Labormedizinische Schilddrüsendiagnostik Vorlesung WS 2016/17 Dr. med. Claas Schmidt Institut für Klinische Chemie und Labordiagnostik - Zentrallabor Grundlagen Schilddrüse Institut für Klinische Chemie und Labordiagnostik - Zentrallabor fT4 T4 TSH Thyroidea stimulierendes Hormom Schilddrüse T3 fT3 Peripherie Synthese der Schilddrüsenhormone Abhängig von der Anzahl der Iodierungen an den aromatischen Ringen: • Triiodthyronin (T3) • Tetraiodthyronin (T4) • Als Matrix bei der Synthese dient Thyreoglobulin (hTG) • Beteiligt an allen Kopplungsvorgängen: Thyreoperoxidase (hTPO) fT4 T4 TSH Thyroidea stimulierendes Hormom Schilddrüse T3 fT3 Peripherie Transportproteine für T4, T3: • V.a. Thyroxin-bindendes Globulin (TBG) • Transthyretin (TTR) • Albumin Nicht proteingebunden: • Freies T4 (fT4) ~ 0.03 % • Freies T3 (fT3) ~ 0.3 % 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% fT3 und fT4 Nur freie Schilddrüsenhormone sind biologisch aktiv! T3 und T4 (proteingebunden) fT4 T4 TSH Thyroidea stimulierendes Hormom Schilddrüse T3 fT3 Peripherie T4 kann als Prohormon des T3 betrachtet werden. Im Gewebe (Peripherie) findet eine sog. Konversion (=Dejodierung) von T4 zu T3 statt. biologisch inaktiv Nur ca. 15-20% des T3 in der Peripherie entstammen direkt der Schilddrüse. fT4 T4 TSH Thyroidea stimulierendes Hormom Schilddrüse T3 fT3 Peripherie Hypothalamus TRH - Thyreotropin-ReleasingHormon Negative Rückkopplung + Hypophysenvorderlappen - fT4 T4 TSH Thyroidea stimulierendes Hormom + Schilddrüse T3 fT3 Peripherie Inverser loglinearer Zusammenhang zwischen TSH und fT4 bzw. fT3. - Kleine Änderungen der fT4- bzw. fT3-Konzentration bewirken große Änderungen der TSH-Sekretion TSH fT4 Negative Rückkopplung - fT4 T4 TSH Thyroidea stimulierendes Hormom + Schilddrüse T3 fT3 Peripherie Titelmasterformat durch Labormedizinische „Werkzeugkiste“ Übersicht der Analyte im Rahmen labormedizinischer Schilddrüsendiagnostik Institut für Klinische Chemie und Labordiagnostik - Zentrallabor TSH Thyreoidea stimulierendes Hormon • Glykoprotein des Hypophysenvorderlappens • Strukturähnlichkeit mit hCG, FSH und LH • Hochsensitive, hochspezifische Immunoassays Indikationen • V. a. Hypo- oder Hyperthyreose • Thyreotoxische Krise • vor Einsatz iodhaltiger Kontrastmittel • Verlaufskontrolle bei Substitutionbzw. Suppressions-Therapie • Neugeborenenscreening Methode der Wahl zur Ermittlung der Schilddrüsenfunktion bei normaler Funktion von Hypothalamus und Hypophyse TSH Thyreoidea stimulierendes Hormon Referenzintervall Hyperthyreote Hypothyreote Stoffwechsellage Euthyreote 10.0 mU/I 0 0.4 ~4 .0 fT4 T4 TSH + Schilddrüse T3 fT3 Peripherie Thyroidea stimulierendes Hormom Quelle: Leitlinie zur Schilddrüsendiagnostik der Deutschen Gesellschaft für Nuklearmedizin e.V. Referenzintervall (insb. die obere Intervallgrenze) wird derzeit fachlich diskutiert. Quelle: Leitlinie zur Schilddrüsendiagnostik der Deutschen Gesellschaft für Nuklearmedizin e.V. Referenzintervall (insb. die obere Intervallgrenze) wird derzeit fachlich diskutiert. TSH Thyreoidea stimulierendes Hormon Einfluss- und Störfaktoren: Erniedrigung (u.a.) Erhöhung (u.a.) • Alter • • • • • Mangelernährung, Fasten, Anorexia nervosa • Schwere Erkrankungen • Psychiatrische Erkrankungen • Medikamente: Glucocorticoide, Dopaminagonisten, L-Dopa, Katecholamine • • • • Alter Thyreostatika Östrogene Dopaminantagonisten, Psychopharmaka (Lithium) Schilddrüsenhormonresistenz Akute Gabe von hochdosiertem Jod, Amiodarontherapie Hypokalzämie Erholungsphase nach schwerer Krankheit T4 und T3 Schilddrüsenhorme • Labordiagnostisch werden zwei Bestimmungsansätze unterschieden: • Bestimmung von Gesamt-T4 bzw. Gesamt-T3 ‚ TT4 bzw. TT3 • Bestimmung des freien, nicht proteingebundenen Anteils fT4 und fT3 Merke: Zur Überprüfung der Schilddrüsenfunktion in Kombination mit TSH empfohlen: fT4 und fT3 (Die Freie Form korreliert am besten mit der Schilddrüsenfunktion.) • fT4 reflektiert die Hormonsekretion und Gewebeverfügbarkeit • fT3 reflektiert die Konversion von T4 zu T3 Morbus Basedow • Weltweit häufigste autoimmune Form der Hyperthyreose • In USA oder Japan (mit guter Jodversorgung): 95% aller Hyperthyreosen • Deutschland: nur ca. 25 % aller Hyperthyreosen (ca. 75 % Funktionelle Autonomie!) • HL-DR3 assoziiert, f:m ~ (5-10):1 • Klassische Trias / Merseburger Trias: • Struma • Exophthalmus • Tachykardie Endokrine Orbitopathie im Rahmen eines M. Basedow Bildquelle: Jonathan Trobe, M.D. - University of Michigan Kellogg Eye Center - The Eyes Have It (CC BY 3.0 ) TRAK (TSH-R-AK) aktivierende Antikörper gegen TSH-Rezeptor (IgG1) =TRAK oder TSH-R-AK T4 T4 T3 T4 T4 T3 T3 Y TSH-Rezeptor (G-Protein gekoppelt) T3 Y Thyreozyt T4 T3 Hypertrophie und Hyperplasie der Follikelzellen: Vergrößerung des Organs (Struma) Vermehrte T4-, T3-Produktion Y Y TRAK (TSH-R-AK) • Moderne TRAK-Assays besitzen eine hohe Sensitivität und Spezifität (jeweils ~99 %) • Erstdiagnose: Zum Zeitpunkt der Erstdiagnose eines M. Basedow weisen fast 100 % der Patienten TRAK im Serum auf (je nach Studienpopulation bzw. verwendetem Assay). • Verlaufskontrolle: Therapiekontrolle und Prädiktion des Erfolgs einer thyreostatischen Therapie Anti-TPO-AK (Thyreoperoxidase-AK) (früher mikrosomale Antikörper= MAK = Anti-TPO-AK) Thyreoperoxidase: • Membrangebundenes Hämoprotein • Beteiligt an der Hormonsynthese (Jodination, oxid. Kopplung von Thyrosinresten an Thyreoglobulin) TPO-AK: • Meist IgG1 oder IgG4 • Hinweis auf autoimmune Schilddrüsenerkrankung oder erhöhtes Risiko einer Schilddrüsenfunktionsstörung autoimmuner Genese • Fast allen Patienten mit autoimmuner Hypothyreose (z.B. HashimotoThyreoiditis) • Positiv bei 60-80 % der Patienten mit M. Basedow • Referenzbereiche: herstellerabhängig Tg-AK (TAK, Thyreoglobulin AK) • Tg dient als Matrix bei der Synthese der Schilddrüsenhormone Tg-AK vorhanden: • Bei ca. 60-70 % der Patienten mit Hashimoto-Thyreoiditis und prim. Myxödem • bei ca. 20-40 % der Patienten mit M. Basedow AIT = Autoimmune Thyreoiditis Anforderung bei V. a. auf autoimmune Schilddrüsenerkrankung ohne Nachweis auf TPO-AK • Referenzbereiche: herstellerabhängig Titelmasterformat durch Stufendiagnostik Status der Schilddrüsenfunktion Hyper- und Hypothyreose Institut für Klinische Chemie und Labordiagnostik - Zentrallabor manifeste und latente Schilddrüsenfunktionsstörungen erhöht fT4 Nicht erniedrigt Latente Hypothyreose erniedrigt TSH erhöht supprimiert fT4 nicht erhöht Manifeste Manifeste Hyperthyreose Latente Hyperthyreose Symptome (u.a.): • Nervosität • Diarrhoe • Gewichtsverlust • Wärmeintoleranz • Tachykardie, Syst. Hypertonus Ursachen einer Hyperthyreose: • Funktionelle Autonomie • Immunthyreopathie (z.B. M. Basedow) • Entzündungen (z.B. Thyreoiditis de Quervain, Strahlenthyreoditis) • Jodexzeß oder exogene Zufuhr (Thyreotoxicosis factitia) • TSH- oder TSH-ähnliche Aktivität (hypophysär, paraneoplastisch) - nein + ja Stufendiagnostik bei V.a. Hyperthyreose TSH TSH normwertig erniedrigt TSH erhöht + - fT4 u/o. fT3 erhöht - + Nachweis von TRAK, TPO-AK, Tg-AK ? + SDVorerkrankung, älterer Patient, Symptome, Struma nodosa in Jodmangelgebiet ? - Latente Hyperthyreose nicht autoimmun autoimmun Ausschluss (bzw. weitere Abklärung) + fT4 erhöht? TSH-sez. Adenom SD-Hormonresistenz Hypothyreose Symptome (u.a.): • Müdigkeit, Antriebsarmut • Gewichtszunahme • Hauttrockenheit, brüchige Nägel und Haare • Bradykardie • Kälteintoleranz Ursachen: • Primäre Hypothyreose: mangelnde SD-Hormonproduktion • Sekundäre H.: z.B. Hypophysenvorderlappen-Insuffizienz • Tertiäre H.: z.B. Minderversorgung des HVL mit TRH - nein + ja Stufendiagnostik bei V.a. Hypothyreose TSH erhöht TSH normwertig + + fT4 TSH 2,5– 4 + Klinik erniedrigt? - - + Ausschluss (bzw. weitere Abklärung) Latente Hypothyreose TPO-AK? - + Primäre Hypothyreose AutoimmunHypothyreose TSH erniedrigt + Subklinische Hypothyreose + HVL-Insuffizienz? Medikamente? Low T3Syndrom? Sonderfälle Institut für Klinische Chemie und Labordiagnostik - Zentrallabor Schwangerschaft • TBG erhöht (Östrogene) TT4 erhöht, fT4 unverändert • fT4 immer mitbestimmen • TSH niedrig da hCG eine TSH-ähnliche Wirkung besitzt (strukturähnlich) • Transiente Hyperthyreose im ersten Drittel der SS häufigste Ursache einer Hyperthyreose Verminderte T4-T3-Konversion • Verminderte T4-T3-Konversion fT4 erhöht, fT3 erniedrigt • Medikamente: z.B. Glukokortikoide, Propanolol, Amiodaron • Alte Patienten (mit chronischen Erkrankungen) • Low T3-Syndrom low T3-Syndrom Synonym bzw. Bestandteil des Non-thyroidal illness syndrom (NTIS) Typische Konstellation: • • • • TT3 und fT3: vermindert, TT4 und fT4: normwertig bis erniedrigt TSH: normal bis vermindert (nicht supprimiert) rT3 normal bis ggf. erhöht Tritt auf bei: • bei länger andauernder schwerer allgemeiner Erkrankung (z.B. Niereninsuffizienz, dekomp. Leberzirrhose, Tumorleiden, Trauma oder OP, Kritisch Kranke: Sepsis, kard. Schock…) • Hungerzuständen Tumormarker Institut für Klinische Chemie und Labordiagnostik - Zentrallabor hTG (Thyreoglobulin) • hTG dient als Matrix für die Schilddrüsen-Hormonsynthese • In niedriger Konzentration auch bei Gesunden, in erhöhter Konzentration bei Schilddrüsen-Erkrankung nachweisbar (z.B. M. Basedow, Hashimoto Thyr., euthyreotem Struma) • Klinische Anwendung in der Nachsorge differenzierter Schilddrüsen-CA (follikulär, papillär): Therapiekontrolle und postoperatives Monitoring nach totaler Schildrüsenablation durch Operation und Radioiodtherapie (V. a. Rezidiv bei hTG-Anstieg) • Referenzbereiche herstellerabhängig hCt (humanes Calcitonin) • Sezerniert von den parafollikulär gelegenen C-Zellen • Physiologisch an der Regulation der Calcium-Homöostase beteiligt • Klinisch relevant zur Diagnostik und Verlaufskontrolle des medullären Schilddrüsen-CA (bzw. der C-Zell-Hyperplasie) sensitiver und spezifischer Tumormarker • Bei erhöhten Calcitonin-Werten erfolgt ein Pentagastrin- oder Calcium-Stimulationstest • Bei einigen medullären Schilddrüsen-CA ist hCT nicht erhöht! • Reservetumormarker: CEA oder Chromogranin A (weniger spezifisch) Sind Laborwerte allein ausreichend ? Nein. Die Labordiagnostik ist nur ein Baustein in der Diagnostik aus • Anamnese • körperlicher Untersuchung • Sonographie • Histologie • Szintigraphie • etc. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Weiterführende Literatur: • Labor und Diagnose, 8. Auflage, Lothar Thomas • Klinikhandbuch Labordiagnostische Pfade, 2. Aufl., W. Hofmann et al. • Moderne Labordiagnostik von Schilddrüsenerkr., Prof. Schott et al. (2011) • Leitlinie zur Schilddrüsendiagnostik der Deutschen Gesellschaft für Nuklearmedizin e.V. (http://www.nuklearmedizin.de/)