Mit neuer Strategie mehr Qualitätsferkel

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Fütterung
Mit neuer Strategie
mehr Qualitätsferkel
In großen Würfen verlieren einige Ferkel im Abferkelund Flatdeckstall den Anschluss. Andreas Surenkamp
und Harm Stegen haben das Problem gelöst.
K
ümmerer im Abferkel- und Aufzuchtstall sind nicht nur ärgerlich, sie bringen auch Probleme
mit sich: Die Tiere brauchen intensive
Betreuung, und beim Verkauf drohen
Abzüge für Ferkel mit langem Haarkleid
oder spitzem Rücken. „Für diese zahl
ich nicht. Sieh zu, wie du die los wirst“,
so die Drohung einiger Viehhändler.
Jungsauenproduzent Harm Stegen
(46) aus dem niedersächsischen Soderstorf sowie die Sauenhalter Werner (59)
und Andreas (29) Surenkamp aus Ostercappeln bei Osnabrück kennen die Problematik. „Stimmt die Qualität nicht,
bekommt man Scherereien mit dem
Abnehmer“, berichtet Harm Stegen.
In seinem Betrieb entsprachen ca.
10 % aller Ferkel am Ende der Aufzucht
nicht den Qualitätsansprüchen. Ähnlich war die Situation bei Familie Surenkamp. „Durch die großen Würfe mit
über 15 lebend geborenen Ferkeln fielen
einige Tiere immer wieder stark zurück.
Diese Ferkel bereiteten uns dann beim
Verkauf große Probleme“, erinnert sich
Andreas Surenkamp.
Doch was tun? Die Milchleistung der
Sauen lässt sich nicht weiter steigern,
und die Zitzenplätze sind begrenzt.
Auch mit Ammensauen und Zusatzstoffen hatten beide Landwirte keine
besonders guten Erfahrungen gemacht,
viele „Wunderstoffe“ funktionierten
nicht. Außerdem waren viele Produkte
teuer, und das Verabreichen machte
viel Arbeit.
• Säule 1: Das Futterkonzept für die
Saugferkel wurde umgekrempelt. Die
Tiere erhalten jetzt etwa zehn Tage lang
angewärmten Milchaustauscher, dann
wird zwei Wochen lang warmer, flüssiger Prestarter zugefüttert. Ab der vierten Säugewoche erfolgt die parallele
Umstellung auf trockenen Prestarter
und Ferkelaufzuchtfutter I.
Die Ferkel erhalten den Milchaustauscher und den flüssigen Prestarter vollautomatisch. Die Technik entlastet die
Landwirte und funktioniert wie folgt:
Zuerst wird die Milch in der Futterküche in einem Anmischbehälter
angerührt und mithilfe eines Wärme-
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tauschers auf 28 bis 30 °C erhitzt. Dann
wird die Milch bzw. der flüssige Prestarter über eine Ringleitung zu den Abferkelbuchten gepumpt. In jeder Bucht
steht eine Futterschale mit Nippelventil. Betätigt ein Ferkel den Nippel, fließt
frische Milch oder Prestarter aus der
Ringleitung in die Schale.
• Säule 2: Die Ferkel bleiben nach dem
Absetzen der Sau etwa eine Woche länger in ihrer gewohnten Umgebung in
der Abferkelbucht. Da beide Ferkelerzeuger im Drei-Wochen-Rhythmus mit
vierwöchiger Säugezeit arbeiten, stehen
die Abferkelbuchten bis zum Aufstallen
der nächsten Sauengruppe ohnehin
eine Woche leer. Gefüttert werden die
Tiere automatisch über die Ringleitung.
Mehr Qualitätstiere:Harm Stegen, der
Fotos: Arden
Später absetzen: Vater und Sohn
Surenkamp sowie Harm Stegen haben
gemeinsam mit ihrem Futtermittelberater einen anderen Weg gefunden,
um mehr Qualitätsschweine zu erzeugen. Das Konzept fußt auf zwei Säulen:
Landwirt
Harm
Stegen
Mithilfe des Wärmetauschers wird die
Milch auf 28 bis 30 °C erwärmt.
mittlerweile seit drei Jahren so füttert
und die Ferkel seit Januar dieses Jahres
eine Woche länger im Abferkelstall
lässt, zeigt sich mit der Vorgehensweise
zufrieden.
Die Zahl der vermarktungsfähigen
Ferkel bzw. Jungsauen ist gestiegen.
Aufgrund der homogeneren Tierqualität verkauft er heute eine Jungsau mehr
pro Wurf. Zudem ist die Wurfmasse
gestiegen, und zwar um 9 kg pro Sau
und Jahr. Stegen begründet das damit,
dass jetzt alle Saugferkel im Wurf die
Chance haben, frisches, warmes Futter
Nach dem Absetzen der Sauen bleiben die Ferkel noch knapp eine Woche in der Abferkelbucht. Die Tiere erhalten dann weiterhin
parallel flüssigen und trockenen Prestarter bzw. Ferkelaufzuchtfutter.
aufzunehmen. „Ich biete jedem Tier
eine künstliche Zitze, an der es sich
rund um die Uhr mit frischer Ware
bedienen kann“, erläutert der Landwirt
die Situation.
Die neue Fütterungsschiene bei den
Saugferkeln entlastet die Muttersauen.
Früher musste Stegen, der mit dänischer Genetik arbeitet, jeder laktierenden Sau 9 bis 10 kg Futter pro Tag geben,
wollte er verhindern, dass die Tiere zu
stark abmagern. Der Arbeitsaufwand
dafür war immens, im Abferkelstall
musste er bis zu fünf Mal täglich
füttern!
Das ging nicht immer gut. Bei einigen
Tieren lief der Leberstoffwechsel völlig
aus dem Ruder. Einige Tiere reagierten
zudem mit Leistungsverweigerung, weil
sie sich völlig überfressen haben. Heute
reichen im Abferkelstall rund 7 kg Futter pro Sau und Tag zum Ende der Laktation aus.
Auch im Wartestall ist der Futterverbrauch gesunken. Denn Harm Stegen
muss jetzt weniger abgesäugte Sauen
mühsam wieder auf Kondition bringen.
Inzwischen kommt er mit 12,4 dt pro
Sau und Jahr inklusive Jungsauenquarantäne und Eingliederungsphase aus.
Das ist gut 1 dt je Sau weniger als vor
der Umstellung.
Positiv war der Wechsel laut Harm
Stegen auch im Hinblick auf die Frucht-
barkeit der Sauenherde. Vor allem die
Tiere im zweiten Wurf bringen mehr
Leistung. Die Zahl der lebend geborenen Ferkel ist bei den Zweite-Wurf-Sauen von 13,5 auf 15,3 Ferkel gestiegen.
Harm Stegen nennt den Grund: „Die
Jungsauen werden weniger stark abgesäugt, und das wirkt sich positiv auf die
Fruchtbarkeit im Folgewurf aus.
Zugleich ist die Umrauschrate zurückgegangen.“
Die Arbeitsbelastung im Abferkelstall ist gesunken. Die Würfe bleiben
zusammen und verlassen den Abferkelstall in der Regel wurfweise. Harm Stegen stallt jetzt maximal zwei Würfe in
eine Aufzuchtbucht, sodass sich das
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Werner (re.) und Andreas Surenkamp lassen die Ferkel fast fünf
Wochen im Abferkelstall. Björn Markus (li.) berät die Landwirte.
Mischen der Ferkel auf ein Minimum
beschränkt. „Dank der kontinuierlichen
frischen Futtervorlage wachsen auch
die leichteren Ferkel eines Wurfes besser mit. Zudem muss ich nicht mehr
mit der Gießkanne durch den Stall flitzen und mehrmals täglich frische Milch
nachfüllen“, so sein Fazit.
Auch Andreas Surenkamp und sein
Vater Werner sind mit dem Konzept
zufrieden. Sie sind im Januar 2013
gestartet, missen wollen sie es nicht
mehr. Die Anfütterung der Saugferkel
erfolgt nach ähnlichem Muster wie im
Betrieb Stegen.
Das Resultat: Die Saugferkelverluste
sind von 16 auf 13,6 % gesunken und die
Absetzgewichte um 300 bis 500 g je Ferkel gestiegen. Bei knapp 14 abgesetzten
Tieren pro Wurf wiegen die Ferkel im
Schnitt jetzt ca. 7 kg. Kümmerer treten
seltener auf, und die Würfe sind beim
Umstallen in den Ferkelaufzuchtstall
sehr viel gleichmäßiger. „Da wir im
Management ansonsten nichts verändert haben, schreibe ich den Erfolg
überwiegend der neuen Fütterungsstrategie zu“, lässt Andreas Surenkamp
keine Zweifel aufkommen.
Futteraufnahme stabilisiert: Neben
dem neuen Futterkonzept zahlt sich
nach Ansicht der Ferkelerzeuger auch
der längere Aufenthalt der Ferkel im
Abferkelstall aus.
Im Betrieb Surenkamp findet man in
allen Altersgruppen kaum noch zurückgebliebene Tiere. „Von 600 Ferkeln
einer Vermarktungsgruppe müssen wir
nur noch 20 bis 30 Tiere zurückhalten,
weil sie zu leicht sind“, beschreibt Andreas Surenkamp die Situation beim
Verladen.
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Durch das späte Umstallen machen sich die Ferkel im Flatdeck
besser. Die Ferkelgruppen sind sehr homogen.
Auch der Absetzknick in der Woche
nach dem Absetzen fällt weniger deutlich aus. „Die Futteraufnahme geht
zwar in den ersten Tagen nach wie vor
zurück, von einem Einbruch kann man
aber nicht mehr sprechen. Die Tiere
sind einfach besser vorbereitet, wenn
sie ein paar Tage länger in der Abferkelbucht angefüttert werden“, betont Werner Surenkamp. Und für seinen Sohn
Andreas steht fest: „Durch unsere Stra-
tegie entschärfen wir den Stress beim
Absetzen. Zudem sind die Probleme mit
Ohrrandnekrosen deutlich zurückgegangen.“
Harm Stegen hat ähnliche Erfahrungen gemacht. Er konnte den Erfolg des
zweigeteilten Absetzens mittlerweile
auch anhand von zahlreichen Durchgangsauswertungen nachweisen. Ergebnis: Blieben die Ferkel zunächst noch
eine Woche im Abferkelstall, erreichten
So bewertet Sauenhalter Harm Stegen
seine neue Futterstrategie
Vermarktungs-Erlöse vor Investition (pro Sau und Jahr in €)
2,7 Ferkel mal 40 €
108
24,3 Ferkel mal 55 € (inkl. 5 € Bonus je Ferkel)
1 337
Gesamt
1 445
Vermarktungs-Erlöse nach Investition (je Sau und Jahr in €)
27 Ferkel mal 55 € (inkl. 5 € Bonus je Ferkel)
1 485
Differenz (vorher/nachher)
+ 40
zusätzliche Kosteneffekte/Mehrerlöse durch
neue Futterschiene (pro Sau und Jahr in €)
Futterkostenersparnis 1,1 dt1)
35
Leistungssteigerung plus 3 Ferkel2)
90
9 kg höhere Wurfmasse3)
Zusatzerlös
18
+ 143
Kosten Saugferkel-Futterschiene (pro Sau und Jahr in €)
Festkosten4)
11
Futtermittel Saugferkel5)
65
Strom, Wasser usw.
3
Kosten Futterschiene
79
Überschuss
+ 104
1) Sauenfutter 32 €/dt; 2) 30 € Grenzerlös/Ferkel, 3) 300 g höheres
Absetzgewicht pro Ferkel; 30 abg. Ferkel; Erlös: 2 € pro kg-LG
4) Investition 180 € je Bucht; 5 Jahre AfA, 3 % Zins und Reparatur;
8,5 Würfe/Bucht; 2,43 Würfe pro Sau und Jahr
5) Preis Milchaustauscher 300 €/dt; flüssiger Prestarter 200 €/dt
Harm Stegen
hat die Futterstrategie für sich
durchgerechnet.
Ergebnis: Bei der
Ferkelvermarktung erhält er
nun den vollen
Preis. Zudem
gibt er an,
Mehrerlöse
durch zusätzlich
abgesetzte
Ferkel und
höhere Wurfgewichte zu
erzielen.
Harm Stegen reinigt die Milchtassen mit
einer selbst gebauten Spüllanze.
diese Tiere ca. 25 g höhere Tageszunahmen und eine um 0,15 Punkte bessere
Futterverwertung. Die Futterkosten
sanken dadurch um 2 € pro Ferkel.
Geht das Konzept auf? Bleibt die
Frage, ob sich die Strategie auch
im Portmonnaie auszahlt? Hier sehen
sich beide Betriebsleiter auf dem richtigen Weg. Harm Stegen macht für
seinen Betrieb folgende Rechnung auf:
Die um etwa eine Woche längere Verweildauer der Ferkel in der Abferkelbucht verursacht keine Mehrkosten, da
die Buchten ansonsten leer stünden.
Das hängt mit der Produktion im
Drei-Wochen-Rhythmus zusammen.
Die Investition für die automatische
Fütterungstechnik der Ferkel lag bei
180 € pro Abferkelbucht. Die Kosten
für Milchaustauscher und flüssigen
Prestarter betragen 65 € pro Sau und
Jahr. Das ist in etwa doppelt so teuer
wie bei einer üblichen Futterstrategie!
Inklusive sonstiger Kosten wie Strom
und Wasser zahlt der Landwirt 79 € pro
Sau und Jahr für die Fütterung der
Saugferkel (siehe Übersicht).
„Viel Geld“, gesteht Harm Stegen
offen ein. „Aber man darf nicht zu kurz
denken, man muss auch immer die
Erlösseite sehen.“ Diese Seite der
Medaille, die durch die Jahresauswertungen des VzF (Verein zur Förderung
der bäuerlichen Veredlungswirtschaft)
belegt wird, sieht im Betrieb Stegen wie
folgt aus: Vor dem Wechsel der Aufzuchtstrategie musste der Landwirt für
rund 10 % der Ferkel Abzüge beim
Grundpreis hinnehmen, auf den Qualitätszuschlag musste er ebenfalls
verzichten. Heute erhält er nach
eigenen Angaben für fast alle Tiere
den vollen Grundpreis plus den Bonus.
Zudem spart er nach eigener Aussage
Geld, weil er pro Sau und Jahr rund 1 dt
weniger Sauenfutter kaufen muss.
Denn stark abgesäugte Tiere findet er
nur noch vereinzelt. Auch im Abferkelstall konnte er die Futtermenge reduzieren, weil die Ferkel jetzt besser mit
Zusatzmilch und Prestarter versorgt
werden.
Die Leistungssteigerung um plus drei
abgesetzte Ferkel pro Sau schreibt Harm
Stegen voll der neuen Fütterungsstrategie zu. Sein Argument: „Ohne die sehr
ausgefeilte Zufütterung der Ferkel wäre
die Fruchtbarkeit in den Folgewürfen
niemals so stark angestiegen, weil die
Sauen dann zu stark abgesäugt werden.
Außerdem wären die Saugferkelverluste
niemals so stark gesunken, denn die
Überlebenschancen der Ferkel waren
bei meiner alten Zufütterungsstrategie
mit Handvorlage schlechter.“
Die höhere Wurfmasse trägt ebenfalls
positiv zum Ergebnis bei. So sind die
Absetzgewichte um 300 g pro Ferkel
angestiegen, was bei knapp 30 abgesetzten Ferkeln pro Sau und Jahr eine um
9 kg höhere Wurfmasse bedeutet. „Bei
einem Preis von z.B. 2 € pro kg Lebendgewicht bringt das 18 € zusätzlich je
Wurf“, erklärt er.
Ein ähnliches Ergebnis hat Andreas
Surenkamp für seinen Betrieb ermittelt. „Wir verkaufen heute 5 bis 10 %
mehr A-Ferkel, für die wir den vollen
Grundpreis plus Qualitätszuschlag
erhalten“, berichtet der Landwirt. „Und
die Kosten für die Einstallmetaphylaxe,
ohne die es früher nicht ging, haben wir
auch nicht mehr am Hals.“
Marcus Arden
Schnell gelesen
• Kümmernde Ferkel treten in
großen Würfen öfter auf. Sie
kosten Geld, Zeit und Nerven.
• Harm Stegen und Andreas
Surenkamp konnten den
Anteil der Kümmerer in ihren
Beständen reduzieren.
• Ihre Strategie: Die Saugferkel
erhalten rund um die Uhr
­warmen Milchaustauscher
und flüssigen Prestarter.
• Zudem bleiben die Ferkel
nach dem Absetzen der Sau
noch eine Woche in der
Abferkelbucht.
• Trotz hoher Investitionen
sehen die Landwirte finanzielle Vorteile in dem Konzept.
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