3 Grenzwerte

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03-grenzwerte.cdf
1
3 Grenzwerte
3.1 Grenzwerte von Folgen
Konvergenz
Manche Folgen zeigen ein spezielles Verhalten, wenn der Index sehr groß wird. Sie nähern sich einer
bestimmten Zahl. Betrachten wir zum Beispiel die Folge
n
an ‡
.
n+1
Wenn man sich die ersten Folgengleider anschaut,
1
0,
2
,
2
3
,
3
4
,
4
5
,
6
,
5
6
7
,
7
8
,
8
9
,
9
10
,
10
,
…
,
11
so erkennt man, dass sich diese Brüche der Zahl 1 nähern. Man sagt auch, dass die Folge konvergent
ist, oder genauer, dass sie gegen 1 konvergiert. Stellt man die Folge graphisch dar, so nähern sich die
einzelnen Punkte einer waagerechten Geraden.
1.0
0.8
0.6
an ‡
0.4
0.2
0.0
5
10
15
20
Etwas weniger offensichtlich ist das bei der rekursiv defnierten Folge
Q0 ‡ 0,
Qn ‡ Qn-1 +
1
n2
.
25
30
n
n+1
03-grenzwerte.cdf
2
Sie berechnet die Summe der Kehrwerte der ersten n Quadratzahlen,
Qn ‡ â
n
k=1
1
k2
.
Die ersten Folgenglieder sind
Q1 ‡ 1
Q2 ‡ 1 +
1
Q3 ‡ 1 +
1
Q4 ‡ 1 +
1
Q5 ‡ 1 +
1
4
4
4
4
‡
5
4
+
1
+
1
+
1
9
9
9
‡
+
+
49
36
1
16
1
16
‡
205
144
+
1
25
‡
5269
3600
…
Hier ist zunächst keine besondere Regelmäßigkeit erkennbar. Wenn man die Folge graphisch darstellt,
sieht man jedoch ein ähnliches Verhalten wie im ersten Beispiel. Die Folge nähert sich einer
bestimmten Zahl.
1.6
1.4
Qn
1.2
1.0
0
10
20
30
40
50
Welche Zahl das ist, ist nicht sofort offensichtlich. Wenn Sie sich noch nie vorher mit dieser Folge
beschäftigt haben, werden Sie vermutlich auch nicht erraten, dass es sich um die Zahl
Π2 ‘ 6 » 1.64493 handelt.
Konvergente Folgen kennen Sie bereits im Zusammenhang mit Näherungsverfahren, auch wenn Sie
sie bisher nicht so genannt haben. Ziel einer Näherung ist es, eine bestimmte Zahl, meist die Lösung
einer Gleichung, “auf möglichst viele Kommastellen”zu berechnen. Die Strategie besteht darin, mit
einer groben Näherung zu beginnen, und diese schrittweise zu verfeinern, um so eine immer genauere
Näherung zu bekommen. Das entspricht der rekursiven Definition einer Folge.
03-grenzwerte.cdf
Konvergente Folgen kennen Sie bereits im Zusammenhang mit Näherungsverfahren, auch wenn Sie
sie bisher nicht so genannt haben. Ziel einer Näherung ist es, eine bestimmte Zahl, meist die Lösung
einer Gleichung, “auf möglichst viele Kommastellen”zu berechnen. Die Strategie besteht darin, mit
einer groben Näherung zu beginnen, und diese schrittweise zu verfeinern, um so eine immer genauere
Näherung zu bekommen. Das entspricht der rekursiven Definition einer Folge.
Ein bekanntes Beispiel ist das Heronsche Verfahren zur Berechnung einer Wurzel. Um die Wurzel aus
2 zu bestimmen, benutzt man die rekursiv definierte Folge
1
2
w0 ‡ 1, wn ‡
wn-1 +
.
2
wn-1
Die Rekursionsformel beruht auf einer einfachen Idee. Man hat irgendeine Zahl w. Wenn dies schon
die Wurzel aus 2 ist, dann ist w2 ‡ 2, also w ‡ 2  w. Wenn nicht, dann ist entweder w zu klein und 2  w
zu groß, oder w ist zu groß und 2  w zu klein. Man bildet dann den Mittelwert aus diesen beiden
Zahlen, um eine bessere Näherung zu bekommen. Als Anfangswert kann man jede beliebige positive
Zahl wählen.
Tatsächlich nähert sich die Folge der gesuchten Wurzel. Bereits nach vier Schritten stimmen die ersten
sechs Nachkommastellen, nach fünf Schritten schon die ersten elf Stellen.
w0 ‡ 1.000000000000000000000000000000000000000
w1 ‡ 1.500000000000000000000000000000000000000
w2 ‡ 1.416666666666666666666666666666666666667
w3 ‡ 1.414215686274509803921568627450980392157
w4 ‡ 1.414213562374689910626295578890134910117
w5 ‡ 1.414213562373095048801689623502530243615
…
Ein anderes Beispiel kennen Sie sogar schon aus der Grundschule. Das übliche Verfahren der
schriftlichen Division ist auch ein Näherungsverfahren, das auf einer Folge beruht. Damit lässt sich
der Quotient von zwei ganzen Zahlen berechnen, wobei in jedem Schritt eine weitere Dezimalstelle
entsteht. Manchmal bricht das Verfahren ab, das heißt, die Folge erreicht bereits nach endlich vielen
Schritten die gesuchte Zahl exakt. Ansonsten entsteht eine Folge von Zahlen, die sich dem Quotienten
immer mehr annähern, ihn aber nie exakt erreichen.
Ganz allgemein kann man eine nicht abbrechende Dezimalzahl als spezielle Darstellung einer Folge
betrachten, die sich einer bestimmen Zähl nähert. Zum Beispiel nähert sich die Folge
0.2,
0.27,
0.272,
0.2727,
0.27272,
0.272727,
0.2727272,
0.27272727,
…
der Zahl 3  11. Die übliche Schreibweise mit dem Periodenstrich kann man als Kurzschreibweise für
diese Folge verstehen, oder genauer, als Schreibweise für den Grenzwert dieser Folge, also für die
Zahl, der sie sich nähert.
Aufgabe 3.1.1
Für eine geometrische Folge mit Anfangswert a und Wachstumsfaktor q gilt
cn ‡ a qn .
Für welche Werte von a und q ist diese Folge konvergent, und gegen welche Zahl konvergiert sie
dann?
Aufgabe 3.1.2
Sind die Folgen konvergent oder nicht? Falls Sie das nicht sofort anhand der Definition oder der ersten
Folgenglieder erkennen können, stellen Sie sie graphisch oder tabellarisch dar.
3
03-grenzwerte.cdf
4
Sind die Folgen konvergent oder nicht? Falls Sie das nicht sofort anhand der Definition oder der ersten
Folgenglieder erkennen können, stellen Sie sie graphisch oder tabellarisch dar.
an ‡
5
n
bn ‡ n +
cn ‡
dn ‡
en ‡
1
n
n2 + 1
n2 - 1
2n
3n
n2
2n
fn ‡ â
n
k=1
1
k
Aufgabe 3.1.3
Die Folgen An und Bn sind rekursiv wie folgt definiert,
A2 ‡ 2,
B2 ‡ 4,
An ‡
An-1 Bn-1 ,
Bn ‡
2 An Bn-1
An + Bn-1
.
Beachten Sie, dass in der Rekursionsformel für An die beiden Vorgänger An-1 und Bn-1 vorkommen,
in der Rekursionsformel für Bn aber das An mit dem gleichen Index und der Vorgänger Bn-1 . Sie
müssen die Folgenglieder also in der Reihenfolge A3 , B3 , A4 , B4 , A5 , B5 , … berechnen.
Stellen Sie beide Folgen gemeinsam in einer Tabelle dar. Können Sie erraten, gegen welche Zahl
beide konvergieren?
Aufgabe 3.1.4
Gegeben sind ein Einheitskreis, also ein Kreis mit Radius 1, sowie ein inneres regelmäßiges 2n -Eck,
dessen Ecken auf dem Kreis liegen, sowie ein äußeres regelmäßiges 2n -Eck, dessen Seiten den Kreis
jeweils in der Mitte berühren. An sei die Fläche des inneren 2n -Ecks, und Bn sei die Fläche des äußeren
2n -Ecks.
03-grenzwerte.cdf
5
A2
A3
A4
B2
B3
B4
Für n ‡ 2 sind die Vielecke Quadrate mit den Flächen A2 ‡ 2 und B2 ‡ 4.
Zeigen Sie, dass für die übrigen Vielecke die folgenden Rekursionsformeln gelten.
An ‡
Bn ‡
An-1 Bn-1 ,
2 An Bn-1
An + Bn-1
.
Der Grenzwert
Was genau bedeutet es, wenn man sagt, dass sich eine Folge einer bestimmten Zahl nähert?
Betrachten wir als Beispiele die beiden Folgen
an ‡
1
,
n
bn ‡
n+1
.
n
Stellt man beide graphisch dar, so erkennt man, dass sich die eine der Null, die andere der Eins nähert.
03-grenzwerte.cdf
6
2.0
1.5
an ‡
1.0
bn ‡
1
n
n+1
n
0.5
0.0
10
20
30
40
Man könnte zunächst feststellen. dass sich die Folge an der 0 nähert, weil der Abstand der
Folgenglieder zur 0 immer kleiner wird. Jedes Folgenglied liegt näher an der 0 als sein Vorgänger.
Der Abstand zum Grenzwert wird also in jedem Schritt kleiner.
Aber das kann nicht die entscheidende Eigenschaft sein. Denn die Folge bn hat diese Eigenschaft
auch. Auch für sie gilt, dass jedes Folgenglied kleiner ist als sein Vorgänger, und damit näher an der 0
liegt. Aber die Folge nähert sich nicht der 0, sondern der 1.
Einfach nur zu sagen, dass der Abstand zum Grenzwert immer kleiner wird, trifft also nicht das, was
man sich unter der Annäherung an einen Grenzwert vorstellt. Tatsächlich kommt es nicht darauf an,
dass der Abstand immer kleiner wird, sondern darauf, dass er beliebig klein wird.
Was ist damit gemeint? Betrachten wir noch einmal die Folge bn , die sich nicht dem Grenzwert 0
nähert. Der Abstand zur 0 wird zwar mit jedem Schritt kleiner. Aber er wird nie kleiner als 1. Und
folglich auch nie kleiner als 1  2 oder kleiner als 1  1000. Der Abstand zur 0 wird also immer kleiner,
aber er wird nicht beliebig klein.
Bei der Folge an ist das anders. Der Abstand der Folgenglieder zur 0 wird irgendwann kleiner als
1  1000. Nämlich ab dem Folgenglied a1001 . Er wird auch irgendwann kleiner als 1  1 000 000.
Nämlich ab dem Folgenglied a1 000 001 .
Er wird sogar beliebig klein. Wir können irgendeinen Abstand vorgeben, also eine beliebig kleine
positive reelle Zahl Ε, und wir werden immer einen Index finden, von dem an die Folgenglieder
kleiner sind als dieses Ε. Wir müssen dazu nur eine natürliche Zahl n finden, so dass 1  n < Ε ist. Das
ist der Fall, wenn n > 1  Ε ist. Wir müssen also den Kehrwert von Ε bilden, und die nächste größere
natürliche Zahl wählen. Ab diesem Index sind alle Folgenglieder kleiner als Ε und liegen somit näher
als Ε an der 0.
Im Prinzip haben wir damit schon erklärt, was ein Grenzwert ist. Es ist eine Zahl, der die Folge auf die
gerade beschriebene Weise beliebig nahe kommt. Um diese grundlegende Idee möglichst allgemein
zu formulieren, ist es nützlich, einen speziellen Begriff einzuführen.
Definition 3.1.1 Umgebung
Es sei x eine beliebige und Ε eine positive reelle Zahl. Die Ε-Umgebung von x ist die Menge aller
reellen Zahlen, deren Abstand zu x kleiner als Ε ist,
03-grenzwerte.cdf
7
Es sei x eine beliebige und Ε eine positive reelle Zahl. Die Ε-Umgebung von x ist die Menge aller
reellen Zahlen, deren Abstand zu x kleiner als Ε ist,
UΕ HxL ‡ 8 y y - x¤ < Ε <
Die 3-Umgebung von 7 enthält alle reellen Zahlen, deren Abstand zur 7 kleiner als 3 ist. Also die
reellen Zahlen zwischen 4 und 10. Die 1  100-Umgebung von 1 enthält alle reellen Zahlen zwischen
99  100 und 101  100, also alle, die weniger als 1  100 von der 1 entfernt sind. Auf dem Zahlenstrahl
dargestellt ist UΕ HxL ein Intervall mit der Zahl x in der Mitte und der Breite 2 Ε.
U0.4 H0.98L
0.0
0.5
1.0
1.5
2.0
Die Aussage, dass sich die Folge an ‡ 1  n der Null nähert, also den Grenzwert 0 hat, lässt sich nun wie
folgt ausdrücken. Wir betrachten irgendeine Umgebung der Null, zum Beispiel U11000 H0L. Und wir
fragen: Welche Folgenglieder liegen innerhalb dieser Umgebung? Wir stellen fest, dass dies für alle an
mit n > 1000 der Fall ist. Das heißt, die ersten 1000 Folgenglieder liegen außerhalb, aber die
restlichen unendlich vielen liegen innerhalb der Umgebung.
Wenn wir eine kleinere Umgebung wählen, zum Beispiel U11 000 000 H0L, dann liegen nun zwar
1 000 000 Folgenglieder außerhalb der Umgebung. Aber die restlichen, immer noch unendlich vielen,
liegen innerhalb der Umgebung. Und das ist genau die entscheidende Eigenschaft der Folge. Egal, wie
klein wir die Umgebung machen, es liegen immer nur endlich viele Folgenglieder außerhalb, aber alle
anderen innerhalb der Umgebung.
Um auch diese Eigenschaft möglichst griffig zu formulieren, verwendet man eine spezielle
Sprechweise.
Definition 3.1.2 fast alle
Eine Aussage gilt für fast alle Elemente einer unendlichen Menge, wenn sie nur für endlich viele
Elemente falsch ist.
Fast alle bedeutet also alle bis auf endlich viele. Zum Beispiel sind fast alle natürlichen Zahlen größer
als fünf, und fast alle Primzahlen sind ungerade. Aber es sind nicht fast alle natürlichen Zahlen durch
drei teilbar, denn es gibt unendlich viele, die es nicht sind.
Auf die obige Folge an bezogen heißt das: Egal, wie klein wir Ε machen, es liegen immer fast alle
Folgenglieder in der Umgebung UΕ H0L. Genau das ist die Eigenschaft einer Grenzwertes.
Definition 3.1.3 Grenzwert
Eine reelle Zahl a heißt genau dann Grenzwert einer Folge an , wenn in jeder Umgebung von a fast
alle Folgenglieder an liegen. Man schreibt dann
lim an ‡ a
n®¥
Aufgabe 3.1.5
Sind die Aussagen wahr oder falsch?
Fast alle natürlichen Zahlen sind größer als sieben.
wahr
falsch
Fast alle ganzen Zahlen sind größer als sieben.
wahr
falsch
03-grenzwerte.cdf
8
Fast alle natürlichen Zahlen sind Primzahlen.
wahr
falsch
Fast alle Prizahlen enden auf 1, 3, 7 oder 9.
wahr
falsch
Fast alle rationalen Zahlen sind reell.
wahr
falsch
Fast alle reellen Zahlen sind irrational.
wahr
falsch
Fast alle Wurzeln von natürlichen Zahlen sind irrational.
wahr
falsch
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Aufgabe 3.1.6
Welche Aussagen gelten für fast alle natürlichen Zahlen?
HaL n2 > 0
HbL n2 - 10 n > 0
HcL
HdL
1
-
n
1
n+1
1
<
999 999
n + 1 000 000 <
n +1
HeL 2n > n1000
HfL n2 ‡ 4 Þ n ‡ 3
Aufgabe 3.1.7
Gegeben ist die Folge
an ‡
n2 - 4
n2 + 4
Bestimmen Sie alle natürlichen Zahlen n, für die die Ungleichung
an - 1¤ <
1
1000
gilt.
Anschauliche Beispiele
Die Definition des Grenzwertes lässt sich am besten anhand ihres Graphen veranschaulichen. In der
folgenden dynamischen Graphik ist eine Folge dargestellt, die den Grenzwert 1 hat. Der schattierte
Bereich ist eine Umgebung UΕ HgL. Sie können sowohl g verändern, indem Sie die Umgebung als
ganzes verschieben, als auch Ε, indem Sie die Ränder verschieben. Die Folgenglieder werden grün
oder rot dargestellt, je nachdem, ob sie innerhalb oder außerhalb der Umgebung liegen.
03-grenzwerte.cdf
9
2.0
1.5
U0.1 H1.L
1.0
0.5
0.0
10
20
30
40
50
Wenn g ‡ 1 ist, können Sie feststellen: Egal, wie klein Sie die Umgebung machen, es liegen immer nur
endlich viele Punkte außerhalb. Daher ist 1 der Grenzwert dieser Folge. Wenn Sieg auf einen anderen
Wert einstellen, gilt das nicht mehr. Es ist dann immer möglich, die Umgebung so klein zu machen,
dass unendlich viele Punkte außerhalb liegen.
Das nächste Beispiel soll zeigen, dass es bei einem Grenzwert nicht darauf ankommt, dass der
Abstand der Folge zum Grenzwert in jedem Schritt kleiner wird. Diese Folge hat den Grenzwert 0.5.
Aber der Abstand zu diesem Grenzwert wird abwechselnd kleiner und wieder größer. Trotzdem gilt:
Egal, wie klein Ε ist, es liegen immer fast alle Punkte in der Umgebung UΕ H0.5L.
2.0
1.5
U0.3 H0.5L
1.0
0.5
0.0
10
20
30
Ein Folge kann immer nur einen Grenzwert haben. Auf den ersten Blick gibt es im folgenden Beispiel
zwei Zahlen, nämlich 1 und 2, denen die Folge beliebig nahe kommt. Aber keine der beiden ist ein
Grenzwert.
40
03-grenzwerte.cdf
10
2.5
2.0
1.5
U0.1 H1L
1.0
0.5
0.0
10
20
30
40
50
Es liegen zwar in jeder noch so kleinen Umgebung von 1 unendlich viele Punkte, aber nicht fast alle.
Denn sobald die Umgebung nicht mehr bis zur 2 reicht, liegen auch unendlich viele Punkte außerhalb.
Daher ist weder 1 noch 2 der Grenzwert dieser Folge. Sie hat folglich keinen Grenzwert. Statt dessen
nennt man einen Punkt, in dessen Umgebungen stets unendlich viele, aber nicht unbedingt fast alle
Folgenglieder liegen, einen Häufungspunkt. Die hier gezeigte Folge hat also zwei Häufungspunkte,
aber keinen Grenzwert. Eine Folge kann beliebig viele, sogar unendlich viele Häufungspunkte haben,
aber immer nur höchstens einen Grenzwert.
Satz 3.1.4
Eine Folge hat höchstens einen Grenzwert.
Der Beweis ist nicht sehr schwierig. Angenommen, eine Folge an hat den Grenzwert g1 und den
Grenzwert g2 , und es gilt g1 ¹ g2 . Dann wissen wir: In jeder Umgebung von g1 liegen fast alle
Folgenglieder. Und in jeder Umgebung von g2 liegen auch fast alle Folgenglieder. Wir setzen
Ε ‡ g2 - g1 ¤  3. Dann ist die Schnittmenge der Umgebungen UΕ Hg1 L und UΕ Hg2 L leer, wie die folgende
Graphik zeigt.
UΕ Hg1 L
0.0
0.5
UΕ Hg2 L
1.0
1.5
2.0
Nun können aber nicht fast alle Folgenglieder in UΕ Hg1 L liegen und gleichzeitig fast alle Folgenglieder
in UΕ Hg2 L. Denn wenn fast alle in UΕ Hg1 L liegen, dann liegen nur endlich viele außerhalb davon, und
folglich auch nur endlich viele in UΕ Hg2 L. Damit haben wir einen Widerspruch zu der Annahme, dass
sowohl g1 als auch g2 ein Grenzwert der Folge ist.
Aufgabe 3.1.8
Stellen Sie in den dynamischen Graphen die Umgebungen so ein, dass unendlich viele Punkte
innerhalb, aber auch unendlich viele Punkte außerhalb liegen. Bei welchen Folgen ist das möglich, bei
welchen nicht?
03-grenzwerte.cdf
11
Aufgabe 3.1.9
Eine reelle Zahl heißt Häufungspunkt einer Folge, wenn in jeder Umgebung von dieser Zahl unendlich
viele Folgenglieder liegen.
Erklären Sie diese Definition anhand der oben als Beispiel gezeigten Folge mit den Häufungspunkten
1 und 2.
Warum kann eine Folge mehrere Häufungspunkte haben? Was geht schief, wenn man versucht, den
Beweis, dass eine Folge nur einen Grenzwert haben kann, analog für Häufungspunkte zu führen?
Können Sie eine Folge konstruieren, die unendlich viele Häufungspunkte hat?
Können Sie eine Folge konstruieren, so dass jede (positive) reelle Zahl ein Häufungspunkt ist?
Anschaulich dargestellt heißt das: Wenn man die Folge als Punkte auf einer Zahlengeraden darstellt,
dann füllen die Punkte die Gerade dicht aus. In jedem noch so kleinern Intervall liegen unendlich viele
Punkte.
Rechenbeispiele
Wie weist man rechnerisch nach, dass eine Folge einen bestimmten Grenzwert hat? Man muss zeigen,
dass in jeder Umgebung des Grenzwertes fast alle Folgenglieder liegen. Dazu muss man im
wesentlichen eine Ungleichung aufstellen und lösen. Betrachten wir als Beispiel die zweite weiter
oben als bn definierte Folge, die den Grenzwert 1 hat.
n+1
bn ‡
,
n
lim bn ‡ 1.
n®¥
Um nachzuweisen, dass 1 tatsächlich der Grenzwert ist, müssen wir zeigen, dass in jeder Umgebung
der 1 fast alle Folgenglieder liegen. Betrachten wir also eine Umgebung UΕ H1L, wobei Ε eine beliebige
positive Zahl ist. Welche Folgenglieder liegen in dieser Umgebung? Es sind genau die, die näher als Ε
an der 1 liegen. Also die, die die Ungleichung
bn - 1¤ < Ε
erfüllen. Einsetzen des Terms ergibt
n+1
- 1 < Ε.
n
Das lässt sich vereinfachen zu
1
< Ε.
n
Da sowohl n als auch Ε positiv sind, kann man die Betragstriche weglassen und die Ungleichung mit n
mutliplizieren und durch Ε teilen. Das ergibt
n>
1
Ε
.
Nun ist es sinnvoll, die Herleitung dieser Ungleichung in der umgekehrten Richtung zu lesen. Was wir
gezeigt haben, ist
03-grenzwerte.cdf
n>
1
Ε
12
Þ bn Î UΕ H1L.
Das heißt, wenn n größer ist als der Kehrwert von Ε, dann liegt bn in der Ε-Umgebung von 1. Da fast
alle natürlichen größer als 1  Ε sind, liegen also fast alle Folgenglieder in der vorgegebenen
Umgebung. Und da das für jede beliebig kleine Umgebung gilt, ist 1 der Grenzwert der Folge bn .
Im Prinzip kann man stets nach diesem Schema vorgehen. Um zu zeigen, dass eine Folge an den
Grenzwert a hat, schreibt man die Bedingung an Î UΕ HaL als Ungleichung auf. Dann zeigt man, dass
diese Ungleichung für fast alle natürlichen Zahlen gilt. Entweder durch gezieltes Umformen oder
durch eine andere Methode. Entscheidend ist dabei, dass man dies für jedes beliebig kleine Ε
nachweisen muss. Wir dürfen also für Ε keine spezielle Zahl einsetzen, sondern müssen den Nachweis
allgemein führen.
Als weiteres Beispiel betrachten wir die geometrische Reihe
cn ‡ 10 × -
1
n
2
Eine graphische Darstellung zeigt, dass der Grenzwert offenbar 0 ist.
4
2
U0.4 H0L
0
5
10
15
20
25
-2
-4
Wir müssen also zeigen, dass in jeder Umgebung der 0 fast alle Folgenglieder liegen. Wir wählen ein
beliebiges positives Ε und betrachten die Umgebung UΕ H0L. Welche Folgenglieder liegen in dieser
Umgebung? Es sind diejenigen, die die Ungleichung
cn ¤ < Ε
erfüllen. Setzen wir den Term für die Folge ein, so ergibt sich
10 ×
1
n
< Ε.
2
Wegen des Betrages können wir das Minuszeichen weglassen, und anschießend auch die
Betragsstiche, denn nun sind alle Zahlen positiv. Um festzustellen, welche n diese Ungleichung
erfüllen, formen wir sie um. Wir multiplizieren mit 2n und teilen durch Ε. Beides sind postive Zahlen,
so dass wir das Relationszeichen unverändert lassen. Das ergibt
30
03-grenzwerte.cdf
Wegen des Betrages können wir das Minuszeichen weglassen, und anschießend auch die
Betragsstiche, denn nun sind alle Zahlen positiv. Um festzustellen, welche n diese Ungleichung
erfüllen, formen wir sie um. Wir multiplizieren mit 2n und teilen durch Ε. Beides sind postive Zahlen,
so dass wir das Relationszeichen unverändert lassen. Das ergibt
10
Ε
< 2n .
Damit 2n größer als eine bestimmte positive Zahl ist, muss n größer als der Logarithmus zur Basis 2
von dieser Zahl sein. Die Ungleichung ist also erfüllt, wenn
10
n > log2
.
Ε
Welche Zahl genau auf der rechten Seite diese Ungleichung steht, spielt nun gar keine Rolle.
Entscheidend ist, dass wieder fast alle natürlichen Zahlen diese Ungleichung erfüllen. Und zwar
unabhängig davon, wie klein Ε ist. Die Zahl auf der rechten Seite hängt zwar von Ε ab. Aber es gibt
immer nur endlich viele natürliche Zahlen, die die Ungleichung nicht erfüllen.
Wir haben also wie im ersten Beispiel gezeigt: Egal, wie klein wir die Umgebung von 0 machen, es
gibt immer nur endlich viele Folgenglieder, die außerhalb dieser Umgebung liegen. Das können zwar
einige Trillionen sein, wenn wir ein sehr kleines Ε wählen, aber von irgendeinen Index an liegen
immer alle Folgenglieder innerhalb der Umgebung. Also ist
lim 10 -
1
n
2
n®¥
‡ 0.
Aufgabe 3.1.10
Beweisen Sie allgemein, dass eine geometrische Folge den Grenzwert 0 hat, wenn der Betrag des
Wachstumsfaktors kleiner als 1 ist. Das heißt, für q¤ < 1 gilt
lim a qn ‡ 0.
n®¥
Aufgabe 3.1.11
Stellen Sie die Folgen als Graph oder Tabelle dar. Stellen Sie eine Vermutung über den Grenzwert
auf. Beweisen Sie anschließend ihre Vermutung.
an ‡
bn ‡
cn ‡
n+1
n-1
n+1
n2
n2 + 1
d0 ‡ 0,
n
dn ‡ dn-1 +
Aufgabe 3.1.12
Beweisen Sie
lim I n + 1 -
n®¥
1
2n
n M ‡ 0.
13
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