Wissensrepräsentation und -verarbeitung Prof. Dr. Sibylle Schwarz HTWK Leipzig, Fakultät IMN Gustav-Freytag-Str. 42a, 04277 Leipzig Zimmer Z 411 (Zuse-Bau) http://www.imn.htwk-leipzig.de/~schwarz [email protected] Sommersemester 2017 1 Motivation Wie wird Wissen I repräsentiert? I verarbeitet? I erworben? I ausgetauscht? Wissen über I Eigenschaften und Beziehungen von Objekten und Gruppen von Objekten I Aktionsmöglichkeiten und deren Folgen Nutzung von Wissen zum gemeinsamen I Lösen von Aufgaben I Planen von Handlungen I Handeln 2 Inhalt der Lehrveranstaltung Vorlesung: I I Daten, Information, Wissen, intelligente Agenten Wissensrepräsentation und -verarbeitung I I I I Wiederholung klassische Aussagen- und Prädikatenlogik Modallogik, multimodale Logiken Unvollständiges Wissen, nichtmonotones Schließen Unsicheres und unscharfes Wissen: mehrwertige Logiken (probabilistisch, fuzzy) I Koordination gemeinsamen Wissens und Handelns, Multi-Agenten-Systeme I gemeinsamer Wissenserwerb, Kognition, maschinelles Lernen I gemeinsames Planen Seminar (Prüfungsvorleistung): I Selbstudium mit Vorträgen (Themen demnächst) I evtl. gemeinsame Robotik-Projekte 3 Literatur Informationen und Folien zur aktuellen Vorlesung unter www.imn.htwk-leipzig.de/~schwarz/lehre/ss17/wr Bücher zu wissensbasierten Systemen: I Stuart Russell, Peter Norvig: Künstliche Intelligenz (Pearson 2004) I Ingo Boersch, Jochen Heinsohn, Rolf Socher: Wissensverarbeitung (Spektrum, 2007) I Ronald Brachman, Hector Levesque: Knowledge Representation and Reasoning (Morgan Kaufmann 2004) I George Luger: Künstliche Intelligenz (Pearson 2001) 4 Agenten Agent: selbständig handelnde Einheit Funktionen: I Wahrnehmung der Umwelt I Reaktion auf Umwelt I Anpassung, Lernen I Kommunikation mit anderen Agenten Beispiele: z.B. Spieler I Mensch I Roboter I Computer I Software 5 Agent und Umgebung Wahrnehmung Sensoren Agent Steuerung Umgebung Aktoren Aktion Mögliche Interaktion abhängig von vorhandenen Sensoren z.B. Sinnesorgane, Kamera, Thermometer, Aktoren z.B. Hand, Motor, Regler Steuerung z.B. Planung, Reaktion auf Störungen 6 Intelligente Agenten Eigenschaften: I reaktiv: regelmäßige Wahrnehmung der Umweltsignale, jede Aktionen abhängig vom Weltzustand I aktiv: handelt zielgerichtet I sozial: Interaktion mit anderen Agenten Agent hat und verwendet Wissen über I aktuellen Weltzustand I von eigenen Aktionen unabhängige Änderungen des Weltzustandes (z.B. Nachts wird es dunkel.) I von eigenen Aktionen abhängige Änderungen des Weltzustandes (z.B. Ein von einer Stelle weggenommener Gegenstand befindet sich nicht mehr dort.) 7 Typische Anwendungen künstlicher Agenten I Spiele (z.B. Schachprogramm) I autonome Steuerung (z.B. autonome Fahrzeuge, Autopilot) I autonome Planung (z.B. Zeitpläne) I Diagnose (z.B. Anlagenüberwachung) I Entscheidungsunterstützung (z.B. Konfigurationen) I Robotik (z.B. Reinigungsroboter, Roboterfußball) 8 Was ist (künstliche) Intelligenz? Turing-Test (1950): eine Person A, 2 verschlossene Räume R1 und R2, in einem Raum befindet sich ein Mensch B, im andern eine Maschine C Kommunikation über neutrales Medium A stellt Fragen, B und C antworten Maschine besteht Turing-Test (ist intelligent), wenn A durch Fragen nicht herausfinden kann, in welchem Raum sich die Maschine befindet These: Intelligenz = intelligentes Verhalten Chinese-Room-Test (Searle 1980): eine (nicht chinesisch verstehende) Person B in einem Zimmer mit einem (riesigen) Regelbuch mit chinesischen Fragen und passenden Antworten. A stellt Fragen, B antwortet. B antwortet immer passend, ohne die Frage verstanden zu haben. These: (anscheinend) intelligentes Verhalten ist noch keine Intelligenz, wenn Verständnis fehlt. Beispiel: Psychotherapeutin Eliza 9 Ansätze zur Modellierung von Wissen / Intelligenz verschiedene Abstraktionsstufen: I Modellierung der menschlichen Reizaufnahme und -verarbeitung und des menschlichen Verstehens (kognitive Methoden) I Modellierung des menschlichen Handelns Turing Test I Modellierung des rationalen Denkens (abstrahiert von biologischem Vorbild) Regelsysteme, Logiken 10 Ziele wissensverarbeitender Systeme I Simulation menschlichen Verhaltens (Verständnis und eigenes Denken nicht notwendig) schwache künstliche Intelligenz I Simulation des menschlichen Denkens (Verständnis und eigenes Denken notwendig) starke künstliche Intelligenz 11 Wissen, Information, Daten Eindrücke, Reize Umwelt System Wahrnehmen, Beobachten Daten Erkennen, Verstehen Information Anwenden, Können Wissen Lernen, Reflektieren Intelligenz 12 Wissen, Information, Daten Daten Darstellungsform (Syntax) Zeichenketten, Symbole, Ton, . . . Information Bedeutung der Daten (Semantik) in einem bestimmten Kontext Wissen Information mit einem Nutzen trägt zur Lösung eines Problemes bei 13 Wissen zur Problemlösung – Beispiele Daten: Information: Kontextwissen: Wissen: Problemlösung: 39.7 Körpertemperatur= 39.7◦ Körpertemperatur> 39.0◦ ist Fieber Fieber Fieberbehandlung Daten: Information: FRUEFPUJRERFCEBOYRZ FRUEFPUJRERFCEBOYRZ ist eine unverständliche, also wahrscheinlich verschlüsselte Nachricht verschiedene Chiffrierverfahren, Buchstabenhäufigkeiten FRUEFPUJRERFCEBOYRZ ist eine mit dem . . . -Verfahren und dem Schüssel . . . verschlüsselte Nachricht ... Kontextwissen: Wissen: Problemlösung: 14 Arten von Wissen deklarativ über Zustände (der Welt) Fakten, Aussagen, Zusammenhänge, z.B. I I I Fliegenpilze sind ungenießbar. Es existieren gerade Primzahlen. Eine Liste (x1 , . . . , xn ) ist genau dann aufsteigend sortiert, wenn sie leer ist oder (x1 ≤ x2 und (x2 , . . . , xn ) aufsteigend sortiert ist). prozedural über Zustandsübergänge Regeln, Algorithmen, Funktionen, z.B. Kochrezept Euklidischer Algorithmus aussagenlogisches Resolutionsverfahren I Sortierverfahren I I I Ist die folgende Aussage Fakten- oder prozedurales Wissen? Jedes Kind eines Kindes einer Person X ist ein Enkel von X . Also: Repräsentationen von Regeln, Algorithmen und Funktionen lassen sich auch als Faktenwissen auffassen. 15 Explizites und implizites Wissen implizit unbewusst“ angewendtes Wissen ” z.B. Bewegungsabläufe, Erkennen von Personen (Objekten), Reflexe explizit kommunizierbares Wissen oft formale Darstellung z.B. Personendaten, Gebrauchsanweisung, Spielregeln Lernvorgänge sind oft Transformationen explizites → implizites Wissen z.B. Autofahren, Grammatik in Fremdsprachen zur maschinellen Wissensverarbeitung ist explizites Wissen notwendig Transformation notwendig: implizites → explizites Wissen anspruchsvoll, nicht immer möglich 16 Darstellung von Wissen formale Repräsentation des Wissens in einer Wissensbasis: spezielle Form der Daten in der Wissensbasis abhängig von I Problembereich I geplante Verwendung Wissen in Wissensbasis ist immer Abstraktion, beschreibt Modelle der Realität I Auswahl von (für den Anwendungsbereich) wichtigem Wissen I Vernachlässigung unwichtiger Details Beispiele: I Liniennetzplan I Grundriss I Stundenplan I Kostenplan 17 Wissensverarbeitung I Problemlösen I I algorithmische Suche in Zustandsräumen logisches Schließen Beispiel: n-Damen-Problem, kürzeste Wege in Graphen I Planen Finden einer Folge von Aktionen zum Erreichen eines Zieles Beispiel: morgens Anziehen, Fertigungsroboter I Klassifikation Finden von Klassen (Diagnosen) anhand der Merkmalswerte (Symptome) Beispiel: Fahrzeuge, Fehlfunktionen teilweise bekannt aus den Lehrveranstaltungen I Modellierung I Algorithmen und Datenstrukturen I Künstliche Intelligenz 18 Anforderungen an Wissensbasen Qualitätskriterien bei der Modellierung: I für Problembereich geeignete Abstraktion I effektiv, redundanzfrei I vollständig I erweiterbar I verständlich 19 Beispiele für Wissensrepräsentation und Problemlösen Kontext: Zustandsübergangssystem Aufgabe: Startzustand und Anforderungen an Zielzustände Lösungsverfahren: Suche (vollständig oder heuristisch) Kontext: Menge logischer Formeln Aufgabe: Gilt die Behauptung (logische Formel) im Kontext? Lösungsverfahren: logisches Folgern oder Schließen Kontext: Datenmenge (bekannte Fälle) Aufgabe: neuer Fall Lösungsverfahren: 2 Schritte 1. Training eines KNN mit Datenmenge (Kontext als implizites Wissen) 2. Anwendung des KNN auf den neuen Fall (Lösung mehrerer Fälle möglich) 20 Programmierung und Wissensrepräsentation Programmierung Wissensrepräsentation Entwurf eines Algorithmus zur Lösung des Problemes Identifikation des zur Lösung des Problemes relevanten Wissens Implementierung in einer geeigneten Programmiersprache Darstellung des relevanten Wissens in einer geeigneten Repräsentationssprache Problemlösung durch Ausführung des Programmes Problemlösung durch Anwendung eines Standardverfahrens 21 Beispiel: n-Damen-Problem Aufgabe: Setze n Damen ohne gegenseitige Bedrohungen auf ein n × n-Spielfeld Programmierung Wissensrepräsentation Entwurf geigneter Datenstrukturen und eines Algorithmus zur Lösungssuche Identifikation der Bedingungen an Aufgabe und Lösung Implementierung Repräsentation von Spielfeld und Bedingungen an eine Lösung als logische Formeln (z.B. CNF) Problemlösung Ausführung des mes durch Program- Problemlösung durch logisches Inferenzverfahren (z.B. Resolution, SAT-Solver, Prolog) 22 Programmierung und Wissensrepräsentation Programmieren Wissensrepräsentation Erklärung der Lösung: Verfolgen der Zustandsänderung bei Programmausführung (Debugging) vom Inferenzverfahren verwendete Voraussetzungen Fehlerbehandlung: Debugging Codeänderung fehlendes Wissen einfügen falsches Wissen löschen Wissenserweiterung: neuer Entwurf, Neuimplementierung neues Wissen in Wissensbasis einfügen 23 Intelligente (wissensbasierte) Systeme Modellierung der Aufgabe: Kontext Frage Zentrale Komponenten intelligenter Systeme: Wissensbasis (Kontext) enthält deklaratives Wissen Anfragekomponente erlaubt (formalisierte) Fragen Problemlösekomponente prozedurales Wissen z.B. Suchverfahren, Inferenzsystem Zusatz-Komponenten, z.B. für Interview Abfrage fallspezifischer Information Erklärung Begründung der vorgeschlagenen Lösung Wissenserwerb konsistente Erweiterung der Wissensbasis 24 Problemlösung durch Suche in Graphen – Beispiele I Finden von Wegen in einem Graphen I Aufgabe: I I I I Lösungsidee: Suche im Graphen Münzenstapelspiel (für eine Person) I Aufgabe: I I I gegeben: Stapel von n Münzen gesucht: Zugfolge durch erlaubte Züge (zwei Münzen von einem Stapel nehmen und auf beide Nachbarn verteilen) bis zu einer Situation, in der kein Zug möglich ist Lösungsidee: I I I gegeben: Graph G (Tafel) gesucht: Weg (Pfad) in G von Knoten u zu Knoten v Modellierung als Zustandsübergangssystem Suche im Graphen 3 Krüge I Aufgabe: I I I gegeben: 3 volle Krüge mit Volumen 4l, 7l, 9l, gesucht: genau 6l in einem der 3 Krüge Lösungsidee: Zustände als Knoten eines Suchbaumes 25 Darstellung von Aufgabe und Lösung Aufgabe: gegeben: Menge V von Zuständen (evtl. unendlich) oft beschrieben durch Eigenschaften I Startzustand s ∈ V I Menge Z ⊆ V von Zielzuständen (oder Eigenschaften der Zielzustände) I mögliche Übergänge zwischen Zuständen Übergangsrelation E ⊆ V × V Lösung: Folge von Zuständen (Weg von einem Start- zu einem Zielzustand) (Mitunter interessiert nur der erreichte Zielzustand.) Wissensrepräsentation: als Graph G = (V , E ) (Zustandsübergangssystem): I Knotenmenge V : Zustände I (gerichtete) Kanten: Zustandsübergänge Entfaltung des Graphen zu einem Baum: Pfade im Graphen = Knoten im Baum I 26 Problemlösen durch Suchen I I formale Darstellung des Problemes als Graph bzw. Baum formale Beschreibung der Lösung als Eigenschaft von I I Pfaden im Graphen Knoten im Baum Möglichkeiten zum Problemlösen: I Pfadsuche im Graphen I Knotensuche im Baum 27 Suche in Graphen (schon bekannte) Verfahren zur Suche in Graphen (und Bäumen): I Tiefensuche (depth-first search): Suche zuerst in Teilbäumen eines noch nicht besuchten Nachbarn des aktuellen Knotens I Breitensuche (breadth-first search): Suche zuerst in Teilbäumen eines noch nicht besuchten Knotens mit der geringsten Tiefe 28 Allgemeines Suchverfahren Daten: La Menge der noch zu expandierenden Knoten Lx Menge der expandierten Knoten s Startknoten ϕ Anforderungen an Lösung (Zielknoten) Allgemeiner Suchalgorithmus: 1. La = {s}, Lx = ∅ 2. solange ¬ La = ∅: 2.1 Verschiebe einen auf festgelegte Art ausgewählten Knoten u aus La in Lx 2.2 Füge alle Nachbarn von u, die nicht in La ∪ Lx enthalten sind, auf eine festgelegte Art in La ein (Abbruch falls ein Nachbar v von u die Bedingung ϕ erfüllt, also eine Lösung repräsentiert) prominente Spezialfälle: Tiefensuche Breitensuche Verwaltung von La als Stack Einfügen der Nachbarn an den Anfang der Liste La festgelegter Knoten wurde zuletzt in La eingefügt I Verwaltung von La als Queue I Einfügen der Nachbarn an das Ende der Liste La I I I 29 Was bisher geschah I I Daten, Information, Wissen Wissensrepräsentation und -verarbeitung Wissensrepräsentation: Beschreibung von Wissen: Zustandsübergangssystem: gerichteter Graph G = (V , E ) mit I Knotenmarkierungen lv : V → LV mit LV : Eigenschaften der Zustände I Startzustand s ∈ V I Eigenschaften der Zielzustände (z.B. Variablenwerte) I Kantenmarkierungen lE : V → LE mit LE : mögliche / zulässige Aktionen (Übergänge) Lösung: zulässiger Weg (Zustandsfolge p ∈ V ∗ ) vom Startzu einem Zielzustand Wissensverarbeitung: Pfadsuche im Graphen I blinde Suchverfahren: Tiefensuche, Breitensuche 30 Allgemeiner Suchalgorithmus 1. aktuelle Menge der zu untersuchenden Knoten La = {s} 2. aktuelle Menge der erledigten Lx = ∅ 3. solange nicht (gefunden oder La = ∅) wiederhole: 3.1 Verschiebe einen festgelegten Knoten u aus La in Lx 3.2 Füge alle Nachbarn von u, die La ∪ Lx nicht enthält, (auf eine festgelegte Art) in La ein Verschiedene Suchverfahren unterscheiden sich nur in der Auswahl des expandierten (festgelegten) Knotens aus La nach Festlegung durch Datenstruktur zur Verwaltung von La I Stack: Tiefensuche I Queue: Breitensuche 31 Schrittweise Vertiefung beschränkte Tiefensuche: 1. festgelegte Tiefenbeschränkung m ∈ N 2. Tiefensuche auf allen Pfaden bis zur Tiefe m nicht vollständig, weiter entfernte Lösungen werden nicht gefunden Schrittweise Vertiefung(iterative deepening) Kombination aus Breiten- und Tiefensuche durch Nacheinanderausführung der beschränkten Tiefensuche für alle m ∈ , solange keine Lösung gefunden wurde N vollständig, optimal (asymptotischer) Zeit- und Platzbedarf wie Tiefensuche 32 Gleiche-Kosten-Suche (kleinste bisherige Kosten) (uniform-cost-search) bei Zustandsübergängen mit verschiedenen Kosten Ziel: Lösung (Pfad vom Start- zu einem Lösungsknoten) mit möglichst geringen Pfadkosten (Pfadkosten = Summe der Kosten aller Übergänge auf dem Pfad) R Bewertungsfunktion für Knoten k : V → ≥0 k(u) = minimale (bisher entdeckte) Pfadkosten vom Startknoten zu u Datenstruktur zur Verwaltung von La : Priority Queue Priorität eines Knotens u: k(u) Beispiele: I I Breitensuche (Kosten = Tiefe des Knotens) I kürzeste Wege (Kosten = Abstand des Knotens vom Startknoten) Dijkstra-Algorithmus Uniforme Kostensuche ist wie Breitensuche und Tiefensuche ein uninformiertes Suchverfahren 33 Heuristische Suche – Motivation Heuristik: Effizienzsteigerung durch Zusatzinformationen (z.B. Erfahrungswerte) Anwendung bei I Aufgaben mit mehreren Lösungen (z.B. Wege in Graphen) I unterschiedliche Qualität der Lösungen (z.B. Länge des Weges) I Suche nach optimalen Lösungen (z.B. kürzester Weg) I falls vollständige Suche zu aufwendig Ziele: I Wahl einer geeigneten Such-Reihenfolge, unter welcher gute Lösungen zuerst gefunden werden I Verwerfen von Knoten, die wahrscheinlich nicht zu einer Lösung führen (beabsichtigte Verletzung der Fairness-Eigenschaft) 34 Schätzfunktionen Ziel: sinnvolle Auswahl der in jedem Schritt zu expandierenden Knoten unter Verwendung von Zusatzinformationen R Schätzfunktion (heuristische Funktion) h : V → ≥0 ∪ {∞} (oder in eine andere geordnete Menge) Schätzung der erwartete Restkosten vom Knoten u bis zum Ziel repräsentiert die Zusatzinformation 35 Eigenschaften von Heuristiken Schätzfunktion h : V → R≥0 ∪ {∞} heißt perfekt (Schätzfunktion H(u)), gdw. ∀u ∈ V : H(u) = genau die Kosten einer optimalen Lösung durch u (H(u) = ∞, falls keine Lösung über u existiert) zielerkennend gdw. für jeden Lösungsknoten u ∈ V gilt h(u) = 0 sicher gdw. für jeden Knoten u ∈ V , aus dem kein Lösungsknoten erreichbar ist, gilt h(u) = ∞ konsistent gdw. für jeden Knoten u ∈ V und alle Nachbarn v von u gilt h(u) ≤ w (u, v ) + h(v ) (w (u, v ) Kosten des Übergangs von u nach v ) nicht-überschätzend gdw. für jeden Knoten u ∈ V gilt h(u) ≤ H(u) Aus nicht-überschätzend folgt sicher und zielerkennend. Aus zielerkennend und konsistent folgt nicht-überschätzend. 36 Besten-Suche (best-first-search) Allgemeines Suchverfahren mit Bewertungsfunktion f : V → ≥0 ∪ {∞} mit folgender Strategie zur Auswahl der in jedem Schritt zu expandierenden Knoten: R I Knoten werden aufsteigend nach Bewertung f (u) expandiert, I Expansion des Knotens u mit dem geringsten Wert f (u) zuerst I Verwaltung von La als priority queue Beispiel: Suche eines kürzesten Weges zwischen Orten A und B I Bewertungsfunktion f (u): bisherige Kosten bis zum Ort u (ohne Schätzfunktion, uniforme Kostensuche, Dijkstra) I Bewertungsfunktion f (u): Luftlinienentfernung des Ortes u von B (nur Schätzfunktion) 37 Besten-Suche – Eigenschaften zwei Methoden: 1. Knoten mit großen Werten möglichst spät expandieren 2. Knoten mit großen Werten nicht expandieren I Bestensuche mit einer beliebigen Besertungsfunktionfunktion ist nicht immer optimal. I Bestensuche nach Methode 1 (fair) ist vollständig I Bestensuche nach Methode 2 ist nicht immer vollständig 38 Greedy-Suche (kleinste Restkosten) Idee: Suche zuerst in Teilbäumen der noch nicht besuchten Knoten mit den geringsten (geschätzten) noch aufzuwendenden Kosten Heuristische Funktion h : V → R≥0 ∪ {∞} h(v ) ist Abschätzung des von Knoten v aus den noch notwendigen Kosten zum Erreichen eines Zielzustandes Greedy-Suche: Besten-Suche mit Bewertungsfunktion f : V → wobei für jeden Knoten v ∈ V gilt R≥0 ∪ {∞}, f (v ) = h(v ) Eigenschaften der Greedy-Suche: I optimal? I vollständig? 39 Beispiel Schiebefax Zustände u ∈ {0, . . . , 8}3×3 , 3 × 3-Matrix mit Einträgen {0, . . . , 8} (jede Zahl genau einmal, 0 leeres Feld) I Zulässige Züge: Verschieben des leeren Feldes auf ein Nachbarfeld d. h. Vertauschen von 0 und einem Wert in einem Nachbarfeld (gleicher Zeilen- oder Spaltenindex) I Zielkonfiguration 1 2 3 8 4 7 6 5 I I Aufgabeninstanz: gegebene Ausgangskonfiguration (Matrix), z.B. 8 2 7 1 6 3 4 5 Lösung: Folge von zulässigen Zügen (Bewegung der Lücke 0) von der Ausgangs- zur Zielkonfiguration I Bewertung der Lösung: Anzahl der Züge (Länge der Lösungsfolge) I 40 Schiebefax – Heuristische Funktionen Heuristische Funktionen hi : {0, . . . , 8}3×3 → N mit h1 Anzahl der Zahlen, die sich nicht an ihrer Zielposition befinden h2 weitester Abstand einer Zahl zu seiner Zielposition h3 Summe der Manhattan-Abstände jeder Zahl zu seiner Zielposition Tafel: Bestensuche mit Bewertungsfunktionen f (u) = hi (u) Qualität der Schätzfunktionen: I gute Trennung verschiedener Zustände I fair: zu jedem n ≥ 0 existieren nur endlich viele u ∈ V mit h(u) ≤ n 41 Bisherige Kosten R Kostenfunktion k : V → ≥0 k(u) Kosten des besten (bisher bekannten) Pfades vom Startzustand zum Zustand u Kostenfunktion k : V → R≥0 heißt streng monoton wachsend , falls für alle Knoten v und alle Nachfolger u von v gilt k(u) < k(v ) Beispiele für Kostenfunktionen: I Tiefe des Knotens im Suchbaum, I maximale Entfernung vom Startknoten 42 A∗ -Suche (kleinste Gesamtkosten) Idee: Suche zuerst in Teilbäumen der noch nicht besuchten Knoten mit dem geringsten Wert der Schätzfunktion (Summe von bisherigen und geschätzen zukünftigen Kosten) Funktionen R I k : V → ≥0 – bisher bekannte Kosten von einem Startzustand zu v I h:V → R≥0 – geschätzte Kosten von v zu einem Endzustand A∗ -Suche: Besten-Suche mit Schätzfunktion f : V → Knoten v ∈ V gilt f (v ) = k(v ) + h(v ) R≥0, wobei für jeden Eigenschaften der A∗ -Suche: I vollständig? I optimal? 43 Anwendungen Planungsprobleme und kombinatorische Suchprobleme, z.B. I Routenplanung I TSP I Verlegen von Leitungen I Schaltkreis-Layout I Navigation (z.B. von Robotern) I Scheduling I Produktionsplanung 44 Was bisher geschah I I I Daten, Information, Wissen Wissensrepräsentation und -verarbeitung Wissensbasierte Systeme Wissensrepräsentation: I Zustandsübergangssystem: Graph mit markierten Knoten (Zustände und deren Eigenschaften) I Startzustand I Eigenschaften der Zielzustände Lösung: Pfad vom Start- zu einem Zielzustand Wissensverarbeitung: Suche im Graphen uninformiert: Breiten-, Tiefen-, Gleiche-Kosten-Suche informiert: heuristische, Greedy-, A∗ -Suche 45 Zwei-Personen-Spiele Brettspiel I aktueller Spielzustand immer für beide Spieler sichtbar (vollständige Information) I einer gewinnt, der andere verliert (Nullsummenspiel) Wissensrepräsentation (Spielbaum): I Menge von Zuständen (Min- und Max-Zustände) I Startzustand I Endzustände (ohne Fortsetzung) I Nachfolgermenge S(v ) = Menge von Zuständen (nach zulässigen Zügen) Bewertungsfunktion: Menge der Endzustände → I I I Z positiv: Spieler (1, Max, beginnt) gewinnt negativ: Gegner (0, Min) gewinnt 46 Beispiel Nim (Variante) I n Münzen auf einem Stapel I Spielzug: Teilen eines Stapels in zwei nichtleere Stapel ungleicher Größe I Sobald ein Spieler keinen Zug mehr ausführen kann, hat er verloren (und der andere gewonnen). Modellierung als Zustandsübergangssystem: N N Zustände: S : → (Multimenge: Zahl → Anzahl der Vorkommen in S) Startzustand: S(n) = 1 ∧ ∀i 6= n : S(i) = 0 Endzustände: kein Zug möglich Übergänge: (erlaubte Züge) für x = x1 + x2 ∧ x1 6= x2 ∧ x1 x2 6= 0: S → S 0 mit S 0 (x) = S(x) − 1 ∧ S 0 (x1 ) = S(x1 ) + 1 ∧ S 0 (x2 ) = S(x2 ) + 1 ∧ ∀i 6∈ {x, x1 , x2 } : S 0 (i) = S(i) 47 Minimax-Werte Fortsetzung der Bewertungsfunktion von den Blättern (Endzuständen) auf alle Knoten im Spielbaum b : V → rekursive Berechnung (Minimax-Algorithmus) Knotens v im Spielbaum: falls b(v ) max{m(u) | u ∈ S(v )} falls m(v ) = min{m(u) | u ∈ S(v )} falls Z des Wertes eines v Endzustand v Max-Knoten v Min-Knoten Beispiele (Tafel): I Spielbaum, I Nim mit n = 7 I Tic-Tac-Toe (mit heuristischer Bewertung) Spielstrategie für Spieler 1 (Max): Zug wählen, der zum Zustand mit höchstem Minimax-Wert führt 48 α-β-Suche Idee: Tiefensuche mit Verwaltung zusätzlicher Werte α : bisher höchster Minimax-Wert an Max-Positionen β : bisher geringster Minimax-Wert an Min-Positionen Bei Berechnung des Minimax-Wertes der Wurzel Berechnungen für Teilbäume abbrechen, sobald bekannt ist, dass sie α und β nicht verbessern Abtrennen jedes Kindes v eines min-Knotens u, falls β(u) ≤ α(v ) (min-Spieler kann durch Wahl eines zuvor untersuchten Kindes von u den geringeren Minimax-Wert β(u) erreichen als durch Wahl von v ) max-Knotens u, falls α(u) ≥ β(v ) (max-Spieler kann durch Wahl eines zuvor untersuchten Kindes von u den höheren Minimax-Wert α(u) erreichen als durch Wahl von v ) Beispiel (Tafel) 49 Was bisher geschah Daten, Information, Wissen explizites und implizites Wissen I intelligente Agenten I I Wissensrepräsentation und -verarbeitung: Wissensbasis: Kontextwissen Formulierung der Aufgabe: fallspezifisches Wissen Lösung: Bedingungen Lösungsverfahren Wissensrepräsentation und -verarbeitung in Zustandsübergangssystemen: Wissensbasis: Graph (mit Knoten- und Kantenmarkierungen) Formulierung der Aufgabe: Weg von Startknoten zu Lösung gesucht Lösung: Bedingungen Lösungsverfahren: Suchverfahren blind: Breiten-, Tiefen-, Gleiche-Kosten-Suche informiert: Besten-, Greedy-, A∗ -Suche Zwei-Personen-Spiele, MiniMax-Werte, α-β-Pruning 50 Entwicklung gemeinsamen Wissens 3 Logiker in der Bar (http://spikedmath.com/445.html) Wollt Ihr alle Bier? Formal: Gilt ∀x B(x) in S = ({a, b, c}, J·KS )? Gilt also JBKS = {a, b, c}? Wissen der einzelnen Individuen zu Beginn: a weiß, ob a ∈ JBKS , aber nicht, ob b ∈ JBKS oder c ∈ JBKS (b, c analog) Entwicklung des gemeinsamen Wissens über S: JBKS ist zunächst unbekannt. a: Ich weiß es nicht. Antwort nur korrekt, wenn a ∈ JBKS , also a ∈ JBKS nun gemeinsam bekannt b: Ich weiß es nicht. Antwort nur korrekt, wenn außerdem b ∈ JBKS , also {a, b} ⊆ JBKS nun gemeinsam bekannt c: Ja Antwort nur korrekt, wenn außerdem c ∈ JBKS , also {a, b, c} =⊆ JBKS nun gemeinsam bekannt 51 Entwicklung gemeinsamen Wissens Beispiel: Zahlenrätsel A wählt zwei natürliche Zahlen zwischen (einschließlich) 2 und 100 und verrät S deren Summe und P deren Produkt. Dann kommt es zu folgendem Gespräch: P: Ich kenne die beiden Zahlen nicht. S: Das weiß ich. Ich kenne sie auch nicht. P: Dann kenne ich die beiden Zahlen jetzt. S: Dann kenne ich sie jetzt auch. Welche Zahlen hat A gewählt ? Kontext: Wissen über Teilbarkeit usw. 52 Wissensrepräsentation durch Logiken Anforderungen an Formalismus zur Wissensrepräsentation: hinreichende Ausdrucksstärke syntaktisch und semantisch eindeutig I Möglichkeit der maschinellen Verarbeitung I I I klassische Aussagenlogik AL(P) I hinreichende Ausdrucksstärke: oft ja I syntaktisch und semantisch eindeutig: ja I Möglichkeit der maschinellen Verarbeitung: ja (algorithmische Entscheidbarkeit) I klassische Prädikatenlogik (der ersten Stufe) FOL(Σ) I hinreichende Ausdrucksstärke: meist ja I syntaktisch und semantisch eindeutig: ja I Möglichkeit der maschinellen Verarbeitung: meist ja (Unentscheidbarkeit) I nichtklassische Logiken: I Modale Logiken, z.B. Temporallogiken, Raumlogiken, Beschreibungslogiken I Mehrwertige Logiken, z.B.Fuzzy-Logik 53 Wissensrepräsentation und -verarbeitung in Logiken Wissensbasis: Formelmenge Φ Problemdarstellung: Formel ψ repräsentiert die Frage: (Für welche Variablenbelegung) Folgt ψ aus Φ? Lösung: ja / nein, evtl. erfüllende Belegung Lösungsverfahren: Folgern (semantisch): z.B. Wahrheitswerttabellen, Modellmengen Schließen (syntaktisch): Kalküle, z.B. Resolution 54 Aussagenlogik – Syntax Junktoren Syntax: Symbole t, f (nullstellig), ¬ (einstellig), ∨, ∧, →, ↔ (zweistellig) Semantik: Wahrheitswertfunktion Atome Syntax: Aussagenvariablen (elementare Formeln) Semantik: Wahrheitswert Formeln Syntax (induktive Definition): IA: Alle Atome sind Formeln. IS: Sind j ein n-stelliger Junktor und ϕ1 , . . . , ϕn Formeln, dann ist auch j(ϕ1 , . . . , ϕn ) eine Formel. Baumstruktur Semantik: Boolesche Funktion Beispiele: I (p ∧ (q → r )) ∨ (r → ¬p) I ¬p ∧ p 55 Bedeutung der Junktoren wahr falsch Konjunktion Disjunktion Negation Implikation Äquivalenz Stelligkeit Syntax Symbol Semantik Wahrheitswertfunktion 0 0 2 2 1 2 2 t f ∧ ∨ ¬ → ↔ 1 0 min max x 7→ 1 − x ≤ = 56 Aussagenlogik – Semantik Belegung W : P → {0, 1} Wert von ϕ ∈ AL(P) unter Belegung W : W (ϕ) mit W (p) für ϕ = p ∈ P und induktive Berechnung für zusammengesezte Formeln Modell (erfüllende Belegung) für ϕ ∈ AL(P): W : P → {0, 1} mit W (ϕ) = 1 Modellmenge von ϕ ∈ AL(P): Mod(ϕ) = {W : P → {0, 1} | W (ϕ) = 1} (Boolesche Funktion, Wahrheitswerttabelle) 57 Erfüllbarkeit Formel ϕ ∈ AL(P) heißt erfüllbar gdw. Mod(ϕ) 6= ∅ unerfüllbar gdw. Mod(ϕ) = ∅ allgemeingültig gdw. Mod(¬ϕ) = ∅ Erfüllbarkeit (und Allgemeingültigkeit) ist algorithmisch entscheidbar. semantisch z.B. durch Wahrheitswerttabellen syntaktisch z.B. durch Resolution Werkzeuge: SAT-Solver 58 Modellierungsbeispiel (Aussagenlogik) 1. Es wird nicht mehr viel Eis gekauft, wenn es kalt ist. 2. Der Eisverkäufer ist traurig, wenn nicht viel Eis gekauft wird. 3. Es ist kalt. Wissensbasis: . . . Problem: . . . Lösung: . . . Lösungsverfahren: . . . neue zusätzliche Aussage (Erweiterung der Wissensbasis): 4. Der Eisverkäufer ist nicht traurig. 59 Semantische Äquivalenz Relation ≡ ⊆ AL(P) × AL(P) (Relation zwischen zwei Formeln) ϕ≡ψ gdw. Mod(ϕ) = Mod(ψ) Beispiele: I p → q ≡ ¬p ∨ q I p ∨ q ≡ ¬p → q I p ∧ q ≡ ¬(p → ¬q) I p ↔ q ≡ (p → q) ∧ (q → p) Regeln der klassische Aussagenlogik (z.B. DeMorgan, Distributivgesetze) ermöglichen rein syntaktische äquivalente Umformungen. 60 Normalformen Junktorbasen {∨, ∧, ¬}, {→, ¬}, {NAND}, {I , t, f} mit I (x, y , z) = (x ∧ y ) ∨ (¬x ∧ z) Zu jeder Formel ϕ ∈ AL(P) existieren äquivalente Formeln in NNF Formeln, in denen das Negationssymbol ¬ höchstens auf Atome angewendet wird Beispiel: ¬p ∨ ((¬q ∨ p) ∧ q) V W i CNF Formeln der Form ni=1 m j=1 li,j mit Literalen li,j Beispiel: (¬p ∨ ¬q) ∧ (p ∨ q) ∧ ¬q W V i DNF Formeln der Form ni=1 m j=1 li,j mit Literalen li,j Beispiel: ¬p ∨ (¬q ∧ p) ∨ (p ∧ q) NAND-NF ¬ϕ = ϕ NAND ϕ, ϕ ∧ ψ = (ϕ NAND ϕ) NAND(ψ NAND ψ), IF-NF I (p, ϕ, ψ) mit p ∈ P, (Entscheidungsbäume) 61 Semantisches Folgern Folgerungsrelation |= ⊆ 2AL(P) × AL(P) (Relation zwischen Formelmenge und Formel) Φ |= ψ gdw. Mod(Φ) ⊆ Mod(ψ) Notation: |= ψ statt ∅ |= ψ und ϕ |= ψ statt {ϕ} |= ψ Beispiele: I {p} |= p, I {p → q, ¬q} |= ¬p, I ∅ |= p → p I {p, ¬p, ¬q} |= q Es gilt: |= ψ gdw. ψ allgemeingültig ϕ≡ψ gdw. (ϕ |= ψ und ψ |= ϕ) 62 Semantisches Folgern Fakt Für jede Formelmenge Φ ⊆ AL(P) und jede Formel ψ ∈ Φ gilt Φ |= ψ. Fakt Für jede Formelmenge Φ ⊆ AL(P) und jede Formel ψ ∈ AL(P) gilt: Φ |= ψ Mod(Φ) = Mod(Φ ∪ {ψ}) gdw. Fakt Für jede Formelmenge Φ ⊆ AL(P) und jede Formel ψ ∈ AL(P) gilt: Φ |= ψ gdw. Φ ∪ {¬ψ} unerfüllbar Folgerung: Φ |= ψ gdw. Φ ∪ {¬ψ} |= f 63 Syntaktisches Ableiten gegeben: Formelmenge Φ Formel ψ Frage : Gilt Φ |= ψ ? Ziel: Verfahren zur Beantwortung dieser Frage durch syntaktische Operationen (ohne Benutzung der Semantik, Modellmengen) Syntaktische Ableitungsrelation ` ⊆ 2AL(P) × AL(P) passend zur semantischen Folgerungsrelation |= ⊆ 2AL(P) × AL(P) ` passt zu |=, falls für jede Formelmenge Φ ∈ AL(P) und jede Formel ψ ∈ AL(P) gilt Φ`ψ gdw. Φ |= ψ 64 Syntaktisches Ableiten gegeben: Formel ϕ (Formelmenge Φ) Formel ψ Frage: Gilt Φ |= ψ Idee: schrittweises Ableiten (ohne Zugriff auf die Semantik der Formeln) von Folgerungen aus einer Formelmenge durch syntaktische Umformungen logischer Kalkül Menge von Regeln zur syntaktischen Umformung von Formeln (Formelmengen) (ohne Änderung der Semantik der Formelmengen) Ein logischer Kalkül K ist sinnvoll, wenn man zeigen kann: Korrektheit Jede in K ableitbare Formel ist allgemeingültig. Vollständigkeit Jede allgemeingültige Formel ist in K ableitbar. 65 Aussagenlogischer Tableau-Kalkül Idee: I intuitiver Beweiskalkül (rekursiv über Aufbau der Formel) I Unerfüllbarkeitbeweis durch Fallunterscheidung I Darstellung in Baumform Grundform der Formel: konjunktiv: ϕ ∧ ψ ¬(ϕ ∨ ψ), weil äquivalent zu ¬ϕ ∧ ¬ψ ¬(ϕ → ψ), weil äquivalent zu ϕ ∧ ¬ψ ¬¬ϕ disjunktiv: ϕ ∨ ψ ¬(ϕ ∧ ψ), weil äquivalent zu ¬ϕ ∨ ¬ψ ϕ → ψ, weil äquivalent zu ¬ϕ ∨ ψ 66 Aussagenlogischer Tableau-Kalkül: Regeln Regeln für konjunktive Formeln: ¬¬A | A A∧B | A | B ¬(A ∨ B) | ¬A | ¬B ¬(A → B) | A | ¬B Regeln für disjunktive Formeln: A∨B / \ A B ¬(A ∧ B) / \ ¬A ¬B A→B / \ ¬A B 67 Aussagenlogische Tableaux Aussagenlogisches Tableau für ϕ ∈ AL(P): endlicher Baum T mit I Markierungen der Knoten u ∈ T mit Formeln ψ ∈ AL(P) I Markierung der Wurzel in T : ϕ I Zu jedem Knoten ui ∈ T und jedem Pfad von ui zu einem Blatt in T existiert ein Knoten uj ∈ T mit Kindern entsprechend der Tableau-Regel für Markierung ψ von ui . (schrittweise Konstruktion) Beispiele: I ¬(p → q) ∧ (¬p ∨ q) I (p ∨ q) ∧ ¬(p ∧ q) I I Pfad u0 , . . . , un in einem Tableau T heißt geschlossen gdw. auf diesem Pfad zwei Knoten mit den Markierungen {ψ, ¬ψ} existieren. Tableau T heißt geschlossen gdw. jeder Pfad in T geschlossen ist. 68 Beweisen mit aussagenlogischen Tableaux Satz Für jede Formel ϕ ∈ AL(P) gilt: Vollständigkeit: Falls ϕ unerfüllbar ist, ist jedes Tableau für ϕ geschlossen. Korrektheit: Falls ein geschlossenes Tableau für ϕ existiert, ist ϕ unerfüllbar. 69 Aussagenlogische Tableau-Beweise für die Unerfüllbarkeit einer Formel ϕ ∈ AL(P): (schrittweise) Konstruktion eines Tableau mit Wurzelmarkierung ϕ durch eine Folge von Knoten-Expansionen entsprechend der Tableau-Regeln I ϕ ∈ AL(P) ist unerfüllbar gdw. ein geschlossenes Tableau mit Wurzelmarkierung ϕ existiert. I ϕ ∈ AL(P) ist allgemeingültig gdw. ein geschlossenes Tableau mit Wurzelmarkierung ¬ϕ existiert. Aus jedem nicht-geschlossenen Tableau für ϕ lassen sich Modelle für ϕ ablesen. 70 Aussagenlogische Tableaux: Beispiele I p ∧ (p → q) ist erfüllbar I ¬(((¬p → q) → r ) → ((¬q → p) → r )) ist unerfüllbar I p → (q → p) ist allgemeingültig I (p ∨ q) ∧ ¬((p ∧ ¬q) ∨ q) ist unerfüllbar 71 Was bisher geschah I Daten, Information, Wissen I explizites und implizites Wissen I intelligente Agenten I Wiederholung klassische Aussagenlogik I Tableau-Kalkül für klassische Aussagenlogik 72 Prinzipien der klassischen Logiken Zweiwertigkeit Jede Aussage ist wahr oder falsch. ausgeschlossener Widerspruch Keine Aussage ist sowohl wahr als auch falsch. Wahrheitswerte 1 (wahr) oder 0 (falsch) Jede Aussage p hat genau einen Wahrheitswert W(p) ∈ {0, 1}. 73 Klassische Logiken I klassische Aussagenlogik AL(P) + Entscheidbarkeit, effiziente Methoden und Werkzeuge (SAT-Solver) - geringe Ausdrucksstärke I klassische Prädikatenlogik FOL(Σ, X ) + hohe Ausdrucksstärke Automatisierte Lösungsverfahren und Werkzeuge für viele spezielle Probleme und Problemgebiete (z.B. Diagnosesysteme, interaktive Beweiswerkzeuge) - Unentscheidbarkeit Automatisierte Lösungsverfahren für alle Probleme können nicht existieren Ziel: syntaktische Fragmente der klassische Prädikatenlogik mit folgenden Eigenschaften I entscheidbar I hohe Ausdrucksstärke (intuitive Wissensrepräsentation) 74 Modellierung Ziel: Darstellung von Aussagen wie z.B. I ϕ gilt notwendigerweise. I Es ist möglich, dass ϕ gilt. I ϕ muss erfüllt sein. I ϕ sollte erfüllt sein. I Manchmal gilt ϕ. I ϕ gilt immer. I ϕ gilt zum nächsten Zeitpunkt. I ϕ gilt, solange ψ gilt. I Es ist bekannt, dass ϕ gilt. I A weiß, dass ϕ gilt. I A weiß, dass B nicht wissen kann, ob ϕ gilt. 75 Modallogik – Syntax (aussagenlogische Modallogik) Erweiterung der Aussagenlogik um Modalitäten und Bedeutung: möglich (manchmal) notwendig (immer) Syntax der Formeln aus ML(P) in BNF: ϕ ::= p | ¬ϕ | ϕ ∨ ψ | ϕ ∧ ψ | ϕ | ϕ mit p ∈ P, ϕ, ψ ∈ ML(P) abgeleitete Junktoren (analog Aussagenlogik): →, ↔ Beispiele: I (p → q) I (p ∨ ¬ q) I p → ¬ (q ∧ ¬r ) 76 Modellierung in Modallogiken Typische Aussagen: I Eine Aussage ist immer wahr. I Ein Ereignis tritt möglicherweise ein. I Ein Ereignis kann niemals eintreten. I Tritt das Ereignis A irgendwann ein, dann wird damit auf jeden Fall das Ereignis B ausgelöst. (z.B. A: kritische Situation, B: Alarm) Modellierung solcher Aussagen durch I I I verschiedene Welten“ (Zustände, Situationen) ” Jede Welt ist durch durch die dort geltenden (atomaren) Aussagen charakterisiert Zusammenhänge zwischen verschiedenen Welten (z.B. Übergangsmöglichkeiten) 77 Kripke-Strukturen Kripke-Frame (W , R) mit I Menge W von Welten, I Relation R ⊆ W 2 (Erreichbarkeitsrelation) Kripke-Frames sind also (möglicherweise unendliche) Graphen. Kripke-Struktur K = (W , R, V ) mit I Kripke-Frame (W , R) I Variablenbelegung V : (W × P) −→ {0, 1}) ordnet jeder Welt eine Belegung der Aussagenvariablen zu alternative Definition V : W −→ 2P Kripke-Strukturen sind also Graphen, deren Knoten mit Mengen aus 2P markiert sind. Häufig enthalten Kripke-Strukturen eine ausgezeichnete Welt. (analog Startzustand in endlichen Automaten) 78 Beispiele Kripke-Strukturen: I K1 = (W1 , R1 , V1 ) mit I I I K2 = (W2 , R2 , V2 ) mit I I I W1 = {1, 2}, R1 = {(1, 2), (2, 1), (2, 2)} V1 (1) = {p, q}, V1 (2) = {q} N, R2 = < N : (V2(2n) = {p} ∧ V2(2n + 1) = {p, q}) W2 = ∀n ∈ K3 = (W3 , R3 , V3 ) mit I I W3 = {1, 2, 3}, R3 = {(1, 2), (2, 3), (1, 3)} V3 (1) = {p, q}, V3 (2) = {p}, V3 (3) = ∅ 79 Modale Logiken – Semantik (induktive) Definition: Wert JϕK(K ,u) einer Formel ϕ ∈ ML(P) in (K , u) mit I einer Kripke-Struktur K = (W , R, V ) und I einer Welt u ∈ W JpK(K ,u) = V (u, p) J¬ϕK(K ,u) = 1 − JϕK(K ,u) Jϕ ∨ ψK(K ,u) = max{JϕK(K ,u) , JψK(K ,u) } Jϕ ∧ ψK(K ,u) = min{JϕK(K ,u) , JψK(K ,u) } JϕK(K ,u) = max{JϕK(K ,v ) | (u, v ) ∈ R} JϕK(K ,u) = min{JϕK(K ,v ) | (u, v ) ∈ R} 80 Beispiele Kripke-Strukturen: I K1 = (W1 , R1 , V1 ) mit I I I K2 = (W2 , R2 , V2 ) mit I I I W1 = {1, 2}, R1 = {(1, 2), (2, 1), (2, 2)} V1 (1) = {p, q}, V1 (2) = {q} N W2 = , R2 = < V2 (2n) = {p}, V2 (2n + 1) = {p, q} K3 = (W3 , R3 , V3 ) mit I I W3 = {1, 2, 3}, R3 = {(1, 2), (2, 3), (1, 3)} V3 (1) = {p, q}, V3 (2) = {p}, V3 (3) = ∅ Welche Struktur erfüllt welche der folgenden Formeln in welchen Zuständen: I p I ¬q I q → q I p → p I (p ∧ q) → (p ∧ q) I ¬q → ¬q 81 Modale Logiken – Semantik Kripke-Strukturen (K , u) mit JϕK(K ,u) = 1 heißen Modelle für ϕ Mod(ϕ) = {(K , u) | JϕK(K ,u) = 1} Formeln ϕ ∈ ML(P) und ψ ∈ ML(P) mit Mod(ϕ) = Mod(ψ) heißen äquivalent. Beispiel: ϕ ≡ ¬ ¬ϕ Formel ϕ ∈ ML(P) heißt erfüllbar gdw. Mod(ϕ) 6= ∅ allgemeingültig gdw. jede Kripke-Struktur ein Modell für ϕ ist z.B. (ϕ → ψ) → (ϕ → ψ) Äquivalenz, Erfüllbarkeit und Algemeingültigkeit werden auch bzgl. eingeschränkter Mengen von Kripke-Strukturen untersucht. 82 Formelschemata und Interpretationen der Modalitäten ϕ1 = ϕ → ϕ ϕ2 = ϕ → ϕ ϕ3 = ϕ → ϕ ϕ4 = t ϕ5 = ϕ → ϕ ϕ6 = ϕ ∨ ¬ϕ ϕ7 = (ϕ → ψ) ∧ (ϕ → ψ) ϕ8 = (ϕ ∧ ψ) → (ϕ ∧ ψ) Sollte ϕ → ϕ allgemeingültig sein, falls ϕ interpretiert als I ϕ ist notwendig. ja I Agent weiß, dass ϕ gilt. ja I Agent denkt, dass ϕ gilt. nein (analog für alle ϕi ) 83 Kripke-Strukturen als algebraische Strukturen Zu jeder Menge P von Aussagenvariablen wird die folgende Signatur definiert: ΣP = {(R, 2)} ∪ {(a, 1) | a ∈ P} Übersetzung der Kripke-Struktur K = (W , R, V ) in die ΣP -Struktur SK = (W , J·KSK ) mit JRKSK ∀a ∈ P : JaKSK = R = {w ∈ W | a ∈ V (w )} 84 Einbettung von ML(P) in FOL(ΣP , X ) Übersetzung T : ML(P) × {xi | i ∈ N} −→ FOL(Σ(P)) für a ∈ P : T (a, xi ) = a(xi ) T (¬ϕ, xi ) = ¬T (ϕ, xi ) T (ϕ ∧ ψ, xi ) = T (ϕ, xi ) ∧ T (ψ, xi ) T (ϕ, xi ) = ∃xj (R(xi , xj ) ∧ T (ϕ, xj )) T (ϕ, xi ) = ∀xj (R(xi , xj ) → T (ϕ, xj )) wobei xj eine neue Variable aus X ist, die in T (ϕ, xi ) nicht vorkommt. Beispiel: T ( p, x) = ∀y (R(x, y ) → ∃z(R(y , z) ∧ p(z))) Satz Für jede Formel ϕ ∈ ML(P) und jede Kripke-Struktur (K , u) gilt (K , u) |= ϕ gdw. Jθ(T (ϕ, x0 ))KSK = 1 für θ(x0 ) = u. 85 Was bisher geschah I Wiederholung klassische Aussagenlogik I Tableau-Kalkül für klassische Aussagenlogik I Einbettung ML in FOL Modallogiken I Motivation I Syntax Modallogik I Kripke-Frames und -Strukturen I Semantik Modallogik 86 Wissensrepräsentation in Modallogiken I Problembeschreibung (Wissensbasis) als Formelmenge Φ ⊆ ML(P) I Behauptung als Formel ψ ∈ ML(P) I Frage: Folgt ψ aus Φ? formal: Gilt Mod(Φ) ⊆ Mod(ψ)? (semantisches Folgern Φ |= ψ) weitere häufige Fragestellungen: I Ist ϕ ∈ ML(P) erfüllbar? I Ist ϕ ∈ ML(P) allgemeingültig? äquivalent: Ist ¬ϕ unerfüllbar? 87 Modale Logiken – Schließen Syntaktische Methode zur Feststellung der Erfüllbarkeit einer beliebigen Formel ϕ ∈ ML(P) Tableau-Kalkül für Modallogik: I Erweiterung des Tableau-Kalküls für die Aussagenlogik um neue Regeln I Markierung der Tableau-Knoten mit Paaren w : ϕ mit w ∈ W und ϕ ∈ ML(P) I Wurzelmarkierung u : ϕ (für Startwelt u) Wiederholung Tableau-Kalkül-Idee: I schrittweise Konstruktion eines Tableau mit Wurzelmarkierung ϕ I Pfade mit widersprüchlichen Formeln (in derselben Welt) werden geschlossen I nicht geschlossene maximale Pfade repräsentieren Modelle I ϕ ist unerfüllbar, wenn alle Pfade geschlossen 88 Aussagenlogische Tableau-Regeln Regeln für konjunktive Formeln (an jedes erreichbare Blatt anhängen): s :ϕ∧ψ s : ¬(ϕ ∨ ψ) s : ¬(ϕ → ψ) • | s:ϕ | s:ψ • | s : ¬ϕ | s : ¬ψ • | s:ϕ | s : ¬ψ s : ¬¬ϕ • | s:ϕ Regeln für disjunktive Formeln (an jedes erreichbare Blatt anhängen): s :ϕ∨ψ s : ¬(ϕ ∧ ψ) s:ϕ→ψ • / \ s:ϕ s:ψ • / \ s : ¬ϕ s : ¬ψ • / \ s : ¬ϕ s : ψ Beispiel: ((p → q) ∧ p) → q allgemeingültig 89 Zusätzliche Tableau-Regeln für Modallogik s : ϕ • | (s, t) ∈ R | t:ϕ s : ϕ s :¬ϕ s :¬ϕ • | t1 : ϕ | .. . • | s : ¬ϕ • | s : ¬ϕ | tn : ϕ I zur -Regel: t ist ein (neues) Symbol, welches auf dem Pfad zur Wurzel nicht vorkommt. Zusätzlich für jeden schon markierten Knoten s : ψ an jeden Pfad durch s : ϕ einen neuen Knoten t : ψ anhängen I zur -Regel: Für die Menge {t1 , . . . , tn } aller Symbole (Welten), für die ein Knoten (s, ti ) ∈ R auf dem Pfad zur Wurzel vorkommt. 90 Beispiele I I I ¬ p erfüllbar? (p ∨ q) → ¬ p erfüllbar? (p → q) → (p → q) allgemeingültig? Übungsaufgaben: I I I (p → q) ↔ p erfüllbar? (p → q) ∧ p ∧ ¬q unerfüllbar? p → (p ∨ q) allgemeingültig? 91 Allgemeingültige modallogische Formeln aus Äquivalenzen z.B. ¬ ϕ ↔ ¬ϕ (ϕ ∧ ψ) ↔ ϕ ∧ ψ (ϕ ∨ ψ) ↔ ϕ ∨ ψ K: ((ϕ → ψ) ∧ ϕ) → ψ ≡ (ϕ → ψ) → (ϕ → ψ) nicht allgemeingültig sind z. B. p → p p → p ¬ p → ¬ p t 92 Formelschemata Prominente Axiome: K1 (ϕ → ψ) → (ϕ → ψ) (Distributivität) K2 ϕ → ϕ (necessitation rule) Was wahr ist, gilt notwendig. M ϕ → ϕ Was notwendig gilt, ist wahr. 4 ϕ → ϕ (positive Introspektion) 5 ¬ ϕ → ¬ ϕ (negative Introspektion) B ϕ→ϕ Jede wahre Formel muss notwendig möglich sein. D ϕ → ϕ Alles Notwendige ist möglich. Sollte M (ϕ → ϕ) allgemeingültig sein, falls ϕ interpretiert als I ϕ ist notwendig. ja I Agent weiß, dass ϕ gilt. ja I Agent denkt, dass ϕ gilt. nein (analog für alle ϕi ) 93 Was bisher geschah I Wiederholung klassische Aussagenlogik I Tableau-Kalkül für klassische Aussagenlogik I Wiederholung klassische Prädikatenlogik (1. Stufe) Modallogiken I Motivation I Syntax Modallogik I Kripke-Frames und -Strukturen I Semantik Modallogik I Einbettung ML in FOL I Tableau-Kalkül für ML Wiederholung: (p → p) → t allgemeingültig? 94 WH: Modale Logiken – Semantik (induktive) Definition: Wert JϕK(K ,u) einer Formel ϕ ∈ ML(P) in (K , u) mit I einer Kripke-Struktur K = (W , R, V ) und I einer Welt u ∈ W JpK(K ,u) = V (u, p) J¬ϕK(K ,u) = 1 − JϕK(K ,u) Jϕ ∨ ψK(K ,u) = max{JϕK(K ,u) , JψK(K ,u) } Jϕ ∧ ψK(K ,u) = min{JϕK(K ,u) , JψK(K ,u) } JϕK(K ,u) = max{JϕK(K ,v ) | (u, v ) ∈ R} JϕK(K ,u) = min{JϕK(K ,v ) | (u, v ) ∈ R} min(∅) = 1 max(∅) = 0 95 Äquivalenzen modallogischer Formeln ∀ϕ, ψ ∈ ML(P) : (ϕ ≡ ψ gdw. Mod(ϕ) = Mod(ψ)) prominente Äquivalenzen: ¬ ϕ ≡ ¬ϕ ¬ ϕ ≡ ¬ϕ (ϕ ∧ ψ) ≡ ϕ ∧ ψ (ϕ ∨ ψ) ≡ ϕ ∨ ψ (ϕ ∧ ψ) 6≡ ϕ ∧ ψ (ϕ ∨ ψ) 6≡ ϕ ∨ ψ t ≡ t f ≡ f f 6≡ f t 6≡ t t ≡ p → p 96 Wissensrepräsentation in Modallogiken I Problembeschreibung (Wissensbasis) als Formelmenge Φ ⊆ ML(P) I Behauptung als Formel ψ ∈ ML(P) I Frage: Folgt ψ aus Φ? formal: Gilt Mod(Φ) ⊆ Mod(ψ)? (semantisches Folgern Φ |= ψ) weitere häufige Fragestellungen: I Ist ϕ ∈ ML(P) erfüllbar? I Ist ϕ ∈ ML(P) allgemeingültig? äquivalent: Ist ¬ϕ unerfüllbar? 97 Allgemeingültige modallogische Formeln aus Äquivalenzen z.B. ¬ ϕ ↔ ¬ϕ (ϕ ∧ ψ) ↔ ϕ ∧ ψ (ϕ ∨ ψ) ↔ ϕ ∨ ψ K1 : ((ϕ → ψ) ∧ ϕ) → ψ ≡ (ϕ → ψ) → (ϕ → ψ) nicht allgemeingültig sind z. B. p → p p → p ¬ p → ¬ p t 98 Formelschemata Prominente Formelschemata (später Einsatz als Axiome): K1 (ϕ → ψ) → (ϕ → ψ) (Distributivität) K2 ϕ → ϕ (necessitation rule) Was wahr ist, gilt notwendig. T ϕ → ϕ (truth) Was notwendig gilt, ist wahr. 4 ϕ → ϕ (positive Introspektion) 5 ¬ ϕ → ¬ ϕ (negative Introspektion) B (Brower) ϕ → ϕ Jede wahre Formel muss notwendig möglich sein. D ϕ → ϕ Alles Notwendige ist möglich. Sollte T (ϕ → ϕ) allgemeingültig sein, falls ϕ interpretiert als I ϕ ist notwendig. ja I Agent weiß, dass ϕ gilt. ja I Agent denkt, dass ϕ gilt. nein (analog für alle ϕi ) 99 Modallogiken nach Semantik wichtige Axiome: T ϕ → ϕ 4 ϕ → ϕ 5 ϕ → ϕ D ϕ → ϕ K ((ϕ → ψ) ∧ ϕ) → ψ B ϕ→ϕ t (folgt aus T) ϕ ∨ ¬ϕ (ϕ ∧ ψ) → (ϕ ∧ ψ) 100 Modallogiken nach Semantik ϕ : ϕ ist (logisch) notwendig ϕ ≡ ¬ ¬ϕ: ¬ϕ gilt nicht notwendig, also gilt ϕ möglicherweise Welche Axiome sollten gelten? T ϕ → ϕ (ja) 4 ϕ → ϕ (ja) D ϕ → ϕ (ja) 5 ϕ → ϕ (ja) K ((ϕ → ψ) ∧ ϕ) → ψ (ja) B ϕ→ϕ t ϕ ∨ ¬ϕ (ϕ ∧ ψ) → (ϕ ∧ ψ) (ja) (nein) (nein) 101 Temporallogik ϕ (G ϕ): ϕ gilt (in Zukunft) immer ϕ ≡ ¬ ¬ϕ (F ϕ) : ¬ϕ gilt (in Zukunft) nicht (notwendig) immer, also ϕ gilt (in Zukunft) irgendwann Häufig werden weitere Modalitäten verwendet X (ϕ) für ϕ gilt im nächsten Schritt ϕUψ für ϕ gilt solange, bis ψ eintritt. Welche Axiome sollten gelten? T 4 5 D K B ϕ → ϕ (ja, falls Zukunft Gegenwart einschließt) ϕ → ϕ (ja) ϕ → ϕ (nein) ϕ → ϕ (nein) ((ϕ → ψ) ∧ ϕ) → ψ (ja) ϕ→ϕ t (ja, falls Zeitverlauf unendlich) ϕ ∨ ¬ϕ (nein) (ϕ ∧ ψ) → (ϕ ∧ ψ) (nein) 102 Deontische Logik ϕ (Oϕ): ϕ ist (moralisch) verpflichtend ϕ(Pϕ) ≡ ¬ ¬ϕ : ¬ϕ ist nicht verpflichtend, also ist ϕ zulässig Häufig wird weitere Modalität F ϕ = ¬ϕ verwendet für ϕ ist verboten“ ” Welche Axiome sollten gelten? T ϕ → ϕ (nein) 5 ϕ → ϕ (nein) 4 ϕ → ϕ D ϕ → ϕ K ((ϕ → ψ) ∧ ϕ) → ψ B ϕ→ϕ t ϕ ∨ ¬ϕ (ϕ ∧ ψ) → (ϕ ∧ ψ) (nein) (ja) (ja) (ja) (nein) (nein) 103 Doxastische Logik ϕ : ϕ Agent glaubt, dass ϕ gilt Welche Axiome sollten gelten? T ϕ → ϕ (nein) 4 ϕ → ϕ (ja) D ϕ → ϕ (ja) 5 ϕ → ϕ ≡ ¬ ϕ → ¬ ϕ (ja) K ((ϕ → ψ) ∧ ϕ) → ψ (ja) B ϕ→ϕ t ≡ ¬ f ϕ ∨ ¬ϕ (ja, Agent glaubt nichts Widersprüchliches) (ϕ ∧ ψ) → (ϕ ∧ ψ) ≡ ¬ (ϕ ∧ ψ) → ¬(ϕ ∧ ψ) ≡ (¬ϕ ∨ ¬ψ) → (¬ϕ ∨ ¬ψ) ≡ (ϕ0 ∨ ψ 0 ) → (ϕ0 ∨ ψ 0 ) (nein) (nein) 104 Epistemische Logik ϕ : ϕ Agent weiß, dass ϕ gilt Welche Axiome sollten gelten? T ϕ → ϕ (ja, Agent weiß nur Wahres) 4 ϕ → ϕ (ja, positive Introspektion) 5 ϕ → ϕ ≡ ¬ ϕ0 → ¬ ϕ0 (ja, negative Introspektion) D ϕ → ϕ ≡ ϕ → ¬ ¬ϕ (ja, Wissen ist konsistent) K ((ϕ → ψ) ∧ ϕ) → ψ (ja, Agent kennt alle Konsequenzen) B ϕ → ϕ ≡ ϕ → ¬ ¬ϕ t ≡ ¬ f ϕ ∨ ¬ϕ (ja, Agent weiß nichts Falsches) (ϕ ∧ ψ) → (ϕ ∧ ψ) ≡ (¬ ¬ϕ ∧ ¬ ¬ψ) → ¬ ¬(ϕ ∧ ψ) ≡ (¬ ϕ0 ∧ ¬ ψ 0 ) → ¬ (ϕ0 ∨ ψ 0 ) (nein) (nein) 105 Übergangsrelation in verschiedenen Modallogiken Zusammenhang der Bedeutung von ϕ mit der Bedeutung der Übergänge R(u, v ): modal ϕ ist notwendig (Belegung der) Welt v mit dem in u vorhandenen Wissen konsistent (v ist eine mögliche Welt) temporal ϕ gilt immer v ist eine zukünftige Welt von u deontisch ϕ ist verpflichtend (Belegung der) Welt v mit dem in u vorhandenen Wissen akzeptabel doxastisch A glaubt ϕ (Belegung der) Welt v könnte nach As Ansicht in u die tatsächliche Welt sein epistemisch A weiß ϕ (Belegung der) Welt v könnte nach As Wissen in u die tatsächliche Welt sein 106 Eigenschaften binärer Relationen Wiederholung: reflexiv ∀xR(x, x) symmetrisch ∀x∀y (R(x, y ) → R(y , x)) transitiv ∀x∀y ∀z(R(x, y ) ∧ R(y , z) → R(x, z)) total ∀x∀y (R(x, y ) ∨ R(y , x)) vorwärts-linear ∀x∀y ∀z(R(x, y ) ∧ R(x, z) → (R(y , z) ∨ R(z, y ) ∨ x = y )) Quasiordnung (QO) reflexiv + transitiv Äquivalenzrelation (ÄR) QO + symmetrisch weitere Eigenschaften: Euklidisch ∀x∀y ∀z(R(x, y ) ∧ R(x, z) → R(y , z)) seriell ∀x∃yR(x, y ) funktional ∀x∃y (R(x, y ) ∧ ∀z(R(x, z) → z = y )) dicht ∀x∀y (R(x, y ) → ∃z(R(x, z) ∧ R(z, z))) shift-reflexiv ∀x∀y (R(x, y ) → R(y , y )) konvergent ∀x∀y ∀z(R(x, y ) ∧ R(x, z) → ∃u(R(y , u) ∧ R(z, u))) 107 Eigenschaften der Übergangsrelation – Beispiel ϕ (epistemisch) interpretiert als: A weiß, dass ϕ gilt R(u, v ) (Belegung der) Welt v könnte nach As Wissen in u die tatsächliche Welt sein Welche Eigenschaften sollte R haben? reflexiv ∀xR(x, x) Die aktuelle Welt x könnte nach As Wissen die tatsächliche Welt sein. sollte gelten, weil A nur Wahres wissen kann (siehe Überlegungen zu ϕ → ϕ) transitiv ∀x∀y ∀z(R(x, y ) ∧ R(y , z) → R(x, z)) Wenn die Welt y mit dem aktuellen Wissen in der Welt x möglich ist und die Welt z mit dem Wissen in der Welt y möglich ist, dann ist z auch nach dem aktuellen Wissen in der Welt x möglich. sollte gelten (siehe Überlegungen zur positiven Instrospektion ϕ → ϕ) 108 Prominente Klassen von Kripke-Frames Verschiedene Modallogiken unterscheiden sich durch Eigenschaften der Kripke-Frames (W , R), die als relevant betrachtet werden. Kripke-Frame (W , R) erfüllt eine Formel ϕ ∈ ML(P) ((W , R) |= ϕ) gdw. ∀V : P → {0, 1} ∀u ∈ W : JϕK((W ,R,V ),u) = 1 Es gilt: (W , R) erfüllt ein Formelschema ϕ ∈ ML(P) gdw. (W , R) erfüllt eine Instanz des Formelschemas. (Für Kripke-Strukturen (W , R, V ) gilt das i.A. nicht) Beispiel: Kripke-Frame ({1, 2, 3}, {(1, 1), (1, 2), (2, 2), (2, 3), (3, 3)}) erfüllt p → p, aber nicht p → p erfüllt Frames für Temporallogiken sind transitiv (und irreflexiv) 109 Korrespondenz zwischen Frame-Eigenschaften und Formelschemata Folgende Aussagen über Kripke-Frame (W , R) sind äquivalent: 1. R ist reflexiv. 2. (W , R) erfüllt p → p 3. Für jede Formel ϕ ∈ ML(P) gilt: (W , R) erfüllt ϕ → ϕ Folgende Aussagen über Kripke-Frame (W , R) sind äquivalent: 1. R ist transitiv. 2. (W , R) erfüllt p → p 3. Für jede Formel ϕ ∈ ML(P) gilt: (W , R) erfüllt ϕ → ϕ 110 Prominente Korrespondenzen zwischen Frame-Eigenschaften und Formelschemata: I I I I I I I I I I reflexiv: ϕ → ϕ (T) Euklidisch: ϕ → ϕ (5) transitiv: ϕ → ϕ (4) symmetrisch: ϕ → ϕ (B) seriell (keine Sackgassen): ϕ → ϕ vorwärts-linear: (ϕ ∧ ϕ → ψ) ∨ (ψ ∧ ψ → ϕ) dicht: ϕ → ϕ funktional: ϕ → ϕ shift-reflexiv: (ϕ → ϕ) konvergent: ϕ → ϕ (D) (C4) (CD) (T) (C) 111 Prominente Modallogiken nach geltenden Axiomen K (Kripke) Axiome K1 und K2 gelten (normale Modallogik) T Axiome (K1, K2 und) T gelten K4 Axiome (K1, K2 und) 4 gelten Übergangsrelation ist transitiv, Zeitlogiken S4 (KT4) Axiome (K1, K2,) T und 4 gelten und damit auch ϕ ≡ ϕ und · · · ϕ ≡ ϕ und · · · ϕ ≡ ϕ Übergangsrelation ist Quasiordnung Logiken zur Programmverifikation, intuitionistische Logik (mit zusätzlicher Bedingung: V monoton bzgl. R, d.h, ∀(u, v ) ∈ R : V (u) ⊆ V (v )) S5 Axiome (K1, K2,) T und 5 gelten und damit auch für ∗ ∈ {, }: ∗ · · · ∗ ϕ ≡ ϕ und ∗ · · · ∗ ϕ ≡ ϕ (alternative Def.: Axiome (K1, K2,) T ,4 und B gelten S45 (KT45) Axiome (K1, K2,) T, 4 und 5 gelten Übergangsrelation ist Äquivalenzrelation epistemische Logiken 112 Was bisher geschah I Daten, Information, Wissen I explizites und implizites Wissen I intelligente Agenten I Wiederholung klassische Aussagenlogik I Wiederholung klassische Prädikatenlogik I Tableau-Kalkül für klassische Aussagenlogik Wissensrepräsentation und -verarbeitung in Modallogiken: I Modallogik: Motivation, Syntax und Semantik I Tableau-Kalkül für Modallogik I prominente Modallogiken I Frame-Eigenschaften und korrespondierende Axiome 113 Multi-Agenten-Systeme (MAS) Multi-Agenten-System I mehrere Agenten I individuelles Wissen I gemeinsames Wissen I verteiltes Wissen I Kommunikationsmöglichkeiten I Schließen über das Wissen anderer Agenten Beispiele: I Verhandlungssituationen I Arbeitsteam I Kryptographische Vefahren und Protokolle I Mehr-Personen-Spiele I Robotik 114 Entwicklung gemeinsamen Wissens in MAS Beispiele: I 3 Logiker in der Bar I Summe und Produkt Zu jedem Zeitpunkt existiert I Wissen der einzelnen Agenten I gemeinsames Wissen über I den (Zustand der) Welt I das Wissen der Agenten Durch öffentliche Aussagen wird (spezielles und gemeinsames) Wissen erweitert. 115 Multi-Modal-Logiken Menge A von Agenten, jeder mit eigenem Wissen Modalitäten für jeden Agenten: Syntax der Formeln aus ML(P) in BNF: ϕ ::= p | ¬ϕ | ϕ ∨ ψ | ϕ ∧ ψ | a ϕ | a ϕ mit a ∈ A, p ∈ P, ϕ, ψ ∈ ML(P) Bedeutungen: a ϕ Agent a weiß ϕ a ϕ Agent a hält ϕ für möglich Beispiele: I I a ϕ ∧ a ¬ b a ϕ a (b ϕ ∨ c ϕ) 116 Gemeinsames und verteiltes Wissen Menge A von Agenten, jeder mit eigenem Wissen Abkürzungen für Gruppe G = {a1 , . . . , am } ⊆ A: verteiltes Wissen jedem bekanntes Wissen DG ϕ = a1 ϕ ∨ · · · ∨ am ϕ EG ϕ = ϕ = a1 ϕ ∧ · · · ∧ am ϕ gemeinsames Wissen (von dem auch jeder weiß, dass es jeder weiß) ^ CG ϕ = ∗ ϕ = · · } ϕ | ·{z N n∈ n-mal 117 Kripke-Strukturen für MAS Menge A von Agenten Kripke-Frame für MAS (W , {Ra | a ∈ A}) mit I Menge W von Welten, I für jeden Agenten a ∈ A eine Erreichbarkeitsrelation Ra ⊆ W 2 (möglicherweise unendliche) Graphen mit markierten Kanten (Markierungen aus A). Kripke-Struktur für MAS K = (W , {Ra | a ∈ A}, V ) mit I Kripke-Frame (W , {Ra | a ∈ A}) I Variablenbelegung V : (W × P) −→ {0, 1}) ordnet jeder Welt eine Belegung der Aussagenvariablen zu alternative Definition V : W −→ 2P Kripke-Strukturen sind also Graphen, deren Kanten mit Agenten aus A und deren Knoten mit Mengen aus 2P markiert sind. 118 Beispiel: Karten I I I Karten A, B, C Agenten 1, 2, 3 Jeder hat und kennt eine der Karten (verdeckt). Aussagenvariablen: 1A für 1 hat A“, 2B für 2 hat B“, . . . ” ” Kripke-Frame (W , R) mit W = {ABC , ACB, BCA, BAC , CAB, CBA}) und R1 = . . . , R2 = . . . , R3 = . . . Kripke-Struktur K = (W , R, V ) mit I (K , AB) |= 1A, (K , AB) |= 2B, I (K , AB) |= 1 1A, (K , AB) |= 1 ¬2A, (K , AB) |= 1 (2B ∨ 2C ),. . . Aussagen: 1: Ich habe die Karte A nicht. 2: Ich weiß nicht, welche Karte 1 hat. 3: Ich weiß jetzt, welche Karte 2 hat. 119 Wiederholung: Schließen über Wissen (Idealisierte) Annahmen: I Wass man weiß, stimmt. (Man kann nur Wahres wissen.) ϕ → ϕ I Wenn man etwas weiß, dann weiß man auch, dass man es weiß. ϕ → ϕ (positive Introspektion) I Wenn man etwas nicht weiß, dann weiß man auch, dass man es nicht weiß. ¬ ϕ → ¬ ϕ ≡ ¬ϕ → ¬ϕ |{z} |{z} ϕ0 ϕ0 (negative Introspektion) 120 Wiederholung: Frame-Eigenschaften und -Axiome Sinnvolle Eigenschaften für Kripke-Frames (W , R) in der epistemischen Logik (Schließen über Wissen) Eigenschaft von R Frame-Axiom reflexiv transitiv euklidisch ϕ → ϕ ϕ → ϕ ϕ → ϕ Fakt Eine Relation ist genau dann reflexiv, transitiv und euklidisch, wenn sie reflexiv, transitiv und symmetrisch ist. Für jeden Agenten a ∈ A muss also die Erreichbarkeitsrelation Ra eine Äquivalenzrelation sein. 121 Semantik (induktive) Definition: Wert JϕK(K ,u) einer Formel ϕ ∈ MLA (P) in (K , u) mit I einer Kripke-Struktur K = (W , {Ra | a ∈ A}, V ) mit Äquivalenzrelationen Ra und I einer Welt u ∈ W JpK(K ,u) = V (u, p) J¬ϕK(K ,u) = 1 − JϕK(K ,u) Jϕ ∨ ψK(K ,u) = max{JϕK(K ,u) , JψK(K ,u) } Jϕ ∧ ψK(K ,u) = min{JϕK(K ,u) , JψK(K ,u) } Ja ϕK(K ,u) = min{JϕK(K ,v ) | (u, v ) ∈ Ra } Ja ϕK(K ,u) = max{JϕK(K ,v ) | (u, v ) ∈ Ra } JϕK(K ,u) = min{Ja ϕK(K ,u) | a ∈ A} J∗ ϕK(K ,u) = min J · · · ϕK(K ,u) | n ∈ | {z } n-mal N 122 Allgemeingültige Formeln a ϕ ∧ a (ϕ → ψ) → a ψ ϕ ∧ (ϕ → ψ) → ψ ∗ ϕ ∧ ∗ (ϕ → ψ) → ∗ ψ a ϕ → a a ϕ ¬ a ϕ → a ¬ a ϕ a ϕ → ϕ ϕ → ϕ n ϕ → ϕ aber ϕ 6→ ϕ ¬ ϕ 6→ ¬ ϕ 123 Seminar-Themen zur Auswahl 1. Sabotage Modal Logic https://hal.inria.fr/hal-01194426/document 2. Asynchronous Announcements https://arxiv.org/pdf/1705.03392 3. Logic of Questions and Public Announcements http://web.ff.cuni.cz/~pelis/PelisMajerTbiLLC09ii.pdf 4. Seeing is Believing: Formalising False-Belief Tasks in Dynamic Epistemic Logic https://pdfs.semanticscholar.org/71e9/5fb542f1e05061edb2bdacb3182fc5894138.pdf 5. A Logic of Knowing Why https://arxiv.org/pdf/1609.06405 6. Modal logic for preference based on reasons https://www.princeton.edu/~osherson/papers/chap13.pdf 7. Dynamic Epistemic Logics https://homepages.cwi.nl/~jve/papers/13/pdfs/del.pdf 8. Modelling Legal Relations http://homepages.cwi.nl/~jve/papers/16/pdfs/MLRloft.pdf 9. Logics for Intelligent Agents and Multi-Agent Systems http://www.cs.uu.nl/docs/vakken/iag/jj.MAS.histlog.handbook.pdf 10. A Gentle Introduction to Epistemic Planning: The DEL Approach https://arxiv.org/abs/1703.02192 11. PDL as a Multi-Agent Strategy Logic http://homepages.cwi.nl/~jve/papers/13/pdfs/masl.pdf 12. Trust, Belief and Honesty http://easychair.org/publications/download/Trust-_Belief_and_Honesty 13. A Logic of Knowledge and Strategies with Imperfect Information https://www.irit.fr/~Emiliano.Lorini/LAMAS2015/paper2.pdf 124 Was bisher geschah I I I I I I Daten, Information, Wissen explizites und implizites Wissen intelligente Agenten Wiederholung klassische Aussagenlogik Wiederholung klassische Prädikatenlogik Tableau-Kalkül für klassische Aussagenlogik Wissensrepräsentation und -verarbeitung in Modallogiken: I Modallogik: Motivation, Syntax und Semantik I Tableau-Kalkül für Modallogik I prominente Modallogiken I Frame-Eigenschaften und korrespondierende Axiome Wissensrepräsentation und -verarbeitung für Multiagentensyteme: I individueles, gemeinsames, verteiltes Wissen I multimodale (epistemische) Logiken I multimodale Kripke-Srukturen 125 Beispiel: 3 Weise mit Hut 3 von 5 Hüten (2 weiß, 3 rot) werden 3 Weisen aufgesetzt, so dass keiner die Farbe seines Hutes, aber die Farben aller anderen Hüte sehen kann. Jeder wird der Reihe nach gefragt, ob er die Farbe seines Hutes weiß. Antworten: 1: Nein 2: Nein 3: Ja I In welcher Situation weiß 3 seine Farbe? I Warum weiß 3 seine Farbe auf jeden Fall? I In welchen Fällen kennt 1 seine Farbe? I In welchen Fällen kennt 1 seine Farbe nicht, aber 2? 126 Modellierung: 3 Weise mit Hut 3 von 5 Hüten (2 weiß, 3 rot) werden 3 Weisen aufgesetzt, so dass keiner die Farbe seines Hutes, aber die Farben aller anderen Hüte sehen kann. ∗ (r1 ∨ r2 ∨ r3 ), ∗ (r1 → 2 r1 ), ∗ (¬r1 → 2 ¬r1 ), ∗ (r1 → 3 r1 ), ∗ (¬r1 → 3 ¬r1 ) ∗ (r2 → 1 r2 ), ∗ (¬r2 → 1 ¬r2 ), ∗ (r2 → 3 r2 ), ∗ (¬r2 → 3 ¬r2 ) ∗ (r3 → 1 r2 ), ∗ (¬r3 → 1 ¬r3 ), ∗ (r3 → 2 r2 ), ∗ (¬r3 → 2 ¬r3 ) neues (gemeinsames) Wissen nach den Antworten: 1: Nein, also ∗ (¬ 1 r1 ∧ ¬ 1 ¬r1 ) Achtung: Änderung des Wissens (gemeinsam und individuell) nach den Antworten neues gemeinsames Wissen enthält auch ∗ (r2 ∨ r3 ) Warum? 2: Nein, also ∗ (¬ 2 r2 ∧ ¬ 2 ¬r2 ) neues Wissen enthält nun auch 3 r3 Warum? 3: Ja 127 Beispiel: Markierte Weise k ≥ 1 von n schlafenden Weisen wird die Stirn markiert. Nach einer Weile sagt ein vorbeikommender Wanderer: Wenigstens einer von Euch ist markiert.“ ” Einige Zeit danach wischen alle k Markierten zugleich ihre Markierung ab. Warum? 128 Markierte Weise Variante ohne Wanderer: I wiederholte Frage an jeden: Weißt Du, ob Du markiert bist? Antwort nein“ führt nicht zu neuem gemeinsamen Wissen ” Variante mit Wanderer: Wenigstens einer von Euch ist markiert.“ ” neues gemeinsames Wissen: ∗ (m1 ∨ · · · ∨ mn ) I I wiederholte Frage an jeden: Weißt Du, ob Du markiert bist? Antwort nein“ führt zu neuem gemeinsamen Wissen ” Überlegungen für k = 1, 2, 3, . . . I I I k = 1: einziger Markierter weiß sofort, dass er markiert ist, da er keinen anderen Markierten sieht. k = 2: 1. Fragerunde: beide nein“ ” 2. Fragerunde: beide ja“ ” I Warum? k = 3: . . . k Markierte antworten alle in Fragerunde k − 1 ja“, vorher nein“ ” ” 129 Modellierung: Markierte Weise (mit Wanderer) Gemeinsames Wissen: I zu V Beginn ∗ i,j∈{1,...,n} (mi i6=j I → j mi ) ∧ V ∗ i,j∈{1,...,n} (¬mi i6=j → j ¬mi ) W nach Auftritt des Wanderers: ∗ ( i∈{1,...,n} mi ) 130 Was bisher geschah I Daten, Information, Wissen I explizites und implizites Wissen I intelligente Agenten I Wiederholung klassische Aussagenlogik Tableau-Kalkül für klassische Aussagenlogik I Wiederholung klassische Prädikatenlogik I Repräsentation zustandsabhängigen Wissens, zeitlichen Wissens, Wissen über Wissen usw. Modallogiken (entscheidbare Fragmente der klassischen Prädikatenlogik der ersten Stufe) Tableau-Kalkül für Modallogik I Repräsentation von Wissen über Wissen mehrerer Agenten I Repräsentation von Wissen über Wirkung von Aktionen und Bekanntgaben 131 Motivation Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt. Ludwig Wittgenstein (1921, Logisch-philosophische Abhandlung) Sprachen und Begriffswelten: I Alltag: natürliche Sprache I Medizin: natürliche Sprache mit Fachbegriffen I Mathematik, Informatik, Wissensrepräsentation: Logik, formale Sprachen Ziel: inhaltliche Stukturierung des Wissens über einen Problembereich 132 Was ist Ontologie? Antwort des Philosophen: Lehre vom Sein und Wesen der Dinge Informatikers: explizite formale Spezifikation der Konzeptualisierung eines Wissensbereiches formale Spezifikation: I Repräsentation in einer formalen Sprache Konzeptualisierung: I Definition von Begriffen (Konzepten) und Beziehungen zwischen den Begriffen I standardisierende Terminologie 133 Wozu Ontologien? Ziele: I Strukturierung des Wissens über ein Gebiet I Definition der Begriffswelt (Begriffe und ihre Beziehungen zueinander) I Repräsentation des gemeinsames Verständnisses vom Problembereich I Grundlage für Kommunikation zwischen Agenten (menschlich oder künstlich) über den Problembereich I automatische Wissensverarbeitung (z.B. logisches Schließen) Anwendungsbereiche: spezielles Problem , z.B. Struktur der HTWK für ein Fachgebiet , z.B. Medizin (Fachbegriffe, Fachsprache) (domain ontologies) allgemein , z.B. Semantic Web (top level ontologies) 134 Entwicklung von Ontologien Definition von I Fachgebiet, Anwendungsziel und Umfang I Begriffen und Beziehungen dazwischen (z.B. Begriffshierarchien) I Klassen I Merkmalen und Merkmalswerten I evtl. typische Problemlösemethoden immer sinnvoll: Nachnutzung und evtl. Erweiterung vorhandener Ontologien 135 Qualitätskriterien für Ontologien I Konsistenz: logische Widerspruchsfreiheit I Vollständigkeit (immer relativ) entsprechend Anwendungsziel I geeigneter Abstraktionsgrad I einfache konsistente Erweiterbarkeit um neues Wissen I Robustheit gegenüber geringer Änderungen I Kompatibilität mit Ontologien zu verwandten Gebieten 136 Anforderungen an Ontologiesprachen I angemessene Ausdrucksstärke I eindeutig definierte Syntax I eindeutig definierte Semantik I Möglichkeit automatischer Wissensverarbeitung (z.B. logisches Schließen) I Lesbarkeit 137 Beschreibungslogiken I Wissensrepräsentationssprachen zur formalen Darstellung von konzeptuellem Wissen (Wissen über den Zusammenhang zwischen Begriffen) I Fragmente (Einschränkungen) der Prädikatenlogik der ersten Stufe I I I I I entscheidbar keine Funktionssymbole nur ein- und zweistellige Relationen variablenfrei für die meisten Anwendungen ausdrucksstark genug Beschreibungslogiken sind geeignet zur Repräsentation von Ontologien typische Beschreibungslogiken und Ontologiesprachen: ALC und Erweiterungen, RDF (Resource Description Framework) OWL (Web Ontology Language) aktive Forschung, jährlich Workshops (http://dl.kr.org/) 138 Grundlagen Individuum (Objekt) Konstante, bezeichnet Objekt aus dem Problembereich z.B. Hugo, HTWK, Li415, Husten Konzept repräsentiert einstellige Relation, beschreibt Menge von Individuen einfach: Symbol, z.B. Mensch, Student, Wohnung, Stadt, Land, Erkrankung zusammengesetzt: logischer Ausdruck, z.B. Mensch u ∃ besucht.Vorlesung Mensch u ¬∃ bewohnt.Wohnung Erkrankung u ∀ hatUrsache.Erreger Rolle repräsentiert zweistellige Relation beschreibt Beziehung zwischen Individuen, z.B. bewohnt, kennt, hört, istEin, istTeilVon Symbole für logische Operationen: t, u, ¬, ⊥, >, ∀, ∃ 139 TBox und ABox TBox (terminology) enthält Kontextwissen über Problembereich Definitionen von Begriffen und Relationen zwischen Begriffen, z.B. Mann ≡ Mensch u männlich Vater ≡ Mann u ∃ hatKind.> Mensch u Wohnung v ⊥ Infekt v Erkrankung u ∀ hatUrsache.Erreger ABox (assertions) Weltmodell enthält Aussagen über Individuen Formeln der Form C (a) oder R(c, d) mit a, c, d Konstanten, C Konzept, R Rollenname z.B. Mann(Tom), hatKind(Tom,Tina) 140 Wissensverarbeitung in Beschreibungslogiken Typische (Entscheidungs-)Aufgaben: I Ist ein Konzept erfüllbar? (oder widersprüchlich) I Subsumiert (umfasst) das Konzept C das Konzept D? I Sind die Konzepte C und D äquivalent? I Ist eine T-Box erfüllbar? I Sind die T-Boxen T und T’ äquivalent? I Ist ein Paar aus A-Box und T-Box erfüllbar? 141 Beschreibungslogik ALC: Syntax der ABox ALC: Attributive (Concept) Language with Complement Signatur: (NC , NR ) mit NC ∩ NR = ∅ I Menge NC von Begriffen I Menge NR von Rollennamen ALC-Begriffe (induktive Definition): IA: Alle Elemente aus NC und ⊥, > sind Begriffe. IS: Sind A, B Begriffe und r ein Rollenname, dann sind auch ¬A, A u B, A t B, ∃r .A, ∀r .A Begriffe. ABox: endliche Menge von ALC-Begriffen 142 ALC: Interpretation (NC , NR )-Interpretation (A, J·KA ) mit I Menge A 6= ∅ (Träger) I für jeden Begriff C ∈ NC : JC KA ⊆ A I für jeden Rollennamen r ∈ NR : Jr KA ⊆ A × A anschaulich: (A, J·KA ) ist ein gerichteter Graph mit I markierten Ecken (Markierung: Konzepte) und I markierten Kanten (Markierung: Rollen) aus (Multi-)Modallogik bekannt als Kripke-Struktur 143 Semantik der ABox Wert von ALC-Begriffen in (NC , NR )-Interpretation A = (A, J·KA ): JC KA durch Interpretation A definiert J¬C KA = A \ JC KA JC u DKA = JC KA ∩ JDKA JC t DKA = JC KA ∪ JDKA J∃r .C KA = {d ∈ A | ∃e ∈ A : ((d, e) ∈ r ∧ e ∈ C )} J∀r .C KA = {d ∈ A | ∀e ∈ A : ((d, e) ∈ r → e ∈ C )} Interpretation A mit JC KA 6= ∅ heißt Modell für C A |= C 144 Syntax und Semantik der TBox Inklusion von Begriffen: I Syntax C v D mit Begriffen C , D I Semantik: (A, J·KA ) erfüllt (ist Modell für) C v D gdw. JC KA ⊆ JDKA A |= C v D gdw. JC KA ⊆ JDKA TBox T ist endliche Menge von Begriffsinklusionen. Begriffsäquivalenz: {C v D, D v C } A |= C ≡ D gdw. JC KA = JDKA 145 DL als FOL-Fragment Kombination von Begriffen DL Vater ≡ Mann u Elter Person ≡ Mann t Frau Kinderloser ≡ Mann u¬ Elter Quantifizierung über Rollen Elter ≡ ∃ hatKind.Person Jungenvater ≡ ∀ hatKind.Mann FOL ∀x(Vater(x) ↔ (Mann(x) ∧ Elter(x))) ∀x(Person(x) ↔ (Mann(x) ∨ Frau(x))) ∀x(Kinderloser(x) ↔ (Mann(x) ∨ ¬Elter(x))) ∀x(Elter(x) ↔ ∃y (hatKind(x, y ) ∧ Person(y ))) ∀xJungenvater(x) ↔ ∀y (hatKind(x, y ) → Mann(y )) 146 Fragen an Ontologien für gegebene Ontologie O = (T , A) I Ist a eine Instanz des Begriffes C in O? Tableau für O ∪ {(¬C )(a)} I Existiert in O eine Instanz des Begriffes C ? Tableau für O ∪ {C (a)} I Ist der Begriff C erfüllbar? Tableau für {C (a)} mit a 6∈ O I Subsumiert der Begriff C den Begriff D? Tableau für {(C u ¬D)(a)} (mit a 6∈ O)) 147 Modellierungsbeispiel: SNOMED aus der Ontologie: Herzbeutel v Perikarditis ≡ Entzündung v Herzkrankheit ≡ Herzkrankheit v Gewebe u ∃ teilVon.Herz Entzündung u ∃ anStelle.Herzbeutel Erkrankung u ∃ wirktAuf.Gewebe Erkrankung u ∃ anStelle.Herz ∃ hatZustand.Behandlungsbedürftig im SNOMED-Katalog: Erkrankung Entzündung Perikarditis Daraus lässt sich formal schließen: Perikarditis v Herzkrankheit Perikarditis v ∃ hatZustand.Behandlungsbedürftig 148 Schließen in Beschreibungslogiken typische Probleme: gegeben: TBox T , Begriffe C , D Fragen: Gelten die folgenden Eigenschaften? Erfüllbarkeit T |= C Subsumption T |= C v D Äquivalenz T |= C ≡ D Lösungsmöglichkeiten: I Umweg über FOL 1. Übersetzung des Problems in FOL, danach 2. Übersetzung in AL (möglich für dieses Fragment) I Spezielle Kalküle, z.B. Tableau-Kalkül 149 Tableau-Beweise für Beschreibungslogik ALC gute Folien zur für Beschreibungslogiken üblichen Mengen-Darstellung unter http://esslli2016.unibz.it/wp-content/uploads/2015/ 10/Day2Tableau.pdf gegeben: Ontologie O = (T , A) und ALC-Begriff C in NNF (implizite NNF-Transformation auch für alle zwischenzeitlich neuberechneten Formeln) I I I I I I Idee: schrittweise Erweiterung von ABoxen Jede ABox repräsentiert einen Pfad im Tableau (Baum) Start z.B. {C (a)} (Erfüllt a C ?) ABox kann entfernt werden (geschlossen), falls sie für ein C sowohl C (a) als auch (¬C )(a) enthält terminiert, sobald keine Änderung mehr eintritt (Fixpunkt) jede verbliebene ABox repräsentiert Modell Beispiel (Tafel): Tableaux für {(∃r .A u ∃r .B u ∀r .(¬A t ¬B))(a)} 150 Tableau-Regeln für ALC (in Baum-Darstellung) I Regeln für u und t analog aussagenlogischen Tableau-Regeln im Paar ϕ(a) zusammen mit Individuum a (ABox oder neu) I Zusätzliche Tableau-Regeln für Beschreibungslogik ALC (analog zu Regeln für , , → in Modallogik) (∃r .C )(a) • | r (a, b) | C (b) (∀r .C )(a) • | C (b) (C v D)(a) • | (NNF(¬C ) t D)(a) I ∃r .-Regel dann anwenden, falls die Knoten r (a, b) und C (b) auf dem Pfad noch nicht existieren (ggf. mit neuem Individuum b) I ∀r .-Regel für jede (vorhandene und neu hinzukommende) Kante (a, b) ∈ r auf allen Pfaden unterhalb anwenden 151 Modul Wissensrepräsentation und -verarbeitung Lernziele/Kompetenzen: Die Studierenden sind in der Lage, Wissensrepräsentationen zur Modellierung zu benutzen, die über klassische Prädikatenlogik hinausgeht. Insbesondere können sie dem Problem angemessene Wissensverarbeitungstechniken zur Simulation intelligenten Verhaltens auswählen. Sie verstehen aktuelle Fachbeiträge und können eine verständliche Präsentation der dort vorgestellten Ansätze ausarbeiten und vorstellen. 152 Modul Wissensrepräsentation und -verarbeitung Lehrinhalte: Aktuelle Themen auf dem Gebiet der Wissensverarbeitung und künstlichen Intelligenz mit jährlich wechselnden Schwerpunkten, z.B.: I logische Programmierung und deduktives Schließen I Wissensrepräsentation und Schließen in nichtklassischen Logiken I künstliche neuronale Netze, maschinelles Lernen I wissensbasiertes Planen, Multi-Agenten-Systeme I algorithmische Geometrie, Pfadplanung I Wissensrepräsentation in Roboterfußball und autonomen Fahrzeugen I wissensbasierte Diagnosesysteme (z.B. in der Medizin) 153 Organisatorisches I I Prüfung (laut Modulbeschreibung: Klausur 90 min) am Montag, dem 24.07.2017 um 12:30-14:00 in G327 (gemeinsam mit KI für INB-Bachelor) Inhalt: I I I Vorlesungsinhalt Aufgabentypen wie Übungsaufgaben (Inhalt der Vorträge) I Prüfungsvorleistung Beleg (PVB): Präsentation und aktive Mitarbeit im Seminar haben alle Vortragenden bestanden I (ausschließlich) zulässiges Hilfsmittel: A4-Blatt (beidseitig) handbeschrieben 154 Inhalt der Lehrveranstaltung I I I I I Daten, Information, Wissen explizites und implizites Wissen heuristische Suche Spielbäume, Minimax-Werte Spielbaum-Suche, α-β-Pruning klassische Aussagenlogik I I I Modallogik I I I I I I Wiederholung Syntax, Semantik Tableau-Kalkül Syntax, Semantik (Kripke-Strukturen) Einbettung in klassische Prädikatenlogik Tableau-Kalkül verschiedene Modallogiken Frame-Eigenschaften und -Axiome multimodale Logiken I I Syntax, Semantik Seminar-Vorträge zu verschiedenen multimodalen Logiken 155 Motivation (aus der ersten Vorlesung) Wie wird Wissen I repräsentiert? I verarbeitet? I erworben? I ausgetauscht? Wissen über I Eigenschaften und Beziehungen von Objekten und Gruppen von Objekten I Aktionsmöglichkeiten und deren Folgen Nutzung von Wissen zum I Lösen von Problemen I Planen von Handlungen I gemeinsamen Handeln 156 Daten, Information, Wissen, Intelligenz I Beziehungen zwischen Agent und Umwelt I Daten, Information, Wissen I Was ist (künstliche) Intelligenz? Turing-Test, Chinese-Room-Test Modellierung von Wissen / Intelligenz: I biologische (menschliche) Kognition I rationales Handeln (schwache KI) I rationales Denken (starke KI) 157 Zustandsübergangssysteme Wissensrepräsentation: Darstellung von Problem: Zustandsübergangssysteme, d.h. Graphen mit Ecken (Zuständen) und Kanten (Übergänge) Zustände charakterisiert durch Eigenschaften Startzustände, Eigenschaften der Zielzustände Lösung: Zielzustand, Weg von einem Start- zu einem Zielzustand Wissensverarbeitungsverfahren: Suche in Graphen (Breitensuche, Tiefensuche, heuristische Suchverfahren) 158 Suche in Graphen Standard-Suchalgorithmus Verwaltung der Menge der noch nicht erledigten Knoten bestimmt die Besuchsreihenfolge der Knoten Suchverfahren uninformiert: Beiten-, Tiefensuche informiert: Besten, -heuristische und A∗ -Suche Spielbäume: I 2-Personen-Nullsummen-Spiele I Gewinnstrategien I Minimax-Werte I α-β-Suche 159 Wissensrepräsentation und -verarbeitung in Logiken Wissensbasis: Formelmenge Φ Problem: (Fragestellung): Formel ψ Folgt ψ aus Φ? Lösung: I I ja / nein erfüllende Belegung Wissensverarbeitung: Möglichkeiten zum Ableiten neuen Wissens (Formel) aus der Wissensbasis Folgern (semantisch): z.B. Wahrheitswerttabellen Schließen (syntaktisch): z.B. Resolution, Tableaux 160 Modale Logiken I Fragmente der klassischen Prädikatenlogik I entscheidbar I Syntax (Modalitäten) I Semantik (Kripke-Strukturen) I Modelle I syntaktische Umformungen I Erfüllbarkeit, Allgemeingültigkeit I Tableau-Kalkül 161 Wissensrepräsentation in modalen Logiken Wissen über Zustandsübergänge Repräsentation von I (zeitlichem Wissen: Temporallogiken) I Wissen über Notwendigkeit / Möglichkeit: alethische Logik I Wissen über Wissen: epistemische Logik I Wissen über Annahmen / Glauben: doxastische Logik I Wissen über Dürfen / Vorschriften: deontische Logik I Wissen über (auch gemeinsames) Wissen / Glauben / Agieren mehrerer Agenten: multimodale Logiken I begrifflichem Wissen: Beschreibungslogiken 162