Weitere Files findest du auf www.semestra.ch/files DIE FILES DÜRFEN NUR FÜR DEN EIGENEN GEBRAUCH BENUTZT WERDEN. DAS COPYRIGHT LIEGT BEIM JEWEILIGEN AUTOR. Zusammenfassung der ICD-10 1 Dilling, H., Mombour, W. & Schmidt, M. H. (Hrsg.). (2000). Weltgesundheitsorganisation. Internationale Klassifikation psychischer Störungen ICD-10, Kapitel V (F): Klinisch-diagnostische Leitlinien. (4. Aufl.). Bern: Huber Fabienne Andereggen --- [email protected] _____________________________________________________________________________________________________ Zusammenfassung der: ICD-10 Dilling, H., Mombour, W. & Schmidt, M. H. (Hrsg.). (2000). Weltgesundheitsorganisation. Internationale Klassifikation psychischer Störungen ICD-10, Kapitel V (F): Klinisch-diagnostische Leitlinien. (4. Aufl.). Bern: Huber Fabienne Andereggen Terbinerstrasse 28 3930 Visp 079/817 16 04 [email protected] März 2003 Zusammenfassung der ICD-10 2 Dilling, H., Mombour, W. & Schmidt, M. H. (Hrsg.). (2000). Weltgesundheitsorganisation. Internationale Klassifikation psychischer Störungen ICD-10, Kapitel V (F): Klinisch-diagnostische Leitlinien. (4. Aufl.). Bern: Huber Fabienne Andereggen --- [email protected] _____________________________________________________________________________________________________ Anmerkung: Die Seitenzahlen in der Zusammenfassung beziehen sich auf die ICD-10. Zusätzlich habe ich noch Ergänzung aus folgendem Buch benutzt: • Bastine, R. H. E. (1998). Klinische Psychologie. Band 1 (3. Aufl.) (S. 206-247). Kohlhammer –Verlag. Vorwort der deutschen Ausgabe (S.7-13) Die 4. Auflage unterscheidet sich deutlich von der ersten. Einerseits wurde von der WHO eine stilistische Überarbeitung vorgenommen, zum anderen wurden auch inhaltliche Veränderungen durchgeführt, so bei den Persönlichkeitsstörungen (F60.x) bei denen diagnostische Kriterien geändert wurden. Die „Klinischen Beschreibungen und diagnostischen Leitlinien“ sind als ausführliche Fassung des Kapitels V für den klinischen Gebrauch bestimmt und erreichen somit weder den Operationalisierungsgrad der ICD-10 Forschungskriterien noch den des DSM-IV. Sie gestatten damit dem Kliniker einen gewissen diagnostischen Spielraum, da für zahlreiche Störungen keine strikt formulierten diagnostischen Kriterien vorgegeben werden. Dem Konzept einer „family of instruments“ folgend, mit der der Gegebenheit unterschiedlicher psychiatrischer Versorgungsbereiche und klassifikatorischer Notwendigkeiten Rechnung getragen werden soll, gibt es eine Reihe von Begleitinstrumenten. Zwar nicht für die klinisch-psychologische Praxis, aber für die Forschung und die konzeptuelle Weiterentwicklung der ICD-10 sind zwei Varianten des Systems besonders erwähnenswert: • Forschungskriterien (DCR=Diagnostic Criteria For Research): In einem eigenständigen Band wurden für die wissenschaftliche Forschung strenge und komplexer operationalisierte Forschungskriterien entwickelt, die eine genauere Zuordnung möglich machen als die klinisch-diagnostischen Leitlinien (die in erster Linie für die normale klinische Praxis gedacht sind). Bei schwierigen diagnostischen Zuordnungen können die trennschärferen Forschungskriterien durchaus in der Praxis zur Entscheidung herangezogen werden. • Multiaxiale Ansätze: Es liegen bereits die Ergebnisse über erste Bemühungen um eine multiaxiale Klassifikation in der ICD-10 vor. Am weitesten entwickelt ist die multiaxiale Beurteilung der psychischen Störungen bei Kindern und Jugendlichen, für die sechs Beurteilungsachsen herangezogen werden. Für Erwachsene ist ein dreiachsiges System in Erprobung. Achse I: klinisch-psychiatrische Syndrome (Ia) und körperliche Erkrankungen (Ib). Achse II: soziale Funktionseinschränkungen und –behinderungen in verschiedenen Lebensbereichen, Achse III: umgebungs- und situationsabhängige Einflüsse, Probleme der Lebensführung und –bewältigung vorgesehen. Zusätzlich gibt es noch eine Kurzfassung, eine Fassung zur Verwendung in der allgemeinmedizinischen bzw. primären psychiatrischen Versorgung (PHC=Primary Health Care Classification), ein Lexikon psychopathologischer Grundbegriffe, ein Manual der Gesamtausgabe (Psychiatric Adaption), standardisierte bzw. strukturierte Erhebungsinstrumente und ein ICD10 Fallbuch. Vorwort der englischen Ausgabe (1992) (Historische Entwicklung) (S.14-17) Historisch hat seit den 80-er Jahren eine immer stärkere Vereinheitlichung und Internationalisierung der Klassifikationssysteme stattgefunden. Diese sicherlich begrüssenswerten Absichten haben allerdings dazu geführt, dass nationale Bemühungen und Systematisierungen allmählich in ihrer Bedeutung abgenommen haben – was zugleich die Bedeutung soziokultureller Faktoren reduzierte und das Klassifikationssystem gegenüber Veränderungen aufMärz 2003 Zusammenfassung der ICD-10 3 Dilling, H., Mombour, W. & Schmidt, M. H. (Hrsg.). (2000). Weltgesundheitsorganisation. Internationale Klassifikation psychischer Störungen ICD-10, Kapitel V (F): Klinisch-diagnostische Leitlinien. (4. Aufl.). Bern: Huber Fabienne Andereggen --- [email protected] _____________________________________________________________________________________________________ grund neuer Erkenntnisse schwerfälliger werden liess. Dabei gewannen zwei Ansätze immer grössere Bedeutung, die internationale Klassifikation (ICD-10) der Weltgesundheitsorganisation sowie das Diagnostische und Statistische Manual (DSM) der American Psychiatric Association. Die internationale Klassifikation von Krankheiten der WHO basiert auf Arbeiten, die bereits im Jahr 1853 aufgenommen wurden und gleich nach Gründung der WHO im Jahr 1948 zu der Herausgabe einer „International Statistical Classification of Diseases, Injuries and Causes of Death“ führte. Die vorangegangenen internationalen Klassifikationen wurden nummeriert, so dass die erste von der WHO verabschiedete Liste (1948) als ICD-6 erschien. In diesem Jahr wurde auch erstmals in der Geschichte dieses Systems ein eigenes Kapitel V über „geistige, psychoneurotische und Persönlichkeitsstörungen“ aufgenommen. In den frühen 60-er Jahren begann die WHO im Rahmen ihres Programms für seelische Gesundheit aktiv eine Verbesserung der Diagnostik und Klassifikation psychischer Störungen zu engagieren. Aufgrund umfassender Forschungs- und Beratungsprozessen ergaben sich für die Verbesserung der Klassifikation psychischer Störungen zahlreiche Vorschläge, die Eingang in die 8. ICD-Revision fanden. In den 70er Jahren kam es weltweit noch zu einer weiteren Zunahme des Interesses an verbesserten psychiatrischen Klassifikation. 1978 begann die WHO zusammen mit der ADAMHA (Alkohol, Drug Abuse and Mental Health-Administration) in den USA ein langfristiges Forschungsprojekt, mit dem eine weitere Verbesserung der Diagnostik und Klassifikation psychischer Störungen, Alkohol- und drogenbezogener Probleme ermöglicht wird. Die Fassung von 1978, die ICD-9, orientierte sich noch an der dreigliedrigen Ordnung der „Psychischen Krankheiten“ in Psychosen, Oligophrenien (=Schwachsinnsformen) und nichtpsychotische Störungen (Neurosen u. a.), die auf der Konzeption von Kraeplin fusste. 1982 fand in Kopenhagen eine zentrale internationale Konferenz zur Diagnostik und Klassifikation statt, auf der die erarbeiteten Empfehlungen zusammengefasst und ein Forschungsprogramm bzw. Leitlinien für die weitere Arbeit geplant wurden. Verschiedene Forschungen wurden unternommen: ein Ansatz, an dem 17 Länder beteiligt waren, verfolgte das Ziel, ein Instrument für die epidemiologische Untersuchung psychischer Störungen in der Allgemeinbevölkerung verschiedener Länder zu entwickeln (Composite International Diagnostic Interview); ein anderer Forschungsansatz konzentrierte sich auf die Entwicklung eines Einschätzungsinstrumentes für Klinker (Schedules für Clinical Assessment in Neuropsychiatry); eine weitere Studie diente der Entwicklung eines Instrumentes zur Einschätzung von Persönlichkeitsstörungen in versch. Ländern (International Personality Disorder Examination). Die aktuelle Version, die ICD-10, erschien deutsch im Jahr 1991. Mittlerweile gibt es eine 4. korrigierte und ergänzte Auflage, die im Jahr 2000 herauskam. Verfahren Erscheinungsjahr Deutsche Ausgabe Anzahl der Diagnosen ICD-6 1948 ICD-8 1967 1975 ICD-9 1978 1980 175 ICD-10 1991 1991 398 Tabelle 1: Historische Entwicklung der internationalen Klassifikationssysteme psychischer Störungen Die „International Statistical Classification of Diseases, Injuries and Cases of Death” der WHO ist ein Klassifikations- und operationalisiertes Diagnose-System für alle Erkrankungen und Todesarten. Nur eines der 21 Kapitel des Systems, Kapitel V wurde 1991 nach über siebenjährigen Vorarbeiten, die zahlreiche Beratungen mit internationalen Expertengremien März 2003 Zusammenfassung der ICD-10 4 Dilling, H., Mombour, W. & Schmidt, M. H. (Hrsg.). (2000). Weltgesundheitsorganisation. Internationale Klassifikation psychischer Störungen ICD-10, Kapitel V (F): Klinisch-diagnostische Leitlinien. (4. Aufl.). Bern: Huber Fabienne Andereggen --- [email protected] _____________________________________________________________________________________________________ und Felduntersuchungen mit über 600 Klinikern in mehr als 50 Ländern einschlossen, von der WHO veröffentlicht. Es ist das weltweit verbindliche Klassifikationssystem. Allgemeine Einleitung (S.19-25) Das Kapitel V der ICD-10 „Psychische und Verhaltensstörungen2 steht je nach Verendungszweck in verschiedenen Versionen zur Verfügung. Die hier vorliegenden „Klinischen Beschreibungen und diagnostischen Leitlinien“ (diagnostische Entscheidungsregeln) sind für den allgemeinen klinischen Gebrauch, für die Gesundheitsdienste und für Ausbildungszwecke bestimmt. Sie geben genau an, wie die Kriterien zu berücksichtigen sind. Sie stellen eine Zusammenstellung von Symptomen und Kommentaren dar, die in Übereinstimmung mit einer grossen Anzahl von Experten und Klinikern aus verschiedenen Ländern zusammengestellt wurden. Sie sind eine sinnvolle Grundlage, um „typische Störungen“ zu finden. Gliederung (S.19-20) ICD-10 Kapitel V ist ein hierarchisches System mit zehn Hauptgruppen und 398 Störungsdiagnosen. Alle Diagnosen werden mit einer fünfstelligen alphanumerischen Codierung versehen, wobei die Hauptgruppen zweistellig von „F0“ bis „F9“ gekennzeichnet sind („F“ bezeichnet innerhalb des Gesamtsystems der ICD-10 die psychischen Störungen). Jede der Hauptgruppen wird in zwei bis drei Hierarchie-Ebenen weiter abgestuft. F0=Hauptgruppe F00=erste Abstufung, F00.1=zweite Abstufung, F00.11=dritte Abstufung, kommt nur bei einem Teil aller Diagnosen vor. Sie ist vorgesehen, um weitere Untergruppen, zusätzliche Symptome, Verlaufsmerkmale, das klinische Erscheinungsbild (z.B. akut oder nicht akut) oder den Schweregrad der Störung anzuzeigen. Das gesamte System lässt sehr viel Raum für Erweiterungen und Revisionen, da ein beträchtlicher Teil der fünfstelligen Codierungen unbesetzt ist. Darüber hinaus ist an mehreren Stellen des Systems eine unspezifische Restkategorie vorgesehen, um gegebenenfalls unklare Fälle als „nicht näher bezeichnete“ Störungen einordnen zu können. Allgemeine Einleitung und einleitende Erläuterungen vor jedem Abschnitt sind sorgfältig durchzulesen. Dies ist v.a. wichtig für die Abschnitte F23 (akute vorübergehende psychotische Störungen) und F30-F39 (affektive Störungen). Wegen der erheblichen Schwierigkeiten bei der Beschreibung und Klassifikation dieser Störungen, wurde grosse Sorgfalt darauf verwandt, die Entstehung der Klassifikation dieser Störungen zu erläutern. Neben einer Beschreibung der wesentlichen klinischen Charakteristika werden für jede Störung auch weiter wichtige, aber weniger spezifische Merkmale angegeben. Die diagnostischen Leitlinien geben dann die Anzahl und Gewichtung der Symptome an, die zur Stellung einer sicheren Diagnose erforderlich sind. Sie wurden so formuliert, dass eine gewisse Flexibilität bei der diagnostischen Entscheidung verbleibt. Sind die in den diagnostischen Leitlinien beschriebenen Voraussetzungen vollständig erfüllt, kann die Diagnose als „sicher“ betrachtet werden. Sind die Voraussetzungen nur teilweise erfüllt, ist es in den meisten Fällen dennoch sinnvoll eine Diagnose zu stellen. Diagnostiker sollten jedoch den Grad an Sicherheit angeben; für den Fall, dass die Infos noch ergänzt werden, sollte man den Begriff „vorläufig“ verwenden. Können jedoch keine weiteren Infos eingeholt werden, sollte man den Begriff „Verdacht auf“ anwenden. Die Angaben zur Dauer der Symptome sind als allg. Leitlinien und nicht als genau einzuhaltende Kriterien anzusehen. März 2003 Zusammenfassung der ICD-10 5 Dilling, H., Mombour, W. & Schmidt, M. H. (Hrsg.). (2000). Weltgesundheitsorganisation. Internationale Klassifikation psychischer Störungen ICD-10, Kapitel V (F): Klinisch-diagnostische Leitlinien. (4. Aufl.). Bern: Huber Fabienne Andereggen --- [email protected] _____________________________________________________________________________________________________ Prinzipielle Unterschiede zwischen dem Kapitel V der ICD-10 und der ICD-9 (S.20-24) Die ICD-10 unterscheidet sich von der ICD-9 durch ihren Umfang. Das Kapitel über psychische Störungen der ICD-9 enthielt nur 30 dreistellige Hauptkategorien (290-319), das Kapitel V der ICD-10 dagegen weist 100 auf. Ein Teil dieser Kategorien wurde jetzt nicht ausgenutzt, so dass in Zukunft Veränderungen möglich sind, ohne das gesamte System revidieren zu müssen. Neurose und Psychose Gegenüber der vorangehenden Version (ICD-9 der WHO) stellt ICD-10 schon eine deutliche Verbesserung dar, da die Kreaplin’sche Krankheitslehre und insbesondere Orientierung an der problematischen Dichotomie von „Psychosen“ und „Neurosen“ wenigstens im Grundsatz aufgegeben wurde. Der Begriff „neurotisch“ wird jedoch in Einzelfällen weiter verwendet und erscheint z.B. in einer Überschrift (F40-F48: neurotische-, Belastungs- und somatoforme Störungen). Mit Ausnahme der neurotischen Depression werden die meisten Störungen, die von Anhängern dieses Konzeptes als Neurosen angesehen werden, in diesem und folgenden Kapiteln aufgeführt. Der Ausdruck „psychotisch“ wurde speziell im Abschnitt F23 (akute vorübergehende psychotische Störungen) im deskriptiven Sinne verwendet; er enthält keine Annahme zur Psychodynamik. Dieser Terminus soll vielmehr das Vorkommen von Halluzinationen, wahnhaften Störungen oder bestimmten Formen schweren abnormen Verhaltens anzeigen. Hierzu gehören schwere Erregungszustände und Überaktivität, ausgeprägte psychomotorische Hemmung und katatone Störungen. Andere Unterschiede Alle Störungen, die einer eindeutigen organischen Ursache zuzuordnen sind, sind im gemeinsamen Abschnitt F00-F09 klassifiziert. Die Neuordnung der psychischen und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen im Abschnitt F10-F19 ist viel sinnvoller als im früheren System. Die Gruppe der Schizophrenien, schizotypen Zustände und wahnhaften Störungen (F20F29) wurden deutlich erweitert. Besonders die Klassifikation der affektiven Störungen wurde durch das Prinzip, Störungen mit einem gemeinsamen Grundthema zusammenzufassen, beeinflusst. Die Begriffe „neurotisch“ oder „endogene“ Depression werden nicht mehr verwendet. Die Verhaltensauffälligkeiten und psychischen Störungen mit körperlichen Störungen und Hormonänderungen wie Essstörungen, nichtorganische Schlafstörungen und sexuellen Funktionsstörungen wurden im Abschnitt F50-F59 zusammengefasst und genauer beschrieben. Der Abschnitt F60-F69 enthält neben den traditionellen Persönlichkeitsstörungen einige neue Kategorien, wie z.B. pathologisches Spielen, Stehlen und Brandstiftungen, Störungen der sexuellen Prävalenz werden eindeutig von Störungen der Geschlechtsidentität unterschieden. Homosexualität als eigene Kategorie gibt es nicht. Probleme in der Terminologie (S.22-24) Störung Der Begriff „Störung“ wird in der gesamten Klassifikation verwendet, um den problematischen Gebrauch von Begriffen wie „Krankheit“ oder „Erkrankung“ weitgehend zu vermeiden. Störung ist kein exakter Begriff. Seine Verwendung in dieser Klassifikation soll einen klinisch März 2003 Zusammenfassung der ICD-10 6 Dilling, H., Mombour, W. & Schmidt, M. H. (Hrsg.). (2000). Weltgesundheitsorganisation. Internationale Klassifikation psychischer Störungen ICD-10, Kapitel V (F): Klinisch-diagnostische Leitlinien. (4. Aufl.). Bern: Huber Fabienne Andereggen --- [email protected] _____________________________________________________________________________________________________ erkennbaren Komplex von Symptomen oder Verhaltensauffälligkeiten anzeigen, die immer auf der individuellen und oft auch auf der gruppen- oder sozialen Ebene mit Belastung und mit Beeinträchtigung von Funktionen verbunden sind. Psychogen und psychosomatisch Der Begriff „Psychogen“ wird als Bezeichnung diagnostischer Kategorien wegen seiner unterschiedlichen Bedeutung in verschiedenen Sprachen und psychiatrischen Schulen nicht verwendet. Er erscheint jedoch noch gelegentlich im Text und soll den Diagnostiker an offensichtliche Lebensereignisse oder Schwierigkeiten erinnern, die eine Rolle bei der Entstehung dieser Störung eine Rolle spielen. Der Begriff „psychosomatisch“ wird aus ähnlichen Gründen nicht gebraucht. Ausserdem könnte die Verwendung dieses Terminus implizieren, dass psychologische Faktoren beim Auftreten, im Verlauf und für die Prognose anderer Krankheiten, die nicht psychosomatisch genannt werden, keine Rolle spielen. Beeinträchtigung, Behinderung, Handikap und ähnliche Begriffe Diese Begriffe werden entsprechend den Empfehlungen des entsprechenden WHO-Systems verwendet. Eine Beeinträchtigung (Verlust oder Abweichung von Struktur oder Funktion) wird psychisch manifest durch Wechselwirkungen zwischen mentalen Funktionen, wie Gedächtnis und Aufmerksamkeit, und emotionalen Funktionen. Viele Formen psychischer Beeinträchtigung wurden schon immer als psychiatrische Symptome angesehen. Dies gilt in geringerem Masse auch für die Behinderung (im WHO-System als verminderte Bewältigungsfähigkeit von Alltagsaktivitäten definiert). Behinderungen auf der persönlichen Ebene bezeihen sich auf normale, in der Regel für die Gesundheit und das Überleben Notwendige Tätigkeiten des täglichen Lebens, wie Waschen, Ankleiden,... Störungen in diesen Bereichen sind meist eine direkte Folge psychischer Beeinträchtigungen und werden wenig oder gar nicht kulturell beeinflusst. Daher zählen individuelle Behinderungen berechtigterweise zu den diagnostischen Leitlinien und Kriterien (v.a. der Demenz). Dagegen repräsentiert ein Handikap (Unmöglichkeit oder Einschränkung eines Individuums die ihm gemässe soziale Rollen zu übernehmen) die Folge von Beeinträchtigungen und Behinderungen in einem sehr viel weiteren sozialen, kulturell deutlich beeinflussten Sinne. Handikaps sollten deshalb nicht als wesentliche Kriterien für eine Diagnose angesehen werden. Manche dieser Absichtserklärungen sind aber nur halbherzig realisiert: So wird zwar auf die Bezeichnung „Neurose“ und auch auf theoretische Erklärungsansätze verzichte; dennoch finden wir stattdessen den Begriff „neurotische Störung“. Ausserdem wurden Störungen, die früher den Neurosen zugerechnet wurden (u.a. Angststörungen, Zwänge), auch hier in einer Gruppe zusammengefasst. Die beabsichtigten Veränderungen bleiben also öfters im Ansatz stecken. Spezielle Benutzerhinweise (S.24) Kinder und Jugendliche Die Abschnitte F80-F89 (Entwicklungsstörungen) und F90-F98 (Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend) enthalten nur für die Kindheit und Jugend spezifische Störungen. Viele Störungen aus anderen Abschnitten können bei Personen jeden Alters auftreten und sind, wenn nötig auch für Kinder und Jugendliche zu verwenden (z.B. Essstörungen F50 oder Schlafstörungen F51). Verschlüsselung von mehr als einer Diagnose Dem Kliniker wird empfohlen, so viele Diagnosen zu verschlüsseln, wie für die Beschreibung des klinischen Bildes notwendig. Wird mehr als eine Diagnose gestellt, wird zwischen einer Hauptdiagnose und Neben- bzw. Zusatzdiagnose unterschieden. Priorität soll die Diagnose März 2003 Zusammenfassung der ICD-10 7 Dilling, H., Mombour, W. & Schmidt, M. H. (Hrsg.). (2000). Weltgesundheitsorganisation. Internationale Klassifikation psychischer Störungen ICD-10, Kapitel V (F): Klinisch-diagnostische Leitlinien. (4. Aufl.). Bern: Huber Fabienne Andereggen --- [email protected] _____________________________________________________________________________________________________ erhalten, der die grösste aktuelle Bedeutung zukommt. Im klinischen Bereich ist dies häufig die Störung, die zum Kontakt mit der betreffenden Institution geführt hat. Unter anderen Umständen kann unter Berücksichtigung der gesamten Vorgeschichte des Patienten die wichtigste Diagnose eine Lebenszeitdiagnose sein. Dies kann sich von der Diagnose, die zur jetzigen Konsultation führte, unterscheiden. Falls Zweifel bestehen, in welcher Reihenfolge die einzelnen Diagnosen gestellt werden sollen, wird empfohlen, die Diagnosen in der numerischen Reihenfolge zu stellen, in der sie in der Klassifikation erscheinen. Verschlüsselung von Diagnosen aus anderen Kapitel der ICD-10 Zusätzlich zum Kapitel V (F) sollten unbedingt auch die anderen Kapitel des ICD-10-Systems verwendet werden. Im Anhang der klinisch-diagnostischen Leitlinien zur Klassifikation psychischer Störungen wird auf mehrere Kapitel der ICD-10 verwiesen, die eine besondere Bedeutung für psychische Störungen haben. Hervorzuheben sind dabei vor allem folgende weitere Kapitel: • Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselerkrankungen (Kapitel IV der ICD-10), • Erkrankungen des Nervensystems (Kapitel VI; u.a. Meningitis, Parkinson’sche Erkrankung, Alzheimer’sche Erkrankung, Epilepsien), • Angeborene Missbildungen, Deformitäten und Chromosomenaberrationen (Kapitel XVII; u.a. Down-Syndrom), • Verletzungen, Vergiftungen und andere Folgen äusserer Ursachen (Kapitel XIX; u.a. vorsätzliche Selbstvergiftung), • Das letzte Kapitel der ICD-10, Kapitel XXI, ist den Faktoren gewidmet, „die den Gesundheitszustand beeinflussen und zur Inanspruchnahme von Gesundheitsdiensten führen“. Diese Kategorien mit der ersten Codierung „Z“ (daher auch „Z-Codes“) wird selten beachtet. Dabei ist sie aus psychologischer Sicht besonders interessant, da sie psychosoziale Bedingungen aufführt, die die psychische und körperliche Gesundheit beeinflussen. Aufgeführt werden unter anderem Probleme - in Verbindung mit Ausbildung und Bildung - mit Berufstätigkeit und Arbeitslosigkeit - mit Wohnbedingungen und ökonomischen Verhältnissen, - mit der sozialen Umgebung - ... Übersicht über die diagnostischen Kategorien F0: Organische, einschliesslich symptomatischer psychischer Störungen Diese Hauptgruppe umfasst alle psychischen Störungen mit einer eindeutigen organischen Ursache, d.h. die auf eine nachweisbare zerebrale Erkrankung, eine Verletzung oder eine andere Schädigung mit einer zerebralen Funktionsstörung zurückzuführen sind. Ausgenommen sind hier allerdings alle Störungen, die durch Alkohol oder andere psychotrope Substanzen verursacht sind, da diese in F1 klassifiziert werden. Im Vordergrund der Auffälligkeiten stehen einerseits gestörte kognitive Funktionen (Störungen des Gedächtnisses, des Lernens, der intellektuellen Leistungsfähigkeit, des Bewusstseins und der Aufmerksamkeit) und andererseits Störungen der Wahrnehmung (Halluzinationen), der Denkinhalte (Wahn), der Stimmung und der Gefühle (Depression, Manie, Angst) oder des gesamten Persönlichkeits- und Verhaltensmusters. Zu F0 gehören insgesamt neun Untergruppen und 38 vierstellige Diagnosen: • F00: Demenz bei Alzheimer-Krankheit, • F01: vaskuläre Demenz, • F02: Demenz bei sonstigen anderorts klassifizierten Krankheiten, • F03: nicht näher bezeichnete Demenz, • F04: organisch amnestisches Syndrom, nicht durch Alkohol oder sonstige psychotrope Substanzen bedingt, März 2003 Zusammenfassung der ICD-10 8 Dilling, H., Mombour, W. & Schmidt, M. H. (Hrsg.). (2000). Weltgesundheitsorganisation. Internationale Klassifikation psychischer Störungen ICD-10, Kapitel V (F): Klinisch-diagnostische Leitlinien. (4. Aufl.). Bern: Huber Fabienne Andereggen --- [email protected] _____________________________________________________________________________________________________ • • • • F05: Delir, nicht durch Alkohol oder sonstige psychotrope Substanzen bedingt: auf Grund einer Schädigung oder Funktionsstörung des Gehirns oder einer körperlichen Krankheit ( nicht durch Alkohol oder psychotrope Substanzen bedingt), F06: sonstige psychische Störungen auf Grund einer Schädigung oder Funktionsstörung des Gehirns oder einer körperlichen Krankheit (z.B. F06.4: organische Angststörung), F07: Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen auf Grund einer Krankheit, Schädigung oder Funktionsstörung des Gehirns, F09: nicht näher bezeichnete organische oder symptomatische psychische Störung. F1: Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen Die Störungen dieser Hauptgruppe werden unterteilt nach der verursachenden psychotropen Substanz. Sie enthält zehn Untergruppen, die durch die dritte Codierungsstelle vermerkt werden. Mit Hilfe der vierten und fünften Stelle der Codierung lassen sich die klinischen Erscheinungsweisen beschreiben; sie sehen u.a. folgende Differenzierungen vor: akute, Intoxikation, schädlicher Gebrauch, Abhängigkeitssyndrom, Entzugssyndrom. Insgesamt ergeben sich dadurch 100 verschiedene klinische Zustandsbilder. • F10: Störungen durch Alkohol, • F11: Störungen durch Opioide, • F12: Störungen durch Cannabinoide, • F13: Störungen durch Sedative oder Hypnotika, • F14: Störungen durch Kokain • F15: Störungen durch sonstige Stimulantien einschliesslich Koffein, • F16: Störungen durch Halluzinogene • F17: Störungen durch Tabak, • F18: Störungen durch flüssige Lösungsmittel, • F19: Störungen durch multiple Substanzgebrauch und Konsum sonstiger psychotroper Substanzen. F2: Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen Diese Hauptgruppe enthält sechs Untergruppen sowie zwei Restkategorien, die 27 Diagnosen ermöglichen. Über mehrere Störungen aus dieser Hauptgruppe bestehen Unklarheiten durch uneindeutige Störungsbilder, durch die fragliche Zugehörigkeit zu dieser Gruppe sowie durch fragliche Abgrenzungen gegenüber anderen Störungen. Die Bezeichnungen der Restkategorien zeigen, dass das ICD-10 doch nicht ganz ohne den Begriff „Psychose“ auskommt. Die acht Kategorien sind: • F20: Schizophrenie, • F21: schizotype Störung, gekennzeichnet durch exzentrisches Verhalten und Anomalien des Denkens und der Stimmung, die schizophren wirken, obwohl keine eindeutigen und charakteristischen Merkmale einer Schizophrenie aufgetreten sind, • F22: anhaltende wahnhafte Störungen, eine anhaltende Wahnsymptomatik als einzige oder auffälligste klinische Erscheinung, • F23: akute vorübergehende psychotische Störung, • F24: induzierte wahnhafte Störung, • F25: schizoaffektive Störungen – episodische Störungen, bei denen sowohl affektive wie auch schizophrene Störungen in der gleichen Krankheitsphase auftreten, • F28: sonstige nichtorganische psychotische Störung, • F29: nicht näher bezeichnete nichtorganische Psychose. F3: Affektive Störungen Die Hauptsymptome dieser Gruppe bestehen in der Veränderung der Stimmung oder der Affektivität, meistens in Richtung zur Depression, aber auch in Richtung einer gehobenen, manischen Stimmung. Damit ist meistens auch eine Veränderung des Aktivitätsniveaus März 2003 Zusammenfassung der ICD-10 9 Dilling, H., Mombour, W. & Schmidt, M. H. (Hrsg.). (2000). Weltgesundheitsorganisation. Internationale Klassifikation psychischer Störungen ICD-10, Kapitel V (F): Klinisch-diagnostische Leitlinien. (4. Aufl.). Bern: Huber Fabienne Andereggen --- [email protected] _____________________________________________________________________________________________________ (Verminderung oder Steigerung) verbunden. Die einzelnen affektiven Störungen können in einzelnen Episoden, bipolar wechselnd, rezidivierend oder chronisch anhaltend auftreten. Gegenüber früheren ICD-Versionen werden jetzt alle affektiven Störungen in dieser Hauptgruppe zusammengefasst; eine Unterscheidung zwischen „neurotischer“ und „endogener“ oder „psychotischer“ Depression wird nicht mehr getroffen. Die sieben Untergruppen (mit insgesamt 36 Diagnosen) sind: • F30: manische Episode, • F31: bipolare affektive Störung, • F32: depressive Episode, • F33: rezidivierende depressive Störungen, • F34: anhaltende affektive Störungen, • F35: sonstige affektive Störungen, • F36: nicht näher bezeichnete affektive Störungen. F4: Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen Obwohl das Konzept der Neurose im ICD-10 eigentlich nicht beibehalten wurde, werden die früher dazu gezählten Störungen hier in dieser grossen Gruppe mit insgesamt 42 Diagnosen zusammengefasst: Die sieben Untergruppen sind: • F40: phobische Störung: Störung, die durch eindeutige definierte und im allgemeinen ungefährliche Situationen oder Objekte hervorgerufen werden, • F41: sonstige Angststörungen: nicht auf bestimmte Umgebungssituationen begrenzte Angststörungen (z.B. F41.0 Panikstörung), vor kurzem gab es Diskussionen, ob eine Agoraphobie oder eine Panikstörung als vorrangig anzugeben ist. Die Phobien sind die primären Störungen und die Panikattacken zeigen den Schweregrad der Phobien auf. • F42: Zwangsstörung: wiederkehrende Zwangsgedanken und Zwangshandlungen, • F43: Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen: psychische Störungen aufgrund eines aussergewöhnlich belastenden Lebensereignisses oder einer andauernden belastenden Lebenssituation, • F44: dissoziative Störungen (Konversionsstörungen): teilweise oder völliger Verlust der normalen Integration von Erinnerungen, des Identitätsbewusstseins, der unmittelbaren Empfindungen sowie der Kontrolle von Körperbewegungen, bedingt durch traumatisierende Ereignisse, unlösbare Konflikte oder gestörte Beziehungen, • F45: somatoforme Störungen: vielfältige körperliche Beschwerden oder die Überzeugung, krank zu sein, ohne hinreichenden organischen Befund, • F48: sonstige neurotische Störungen. F5: Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen und Faktoren In dieser Gruppe werden insgesamt 41 Störungen zusammengefasst, die durch eine funktionelle körperliche Auffälligkeit gekennzeichnet sind. Sie bilden sieben Untergruppen: • F50: Essstörungen (z.B.: F50.0 Anorexia nervosa, F50.2 Bulimia nervosa), • F51: nichtorganische Schlafstörungen, • F52: nichtorganische sexuelle Funktionsstörungen, • F53: psychische und Verhaltensstörungen im Wochenbett, nicht andernorts klassifizierbar, • F54: psychische Faktoren und Verhaltenseinflüsse bei andernorts klassifizierten Krankheiten, • F55: Missbrauch von nicht abhängigkeitserzeugenden Substanzen (u.a. F55.0: Antidepressiva; F55.4: Vitamine), • F59: nicht näher bezeichnete Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen und Faktoren. März 2003 Zusammenfassung der ICD-10 10 Dilling, H., Mombour, W. & Schmidt, M. H. (Hrsg.). (2000). Weltgesundheitsorganisation. Internationale Klassifikation psychischer Störungen ICD-10, Kapitel V (F): Klinisch-diagnostische Leitlinien. (4. Aufl.). Bern: Huber Fabienne Andereggen --- [email protected] _____________________________________________________________________________________________________ F6: Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen Diese Hauptgruppe umfasst lange anhaltende charakteristische Verhaltensmuster, die Ausdruck des individuellen Lebensstils, des Verhältnisses zu sich selbst und zu anderen sind, und die häufig mit persönlichem Leiden und gestörter sozialer Funktions- und Leistungsfähigkeit einhergehen. Die Gruppe enthält folgende neun Untergruppen (mit insgesamt 45 Diagnosen): • F60: Persönlichkeitsstörungen, • F61: kombinierte und sonstige Persönlichkeitsstörungen: stabile und deutlich von der Mehrheit der Bevölkerung abweichende Verhaltensmuster, die sich in starren Reaktionen auf unterschiedliche persönliche und soziale Lebenslagen zeigen, • F62: andauernde Persönlichkeitsänderungen, nicht Folge einer Schädigung oder Krankheit des Gehirns, • F63: abnorme Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle (F63.2: pathologisches Stehlen, Kleptomanie), • F64: Störungen der Geschlechtsidentität, • F65: Störungen der Sexualpräferenz, • F66: psychische und Verhaltensstörungen in Verbindung mit der sexuellen Entwicklung und Orientierung, • F68: sonstige Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen, • F69: nicht näher bezeichnete Persönlichkeits- und Verhaltensstörung. F7: Intelligenzminderung Diese Hauptgruppe ist gekennzeichnet durch eine verminderte oder unvollständige Entwicklung der geistigen Fähigkeiten. Ihre sechs Untergruppen (und zugleich Diagnosen) werden gebildet durch verschiedene Grade der Intelligenzminderung: • F70: leichte Intelligenzminderung, • F71: mittelgradige Intelligenzminderung, • F72: schwere Intelligenzminderung, • F73: schwerste Intelligenzminderung, • F78: sonstige Intelligenzminderung, • F79: nicht näher bezeichnete Intelligenzminderung. F8: Entwicklungsstörungen Diese Störungen haben drei Charakteristika: sie beginnen ausnahmslos im Kleinkindalter oder in der Kindheit, es sind psychische Funktionen beeinträchtigt oder verzögert, die mit der biologischen Reifung des Zentralnervensystems zusammenhängen (insbesondere bezüglich der Sprache, visuell-räumlicher Fertigkeiten und der Bewegungskoordination) und sie weisen einen stetigen Verlauf auf (keine Remissionen und Rezidive). Den 39 Diagnosen sind zwei Restkategorien und fünf Untergruppen zugeordnet: • F80:Umschriebene Entwicklungsstörungen des Sprechens und der Sprache, • F81: umschriebene Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten, • F82: umschriebene Entwicklungsstörungen der motorischen Funktionen, • F83: kombinierte umschriebene Entwicklungsstörungen, • F84: tiefgreifende Entwicklungsstörungen (F84.0: frühkindlicher Autismus), • F88: sonstige Entwicklungsstörungen, • F89: nicht näher bezeichnete Entwicklungsstörung. F9: Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend Diese Hauptgruppe umfasst den Hauptteil der Störungen, die im Kindes- und Jugendalter beginnen. Andere Störungen, die auch in Kindheit oder Jugend beginnen März 2003 Zusammenfassung der ICD-10 11 Dilling, H., Mombour, W. & Schmidt, M. H. (Hrsg.). (2000). Weltgesundheitsorganisation. Internationale Klassifikation psychischer Störungen ICD-10, Kapitel V (F): Klinisch-diagnostische Leitlinien. (4. Aufl.). Bern: Huber Fabienne Andereggen --- [email protected] _____________________________________________________________________________________________________ können (die aber auch im Erwachsenenalter auftreten können, wie z.B. affektive Störungen oder Schizophrenie), werden in anderen Hauptgruppen klassifiziert. Die Störungen werden nach der Art der beeinträchtigten Funktionen in acht Untergruppen (mit 39 Diagnosen) unterteilt: • F90: hyperkinetische Störungen, • F91: Störungen des Sozialverhaltens, • F92: kombinierte Störungen des Sozialverhaltens und der Emotionen, • F93: emotionale Störungen des Kindesalters, • F94: Störungen sozialer Funktionen mit Beginn in der Kindheit und Jugend, • F95: Ticstörungen, • F96: sonstige Verhaltens- oder emotionale Störungen mit Beginn in Kindheit und Jugend. F99: Nicht näher bezeichnete psychische Störungen Dies ist eine „nicht empfohlene Restkategorie“. Sie soll nur dann verwendet werden, wenn keine andere Kategorie des Kapitels V (F00 bis F98) sinnvoll erscheint. Genauere Beschreibung einer Störung F93 Emotionale Störung des Kindesalters In der Kinder- und Jugendpsychiatrie wird traditionellerweise zwischen den für das Kindesalter und die Adoleszenz typischen emotionalen Störungen und den für das Erwachsenenalter typischen neurotischen Störungen unterschieden. Für diese Unterscheidung gibt es vier Hauptgründe: 1. Forschungsergebnisse zeigen konsistent, dass die Mehrheit der Kinder mit emotionalen Störungen als Erwachsene unauffällig sind (d.h. nur eine Minderheit zeigt neurotische Störungen im Erwachsenenalter). Umgekehrt scheinen viele neurotische Störungen Erwachsener erst im Erwachsenenalter zu beginnen, ohne deutliche psychopathologische Vorläufer in der Kindheit. Es besteht also eine erhebliche Diskontinuität der emotionalen Störungen in diesen beiden Altersabschnitten. 2. Viele emotionale Störungen im Kindesalter scheinen eher Verstärkungen normaler Entwicklungstrends als eigenständige, qualitativ auffällige Phänomene darzustellen. 3. Bezogen auf die letzte Überlegung gibt es die theoretische Annahme, dass die bei den emotionalen Störungen des Kindesalters beteiligten psychischen Mechanismen nicht dieselben sind, wie bei den Neurosen Erwachsener. 4. Die emotionalen Störungen des Kindesalters lassen sich weniger eindeutig in spezifischere Einheiten wie etwa phobische Zustände oder Zwangsstörungen einteilen. Zum dritten Punkt fehlen empirische Belege; falls der vierte Punkt zutrifft, lassen epidemiologische Befunde vermuten, dass dies nur eine Frage des Schweregrades ist: Wenig ausdifferenzierte emotionale Störungen sind sowohl in der Kindheit als auch im Erwachsenenalter häufig. Entsprechend ist das zweite Merkmal (d.h. die besondere Entwicklungsbezogenheit) das diagnostische Schlüsselmerkmal für die Unterscheidung zwischen den emotionalen Störungen des Kindesalters (F93) und den neurotischen Störungen (F4). Die Eindeutigkeit dieser Unterscheidung ist unsicher, jedoch gibt es einige empirische Evidenz dafür, dass die entwicklungsbezogenen emotionalen Störungen des Kindesalters eine bessere Prognose haben. F93.0 Emotionale Störung mit Trennungsangst des Kindesalters Normalerweise zeigen Säuglinge und Vorschulkinder ein bestimmtes Mass an Angst vor realer oder befürchteter Trennung von Menschen, an die sie gebunden sind. Eine Störung mit Trennungsangst soll nur dann diagnostiziert werden, wenn die Furcht vor Trennung den Angstfokus darstellt und eine solche Angst erstmals während der ersten Lebensjahre auftritt. Sie unterscheidet sich von der normalen Trennungsangst durch einen aussergewöhnlichen März 2003 Zusammenfassung der ICD-10 12 Dilling, H., Mombour, W. & Schmidt, M. H. (Hrsg.). (2000). Weltgesundheitsorganisation. Internationale Klassifikation psychischer Störungen ICD-10, Kapitel V (F): Klinisch-diagnostische Leitlinien. (4. Aufl.). Bern: Huber Fabienne Andereggen --- [email protected] _____________________________________________________________________________________________________ Schweregrad (einschliesslich einer abnormen Dauer über die typische Altersstufe hinaus) und durch eine Beeinträchtigung sozialer Funktionen. Zusätzlich verlangt die Diagnose, dass keine allgemeine Störung der Persönlichkeitsentwicklung besteht (falls vorhanden, ist eine Kodierung in Abschnitt F4 in Betracht zu ziehen). Trennungsangst, die in einer nicht entwicklungsangemessenen Altersstufe (z.B. in der Adoleszenz) auftritt, soll hier nicht klassifiziert werden, es sei denn sie stellt eine abnorme Fortsetzung der entwicklungsbezogenen Trennungsangst dar. Diagnostische Leitlinien: Das diagnostische Hauptmerkmal ist eine fokussierte, übermässig ausgeprägte Angst vor der Trennung von solchen Personen, an die das Kind gebunden ist (üblicherweise Eltern oder andere Familienmitglieder). Diese ist nicht lediglich Teil einer generalisierten Angst in vielen Situationen. Die Angst kann sich zeigen als: 1. Unrealistische, vereinnahmende Besorgnis über mögliches Unheil, das Hauptbezugspersonen zustossen könnte oder Furcht, dass sie weggehen und nicht wiederkommen könnten. 2. Unrealistische, vereinnahmende Besorgnis, dass irgendein unglückliches Ereignis das Kind von einer Hauptbezugsperson trennen werde – beispielsweise, dass das Kind verloren geht, gekidnapt, ins Krankenhaus gebracht oder getötet wird. 3. Aus Furcht vor der Trennung (mehr als aus anderen Gründen, wie Furcht vor Ereignissen in der Schule) resultierende, andauernde Abneigung oder Weigerung, die Schule zu besuchen. 4. Anhaltende Abneigung oder Weigerung, ins Bett zu gehen, ohne dass eine Hauptbezugsperson dabei oder in der Nähe ist. 5. Anhaltende unangemessene Furcht allein oder tagsüber ohne eine Hauptbezugsperson zu Hause zu sein. 6. Wiederholte Alpträume über Trennung. 7. Wiederholtes Auftreten somatischer Symptome (wie Übelkeit, Bauchschmerzen, Kopfschmerzen oder Erbrechen) bei Trennung von einer Hauptbezugsperson, wie beim Verlassen des Hauses, um in die Schule zu gehen. 8. Extremes wiederkehrendes Unglücklichsein (z.B. Angst, Schreien, Wutausbrüche, Unglücklichsein Apathie oder sozialer Rückzug) in Erwartung von, während oder unmittelbar nach der Trennung von einer Hauptbezugsperson. Viele mit einer Trennung verbundene Situationen gehen auch mit anderen möglichen Stressfaktoren oder Ursachen von Angst einher. Die Diagnose beruht auf dem Nachweis, dass die Trennung von einer Hauptbezugsperson das gemeinsame Element der verschiedenen angstauslösenden Situationen darstellt. Am deutlichsten wird das vielleicht bei der Schulverweigerung bzw. Schulphobie. Oft beruht diese auf Trennungsangst, manchmal (besonders während der Adoleszenz) nicht. Schulverweigerung, die erstmals während der Adoleszenz auftritt, sollte nicht hier klassifiziert werden es sei denn sie ist primär eine Funktion der Trennungsangst und trat bereits während des Vorschulalters auf. Sind diese Kriterien nicht erfüllt, soll das Syndrom in einer der anderen Kategorien von F93 oder unter F4 verschlüsselt werden. Ausschluss: - affektive Störungen (F3) - altersspezifische phobische Störung (F93.1) - altersspezifische Störung mit sozialer Überempfindlichkeit (F93.2) - neurotische Störungen (F4) März 2003