Projekt 2011 gesellschaftlich notwendige Dienstleistungen

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Arbeitskreis Dienstleistungen
Ergebnisprotokoll
Projekt 2012/13: Zukunftsfähige Organisation und Finanzierung gesellschaftlich notwendiger Dienstleistungen
Expertengespräch II: Gesellschaftlich notwendige Dienstleistungen als Bedarfsfelder
Berlin, 30. Januar 2013
Ziel des Projektes 2012/2013 des Arbeitskreises Dienstleistungen ist es, Kriterien für
ein systematisches Gestaltungsprogramm gesellschaftlich notwendiger Dienstleistungen mit dienstleistungspolitischen Handlungsempfehlungen zu entwickeln. Wesentliche Fragestellungen dabei sind, wodurch gesellschaftlich notwendige Dienstleistungen charakterisiert sind, wie sich das Verhältnis zwischen öffentlichen und privatwirtschaftlich erbrachten Dienstleistungen gestaltet und wodurch sich die soziale
Notwendigkeit von Dienstleistungsangeboten ergibt. Diese Fragestellungen wurden
im zweiten Expertengespräch erörtert, wobei mit dem Themenfeld „Mobilität“ ein
Dienstleistungsfeld herausgegriffen wurde, welches bislang nicht im Fokus der gesellschaftlichen Notwendigkeit diskutiert wird.
Die Grundlage des Expertengespräches bildeten Impulsvorträge von Dr. Cornelia
Heinze, Selbständige Beraterin; und Prof. Dr. Andreas Knie, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. Es folgten Kommentare von Dr. Joß Steinke,
Arbeiterwohlfahrt AWO; Dr. Axel Viehweger, Verband Sächsischer Wohnungsgenossenschaften e.V.; Dr. Ernst-Dieter Rossmann, MdB; Dr. Norbert Reuter,
ver.di Bundesvorstand; Rolf Papenfuß, Zentralverband des Deutschen Handwerks ZDH; Michael Peter Groß, MdB sowie Stefan Heimlich, ver.di Bundesvorstand.
Die Diskussion um gesellschaftlich notwendige Dienstleistungen zeigt, dass die Frage von sozialem Erfolg mit der Frage von Staatlichkeit in einem engen Verhältnis
steht. Es existieren innerhalb Europas unterschiedliche Modelle von Staatlichkeit und
Sozialstaatlichkeit, wobei vieles dafür spricht, dass das spezifisch deutsche Modell
den Deutungsmustern und Pfadabhängigkeiten eines konservativ geprägten Sozialstaatsmodels entspricht. Ein wesentliches Kennzeichen dieses Modells ist die ausgeprägte Geringschätzung von bestimmten Dienstleistungen und Dienstleistungstätigkeiten, was sich in diesen Berufsfeldern in einem wachsenden Niedriglohnsektor
widerspiegelt, der in dieser Form bspw. in skandinavischen Ländern nicht zu finden
ist. Die Schlechtbezahlung von Dienstleistungen ist demnach kein Naturgesetz, sondern das Ergebnis gesellschaftspolitischer Entscheidungs- und Gestaltungsprozesse.
Ein weiteres Kennzeichen eines konservativ und neoliberal geprägten Sozialstaatsmodells ist die Akzeptanz und Bereitschaft, bestimmte Dienstleistungssegmente als
Spielfeld der freien Wirtschaft zu organisieren. In diesem Zusammenhang herrscht
Übereinstimmung, dass die meisten – wenngleich nicht alle – Privatisierungen in
der Vergangenheit ihr Versprechen von mehr Qualität und mehr Flexibilität für weniger Geld nicht halten konnten. Insbesondere im Gesundheitssektor, aber auch in anderen Dienstleistungsbranchen, sind stattdessen prekäre Niedriglohnsektoren entstanden, bei denen die Qualität der Arbeit wie auch die Qualität der Dienstleistungs1
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erbringung mehr als fragwürdig sind. In diesem Zusammenhang wird die These vertreten, dass die Rückeroberung des „Öffentlichen“ ein zentraler Punkt für die gesellschaftspolitische Diskussion sein müsse, denn nur so könne man der Falle des Niedriglohnsektors entkommen. Zudem sollte öffentlich stärker über die Folgen von privatisierten Dienstleistungen gesprochen werden. Dann könnten sich die Bürger ein Bild
davon machen, ob Dienstleistungen privatisiert werden oder doch eher im öffentlichen Einflussbereich verbleiben sollen.
Das Verhältnis Öffentlich versus Privat ist freilich kompliziert. Denn es geht auch
um die Frage, wie weit der Einfluss des Staates mit Dienstleistungsangeboten in die
privaten Lebensbereiche der Menschen reicht. Ggf. könnte es erforderlich sein, bestimmte gesellschaftliche Bereiche von staatlichen Einflusskräften freizuhalten, damit
die Menschen dies ihren Bedürfnissen entsprechend eigenverantwortlich organisieren können. Es muss letztlich eine demokratische Auseinandersetzung darüber stattfinden, wie die Menschen gemeinsam leben wollen. Staatlichkeit per se ist noch kein
Argument für hochwertige Dienstleistungen. Denn wie im privatwirtschaftlichen Bereich kann es auch hier Interessengruppen geben, welche Staatlichkeit einseitig für
ihre Zwecke nutzen (Korruption in Südeuropa wäre dafür ein Beispiel). Die Frage von
Staatlichkeit muss deshalb genauer erörtert werden und dabei sollten die kulturellen,
politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen Beachtung finden.
Dies gilt gerade vor dem Hintergrund, dass der Sozialstaat möglicherweise vor einer
Renaissance steht. Grund ist, dass die gesellschaftlichen Herausforderungen wie
Demografie, Bildung etc. zunehmend als gesellschaftlich notwendige Dienstleistungen erkannt und entsprechend diskutiert werden. Hier besteht allerdings auch die
Gefahr, dass die künftigen Trennlinien nicht allein zwischen öffentlich und privatwirtschaftlich erbrachten Dienstleistungen verlaufen, sondern dass auch Dienstleistungen, die bislang durch freie Träger erbracht werden (oder auch ehrenamtlich erbrachte Leistungen), unter erhöhten Legitimationsdruck geraten.
Am Beispiel von Mobilitätsdienstleistungen wird besonders gut erkennbar, in welchem Zusammenhang technische und soziale Innovationen mit der ordnungspolitischen Gestaltung des Rahmengefüges stehen. So funktioniert modernes Carsharing
nur dort gut, wo der öffentliche Verkehr ausgebaut ist. Moderne Städte benötigen
einen gut entwickelten öffentlichen Nahverkehr; sie werden sich künftig aber für neue
Mobilitätskonzepte, die teilweise von privaten Anbietern erbracht werden, öffnen
müssen. Gefragt sind ordnungspolitische Konzepte der Raumnutzung, die sich nicht
allein an ökonomischen, sondern auch an den sozialen Bedürfnissen der Nutzerinnen und Nutzer orientieren. Dies wiederum ist in erster Linie eine politische Aufgabe.
Zudem stellt sich das Problem, dass Mobilitätsdienste fast ausschließlich stadtbezogen gedacht werden. Es muss jedoch sichergestellt werden, dass auch ländliche Regionen versorgt und angeschlossen werden. Auch Schüler in der Uckermark haben
Mobilitätsbedürfnisse.
Mobilität ist demnach eine Frage der sozialen Teilhabe. Ggf. können die Konturen
gesellschaftlich notwendiger Dienstleistungen heute nicht mehr rein branchenbezogen definiert werden. Gesellschaftlich notwendige Dienstleistungen könnten sich
dadurch auszeichnen, dass bestimmte Dienstleistungen für bestimmte Personen2
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gruppen anders nicht zu decken sind. Welches genau diese Dienstleistungen und
Personengruppen sind, ist eine Frage der Informationsbereitstellung. In diesem Sinne schließt sich der Kreis zum ersten Expertengespräch, welches auf die Bereitstellung von Daten- und Informationsmaterial zur Gestaltung gesellschaftlich notwendiger Dienstleistungen fokussiert hat.
Ergebnissicherung durch Bernd Bienzeisler, Fraunhofer IAO
Gehaltene Vorträge:
Heintze, Cornelia (2013): Bedarfsfelder gesellschaftlich notwendiger Dienstleistungen
Die empirische Vergleichsperspektive als Wegweiser
Knie, Andreas (2013). Mobilität als gesellschaftlich notwendige Dienstleistung –
Trends in der Mobilität
Das Projekt wird auf der Homepage der Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik der
Friedrich-Ebert-Stiftung dokumentiert:
http://www.fes.de/wiso/content/veras/v_dienstleistung.php
Dort sind auch die Folien der Vorträge hinterlegt.
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