Kurzskript zur Vorlesung Funktionentheorie Prof. Gero Friesecke Zentrum Mathematik, TU München SoSe 2017 Abstract Dieses Kurzskript ersetzt weder die Teilnahme an, noch die Mitschrift aus, der Vorlesung. Es enthält lediglich die Definitionen und Sätze der Vorlesung sowie eine Liste der besprochenen Beispiele, aber keine Erläuterungen der Definitionen, Beweise der Sätze oder Ausarbeitungen der Beispiele. Es ist als zuverlässiges Nachschlagewerk für erstere gedacht. 1 Wiederholung: Komplexe Zahlen Der Körper C der komplexen Zahlen ist als Menge identisch mit dem R2 . Komplexe Zahlen schreiben wir wahlweise in der Form � � x = x + iy, x, y ∈ R, z= y mit x = Re z (Realteil von z), y = Im z (Imaginärteil von z). Addition: � z+z = � x + x� y + y� � Multiplikation (aus der Rechenregel i2 = −1 herleitbar): � � � � � � � z · z = (x + iy)(x + iy ) = xx − yy + i(xy + yx ) = � xx� − yy � xy � + yx� � Polardarstellung: z = reiϕ , r = |z| = � x2 + y 2 ∈ [0, ∞) Absolutbetrag, ϕ ∈ R Winkel Der Winkel ϕ ist nur bis auf ganzzahlige Vielfache von 2π eindeutig; Konvention in der Funktionentheorie: ϕ ∈ (−π, π]. Die Polardarstellung ist nützlich zum � Verständnis der Multiplikation: zz � = rr� ei(ϕ+ϕ ) (Absolutbeträge multiplizieren, Winkel addieren) Konjugation: Sei z = x + iy, dann z := x − iy zu z konjugierte Zahl (geometrisch: Spiegelung an der x-Achse) Die Konjugation ist nützlich zum Verständnis des Kehrwerts einer komplexen Zahl: 1 x − iy z z = = 2 = 2 , z zz |z| x + y2 d.h. der Kehrwert liegt auf der Halbgeraden von 0 durch z. ��������������� � � � 𝝋 ������������ � � � � 2 1 Holomorphe Funktionen Definition 1.1 Sei U ⊆ C offen, z0 ∈ U. Eine Funktion f : U → C heißt komplex differenzierbar an der Stelle z0 , wenn der Grenzwert lim z→z0 f (z) − f (z0 ) =: f � (z0 ) z − z0 (*) existiert. f � (z0 ) heißt Ableitung von f im Punkt z0 . f heißt holomorph auf U , wenn f überall in U komplex differenzierbar und f � : U → C stetig. Grob gesagt: holomorph ≈ stetig diff’bar im Komplexen. Beachte aber: Division und Grenzübergang in (*) finden in C statt. Rechenregeln Wie im Reellen gilt für komplex differenzierbare Funktionen f , g (i) (αf + βg)� = αf � + βg � (α, β ∈ C) Linearität (ii) (fg)’ = f’ g + f g’ Produktregel � � g� (iii) ( fg ) = f g−f falls g �= 0 Quotientenregel g2 (iv) h(z) := f (g(z)) =⇒ h� (z) = f � (g(z))g � (z) falls g : U → V, f : V → C Kettenregel. Beispiele: 1) f (z) = c (c ∈ C) holomorph, f � = 0 2) f (z) = z holomorph, f � = 1 3) f (z) = z nirgends komplex differenzierbar 4) f (z) = z n holomorph, f � (z) = nz n−1 , denn z n − z0n = (z n−1 + z0 z n−2 + ... + z0n−2 z + z0n−1 )(z − z0 ) (Beweis dieser Identität: rechte Seite ausmultiplizieren und bemerken, dass alle Terme ausser denen auf der linken Seite 2mal vorkommen, mit umgekehrtem Vorze(z0 ) ichen) und somit f (z)−f = z n−1 + z0 z n−2 + ... + z0n−1 → nz0n−1 für z → z0 z−z0 n holomorph auf C\{0}, f � (z) = − zn+1 N N � � 6) Polynome p(z) = an z n (a0 , .., aN ∈ C) hol., f � (z) = nan z n−1 (wg.4) u.(i)) 5) f (z) = 1 zn k=0 7) Potenzreihen f (z) = ∞ � n=1 an z n mit Konvergenzradius R := sup{|z| : n=0 ∞ � an z n konvergent} n=0 holomorph im Konvergenzkreis {z ∈ C : |z| < R}, Ableitung = gliedweise Ableitung (wg. 6) und Schwanzsummenabschätzung, siehe VL) ∞ n � z 8) f (z) = exp(z) = holomorph auf C n! 9) sin(z) = z − z3 3! n=0 5 + z5! − 2 +..., cos(z) = 1 − z2 2! + z4 4! − +... holomorph auf C 1 1 4 2 4 10) f (z) = 1+z 2 = 1 − z + z − +..., g(z) = 1−z 2 = 1 + z + z + ... wegen 7) beide holomorph auf {z ∈ C : |z| < 1}. Aus Sicht der reellen Analysis überraschend, dass auch f nur Konvergenzradius 1 hat, obwohl die Funktion - im Gegensatz zu g - auf ganz R beschränkt und glatt ist. Erklärung mittels Funktionentheorie: f (iz) = g(z), also hat f “Singularitäten” bei ±i. 3