Psychosen im Kindes

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Psychosen
im Kindes- und Jugendalter
OA. Dr. Hans Andritsch, LSF – Graz
Einteilung der
ADOLESZENZPSYCHOSEN
ICD 10: F20-F29: Schizophrenie, schizotype und wahnhafte
Störungen
„
Early Onset Schizophrenia (EOS):
Beginn vor dem 18. Lj
„
Very Early Onset Schizophrenia
(VEOS): Beginn vor dem 13.Lj
„
Schizotype Störung:ähnliche Symptome wie Schizophrenie,
jedoch ohne Halluzinationen und Wahn
„
Wahnhafte Störung: anhaltender Wahn, der weder als
organisch, noch als schizophren oder affektiv klassifiziert
werden kann.
Symptome der Schizophrenie
(nach ICD 10):
„
1. Gedankenlautwerden,
Gedankeneingebung oder
Gedankenentzug,
Gedankenausbreitung
„
2. Kontrollwahn, Beeinflussungswahn,
Wahnwahrnehmungen
„
3. Kommentierende oder dialogische
Stimmen
„
4. Anhaltende Wahnideen
Symptome der Schizophrenie
(nach ICD 10):
„
„
„
„
5. Anhaltende Halluzinationen jeder Sinnesmodalität
ohne deutliche affektive Beteiligung
6. Formale Denkstörungen wie Gedankenabreißen,
Einschiebungen in den Gedankenfluss, was zu
Zerfahrenheit, Danebenreden oder Neologismen führt
7. Katatone Symptome wie Erregung,
Haltungsstereotypien, Mutismus oder Stupor
8. Negative Symptome wie Apathie, Sprachverarmung,
Affektverflachung, sozialer Rückzug, allgemeine
Verringerung der Leistungsfähigkeit
Mindestens 1 Symptom der Gruppen 1-4 und mindestens 2
Symptome der Gruppen 5-8 müssen fast ständig während eines
Monats oder länger deutlich vorhanden sein.
Beginn der schizophrenen
Symptomatik
akut mit schwerwiegend gestörtem Verhalten, oder
schleichend mit allmählicher Entwicklung seltsamer
„
Gedanken und Verhaltensweisen:
„
Stressempfindlichkeit
„
Rückzug, soziale Kompetenzen sinken
„
Körperpflege wird vernachlässigt
„
Auseinandersetzung mit pseudophilosophischen Fragen
Energieniveau reduziert,
„
Affekte wie Trauer, Freude, Spontaneität gehen verloren
Patienten wirken dumpf, unansprechbar und gefühlsmäßig
unerreichbar
„
Irritation, misstrauische Befürchtungen
„
Schleichender Beginn in Pubertät und Adoleszenz ähnelt oft
„pubertärem Verhalten“ – Gefahr einer sehr verzögerten
Diagnosestellung.
„
Häufig Haschisch- oder Alkoholkonsum als „Copingstrategie“!
Early-onset schizophrenia
Häufigkeit:
„
„
„
Prävalenz der Schizophrenie = cca 1%
unter dem 18.LJ = 0,23%
deutlicher Anstieg in Pubertät und früher
Adoleszenz.
0,1-1% der schizophrenen Psychosen
manifestieren sich vor dem
10. Lebensjahr.
Häufigkeitsgipfel der Schizophrenie bei
Männern 24.LJ, bei Frauen 27.LJ
EOS - Neurobiologisches
Entwicklungsmodell
E.Resch, 1999
Early-onset schizophrenia
Diagnose und Symptomatik:
„ Nach den gleichen Kriterien wie bei Erwachsenen
(ICD 10, DSM IV).
„ Konzept der positiven und negativen Symptome
kann auch im Kindesalter angewendet werden.
(Bettes and Walker, Remschmidt).
Positive Symptome nehmen linear mit dem Alter zu,
Negativsymptome waren in Studien am häufigsten
in früherer Kindheit und später Adoleszenz.
„ Vergleich zwischen positiven und negativen
Symptomen im Behandlungsverlauf zeigt eine
Verringerung der Anzahl der Positivsymptome aber
einen deutlichen shift zur Negativsymptomatik
(hohe Chronifizierungsneigung?)
Early-onset schizophrenia
Häufige Faktoren in prämorbider
Entwicklung:
„ Geburtskomplikationen
„ neurologische soft-signs
„ Entwicklungsstörungen des Sprechens
und der Sprache
„ Umschriebene und allgemeine
kognitive Defizite
Early-onset schizophrenia
Prognose:
„ schlechte Prognose bei Manifestation vor dem 14. Lj.
„ Patienten mit akuter Manifestation und hpts. positiven
Symptomen haben eine bessere Prognose als
Patienten mit schleichendem Beginn und
kontinuierlicher Beeinträchtigung der kognitiven
Funktionen und/oder depressiven Symptomen
„ Prämorbide Persönlichkeit: bessere Prognose bei
sozial aktiven, gut integrierten und intelligenten
Kindern, schlechtere Prognose bei scheuen,
introvertierten und kognitiv beeinträchtigten Kindern.
„ Umgebungsbedingungen: bessere Prognose bei
Fehlen einer erblichen Belastung, guter Kooperation
der Familie und rascher medikamentöser und
rehabilitativer Behandlung.
Differentialdiagnostik
„
„
„
„
„
„
„
„
manische Störungen
affektive Störungen mit psychotischen
Symptomen
organische Psychosen
dissoziative Störungen
Zwangsstörungen
Desintegrative Störungen des Kindesalters
Autismus Typ Asperger
Persönlichkeitsstörungen
Schizophrenieähnliche Symptome bei
folgenden organischen Erkrankungen
„
„
„
„
„
„
„
Delir
Substanzinduzierte psychotischen Störungen
Intoxikation v.a. mit Amphetaminen, Kokain,
Psychopharmaka
Endokrinopathien: z.B. Hypo- u.
Hyperparathyreoidismus
Degenerative Erkrankungen
Enzephalitis
Andere neurologische Störungen: z.B. epileptische
Psychosen
INTERVENTIONEN
„
„
„
„
Hospitalisierung in akuter Phase abhängig
von Schweregrad, bzw. zur vertieften
Diagnostik. Unterbringungsgesetz bei
Selbst- oder Fremdgefährdung.
Neuroleptika (Aufklärung!)
Psychoedukative Maßnahmen für Familie
und Patient (Aufklärung, Begleitung,
Beratung, Arbeit an „high expressed
emotions“, Bearbeitung von double-bindPhänomenen)
INTERVENTIONEN
„
„
„
„
Training sozialer Fertigkeiten
Kognitive Übungen
Geeignete Psychotherapie (anfangs
Wertschätzung als menschliches
Individuum, Da-Sein, Ich-stützend, Ichstärkend, Krisenbewältigung,
Krankheitsbewältigung, konfliktaufdeckend
– „Lebensdrama- u.a.symbolisiert im Wahn
– erst bei ausreichender Stabilität))
Adäquate Beschulung, bzw. berufliche
Förderung
NEUROLEPTIKA
Prinzipielle Problematik:
Psychopharmaka – ja oder nein?
Psychopharmaka bedeuten für viele Patienten:
„
sie bemühen sich zu wenig
„
sie sind Versager
„
sie schaffen es nicht alleine
„
sie sind verrückt
„
ihre Persönlichkeit wird verändert
„
sie werden ruhiggestellt (chemische Zwangsjacke)
„
sie werden manipuliert
„
sie können nicht mehr selber kontrollieren
„
sie werden abhängig
„
sie werden „unter Drogen gesetzt“
„
sie werden zu „Zombies“ (tropfender Speichel, veränderte
Bewegungen, starre Mimik)
Erklärungsbedarf für
Wirkungsmechanismen und klinische Wirkung
„
„
„
Funktionsweise der Neurotransmitter im Gehirn
Limbisches System, als „alter Teil“ des Gehirns
kann Willen und Denken beeinflussen – an der
Hirnbasis sitzt eine „seelische Grundstruktur in
Form eines „limbischen Hirnabdrucks“: die
Persönlichkeit, die individuelle Art. Der „Hirnbauch“
(limbisches System) macht Schwierigkeiten, wenn
das Großhirn Eindrücke nicht verarbeiten kann –
chemisches Durcheinander der Neurotransmitter.
Psychopharmaka in richtiger Dosierung
bewirken: Rationalisierbarkeit, einen Schritt
zurücktreten“, überlegen, Kräfte sammeln.
Erklärungsbedarf für
Wirkungsmechanismen und klinische Wirkung
Neuroleptikawirkung:
„ Gegen Positivsymptome wie Halluzinationen,
Wahnideen, Erinnerungsverfälschungen, IchErlebnisstörungen.
„ Gegen formale Denkstörungen wie Entgleisungen,
Sperrungen, Faseln
„ Gegen katatone Symptome: nicht nur Gedanken
können abreißen, sondern auch Bewegungen: sie
können wächsern erstarren, in der Bewegung hängen
bleiben, langsam-bleiern sein, oder sich in einem
plötzlichen Bewegungssturm entladen.
„ Sie können – leider nur eingeschränkt – auf
Negativsymptome wirken, d.h. auf Interesselosigkeit,
Dumpfheit, fehlende Emotionalität, Stressunfähigkeit.
Neuroleptika
unerwünschte Wirkungen:
„
„
„
„
„
„
„
„
Frühdyskinesien
Parkinsonismus
Akathisie
Sedierung
Unruhe
Gewichtszunahme
EEG-Veränderungen,
epileptische Anfälle
Kopfschmerz
„
„
„
„
„
„
„
Schwindel
Herz: QT-Verlängerung/
Arrhythmie
Transaminasenerhöhung
Prolaktinerhöhung (evtl.
auch Milchfluss)
Hyperglykämie
Malignes
neuroleptisches
Syndrom
Agranulozytose
Beschreibung der einzelnen
Neuroleptika
Haldol
„
„
„
„
„
Auf Grund der hohen Inzidenz an tardiven Dyskinesien, die
aus Studien bei Erwachsenen bekannt ist, sind typische
Neuroleptika im Kindesalter mittlerweile nicht mehr unbedingt
Mittel der ersten Wahl.
Vorteile: Verabreichung auch i.v.
Gute und schnelle Wirksamkeit bei stuporösen, bzw. stark
agitierten Patienten.
NW: EPS,
Parkinsonismus
tardive Dyskinesien
Depression,
Müdigkeit
Konzentrationsstörungen
Studien bei Schizophrenie / Zulassung im Kindes- u.
Jugendalter
Beschreibung der einzelnen
Neuroleptika
„
„
„
„
„
„
„
Clozapine
Deutliche Überlegenheit vor allem in Kindesalter und bei
therapieresistenten Schizophrenien gegenüber
konventionellen Neuroleptika.
Wegen Agranulozytoserisiko Antipsychotikum 2. Wahl, bei
ungenügendem Ansprechen auf anderes Neuroleptikum.
Wöchentliche Blutbildkontrolle über 18 Wochen,
Vorteile: keine EPS, keine tardiven Dyskinesien, keine
Prolaktinerhöhung
NW:
epileptische Anfälle, bzw. EEG-Veränderungen,
Granulozytopenie,
Speichelfluss,
Müdigkeit,
Einnässen,
Tachykardie,
Gewichtszunahme,
Hypotonie
Schwindel
Fieber
Studien über Clozapin im Kindes-u. Jugendalter / Zulassung
2.Wahl ab 16.LJ
Beschreibung der einzelnen
Neuroleptika
Risperdal
„
Häufig Antipsychotikum 1. Wahl bei adoleszenten Patienten.
„
Vorteile: vergleichbare Wirkung zu Haloperidol, geringe
Sedierung, geringe Neigung zu Depressivität und
Konzentrationsstörungen, kein Agranulozytoserisiko,
Gewichtszunahme geringer als bei Olanzapin und Clozapin.
„
NW:
EPS / Parkinsonismus
Gewichtszunahme,
Prolaktinerhöhung
Leicht: Müdigkeit
Konzentrationsstörungen
EEG-Veränderungen,
Kopfschmerz
„
Studien Risperidon im Kindes- u. Jugendalter Z
„
Zulassung: >5.LJ bei Aggressiven VST bei geistiger Retardierung
>18.LJ Psychosen
Beschreibung der einzelnen
Neuroleptika
„
„
„
„
„
„
„
Zyprexa
Häufig Antipsychotikum 1. Wahl bei Jugendlichen.
Vorteile: Kein erhöhtes Risiko für EPS, Agranulozytose oder
epileptische Anfälle.
Bessere Wirkung auf Negativsymptome als Haloperidol,
vergleichbare Wirkung auf Positivsymptomatik.
NW:
Gewichtszunahme
Konzentrationstörung
Sedierung
Übelkeit
Kopfschmerz
Tachykardie
Unruhe
Studien Olanzapine im Kindes-u. Jugendalter
Keine Zulassung unter 18.LJ (Individueller Heilmittelversuch)
Beschreibung der einzelnen
Neuroleptika
Quetiapine
„ Langsame Etablierung als Antipsychotikum 1. Wahl
„ Vorteile: wenig Gewichtszunahme, keine EPS,
keine Prolaktinerhöhung, keine EEGVeränderungen
NW: Müdigkeit
Kopfschmerz
Schwindel
Gewichtszunahme – vergleichbar mit Risperdal,
NW werden als mild bis moderate beschrieben
„ Keine Zulassung unter 18.LJ (Individueller
Heilmittelversuch)
Beschreibung der einzelnen
Neuroleptika
Ziprasidon
„
In Erwachsenenstudien QT-Verlängerung, keine
Gewichtszunahme
„
Meighen, 2004: Case report 2 Fälle: Gut Wirkung auf positiv- u.
Negativsymptomatik, keine Gewichtszunahme, keine EKGVeränderungen, leichte EPS in einem Fall.
Amisulprid: keine Studien im Kindesalter
Sertindol: keine Daten im Kindes- u. Jugendalter
Zotepin: keine Daten im Kindes- u. Jugendalter
Aripiparazol = Abilify:
„
in Zulassung für Jugendliche Psychosen ab 15.LJ
„
Kaum Gewichtszunahme
„
Wenig bis keine Sedierung
„
NW: Möglichkeit von Tremor, EPS…
Neuroleptika
Überlegungen bei Anwendungen im Jugendalter
„
„
„
Kinder eliminieren Psychopharmaka schneller als
Erwachsene, brauchen daher relativ höhere Dosen
(Paxton and Dragunow, 1993)
Höhere Plasmaspiegel sind positiv korreliert zu
Symptomreduktion in einer Kurzzeitstudie (Poland
et al., 1982), aber nicht in einer Langzeitstudie
(Campbell et al., 1988).
Bei Erwachsenen Verabreichung 1x täglich von
Olanzapin, Risperidon, Quetiapine als wirkungsvoll
erwiesen.
Psychotherapie bei Psychosen
Therapeutische Richtlinien
„
„
„
„
„
„
„
„
Hilfe beim Überstieg in der akuten Phase
Aufarbeiten der psychotischen Episode
Verbesserung der Kontaktfähigkeit und Affiliation
Verbesserung der Konflikt und Problemlösestrategien
Unterstützung bei der Bewältigung von
Entwicklungsaufgaben
Verbesserung des Selbstwertes
Erkennen persönlicher Grenzen und Resourcen
(Vulnerabilitätsbewusstsein)
Koordination des multiprofessionellen Teams
Psychotherapie bei Psychosen
E.Resch, 1999
Soziale Rehabilitation
„
„
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„
„
„
Zeit für notwendige Entwicklungsaufgaben
Verbleib in Schule
Verbleib im Arbeitsumfeld
Geschützte Rahmenbedingungen für Arbeit
Arbeitstraingsmaßnahmen mit ausreichend
flexiblen Bedingungen
Spezialrehabilitationseinrichtungen z.B.:
Leppermühle
EOS - Prognose
Günstige Faktoren
„ Höheres Erkrankungsalter bei Erkrankungsbeginn
„ Weibliches Geschlecht
„ Verheiratet / stabile Partnerschaft
„ Prämorbid gesellig
„ Gute prämorbide Sozialanpassung
„ Psychoreaktive Auslöser
„ Akuter Beginn
„ Affektive Symptome zu Beginn
„ Niedrig-Expressed-Emotion (NEE) -Status der
Angehörigen
„ Leben in Entwicklungsländern
EOS - Prognose
Ungünstige Faktoren
„ Früher Erkrankungsbeginn
„ Männliches Geschlecht
„ Unverheiratet / ohne
EOS -stabile
PrognoseBeziehung
„ Prämorbid schizoid
„ Schlechte prämorbide Sozialanpassung
„ Genetisches Risiko
„ Schleichender Beginn
„ Negative Symptome zu Beginn
„ Hoch-Expressed-Emotion (HEE) -Status der
Angehörigen
„ Leben in Industrieländern
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