Die komplexen Zahlen Tobias Broske 08.02.2017 1 In dieser Ausarbeitung besprechen wir die komplexen Zahlen. Wir beginnen mit der abstrakten Denition von C als (nicht geordnetem) Körper und gehen dann auf verschiedene Darstellungsmöglichkeiten (wie die algebraische Form und die Polardarstellungen) ein. Denition 1. Eine komplexe Zahl ist ein geordnetes Paar z = (a, b) mit a, b ∈ R. Die Menge aller komplexen Zahlen bezeichnen wir mit C. Satz 2. Die Menge C bildet mit der durch + : C × C 7→ C : (a, b) + (c, d) = (a + c, b + d), · : C × C 7→ C : (a, b) · (c, d) = (ac − bd, ad + bc) denierten Addition + : C × C 7→ C und Multiplikation · : C × C 7→ C einen Körper. • Das neutrale Element der Addition ist (0, 0). • Das neutrale Element der Multiplikation ist (1, 0). • Das inverse Element zu (a, b) bzgl. der Addition ist −(a, b) = (−a, −b). • Das inverse Element zu (a, b) bzgl. der Multiplikation ist a −b (a, b)−1 = ( 2 , 2 ). 2 a + b a + b2 Beweis. Es lässt sich leicht nachrechnen, dass die angegebenen Elemente ihre Funktion erfüllen. Wir zeigen exemplarisch das Assoziativgesetz der Addition. Seien a, b, c ∈ C und a1 , b1 , c1 , a2 , b2 , c2 ∈ R mit a = (a1 , a2 ), b = (b1 , b2 ), c = (c1 , c2 ). Dann gilt [(a1 , a2 ) + (b1 , b2 )] + (c1 , c2 ) = (a1 + b1 , a2 + b2 ) + (c1 , c2 ) = (a1 + b1 + c1 , a2 + b2 + c2 ) = (a1 , a2 ) + (b1 + c1 , b2 + c2 ) = (a1 , a2 ) + [(b1 , b2 ) + (c1 , c2 )]. Die anderen Körperaxiome lassen sich analog mit Hilfe der Rechengesetze für reelle Zahlen nachweisen, da jede komplexe Zahl z durch z = (a, b) mit a, b ∈ R gegeben ist. Lemma 3. Der Körper C ist kein geordneter Körper. Beweis. Wir nehmen an, dass C geordnet sei. Dann gilt für zwei beliebige komplexe Zahlen z1 und z2 die Trichotomie-Bedingung. Somit gilt entweder z1 > z2 oder z2 > z1 . Nun ist aber i>0 ⇔ i2 > 0i ⇔ −1 > 0 ⇔ −i > 0 ⇔ 0 > i. Es gibt also auf C keine totale Ordnung und C ist nicht geordnet. 2 Lemma 4. Der Körper R lässt sich mit einem Teilkörper von C identizieren. Beweis. Wir zeigen, dass die Teilmenge X = {(a, 0) : a ∈ R} von C einen Teilkörper von C bildet und dieser isomorph zu R ist. Dazu bemerken wir, dass (0, 0) und (1, 0) Elemente von X sind. Die Menge X ist abgeschlossen bzgl. der Addition und Multiplikation, da für (a, 0),(b, 0) ∈ X auch (a, 0) + (b, 0) = (a + b, 0) ∈ X, (a, 0) · (b, 0) = (ab, 0) ∈ X gilt. Für (a, 0) ∈ X liegt das Inverse der Addition (−a, 0) sowie das Inverse der Multiplikation (a−1 , 0) in X , sodass X abgeschlossen bezüglich der Inversen ist. Wir haben damit gezeigt, dass X ein Teilkörper von C ist. Es bleibt zu zeigen, dass ein Körperisomorphismus von X auf R existiert. Wir denieren dafür die Abbildung ψ : X 7→ R durch ψ(a, 0) = a. Diese Abbildung ist bijektiv und hat die Eigenschaften ψ(x1 + x2 ) = ψ(x1 ) + ψ(x2 ), ψ(x1 · x2 ) = ψ(x1 ) · ψ(x2 ) für alle x1 , x2 ∈ X . Denition 5. Wir denieren i = (0, 1). Mit Lemma 4 und Denition 5 lässt sich eine weitere Darstellung für die komplexen Zahlen konstruieren. Nach Lemma 4 lässt sich (a, 0) vereinfacht als a schreiben, da X mit R identizierbar ist. Wir betrachten nun den Ausdruck i2 = i · i = (0, 1) · (0, 1) = (−1, 0) = −1. Damit erhalten wir folgende Darstellung der komplexen Zahlen. Korollar 6. Die Darstellung z = (a, b) einer komplexen Zahl ist äquivalent zur Darstellung z = a + ib. Beweis. Sei a, b ∈ R mit z = (a, b). Dann gilt z = (a, b) = (a, 0) + (0, b) = (a, 0) + (0, 1)(b, 0) = a + ib. Bemerkung 7. Die Darstellung von z ∈ C als z = a+ib mit a, b ∈ R wird algebraische Form einer komplexen Zahl genannt. Für die komplexen Zahlen gelten die selben Rechengesetze wie für die reellen Zahlen, wobei zu beachten ist, dass i2 = −1 gilt. 3 Denition 8. Sei z = x + iy eine komplexe Zahl mit x, y ∈ R. (i) Wir denieren Re(z) = x als Realteil von z . (ii) Wir denieren Im(z) = y als Imaginärteil von z . (iii) Wir bezeichnen z = x − iy als das komplex Konjugierte von z . (iv) Wir bezeichnen |z| = p x2 + y 2 als Betrag von z . (v) Wir nennen z reell, falls Im(z) = 0 gilt. (vi) Wir nennen z imaginär, falls Re(z) = 0 gilt. Die komplexe Konjugation entspricht einer Spiegelung an der reellen Achse (siehe Abbildung 1). Im z = x + iy y Im z Re z x Re z̄ = x − iy −y Abbildung 1: Geometrische Darstellung einer komplexen Zahl Proposition 9. Sei z, z1 , z2 ∈ C. Dann gilt 1. z + z = 2 · Re(z), 2. z − z = 2i · Im(z), 3. z · z = |z|2 , 4. z = z , 5. |z| = |z|, 6. 1 1 = , z z falls z 6= 0, 7. z1 + z2 = z1 + z2 , 4 8. z1 · z2 = z1 · z2 . Beispiel 10. Eine komplexe Zahl z = (x, y) entspricht einem Punkt in der Ebene, wodurch C mit R2 identiziert werden kann. Wir setzen nun x = Re(z) und y = Im(z) (vgl. Denition 8) und mit den trigonometrischen Funktionen erhalten wir (siehe Abbildung 2) r · sin θ = Im(z), r · cos θ = Re(z), r = |z|. Im z = x + iy y r θ x Re Abbildung 2: Polarkoordinatendarstellung einer komplexen Zahl Eine komplexe Zahl z = Re(z) + i · Im(z) lässt sich somit als z = Re(z) + i · Im(z) = r · cos θ + r · i sin θ = r(cos θ + i · sin θ) = |z|(cos θ + i · sin θ) umschreiben. Diese Darstellung nennt man Polardarstellung einer komplexen Zahl. Denition 11. Wir denieren das Hauptargument θ = arg(z) wenn θ ∈ (−π, π]. Denition 12. Die komplexe Exponentialfunktion ist durch ez = ex (cos y + i sin y) deniert, wobei x = Re(z) und y = Im(z) gilt. Korollar 13. Die Eulersche Formel lautet eiθ = cosθ + i sin θ. Beweis. Wir setzen z = iθ in Denition 12 ein und erhalten eiθ = e0 (cos θ + i sin θ) = cos θ + i sin θ. 5 Lemma 14. Jede komplexe Zahl z ist als z = |z| · eiθ mit θ ∈ (−π, π] darstellbar. Beweis. Aus Beispiel 10 folgt z = |z|(cos θ + i · sin θ) mit θ ∈ (−π, π] und nach Korollar 13 gilt somit z = |z|eiθ . Die obige Darstellung einer komplexen Zahl wird alternative Polardarstellung genannt. Satz 15 (Satz von De Moivre). Sei z eine komplexe Zahl. Dann ist z n = |z|n · (cos(nθ) + i sin(nθ)) für n ∈ N. Beweis. Der Beweis wird über vollständige Induktion geführt. Denition 16. Eine n-te Wurzel einer komplexen Zahl z 6= 0 ist eine Lösung der Gleichung z n = a. Beispiel 17. Wir wollen die fünften Einheitswurzeln berechnen. Dazu suchen wir alle Lösungen der Gleichung z5 = 1 für z ∈ C. Wir schreiben z in der alternativen Polardarstellung und erhalten die Gleichung (|z| · eiθ )5 = 1. Nun bemerken wir, dass 1 = 1 · ei0 gilt. Damit erhalten wir aus den Gleichungen |z|5 = 1, e5·iθ = ei0 die Bedingungen |z| = 1, 5θ = 0 + 2nπ für n ∈ N, sodass θ= 2nπ 5 6 für n ∈ N ist. Die Werte von θ in (−π, π] sind θ0 = 0, θ1 = 2π , 5 θ2 = 4π , 5 θ3 = − 2π , 5 θ4 = − 4π , 5 sodass ω0 = e0 , 2π ω1 = e 5 , 4π 2π ω3 = e− 5 , ω2 = e 5 , 4π ω4 = e− 5 die fünf fünften Einheitswurzeln sind. Die komplexen Zahlen ω0 , ω1 , ω2 , ω3 , ω4 sind die Eckpunkte eines regelmäÿigen Fünfecks in der komplexen Ebene (siehe Abbildung 3). Im e e 2πi 5 4πi 5 2π 5 1 e− Re 4πi 5 e− 2πi 5 Abbildung 3: Die fünften Einheitswurzeln Bemerkung 18. Es sei n eine natürliche Zahl und z eine von Null verschiedene komplexe Zahl. Dann hat z genau n verschiedene n-te Wurzeln. Falls n ≥ 3 ist, so sind sie n 1 gleichmäÿig verteilte Punkte auf einem Kreis mit Mittelpunkt 0 und Radius |z| n . Sie bilden somit ein regelmäÿiges n-Eck. 7