gilt p 6∼ q. (3) Zu jedem Primelement π ∈ R gibt es ein p ∈ P mit π ∼ p. Beispiel. R = Z : P = Menge der Primzahlen. 1.9 Satz. Sei P wie oben. Dann gilt: 137 a) Jedes a ∈ R\{0} hat eine Darstellung (∗) a = εpν11 · . . . · pνrr , wobei r ≥ 0, ε ∈ R× mit paarweise verschiedenen p1 , . . . , pr ∈ P und ν1 , . . . , vr ∈ N>0 . b) Die Darstellung (∗) ist bis auf die Reihenfolge der Faktoren p1 , . . . , pr eindeutig durch a festgelegt. Beweis. a) Ist a = ε Einheit, so wähle man r = 0. Ist a 6= 0 und keine Einheit, so schreibt sich a in der Form a = π1 . . . πs mit Primelementen π1 , . . . πs . Jedes π ∈ {π1 , . . . , πs } ist von der Form εp; p ∈ P. Setze in a = π1 ·. . .·πs ein. Durch Zusammenfassen der Einheiten und der gleichen Faktoren aus P zu Potenzen erhält man die gewünschte Darstellung. b) folgt sofort aus 1.7. Wir nennen (∗) die kanonische Zerlegung von a. 1.10 Korollar. Sei a = εpν11 · . . . · pνrr 6= 0 in kanonischer Zerlegung gegeben. Die Teiler von a sind dann die Elemente (∗∗) d = δpν11 · . . . · pνrr mit δ ∈ R× und 0 ≤ µj ≤ νj , j = 1, . . . , r. Beweis. Die Elemente der Form (∗∗) sind offenbar Teiler von a. Sei umgekehrt a = dq. Ist p ∈ P und p | d, so gilt auch p | a, also p ∈ {p1 , . . . , pr }. Entsprechendes gilt für q. Also gibt es δ, δ 0 ∈ R× mit d = δpµ1 1 · . . . · pµr r , q = δ 0 pλ1 1 . . . pλr r und folglich 1 a = δδ 0 pµ+λ · . . . · prµr +λ1 . Aus 1.9b) folgt 1 ε = δδ 0 , µj + λj = νj , j = 1, . . . , r =⇒ 0 ≤ µj ≤ νj . Definition. x1 , . . . , xn , u ≥ 1 heißen teilerfremd, wenn sie keinen gemeinsamen Primteiler haben. Sie heißen paarweise teilerfremd, wenn je zwei von ihnen teilerfremd sind. 1.11 Korollar. Seien x, y, z ∈ R\{0}, n ∈ N, u ≥ 1. Es gilt a) Ist x · y = z n und sind x, y teilerfremd, so ist x von der Form ε · v n , ε Einheit, v ∈ R. 138 b) Ist xn y = z n , so ist y = v n mit v ∈ R. Beweis. In jedem Fall ist jeder Primteiler von x bzw. y ein Primteiler von z. Man hat also p1 , . . . , pr ∈ P (paarweise verschieden) und Darstellungen x=ε r Y µ pj j , y =δ j=1 r Y ν pj j und z = δ 0 j=1 r Y pλj r j=1 mit Einheiten ε, δ, δ 0 und µj , νj , λj ∈ N. a) Da x und y teilerfremd sind gilt o.E. µ1 = . . . = µs = 0 und νs+1 = . . . = νr = 0, 0 ≤ s ≤ r. Es folgt n z = xy = εδ r Y µ pj j · s Y ν pj j =δ 0n nλj pj j=1 j=1 j=s+1 r Y Nach 1.9 folgt µj = nλj , j = s + 1, . . . , r und x = ε r Q !n λ pj j . j=s+1 b) δ 0n r Y nλ pj j n n n =z =x y=ε δ r Y nµj +νj pj j=1 j=1 0 Nach 1.6 folgt: δ n = εn δ ∈ R× und nλj = nµj + νj . Es folgt n(λj − µj ) = νj , r Q ν0 pj j ∈ R. insbesondere λj − µj = νj0 ∈ N mit v := δε−1 j=1 Es folgt v · x = δ r Q λ pj j = z und v n xn = z n = y · xn , also y = v n . j=1 Definition. Sei p ∈ p. Für a ∈ R\{0} sei ( 0, falls p - a vp (a) := der Exponent von p in der kanonischen Zerlegung von a, falls p | a vp (a) heißt Ordnung von a an der Primstelle p. 1.12 Regel. Für a, b ∈ R\{0} gilt: a) a ∈ R× =⇒ vp (a) = 0 für alle p ∈ p 139 b) vp (ab) = vp (a) + vp (b) c) Ist a + b 6= 0, so gilt vp (a + b) ≥ Min{vp (a), vp (b)}. Ist zudem vp (a) < vp (b), so gilt vp (a + b) = vp (a). Der einfache Beweis wird dem Leser überlassen. 140 §2 Euklidische Ringe Sei R ein Integritätsbereich. Ideale. Eine nicht leere Teilmenge a von R heißt Ideal, wenn gilt: (i) Aus a, b ∈ a folgt a + b ∈ a. (ii) Aus a ∈ a folgt xa ∈ a für alle x ∈ R. 2.1 Bemerkung. a) Die Null gehört zu jedem Ideal. b) Seien a1 , . . . , an ∈ R, n ≥ 1. Dann ist die Menge {x1 a1 + . . . + xn an | x1 , . . . , xn ∈ R} ein Ideal, das von {a1 , . . . , an } ” erzeugte Ideal“. Beispiel. Ist m ∈ Z, so ist mZ = {mx | x ∈ Z} das von m erzeugte Ideal von Z. Definition. Ein Ideal a ⊆ R heißt Hauptideal, wenn es von einem Element a erzeugt wird, d.h. wenn a = {ax | x ∈ R}. Schreibe dann für a auch aR“ ” oder Ra“ oder (a)“ . ” ” Beispiele. {0} = (0) ist ein Hauptideal, das Nullideal. R = (1) ist ebenfalls ein Hauptideal. Hauptidealringe. R heißt Hauptidealring, wenn jedes Ideal von R ein Hauptideal ist. 2.2 Satz. Z ist ein Hauptidealring. Beweis. Sei a ⊆ Z ein Ideal, a 6= (0). Dann enthält a ein kleinstes positives Element a, denn x ∈ a =⇒ −x ∈ a. Behauptung: a = (a) Beweis. Sei b ∈ a beliebig. Dividiere b durch a mit Rest. b = qa + r , 0≤r<a Da a ein Ideal ist und a ∈ a, ist auch (−q)a ∈ a, somit auch r = b + (−q)a ∈ a, 0 ≤ r < a. Nach Wahl von a muß r = 0 sein, d.h. b = qa ∈ a. Damit ist a ⊆ (a). Umgekehrt ist (a) ∈ a, denn xa ∈ a für alle x ∈ R, da a ∈ a. 141 2.3 Satz. Jeder Hauptidealring ist faktoriell. Beweis. Wir zeigen zunächst 2.4 Lemma. Sei R ein Hauptidealring und sei (an )n∈N eine Folge von Elementen aus R, so daß (a0 ) ⊆ (a1 ) ⊆ (a2 ) ⊆ . . . ⊆ (an ) ⊆ (an+1 ) ⊆ . . . Dann gibt es ein n ∈ N mit (an+m ) = an für alle m ∈ N. ( In einem Haupt” idealring wird jede aufsteigende Kette von Idealen stationär.“) S Beweis von 2.4. Sei a := (an ) = {x | Es gibt ein n ∈ N mit x ∈ (an )}. n∈N Behauptung. a ist ein Ideal. Beweis. 0 ∈ (a0 ) ⊆ a, also ist a 6= ∅. Sei x ∈ a, r ∈ R beliebig. Dann gibt es ein n ∈ N mit x ∈ (an ) =⇒ rx ∈ (an ) ⊆ a. Sind x, y ∈ a, so gibt es n, m ∈ N mit x ∈ (an ), y ∈ (am ), o.E. n ≤ m =⇒ x, y ∈ (am ) =⇒ x + y ∈ (am ) ⊆ a. Da R ein Hauptidealring ist, gibt es ein a ∈ R mit a = (a). S =⇒ a ∈ a = (an ) =⇒ Es gibt ein n ∈ N mit a ∈ (an ) =⇒ (a) ⊆ (an ) n∈N =⇒ a = (a) ⊆ (an ) ⊆ a und a = (an ) =⇒ (an ) ⊆ (an+m ) ⊆ a ⊆ (an ) und (an ) = (an+m ), für alle m ∈ N. Beweis von 2.3. Sei a ∈ R\{0}. Es ist zu zeigen: (∗) Es gibt u ∈ R× und Primelemente p1 , . . . , pr , so daß a = up1 · . . . · pr (r ≥ 0) Jede Einheit hat eine solche Darstellung mit r = 0. Jedes Primelement hat eine solche Darstellung mit u = 1, r = 1. Beweis von (∗). Sei M := {(a) | a hat keine Zerlegung (∗)}. Angenommen 2.3 wäre falsch, d.h. M 6= ∅. Behauptung. In M gibt es ein maximales Element (a0 ). D.h.: (a0 ) ∈ M und aus (a0 ) ( (b) folgt (b) 6∈ M.) 142 Beweis. Wäre die Behauptung falsch, so könnte man in M sukzessive eine echt aufsteigende Kette von Idealen (a0 ) ( (a1 ) ( (a2 ) ( . . . bilden, im Widerspruch zu 2.4. Sei also (a0 ) in M ein maximales Element. Dann ist wegen (a0 ) ∈ M das Element a0 keine Einheit. Nach dem folgenden Lemma ist a0 auch nicht irreduzibel. 2.5 Lemma. In einem Hauptidealring sind irreduzible Elemente bereits Primelemente. Beweis. Sei u irreduzibel und u | ab. Es ist zu zeigen, daß u | a oder u | b. Setze a = {r | u teilt ar}. Nach 1.1 ist a ein Ideal. Ferner gilt b ∈ a und u ∈ a. Da R ein Hauptidealring ist, gibt es ein d ∈ R mit a = (d). Wegen 1.5 u ∈ a folgt u = rd, d.h. d | u =⇒ d ∼ u oder d ist Einheit (i) d Einheit: u | ad wegen d ∈ a und ad ∼ a =⇒ u | a. (ii) d ∼ u : b ∈ a = (d) =⇒ d | b. Wegen d ∼ u folgt u | b. Da nun a0 weder Einheit noch irreduzibel ist, gilt a0 = bc mit b 6∈ R× und c 6∈ R× Es folgt (a0 ) ( (b) und (a0 ) ( (c), denn b 6∈ (a0 ) und c 6∈ (a0 ). Nach Wahl von (a0 ) gilt daher (b) 6∈ M und (c) 6∈ M . Also haben b und c Zerlegungen der Form (∗), somit auch a0 = bc, Widerspruch zu (a0 ) ∈ M . Also ist die Ausnahme M 6= ∅ falsch und 2.3 ist bewiesen. Euklidische Ringe. Der Ring R heißt euklidisch, wenn gilt: Es gibt eine Funktion ν : R\{0} −→ N, so daß es zu je zwei Elementen a, b ∈ R, b 6= 0 Elemente q, r ∈ R gibt mit (i) a = bq + r (ii) r = 0 oder ν(r) < ν(b) ν nennt man auch eine euklidische Norm für R. Beispiele. 143 a) ν : Z −→ N, n 7−→ |n| ist nach dem Satz über die Division mit Rest in Z eine euklidische Norm für Z. Also ist Z ein euklidischer Ring. b) Sei K ein Körper und R = K[X] der Polynomring über K. Dann ist die Abbildung Grad : R\{0} −→ N eine euklidische Norm für R (nach II.4.2) und R = K[X] ist ein euklidischer Ring. 2.6 Satz. Jeder euklidische Ring ist ein Hauptidealring. Beweis. (fast wörtlich der Beweis von 2.2). Sei ν die Norm von R und a ⊆ R ein von (0) verschiedenes Ideal. Wähle ein a ∈ a mit minimaler Norm. Es ist (a) ⊆ a. Sei umgekehrt b ∈ a, b 6= 0. Dividiere b durch a mit Rest: b = qa + r, r = 0 oder ν(r) < ν(a). Wäre r 6= 0, so wäre wegen a, b ∈ a auch r = b + (−q)a ∈ a, r 6= 0 und ν(r) < ν(a), im Widerspruch zur Wahl von a. Also ist r = 0, d.h. b = qa ∈ (a). Damit ist auch a ⊆ (a) und insgesamt (a) = a. 2.7 Korollar. Jeder euklidische Ring ist faktoriell. Insbesondere läßt sich jedes Polynom f ∈ K[X] über einem Körper K in ein Produkt von Primpolynomen zerlegen. Die Einheiten von K[X] sind nach II.2.5 die Einheiten von K. Offenbar sind die Polynome X −λ, λ ∈ K irreduzibel, also Primpolynome nach 2.6. Beispiel. In der Analysis lernt man den sogenannten Fundamentalsatz der Algebra. Jedes nicht konstante Polynom f (X) = a0 + a1 X + . . . + an X n , n ≥ 0, an 6= 0 mit komplexen Koeffizienten a0 , a1 , . . . , an besitzt eine komplexe Nullstelle y, d.h. f (y) = a0 + a1 y + . . . + an y n = 0. Dividiere f (X) durch X − y mit Rest und erhalte f (X) = q(X) · (X − y) + r wobei q(X) ∈ C[X] und r = 0 oder r 6= 0 und Grad r = 0, d.h. r ∈ C. Setze y für die Unbestimmte X ein, erhalte 0 = f (y) = q(y)(y − y) + r = r, also f (X) = q(X) · (X − y) 144 Daher sind die einzigen Primpolynome p(X) in C[X] die Polynome vom Grad 1, p(X) = aX + b, a 6= 0. Es ist p(X) ∼ X − λ, λ = − ab . Nach 2.7 hat f (X) daher eine Zerlegung f (X) = an r Y (X − λm )vm , ν1 + . . . + νr = n, λi 6= λj für i 6= j m=1 Offenbar sind λ1 , . . . , λr die Nullstellen, ihre Anzahl ist ≤ n = Grad f . 145 §3 Imaginär – quadratische Zahlbereiche In diesem Abschnitt werden wir Integritätsbereiche kennenlernen, die nicht faktoriell sind. Sei m > 1 eine quadratfreie natürliche Zahl, d.h. m = 1 oder √ m = p1 · . . . · pr mit paarweise verschiedenen Primzahlen. m ∈ R sei die (positive) Quadratwurzel aus m. Setze √ √ Z[i m] := {x + yi m | x, y ∈ Z} ⊆ C √ Die Menge Z[i m] bildet die Knoten eines Gitternetzes in der Gaußschen Zahlenebene, dessen √ Lage in der folgenden Skizze angedeutet werden soll. Die Elemente von Z[i m] werden dabei durch einen Kringel ◦“ angedeutet. ” √ eines Netzes mit Maschenhöhe Die √ Punkte von Z[i m] sind also die Knoten √ m und Maschenbreite 1 und Z = Z[i m] ∩ R. 3.1 Bemerkung. √ a) R = Z[i m] ist ein Unterring von C. b) Ist z ∈ R, so ist auch z ∈ R. (Abgeschlossenheit gegenüber der Konjugation.) √ √ c) K := Q[i m] = {z | z = x + yi m, x, y ∈ Q} ist ein Körper. Genauer ist K = {α · β −1 | α, β ∈ R, β 6= 0}. Beweis. b) ist klar. a) Die Abgschlossenheit bzgl. der Addition ist klar. √ √ √ (x + yi m)(x0 + y 0 i m) = (xx0 − yy 0 m) + (xy 0 + x0 y)i m Also ist R abgeschlossen bzgl. der Multiplikation, weil dies für Z gilt. c) Wie in a) und b) folgt, daß K ein Ring ist, der gegen Konjugation z abgeschlossen ist. Ferner ist zz = x2 + y 2 m ∈ Q,√somit z zz = 1 und z ∈ K, d.h., K ist sogar ein Körper. z = x + yi m ∈ K ist von der zz α Form n mit n ∈ N, α ∈ R, wenn n 6= 0 ein Hauptnenner von x, y ∈ Q ist. Umgekehrt ist für β ∈ R\{0} auch β −1 ∈ K, somit αβ −1 ∈ K. 146 √ Die Ringe der Form Z[i m] wie oben nennen wir imaginär –quadratische Zahlbereiche. Die Norm auf C. Für z ∈ C setzen wir N (z) := zz( Norm“ von z) ” M.a.W.: N (z) = |z|2 . √ √ Ist α = x + yi m ∈ Z[i m], so ist √ √ N (α) = (x + iy m)(x − iy m) = x2 + y 2 m ∈ N Daher induziert N eine Abbildung √ ν : Z[i m]\{0} −→ N, r 7−→ N (r) √ 3.2 Eigenschaften der Norm: Sei R = Z[i m], m wie oben. a) N (αβ) = N (α)N (β) für α, β ∈ C. b) N (α) ≥ 0; N (α) = 0 ⇐⇒ α = 0 gilt für alle α ∈ C. c) α ∈ R =⇒ N (α) ∈ N d) Für α, β ∈ R gilt: Aus α | β folgt N (α) | N (β) e) α ∈ R ist genau dann eine Einheit, wenn N (α) = 1. Genauer ist R× = {±1, ±i}, falls m = 1 und R× = {±1} sonst. f) Ist N (α) eine Primzahl für ein α ∈ R, so ist α irreduzibel in R. Beweis. a) Gilt, weil αβ = αβ. b) folgt aus der entsprechenden Aussage über |α|. c) wurde bereits gezeigt. d) folgt aus a). e) αβ = 1 =⇒ N (α)N (β) = N (αβ) = N (1) = 1; wegen√N (α), N (β) ∈ N folgt N (α) = N (β) = 1. Sei umgekehrt α = x + yi m, x, y ∈ Z mit N (α) = x2 + my 2 = 1. 147 1) m ≥ 2 :=⇒ y = 0 =⇒ x = ±1 =⇒ α = ±1 Einheit 2) m = 1 :=⇒ (y = 0 und x = ±1) oder (y = ±1 und x = 0), also α = ±1 oder α = ±i. Dies sind Einheiten in Z[i]. f) Sei N (α) eine Primzahl und α = βγ mit β, γ ∈ R. e) p = N (α) = N (β)N (γ) =⇒ N (β) = 1 oder N (γ) = 1 =⇒ β Einheit oder γ Einheit. Also ist α irreduzibel. 3.3 Korollar. √ a) Für jedes m ist 2 kein Primelement in Z[i m]. √ b) Für m ≥ 3 ist 2 irreduzibel in Z[i m]. √ Insbesondere ist nach 1.8 der Ring Z[i m] für m ≥ 3 nicht faktoriell. Beweis. a) m(m+1) ist gerade, d.h. 2 | m(m+1). Wäre so √ √2 in R ein Primelement, √ müßte wegen (m+i m) gelten: √ m(m+1) = (m+i √ m)(m−i m) = N √ √ 2 | m + i m oder 2 | m − i m in R. Aus 2(x + iy m) = m ± i m folgt 2y = ±1, y ∈ Z, Widerspruch. 3.2d)e) b) α k 2 =⇒ N (α) k√ N (2) = 4 =⇒ N (α) = 2. Es ist α = x + iy m, x, y ∈ Z; m ≥ 3 =⇒ N (α) = x2 + my 2 6= 2, Widerspruch. 3.4 Satz. Der Ring der ganzen Gaußschen Zahlen Z[i] ist faktoriell. (In der Gaußschenzahlenebene entsprechen die Elemente von Z[i] gerade den ganzzahligen Gitterpunkten.) Beweis. Sei R = Z[i] und ν : R\{0} =⇒ N x + iy 7−→ N (x + iy) = x2 + y 2 (x, y ∈ Z) Zu zeigen: ν in eine euklidische Normfunktion. Seien a, b ∈ R, b 6= 0. Dann ist ab ∈ C. Schreibe ab ist der Form ab = x + iy mit x, y ∈ R. Seien m, n die ganzen Zahlen die x bzw. y am nächsten liegen, d.h. : | x − m |≤ 12 und |y − n| ≤ 21 . 148 Setze q := m + in und z := ab = x + iy. Dann gilt a = bz und N (z − q) = N ((x − m) + i(y − n)) = (x − m)2 + (y − n)2 ≤ 21 . Setze r := a − bq ∈ R. Ist r 6= 0, so gilt ν(r) = N (a − bq) = N (bz − bq) = N (b)N (z − q) ≤ 21 N (b) < ν(b), da N (b) > 0 wegen b 6= 0. √ 3.5 Satz. Der Ring Z[i 2] ist faktoriell. Beweis. Analog zu 3.4 zeigt man, daß √ √ ν : Z[i 2] =⇒ N, α = x + iy 2 7−→ x2 + 2y 2 eine euklidische Normfunktion ist. (Übungsaufgabe.) Die Primelemente von Z[i] nennt man Gaußsche Primzahlen. Frage: Welche Primzahlen p ∈ N sind Gaußsche Primzahlen? Beispiel: N (1 + i) = N (1 − i) = (1 + i)(1 − i) = 2 ist eine Primzahl in N. Wegen 3.2 und 3.4 sind daher 1 + i und 1 − i Gaußsche Primzahlen. Ferner hat 2 in Z[i] echte Teiler, ist also keine Gaußsche Primzahl. Es gilt (−i)(1 + i) = 1 − i, also ist (1 + i) ∼ (1 + i) und 2 = (1 + i)(1 + i). 3.6 Satz. Sei p eine ungerade Primzahl. Dann gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder a) p ist eine Gaußsche Primzahl, oder b) es gibt eine Gaußsche Primzahl q, so daß p = qq = N (q). Die Zahl q ∈ Z[i] ist dann ebenfalls eine Gaußsche Primzahl, welche nicht assoziiert zu q ist. Beweis. p hat in R = Z[i] eine Primfaktorzerlegung p = q1 · . . . · qr ; qi ∈ R Primelement. Es ist r ≥ 1 da N (p) = p2 > 1 und p2 = N (p) = N (q1 ) · . . . · N (qr ). Wegen N (qi ) 6= 1 folgt r = 1 oder r = 2. 1. Fall: r = 1 =⇒ p = q1 ist eine Gaußsche Primzahl 2. Fall: r = 2 =⇒ p = q1 q2 ; p2 = N (q1 )N (q2 ) =⇒ N (q1 ) = N (q2 ) = p; N (q1 ) = q1 q 1 = p = q1 q2 , also ist q 1 = q2 ebenfalls eine Gaußsche Primzahl und p = q1 q 1 . Angenommen q1 = x + iy ∼ q 1 = x − iy, d.h. q = uq, u ∈ R× = {±1, ±i}. 1. Fall: u = ±1 =⇒ ±x ± iy = x − iy =⇒ y = 0 oder x = 0 =⇒ p = q1 q 1 = x2 oder p = q1 q 1 = y 2 , Widerspruch. 149 2. Fall: u = ±i : ±ix ∓ y = x − iy =⇒ x = −y oder x = y =⇒ p = q1 q 1 = x2 + y 2 = 2x2 , Widerspruch, denn p war ungerade. 3.7 Satz. Eine ungerade Primzahl p ∈ N ist genau dann eine Gaußsche Primzahl, wenn p ≡ 3 mod 4. I.8.1 Beweis. p ≡ 3 mod 4 =⇒ p ist nicht Summe von zwei Quadraten =⇒ p 6= N (α) für alle α = x + iy ∈ Z[i]. Nach 3.6 ist daher p eine Gaußsche Primzahl. I.7.13 p ≡ 1 mod 4 =⇒ Es gibt ein x ∈ Z mit x2 ≡ −1 mod p =⇒ p | x2 + 1 = (x + i)(x − i). Wäre p eine Gaußsche Primzahl so wäre p | x + i oder p | x − 1 in Z[i]. Beides ist nicht möglich: p(a + bi) = x + i =⇒ pb = 1, Widerspruch p(a + bi) = x − i =⇒ pb = −1, Widerspruch. 150 §4 Der Ring Z[− 21 + √ i 23 ] √ Wir haben gesehen, daß der imaginär–quadratische Zahlbereich S = Z[i 3] kein faktorieller Ring ist. Für spätere Anwendungen werden wir S in einen möglichst kleinen faktoriellen Unterring R ⊆ C einbetten. Sei √ 3 1 und R := Z[ζ] = {a + bζ | a, b ∈ Z} ⊆ C ζ := − + i 2 2 Lage der Punkte ζ, ζ 2 und ζ 3 in der Zahlenebene. Es ist cos 2π = − 12 und sin 2π = 3 3 √ 3 , 2 d.h. ζ = cos 2π + i sin 2π , | ζ |= 1 und Arg ζ = 3 3 2π 3 = 120◦ . Es folgt | ζ 2 |=| ζ 3 |= 1 und Arg ζ 2 = 120◦ , Arg ζ 3 = 360◦ . Somit liegen ζ, ζ 2 und ζ 3 auf dem Einheitskreis E : x2 + y 2 = 1, ihre Argumente sind 120◦ , 240◦ , 360◦ . Insbesondere ist ζ 3 = 1. Die Punkte ζ, ζ 3 , ζ 3 = 1 bilden somit ein gleichseitiges Dreieck. Es folgt weiter ζ 2 = ζ = − 21 − i (1) √ 3 , ζ3 2 = 1 und ζ + ζ 2 = ζ + ζ = −1, d.h. 1 + ζ + ζ 2 = 0, ζ 3 = 0, ζ 2 = ζ −1 = ζ Skizze der Punktegitter S und R in der Gaußschen Zahlenebene C. Kennzeichne die Punkte von S mit ד die von R mit ◦“ und die Einheiten ” ” von R mit ∗“. ” R ist ein schiefwinkliges Gitter und S ein rechtwinkliges mit doppelt so großem Inhalt. Die Einheiten von R bilden ein regelmäßiges Sechseck (folgt aus 4.2). 4.1 Bemerkung. R ist ein Ring, S ⊆ R und aus z ∈ R folgt z ∈ R. Beweis. Die Abgeschlossenheit bzgl. der Addition ist klar. Nach (1) ist ζ = ζ 2 = −1 − ζ, somit ist R abgeschlossen bzgl. der Konjugation. 151 (a √+ bζ)(c + dζ) = ac + (ad + bc)ζ + bd(−1 − ζ) ∈ R. i 3 = 1 + 2ζ ∈ R, somit ist S ⊆ R. Als nächstes soll gezeigt werden, daß R ein faktorieller Ring ist. Sei wie zuvor N (α) = αα für α ∈ C. 4.2 Satz. a) N (αβ) = N (α)N (β) für alle α, β ∈ C. b) N (α) ≥ 0; N (α) = 0 ⇐⇒ α = 0 (α ∈ C) c) α ∈ R =⇒ N (α) ∈ N d) α ∈ R× ⇐⇒ N (α) = 1, falls α ∈ R e) R× = {±1, ±ζ, ±ζ 2 } Beweis. a) und b) wurden in 3.2 gezeigt. c) N (a + bζ) = (a + bζ)(a + bζ) = a2 + ab(ζ + ζ) + b2 ζζ 2 = = a2 − ab + b2 ∈ N, falls a, b ∈ Z d) Die Richtung =⇒“ ergibt sich wie in 3.2. Umgekehrt folgt aus αα = ” N (α) = 1, daß α ∈ R× . e) Wegen ζζ 2 = 1 sind die sechs angegebenen Zahlen Einheiten. Sei um√ gekehrt α ∈ R× . Schreibe α = 12 (c + di 3) mit c, d ∈ Z. Dann ist nach d) 1 = αα = 41 (c2 + 3d2 ). Dies ist nur möglich, wenn d = 0 und c = ±2 oder d = ±1 und c = ±1. Also hat R auch höchstens sechs Einheiten. Wegen ζ 3 = 1 gilt ε6 = 1 für alle ε ∈ R× .(R× besteht also aus den sogenannten sechsten Einheitswurzeln“). ” 4.3 Satz. R ist ein euklidischer Ring mit euklidischer Norm N , d.h.: Sind α, β ∈ R, β 6= 0 vorgegeben, so gibt es q, ρ ∈ R mit α = βq + ρ und N (ρ) < N (β) Genauer gilt sogar: N (ρ) ≤ 34 N (β). Insbesondere ist R ein faktorieller Ring. Zum Beweis benötigen wir ein 152 4.4 Lemma. Jedes z ∈ C schreibt sich in der Form z = x + y · ζ mit x, y ∈ R Beweis. Es ist z = u + iv mit u, v ∈ R 1 1√ 1 2 ζ=− + 3i =⇒ i = √ + √ ζ =⇒ z = 2 2 3 3 1 2 u+ √ v + v· √ ζ 3 3 Beweis von 4.3 Sei z := αβ ∈ C. Schreibe z in der Form z = x + yζ mit x, y ∈ R. Wähle wie im Beweis von 3.4 ganze Zahlen m, n mit |x − m| ≤ 21 und |y − n| ≤ 12 und setze q = m + nζ und ρ = α − qβ. Dann gilt α = βq + ρ und z − q = (x − m) + (y − n)ζ. Es folgt N (α − qβ) = N (zβ − qβ) = N (z − q)N (β) = ((x − m) + (y − n)ζ)(x − m) + (y − n)ζ 2 ) · N (β) = ((x − m)2 + (x − m)(y − n)(ζ + ζ 2 ) + (y − n)2 )N (β) = ((x − m)2 − (x − m)(y − n) + (y − n)2 )N (β) ≤ 1 1 1 ≤ ((x − m)2 + |x − m||y − n| + (y − n)2 )N (β) ≤ ( + + )N (β) 4 4 4 3 ≤ N (β) < N (β), da β 6= 0. 4 N (ρ) = = = = Zum Beweis des großen Fermatischen Satzes im Fall n = 3 benögigen wir die √ 1 1 folgenden Regeln für das Rechnen am Ring RR = Z[− 2 + i 2 3]. Wir nennen Zahlen r, s ∈ R kongruent modulo 3R wenn r − s ∈ 3R. 4.5 Regel. a) Ist N (α) eine Primzahl, so ist α in R ein Primelement. b) 1 − ζ ist ein Primelement. Es hat folgende Eigenschaften: 1 − ζ = 1 − ζ = 1 − ζ 2 = (1 − ζ)(1 + ζ) = −ζ 2 (1 − ζ) ∼ 1 − ζ; also ist N (1 − ζ) = −ζ 2 (1 − ζ)2 = 3 = (1 − ζ)(1 − ζ). Insbesondere ist 3 ∼ (1 − ζ)2 , da −ζ 2 ∈ R× . 153 c) Ist a + bζ ∈ R mit a, b ∈ Z so sind a bzw. b kongruent zu +1, −1 oder 0 modulo 3Z. M.a.W.: a + bζ ist modulo 3R kongruent zu einer der neun Zahlen aus N = {±1, ±ζ, ±(1 + ζ), ±(1 − ζ), 0}. Damit ist jedes α ∈ R entweder zu einer Einheit, oder zu ±(1 − ζ) oder zu 0 kongruent modulo 3R. d) Jeder Kubus in R (das ist eine Zahl x3 mit x ∈ R) ist modulo 3R kongruent zu 1, −1 oder 0, d.h.: Für jedes x ∈ R schreibt x3 in der Form x3 = ν + 3c mit ν ∈ {±1, 0} und c ∈ R e) Ist x ∈ R und u ∈ R× und gilt ux3 = ±1 modulo 3R, so ist u = ±1 und ux3 = (ux)3 ist ein Kubus. Beweis. a) Wie in 3.2 zeigt man, daß d irreduzibel ist, und somit nach 4.3 ein Primelement. b) Die angegebenen Identitäten rechne man nach. Wegen N (1 − ζ) = 3 ist 1 − ζ ein Primelement nach a). c) ist klar. d) Nach c) gilt: x ≡ ν mod 3R mit ν ∈ N . Wie in Z folgt daraus x3 ≡ ν 3 mod 3R (nachrechnen), wobei (±1)3 = ±1, (±ζ)3 = ±1, (±ζ 2 )3 = ±1 b) (1 − ζ)2 ∼ (1 − ζ)(1 − ζ) = N (1 − ζ) = 3 =⇒ ±(1 − ζ)2 ∈ 3R, d.h. ±(1 − ζ)3 ≡ 0 mod 3R. e) Nach d) ist x3 ≡ ±1 mod 3R. Wie in Z folgt ±1 ≡ ux3 ≡ ±u mod 3R, d.h. u ≡ ±1 mod 3R. Ferner ist u eine Einheit. Nach 4.2 ist noch auszuschließen, daß u = ±ζ oder u = ±ζ 2 . Im Fall u ≡ 1 mod 3R schließt man wie folgt: u = ζ =⇒ 1 − ζ ≡ 0 mod 3R =⇒ 1 − ζ = 3α =⇒ 3 = N (1 − ζ) = N (3)N (α) = 9N (α), Widerspruch. u = −ζ =⇒ 1 + ζ ≡ 0 mod 3R =⇒ 9 | N (1 + ζ) = N (−ζ 2 ) = 1, Widerspruch 154 u = ζ 2 =⇒ 9 | N (1 − ζ 2 ) = N (1 − ζ)N (1 + ζ) = N (1 − ζ) = 3 Widerspruch. u = −ζ 2 =⇒ 9 | N (1 + ζ 2 ) = N (−ζ) = 1 Widerspruch. Analog schließt man für u ≡ −1 mod 3R. Bemerkung. Im Beweis haben wir wiederholgt von den folgenden Regeln Gebrauch gemacht, deren Beweis dem Leser überlassen bleibt: Sei a ⊆ R ein Ideal (etwa a = 3R) und a, b ∈ R. Definition. a ≡ b mod a := a − b ∈ a. Regel. ≡ mod a ist eine Äquivalenzrelation und es gilt a) a ≡ b mod a =⇒ a + c ≡ b + c mod a b) a ≡ b mod a =⇒ ac ≡ bc mod a c) a ≡ b mod a =⇒ an ≡ bn mod a 155 §5 Die Gleichung X3 + Y3 = Z3 Wie man sofort nachrechnet, gilt in jedem Ring R (1) x3 + y 3 + z 3 = (x + y + z)3 − 3(x + y)(y + z)(z + x) (2) x3 + y 3 = (x + y)(x2 − xy + y 2 ), insbesondere x + y | x3 + y 3 für alle x, y, z ∈ R. Sei nun wieder ζ = cos 2π + i sin 2π wie in §4 und R = Z[ζ] ⊆ C. Dann 3 3 gilt für x, y ∈ C (3) x3 + y 3 = (x + y)(x + yζ)(x + yζ 2 ) denn (x + yζ)(x + yζ 2 ) = x2 + xy(ζ + ζ 2 ) + y 2 ζ 3 = x2 − xy + y 2 5.1 Satz. (Fermat, Euler) Es gibt keine a, b, c ∈ R\{0} mit (∗) a3 + b3 + c3 = 0 5.2 Korollar. Die Gleichung X 3 + Y 3 = Z 3 hat keine Lösung mit positiven ganzen Zahlen x, y, z. Sonst wäre nämlich a = x, b = y, c = −z ∈ R\{0} eine Lösung von (∗). Beweis von 5.1. Beweis idee“: Wäre a3 + b3 = c3 , wobei a, b, c ∈ R\{0} (o.E.) teilerfremd ” sind, so folgt aus (1) und (3) (a + b + c)3 = 3(a + b)(b + c)(c + a), (−c)3 = (a + b)(a + bζ)(a + bζ 2 ). Aus der Tatsache, daß R faktoriell ist, schließt man, daß dies nicht sein kann. Bevor wir mit dem eigentlichen Beweis von 5.1 beginnen, zeigen wir 5.3 Lemma. Ist a3 + b3 + c3 = 0 für teilerfremde Zahlen a, b, c ∈ R(\{0}, so wird genau eine der drei Zahlen vom Primelement 1 − ζ geteilt. Beweis. Nach (1) gilt in R wegen a3 + b3 + c3 = 0 (a + b + c)3 = 3(a + b)(b + c)(c + a) ∼ (1 − ζ)2 (a + b)(b + c)(c + a) Da 1 − ζ ein Primelement ist folgt (1 − ζ) | a + b + c und daher (1 − ζ)3 | (a + b + c)3 ∼ (1 − ζ)2 (a + b)(b + c)(c + a). 156 Kürzen ergibt (1 − ζ) | (a + b)(b + c)(c + a) und da 1 − ζ ein Primelement von R ist, folgt, daß 1 − ζ einen der drei Faktoren teilt, o.E. (1 − ζ) | a + b. Nach (2) ist a + b | a3 + b3 = −c3 . Insgesamt ergibt sich 1 − ζ | c3 , somit 1 − ζ | c. Da aber a, b, c teilerfremd sind und a3 + b3 = −c3 , folgt: a, b, c sind paarweise teilerfremd, daher 1 − ζ - a und 1 − ζ - b. Beweis von 5.1 durch Widerspruch. Angenommen es gäbe a, b, c ∈ R\{0} mit a3 + b3 + c3 = 0. Durch kürzen erreicht man, daß a, b, c sogar teilerfremd sind. Wegen 5.3 ist dann die Menge M = {(a, b, c) | a, b, c ∈ R\{0} teilerfremd, 1 − ζ | c, a3 + b3 + c3 = 0} nicht leer. Für x ∈ R\{0} bezeichne v1−ζ (x) die Ordnung von x an der Primstelle 1 − ζ. Wir wählen ein Tripel (a, b, c) ∈ M , so daß die Ordnung v1−ζ (c) minimal ist. Der Widerspruch wird sich ergeben, indem aus (a, b, c) ein weiteres Tripel (a∗ , b∗ , c∗ ) ∈ M konstruiert wird mit v1−ζ (c∗ ) < v1−ζ (c). Wegen (1 − ζ) - ab und (1 − ζ) | 3 gilt für a (entsprechend für b) a 6≡ 0 mod 3R und a 6≡ ±(1 − ζ) mod 3R. Aus 4.5 c ergibt sich: a ≡ ε mod 3R, wobei ε ∈ R eine Einheit ist, d.h. ε ∈ {±1, ±ζ, ±ζ 2 }. (i) Aus a ≡ ±ζ mod 3R folgt aζ 2 ≡ ±1 mod 3R. (ii) Aus a ≡ ±ζ 2 mod 3R folgt aζ ≡ ±1 mod 3R. Ferner ist a3 = (aζ 2 )3 = (aζ)3 . Man kann daher a in (∗) durch aζ 2 oder aζ ersetzen und somit o.E. annehmen, daß a ≡ ±1 mod 3R. Entsprechend verfährt man mit b, und kann b ≡ ±1 mod 3R annehmen. Ferner ist wegen 1 − ζ | c auch 3 ∼ (1 − ζ)2 | c2 | c3 , d.h. c3 ≡ 0 mod 3R. Wäre nun a ≡ b mod 3R, so auch a3 ≡ b3 mod 3R und 0 ≡ a3 +b3 +c3 ≡ 2a3 ≡ ±2 ≡ ∓1 mod 3R. Insbesondere wäre 3 eine Einheit in R, im Widerspruch zu 3 ∼ (1 − ζ)2 . Also ist a 6≡ b mod 3R und wir können annehmen, daß a ≡ 1 mod 3R und b ≡ −1 mod 3R. Man kann also a und b in der Form a = 1 + 3α, b = −1 + 3β mit α, β ∈ R 157 schreiben. aζ + b ζ 2 (a + b) a + bζ ; B 0 := ; C 0 := 1−ζ 1−ζ 1−ζ Setzt man a = 1 + 3α und b = −1 + 3β ein, so erhält man: Wir setzen nun A0 := A0 = (1 − ζ) + 3(α + βζ) = 1 − ζ 2 (1 − ζ)(α + βζ), 1−ζ B0 = −(1 − ζ) + 3(αζ + β) = −1 − ζ 2 (1 − ζ)(αζ + β) und 1−ζ 3ζ 2 (α + β) = −ζ(1 − ζ)(α + β), jeweils, da 3 = −ζ 2 (1 − ζ)2 C = 1−ζ 0 Insbesondere sind A0 , B 0 , C 0 aus R. Ferner gilt (5) A0 + B 0 + C 0 = −ζ(1 − ζ)(α + β)(1 + ζ + ζ 2 ) = 0. 3 −c (a + b)(a + bζ)(a + bζ 2 ) (3) a3 + b3 0 0 0 = = (6) A B C = = D03 . (1 − ζ)3 (1 − ζ)3 1−ζ Insbesondere gilt A0 6= 0, B 0 6= 0, C 0 6= 0. Behauptung. A0 , B 0 und C 0 sind paarweise teilerfremd. Beweis. Wegen A0 + B 0 + C 0 = 0 genügt es zu zeigen, daß A0 und B 0 teilerfremd sind. Nach Voraussetzung sind aber a und b teilerfremd. Ferner gilt a = −ζA0 + ζ 2 B 0 , b = ζ 2 A0 − ζB 0 . Also müssen auch A0 und B 0 teilerfremd sein. Wegen (6) schreiben sich nach 1.11 die Elemente A0 , B 0 und C 0 in R in der Form Einheit mal dritte Potenz“. ” Wegen 1 − ζ | C 0 folgt daher (1 − ζ)3 | C 0 . Also gilt wegen 3 ∼ (1 − ζ)2 A0 + B 0 ≡ −C 0 ≡ 0 mod 3R, d.h. A0 ≡ −B 0 mod 3R Ferner ist A0 ≡ 1 mod (1 − ζ)R, insbes. 1 − ζ - A0 . Es folgt A0 ≡ u mod 3R mit u ∈ R× , somit B 0 ≡ −A0 ≡ −u mod 3R. Wir setzen nun A := u−1 A0 , B := u−1 B 0 und C := u0 C 0 Aus den entsprechenden Eigenschaften des Tripels (A0 , B 0 , C 0 ) folgt 158 A, B, C sind teilerfremd A+B+C =0 −3 0 0 0 0 0 0 ABC = u A B C = ±A B C = ±c 1−ζ 3 = D3 Wie für A0 und B 0 schließt man auch hier: A und B sind von der Form Einheit mal dritte Potenz“. ” Ferner gilt A ≡ u−1 A0 ≡ u−1 u ≡ 1 mod 3R B ≡ u−1 B 0 ≡ u−1 (−u) ≡ −1 mod 3R Nach 4.5 e) sind dann A und B sogar dritte Potenzen in R. Wegen ABC = D3 ist dann gemäß 1.11 b) auch C in R eine dritte Potenz: A = a3∗ , B = b3∗ , C = c3∗ mit a∗ , b∗ , c∗ ∈ R\{0}. Dabei ist a∗ , b∗ und c∗ teilerfremd und a3∗ + b3∗ + c3∗ = 0. Ferner ist 1 − ζ | C 0 ∼ C = c3∗ , und somit 1 − ζ | c∗ . Also ist auch (a∗ , b∗ , c∗ ) ∈ M . Es gilt jedoch 3v1−ζ (c∗ ) = v1−ζ (c3∗ ) = v1−ζ (c) = v1−ζ (ABC) = v1−ζ = 3v1−ζ c 1−ζ c 1−ζ 3 ! = 3(v1−ζ (c) − 1) Es folgt v1−ζ (c∗ ) < v1−ζ (c), im Widerspruch zur Minimalität von v1−ζ (c). 159 Anhang B: Quadratische Irrationalzahlen §1 Reel-quadratische Zahlkörper Eine reelle Zahl x 6∈ Q heißt quadratische Irrationalzahl, wenn sie Lösung einer quadratischen Gleichung (1) aX 2 − bX − c = 0, a 6= 0 mit rationalen Koeffizienten a, b und c ist. Nach Multiplikation von (1) mit einer geeigneten rationalen Zahl kann man erreichen, daß (∗) {a, b, c} ⊆ Z, a > 0 und ggT(a, b, c) = 1 1.1 Bemerkung. Die Gleichung (1) mit den Eigenschaften (∗) ist durch die quadratische Irrationalzahl x eindeutig bestimmt. Man nennt sie die Gleichung von x. Beweis. Sei a0 x2 − b0 x − c0 = 0, wobei {a0 , b0 , c0 } ebenfalls die Bedingung (∗) erfüllt. Dann ist aa0 x2 −ab0 x−ac0 = 0 = a0 ax2 −a0 bx−ac0 und daher (a0 b−ab0 )x+(a0 c−ac0 ) = 0. Wegen x 6∈ Q folgt a0 b = ab0 und a0 c = ac0 , also a = ggT(aa0 , ab0 , ac0 ) = ggT (a0 a, a0 b, a0 c) = a0 . Somit ist a = a0 , b = b0 und c = c0 . Die Lösungen von (1) sind bekanntlich die Zahlen √ b D ± , wobei D := b2 + 4ac ∈ N 2a a kein Quadrat √ ist. Man nennt D die Diskriminante von x. Es ist also √ x = u + v D mit u, v ∈ Q; die zweite Lösung von (1) ist dann x0 = u − v D. Man nennt sie die zu x konjugierte quadratische Irrationalzahl. Sie hat offenbar die gleiche Diskriminante wie x. √ Sei umgekehrt y = u + √ v d mit rationalen Zahlen u, v und d ∈ Q kein Quadrat. Setze y 0 = u − v d. Dann ist yy 0 = u2 − v 2 d ∈ Q, y + y 0 = 2u ∈ Q, also ist (X − y)(X − y 0 ) = X 2 − (y + y 0 )X + yy 0 = 0 160 eine quadratische Gleichung mit rationalen Koeffizienten und den Lösungen y und y 0 . Es gilt also: √ Die quadratischen Irrationalzahlen sind die Zahlen der Form x = u + v d, wobei u, v ∈ Q, v 6∈ Q und d ∈ N √ kein Quadrat ist. Die zu x konjugierte quadratische Irrationalzahl ist u − v d. √ Sei nun d ∈ N kein Quadrat. Dann ist auch d 6∈ Q. Wir definieren √ √ K = Q[ d] = {u + v d | u, v ∈ Q} und √ √ R = Z[ d] = {u + v d | u, v ∈ Z} 1.2 Satz. √ a) K ist ein Q–Vektorraum mit Basis {1, d}. b) K ist ein Körper und R ist ein Ring. c) Die Konjugationsabbildung √ √ σ : K −→ K, u + v d 7−→ u − v d hat folgende Eigenschaften: σ(a) = a für alle a ∈ Q. σ(σ(x)) = x für alle x ∈ K und σ(r) ∈ R für alle r ∈ R. σ(x + y) = σ(x) + σ(y) und σ(x · y) = σ(x) · σ(y) für alle x, y ∈ K. σ(xn ) = σ(x)n für alle x ∈ K und n ∈ N. d) Für u,√ v, n ∈ N>0 ist√mit geeigneten √ũ, ṽ ∈ N>0 √ (u + v d)n = ũ + ṽ d und (u − v d)n = ũ − ṽ d Beweis. √ a) Offenbar ist K ein Q–Vektorraum, der von 1 und √ √ d erzeugt wird. 1 + d sind über Q linear unabhängig: Sei a · 1 + b d √ = 0 mit a, b ∈ Q. Aus b = 0 folgt a = 0. Wäre b 6= 0, so wäre d = − ab ∈ Q, Widerspruch. 161 b) Die Abgeschlossenheit gegenüber Addition und Negation ist für K und R klar. Abgeschlossenheit gegenüber der Multiplikation: Seien (a, b), (a0 b0 ) ∈ Q2 . Dann gilt √ √ √ (a + b d)(a0 + b0 d) = (aa0 + bb0 d) + (ab0 + a0 b) d ∈ K und die rechte Seite liegt in R, falls a, b, a, b0 ∈ Z. Also sind K und R Ringe. Für den Beweis von d) halten wir noch fest: (∗) Aus (a, b), (a0 , b0 ) ∈ N2>0 folgt aa0 + bb0 d, ab0 + a0 b ∈ N>0 . Für die Körpereigenschaft von K muß noch jedes x ∈ K\{0} invertier√ √ a) bar sein: x = a + b d 6= 0 =⇒ a 6= 0 oder b 6= 0, also auch a − b d 6= 0. √ √ Es folgt a2 − b2 d = (a + b d)(a − b d) 6= 0 und √ √ a b (a + b d) − d =1 a2 − b 2 d a2 − b 2 d √ c) Zur Basis B = {1, d} gehört der Basisisomorphismus √ a Φ : Q2 −→ K, 7−→ a + b d b 1 0 A= ist invertierbar mit A · A = E2 . Daher ist 0 −1 Φ−1 A Φ σ : K −→ Q2 −→ Q2 −→ K √ √ u u ein Isomorphismus, σ(u + v d) = Φ A =Φ =u−v d v −v √ √ √ und σ(σ(u + v d)) = σ(u − v d) = u + v d √ √ σ(u) = σ(u + 0 d) = u − 0 · d = u für alle u ∈ K. √ √ Falls r = u + v d ∈ R ist σ(r) = u + (−v) d ∈ R. Da σ ein Vektorraumisomorphismus ist, gilt σ(x + y) = σ(x) + σ(y) √ √ √ σ((u + v d)(u0 + v 0 d)) = (uu0 + vv 0 d) − (av 0 + u0 v) d √ √ √ (u − v d)(u0 − v 0 d) = (uu0 + vv 0 d) − (uv 0 + u0 v) d. Induktiv ergibt sich daraus σ(xn ) = σ(x)n . 162 d) Der erste√Teil folgt durch√Induktion aus (∗). Wegen σ((a + b d)n ) = σ(a + b d)n gilt auch der Rest. √ Die Körper der Gestalt K = Q[ d], wobei d ∈ N kein Quadrat ist, nennt man quadratische Zahlkörper. Halte d fest. Definition. Die Funktion N : K −→ Q, x 7−→ xσ(x) heißt Norm von K. √ Für x = a + b d ist also N (x) = a2 − b2 d(a, b ∈ Q). In Analogie zu Anhang A.3.2 zeigt man leicht 1.3 Eigenschaften der Norm. Für x, y ∈ K gilt: a) N (xy) = N (x)N (y); N (a) = a2 für a ∈ Q, (insbesondere ist N (−1) = N (1) = 1). b) Ist x 6= 0, so ist N (x) 6= 0 und x−1 = σ(x) . N (x) c) Ist x ∈ R, so ist N (x) ∈ Z. d) Sei R× die Einheitengruppe von R und x ∈ R. Genau dann ist x ∈ R× , wenn N (x) ∈ Z× = {±1}. e) G = {x | N (x) = 1} ist eine Untergruppe von R× mit (i) G = −G (ii) r−1 = σ(r) für alle r ∈ G Beweis. a) ergibt sich sofort aus 1.2. b) σ : K −→ K ist ein Isomorphismus von Q–Vektorräumen, also ist σ(x) 6= 0 und somit N (x) = xσ(x) 6= 0 für x = 6 0. σ(x) σ(x) Ferner ist N (x) ∈ K mit x N (x) = 1. c) ist klar nach dem Beweis von 1.2.c). 163 d) Ist x ∈ R× , so ist x−1 ∈ R× mit x−1 x = 1 und 1 = N (x−1 )N (x), wobei N (x), N (x−1 ) ∈ Z. Es folgt N (x) = ±1. Ist umgekehrt N (x) = ±1 und x ∈ R, so ist Nσ(x) = ±σ(x) ∈ R und x Nσ(x) = 1, also x ∈ R× . (x) (x) e) Nach a) ist G abgeschlossen unter der Multiplikation und Inversion und 1 ∈ G. Also ist G eine Untergruppe von R× . N (−x) = N (−1)N (x) = N (x) nach a), also ist G = −G. Ferner ist rσ(r) = N (r) = 1 für r ∈ G, d.h. r−1 = σ(r). Im Fall d = 2 gilt noch (1.4) Satz. √ a) {ε ∈ R× | ε > 1} = {(1 + 2)n | n ∈ N>0 } √ b) R× = {±(1 + 2)n | n ∈ Z} √ c) G = {±(3 + 2 2)n | n ∈ Z} Beweis. a) Zeige zunächst, daß √ 1 + 2 = Min{ε | ε ∈ R× und ε > 1} √ √ Beweis. N (1 + 2) = −1 =⇒ 1 + 2 ∈ R× √ Sei ε ∈ R× mit ε > 1. Zeige, daß ε ≥ 1 + 2. √ Schreibe ε = y + x 2 mit x, y ∈ Z : N (ε) = 2σ(ε) = ±1 nach 1.3. (∗) Aus |N (ε)| = 1 folgt ε · √ |σ(ε)| = 1 und |σ(ε)| = ε−1 < 1. Es folgt 2y = ε + σ(ε) > √0 und 2x 2 = ε − σ(ε) > 0, also x > 0 und y > 0 aus Z =⇒ ε ≥ 1 + 2. Sei nun ε ∈ R× , ε > 1. √ √ √ Wegen (1 + 2)n ≥ 1 + n 2 ist lim (1 + 2)n = ∞. Also gibt es genau n→∞ √ √ ein n ∈ N>0 mit (1 + 2)n−1 < ε < (1 + 2)n . Es folgt η := (1+√ε2)n−1 ∈ √ R× , denn R×√ist eine Gruppe, die ε und 1 + 2 enthält. Außerdem gilt 1 < η ≤ 1 + 2 nach Wahl von n. 164 Nach (∗) gilt aber auch η ≥ 1 + √ 2 und daher ε = (1 + √ 2)n . Umgekehrt ist für jedes n ≥ 1 √ √ (1 + 2)n > 1 und (1 + 2)n ∈ R× . b) Offenbar gilt für ε ∈ R× \{±1}. 0 < ε < 1 ⇐⇒ ε−1 > 1 −1 < ε < 0 ⇐⇒ 0 < −ε < 1 ⇐⇒ −ε−1 > 1 ε < −1 ⇐⇒ −ε > 1 Ist also H := {ε ∈ R× | ε > 1}, so ist√R× = {±1} ∪ H ∪ H −1 ∪ (−H) ∪ (−H −1 ) und nach a) gilt H = {(1 + 2)n | n ∈ N>0 }. Es folgt √ R× = {±(1 + 2)n | n ∈ Z} √ 2)n , n ∈ Z. Dann ist √ N (ε) = N (1 + 2)n = (−1)n = 1 genau dann, wenn n = 2m, m ∈ N. √ √ Ferner ist (1 + 2)2 = 3 + 2 2. Es folgt √ G = {ε ∈ R× | N (ε) = 1} = {±(3 + 2 2)m | m ∈ Z} c) Sei ε = ±(1 + 165 §2 Die Pell’sche Gleichung Sei d ∈ N>0 kein Quadrat. Dann nennt man Y 2 − dX 2 = 1 (∗) die zu d gehörige Pell’sche Gleichung. Die Lösungsmenge Hd := {(x, y) ∈ R2 | y 2 − dx2 = 1} der obigen Gleichung stellt eine Hyperbel in der Ebene R2 dar. Frage: Welche Gitterpunkte (x, y) ∈ Z2 liegen auf der Hyperbel Hd ? 2.1 Satz. Auf Hd liegen unendlich viele Gitterpunkte. Genauer gilt: Ist (x0 , y0 ) ∈ N2>0 der Gitterpunkte auf Hd mit der kleinsten positiven x–Koordinate, so ist √ √ Hd ∩ Z2 = {(x, y) ∈ Z2 | Es gibt ein n ∈ Z mit y + x d = ±(y0 + x0 d)n }. √ √ und Bemerkung. Sei N die Norm von K = Q[ d], R = Z[ d] √ G = {r ∈ R | N (r) = 1} (vgl. §1). Dann ist wegen N (y + x d) = y 2 − dx2 √ (x, y) ∈ Hd ∩ Z2 genau dann, wenn y + x d ∈ G. Es ist also zu zeigen, daß (1) √ G = {±(y0 + x0 d)n | n ∈ Z} wenn (x0 , y0 ) ∈ Hd ∩ N2>0 mit kleinster x–Koordinate ist. Im Fall d = 2 wurde dies im Satz 1.4 bereits bewiesen, wobei (x0 , y0 ) = (2, 3) war. Zum Beweis von (1) sind Zunächst werden wir √ einige Vorbereitungen nötig. 2 zeigen, daß es ein y + x d ∈ G gibt mit (x, y) ∈ N>0 . 2.2 Lemma. Die Ungleichung (2) √ 1 |Y − X d| < X hat unendlich viele Lösungen (x, y) ∈ N2>0 . 166 Für eine reelle Zahl r ≥ 0 bezeichnen wir mit brc den ganzen Anteil von r. Die ist die ganze Zahl, die bei der Dezimalbruchentwicklung von r vor dem Komma steht. √ Beweis von 2.2. Für x = 1 und y = b dc ist √ √ √ √ 1 |y − x d| = |b dc − d| < 1, d.h. |y − x d| < . x Damit hat (2) überhaupt eine Lösung in N2>0 . Behauptung. Zu jeder Lösung (x, y) ∈ N2>0 von (2) gibt es eine weitere Lösung (x0 , y 0 ) ∈ N2>0 von (2) mit √ √ |y 0 − x0 d| < |y − x d|. Damit erhält man wunschgemäß eine unendliche Folge von paarweise verschiedenen Lösungen von (2). √ √ Beweis der Behauptung. Wegen d 6∈ Q ist |y − x d| = 6 0 für alle 2 (x, y) ∈ N>0 . Also gibt es ein m ∈ N>0 mit √ 1 |y − x d| > . m (3) Konstruiere nun ein (x0 , y 0 ) ∈ N2>0 mit 1 m √ > |y 0 − x0 d|. Betrachte dazu die Menge √ √ √ M := {1, b dc, b2 d + 1c, . . . , bm dc + 1} √ von m + 1 positiven ganzen Zahlen. Für jede u = bλ dc + 1 ∈ M gilt √ 0 < u − λ d ≤ 1. Damit erhält man eine Abbildung √ √ √ ϕ : M −→ (0, 1], bλ dc + 1 7−→ bλ dc + 1 − λ d Zerlege (0, 1] in m halboffene Intervalle der Länge (0, 1] = (0, 1 . m 1 1 2 m−1 ] ∪ ( , ] ∪ ... ∪ ( , 1] m m m m 167 Weil M aus m + 1 Elementen besteht gibt es u1 < u2 in M , so daß ϕ(u1 ) und ϕ(u2 ) in das gleiche Intervall der Länge m1 fallen. Insbesondere ist dann |ϕ(u2 ) − ϕ(u1 )| < 1 m √ √ Es ist u1 = bλ1 dc + 1, u2 = bλ2 dc + 1 mit 0 ≤ λ1 < λ2 ≤ m. Es folgt √ √ √ 1 |(u2 −u1 )−(λ2 −λ1 ) d| = |(u2 −λ2 d)−(u1 −λ1 d)| = |ϕ(u2 )−ϕ(u1 )| < . m Setzt man y 0 = u2 − u1 und x0 = λ2 − λ1 , so erhält man √ 1 und 0 < x0 ≤ m |y 0 − x0 d| < m √ und (x0 , y 0 ) erfüllt die Bedingung |y 0 − x0 d| < m1 ≤ x10 . Ferner gilt nach Wahl von m wegen (3) √ √ 1 < |y − x d|, was zu beweisen war. |y 0 − x0 d| < m √ 2.3 Lemma. Es gibt ein k ∈ Z, 0 <| k| < 1 + 2 d, so daß die Gleichung (4) Y 2 − dX 2 = k in N2>0 unendlich viele Lösungen hat. √ Beweis. Nach 2.2 gibt es ein (x, y) ∈ N2>0 mit |y − x d| < x1 . Daraus ergibt sich die Beziehung √ √ √ √ |y + x d| = |y − x d + 2x d| < x1 + 2x d, also √ √ √ √ 0 < |y 2 − dx2 | = |y − x d||y + x d| < x12 + 2 d ≤ 1 + 2 d. Nach 2.2 gibt es dann sogar unendlich viele (x, y) ∈ N2>0 mit √ 0 < |y 2 − dx2 | < 1 + 2 d Bei der Abbildung ϕ : N2>0 −→ Z\{0}(x, y) 7−→ y 2 − dx2 168 √ √ werden also unendlich viele Punkte in das Intervall I = (−1 − 2 d, 1 + 2 d) abgebildet, welches aber nur endlich viele ganze Zahlen enthält. Also wird bei der Abbildung ϕ wenigstens ein Wert k ∈ I ∩ Z\{0} an unendlich vielen Stellen (x, y) ∈ N2>0 angenommen. Wir zeigen nun, daß die Gleichung Y 2 − dX 2 = 1 eine Lösung (x, y) ∈ N2>0 besitzt. Nach 2.3 gibt es ein k ∈ Z\{0}, so daß die Gleichung (4) in N2>0 unendlich viele Lösungen hat. Es gibt also insbesondere zwei Lösungen von (4) in N2>0 , so daß (x1 , y1 ) 6= (x2 , y2 ), x1 ≡ x2 mod k und y1 ≡ y2 mod k. Wir setzen y 1 x2 − y 2 x1 y1 y2 − dx1 y2 und x = . k k Dann gilt nach Wahl von (x1 , y1 ) und (x2 , y2 ) y= y1 y2 − dx1 x2 ≡ y12 − dx21 ≡ k ≡ 0 mod k und y1 x2 − y2 x1 ≡ y1 x1 − y1 x1 ≡ 0 mod k und somit (x, y) ∈ Z2 . Wir zeigen nun, daß x 6= 0, y 2 − dx2 = 1 und y 6= 0. Angenommen x = 0. Es folgt y1 x2 = y2 x1 , also y2 = Ferner ist x2 = k= x2 x. x1 1 y22 − x2 y. x1 1 Einsetzen in (4) ergibt dx22 = x2 x1 2 y12 − dx21 x2 = x1 2 k, d.h. x2 = x1 und damit auch y2 = y1 , Widerspruch. Aus k 2 (y 2 − dx2 ) = (y1 y2 − dx1 x2 )2 − d(y1 x2 − y2 x1 )2 = = (y12 − dx21 )(y22 − dx22 ) = k 2 folgt y 2 − dx2 = 1. Ferner ist y 2 = 1 + dx2 ≥ 1 und daher y 6= 0. Damit ist (|x|, |y|) ∈ N2>0 eine Lösung der Pell’schen Gleichung. Sei nun (x0 , y0 ) ∈ N2>0 die Lösungt der Pell’schen Gleichung mit kleinster x–Koordinate. Wie schon ausgeführt wurde, ist zu zeigen, daß √ G = Γ := {±(y0 + x0 d)n | n ∈ Z} 169 √ Wegen N (y0 + x0 d) = y02 − x20 d = 1 ist Γ ⊆ G ⊆ R× . Offenbar ist Γ wie G eine Untergruppe von R× , also Γ = Γ−1 , und es gilt Γ = −Γ und G = −G. Zeige zunächst, daß G+ := {r ∈ G | r > 1} ⊆ Γ (5) −1 Dann ist auch G = {1} ∪ G + ∪ − G+√ ∪ G−1 + ∪ −G+ ⊆ Γ. Zum Beweis von (5) zeigen wir zuerst, daß ε := y0 + x0 d = Min G+ . √ Sei dazu r = y + x d ∈ G+ , r 6= ε. Angenommen r < ε. Aus rσ(r) = 1 folgt 1 > σ(r) > 0, d.h. √ √ 1 > y − x d > 0 und 2y = r + σ(r) > 1, 2x d = r − σ(r) > 0. Es folgt y > 0 und x > 0. Nach Wahl von x0 ist daher x ≥ x0 . Aus r < ε und x ≥ x0 folgt y < y0 und daher p p y2 − 1 y02 − 1 √ √ < = x0 , Widerspruch. x= d d √ √ √ Sei nun y + x d ∈ G+ , y + x d 6= ε. Wie gesehen y + x d > ε. Wegen ε > 1 ist lim εn = ∞. Es gibt also genau ein n ∈ N>0 mit n→∞ √ εn−1 < y + d ≤ εn . √ Da G eine Gruppe ist und {ε, y + x d} ⊆ G}, ist auch η = (6) √ y+x d n−1 ε ∈ G. Aus (6) folgt 1 < η ≤ ε und η ∈ G+ . Daher ist auch η ≥ ε = Min G+ , d.h. η = ε und √ y + x d = εn . Wir wollen noch sehen, wie man rekursiv von (x0 , y0 ) ausgehend alle Gitterpunkte auf Hd berechnet. Dabei kann man sich aus Symmetriegründen auf den ersten Quadranten beschränken. Wähle yn , xn ∈ N>0 so, daß √ √ yn + xn d = (y0 + x0 d)n+1 170 (n ∈ N). Nach 2.1 ist dann Hd ∩ N2>0 = {(xn , yn ) | n ∈ N}. √ √ Wegen yn − xn d = (y0 − x0 d)n+1 ergibt sich xn = yn = √ √ (y0 +x0 d)n+1 −(y0 −x0 d)n+1 √ 2 d √ √ (y0 +x0 d)n+1 +(y0 −x0 d)n+1 2 und für alle n ∈ N 2.4 Korollar. Die positiven Gitterpunkte (xn , yn ), n ∈ N auf Hd berechen sich rekursiv aus (x0 , y0 ) mit den Formeln xn = yn−1 x0 + xn−1 y0 yn = yn−1 y0 + dxn−1 x0 für alle n ≥ 1 Beweis. yn−1 x0 + xn−1 y0 = √ √ √ √ √ √ (y0 + x0 d)n x0 d + (y0 − x0 d)n x0 d + (y0 + x0 d)n y0 − (y0 − x0 d)n y0 √ = 2 d √ √ √ √ (y0 + x0 d)n (y0 + x0 d) − (y0 − x0 d)n (y0 − x0 d) √ = xn = 2 d Der Beweis der zweiten Formel verläuft analog. Zum Schluß wollen wir noch zeigen, wie man im Fall einer Primzahl der Form d = m2 + 1, m ∈ N die kleinste positive ganze Lösung der Pell’schen Gleichung berechnet. 2.5 Satz. Ist d = m2 + 1 eine Primzahl, m ∈ N, so ist (2m, 2m2 + 1) die kleinste positve Lösung der Pell’schen Gleichung Y 2 − dX 2 = 1. Beweis. (2m, 2m2 + 1) ist offenbar eine Lösung. Sei (x, y) ∈ N2>0 eine beliebige Lösung. Dann ist x2 (m2 + 1) = y 2 − 1 = (y − 1)(y + 1). Da nun m2 + 1 eine Primzahl ist, folgt m2 + 1 | y + 1 oder m2 + 1 | y − 1. 1. Fall. Ist m2 + 1 = y + 1 oder m2 + 1 = y − 1, so ist 171 x2 = m2 − 1 oder x2 = m2 + 3. Es folgt (m − x)(m + x) = 1 oder (x − m)(x + m) = 3. Dies ist nur möglich, wenn m = 1, x = 2 und y = 3 gilt. 2. Fall. m2 + 1 k y − 1 oder m2 + 1 k y + 1. Es folgt y + 1 ≥ 2(m2 + 1) und daher x2 (m2 + 1) = (y + 1)(y − 1) ≥ ≥ 2(m2 + 1)(2(m2 + 1) − 2) = 4(m2 + 1)m2 . Kürzen ergibt x2 ≥ 4m2 und x ≥ 2m. 172 §3 Anwendungen der Pell’schen Gleichung A. Quadrat- und Dreieckszahlen. Quadratzahlen: • 1 •• •• 4 ••• ••• ••• 9 • • •• • • •• • • •• • • •• 16 ••••• ••••• ••••• ••••• ••••• 25 • •• ••• • • •• 10 • •• ••• • • •• ••••• 15 • • • • •• • • • • •• • • • • •• • • • • •• • • • • •• • • • • •• 36 Dreieckszahlen: • 1 • •• 3 • •• ••• • • •• ••••• • • • • •• 21 • •• ••• 6 • •• ••• • • •• ••••• • • • • •• ••••••• 28 • •• ••• • • •• ••••• • • • • •• ••••••• • • • • • • •• 36 Dabei sind 1 und 36 sowohl Quadrat- als auch Dreieckszahlen. Frage: Wie kann man alle natürlichen Zahlen bestimmen, die sowohl Quadratals auch Dreieckszahlen sind? Gibt es davon unendlich viele? 173 Ist w ∈ N>0 eine Quadrat- und Dreieckszahl, so gibt es natürliche Zahlen m und n mit w = m2 = (1) n(n + 1) (= 1 + 2 + . . . + n) 2 Setze x := 2m und y = 2n + 1. Aus x und y berechnen sich n und m als n = y−1 und m = x2 . 2 Aus (1) folgt x2 4 = y−1 y+1 1 · 2 · 2, 2 d.h. x und y genügen der Pell’schen Gleichung. Y 2 − 2x2 = 1 (2) Ist also w = m2 n(n+1) mit m, n ∈ N>0 , so ist (x, y) = (2m, 2n + 1) ein 2 Gitterpunkt auf der Hyperbel H2 : Y 2 − 2X 2 = 1 im positiven Quadranten. Sei umgekehrt (x, y) ∈ H2 ∩ N2>0 . Dann gilt 2x2 = y 2 − 1 = (y + 1)(y − 1). Insbesondere ist y ungerade und x gerade und y > 1. Setze m := x 2 und n := y−1 . 2 Dann sind m, n ∈ N>0 und m2 = x2 y2 − 1 y+1y−1 1 1 = = · = (n + 1)n · . 4 8 2 2 2 2 2 Damit ist x4 eine Quadrat- und Dreieckszahl, wobei x2 die Kantenlänge des die Kantenlänge des zugehörigen Dreiecks ist. zugehörigen Quadrats und y−1 2 Wir fassen das bisher gesehene zusammen. 3.1 Satz. Die Quadrat- und Dreieckszahlen aus N>0 entsprechen eineindeutig den positiven Gitterpunkten auf der Hyperbel H2 : Y 2 − 2X 2 = 1. Genauer gilt: a) Ist w = m2 = n(n+1) eine Quadrat- und Dreieckszahl, so ist 2 (2m, 2n + 1) ∈ H2 . b) Ist (x, y) ∈ H2 ∩ N2>0 , so sind die Zahlen m = x2 und n = y−1 ganz und 2 n(n+1) 2 w = m = 2 ist die zugehörige Quadrat- und Dreieckszahl. 174 Wir wenden Korollar 2.4 im Fall d = 2 an und erhalten 3.2 Korollar. Die Gitterpunkte H2 ∩ N2>0 ergeben sich rekursiv aus x0 = 2, y0 = 3 mit den Formeln xn = 2yn−1 + 3xn−1 ; yn = 3yn−1 + 4xn−1 für alle n ≥ 1. Aus 3.1 und 3.2 ergeben sich schließlich Rekursionsformeln für die Quadratund Dreieckszahlen. 3.3 Korollar. Ordnet man die Quadrat- und Dreieckszahlen zn = qn2 = dn (d2n+1 ) nach ihrer Größe, so gilt für die Kantenlängen qn bzw. dn der zugehörigen Quadrate bzw. Dreiecke q0 = d0 = z0 = 1 qn = 2dn−1 + 3qn−1 + 1 ; dn = 3dn−1 + 4qn−1 + 1 für alle n ≥ 1 Man erhält also q1 = 2 + 3 + 1 = 6 ; d1 = 3 + 4 + 1 = 8, z1 = 36 q2 = 16 + 18 + 1 = 35 ; d2 = 24 + 24 + 1 = 49, z2 = 1225 q3 = 98 + 105 + 1 = 204 ; d3 = 147 + 140 + 1 = 288, z3 = 41616 usw. Beweis. Nach 3.1 sind die Zahlen zn = Dreieckszahlen und es gilt qn = dn = xn 2 yn −1 2 = = x2n ,n 4 = 0, 1, 2, . . . die Quadrat- und Kantenlänge des Quadrats und Kantenlänge des Dreiecks. Setzt man die Formeln aus 3.2 ein, so ergibt sich x2 z0 = 40 = 1, q0 = x20 = 1, d0 = y02−1 = 1 und qn = x2n = yn−1 + 23 xn−1 = 2dn−1 + 1 + 3qn−1 , dn = yn2−1 = 23 yn−1 + 2xn−1 − 12 = 32 (2dn−1 + 1) + 4qn−1 − = 3dn−1 + 4qn−1 + 1 für n ≥ 1 1 2 = B. Ein kombinatorisches Problem. Eine Urne enhalte q ≥ 2 Kugeln; davon seien r Kugeln rot und die übrigen schwarz. Frage: Wie müssen die Zahlen q und r gewählt sein, damit gilt: 175 (1) Die Wahrscheinlichkeit dafür, daß zwei Kugeln, die ohne Zurücklegen gezogen werden, beide rot sind, ist 12 . 3.4 Satz. Aussage (1) gilt genau dann, wenn gilt: q(q − 1) = 2r(r − 1) (2) q Beweis. Es gibt verschiedene Stichproben der Ordnung 2. Davon beste2 r hen aus zwei roten Kugeln. Also gilt (1) genau dann, wenn 2 q r =2 , d.h. wenn q(q − 1) = 2r(r − 1). 2 2 Zusammenhang mit der Pell’schen Gleichung. Wir betrachten anstelle der gewöhnlichen Pell’schen Gleichung Y 2 − 2X 2 = +1 die Gleichung Y 2 − 2X 2 = −1 ; H̃2 : Y 2 − 2X 2 = −1 (3) 3.5 Satz. Seien q und r positive ganze Zahlen. Genau dann erfüllen q und r die Bedingung (2), wenn (x, y) = (2q − 1, 2r − 1) die Gleichung (3) löst. Beweis. Seien x, y ∈ N>0 mit y 2 − 2x2 = −1. Wegen y 2 = 2x2 − 1 ist y ungerade. Es folgt y 2 ≡ 1 mod 4 und daher 2x2 = y 2 + 1 ≡ 2 mod 4. Also ist auch x ungerade. Schreibe daher x und y in der Form y = 2q − 1 und x = 2r − 1 mit q, r ∈ N>0 . Aus y 2 = 2x2 − 1 folgt (2q − 1)2 = 2(2r − 1)2 − 1, d.h. q(q − 1) = 2r(r − 1). Seien umgekehrt q, r ∈ N>0 mit q(q − 1) = 2r(r − 1). Setze y = 2q − 1 und x = 2r − 1. Dann gilt y 2 − 2x2 = 4q 2 − 4q + 1 − 8r2 + 8r − 2 = −1. Damit ist gezeigt: 176 3.6 Korollar. Genau dann erfüllt das Zahlenpaar (q, r) die Bedingung (1), wenn (x, y) = (2q − 1, 2r − 1) die Gleichung Y 2 − 2X 2 = −1 löst. √ √ Sei nun wieder K = Q[ 2], R = Z[ 2] und N die Norm von K, d.h. √ N (y + x d) = y 2 − 2x2 , wenn (x, y) ∈ Q2 . Es gilt also: √ (x, y) ∈ N2>0 löst (3) genau dann, wenn N (y + x d) = −1. √ Insbesondere ist dann y + x d ∈ R× . √ Nach 1.4 gilt R× = {±(1 + 2)n | n ∈ Z} und √ N (1 + 2) = −1. Es folgt √ √ √ (4) {y + x d | (x, y) ∈ N2>0 , N (y + x d) = −1} = {(1 + 2)2n+1 | n ∈ N} 3.7 Korollar. Die Menge aller (q, r) ∈ N2>0 mit q ≥ 2 und q(q−1) = 2r(r−1) erhält man mit der Formel m q 3 4 1/2 1/2 = + , m ∈ N>0 . r 2 3 1/2 1/2 Beweis. Nach 3.5 gilt {(q, r) ∈ N2>0 | q(q − 1) = 2r(r − 1)} = {( x+1 y−1 , ) | x, y ∈ H̃2 ∩ N2>0 } 2 2 √ Nach (4) ist H̃2 ∩ N2>0 = {(1 + 2)2m+1 | m ∈ N}. √ √ Nun ist (1 + 2)2 = 3 + 2 2 und daher √ √ √ (1 + 2)2m+1 = (3 + 2 2)m (1 + 2) 3.8 Lemma. Für u, v, x, y ∈ R gilt: √ √ √ y 3 4 v = genau dann wenn (3 + 2 2)(v + u 2) = y + x 2 x 2 3 u Beweis. Es ist 3 4 2 3 v 3v + 4u = und u 2v + 3u 177 √ √ √ (3 + 2 2)(v + u √2) = (3v + 4u) + (2v + 3u) 2. Aus der linearen Unabhängigkeit von 1 und 2 über Q folgt die Behauptung. Aus 3.8 ergibt sich rekursiv √ √ y + x 2 = (1 + 2)2m+1 ⇐⇒ m y 3 4 1 = x 2 3 1 Zurück zum Beweis von 3.7. Wie gesehen durchläuft (q, r) die Paare √ √ x+1 x+1 y−1 , ≥2 mit y + x 2 = (1 + 2)2m+1 , m ∈ N≥0 , q = 2 2 2 q 1 m=0: = was nicht zugelassen ist. r 1 m ≥ 1 : Wie gesehen ist m q y 1/2 3 4 1 1/2 1 1 = 2 + =2 + = r x 1/2 2 3 1 1/2 m 3 4 1/2 1/2 = + ; offenbar ist dann q ≥ 2 2 3 1/2 1/2 Für kleine m ergibt sich: Probe: 3 2 Probe: Probe: 3 4 1/2 1/2 4 + = also q = 4, r = 3 2 3 1/2 1/2 3 4 3 = 6, =3 2 2 4 7/2 1/2 41/2 1/2 21 + = + = ; q = 21, r = 15 3 5/2 1/2 29/2 1/2 15 21 15 = 210, = 105 2 2 3 4 41/2 1/2 120 + = ; q = 120, r = 85 2 3 29/2 1/2 85 120 85 = 7140; = 3570 2 2 178 §4 Kettenbrüche In Kapitel III, 6.6 haben wir gesehen, daß sich jede reelle Zahl x als Grenzwert einer Folge (rn ) rationaler Zahlen schreiben läßt. Für Zahlen x > 1 gibt es eine kanonische Wahl für diese Folge, die sogenannte Kettenbruchentwicklung von x. An ihr läßt sich ablesen, ob es sich bei x um eine quadratische Irrationalzahl handelt oder nicht. Definition. Seien x1 , . . . , xn positive reelle Zahlen, n ≥ 1. Der zu (x1 , . . . , xn ) gehörige Kettenbruch < x1 , . . . , xn > ist rekursiv erklärt als < x1 >:= x1 < x1 , x2 >:= x1 + x12 < x1 , x2 , x2 >:= x1 + .. . 1 <x2 ,x3 > < x1 , . . . , xn >:= x1 + =< x1 , < x2 , x3 >> 1 <x2 ,...,xn > =< x1 , < x2 , . . . , , xn >> (n ≥ 3) Beispiel. < 1, 2, 3, 4 >=< 1, < 2, 3, 4 >>= 1 + =1+ (n = 1) (n = 2) (n = 3) 1 <2,3,4> = 1 1 43 1 1 =1+ =1+ =1+ 1 1 4 = < 2, < 3, 4 >> 30 2 + <3,4> 2 + 3+ 1 2 + 13 4 4.1 Bemerkung. Für n ≥ 3 gilt < x1 , . . . , xn >=< x1 , . . . , xn−2 , < xn−1 , xn >>. Beweis. n = 3 :< x1 , x2 , x3 >=< x1 , < x2 , x3 >> gilt definitionsgemäß . Schluß von n − 1 auf n. Sei n ≥ 4 und 4.1 bewiesen für n − 1: < x1 , . . . , xn > Def. = Def. = I.V. < x1 , < x2 , . . . , xn >> = < x1 , < x2 , . . . , xn−2 , < xn−1 , xn >>>= < x1 , x2 , . . . , xn−2 , < xn−1 , xn > . Offenbar gilt für a1 , . . . , an ∈ N>0 :< a1 >= a1 und für n ≥ 2 ist 1 < a1 , . . . , an >= a1 + <a2 ,...,a ∈ Q (Induktion nach n) und n> < a1 , . . . , an >> 1. Es gilt auch umgekehrt 4.2 Satz. Jedes x ∈ Q, x ≥ 1 besitzt eine endliche Kettenbruchentwicklung x =< a1 , . . . , an > mit ai ∈ N>0 . Eine reelle Zahl x ≥ 1 hat somit genau dann 179 eine endliche Kettenbruchentwicklung x =< a1 , . . . , an > mit a1 , . . . , an ∈ N>0 , wenn x rational ist. Beweis. 1 =< 1 >, wir können also x > 1 annehmen. Schreibe x in gekürzter Darstellung x= y0 mit ggT (y0 , y1 ) = 1 und y0 , y1 ∈ N>0 . y1 Schließe induktiv nach y1 . Für y1 = 1 ist x ∈ N und x =< x >. Sei y1 > 1 und 4.2 bewiesen für alle reellen Zahlen > 1 mit einem Nenner < y1 . Dividiere y0 durch y1 mit Rest und erhalte y0 = a1 y1 + y2 mit a1 > 0, 0 < y2 < y1 , also y2 y1 y0 x = = a1 + und >1 y1 y1 y2 Nach Induktionsvoraussetzung besitzt x2 = yy12 eine endliche Kettenbruchentwicklung x2 =< a2 , . . . , an >, i ∈ N>0 . Es folgt x = a1 + 1 y2 = a1 + =< a1 , x2 >=< a1 , < a2 , . . . , an >>=< a1 , . . . , an > . y1 x2 Anmerkung zu 4.2. Der euklidische Algorithmus für das Paar (y0 , y1 ) liefert die Zahlen a1 , . . . , an mit x =< a1 , . . . , an >: y0 = a1 y1 + y2 y1 = a2 y2 + y3 .. . , 0 < y2 < y1 , 0 < y3 < y2 yn−2 = an−1 yn−1 + yn , 0 < yn < yn−1 yn−1 = an yn wobei ai ∈ N>0 , i = 1, . . . , n. Man schließt induktiv: y0 =< a1 , . . . , an > y1 Konstruktion der Kettenbruchentwicklung einer irrationalen Zahl. Für x ∈ R, x ≥ 0 bezeichne bxc den ganzen Anteil von x. Sei nun x ∈ R\Q, x > 1. 180 1. Schritt. Setze a1 := bxc und x1 := x. Nach Voraussetzung ist 0 < x − a1 < 1, d.h. x2 := 1 x−a1 > 1 und x2 6∈ Q, und daher x = a1 + 1 =< a1 , x2 > . x2 Man kann wegen x2 > 1, x2 6∈ Q, das Verfahren mit x2 fortsetzen. 2. Schritt. Setze a2 := bx2 c und x3 := x 2 = a2 + 1 . x2 −a2 Dann ist 1 =< a2 , x3 > und x3 x =< a1 , x2 >=< a1 , < a2 , x3 >>=< a1 , a2 , x3 >, x3 > 1, x3 6∈ Q. Fahre so fort: Seien a1 , . . . , an−1 ∈ Q>0 und x1 , . . . , xn ∈ N\Q, xj > 1 schon konstruiert. Schritt von n − 1 auf n. Setze an := bxn c und xn+1 := 1 . xn −an Dann ist xn+1 > 1, xn+1 6∈ Q und (1) x n = an + 1 xn+1 =< an , xn+1 > . Damit sind ai und xi für alle i ∈ N>0 rekursiv definiert und xi > 1, x1 ∈ R\Q, ai ∈ N>0 . Ferner gilt (2) x =< a1 , . . . , an , xn+1 > für alle n ∈ N>0 . Beweis. (2) gilt nach Schritt 1 für n = 1. 4.2 Schluß von n auf n + 1 :< a1 , . . . , an , an+1 , xn+2 > = I.V. < a1 , . . . , an , < an+1 , xn+2 >>< a1 , . . . an , xn+1 > = x Definition. Die rationale Zahl rn :=< a1 , . . . , an >, n ≥ 1 heißt der n–te Näherungsbruch und xn die n–te Restzahl von x. Offenbar gilt: < ak , . . . , ak+n−1 > ist der n–te Näherungsbruch von xk und xk+n−1 ist die n–te Restzahl von xk . 4.3 Satz. Die Folge (rn ) konvergiert gegen x. 181 4.4 Lemma. Sei (a1 , . . . , an ) ∈ Qn>0 beliebig vorgegeben. Setze rn :=< a1 , . . . , an > und definiere rekursiv: p0 = 1, p1 = a1 , pi = ai pi−1 + pi−2 für 2 ≤ i ≤ n. Dann gilt q0 = 0, q1 = 1, qi = ai qi−1 + qi−2 (3) rn = pn . qn Beweis von 4.4. (Induktion nach n.) n ≤ 2: r1 =< a1 >= p1 p2 a2 p 1 + 1 1 ; = =< a1 , a2 >= r2 = a1 + q1 q2 a2 · 1 + 0 a2 Sei n ≥ 3 und 4.4 bewiesen für n − 1. Insbesondere gilt 4.4 für das (n − 1)– tupel (a1 , . . . , an−2 , < an−1 , an >>. Es folgt < an−1 , an > pn−2 + pn−3 = < an−1 , an > qn−2 + qn−3 an−1 pn−2 + pn−3 + a1n pn−2 = = an−1 qn−2 + qn−3 + a1n qn−2 < a1 , . . . , an−2 , < an−1 , an >> = (an−1 + (an−1 + 1 )pn−2 an 1 )q an n−2 + pn−3 pn−1 + 1 p an n−2 1 q an n−2 qn−1 + + qn−3 an pn−1 + pn−2 pn = an qn−1 + qn−2 qn = Ferner gilt nach 4.1 < a1 , . . . , an >=< a1 , . . . , an−2 , < an−1 , an >>. Beweis von 4.3. Seien pn und qn wie in 4.4. Behauptung. Für alle n ∈ N>0 ist (4) x= pn xn+1 + pn−1 qn xn+1 + qn−1 Beweis. (Induktion) n = 1: p 1 x2 + p 0 a1 x 2 + 1 1 (2) = = a1 + =< a1 , x2 > = x q 1 x2 + q 0 x2 x2 Schluß von n − 1 auf n, n ≥ 2 : xn+1 = 1 xn −an , also pn + (xn − an )pn−1 an pn−1 + pn−2 + xn pn−1 − an pn−1 = = x n − an x n − an pn−1 xn + pn−2 = x n − an pn xn+1 + pn−1 = 182 Analog zeigt man: qn xn+1 + qn−1 = qn−1 xn +qn−2 . xn −an Es folgt pn xn+1 + pn−1 pn−1 xn + pn−2 I.V. = = x qn xn+1 + qn−1 qn−1 xn + qn−2 Behauptung. Für alle n ≥ 1 ist pn−1 qn − qn−1 pn = (−1)n−1 (5) Beweis. (Induktion) n = 1 : p0 q1 − q0 p1 = 1 · 1 − 0 · a1 = 1 = (−1)0 . Schluß von n − 1 auf n, n ≥ 2: pn−1 qn − qn−1 pn = pn−1 (an qn−1 + qn−2 ) − qn−1 (an pn−1 + pn−2 ) = I.V. = pn−1 qn−2 − qn−1 pn−2 = (−1)(pn−2 qn−1 − qn−2 pn−1 ) = (−1)n−1 Daraus folgt schließlich (4) (pn xn+1 + pn−1 )qn − (qn xn+1 + qn−1 )pn p n x − = = qn qn (qn xn+1 + qn−1 ) pn−1 qn − qn−1 pn (5) 1 1 qn (qn xn+1 + qn−1 ) = (qn xn+1 + qn−1 )qn < q 2 n Wegen qn −→ ∞ für n −→ ∞ ist lim rn = lim pqnn = x. n−→∞ 1 2 qn eine Nullfolge und n→∞ Schreibe für diese Tatsache auch x = lim < a1 , . . . , an > oder x =< a1 , a2 , a3 , . . . > . n−→∞ 183 §5 Periodische Kettenbrüche und quadratische Irrationalzahlen Wir werden sehen, daß die Kettenbruchentwicklung einer irrationalen Zahl x > 1 genau dann periodisch ist, wenn x eine quadratische Irrationalzahl ist. Sei also x ∈ R\Q, x > 1 und x = lim < a1 , . . . , an > die Kettenbruchentx→∞ wicklung von x. Definition. x =< a1 , a2 , a3 , . . . > heißt periodischer Kettenbruch, wenn es ein n0 ∈ N>0 und ein k ∈ N>0 , gibt, so daß an = an+k für alle n ≥ n0 . k heißt Periode von x. Schreibe in diesem Fall x =< a1 , . . . , an0 −1 , an0 , . . . , an0 +k−1 > Spezialfall. Sei x periodisch mit n0 = 1, also x =< a1 , . . . , ak > . Dann nennt man x auch rein periodisch. Nach Definition der Restzahlen gilt für alle l ∈ N>0 . xl =< al , al+1 , . . . >, insbesondere für l = k + 1 xk+1 =< ak+1 , ak+2 , . . . >=< a1 , a2 , . . . >= x Aus §4, (4) ergibt sich also im rein periodischen Fall x= pk x + pk−1 , d.h. qk x + qk−1 qk x2 + (qk−1 − pk )x − pk−1 = 0 Fazit. Hat x eine rein periodische Kettenbruchentwicklung, so ist x eine quadratische Irrationalzahl. Sei (6) aX 2 − bX − c = 0 die normierte Gleichung von x, d.h. (7) {a, b, c} ⊆ Z, a > 0 und ggT (a, b, c) = 1 184 Definitionsgemäß ist D := b2 + 4ac die Diskriminante von x. √ b ± aD und D > 0. Die Lösungen von (6) sind dann 2a √ Es ist also√x = u + v D mit u, v ∈ Q, und die zweite Lösung von (6) ist x0 = u − v D, die zu x konjugierte quadratische Irrationalzahl. Allgemeiner Fall. Sei nun x > 1 periodisch, aber nicht rein periodisch: x =< a1 , . . . , an0 −1 , an0 , . . . , an0 +k−1 >, n0 ≥ 2 Dann ist xn0 =< an0 , . . . , an0 +k−1 > rein periodisch, also nach dem Spezialfall eine quadratische Irrationalzahl. Es gilt: (∗) x = x1 , x1 = a1 + 1 1 , . . . , xi−1 = ai−1 + , . . . x2 xi Behauptung. Die Zahl x ist ebenfalls eine quadratische Irrationalzahl und sie hat die gleiche Diskriminante wie xn0 . Wegen (∗) folgt dies sofort aus 5.1 Lemma. Sei y = α + 1 x mit α ∈ Z und x ∈ R\{0}. a) Genau dann ist x eine quadratische Irrationalzahl, wenn dies für y zutrifft. b) Ist x eine quadratische Irrationalzahl und x0 konjugiert zu x, so ist auch α + x10 konjugiert zu α + x1 . c) Ist x eine quadratische Irrationalzahl, so haben x und y die gleiche Diskriminante. Beweis. Sei (a, b, c) wie in (7). Es gilt 1 1 az 2 − bz − c = 0 ⇐⇒ c( )2 + b( ) − a = 0 z z Damit ist a) und b) im Fall α = 0 gezeigt. Ferner ist 1 D( ) = (−b)2 + 4ca = b2 + 4ca = b2 + 4ac = D(x). x Es ist also noch zu zeigen: Ist x eine quadratische Irrationalzahl, so gilt: 185 i) x + α ist eine quadratische Irrationalzahl. ii) Ist x0 konjugiert zu x, so ist x0 + α konjugiert zu x + α. iii) D(x) = D(x + α) i) und ii) wurden bereits im §1 gezeigt. Sei (6) die normierte Gleichung von x. Dann ist x + α eine Nullstelle des Polynoms. a(X − α)2 − b(X − α) − c = aX 2 − (b + 2aα)X − (c − bα − aα2 ) Es ist ggT (a, b + 2aα, c − bα − aα2 ) = ggT (a, b, c) = 1, also D(x + α) = (b + 2aα)2 + 4a(c − bα − aα2 ) = b2 + 4ac = D(x). Damit gilt auch iii). Fazit. Hat x ∈ R, x > 1 eine periodische Kettenbruchentwicklung, so ist x eine quadratische Irrationalzahl. Davon gilt auch die Umkehrung, man hat also 5.2 Satz. (Euler, Lagrange) Sei x ∈ R\Q, x > 1. Genau dann hat x eine periodische Kettenbruchentwicklung, wenn x eine quadratische Irrationalzahl ist. Beweis. Sei x > 1 eine quadratische Irrationalzahl. Wir werden zeigen, daß x ein periodischer Kettenbruch ist. Dazu sind einige Vorbereitungen nötig. Definition. x heißt reduziert, falls für die zu x konjugierte Zahl x0 gilt: 0 > x0 > −1. 5.3 Lemma. Sei D > 0 eine ganze Zahl, die kein Quadrat ist. Dann gibt es nur endlich viele reduzierte quadratische Irrationalzahlen mit Diskriminante D. Beweis. Sei x > 1 eine quadratische Irrationalzahl mit Diskriminante D und √ D b 0 normierter Gleichung (6). Da x > 1 ist und 0 > x > −1, muß x = + 2a 2a √ b und x0 = 2a − 2aD sein. Es folgt 0 < −x0 = √ −b+ D 2a < 1, also √ b = x + x0 > 1 − 1 = 0, also b > 0 und b < D wegen x0 < 0. a 186 Es folgt 0 < b < √ D. Damit kann b bei vorgegebenem D nur endlich viele verschiedene ganzzahlige Werte annehmen. Wegen −x0 < 1 < x gilt √ √ b+ D −b + D <a< 2 2 Also gibt es bei vorgegebenen b und D auch für a nur endlich viele Möglichkeiten. 2 durch die Vorgabe von a, b und D schon festgelegt. Schließlich ist c = D−b 4a Insgesamt haben wir gesehen: Ist D vorgegeben, so gibt es für a, b und c in einer normierten Gleichung (6) nur endlich viele Möglichkeiten, wenn ihre Lösung x > 1 eine reduzierte quadratische Irrationalzahl werden soll. Eigentlicher Beweis von 5.2. Sei x > 1 eine quadratische Irrationalzahl und x =< a1 , a2 , . . . > ihre Kettenbruchentwicklung. 1 Für ihre Restzahlen gilt: x = x1 und xn = an + xn+1 . Nach 3.5 ist mit x auch xn eine quadratische Irrationalzahl, und zwar mit der gleichen Diskriminante wie x. Ferner besteht zwischen den Konjugierten x0n und x0n+1 ebenfalls die Beziehung x0n = an + x0n+1 = x0n 1 x0n+1 und damit auch 1 für alle n ∈ N>0 − an Behauptung. Für alle n ≥ 2 gilt −x0n = (8) qn−2 x0 − pn−2 qn−1 x0 − pn−1 Beweis. (Induktion.) x = x1 =⇒ x0 = x01 =⇒ x02 = 1 x0 −a1 = q0 x0 −p0 p1 −q1 x0 Schluß von n auf n + 1, n ≥ 2 : x0n+1 = 1 I.V. = x0n − an 1 qn−2 x0 −p 187 n−2 −an pn−1 +an qn−1 x −qn−1 x0 +pn−1 0 = = −qn−1 x0 + pn−1 qn−1 x0 − pn−1 = − qn x 0 − p n q n x0 − p n Aus (8) ergibt sich nun − 1 x0n = (5) = qn−1 qn−2 x0 − pn−1 qn−2 1 qn−1 x0 − pn−1 = · = 0 0 qn−2 x − pn−2 qn−2 x − pn−2 qn−2 (qn−1 qn−2 x0 − qn−1 pn−2 ) − (−1)n−1 1 1 · = 0 qn−2 x − pn−2 qn−2 qn−2 pn−2 n→∞ qn−2 Nach 4.3 ist lim (−1)n−1 qn−1 − n−2 ) qn−2 (x0 − pqn−2 = x und es ist x 6= x0 wegen D 6= 0. Ferner ist qn−1 − qn−2 ≥ qn−3 ≥ 1 für n ≥ 4. Für große n gilt also 1 1 − 0 −1= xn qn−2 (−1)n−2 qn−1 − qn−2 − 0 pn−2 (x − qn−2 )qn−2 denn dann ist qn−2 > 0, qn−1 − qn−2 ≥ 1 und (−1)n−1 p (x0 − qn−2 )qn−2 n−2 ! >0 ist eine Nullfolge. Somit ist − x10 > 1 für große n, d.h. −1 < x0n < 0. n M. a. W.: Für große n ist xn eine reduzierte quadratische Irrationalzahl mit Diskriminante D. Da es davon nach 5.3 aber nur endlich viele gibt, gibt es positive ganze Zahlen i0 und l mit xi0 = xi0 +l . Es folgt < ai0 , ai0 +1 , . . . >= xi0 = xi0 +l =< ai0 +l , ai0 +l+1 , . . . > Für alle i ≥ i0 ist also ai = ai+l , d.h.: Die Zahl x =< a1 , . . . , ai0 , ai0 , . . . , ai0 +l−1 > ist ein periodischer Kettenbruch. 188 !