Fachbereich Mathematik der Universität Hamburg Dr. Hanna Peywand Kiani WiSe 2011/2012 Anleitung zu Blatt 2 Analysis I für Studierende der Ingenieurwissenschaften vollständige Induktion, Min/Max, Infimum, Supremum Komplexe Zahlen, Polynome 18.11.2011 Die ins Netz gestellten Kopien der Anleitungsfolien sollen nur die Mitarbeit während der Veranstaltung erleichtern. Ohne die in der Veranstaltung gegebenen zusätzlichen Erläuterungen sind diese Unterlagen unvollständig (z. Bsp. fehlen oft wesentliche Voraussetzungen). Tipp– oder Schreibfehler, die rechtzeitig auffallen, werden nur mündlich während der Veranstaltung angesagt. Eine Korrektur im Netz erfolgt NICHT! Eine Veröffentlichung dieser Unterlagen an anderer Stelle ist untersagt! Vollständige Induktion Situation: Eine Aussage A(n) die von n ∈ N abhängt soll für alle n ≥ n0 bewiesen werden. Der Einfachheit der Notation zu Liebe : hier zunächst n0 = 1. Also Eine Aussage die von n ∈ N abhängt soll für alle n ∈ N bewiesen werden. Beispiele a) Es gibt n! verschiedene Möglichkeiten n verschiedene Objekte zu sortieren. b) Für die Summe der ersten N natürlichen Zahlen gilt: n X k=1 k = 1 + 2 + 3 + 4 + · · · + (n − 1) + n = n(n + 1) . 2 2 Vorgehen : Induktionsanfang: Die Aussage wird für n = n0 bewiesen. Für uns erst einmal n0 = 1. Induktionsvorraussetzung: Man setzt voraus, dass die Aussage für irgendein N aus N gilt. Man sagt hier oft N sei beliebig aber fest. Induktionsschritt: Man beweist, dass die Aussage dann auch für N + 1 gilt. Nach diesen drei Schritten folgt (anschaulich nach dem Dominoprinzip, mathematisch nach PEANO), dass die Aussage für alle natürlichen Zahlen gilt. Beispiel 1: Behauptung: Für alle n ∈ N gilt: 2n > n. Beweis: a) Anfang: Für n = 1 gilt 21 > 1. 3 b) Annahme: Für eine beliebige, feste natürliche Zahl N gelte 2N > N . c) Schritt: Zu zeigen ist 2N +1 > N + 1 Beweisstrategie : 1) Zerlege den neuen Ausdruck (hier 2N +1 oder N + 1) in einen aus der Annahme bekannten und einen neuen Teil: 2N +1 = 2N · 2 2) Setzte die Information aus der Annahme ein 2N +1 = 2N · 2 > N · 2 3) Versuche nun durch Umformungen die Behauptung für n = N + 1 zu beweisen 2N +1 > N · 2 ··· ≥ N +1 Hier soll also aus dem 2 · N ein N + 1 werden. Zum Beispiel so: 2N +1 > N · 2 = N + N ≥ N + 1. 4 Beispiel 2: (ein wenig komplizierter) Behauptung: Für alle n ∈ N gilt n X k=1 n(n + 1)(2n + 1) k = 6 2 ∀n ∈ N Beweis: Induktionsanfang: n = 1. Es gilt 1 X k=1 1(1 + 1)(2 + 1) · k =1 =1= 6 2 2 Induktionsvoraussetzung: Wir nehmen mit einem festen aber beliebigem N ∈ N an, dass die Behauptung für alle n ≤ N gilt. Induktionsschritt: Wir beweisen nun die Behauptung für n = N + 1. 5 Ziel: N +1 X k2 = k=1 N +1 X k2 = k=1 (N + 1) ((N + 1) + 1) (2(N + 1) + 1) 6 N X k=1 = k2 ! + (N + 1)2 N (N + 1)(2N + 1) + (N + 1)2 6 nach Induktionsvoraussetzung NICHT BLIND AUSMULTIPLIZIEREN! 6 Beispiel 3: (Induktionsanfang nicht immer bei n = 1) (Aufgabe 1a, Vordiplomsklausur WiSe 02/03) n−1 X k=2 2 1 1 = − 3 k − k 2 n(n − 1) n ≥ 2, Hier macht es keinen Sinn den Induktionsanfang bei n = 1 zu machen. Man kann natürlich die Summe so um schreiben, dass man wieder bei n = 1 starten kann. Einfacher und absolut gleichwertig ist es aber gleich mit n = 2 zu beginnen. Es ändert sich nur folgendes: Induktionsanfang: Die Behauptung wird für n = 2 bewiesen. (Übungsaufgabe!) Hinweis: n X k=m · · · := 0 falls n < m. Induktionsvoraussetzung: Wir nehmen an, dass die Formel für ein festes, beliebiges N ∈ N mit N ≥ 2 gilt. Rest : bleibt wie gehabt. 7 Beispiel 4: (Ungleichung) Behauptung : Für alle n ∈ N gilt n X 1 1 ≤ 2− 2 k n k=1 Beweis: Induktionsanfang: n = 1. Es gilt 1 X 1 1 = 1 ≤ 2− . 2 k 1 k=1 Induktionsvoraussetzung: Wir nehmen mit einem festen aber beliebigem N ∈ N an, dass die Behauptung für N gilt, also N X 1 1 ≤ 2− 2 k N k=1 8 Induktionsschritt: Wir beweisen nun die Beh. für n = N + 1. Ziel: N +1 X k=1 N +1 X k=1 1 1 ≤ 2− 2 k N +1 1 = 2 k N X k=1 1 k2 ! 1 + (N + 1)2 1 1 ≤2 − + N (N + 1)2 nach Induktionsvoraussetzung 9 Minima, Maxima, Infimum, Supremem Sei M ⊂ R. • Jede Zahl C ∈ R für die x ≤ C, ∀ x ∈ M gilt, heißt Obere Schranke von M. • Jede Zahl c ∈ R für die x ≥ c, ∀ x ∈ M gilt, heißt untere Schranke von M. • M heißt nach oben (bzw. unten) beschränkt falls es eine obere (bzw. untere) Schranke von M gibt. • Die kleinste obere (bzw. größte untere) Schranke von M heißt (im Falle der Existenz) Supremum (bzw. Infimum) von M sup M (bzw. inf M ). 10 Beispiele: M1 := {x2 : 0 < x ≤ 0.5} M2 := {x = 3k : k ∈ N} 1 M3 := { : x ∈ [1, 2)} x M3: unendlich viele obere Schranken z.B. 4. Kleinste obere Schranke ist 1. Es gilt sup M = 1 ∈ M . Liegt das Supremum der Menge M in der Menge, so wird es Maximum von M genannt. Analog ist das Minimum von M definiert. M3: unendlich viele untere Schrankten, z.B. 0. größte untere 11 Schranke inf M = 0.5 ∈ / M. M3 besitzt kein Minimum . Eine Menge kann also beschränkt sein ohne Minmum und Maximum zu besitzen. Es gilt aber der folgende Satz, den man mit Hilfe des Vollständigkeitsaxioms beweist. SATZ: Jede nichtleere nach oben (unten) beschränkte Teilmenge der reellen Zahlen besitzt ein Supremum(Infimum). Vor Ort: M1 := {x2 : 0 < x ≤ 0.5}, M2 := {x = 3k : k ∈ N} 12 Beispiel M := n 1 1 + (−1) x ∈ R : ∃ n ∈ N mit x = + n+1 2n Fragen: ist M beschränkt? Inf? Sup? Max? Min? Wie sieht M aus? n gerade: x = 1 n+1 + 2 2n = 1 n+1 + 1 n Zahlenwerte für n = 2, 4, 6, · · · : x = 56 , 9 13 20 , 42 , ··· n größer =⇒ x kleiner Für gerade n gilt 0 < x(n) = 1 n+1 + 1 n ≤ 56 . 13 n ungerade: x = 1 n+1 Zahlenwerte für n = 1, 3, 5, · · · : x = 12 , 41 , 16 , · · · n größer =⇒ x kleiner Für ungerade n gilt 0 < x(n) = 1 n+1 ≤ 12 . M ist nach unten beschränkt z.B. durch 0 oder z.B. -1000 M ist nach oben beschränkt z.B. durch Für n = 2 gilt x = 5 6 ∈ M =⇒ 5 6 5 6 oder z.B. 1000 = max(M ) = sup(M ) 14 Infimum: Ist Null die größte untere Schranke? Wir vermuten ja und beweisen dies indirekt. Annahme : ∃ ǫ > 0 mit 0 < ǫ ≤ x ∀x ∈ M . Dann gilt für alle ungeraden n 0 < ǫ ≤ 1 n+1 ⇐⇒ n + 1 ≤ 1 ǫ ⇐⇒ n ≤ 1−ǫ ǫ D.h.: die Menge der ungeraden natürlichen Zahlen ist nach oben beschränkt. Widerspruch! 15 Für Aufgabe 1 und 2: Binomialkoeffizienten : n! n n n = , := := 1. k n 0 k!(n − k)! n n n+1 Übung: Zeigen Sie + = k k−1 k Lösung: n! n! n n = + + k k−1 k!(n − k)! (k − 1)!(n − (k − 1))! (n + 1)! n+1 Zielausdruck: = k k!(n + 1 − k)! (n − k + 1)! = 1 · 2 · 3 · · · (n − k)(n − k + 1) = (n − k)! · (n − k + 1) analog k! = (k − 1)! · k 16 Gemeinsamen Nenner bilden: n! n! n n + = + k k−1 k!(n − k)! (k − 1)!(n − (k − 1))! n!(n − k + 1) n!k = + k!(n − k)!(n − k + 1) (k − 1)!k(n − k + 1)! 17 Komplexe Zahlen z ∈ C : z := x + iy, x =: Re z, x, y ∈ R , i = imaginäre Einheit y =: Im (z) p |z| := Abstand zu 0 + i · 0 = Länge des Ortsvektors= x2 + y 2. y R x 18 Addition und Multiplikation im R2 ←→ C Addition: komponentenweise (2 + 3i) + (5 − 2i) = 7 + i Multiplikation: (a+ib)(x+iy) = ax+iay+ibx+i2by = (ax−by)+ i(ay+bx) ∈ C Nicht so hübsch! Schöner in Polarkoordinaten 19 2 Polarkoordinaten: wie im R : x = r cos(ϕ), y = r sin(ϕ) , r= p x2 + y 2 z = r ( cos(ϕ) + i sin(ϕ) ) = reiϕ = |z|eiϕ y R x 20 Einheitskreis: K1 := {z ∈ C : z = reiϕ, r = 1 } = {z ∈ C : z = eiϕ, ϕ ∈ [0, 2π)} Beispiele: iπ 2 i= e =⇒ i2 = eiπ = −1. √ √ 2 2 z = x + iy = 4 + 4i =⇒ r = 4 + 4 = 4 2 √ √ 1 1 π π iϕ z = re = 4 2 √2 + i √2 = 4 2 cos( 4 ) + i sin( 4 ) √ iπ = 4 2e 4 21 Multiplikation 1. Fall: a ∈ R+, z := reiϕ ∈ C z 7→ az = areiϕ : Streckung (Stauchung) um Faktor a. 2. Fall: c = eiα ∈ C, z := reiϕ ∈ C z 7→ cz = rei(ϕ + α) : Drehung um Winkel α. 3. Fall: c = aeiα ∈ C, z := reiϕ ∈ C z 7→ cz = arei(ϕ + α) : Drehstreckung. Beträge werden multipliziert. Argumente werden addiert. 22 Hinweise zur Aufgabe 3: Polynomdivision/ Hornerschema Beispiel: Gegeben sei p(x) = x4 + 2x3 + 4x2 − 2x − 5. a) Bestimmen Sie die alle Nullstellen von p. b) Schreiben Sie p in Potenzen von (x − 3) um, d.h. in die form 4 X p(x) = ak (x − 3)k . k=0 Zu a) 1) Wenn möglich x−Potenzen abspalten 2) Nullstelle erraten. Zum Beispiel über X Koeffizienten = 0 ⇐⇒ p(1) = 0 oder X Koeffizienten der geraden Potenzen = ungeraden Potenzen ⇐⇒ p(−1) = 0 X Koeffizienten der 23 Sonst mit kleinen ganzen Zahlen z.B. ±2, ±3 probieren. 3) Nullstelle(n) abspalten mit Polynomdivision oder Hornerschema Hier: x0 = 1 ist Nullstelle ⇐⇒ (x − 1) ist ein Linearfaktor 1 1 2 4 −2 −5 1 3 7 5 1 3 7 5 0 D.h. p(x) = x4 + 2x3 + 4x2 − 2x − 5 = (x − 1)(x3 + 3x2 + 7x + 5). (x3 + 3x2 + 7x + 5) : (x + 1) = 24 p(x) = (x − 1)(x + 1)(x2 + 2x + 5) – Quadratisches Polynom x2 + 2x + 5 = 0 : p-q-Formel oder quadratische Ergänzung x2 + 2x + 5 = (x + 1)2 − 1 + 5 = 0 √ √ ⇐⇒ x + 1 = ± −4 ⇐⇒ x = −1 ± 2 −1 ⇐⇒ x = −1 + 2i ∨ x = −1 − 2i 25 Zu b) Wiederholte Teilung durch (x − 3) mit Horner Schema ergibt 1 2 4 −2 −5 3 3 15 57 165 1 5 19 55 160 3 3 24 129 1 8 43 184 3 3 33 1 11 76 3 3 1 14 p(x) = (x − 3)4 + 14(x − 3)3 + 76(x − 3)2 + 184(x − 3)1 + 160 . 26