Thema 5.9 Geriatrische Störungen

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Klinische Psychologie (A)
WS 2004/2005
Vorlesung mit Diskussion (# 1768)
Montags, 14-16 Uhr, HS 8
Thema 5.9
Geriatrische Störungen
sowie
Organische, einschließlich symptomatischer
psychischer Störungen
Universität Trier
FB I - Psychologie
Abt. Klinische Psychologie, Psychotherapie
und Wissenschaftsforschung
gkrampen Prof. Dr. Günter Krampen
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Klinische Psychologie (A) - Überblick: Themenplan
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3
4
Klinische Psychologie: Grundlagen
Störungs- und Krankheitsmodelle, Paradigmen
Klassifikationssysteme und klinisch-psychologische Diagnostik
Klinisch-psychologische Forschungsmethoden: Ätiologie-, Epidemiologie- und
Interventionsforschung
5
Ausgewählte Störungen
5.1
5.2
5.3
5.4
5.5
5.6
5.7
5.8
Angst- und Zwangsstörungen sowie Belastungs- und Anpassungsstörungen
Affektive Störungen (Manie, Depression, inclusive Suizidalität)
Somatoforme, dissoziative und psychophysiologische Störungen
Persönlichkeitsstörungen
Substanzinduzierte Störungen
Sexuelle Störungen und Dysfunktionen
Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen
Entwicklungsstörungen sowie Verhaltensstörungen und emotionale Störungen mit
Beginn in Kindheit/Jugendalter
5.9 Geriatrische Störungen sowie Organische, einschließlich
symptomatischer psychischer Störungen
5.10 Exkurs: Abnorme Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle
gkrampen Exkurs: Intelligenzminderungen
2
Literaturhinweise zu Thema 5.9: Geriatrische Störungen sowie Organische,
einschließlich symptomatischer psychischer Störungen
Basisliteratur
B&P, Kap. 40; D&N, Kap. 16
Ergänzungslektüre
ICD-10: F0x
DSM-IV-TR: 290.x, 294.x (Achse I)
Vertiefungsliteratur
Bauder, H., Taub, E. & Miltner, W.H.R. (2001). Behandlung motorischer Störungen nach
Schlaganfall: Die Taubsche Bewegungsinduktionstherapie. Göttingen: Hogrefe.
Ehrhardt, T. & Plattner, A. (1999). Verhaltenstherapie bei Morbus Alzheimer. Göttingen: Hogrefe.
Krampen, G. (1996). Evaluation of the effectiveness of autogenic training in gerontopsychology.
European Psychologist, 1, 243-254.
Krampen, G. (1996). The program for systematic self-monitoring and reflexion of health behavior
and health attitudes: Conception and empirical evaluation of a group program on health
promotion. Swiss Journal of Psychology, 55, 227-240.
Krampen, G., Fähse, D., & Groß, S. (1993). Biographische Rekonstruktion und Wohlbefinden im
höheren Lebensalter. Zeitschrift für Gerontopsychologie und -psychiatrie, 6, 229-240.
Oerter, R. & Montada, L. (Hrsg.). (2002). Entwicklungspsychologie (5. Aufl.). Wein-heim: PVU,
Kap. 36 und Kap. 7.
Wilz, G., Adler, C. & Gunzelmann, T. (2001). Gruppenarbeit mit Angehörigen von Demenzkranken:
Ein therapeutischer Leitfaden. Göttingen: Hogrefe.
Reisberg, B. (1987). Hirnleistungsstörungen: Alzheimerische Krankheit und Demenz (2. Aufl.).
Göttingen: Hogrefe.
gkrampen
3
5.9 Geriatrische Störungen sowie Organische, einschließlich symptomatischer psychischer Störungen
Entwicklungspsychopathologie des höheren Lebensalter
• Dementielle Störungen
– ICD-10: F00.xx: Demenz bei Alzheimerscher Erkrankung
– ICD-10: F01.xx: vaskuläre Demenz (Multi-Infarkt-Demenz)
• Häfner, 1986; Wiese, 1994: Häufigkeit dementieller Störungen nimmt
massiv mit dem Alter zu:
–
–
–
–
> 60jährige: 2%
> 66jährige: 6%
> 85jährige: 25%
> 90jährige: 35%
• andere organische Störungen mit symptomatischer psychischer Störung
gkrampen
– ICD-10: F06.xx: psychische Störung aufgrund einer Schädigung oder
Funktionsstörung des Gehirns oder einer körperlichen Erkrankung
• F06.0: organische Halluzinose
• F06.1: organische katatone Störung
• F06.2: organische wahnhafte Störungen
• F06.32: organische depressive Störung
• F06.7: leichte kognitive Störung
– ICD-10: F07.x: Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen aufgrund einer
Erkrankung, Schädigung oder Funktionsstörung des Gehirns
• F07.0: organische Persönlichkeitsstörung
4
5.9 Geriatrische Störungen sowie Organische, einschließlich symptomatischer psychischer Störungen
Einordnung der meisten geriatrischen Störungen in ICD-10: F0x.xx
Organische, einschließlich symptomatischer psychischer Störungen
• GMF: „General Medical Factor“ nach DSM-IV-TR
– MKF: Medizinischer Krankheitsfaktor
– SKID-I-Hilfsmittel: GMC-Module für somatisch bedingte Störungen
•GMC = general medical factor caused
– Prüfung über den medizinischen Konsiliarbericht (Pflicht nach PsychTh-G)
– also: als erstes differentialdiagnostisch abzuklären
•kommt hier als (vor-)letztes Thema, da fast alle aus 5.1 bis 5.7 relevant sind
• symptomatische psychische Störungen weisen somit stets eine eindeutige
organische Ursache (= Substrat) auf
– organische Erkrankung kann primär sein (z.B. bei Läsionen o.ä.), kann aber auch
sekundär sein (etwa bei Systemerkrankungen, von denen u.a. Cortex betroffen ist)
– Ausschluss: durch Intoxikationen bedingte Störungen => F1x.xx
– muss medizinisch diagnostiziert sein
– stets Zusatzkodierung nach anderem ICD-10-Kapitel notwendig, z.B.
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•ICD-10: B22 - HIV
•ICD-10: E03 - Hypothyreose
•ICD-10: E05 - Hyperthyreose
•ICD-10: Gxx - Erkrankungen des Nervensystems (wie etwa Alzheimer, MS, Epilepsie)
•ICD-10: Ixx - Erkrankungen des Kreislaufsystems (wie Zerebralinfarkt, zerebrale
Arteriosklerose, Myokardinfarkt)
•ICD-10: Kxx - Erkrankungen des Verdauungssystems (wie Gastritis, Reizkolon/
Colon irritabile, Lebererkrankung)
ff
5
5.9 Geriatrische Störungen sowie Organische, einschließlich symptomatischer psychischer Störungen
Einordnung der meisten geriatrischen Störungen in ICD-10: F0x.xx
Organische, einschließlich symptomatischer psychischer Störungen ff
• Zwei Hauptgruppen unter F0x.xx
– Syndrome mit Störungen der kognitiven Funktionen
•Demenzen: Abnahme des Gedächtnis- und Denkvermögens mit Beeinträchtigungen
von Alltagsaktivitäten, z.B.:
– Demenz bei Alzheimerscher Erkrankung: zumeist schleichender Beginn ohne Remission
– vaskuläre Demenz: meist plötzlicher Beginn mit Remissionschancen
– Syndrome mit spezifischen Wahrnehmungsstörungen (Halluzinationen),
Denkstörungen (Wahnvorstellungen), affektiven Störungen (Depression,
Ängstlichkeit) oder Persönlichkeitsstörungen
• Beginn und Verlauf
– Beginn: können in jedem Alter beginnen, Erkrankungsrisiko nimmt aber im
Erwachsenenalter und höheren Alter zu
– Verlauf: können sowohl progredient oder irreversibel als auch vorübergehend
und gut behandelbar sein
• Behandlung
– in der Regel medizinische (Op., Pharmaka) und psychosoziale (etwa Familienbetreuung), neuropsychologische (etwa kognitive Trainings) bzw. psychotherapeutische Kombinationsbehandlung
gkrampen
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5.9 Geriatrische Störungen sowie Organische, einschließlich symptomatischer psychischer Störungen
Spezielle diagnostische Verfahren in der Gerontopsychologie
• notwendig wegen
• evtl. reduzierter Feinmotorik, Sehschärfe etc.
• evtl. reduzierter Belastbarkeit
• evtl. reduzierter Motivation zur Teilnahme/geringeres Involvement in
Testung; z.B. "terminal drop" in IQ = Artefakt?
• mangelnder/reduzierter Testerfahrung
– unspezifische Reaktivitätseffekte (mangelnde Erfahrung/Übung)
– spezifische Reaktivitätseffekte aufgrund säkularer Akzeleration (z.B. in
computerunterstützter Diagnostik)
• ggfs. veränderter Validität von Diagnostika im Lebenslauf
– z.B. Extraversion: bei Jüngeren: Indikator sozialer Aufgeschlossenheit,
bei Älteren: Indikator sozialer Isolation?
• Beispiele
• AKT: Alters-Konzentrations-Test (1990)
• ADAS: Alzheimers Disease Assessment Scale (1993)
• LPS 50+: Leistungsprüfsystem für 50-90jährige (1993)
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• NAI: Nürnberger-Alters-Inventar (1995)
7
5.9 Geriatrische Störungen sowie Organische, einschließlich symptomatischer psychischer Störungen
Geriatrische Störungen: Verlauf, Prognose, Behandlung
• Beginn und Verlauf
– Beginn: können prinzipiell in jedem Alter beginnen, das Erkrankungsrisiko
nimmt aber im Erwachsenenalter und höheren Alter zu
– Verlauf: können sowohl progredient oder irreversibel als auch vorübergehend
und gut behandelbar sein
• Behandlung
– in der Regel medizinische (Op., Pharmaka) und psychosoziale (etwa Familienbetreuung), neuropsychologische (etwa kognitive Trainings) bzw. psychotherapeutische Kombinationsbehandlung
– Pharmakabehandlung
• Demenzen
– kein hinreichenden Effektnachweise für Nootropika (Nimodipin®, Ginkgo®)
– ggfs. symptomatische Therapie bei Unruhezuständen mit niedrigdosierten Neuroleptika
– Sedative und Hypnotika sind kontraindiziert
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• vaskuläre Demenz: konsequente Behandlung der Risikofaktoren (z.B. arterieller
Hypotonus) zur Progredienz-Verhinderung
• Multiinfarkt-Demenz: Rezidivprophylaxe mit Acetylsalicylsäure
• Morbus Alzheimer: Verbesserung der kognitiven Leistung durch Antidementia
Donepezil (Aricept®) und Galantamin nachgewiesen
• organisches anamnestisches Syndrom, Delir, andere organische Störungen: kausale
Therapie der organischen Grunderkrankung und ggfs. symptomatische
Pharmakabehandlung
=> ff
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5.9 Geriatrische Störungen sowie Organische, einschließlich symptomatischer psychischer Störungen
Geriatrische Störungen: Verlauf, Prognose, Behandlung
• Beginn und Verlauf: s.o.
• Behandlung ff
– in der Regel Kombinationsbehandlung: s.o.
– Pharmakabehandlung: s.o.
– Psychotherapie, psychosoziale Betreuung, spezifische Trainings
• Psychoedukation von Angehörigen
• psychosoziale Betreuung, ambulante Hilfsdienste, ggfs. Anregung einer
gesetzlichen Betreuung
• neuropsychologische Funktionstrainings
• begleitende Psychotherapie (vor allem bei Persönlichkeits- und
Verhaltensstörungen aufgrund einer organischen Erkrankung)
– widersprüchliche Befunde zu Effekten spezifischer Maßnahmen (wie
Verhaltenstherapie, Musiktherapie, biographische Reminiszenztherapie) bei
Demenz
• Verhaltenstherapeutisches Kompetenztraining (VKT) für Einzel- und
Gruppenarbeit mit 40 Übungsblöcken á 50 Min in 6 Blöcken
–
–
–
–
–
–
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Verhaltensanalyse und Therapieplanung
Information und Psychoedukation
Aktivitätsaufbau und Tagesstrukturierung
Stressmanagement
Förderung sozialer Kompetenzen
Modifikation dysfunktionaler Annahmen/Überzeugungen
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5.9 Geriatrische Störungen sowie Organische, einschließlich symptomatischer psychischer Störungen
Geriatrische Störungen: Ätiologisches
1. Biologischer und medizinischer Alternsbegriff
• Altern beginnt nach der vollständigen Entwicklung des Organismus
– wird zumeist auf sexuellen Reifestand des Organismus festgelegt
• Altern als irreversibler, unidirektionaler Prozess auf der Ebene der
Körperzellen und Körperorgane
2. Psychologischer Alternsbegriff
• Altern als interindividuell variabler, nicht-linearer, nicht-gleichförmiger
Prozess der Veränderung als Funktion der Altersvariable
• Altern ist – wie jede psychologische Entwicklung – mit Entwicklungsverlusten (Einbußen) und Entwicklungsgewinnen verbunden
3. Soziologischer Alternsbegriff
• Altern als „soziales Schicksal“ unter den Aspekten normativer (kulturgebundener) kritischer Lebensereignisse sowie sozialer Alterns- und
Altersstereotype (Rollenwechsel)
• gefahrvolle gesellschaftliche Kombination von „Altersstarrsinn“ und
„Jugendwahn“
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5.9 Geriatrische Störungen sowie Organische, einschließlich symptomatischer psychischer Störungen
Geriatrische Störungen: Ätiologisches - Altern als biologischer Prozess
• biologisches Altern beginnt nach der vollständigen Entwicklung des
Organismus
– wird zumeist auf sexuellen „Reifestand“ festgelegt
• biologisches Altern = irreversibler, unidirektionaler, unvermeidbarer
Prozess (auf Zell- und Organebene) auf genetischer Basis
• Alternsgen-Hypothese: genetisch determinierte maximale
Lebenserwartung
– Maximalwert beim Menschen: ca. 110-115 Jahre
– indiv. Lebenserwartung: 110-115 Jahre minus indiv. Faktor X
– X = Krankheiten, Unfall, Risikoverhaltensweisen etc.
• biologische Alternstheorien
– Prototypischer Befund zur Zunahme in der Häufigkeit dementieller
Erkrankungen mit dem Alter (Häfner, 1986; Wiese, 1994)
gkrampen
11
5.9 Geriatrische Störungen sowie Organische, einschließlich symptomatischer psychischer Störungen
Drei Phasen der Forschung nach Birren (1961):
(1) 1835-1918: erste unsystematische, anekdotische Alters- und
Alternsbeschreibungen (z.B. Quetelet, 1905)
(2) 1920-1940: erste systematische Studien/Analysen (z.B. Charlotte
Bühler, 1933)
(3) 1945ff: Zunahme konzeptueller und empirischer Beiträge (z.B.
Erikson, 1950; Cumming & Henry, 1961; Tartler, 1961;
Havighurst, 1968)
dann ab ca. 1970
Starke interdisziplinäre Expansion der gerontopsychologischen und
geriatrischen Forschung durch demographische Entwicklung in den
Industriestaaten
Demographische „Alterspyramide“ wird zur „Alterspappel“
oder gar zum „Alterspilz“ aufgrund
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(1) höherer Lebenserwartungen und
(2) geringerer Geburtenraten
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5.9 Geriatrische Störungen sowie Organische, einschließlich symptomatischer psychischer Störungen
Konsequenzen der demographischen Zeitenwende...
(nach Birg, 2001; Miegel, 2002; Seibt, 2002)
demographische Zeitenwende: Fakten
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sichere Prognosen für 2040 (aufgrund langfristiger biol. Rhythmen)
– mehr als jeder 2. Erwachsener > 55 Jahre
– BRD: 8 Millionen über 80jährige und 1,4 Millionen über 90jährige
– Relation Anzahl 20- bis 60jähriger zu der Anzahl der über 60jährigen
• 1960 100:31; 2002 100:43; 2040 100:86
ohne Katastrophen und Kriege werden wir die älteste Gesellschaft, die
jemals auf Erden gelebt hat
auch Massen-Immigration wird daran wenig ändern (zumal auch viele
andere Länder betroffen sind)
Historiographischer Begriff der „alternden Epochen“ passt nicht
– Spätantike und Spätmittelalter waren besonders „junge“ Epochen
• Seuchen, Massenepidemien führten zu massiver Verjüngung, da die
Alten und Schwachen starben und die Jungen über ein Übermaß an
Kapital, Land und Immobilien verfügten
• „vitale Boom-Zeiten“ mit hoher Wertschätzung der Erfahrungen
und Weisheit der wenigen Alten (= knappe Ressource)
ff
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5.9 Geriatrische Störungen sowie Organische, einschließlich symptomatischer psychischer Störungen
Konsequenzen der demographischen Zeitenwende...
(nach Birg, 2001; Miegel, 2002; Seibt, 2002) ff
•
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•
Zusammenbruch des bestehenden Renten- und Krankenversicherungssystems
soziale Konflikte aufgrund materieller Belastungen der Jungen (Steuerlasten,
Besitzstandsdenken und Immobilität der Alten)
Konsumverhalten: Apotheken, Drogerien, Reformhäuser werden zunehmen
Dienstleistungen werden ein knappes Gut und werden prosperieren (Betreutes
Wohnen, Pflegeheime, Entrümpelungsunternehmen, Bestattungsinstitute)
Alte werden zur dominierenden Zielgruppe der Massenmedien und Werbung
Freizeitbereich und Tourismus wird sich umstrukturieren
soziale Unterschiede nehmen zu, da Kapital + Immobilien ihren Wert verlieren
soziale Isolation vieler alten Singles und Witwen/Witwern
Konservatismus (der Angst) und Sicherheitsdenken werden Politik dominieren
und gesellschaftliche Fortschritte hemmen
die Jungen werden die Alten nicht lieben, weil „Vergangenheit nicht vergehen und
die Zukunft sich nicht einstellen wollen“ (Seibt, 2002)
grausame oder geschmacklose Altenwitze werden zunehmen
„Wer wird uns anlächeln, wenn wir achtzig sind?“ (Seibt, 2002)
„Wir werden die Welt hässlich machen, wenn wir lebensgierige alte Säcke
geworden sind.“ (Seibt, 2002)
gkrampen
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5.9 Geriatrische Störungen sowie Organische, einschließlich symptomatischer psychischer Störungen
Entwicklungsintervention in der Gerontopsychologie
Exemplarisches => kognitiver Bereich
Kognitive Trainingsprogramme
• Erster (Haupt-)Schwerpunkt der Interventionsgerontologie
• Setting: Kleingruppe oder Einzelsetting
• zumeist personzentrierte und ereignisunspezifische kognitive
Trainings
• relativ „leicht“ zu evaluieren
– spezifische Testaufgaben (NAI; Intelligenz-, Gedächtnis- und
Konzentrationstests)
– Transferproblematik
• theoretische Basis ist recht häufig das Defizitmodell des Alterns
• (globales) Ziel: Prävention antizipierter oder Kompensation
manifester kognitiver Leistungseinbußen
• z.T. als „Gehirn-Jogging“ o.ä. angeboten
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5.9 Geriatrische Störungen sowie Organische, einschließlich symptomatischer psychischer Störungen
Entwicklungsintervention in der Gerontopsychologie
Exemplarisches => kognitiver Bereich
z.B. ADEPT: Adult Development Enrichment Projekt / Philadelphia
(Baltes & Willis, 1982; Baltes, 1984)
• theoretische Baisis: Theorie der kristallisierten und fluiden Intelligenz (Cattell
& Horn)
• Ziel: Steigerung der intellektuellen Performanz Älterer auf der Basis der
Annahme, dass deren kognitive Performanz eine Unterschätzung ihres
Potentials ist
• Methoden
– Gruppe I (Kontrolle): wiederholte I-Testdurchführungen (8 x 1 Std.)
– Gruppe II: personzentriertes, ereignisunspezifisches kognitives Training von drei
Primärfaktoren der fluiden I. (figurales und induktives Denken, Aufmerksamkeit/
Gedächtnis) in 8 x 1 Stunde (über Üben ähnlicher Aufgaben und Erklären der
Aufgabenstruktur)
– N = 62 62- bis 84jährige
– AV: Intelligenztestbatterie zu (trainierten) Skills sowie zu ähnlichen Skills
(Transfer?) vor sowie nach und 6 Monate nach dem Training
•
Befunde:
–
–
–
–
•
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leichte Leistungssteigerungen in Gruppe I (Retest-Effekte)
alle Testleistungen wurden in Gruppe II bedeutsam verbessert
deutlichste Effekte beim figuralen Denken, hier auch Transfer
geringste Effekte beim induktiven Denken, hier geringer Transfer
Replikation durch Dittmann-Kohli (1983) bei älteren Deutschen:
– bessere Resultate (vor allem in Aufmerksamkeit/Gedächtnis) nach 10 x 1 Std.
– Effekte blieben eng auf Trainingsinhalte begrenzt; keine Transfereffekte
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5.9 Geriatrische Störungen sowie Organische, einschließlich symptomatischer psychischer Störungen
Entwicklungsintervention in der Gerontopsychologie
Exemplarisches => kognitiver Bereich
z.B. Mnemotechnisches Trainingsprogramm (Poon et al., 1980)
• theoretische Basis: duale Kodierungstheorie (Paivio)
• Ziel: Verbesserung von Gedächtnisleistungen für verbales Material
• Training: Generierung geeigneter Vorstellungsbilder zu verbalem
Lernmaterial
• Befunde
– uneindeutige Effekte
– affektive Zustände und Persönlichkeitsmerkmale moderieren
Trainingseffekte sehr stark, weswegen für starke Individualisierung
von gerontopsychologischen Trainings plädiert wird
– testpsychologisch und inferenzstatistische nachgewiesene positive
Effekte wurden von den Probanden, bei denen sie auftraten, subjektiv
nicht erkannt/berichtet
gkrampen
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5.9 Geriatrische Störungen sowie Organische, einschließlich symptomatischer psychischer Störungen
Entwicklungsintervention in der Gerontopsychologie
Exemplarisches => kognitiver Bereich
z.B. Problemlösestrategie-Training (Labouvie-Vief & Gonda 1976)
• theoretische Basis: Selbstmanagement-Theorie und
Selbstinstruktionstraining (nach Meichenbaum)
• Ziel: Verbesserung des Problemlösens in Alltagssituationen
• Methoden
– Gruppe 1: Training des gezielten Einsatzes von Selbstinstruktionen
(kognitive Prothesen) über Modell-Lernen beim Problemlösen: Bewältigung
neuer Situationen, Technik, Technologie
– Gruppe 2: unspezifischen Üben/Ausprobieren der Aufgaben
– Gruppe 3: Kontrollgruppe mit anderen, irrelevanten Aufgaben
– Probanden: ältere Frauen
– AV: induktives Denken (als Facette der fluiden Intelligenz) und Raven
Matrices
•
Befunde
– Gruppen 1 und 2 zeigten Verbesserungen im induktiven Denken und im
Raven (= Transfer), Gruppe 3 nicht
– Problem: geringe ökologische Validität der AVs
z.B. Nürnberger kognitives und körperliches Training(Oswald 1990)
• Kombinationseffekte signifikant größer als Einzeleffekte
gkrampen
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5.9 Geriatrische Störungen sowie Organische, einschließlich symptomatischer psychischer Störungen
Entwicklungsintervention in der Gerontopsychologie
Exemplarisches => Bereich Sozialverhalten
Social Skills / Social Competences / Assertiveness Trainings
•
•
•
•
•
•
gkrampen
Zweiter Schwerpunkt der Interventionsgerontologie
Trainings im Kleingruppen-Setting
zumeist personzentrierte und ereignisunspezifische Trainings des
Sozialverhaltens
theoretische Basis: meist gering; häufig an Defizitmodell oder Variante
der Aktivitätstheorie des Alterns orientiert
(globales) Ziel: Prävention und/oder Kompensation antizipierter/
bestehender Isolation und sozialen Rückzugverhaltens
bislang keine Befunde, die auf Altersspezifität der Trainings und ihrer
Effekte verweisen
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5.9 Geriatrische Störungen sowie Organische, einschließlich symptomatischer psychischer Störungen
Entwicklungsintervention in der Gerontopsychologie
Exemplarisches => Bereich Sozialverhalten
z.B. Soziales Kompetenztraining (Rupp, 1984)
• theoretische Basis: Selbstmanagement-Theorie und Selbstinstruktionstraining (sensu Meichenbaum)
• Ziel: Verbesserung der „sozialen Kompetenzen“ allein lebender älterer
Frauen
• Methoden
– Gruppe 1: Training des gezielten Einsatzes von Selbstinstruktionen und
Selbstverbalisierungen in Kombination mit Rollenspielen (strukturiertes
Training)
– Gruppe 2: reines Verhaltenstraining (VT ohne Selbstregulationsübungen)
– Gruppe 3: freier Gesprächskreis
– Gruppe 4: reine Kontrollgruppe
– AV: Fragebogen vor sowie nach und 3 Monate nach Training
•
Befunde
– Reduktion von Selbstunsicherheit und Ängstlichkeit in Gruppen 1 und 2, nicht
in Gruppen 3 und 4
– Kombinationstraining (Gruppe 1) ist effektiver als reines VT-Training (2)
– Effekte sind katamnestisch stabil
gkrampen
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5.9 Geriatrische Störungen sowie Organische, einschließlich symptomatischer psychischer Störungen
Entwicklungsintervention in der Gerontopsychologie
Exemplarisches => Bereich Sozialverhalten
z.B. Asserti-Care-Program (Hudson, 1983)
• theoretische Basis: unklar
• Ziel: Verbesserung der Selbstsicherheit von Älteren
• Methoden
– Gruppe 1: 6 x 2 Std. Gruppentraining zu assertivem Verhalten in
fiktiven Situationen über Rollenspiele und Hausaufgaben zur
Ausführung des Gelernten im Alltag
– Gruppe 2 (K1): 6 Gruppensitzungen ohne spezifische Inhalte
– Gruppe 3 (K2): Warte-Kontrollgruppe
– Ältere (M = 73 Jahre)
– AV: Fragebogen vor sowie nach und drei Wochen nach Training
• Befunde
– signifikante Effekte nur in Gruppe 1 auf Selbstsicherheit, Selbstwertgefühl, Internalität und (reduzierte) Externalität in
Kontrollüberzeugungen
– Effekte sind drei Wochen nach Training stabil
• Replikation der Befunde in zweiter Studie (M = 65jährige)
gkrampen
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5.9 Geriatrische Störungen sowie Organische, einschließlich symptomatischer psychischer Störungen
Entwicklungsintervention in der Gerontopsychologie
Exemplarisches => Bereich Gesundheits- und Bewältigungsverhalten
Gruppentrainings zum Gesundheits- und Bewältigungsverhalten
• dritter Schwerpunkt der Interventionsgerontologie
• zumeist personzentrierte und ereignisunspezifische, z.T. auch
ereignisspezifische Trainings
• theoretische Basis
– aktionale Perspektive in der Entwicklungspsychologie
– Theorien zum Gesundheitsverhalten
– kritische Lebensereignis- und Bewältigungsforschung
•
(globale) Ziele
– Prävention und/oder Kompensation antizipierter oder bestehender
Belastungen und gesundheitlicher Probleme
– „Stressimpfung“ (Immunisierung für Stress und Aufbau adäquater CopingStrategien)
•
gkrampen
bislang wenig Befunde, die auf Altersspezifität der Trainings und ihrer
Effekte verweisen
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5.9 Geriatrische Störungen sowie Organische, einschließlich symptomatischer psychischer Störungen
Entwicklungsintervention in der Gerontopsychologie
Exemplarisches => Bereich Gesundheits- und Bewältigungsverhalten
z.B. Vorbereitung auf Ruhestand (Glamser & Dejong, 1975)
• theoretische Basis: Aktivitätstheorie, implizit: aktionale Entwicklungsperspektive
• Ziel: Verbesserung des Übergangs in den Ruhestand bei Industriearbeitern
• Methoden
– Gruppe I: 8 Sitzungen mit Experten-Info. und Gruppendiskussionen
über Finanzen im Ruhestand, Rente, Freizeitverhalten,
Familiensituation etc.
– Gruppe II: individuelle Info. durch Personalbüro und Broschüren
– Gruppe III: nichts
• AVs/Befunde:
– Gruppe I war im Wissen/Info. über Ruhestand überlegen
– Checkliste zur persönlichen Vorbereitung auf Ruhestand: Gruppe I
deutlich höhere Werte
– Selbsteinschätzung der persönlichen Vorbereitung auf Ruhestand in
Gruppe I besser
– keine Unterschiede in auf den Ruhestand bezogenen Einstellungen
gkrampen
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5.9 Geriatrische Störungen sowie Organische, einschließlich symptomatischer psychischer Störungen
Entwicklungsintervention in der Gerontopsychologie
Exemplarisches => Bereich Gesundheits- und Bewältigungsverhalten
z.B. Intervention bei Partnerverlust (Lieberman, 1984)
• theoretische Basis: Phasenmodell des Trauerns, Coping-Modelle
• Ziel: Verbesserung des Trauerprozesses
• Angebot an Witwer und Witwen für 1 Jahr teilzunehmen an:
– Selbsthilfegruppe (50% Akzeptanz)
– Einzelpsychotherapie (28% Akzeptanz)
– weder noch (22%)
– zusätzlich reine Kontrollgruppe (KG) ohne Partnerverlust
• Vortest: Verwitwete weisen im Vergleich zur KG deutlich erhöhte Werte
in Depressivität sowie reduzierte Werte im Selbstwert und in der
Befindlichkeit auf
• Nachtest: nur bei den Teilnehmern an den Selbsthilfegruppen zeigten sich
positive Effekte, nicht dagegen bei den Therapiepatienten
gkrampen
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5.9 Geriatrische Störungen sowie Organische, einschließlich symptomatischer psychischer Störungen
Entwicklungsintervention in der Gerontopsychologie
Exemplarisches => Bereich Gesundheits- und Bewältigungsverhalten
Untersuchungsbeispiel [Krampen (1996), Swiss JP, 32(2), 55, 227-240]
z.B. Gruppentraining zur Systematischen Selbstbeobachtung und
Reflexion eigenen Gesundheitsverhaltens (SySeRe-Programm;
Krampen, 1994, 1996)
• theoretische Basis: aktionale Entwicklungspsychologie, Theorien zum
Gesundheitsverhalten und kognitive Verhaltensmodifikation
• hohe Akzeptanz bei Älteren in der offenen Gemeindearbeit
• positive Effekte auf
– entwicklungsbezogene Emotionen
– Selbstwirksamkeitsüberzeugungen
– Gesundheitsbezogene Einstellungen und selbstberichtetes
Gesundheitsverhalten
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