Angststörung – Depression – Trauma Was ist das und wie hängt es zusammen? Leichte Herzrhythmusstörungen stellen häufig kein grundsätzliches Krankheitsproblem dar. Erst die psychische Verarbeitung der Herzrhythmusstörungen kann zu hohem Leidensdruck, Angst und somit zur Behandlungsbedürftigkeit führen. Herzrhythmusstörungen sind ein körperliches Problem, welches unseren Lebensmotor betrifft. Da liegt es auf der Hand, dass wir sensibel reagieren, wenn sogar nur kleine Symptome spürbar sind. Viele Menschen meinen, sie müssten aufkommende Ängste „aushalten“ und es sei vielleicht unangenehm, darüber zu sprechen. Jedoch ist es bedeutsam zu lernen, diese Ängste anzunehmen, zu lernen, wie sie verringert werden können und wie mit ihnen umzugehen ist. Ängste, die immer wieder hochkommen, stark belasten und zur ständigen Angstempfindung oder andererseits zu einer Panik werden können, können wiederum depressive Symptome auslösen. Der Alltag kann zu einer großen Belastung werden, die nicht mehr zu bewältigen ist. Die Informationen, wie mit eigens erlernten Übungen die Kontrolle über die Ängste wiederzuerlangen ist, sind vielen Patienten nahezu unbekannt. Nicht viele Patienten erwägen, psychologische oder psychokardiologische Hilfe in Anspruch zu nehmen, handelt es sich ja grundsätzlich um ein medizinisches Herzproblem und nach Meinung des Patienten nicht um ein psychisches. Jedoch kann professionelle Hilfe hier entscheidend dazu beitragen, dass psychische Symptome wie Ängste, depressive Verstimmungen oder Trauma-Erlebnisse sinnvoll behandelt werden können. Begleitet von einer Depression oder Angst wird ein Herzrhythmus-Patient deutlich in seinem alltäglichen Leben eingeschränkt. Schwere Herzrhythmusstörungen stellen hingegen ein größeres Krankheitsproblem dar und können zu Leistungsminderung, Schwindel oder auch Schlaganfällen führen. Diesen Rhythmusstörungen liegt meist eine genetische oder strukturelle Herzerkrankung zugrunde. Angststörung – Depression – Trauma B 9445 001_192.indd 61 61 14.02.2013 13:52:19 Uhr Stationäre Aufenthalte, erlebte Rhythmusstörungen unterschiedlichster Art sowie mögliche erlebte Panikanfälle werden oft intensiv wahrgenommen und von vielen Patienten sogar als traumatische Erfahrungen beschrieben. Medikamente, die in einer Krisensituation stationär eingesetzt werden müssen, können intensive Alpträume und damit einhergehende Furcht auslösen, die sich einem Patienten noch lange innerlich „einbrennen“. In speziellen Trauma-Abbau-Übungen können diese Erinnerungen an die akuten Träume so behandelt werden, dass sie ihren Schrecken verlieren. Oft reicht bereits die Information, dass diese Träume als Nebenwirkung akuter medikamentöser Behandlung auftreten und eine Wiederholung Monate nach dem akuten stationären Aufenthalt nicht ständig befürchtet werden muss. Angst, Stress und Depression werden häufig in Studien als einleitender Faktor oder Auslöser für Herzrhythmusstörungen beschrieben. Sogar bei Patienten, die keine dokumentierte Herzerkrankung aufweisen, konnten durch Belastungsfaktoren im Umfeld vorübergehende Störungen nachgewiesen werden. Herzrhythmusstörungen können zu einer großen Angst vor dem Alltag und vor Aktivitäten führen. Daraus resultiert, dass diese Angst zu Vermeidungsverhalten (Schonverhalten) und Depression führen kann. Über der Angst, dem Vermeidungsverhalten und der Depression entsteht ein Teufelskreis, der die Störung aufrechterhalten kann und dazu beiträgt, dass der Patient seinen Alltag nicht mehr wie gewohnt meistern kann. Die Therapie kann aus mehreren Säulen bestehen. Neben den im Kapitel „Grundlagen zum Verständnis der Herzrhythmusstörungen“ ausführlich beschriebenen körperlichen Behandlungsmöglichkeiten ist es wichtig, die Psyche der Patienten nicht aus dem Blick zu verlieren. Verschiedenste körperliche Behandlungen haben Einfluss auf das Körper- sowie Selbstbild der Patienten und können Ängste und Depressionen auslösen. Stressfaktoren können das Auftreten einer Störung begünstigen. In einigen Studien konnte nachgewiesen werden, dass bei chronischem Stress, Angst und Depression ein erhöhtes Risiko für Herzrhythmusstörungen besteht. Psychische Reaktionen auf Herzrhythmusstörungen sind sehr unterschiedlich. Oft lösen die Rhythmusstörungen eine hohe Angst aus. Die Patienten suchen häufiger den Arzt auf. Die entstandene Angst kann ein Mitauslöser neuer Herzrhythmusstörungen sein. Unter Patienten mit bekannten Herz- 62 Angststörung – Depression – Trauma B 9445 001_192.indd 62 14.02.2013 13:52:19 Uhr rhythmusstörungen oder überlebtem plötzlichen Herztod weisen bis zu 50 % Symptome einer Angsterkrankung und/oder Depression auf. Am besten kann nach bisherigem Forschungsstand daher eine Therapie wirken, die aus der Kooperation zwischen Kardiologen, Hausarzt und Psychotherapeuten besteht. Es ist sehr wichtig, dass diese Kooperation reibungslos funktioniert, da sich körperliche und psychische Faktoren gegenseitig beeinflussen können. Somit wäre eine einseitige Behandlung nicht zielorientiert. Bei der psychologischen Betreuung sollten alle Fragen des Patienten geklärt werden. Hier kann die Angst der Patienten deutlich werden. Idealerweise wird gemeinsam ein Krankheitsmodell erstellt. Dieses kann auch mit den Angehörigen besprochen werden, die ebenso viele Fragen haben und verunsichert sind. Angststörungen Was bedeutet „Herzangst“? Die Herzangst (wir sprechen hier nicht von der Herzphobie – hier geht es um Angst bei vorliegenden organischen Herzstörungen) ist ein häufig auftretendes, belastendes Gefühl bei diagnostizierten Herzerkrankungen. Ich habe Angst um mein Herz und wegen meines Herzens. Angst und Panikgefühle ähneln den Herzsymptomen sehr, daher ist es oft schwer, zu unterscheiden, ob diese Symptome einem Herzanfall gleichen oder eher einem Angstanfall. Schwindel, Herzrasen, Beklemmungsgefühl, Luftnot, Kribbelgefühle, Kontrollverlust, Angst vor dem Sterben und Katastrophengedanken sind übereinstimmende Symptome. Gerade todesangstähnliche Gefühle legen uns lahm und lassen uns jede Kontrolle verlieren. Dies fühlt sich sehr belastend an. Angstverlauf In einem Angstanfall mit den beschriebenen Symptomen ist die Empfindung des Herzpatienten, dass etwas Gefährliches oder sogar Lebensbedrohliches im Körper vorgeht und dass sofortige ärztliche Hilfe notwendig ist. In der Regel dauert eine Panikattacke zwischen 10 und 20 Minuten, Angststörung – Depression – Trauma B 9445 001_192.indd 63 63 14.02.2013 13:52:19 Uhr sie kann aber auch nur 2 Minuten oder über eine Stunde anhalten – dann verläuft sie allerdings „wellenförmig“. Das bedeutet, dass die Symptome zuerst stark spürbar sind und nach bis zu 20 Minuten (längstens) wieder abflachen. Dann können sie sich wieder aufbauen und dies geschieht im Wechsel. Herzproblem oder Angstgefühl? Es ist aufgrund der Ähnlichkeit der Symptome schwierig, selbst zu erkennen, ob es sich um Ängste oder um einen Herzanfall handelt. Eine einfache Methode, um dies genauer zu erkennen ist, beim schnellen Herzschlag ein wenig darauf zu achten, ob er akut und plötzlich beginnt – also SOFORT und aus dem Stand auf beispielsweise 140 Schläge wechselt – oder ob er sich nach und nach immer schneller werdend aufbaut. Der akute Aufbau ist eher einer möglichen Herzsymptomatik zuzuordnen (das bedeutet nicht, dass diese lebensbedrohlich ist, es kann ein sogenannter tachykarder Anfall mit schnellem Herzschlag bei gutartigen Rhythmusstörungen sein), der langsam ansteigende Aufbau dagegen eher der Angst und Panik. Was können Sie tun? Versuchen Sie, zunächst einzuordnen, ob der Beginn schleichend oder abrupt verläuft. Im ersten Fall: mit kontrollierten Zählübungen (wird in diesem Kapitel später genau beschrieben) und etwas Bewegung können Sie einen Angstanfall nach 10 bis 20 Minuten wieder abschwächen. Es ist natürlich nicht einfach, erfordert Vertrauen in sich selbst und Übung, aber je öfter Sie üben, desto besser wird es Ihnen gelingen, die Angst wieder zu kontrollieren. Bei einem abrupten oder stark wechselnden, unrhythmischen Verlauf besprechen Sie bitte mit Ihrem Facharzt für Kardiologie, was zu tun ist. Er gibt Ihnen für Sie passende Tipps und Hinweise, wann ein Arzt zu rufen ist oder wann Sie sich mit weiteren Übungen einfach selbst helfen können. Was sagt die Forschung? Studienergebnisse zeigen, dass ca. 50 Prozent der Menschen, die einen implantierten Defibrillator tragen, unter Ängsten, Anpassungsstörungen 64 Angststörung – Depression – Trauma B 9445 001_192.indd 64 14.02.2013 13:52:19 Uhr und Depressionsformen leiden. Im akuten Infarkt, bei invasiven Eingriffen und Herzoperationen sind Ängste ebenfalls sehr häufig. Im akuten Stadium haben 50 Prozent der Patienten klinisch bedeutsame Ängste, im weiteren Verlauf der Herzerkrankung zeigen ca. 20 Prozent der Patienten auffällige Angstwerte (Herrmann-Lingen, 2008). Auch bei anderen Rhythmusstörungen tritt oft ein krankhaftes Ausmaß der Angst auf. Es kommt oft zu wiederholten ärztlichen Untersuchungen, da die Angst mit einem Herzsymptom verwechselt wird. Daher ist es für Herzpatienten sinnvoll, nicht nur ärztlichen, sondern auch psychologischen Rat zu suchen, wenn die Symptome zu sehr belasten und verunsichern, damit auch zu den Ängsten eine Diagnose gestellt werden und daraus resultierend geholfen werden kann. Das Erlebte wirkt auf den Körper Unser Leben ist von vielfältigen Erfahrungen geprägt. Wir erleben besondere Ereignisse, die mit Freude verbunden sind (Geburten, Hochzeitstage) genauso wie Erlebnisse, die uns traurig machen oder die wir mit weiteren unangenehmen Gefühlen (Trauer um uns nahe stehende Menschen, Wut über zerbrochene Freundschaften) verbinden. Gesundheit und Krankheit wechseln sich in unserem Leben ab: zumindest empfinden wir das so. Richtig ist, dass unser Lebenslauf von sehr abwechslungsreichen und vielfältigen Erfahrungen geprägt ist. Diese werden von unserem Gehirn und Körper laufend gespeichert und verarbeitet. Ganzheitlich erfahren Wenn uns etwas belastet, merkt dies nicht nur ein Teil von uns, sondern der gesamte Körper und Geist sind daran beteiligt. Erfahrungen sind durch Bruchlinien des Lebens gekennzeichnet. In diesen Rissen kann Lernen beginnen. Dies bedeutet, durch eine Krankheitserfahrung hat der Alltag Risse bekommen und Lernprozesse können angestoßen werden. Der Aufenthalt in einer Rehaklinik zum Beispiel kann durch die komplette Veränderung des Alltags zu einem sehr positiven Erlebnis werden, obwohl eine Erkrankung die Ursache für den Aufenthalt ist. Gesunde Veränderungen im oft überlasteten Alltag werden durch eine „Auszeit“ erst möglich, weil sich Gehirn und Körper auf sich selbst konzentrieren können. „Unser Leben ist ein fortwährender Prozess der Wandlung … voller Überraschungen. Lust, Glück Angststörung – Depression – Trauma B 9445 001_192.indd 65 65 14.02.2013 13:52:20 Uhr und Pech, Angst und Mut, Hoffnung, Abschied, Verzweiflung, Gelingen und Scheitern stehen wie Gesundheit und Krankheit auf der Tagesordnung, die wir nicht ändern, aber begreifen und lernen können.“ (Keil, 2011, Buchtipp unter „Ausgewählte Literatur für Herzrhythmuspatienten“ im Anhang). Aktives Handeln ist bedeutsam Eine Erkrankung kann eine Brucherfahrung und Neuorientierung sein. Bedeutsam ist die Dynamik zwischen der Leidenserfahrung und dem möglichen, nach vorn schauenden Handeln: wenn der Patient das Gefühl hat, auf die Erkrankung einwirken zu können, kann er sich besser auf sein Handeln konzentrieren und so aktiv zu seiner Gesundung beitragen. Natürlich spielt die Schwere der Erkrankung eine große Rolle. Wenn ich das Gefühl habe, dem Krankheitsverlauf ausgeliefert zu sein, ist dies eine Erfahrung, die deutlich schwerer zu verarbeiten ist als die, einwirken zu können und sich aktiv mit der Krankheit auseinanderzusetzen. Aktives Handeln bringt neue Lebenserfahrungen, die nach einigen Wochen für unser Gehirn und unseren Körper als neue Verhaltensweise regelhaft aufgenommen werden. Wie gelingt das? Dies gelingt in wirklich jeder Lage – sollte es momentan nicht möglich sein, sich ausreichend zu bewegen, weil die Herzerkrankung die eigene Kraft eingeschränkt hat, können auch liegend auf einem Sofa (beispielsweise mit Hilfe einer Physiotherapeutin) Bewegungen geübt werden. Ziele und Pläne sind immer positiv für die Herzerkrankung: Sie selbst lernen dabei die Erfahrung der Hoffnung, die sich gut anfühlt. Setzen Sie sich kleine Ziele, fangen Sie bei „winzigen“ Zielen an und steigern Sie sich sehr langsam zu den größeren. Wenn Sie schnell aus der Puste geraten, gehen Sie jeden Tag nur wenige Schritte, mehrfach am Tag, und genießen Sie dabei jedes Mal, dass diese Strecke möglich war und Sie nicht erschöpfen konnte. Nach einigen Tagen werden Sie merken, dass eine etwas längere Strecke tatsächlich möglich wird. Wir raten also dazu, so viele gute (kleine) Erfahrungen zu machen, wie Sie nur schaffen können – in jedem Lebensbereich. Arbeiten Sie beispielsweise an einer Partnerschaft, die Sie lange „gelähmt“ hat und Ihnen jeden Tag ein Stückchen „das Herz bricht“. Überlegen Sie, was Sie brauchen und was Sie sich wünschen – und nicht überwiegend, 66 Angststörung – Depression – Trauma B 9445 001_192.indd 66 14.02.2013 13:52:20 Uhr was der andere will und erwartet. Was tut Ihnen gut? Achten Sie darauf! Täglich! Nehmen Sie positive Erlebnisse deutlich wahr! Sehen Sie nicht nur das, was Sie belastet. Dies hilft Ihnen dabei, gesund zu werden. Angst und Extrasystolen Stolperschläge (Extrasystolen) sind in der Regel gutartig Die meisten Menschen haben irgendwann in ihrem Leben Stolperschläge des Herzens. Nicht jeder bemerkt sie, weil die Wahrnehmung der Individuen sehr unterschiedlich ist. Das Herz schlägt nicht starr wie eine Quarzuhr sondern passt sich in jeder Sekunde psychischen, körperlichen und äußeren Einflüssen an (z. B. Freude, Ärger, Kälte, Hitze, Anstrengung, auch im Schlaf und im Traum). Die Stolperschläge sind in der Mehrzahl der Fälle gutartig, das heißt nicht bedrohlich. Das gleiche gilt für das Herzklopfen, bei dem häufig nur ein mäßig schnellerer, aber deutlich kräftigerer Herzschlag wahrgenommen wird. Welche Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind auszuschließen? Trotz dieser überwiegend harmlosen Abweichungen vom ruhigen und harmonisch empfundenen Herzschlag können Stolperschläge und Palpitationen (bewusste Wahrnehmung des Herzschlags) von dem Betroffenen als sehr störend und sogar beängstigend eingestuft werden. In bestimmten Fällen können Extraschläge insbesondere aus den Herzkammern auch ein Warnsignal sein. Deshalb ist es wichtig, dass eine behandelbare HerzKreislauf-Erkrankung ausgeschlossen ist. Hierzu gehören beispielsweise ein erhöhter Blutdruck, eine Durchblutungsstörung des Herzens (sog. Koronare Herzkrankheit), eine Herzschwäche, ein Herzklappenfehler oder auch ein angeborener Herzfehler. Was können Sie tun? Bei Ungewissheit und im Zweifel sollte ein Arzt aufgesucht werden, der mittels Krankengeschichte, EKG in Ruhe und unter Belastung sowie Ultra- Angststörung – Depression – Trauma B 9445 001_192.indd 67 67 14.02.2013 13:52:20 Uhr schall des Herzens (Echokardiographie) eine Grunderkrankung ausschließen oder nachweisen und gegebenenfalls behandeln kann. Im Falle von vollständiger Regellosigkeit des Pulses (absolute Arrhythmie) kann es sich um die häufigste behandlungsbedürftige Herzrhythmusstörung, nämlich Vorhofflimmern, handeln, bei der der Arzt nach Diagnosestellung eine entsprechende Therapie einleiten wird. Extrasystolen sind also meist harmlose Herzrhythmusstörungen (Stolperschläge). Diese Stolperschläge hat jeder Mensch und sie werden mal mehr oder weniger bemerkt. Der Ursprung liegt in psychischen, körperlichen und äußeren Einflüssen (wie z. B. Freude, Ärger, körperliche Anstrengung). Es werden die supraventrikulären und die ventrikulären Extrasystolen unterschieden. Die supraventrikulären Extrasystolen beinhalten das Auftreten von einzelnen hinzukommenden normalen Herzaktionen. Bei einer Untersuchung ist eine Vorhofaktion erkennbar. Die Patienten beschreiben das Auftreten als „Herzstolpern“. Die ventrikulären Extrasystolen werden von den Patienten auch als „Herzstolpern“ beschrieben. Hierbei treten auffällige Herzaktionen auf, die nicht im Vorhof, sondern in den Herzkammern entstehen. Daraus kann auch eine seltene Form der Extrasystolen resultieren, die beim Kardiologen abzuklären ist (siehe Kapitel „Grundlagen zum Verständnis der Herzrhythmusstörungen“). Angstabbau-Strategien: wie Sie selbst etwas tun können Gedankenspiralen können auch oft von Ängsten begleitet oder von Ihnen ausgelöst werden. Ängste entstehen oft durch negative (oder vielleicht sogar traumatische) vergangene Erfahrungen. Unterschiedliche Formen von Ängsten sind daher bei einer Herzrhythmusstörung häufige Begleitsymptome, welche als unangenehm erlebt werden. Angst ist jedoch ein natürliches und wichtiges Gefühl, welches in erster Linie die Funktion eines Schutzes hat. Wenn Sie sich jetzt einmal vorstellen, Sie könnten in einer Situation im Straßenverkehr keinerlei Ängste spüren – diese Folgen wären unter Umständen lebensbedrohend. Daher ist es wichtig, sich von dem Wunsch zu verabschieden, nie mehr Ängste haben zu müssen. Kein Mensch könnte ohne Angst überleben. Möglich ist jedoch, dass Sie sich von einigen Angstformen befreien lernen, die Ihr Befinden verschlimmern und Sie vieles ver- 68 Angststörung – Depression – Trauma B 9445 001_192.indd 68 14.02.2013 13:52:20 Uhr meiden lassen, was Ihnen eigentlich Spaß machen würde. Da Angst ein umfassendes Thema ist, wird an dieser Stelle etwas angeboten, was Ihnen in vielen Situationen helfen kann. Angst hat grundlegend mit dem Verlust der Selbstkontrolle zu tun, daher ist es immer sinnvoll, zu wissen, wie Sie diese Selbstkontrolle wiedererlangen können. Die folgenden Übungen sind bespielhafte Angebote, mit denen Sie Ängste kontrollieren lernen können. Diese haben sich in der Praxis als sehr wirksam und leicht zu erlernen bewährt. Zählübungen Nehmen Sie sich bitte ein Buch und schlagen Sie es irgendwo auf. Nun zählen Sie bitte zunächst die Wörter der untersten Zeile von rechts nach links. Behalten Sie die Zahl im Kopf und verfahren Sie mit dem Zählen der nächsthöheren Reihe genau wie beschrieben. Nun addieren Sie die Zahlen der zuerst gezählten untersten Zeile dazu. So machen Sie bitte weiter bis genau 15 Minuten vergangen sind. Versuchen Sie, sich nur auf das Zählen der Wörter zu konzentrieren. Wenn Sie nun an einem Tag besonders viele Ängste verspüren, führen Sie mehrfach am Tag diese einfache Zählübung durch. Variieren Sie das Zählen von Wörtern mit dem Zählen des Inhaltes Ihrer Küchenschränke, dem Muster auf Teppichböden oder der Pflanzen in Ihrem Garten. Wichtig ist, dass Sie die Dauer von 15 Minuten nicht unterschreiten und nicht nur einfach etwas abzählen (1, 2, 3, 4 …), sondern Zähloperationen durchführen (Addieren von mehreren Zeilen, Multiplizieren Ihrer Tassen etc.). Diese Übung funktioniert bei Ängsten sehr gut, weil Ängste oft ein lebensbedrohliches Gefühl vermitteln – und, vereinfacht ausgedrückt, eine kontrollierte Zählübung unserem Gehirn tatsächlich beweisen kann, dass wir nicht in akuter Lebensgefahr schweben. In der Folge schwächt der Körper seine Alarmfunktionen im Verlauf der Übung deutlich ab. Achtung: 15 Minuten sind in dieser Übung tatsächlich lang – aber es ist sehr wichtig, diese Zeit durchzuhalten, damit der erwünschte Effekt eintreten kann! Des Weiteren können Sie „Sudokus“ lösen, Rechenaufgaben machen oder auch beim Spazierengehen etwas zählen, was Sie umgibt. Wichtig ist, dass Sie es mindestens 15 Minuten ununterbrochen tun und addieren, subtrahieren, multiplizieren oder dividieren – nicht nur von 1 – 100 abzählen, das Angststörung – Depression – Trauma B 9445 001_192.indd 69 69 14.02.2013 13:52:20 Uhr kann das menschliche Gehirn automatisch tun und wird weiterhin in der Lage sein, akute Angst zu empfinden. Diese Zählübungen hören sich vielleicht im ersten Moment merkwürdig an, aber wenn Sie diese durchführen – regelmäßig und genau nach Anleitung – können Sie aufkommende Angst und Panikgefühle wirksam drosseln. Das Zuhause verändern Die Räume, mit denen wir uns umgeben, haben einen wichtigen Bestandteil: Erfahrung. Ihr Wohnraum vermittelt Ihnen Sicherheit, wenn es Ihnen in dieser Umgebung häufig gut geht, und Unbehagen, wenn Sie sich zum Beispiel alleine zu Hause ängstlich fühlen. Wenn Sie beispielsweise einmal eine starke Angst im Schlafzimmer verspürt haben (vielleicht weil Sie öfter bereits befürchteten, Sie könnten eines Nachts eine schwere Erkrankung bekommen), werden Sie künftig eher ungerne dort schlafen gehen. Ähnlich verhält es sich mit anderen Räumen. Die Lösung: Es ist sinnvoll, die Räume, die Ihnen Unbehagen bereiten, umzugestalten! Ändern Sie die Farben, die Anordnung der Möbel, die Beleuchtung nach Ihren Wünschen. Verändern Sie vielleicht auch das, was Sie in diesen Räumen tun (eine „kreative“ Ecke, in der Sie etwas basteln, in der Küche? Wenn es Ihnen gefällt, warum nicht?). Diese Aktivität bewirkt eine Stärkung der Selbstkontrolle und eine Veränderung vermindert häufig Ängste. Was möchten Sie in Ihrem Wohnraum verändern? Tun Sie es einfach! Ein Patientenbericht Tabellarische Aufstellung der Herzerkrankung sowie psychosomatische Erfahrungen und Selbsthilfe Am Anfang der Erkrankung waren unerklärlicher Schwindel sowie Ohnmachtsanfälle an der Tagesordnung. Nach vielen Untersuchungen bei mehreren Fachärzten wurde das sogenannte „Brugadasyndrom“ (plötzlicher Herzstillstand) diagnostiziert. 70 Angststörung – Depression – Trauma B 9445 001_192.indd 70 14.02.2013 13:52:20 Uhr Nach der Diagnose wurde sofort eine Operation durchgeführt, wobei ein Defibrillator implantiert wurde. Nach der Operation fingen somatische Beschwerden an. Sie machten sich durch folgende Symptome bemerkbar: Luftnot, Druck auf der Brust, Kurzatmigkeit, Panikattacken, Herzschmerzen usw. Diese Symptome waren mal mehr oder weniger am Tag vorhanden. Abhilfe bekam ich durch psychologische Hilfe und durch mehrere Psychologen und Ärzte. Was mir sehr geholfen hat, sind folgende Maßnahmen: –Bei Frau Dr. Muth-Seidel in Bremen habe ich die Zähltechnik erfahren, was mir immer besser gelingt und mir auch sehr viel hilft. Aber auch die Gespräche und Tipps sind sehr hilfreich, z. B. Wohnungsumgestaltung und vieles mehr. –Bei heftigen Attacken hilft mir aber auch, dass ich bei Tag und Nacht an die frische Luft gehe und Spaziergänge mache. –Des Weiteren hilft der Austausch in einer Selbsthilfegruppe sehr. –Es gibt viele Techniken, die sehr helfen, z. B. Tresortechnik, Entspannung usw. Hinrich Nannen Depression als Volkskrankheit: Ursachen und Auslöser Depressionen – zunächst ganz unabhängig von Herzerkrankungen betrachtet – können in jedem Lebensalter auftreten. Das Bundesgesundheitsministerium nimmt an, dass derzeit in Deutschland mindestens vier Millionen Menschen von einer Depression betroffen sind. Dabei ist die Dunkelziffer hoch: Nach den Ergebnissen einer Studie der Weltgesundheitsorganisation werden depressive Erkrankungen in etwa der Hälfte der Fälle nicht als solche diagnostiziert, da viele Betroffene keinen Arzt oder Psychologen aufsuchen oder die Symptome nicht als die einer Depression erkannt werden. Angststörung – Depression – Trauma B 9445 001_192.indd 71 71 14.02.2013 13:52:20 Uhr Die Diskussion um die möglichen Ursachen und Auslöser einer Depression ist eine seit Jahrzehnten lebhaft geführte, die sich im Spannungsfeld zwischen genetischen Faktoren und Umwelteinflüssen wie traumatischen Erlebnissen und belastenden Ereignissen aus der Gegenwart oder Vergangenheit abspielt. Diskutiert werden als mögliche Ursachen dabei u. a.: 1. Stress durch akute oder zurückliegende Belastungen 2. chronische körperliche Erkrankungen und Schlafstörungen 3. erlernte negative Denkmuster 4. erbliche Veranlagungen 5. Ungleichgewichte von Botenstoffen im Nervensystem sowie 6. Nebenwirkungen von Medikamenten. Akute Trennungs- oder Verlusterlebnisse, wie das Ende einer Beziehung oder der Verlust des Arbeitsplatzes, können Auslöser einer Depression sein. Auch privater und beruflicher Stress oder lang andauernde, belastende Erfahrungen in der Lebensgeschichte sowie traumatische Erlebnisse in der Kindheit können eine Rolle spielen. Was die genetischen Einflüsse angeht, so konnten Untersuchungen aufzeigen, dass bei Verwandten von depressiven Patienten ein erhöhtes Risiko besteht, selbst an einer Depression zu erkranken. Obwohl somit offensichtlich die Gene eine Rolle spielen, besteht nach dem aktuellen Forschungsstand keine Klarheit darüber, welche Gene an der Auslösung der Krankheit beteiligt sind. Vermutlich führen genetische Besonderheiten auch nicht unmittelbar zur Depression sondern sie erhöhen das Risiko, unter ungünstigen Umweltbedingungen eine Depression zu entwickeln (sogenannte GenUmwelt-Interaktion). Forschungen im Bereich der Neurobiologie wiederum unterstützen die Theorie, dass bei Menschen mit Depressionen eine Fehlregulation bestimmter Botenstoffe im Gehirn vorliegt. Bei Betroffenen führt dies zu einer Verminderung der Interessen und des Antriebs sowie zu einem Mangel an Freude. Für die Forschung sind vor allem die Botenstoffe Serotonin, Noradrenalin und Dopamin relevant. Ob allerdings diese veränderte Zusammensetzung eine Frage der Veranlagung ist oder ebenfalls durch äußere Einflüsse mit gesteuert wird und letztlich nur ein Symptom einer tiefer liegenden Problematik ist, bleibt ebenfalls noch Gegenstand der Forschung. Was die Rolle chronischer Erkrankungen angeht, so stellen die meisten davon eine dauerhafte Belastungssituation für die Betroffenen dar und erhöhen das Risiko, an einer Depression zu erkranken. Im weiteren Sinne fällt dies unter die Kategorie belastender Lebensereignisse. Insbesondere ist 72 Angststörung – Depression – Trauma B 9445 001_192.indd 72 14.02.2013 13:52:20 Uhr dies bei Patienten mit Morbus Parkinson, Schlaganfall, Epilepsie, Herzerkrankungen, Krebserkrankungen, chronischen Darm- und anderen Autoimmunerkrankungen sowie Diabetes der Fall. Erlernte negative Denkstrukturen Unsere Denk- und Verarbeitungsmuster entstehen in der Regel in der Kindheit und können, wenn sie z. B. besonders pessimistisch und unflexibel sind, eine Depression verursachen oder zumindest begünstigen. Betroffene zeigen häufig eine negative Sicht auf sich und ihre Umgebung und sind ohne Hoffnung in Bezug auf die Zukunft. Auch übermäßige Selbstkritik und der Fokus auf generell negative Interpretationen von Ereignissen sind Bedingungen, welche die Entstehung einer Depression begünstigen können. Die Diskussion um das Vorherrschen innerer oder äußerer Ursachen einer Depression ist wie erwähnt eine unter Ärzten und Psychologen lang andauernde. Je differenzierter unser Wissen und die Forschungsergebnisse aber werden, desto mehr ist anzunehmen, dass am Ende ein für den jeweiligen Patienten spezifisches Zusammenspiel der oben erwähnten und vielleicht anderer, noch unbekannter Faktoren zur Entwicklung einer Depression führt. Depression – die Zeichen lesen Depression bezeichnet einen längeren Zustand deutlich gedrückter Stimmung, Interesselosigkeit und Antriebsschwäche. Zu den typischen Symptomen depressiver Störungen gehören Störungen der psychischen Befindlichkeit ebenso wie eine Vielzahl verschiedener möglicher körperlicher Beschwerden, die wir hier aufgrund der Fülle von Beschwerden in tabellarischer Form aufführen wollen: Psychische Symptome depressive Stimmung Verlust von Interesse und Freude verminderter Antrieb / erhöhte Ermüdbarkeit verminderte Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit Angststörung – Depression – Trauma B 9445 001_192.indd 73 73 14.02.2013 13:52:20 Uhr vermindertes Selbstwertgefühl (Gefühl von Wertlosigkeit) Schuldgefühle und Selbstvorwürfe negative oder pessimistische Sicht auf die Zukunft Verlust von Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen innere und körperliche Unruhe Gedanken an Selbstmord Körperliche Symptome allgemeine körperliche Abgeschlagenheit und Kraftlosigkeit Schlafstörungen (Ein- und/oder Durchschlafstörungen), im Sinne von Schlaflosigkeit oder auch vermehrtem Schlafbedürfnis Appetitstörungen, Magendruck Gewichtsverlust oder -zunahme Verdauungsprobleme wie Verstopfung oder Durchfall Kopfschmerzen oder andere Schmerzen, häufig Rückenschmerzen Druckgefühl in Hals und Brust, Beengtheit im Hals Störungen von Herz und Kreislauf (Herzrhythmusstörungen, Herzrasen) oder Atemnot Schwindelgefühle, Flimmern vor den Augen, Sehstörungen Muskelverspannungen, plötzlich einschießende Schmerzen Verlust des sexuellen Interesses, Aussetzung der Monatsblutung, Impotenz, sexuelle Funktionsstörungen Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen Medizinische Klassifikationssysteme wie das ICD-10 oder DSM-IV (speziell für psychische Erkrankungen) unterscheiden noch je nach Anzahl der auftretenden Symptome verschiedene Schweregrade einer depressiven Episode oder führen Kriterien zur Dauer der Symptomatik an. So wird beispielsweise eine Phase depressiver Verstimmung, in der Betroffene mindestens zwei typische Symptome zeigen und die länger als zwei Jahre anhält, als Dysthymie bezeichnet. Depressive Störungen treten oft in Verbindung mit anderen psychischen Erkrankungen auf. Häufigste Begleiter von Depressionen sind Angst- und Zwangsstörungen sowie der Missbrauch von Alkohol oder Drogen. Auch Wahnzustände (Psychosen) können im Rahmen einer Depression auftreten und gerade bei jüngeren Patienten ist auch das gemeinsame Vorkommen mit Essstörungen nicht selten. 74 Angststörung – Depression – Trauma B 9445 001_192.indd 74 14.02.2013 13:52:21 Uhr Ebenfalls häufig zu finden sind Fälle, in denen depressive Symptome und Angst gleichzeitig vorkommen, ohne für sich genommen je ausreichend stark ausgeprägt zu sein, um die entsprechende Diagnose Depression oder Angststörung zu stellen. Ein Herz und eine Seele – Depression bei Herzerkrankungen Depressionen können im Zusammenhang mit vielen körperlichen Erkrankungen auftreten. Bei den meisten Menschen ruft die Diagnose einer ernsthaften oder chronischen körperlichen Erkrankung Ängste und Sorgen hervor. Bei lang andauernden körperlichen Erkrankungen entstehen Depressionen meist als eine Reaktion der Psyche auf die konstante Belastung der Betroffenen und die Veränderung ihrer Lebensumstände. So sind auch bei einer vorliegenden Herzrhythmusstörung depressive Symptome häufig. Das Gefühl, dem eigenen Körper bzw. den Medikamenten oder einem technischen Gerät ausgeliefert zu sein, kann zum Verlust von Lebensfreude und zur Resignation führen. Immer wieder spürbare Körpersymptome lassen die Gedanken um eine scheinbar ungewiss gewordene Zukunft kreisen und negative Szenarien entwerfen. Die neuen Einschränkungen, die die Patienten entweder durch das Auftreten der Rhythmusstörung selbst oder durch implantierte Defibrillatoren oder Schrittmacher erleben, verringern Sozialkontakte und Freizeitaktivitäten. Dazu kommt, dass Herzrhythmusstörungen nicht selten auf dem Boden einer anderen organischen Herzerkrankung entstehen, die wiederum stärkere körperliche Leistungseinbußen mit sich bringt. Verstärkte Müdigkeit, schnelle Erschöpfbarkeit und viele der für die Depression beschriebenen körperlichen Symptome werden also durch die Grunderkrankung des Herzens noch potenziert. Auf der pathophysiologischen Ebene liegt dieser ungünstigen Interaktion zwischen beiden Erkrankungen eine ähnliche Fehlregulation körperlicher Regelkreise zugrunde, die bei beiden zu einer stärkeren Ausschüttung von Stresshormonen, Entzündungsmediatoren und negativ in den Stoffwechsel eingreifenden Botenstoffen führt. Diagnostik der Depression Die Diagnostik einer Depression erfolgt über ein ausführliches Gespräch mit einem Arzt oder einem Psychologen. Dabei wird dieser sich an bestimmten Beispielfragen oder Fragebögen orientieren, die sich in der Forschung als zuverlässig und aussagekräftig erwiesen haben. Angststörung – Depression – Trauma B 9445 001_192.indd 75 75 14.02.2013 13:52:21 Uhr Dieses Gespräch ist das wichtigste Mittel des Experten, um herauszufinden, ob jemand an einer Depression erkrankt ist und wie stark diese ausgeprägt ist. Deshalb ist wichtig, dass Betroffene dem Arzt oder Psychologen vertrauen können und möglichst offen antworten. Man unterscheidet zwischen leichter, mittelgradiger und schwerer Depression. Die Behandlungsmöglichkeiten für alle drei Schweregrade sind verschieden, weshalb alle Krankheitsanzeichen so genau wie möglich erfasst werden sollten. Die Einteilung nach Schweregraden wird von Fachleuten vorgenommen, indem sie das Vorhandensein bestimmter Symptome prüfen und sich einen klinischen Eindruck verschaffen. Von einer leichten depressiven Episode spricht man, wenn zwei Kernund höchstens zwei Nebensymptome vorliegen. Bei zwei Kern- und drei bis vier Nebensymptomen spricht man von einer mittelgradigen Depression. Mindestens drei Kern- und vier oder mehr Nebensymptome kennzeichnen eine schwere Depression. Während für die endgültige Diagnosestellung und -einteilung Fachärzte zuständig sind, liegt es häufig am Arzt in der Hausarztpraxis oder in der Klinik, den ersten Verdacht auf eine vorliegende Depression zu äußern. In deren schnelllebigem Alltag, in dem der Fokus der Aufmerksamkeit meist auf den körperlichen Beschwerden der Patienten liegt, kommt der Blick auf die Psyche oft zu kurz – auch das ein Grund für die hohe Dunkelziffer an unerkannten Depressionen. Die Möglichkeit zur einfachen und schnellen Abschätzung bieten folgende zwei Fragen. Sie sind schnell gestellt und filtern zuverlässig gefährdete Patienten heraus: 1. Fühlten Sie sich im letzten Monat häufig niedergeschlagen, traurig, bedrückt oder hoffnungslos? 2. Hatten Sie im letzten Monat deutlich weniger Lust und Freude an Dingen, die Sie sonst gerne tun? Schon wenn nur eine der beiden Fragen mit ja beantwortet wird, liegt mit mehr als 50 %iger Wahrscheinlichkeit eine Depression vor. Die Überweisung zu einem Facharzt und eine entsprechende weitere Abklärung ist dann dringend angeraten. 76 Angststörung – Depression – Trauma B 9445 001_192.indd 76 14.02.2013 13:52:21 Uhr