Bipolare Störungen in der Klinik H.-P. Volz Krankenhaus für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin Schloss Werneck Menschen mit bipolaren Erkrankungen Vincent van Gogh Virginia Woolf Robert Schumann Ernest Hemmingway 1853 – 1890 1882 – 1941 1810 - 1856 1899 - 1961 Spektrum affektiver Störungen in der ICD-10 Manische Episode (F30) Bipolar affektive Störung (F31) Affektive Störungen Depressive Episode; rez. depressive Störung (F32, F33) Anhaltende affektive Störung (F34) sonstige affektive Störung (F38) Zyklothymie (F34.0) Dysthymie (F34.1) „Bipolare“ Tatsachen Bipolar - I Störung (1.5%) Bipolares Spektrum (bis 8%) - Bipolar II - Temperamentsstörungen Ca. 800.000 Erkrankte in Deutschland, davon ca. 50% unbehandelt harte DSM-IV weiche „Zürich-Kriterien“ 0,5% 0,6% minor major 1,7% Ratio Depr./BP 0,6% 5,3% 21,3% 11,4% 17,1% 2,8% 26,6% 25,7% 49,5% 9,4 2,9 11,0% 26,6% 49,5% 1 BP I MDD BP II Dysthymia, milde Formen Frühzeitig eine korrekte Diagnose stellen ! „The Rule of 3 Hinting at Soft Bipolarity (NOS) in a Clinically Depressed Person” mindestens drei: Depressive Episoden Gescheiterte Ehen Gescheiterte Antidepressiva-Versuche Unterschiedliche Berufe Erstgrad-Angehörige (oder Generationen) mit affektiver Störung Bereiche der Vormacht in der Familie Substanzmissbrauch Impulsive Verhaltensweisen (Spielen, Autorennen, Sexualität etc.) Gleichzeitige Verabredungen Gleichzeitige Jobs Sprachen (gilt nur für U.S. Bürger) Triade zurückliegender Diagnosen histrionischer, psychopathischer und Borderline-Persönlichkeitsstörung. Triade von rotem Auto, Krawatte und Gürtel (the “red sign”) Akiskal HS. J Affect Disord. 2005; 84: 279-290. Überblick Klinik Symptomatik & Diagnostik - Manie und Hypomanie - gemischte Episode - depressive Episode Differentialdiagnostik und Komorbiditäten Therapien Fazit - aktuelle Therapieoptionen - Erfahrungen mit Sycrest® Überblick Klinik Symptomatik & Diagnostik - Manie und Hypomanie - gemischte Episode - depressive Episode Differentialdiagnostik und Komorbiditäten Therapien Fazit - aktuelle Therapieoptionen - Erfahrungen mit Sycrest® Euphorische Manie unangemessen gehobene Stimmung gesteigertes Selbstwertgefühl erhöhter Antrieb und Betriebsamkeit Hemmungslosigkeit verstärkter Rededrang geringes Schlafbedürfnis und Hyperaktivität Distanzlosigkeit erhöhte Libido Ideenflucht, Gedankendrängen, beschleunigtes Denken) Wahnideen (z.B. Größenwahn), Halluzinationen Dysphorische Manie Gereiztheit und Aggressivität stehen im Vordergrund Depressive Symptome sind zeitgleich vorhanden, im Extremfall: Mischzustand Bei allen Manieformen können psychotische Symptome auftreten (z.B. illusionäre Verkennungen) Symptome der Hypomanie unvorsichtiges und riskantes Autofahren Ungeduld Erregbarkeit vermehrte Ablenkbarkeit; übermäßige Beschäftigung mit angenehmen Aktivitäten, dadurch Vernachlässigung von Pflichten vermehrter Konsum von Kaffee, Tabak und Alkohol vermehrte Geldausgaben riskantes Geschäftsverhalten, unüberlegte Investitionen starker Sexualtrieb mit Risiko von Infektionen, von ungewollten Schwangerschaften vermehrter Konsum von illegalen Drogen: Risiko von Spätschäden sowie von Abhängigkeit, z.B. von Opiaten Überblick Klinik Symptomatik & Diagnostik - Manie und Hypomanie - gemischte Episode - depressive Episode Differentialdiagnostik und Komorbiditäten Therapien Fazit - aktuelle Therapieoptionen - Erfahrungen mit Sycrest® Gemischte Episode (ICD-10): Bipolar-affektive Störung, gegenwärtig gemischte Episode (F31.6) „Zwar besteht die typische Form der bipolaren Erkrankung in einem Alternieren von manischen und depressiven Episoden, unterbrochen von Perioden mit normaler Stimmungslage, manische und depressive Symptome können aber auch gleichzeitig vorhanden sein. Dabei kann simultan eine depressive Stimmung bzw. eine manische Stimmungslage und Größenideen begleitet sein von Agitiertheit, Antriebs- und Libidoverlust.“ „Depressive, hypomanische oder manische Symptome können auch rasch von Tag zu Tag oder von Stunde zu Stunde wechseln.“ (Eine gemischte affektive Episode soll nur dann diagnostiziert werden, wenn beide Gruppen von Symptomen während des überwiegenden Teils der gegenwärtigen Krankheitsepisode gleichermaßen im Vordergrund stehen, und wenn diese Phase mindestens zwei Wochen lang andauert.) Gemischte Episode (ICD-10): Bipolar-affektive Störung, gegenwärtig gemischte Episode (F31.6) „Zwar besteht die typische Form der bipolaren Erkrankung in einem Alternieren von manischen und depressiven Episoden, unterbrochen von Perioden mit normaler Stimmungslage, manische und depressive Symptome können aber auch gleichzeitig vorhanden sein. Dabei kann simultan eine depressive Stimmung bzw. eine manische Stimmungslage und Größenideen begleitet sein von Agitiertheit, Antriebs- und Libidoverlust.“ „Depressive, hypomanische oder manische Symptome können auch rasch von Tag zu Tag oder von Stunde zu Stunde wechseln.“ (Eine gemischte affektive Episode soll nur dann diagnostiziert werden, wenn beide Gruppen von Symptomen während des überwiegenden Teils der gegenwärtigen Krankheitsepisode gleichermaßen im Vordergrund stehen, und wenn diese Phase mindestens zwei Wochen lang andauert.) Mischzustände (gemischte Episode) Kraepelin • Dysphorische Manie • Agitierte Depression • Hypomanie/Manie mit motorischer Retardierung oder mit manischem Stupor Kraepelin E., 1904. Psychiatrie. 7. Auflage, Barth, Leipzig. Modell der gemischte Episode Denken Stimmung Willen (Antrieb) modifiziert nach Kraepelin (1904) und Maneros (1999) Modell der gemischte Episode Denken Stimmung Willen (Antrieb) modifiziert nach Kraepelin (1904) und Maneros (1999) Rapid Cycling Eine Sonderform bipolarer affektiver Störungen ist das rapid cycling. Dabei kommen mindestens 4 Episoden einer manischen, hypomanen, depressiven oder gemischten Episode in den letzten 12 Monaten vor. Die Episoden können dabei direkt in eine Episode umgekehrter Polarität wechseln oder aber es kann eine Remissionszeit für mindestens zwei Monate dazwischen liegen. 15 – 20 % der Patienten mit bipolaren affektiven Störungen erfüllen dieses Kriterium. Frauen : Männer = 2 : 1 Rapid Cycling - Formen Rapid cycling ultra rapid cycling ultra-ultra rapid cycling Mindestens 4 Phasen/Jahr andauernde Phasenwechsel innerhalb von Tagen andauernde Phasenwechsel innerhalb von Stunden Verlauf (Zusammenhang Zahl der Episoden -Zykluslänge) Zykluslänge (Monate) 60 Kraepelin, 1921 50 Roy-Byrne et al., 1985 40 Angst, 1981 Zis et al., 1980 30 20 10 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 Anzahl der Episoden Überblick Klinik Symptomatik & Diagnostik - Manie und Hypomanie - gemischte Episode - depressive Episode Differentialdiagnostik und Komorbiditäten Therapien Fazit - aktuelle Therapieoptionen - Erfahrungen mit Sycrest® Relevanz – Symptomverläufe Manie Subsyndromale Manie (Hypomanie) Manie Euthymie Subsyndromale Depression Depression Konversionsrate: unipolar-depressiv bipolar Angst et al., J Aff Disord 2005 Klinische Unterschiede zwischen bipolarer und unipolarer Depression Verlaufsparameter frühes Erkrankungsalter rascher Beginn oft abruptes Ende Häufige Komorbidität • • • • Sucht (60%) Angststörungen (bis 40%) Hyperthymie Zyklothymia Klinische Besonderheiten häufiger stimmungslabil psychomotorische Hemmung psychotische Symptome (Wahn, Halluzinationen) Latenz bis zur Diagnose bipolarer Störungen Jahre bis 14 zur 12 korrekten Diagnose 10 * 8 6 4 2 0 Unipolar MDD (n=31) Bipolar insgesamt (n=54) Bipolar I Störung (n=27) Bipolar II Störung (n=11) Bipolar NOS (n=16) MDD: Major depressive disorder; NOS: Not otherwise specified *p=0.003 vs unipolar MDD Ghaemi et al., 2000 Effekt eines frühen Behandlungsbeginnes auf den langfristigen Verlauf bipolarer Störungen % Ansprechratea 100 80 60 40 20 0 < 5 Jahre 6-10 Jahre 11-20 Jahre > 21 Jahre Beginn der Lithiumprophylaxe nach Diagnose 270 Patienten über 4 Jahre beobachtet aImprovement rated by positive gradients between recurrence indices before and after lithium treatment Franchini et al., 1999 Überblick Klinik Symptomatik & Diagnostik - Manie und Hypomanie - gemischte Episode - depressive Episode Differentialdiagnostik und Komorbiditäten Therapien Fazit - aktuelle Therapieoptionen - Erfahrungen mit Sycrest® Initiale Fehldiagnosen verzögern effektive Therapien - Ergebnis einer Befragung von Betroffenen (N = 500) - 73 % erhielten eine alternative Erklärung für ihre Symptome bevor die Diagnose „Bipolare Störung“ gestellt wurde unipolare Depression 25 % schizophreniforme Psychose unipolare Depression und schizophreniforme Psychose 8% 19 % 9% 3% andere Diagnosen keine psychiatrische Diagnose Lish et al., 1994 Überlappung mit anderen Symptomkomplexen gestaltet die Diagnose schwierig schädlicher Substanzgebrauch Angst ADHD Hyperaktivität Unipolare Depression Soziale Phobie Depressive Symptome Psychotische Symptome Wahnhafte Störung Persönlichkeitsstörung Schizophrenie Schizoaffektive Störung Überlappung mit anderen Symptomkomplexen gestaltet die Diagnose schwierig schädlicher Substanzgebrauch Angst ADHD Hyperaktivität Unipolare Depression Soziale Phobie Depressive Symptome Psychotische Symptome Wahnhafte Störung Persönlichkeitsstörung Schizophrenie Schizoaffektive Störung Bipolare Störung Borderline Persönlichkeitsstörung Beginn von affektiven Symptomen vor der Pubertät Beginn der affektiven Symptome nach der Pubertät Biphasische Stimmungsschwankungen Stimmungsschwankungen im depressiven Bereich verharrend Die affektiven Symptome erreichen die diagnostischen Kriterien für eine depressive Episode Interpersonelle Beziehungen im euthymen Stadium verbessert Auch im euthymen Zustand interpersonelle Beziehungsstörungen Familienanamnese für bipolare Störungen Familenanamnese mit Hinweisen für Vernachlässigung und Missbrauch Die affektiven Symptome erreichen nicht die diagnostischen Kriterien für eine depressive Episode Gehäuftes (gleichzeitiges) Vorkommen beider Krankheitsbilder im Sinne der Komorbidität Überlappung mit anderen Symptomkomplexen gestaltet die Diagnose schwierig schädlicher Substanzgebrauch Angst ADHD Hyperaktivität Unipolare Depression Soziale Phobie Depressive Symptome Psychotische Symptome Wahnhafte Störung Persönlichkeitsstörung Schizophrenie Schizoaffektive Störung 50 Komorbide Achse I-Störungen 40 30 20 10 e xi re no A B ul im ie 0 A ng st er kr an ku ng A lk oh ol ab us M ar us ih ua na ab us us K ok ai na bu su s Patienten mit komorbiden Erkrankungen (%) Bipolare Störungen – hohe Komorbidität mit anderen psychischen Erkrankungen McElroy et al. Am J Psychiatry 2001;158:420–426 Überblick Klinik Symptomatik & Diagnostik - Manie und Hypomanie - gemischte Episode - depressive Episode Differentialdiagnostik und Komorbiditäten Therapien Fazit - aktuelle Therapieoptionen - Asenapin Therapie der akuten Manie I. Monotherapie II. Kombination III. IV. StiStab StiStab Mehrfachkombination EKT NL NL BZD StiStab StiStab StiStab NL StiStab NL Lithium Anwendungsgebiete • • Kontraindikationen akute Manie/ Hypomanie Phasenprophylaxe • Nierenfunktionsstörungen • schwere Herz-KreislaufErkrankungen • Störungen des Natrium- und Kaliumhaushaltes • Cave: Schilddrüsen-Dysfunktion Dosierung: • Serumkonzentration zur Akutbehandlung 1,0 - 1,2 mmol/l • Serumkonzentration zur Prophylaxe 0,6 - 0,8 mmol/l • Cave: bei älteren Patienten wirkt Lithium schon bei niedrigeren Spiegeln neurotoxisch; über 1,6 mmol/l besteht Gefahr einer Intoxikation aus: Bipolare affektive Störungen; Walden/Grunze; Thieme Verlag Stuttgart 2000 Valproinsäure Anwendungsgebiete Lithium - Nonresponse akute manische Episoden Therapie von Rapid Cycling Therapie von Mischzuständen Phasenprophylaxe affektiver Störungen Kontraindikationen Leberfunktionsstörungen Niereninsuffizienz Dosierung: Manie: Richtwert 20 mg/kg Körpergewicht/Tag Plasmaspiegel schnell über 50 µg/ml Prophylaxe: 600 - 2400 mg/Tag Plasmaspiegel zwischen 50 und 100 µg/ml aus: Bipolare affektive Störungen; Walden/Grunze; Thieme Verlag Stuttgart 2000 Carbamazepin Cave: nur Zulassung für Phasenprophylaxe durch das BfArM Anwendungsgebiete Kontraindikationen Phasenprophylaxe bipolarer affektiver Störungen Mischzustände Unverträglichkeit von Lithium Rapid Cycling Lebererkrankungen Herzrhythmusstörungen Dosierung: Manie 600 - 2400 mg/Tag Prophylaxe 600 - 1800 mg/Tag Plasmaspiegel zwischen 6 und 12 µg/ml aus: Bipolare affektive Störungen; Walden/Grunze; Thieme Verlag Stuttgart 2000 Therapie der Akuten Manie I. Monotherapie II. Kombination III. IV. StiStab StiStab Mehrfachkombination EKT NL NL BZD StiStab StiStab StiStab NL StiStab NL Klassische Neuroleptika Vorteile Einsatz bei Erregungszuständen im Rahmen manischer Phasen Nachteile • Kaum phasenprophylaktisch wirksam • Auslösung neuroleptikainduzierter Depressionen • gravierende Nebenwirkungen wie extrapyramidal-motorische Symptome (EPMS), z.B. Spätdyskinesien und malignes neuroleptischen Syndrom • wenn Einsatz klassischer NL nötig, dann nur zeitlich begrenzt aus: Bipolare affektive Störungen; Walden/Grunze; Thieme Verlag Stuttgart 2000 Prävalenz von EPMS (z.B. Spätdyskinesien bei bipolaren Störungen) Prävalenz: ca: 80% Parkinsonoid ca: 65 % akute Akathesie ca: 25-45% Spätdyskinesien (3x so häufig wie bei Schizophreniebehandlung!) Mukherjee et al. 1986; Benkert & Hippius 1996;Brüne Atypische Neuroleptika Cave: Vor- und Nachteile sind abhängig von Substanz/Dosierung Vorteile Nachteile Gute Wirksamkeit Hyperprolaktinämie Geringe Nebenwirkungsrate (EPS, Spätdyskinesien) Gewichtszunahme Motorische Nebenwirkungen Weniger stigmatisierend (Mimik, Haltung) Nicht „depressiogen“ aus: Manisch-depressive und andere bipolareErkrankungen; Marneros; Thieme-Verlag Stuttgart, 2000