Charakteristika von Wahn und Halluzinationen

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UNIVERSITÄTSKLINIKUM HAMBURG-EPPENDORF
Aus der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf
Direktor: Prof. Dr. D. Naber
„Charakteristika von Wahn und Halluzinationen - ein Vergleich
zwischen schizophrenen Patienten mit und ohne interpersonalen
Traumatisierungen in der Kindheit“
Dissertation
zur Erlangung des Grades eines Doktors der Medizin
an der Medizinischen Fakultät der Universität Hamburg.
vorgelegt von:
Svenja Ehlers
aus Hamburg
Hamburg, 2010
Angenommen von der
Medizinischen Fakultät der Universität Hamburg am:
Veröffentlicht mit Genehmigung der
Medizinischen Fakultät der Universität Hamburg.
Prüfungsausschuss, der/die Vorsitzende:
Prof Dr. med. D. Naber
Prüfungsausschuss, zweite/r Gutachter/in: PD Dr. med. A. Karow
Prüfungsausschuss, dritte/r Gutachter/in:
PD Dr. med. J. Reimer
Abstract
Ziel der Arbeit: Wiederholt wurde berichtet, dass frühe Traumatisierungen, wie
sexueller Missbrauch und körperliche Misshandlung, Zusammenhänge mit sog.
“Positivsymptomen” bei psychotischen Patienten zeigten. Dies betraf etwa Art und
Inhalt von akustischen Halluzinationen oder Wahn. Die bisherigen Studien wurden
allerdings an wenig repräsentativen, diagnostisch inhomogenen Stichproben
durchgeführt, die neben Patienten mit “F2-Störungen” (nach ICD-10) auch solche mit
anderen psychotischen Syndromen einschlossen.
Methode: Auf einer offenen Psychosestation wurden insgesamt 111 Patienten im
Alter von 18-60 Jahren mit der ICD-10 Diagnose einer „F2-Störung“ (F20-F29)
anhand des „Strukturierten Traumainterview“ (STI) zu sexuellem Missbrauch und
physischer Misshandlung vor dem 16. Lebensjahr befragt. Weiter wurden Art und
Inhalt von psychotischen Symptomen (Ich-Störungen, Halluzinationen und
Wahninhalte) anhand verschiedener strukturierter Instrumente erfasst.
Ergebnisse: Sexueller Missbrauch und/oder körperliche Misshandlung wurden von
33,3% (N=37) der interviewten Patienten berichtet. Traumatisierte Personen mit
Stimmenphänomenen litten signifikant häufiger unter negativen Stimmen mit
entwertenden Inhalten als nichttraumatisierte Personen mit Stimmenphänomenen
(85% vs. 51%, p=0,01) und fühlten sich den Stimmen gegenüber signifikant häufiger
„machtlos“ (100% vs. 78%, p=0,04). In Bezug auf weitere Charakteristika
psychotischer Positivsymptome, etwa Wahninhalte, fanden sich keine Unterschiede.
Schlussfolgerung: In der vorliegenden Untersuchung konnten Zusammenhänge
zwischen Traumatisierungen und „Positivsymptomen“ insbesondere in Bezug auf
akustische Halluzinationen bestätigt werden. Künftige Studien sollten die klinischen
Auswirkungen dieser Zusammenhänge weiter untersuchen. Aufgrund der großen
Häufigkeit traumatischer Erfahrungen bei stationär behandelten Patienten mit F2Störungen erscheint es notwendig, traumatische Erlebnisse systematisch zu
explorieren und bei der Gestaltung individueller Therapiepläne zu berücksichtigen.
Meinen Eltern
Inhaltsverzeichnis
1.Einleitung ......................................................................................... 4
1.1 Problemstellung ........................................................................................ 4
1.2 Theoretischer Hintergrund......................................................................... 5
1.2.1 Kindliche interpersonelle Traumatisierungen...................................... 5
1.2.2 Traumatisierungen bei Patienten mit psychotischen Erkrankungen . 10
1.2.2.1 Traumatisierungen als ätiologischer Faktor................................ 10
1.2.2.2 Prävalenzraten von Traumatisierungen bei psychotischen
Patienten................................................................................................ 12
1.2.3 Zusammenhänge mit der Symptomatik ............................................ 14
1.2.3.1 Psychotische „Positivsymptome“................................................ 15
1.2.3.2 Inhalte von Halluzinationen und Wahn....................................... 18
1.2.3.3 Positivsymptomatik oder intrusives Wiedererleben? .................. 21
1.2.3.4 „Pseudohalluzinationen“ bei psychotischen Patienten ............... 24
1.3 Ziele der Arbeit........................................................................................ 26
1.4 Fragestellungen und Hypothesen ........................................................... 27
2. Methode........................................................................................ 29
2.1 Wahl des Forschungsdesigns ................................................................. 29
2.2 Wahl des Datenerhebungsverfahrens..................................................... 29
2.3 Konzeptualisierung der Merkmalsbereiche ............................................. 30
2.4 Operationalisierungen ............................................................................. 31
2.4.1 Soziodemographische Daten............................................................ 31
2.4.2 Potentiell traumatische Erlebnisse im Kindesalter ............................ 31
2.4.3 Psychopathologie ............................................................................. 34
2.4.3.1 Diagnose nach ICD-10............................................................... 34
2.4.3.2 Psychosesymptomatik ............................................................... 35
1
2.5 Stichprobenansatz................................................................................... 38
2.6 Ethische Aspekte .................................................................................... 38
2.7 Vorgehen bei der Datenerhebung ........................................................... 39
2.8 Auswertungsverfahren ............................................................................ 41
3. Ergebnisse.................................................................................... 43
3.1 Art der Ergebnisdarstellung..................................................................... 43
3.2 Darstellung der Stichprobe...................................................................... 43
3.2.1 Stichprobengröße und Teilnehmerquote .......................................... 43
3.3 Ergebnisse der einzelnen Merkmalsbereiche.......................................... 44
3.3.1 Soziodemographische Daten............................................................ 44
3.3.2 Potentiell traumatische Erlebnisse im Kindesalter ............................ 47
3.3.3 Psychopathologie ............................................................................. 49
3.3.3.1 Diagnose nach ICD-10............................................................... 49
3.3.3.2 Psychotische Symptome............................................................ 49
3.3.3.2.1 Symptomatik anhand der PANSS........................................ 49
3.3.3.2.2 Stimmenphänomene ........................................................... 50
3.3.3.2.3 Weitere Halluzinationen....................................................... 54
3.3.3.2.4 Wahnerleben ....................................................................... 55
3.3.3.2.5 Subjektiver Zusammenhang zwischen Psychose und
Traumatisierung im Kindesalter.......................................................... 56
3.4 Exkurs ..................................................................................................... 57
3.5 Zusammenfassung der Ergebnisse......................................................... 58
4. Diskussion .................................................................................... 61
4.1 Diskussion der gewählten Methodik........................................................ 61
4.1.1 Vorgehen bei der Datenerhebung..................................................... 61
4.1.2 Untersuchte Stichprobe .................................................................... 62
2
4.2 Diskussion der Befunde .......................................................................... 64
4.2.1 Potentiell traumatische Erlebnisse im Kindesalter ............................ 64
4.2.2 Psychosesymptomatik ...................................................................... 64
4.3 Zusammenfassende Diskussion und Ausblick ........................................ 68
5. Literatur......................................................................................... 69
6. Anhang ......................................................................................... 85
Danksagung .................................................................................................. 85
Lebenslauf..................................................................................................... 86
Eidesstattliche Versicherung:........................................................................ 87
3
1.Einleitung
1.1 Problemstellung
Die Bedeutung traumatischer Erlebnisse für psychotische Erkrankungen wurde in
den vergangenen Jahrzehnten vielfach untersucht und diskutiert. So setzte sich
eine wachsende Zahl wissenschaftlicher und klinischer Aktivitäten mit der
Fragestellung auseinander, inwiefern traumatische Erlebnisse eine ätiologische
Rolle bei psychotischen Erkrankungen spielen. Im Sinne einer Erweiterung des
gängigen Diathese-Stress-Modells gehen verschiedene Autoren davon aus, dass
Traumatisierungen einen entscheidenden Anteil an der Entstehung von
Vulnerabilitäten haben könnten, die das Auftreten späterer psychotischer
Erkrankungen fördern (Mueser et al., 2002; Read et. al., 2001). Die Studien zu
Traumatisierungen bei psychiatrisch erkrankten Personen belegen, im Vergleich
zur Allgemeinbevölkerung, deutlich erhöhte Prävalenzraten dieser Erlebnisse.
Auch für Patientinnen und Patienten mit psychotischen Erkrankungen konnte
gezeigt werden, dass diese im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung signifikant
häufiger chronischen sexuellen Missbrauch oder chronische physische
Misshandlung in ihrer Kindheit erlebten (Leverich et al., 2002; Scheller Gilkey et
al., 2004; Schenkel et al., 2005; Read et al., 2005). Erste Studien zu klinischen
Korrelaten von Traumatisierungen weisen darauf hin, dass im Hinblick auf die so
genannten “Positivsymptome” qualitative Unterschiede zwischen psychotischen
Patienten1 mit und ohne Traumatisierungen in der Anamnese bestehen
(Bebbington et al., 2004; Janssen et al., 2004). Dies betraf insbesondere Art und
1
In den gesamten folgenden Abschnitten der Arbeit wurde sowohl für
Patientinnen und männliche Patienten die zusammenfassende Formulierung
„Patienten“ verwendet um für den Leser einen flüssigeren Schreibstil zu
gewährleisten. Zur Differenzierung des Geschlechts wurden gegebenenfalls die
Formulierungen „Patientinnen“ bzw. „weibliche Patienten“ und „männliche
Patienten“ benutzt.
4
Inhalt von akustischen Halluzinationen, sowie Wahninhalte. Die bisherigen
Studien wurden allerdings an wenig repräsentativen, diagnostisch inhomogenen
Stichproben durchgeführt, die neben Patienten mit “F2-Störungen” (nach ICD-10)
auch solche mit anderen psychotischen Syndromen einschlossen und wenig
Befunde zur qualitativen Symptomatik lieferten.
1.2 Theoretischer Hintergrund
1.2.1 Kindliche interpersonelle Traumatisierungen
Die Entwicklungspsychopathologie weist darauf hin, dass bei der Entwicklung
psychischer Störungen unterschiedliche biologische und psychosoziale
Entwicklungseinflüsse eine Rolle spielen mit komplexen Interaktionen zwischen
den individuellen Entwicklungs- und Verhaltensbereitschaften und den
Einflüssen der Umwelt. Bei der Entwicklung von psychischen Störungen wird auf
psychosozialer Ebene insbesondere chronischen ungünstigen
Entwicklungseinflüssen wie wiederholten traumatischen Erfahrungen große
Bedeutung zugeschrieben (Hordvik, 1997). Besonders interpersonelle
traumatische Konstellationen sind als nachhaltig schädigende
Entwicklungseinflüsse anzusehen, die besonders die Entwicklung elementarer
psychischer Funktionen beeinflussen (Resch, 1996, S.191 ff.). Eine
entscheidende Bedeutung in Hinblick auf Risikokonstellationen für die
Entwicklung psychischer Störung bzw. deren direkter Entstehung wird deshalb
den verschiedenen Formen kindlicher interpersoneller Traumatisierung und
ihrem Zusammenwirken zugeschrieben (Kendler et al., 2000). Interpersonelle
Traumatisierungen im Kindes- und Jugendalter betreffen dabei hauptsächlich die
verschiedenen Formen kindlicher Misshandlung und Vernachlässigung,
zusätzlich jedoch auch Gewalt im näheren Lebensumfeld (Margolin & Gordis,
2000). Vernachlässigung kann dabei einerseits die physischen Bedürfnisse eines
Kindes betreffen, andererseits auch als emotionale Vernachlässigung, also ein
mangelndes Eingehen auf affektive Bedürfnisse des Kindes, auftreten. In der
Kindheit und Jugend besteht eine erhöhte Verletzlichkeit für traumatisierende
Erlebnisse, da Kinder zunächst nur eine unzureichend ausgebildete Fähigkeit zur
5
Realitätsprüfung und Antizipation besitzen, was einen Mangel an zur Verfügung
stehenden Strukturen der Traumaverarbeitung bedeutet (Diepold, 1998).
Die verschiedenen Formen kindlicher Misshandlung überlappen häufig. So
kommt es häufig zu einem gemeinsamen Auftreten von physischer
Misshandlung und emotionaler Misshandlung oder Vernachlässigung (Kaplan et
al., 1999). Sexuelle Misshandlung kann zugleich aufgrund der körperlichen
Begleitumstände Elemente physischer Misshandlung besitzen oder tritt in
Zusammenhang mit physischer und emotionaler Misshandlung auf (Ogata et al.,
1990; Bifulco et al., 1991; Mullen et al., 1993). Muenzenmaier et al. (1993)
fanden unter Opfern mit einer traumatischen sexuellen Erfahrung im Vergleich zu
Patienten ohne kindliche Traumatisierung ein fünfmal größeres Risiko, auch eine
physische Misshandlung erlebt zu haben. Aufgrund dieser häufigen
Überlappungen lassen sich spätere Folgen auch nicht eindeutig bestimmten
Formen kindlicher Traumatisierung zuordnen. Da ein nicht unerheblicher Teil der
Opfer kindlicher Traumatisierungen im Erwachsenenalter keine negativen Folgen
aufweist, ist anzunehmen, dass noch andere Faktoren, wie z.B. bestehende
vertrauensvolle Beziehungen, in diesem Zusammenhang eine bedeutsame Rolle
spielen.
Die Definitionen der unterschiedlichen Formen interpersoneller
Traumatisierungen sind nicht einheitlich. So existiert etwa für den Begriff des
sexuellen Missbrauchs an Kindern keine allgemein gültige Definition. Dies ist
schon bei den unterschiedlichen gebräuchlichen Begriffen erkennbar, wie z.B.
sexueller Missbrauch, sexuelle Gewalt, sexuelle Ausbeutung oder Inzest. Der
häufigste und deshalb auch hier im Folgenden benutzte Begriff ist der des
sexuellen Missbrauchs. Die große Anzahl der vorhandenen Definitionen lässt
sich jedoch nach verschiedenen Systemen einteilen, z.B. in „enge“ und „weite“
Definitionen. „Enge“ Definitionen beinhalten zumeist körperlichen Kontakt
zwischen Täter und Opfer, wie oralen, analen und genitalen Geschlechtsverkehr.
„Weite“ Definitionen beschreiben das Phänomen des sexuellen Missbrauchs in
seinem gesamten Umfang, d.h. sie schließen auch geschlechtliche Handlungen
ohne Körperkontakt, z.B. Belästigung, Exhibitionismus, Anleitung zur Prostitution
oder Herstellung von pornographischem Material mit ein.
6
Bezogen auf die unterschiedlichen Definitionen ist man sich in dem Kriterium
einig, dass alle durch Drohungen oder körperliche Gewalt erzwungenen
„sexuellen“ Handlungen als sexueller Missbrauch zu definieren sind. In diesem
Zusammenhang wurde u.a. von Bange (2002) kritisch angemerkt, dass Kinder in
Einzelfällen angeben würden, dass sie den Kontakt zum entsprechenden Täter
auch gewollt hätten, dies aber als Abwehrmechanismus zur Bewahrung des
Vertrauens in die Täter zu interpretieren sei. Wie beim sexuellen Missbrauch
besteht auch im Bereich der physischen Misshandlung bisher keine
Einheitlichkeit bezüglich einer internationalen Definition. Goodman et al. (1997)
definiert physische Misshandlung als eine Tätigkeit mit der Intention, dem Kind
schwere Schäden oder Schmerzen zuzufügen, welche wiederholtes Schlagen
(„slap“), Beißen, Treten, die Bedrohung mit einer Waffe oder das Zufügen von
Verbrennungen beinhaltet. Dagegen sieht die Definition von Sedlak & Broadhurst
(1996) physische Misshandlung als gegeben an, wenn Kinder vor dem 18.
Lebensjahr eine Schädigung („harm“) durch Eltern oder elternähnliche Personen
erlebt haben oder durch diese der Gefahr einer Verletzung ausgesetzt worden
sind. Der Bereich der physisch schädigenden Verhaltensweisen schließt neben
einer „aktiven“ Form die physische Vernachlässigung als eine „passive“ Form mit
ein, wofür jedoch ebenfalls bisher keine einheitliche Definition existiert. Klaus
(1980) beschreibt physische Vernachlässigung als einen Mangel an
medizinischer Versorgung, Ernährung und Bildung sowie an emotionaler Pflege
(„lack of stimulative care“) und häuslichem Schutz („lack of environmental care“).
Emotionale Misshandlung wird inzwischen als die am häufigsten auftretende
Form kindlicher Misshandlung beschrieben (Kaplan et al., 1999). Sie tritt dabei
oft in Zusammenhang mit anderen Missbrauchsformen, insbesondere
physischem Missbrauch auf, wird aber auch unabhängig davon angetroffen
(Claussen & Crittenden, 1991). Glaser (2002) beschrieb für diese Form der
Misshandlung eine Kriteriensammlung, die unter anderem eine willentliche
verbale oder non-verbale Verängstigung oder Verletzung des Kindes bzw. der
kindlichen Entwicklung, die Missachtung der kindlichen Individualität sowie das
Versäumen der Unterstützung des Kindes in seiner sozialen Adaption beinhaltet.
Weiterhin lässt sich in vielen der unterschiedlichen Missbrauchsdefinitionen
keine feste Altersgrenze finden. Die Altersgrenze für den Begriff „Kindheit“ reicht
7
in der Literatur von 14 bis 18 Jahren. Hierbei lässt sich diskutieren, inwiefern sich
eine starre Altersgrenze festlegen lässt, da extreme interindividuelle
Entwicklungsunterschiede existieren. Zusammenfassen lassen sich die
unterschiedlichen Definitionen des Missbrauchs als schädigende, sich
wiederholende Eltern-Kind-Interaktionen oder eine unzureichende elterliche
Schutzfunktion mit negativen Auswirkungen auf die psychische Entwicklung des
Kindes.
In einer bundesweiten repräsentativen schriftlichen Befragung von Wetzels
(1997) an über 3000 Personen im Alter von 16-59 Jahren wurden Prävalenzraten
zu kindlichen Gewalterfahrungen erhoben. Dabei wurde sexueller
Kindesmissbrauch als „sexuelle Instrumentalisierung eines Kindes oder
Jugendlichen durch eine erwachsene oder bedeutend ältere Person, bei welcher
der Erwachsene seine Überlegenheit- ungeachtet des Willens oder des
Entwicklungsstandes eines Kindes- im Interesse der Befriedigung seiner
Bedürfnisse nach Intimität oder Macht ausnutzt“ definiert. Es ergaben sich bei
sexuellem Missbrauch inkl. Exhibitionismus Prävalenzraten von 13,8 % für
Frauen und 4,3 % für Männer bis zum 16. Lebensjahr. Sexuellen Missbrauch mit
Körperkontakt bis zum 16. Lebensjahr gaben 8,6% der Frauen und 2,8 % der
Männer an. Außerdem berichteten 12 % der Männer und 10 % der Frauen von
kindlicher physischer Misshandlung im Sinne einer Ausübung von Gewalt durch
Eltern, welche eindeutig das Maß der rechtlichen Grenzen des elterlichen
Züchtigungsrechts überschritten hätte. Diese bestehe in der Zufügung von
körperlichen Schmerzen mit der Absicht oder der Inkaufnahme des Risikos von
körperlichen Verletzungen des Kindes. Bei einer 1998 durchgeführten Studie an
3559 Schülern und Schülerinnen gaben ca. 1 % der Mädchen und Jungen an, in
ihrer Kindheit physische Misshandlung erlebt zu haben (Wetzels, Enzmann &
Pfeifer, 1998).
Während der letzten Jahrzehnte bestätigte eine Vielzahl von Studien, dass
insbesondere frühe interpersonelle Traumatisierung, wie kindlicher sexueller
Missbrauch oder physische Misshandlung, einen Hauptrisikofaktor für die
Entstehung und Aufrechterhaltung psychischer Störungen bilden. Viele Arbeiten
zeigten dabei die unterschiedlichen psychischen Funktionseinschränkungen auf,
die in der Folge dieser Erlebnisse auftreten können (Egle et al., 2000). Kindliche
8
Traumatisierungen können mit einer Vielzahl psychiatrischer Störungen in
Zusammenhang stehen, u.a. affektiven Störungen, Angststörungen,
Essstörungen, Persönlichkeitsstörungen, dissoziativen Störungen,
Abhängigkeitserkrankungen und Psychosen (Mullen et al., 1993; Fergusson et
al., 1996; Kendler et al., 2000; Mac Millan et al., 2001; Nelson et al., 2002;
Janssen et al., 2004). Außerdem können bei psychisch erkrankten Personen mit
einer Traumatisierung im Kindesalter oft eine Reihe zusätzlicher Störungsmuster
wie Substanzabhängigkeit, Somatisierung und selbst verletzendes Verhalten
beobachtet werden (Allen, 2001; Gladstone et al., 2004; Hien & Cohen, 2005).
Die Mehrzahl der Patienten mit kindlichen Traumatisierungen zeigt dabei eine
Kombination der Symptome dieser Störungen und keine spezifische Diagnose,
so dass kein typisches „Traumasyndrom“ abzuleiten ist (Beichtmann et al.,
1992). In Bezug auf die Missbrauchsfolgen existieren Hinweise, dass zum einen
Art und Schwere der kindlichen Misshandlung als auch deren Dauer und
Häufigkeit sowie die Beziehung zum Täter eine Rolle spielen (Kendall & Tackett
et al., 1993).
Außerdem wurde darauf hingewiesen, dass weitere Faktoren und
Lebensumstände für die Entwicklung von psychischen Folgen eine
entscheidende Rolle spielen, da bestimmte Individuen trotz Misshandlung im
Erwachsenenalter wenige negative Folgen aufweisen. Oftmals bestand bei
diesen Individuen in der Vergangenheit oder Gegenwart eine vertrauensvolle
Beziehung zu einem anderen Menschen (Egle et al., 2000).
Bowlby (1975) entwickelte mit seinem bindungstheoretischen Ansatz eine
interessante Theorie zur Verknüpfung von Veranlagung und Umwelt. Nach
Bowlby besteht demnach eine enge kausale Beziehung zwischen den
Erfahrungen einer Person mit ihren Eltern und ihren späteren Fähigkeiten
affektive Bindungen zu entwickeln. Verlaufsstudien konnten belegen, dass
dieses früh erworbene Bindungsverhalten bis ins junge Erwachsenenalter
konstant bleibt und dass ein unsicheres Bindungsverhalten zu affektiven wie
auch kognitiven Defiziten in der Entwicklung führen kann (Esser et al., 1993).
Neben anderen Auswirkungen traumatischer Erfahrungen stellt eine weitere
wichtige Folge kindlicher Misshandlung die gestörte Entwicklung der
Affektregulation dar (Pearlman, 1998; Briere, 2002). Dies beschreibt die
Fähigkeit des Individuums starke, insbesondere negative Affekte zu kontrollieren
9
und auszuhalten. Im Gegensatz zu Kindern mit guter Affektregulation wurden
misshandelte Kinder durch ihre traumatischen Erfahrungen häufig mit
überwältigenden affektiven Anforderungen konfrontiert wie extremer
Vernachlässigung, physischer oder sexueller Misshandlung, welche ihre
natürliche Fähigkeit Affekte zu beherrschen überforderte. Dies kann zu
Störungen der Affektregulation und zur Ausbildung von auf lange Sicht
dysfunktionalen Bewältigungsmechanismen führen, wie Vermeidungsstrategien
oder selbstverletzendem Verhalten.
1.2.2 Traumatisierungen bei Patienten mit psychotischen Erkrankungen
Während der letzten Jahre entwickelte sich eine verstärkte Diskussion bezüglich
der Zusammenhänge zwischen traumatischen Lebensereignissen und
psychotischen Erkrankungen (Read et al., 2005), nachdem Traumatisierungen
und die daraus resultierenden Konsequenzen einen lange vernachlässigten
Faktor bei Patienten mit psychotischen Erkrankungen darstellten (Read & Ross,
2003; Bentall, 2006). So unterscheiden sich betroffene Patienten in vielen
Studien deutlich in Hinblick auf Symptomatik und klinische Verlaufsparameter
von Patienten ohne Traumatisierungen. Darüber hinaus wurde versucht,
ätiologische Modelle psychotischer Störungen zu erstellen, welche Interaktionen
zwischen genetischen und Umweltfaktoren differenzierter zu erfassen
versuchten (Tienari & Wynne, 1994). Die aktuelle Forschung widmet sich dem
Thema unter verschiedenen Gesichtspunkten. Im Folgenden sollen die
verschiedenen Betrachtungsebenen dargestellt und wichtige Befunde
beschrieben werden. Einen Schwerpunkt bildet dabei die psychopathologische
Symptomausprägung von traumatisierten Patienten im Vergleich zu Patienten
ohne Traumatisierung.
1.2.2.1 Traumatisierungen als ätiologischer Faktor
Als eine Erweiterung des gängigen Diathese-Stress-Modells (Walker & Diforio,
1997) wurde von verschiedenen Autoren vorgeschlagen, dass
Traumatisierungen einen entscheidenden Anteil an der Entstehung von
Vulnerabilitäten haben könnten, die zur Entstehung psychotischer Erkrankungen
beitragen (Ellason & Ross, 1997; Read et al., 2001; Mueser et al., 2002).
10
Statistisch unterstützt wird diese Annahme u.a. durch eine große Anzahl von
Untersuchungen, die von hohen Prävalenzraten früherer traumatischer
Erlebnisse, insbesondere kindlichen sexuellen Missbrauchs bei
Psychosepatienten, berichteten (Übersicht bei Read et al., 2005). Weitere
Unterstützung finden mögliche kausale Zusammenhänge durch kürzlich
erschienene bevölkerungsbezogene Studien (Janssen et al., 2004; Spataro et
al., 2004; Whitfield et al., 2005; Lataster et al., 2006; Spauwen et al., 2006;
Shevlin et al., 2007, Bebbington et al., 2004; Scott et al., 2007). In all diesen
Studien wird berichtet, dass Traumatisierungen in Bezug standen zum späteren
Auftreten von psychotischen Syndromen. Diese traten entweder während der
Adoleszenz (Lataster et al. 2006; Spauwen et al., 2006) oder im
Erwachsenenalter auf (Janssen et al., 2004; Bebbington et al., 2004; Whitfield et
al., 2005; Shevlin et al., 2007; Scott, 2007).
Friedman et al. (2002) fanden in einer Stichprobe von ambulanten Patienten,
dass ein signifikant größerer Anteil derjenigen, die als schizophren diagnostiziert
wurden (78%), sexuellen Missbrauch in der Kindheit erlebt hatten, im Vergleich
zu Patienten mit Panikstörungen (26%), Angststörungen (30%) oder schweren
Depressionen (42%).
In einer prospektiven Studie befragten Janssen et al. (2004) 4045 Personen im
Alter zwischen 18 und 64 Jahren im Rahmen der „Netherlands Mental Health
Survey and Incidence Study“ (Nemesis). Es fand sich dabei, dass teilnehmende
Probanden mit Erfahrungen von emotionalem, körperlichem oder sexuellem
Missbrauch vor dem 16. Lebensjahr signifikant häufiger eine Positivsymptomatik
während einer dreijährigen Follow-up Periode entwickelten. Diese Ergebnisse
blieben auch nach Kontrolle potenziell konfundierender Variablen bestehen.
Analysen, die den Schweregrad des Missbrauchs berücksichtigten, offenbarten
eine Dosis-Wirkungs-Beziehung. Bei einer höheren Regelmäßigkeit der
Misshandlungen zeigte sich ein größeres Risiko für die Entwicklung
psychotischer Symptome. Auch andere Studien konnten bezüglich früherer
Traumatisierung und der Entwicklung psychotischer Positivsymptome eine
Dosis-Wirkungs-Beziehung feststellen (Schenkel et al., 2005, Kilcommons et
Morrison, 2005; Lataster et al., 2006). Nur eine Studie (Spataro et al., 2004)
konnte den Zusammenhang zwischen kindlichen Traumatisierungen und
psychotischen Symptomen bislang nicht bestätigen. In dieser prospektiven
11
Erhebung wurden psychotische Symptome nicht häufiger bei Erwachsenen
gefunden, die berichteten in der Kindheit sexuell missbraucht worden zu sein, als
bei anderen Personen. Allerdings wurden bei dieser Studie sowohl von den
Autoren als auch von anderen (Read & Hammersley, 2005) signifikante
Schwachstellen festgestellt.
1.2.2.2 Prävalenzraten von Traumatisierungen bei psychotischen Patienten
Insgesamt zeigen die vorhandenen Studien zu Traumatisierungen unter
psychiatrisch erkrankten Personen im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung
einheitlich hohe Prävalenzraten dieser Erlebnisse. Insbesondere gilt dies für
kindlichen sexuellen Missbrauch und kindliche körperliche Misshandlung. In
einer entsprechenden Übersicht ermittelten Read et al. (2005) gewichtete
Mittelwerte für sexuellen Missbrauch und körperliche Misshandlung im
Kindesalter über 51 Stichproben von Patienten mit psychiatrischen
Erkrankungen. Bei allen hatten mindestens die Hälfte der eingeschlossenen
Patienten psychotische Störungen aufgewiesen und es handelte sich sowohl um
stationäre als auch um ambulant behandelte Patienten. Missbrauchserfahrungen
wurden entweder mit Fragebögen oder strukturierten Interviews erhoben. Aus
dieser Übersicht geht hervor, dass die Mehrheit der weiblichen Patienten (69%)
entweder chronischen sexuellen Missbrauch (48%) oder chronische physische
Misshandlung (48%) in der Kindheit erlebte. Auch die Mehrheit der männlichen
Patienten (59%) waren demnach entweder Opfer von sexuellem Missbrauch
(28%) oder physischer Misshandlung (50%). Von beiden Missbrauchsformen
waren insgesamt 35% der weiblichen Patienten und 20% der männlichen
Patienten in der Kindheit betroffen.
Morgan & Fischer (2007) beschränkten ihre Zusammenfassung von 20 Studien
auf solche, in denen alle Patienten psychotische Störungen aufgewiesen hatten.
In dieser Übersicht war das Auftreten von sexuellem Missbrauch bei weiblichen
Patienten geringfügig niedriger (42% vs. 48%), bei männlichen Probanden
jedoch unverändert (28%). Die Prävalenzraten für körperliche Misshandlung
betrugen 35% für weibliche und 38% für männliche Patienten. Mindestens eine
Form des Missbrauchs (sexuell oder körperlich) wurde unabhängig vom
Geschlecht bei 50% der befragten Patienten gefunden.
12
Einige wenige Studien beinhalten zusätzlich andere Formen des Missbrauchs im
Kindesalter, wie emotionalen Missbrauch und physische Vernachlässigung. In
diesen Studien zeigte sich, dass diese Erfahrungen zusätzlich zu körperlichem
und sexuellem Missbrauch häufig vorlagen (Honig et al., 1998; Holowka et al.,
2003; Compton et al., 2004; Garno et al., 2005; Schenkel et al., 2005).
Beispielsweise litten in einer Studie an stationär behandelten weiblichen
schizophrenen Patienten (Schäfer et al., 2006) 37% unter mindestens
„mittelgradiger bis schwerer“ körperlicher Vernachlässigung in ihrer Kindheit,
40% unter mindestens „mittelgradigem bis schwerem“ emotionalem Missbrauch
und 43% unter mindestens „mittelgradiger bis schwerer“ emotionaler
Vernachlässigung, gemessen anhand des „Childhood Trauma Questionnaire“
(CTQ; Bernstein & Fink, 1998).
Aufgrund vieler Faktoren wie unterschiedlichen Erhebungsmethoden,
uneinheitlichen zugrunde liegenden Definitionen und der Heterogenität der
Stichproben wird die Vergleichbarkeit vieler Studien zu Traumatisierungen bei
Menschen mit psychischen Erkrankungen erschwert. So beeinflussen Faktoren
wie Alter, Herkunft, Religion oder soziale Schicht innerhalb der Stichprobe
signifikant das Ergebnis. Dieser Zusammenhang wird deutlich anhand von
Studien, die Goodman et al. (1995) und Davies-Netzley et al. (1996) bei
obdachlosen Frauen mit „schweren psychischen Störungen“ („severe mental
illness“) durchführten. Verglichen mit den oben erwähnten Studien wiesen diese
die höchsten Prävalenzraten von kindlichem sexuellem Missbrauch und
physischer Misshandlung auf, nämlich 65% und 87% (Goodman et al., 1995),
bzw. 55% und 60% (Davies-Netzley et al., 1996).
Zusammenfassend scheinen obige Befunde zu belegen, dass Personen mit
psychotischen Störungen weitaus häufiger als die Allgemeinbevölkerung Opfer
kindlichen sexuellen Missbrauchs oder physischer Misshandlung waren. Viele
Autoren gehen sogar davon aus, dass die erhobenen Prävalenzraten zu gering
ausfallen. Insbesondere bei männlichen Patienten scheint ein hoher Prozentsatz
von Traumatisierungen nicht berichtet zu werden („underreporting“; Spataro et
al., 2001). Es existieren dabei verschiedene Überlegungen bezüglich der Gründe
der Betroffenen nicht über den Missbrauch zu sprechen, wie Schamgefühle,
Schuld, Angst oder das Bedürfnis den Täter zu schützen (Fergusson et al., 2000;
Della et al., 1990). Ebenso scheinen es viele Betroffene abzulehnen, über
13
belastende Ereignisse zu sprechen um nicht an sie erinnert zu werden (Dill et al.,
1991), insbesondere wenn es sich dabei um Menschen mit psychischen
Erkrankungen handelt. Bezüglich der Reliabilität und Validität von Berichten über
traumatische Ereignisse gibt es insbesondere im Zusammenhang mit
psychiatrischen Erkrankungen immer wieder kontroverse Diskussionen. Ein
Hinweis darauf, dass Daten zu traumatischen Erfahrungen auch bei Patienten
mit schizophrenen Erkrankungen reliabel erfasst werden können, geben
Untersuchungen, die im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung ähnliche TestRetest-Reliabilitäten zeigen konnten (Goodman et al., 1999; Darves-Bornoz et
al., 1995).
1.2.3 Zusammenhänge mit der Symptomatik
In den letzten Jahren berichteten verschiedene Autoren über Zusammenhänge
zwischen Traumatisierungen in der Anamnese von Personen mit psychotischen
Störungen, deren Verlauf und wichtige Symptombereiche. In vielen Fällen
standen hierbei insbesondere kindliche Traumatisierungen, meist sexuelle und
physische Misshandlung (Goff et al., 1991; Lysaker et al., 2001) im Fokus der
Untersuchung. Andere Autoren berücksichtigten zusätzlich traumatische
Erfahrungen im Erwachsenenalter (Muenzenmaier et al., 1993; Darves-Bornoz et
al., 1995; Read et al., 2003). Viele Untersuchungen zeigten dabei ein jüngeres
Erkrankungsalter bei Betroffenen (Goff et al., 1991; Leverich et al., 2002; Garno
et al., 2005; Schenkel et al., 2005) und eine größere Anzahl stationärer
Aufenthalte (Schenkel et al., 2005). Sie waren häufiger Zwangsmaßnahmen
ausgesetzt (Beck & van der Kolk, 1987) und wiesen insgesamt schwerere
Beeinträchtigungen und einen schlechteren psychosozialen Langzeitverlauf auf
(Goff et al., 1991; Lysaker et al., 2001; Leverich et al., 2002; Garno et al., 2005).
Außerdem zeigten sich bei diesen Patienten häufig Symptome einer akuten
posttraumatischen Belastungsstörung (Neria et al., 2002; Gearon et al., 2003;
Brown et al., 2005; Goldberg et al., 2005), Somatisierung (Beck & van der Kolk,
1987; Bryer et al., 1987) und vermehrt aktuelle oder frühere
Substanzabhängigkeit (Leverich et al., 2002; Scheller- Gilkey et al., 2004; Brown
et al., 2005). Traumatisierte Patienten erfüllten auch häufiger zusätzlich die
diagnostischen Kriterien für eine Depression oder Angststörung als Patienten
ohne traumatische Erfahrungen (Scheller-Gilkey et al., 2004; Schenkel et al.,
14
2005; Lysaker et al., 2005), zeigten häufiger dissoziative Symptome (Holowka et
al., 2003; Schäfer et al., 2006), äußerten vermehrt Suizidgedanken und wiesen
mehr Suizidversuche auf (Leverich et al., 2002; Schenkel et al., 2005; Garno et
al., 2005; Brown et al., 2005). Weiter zeigten Patienten mit positiver
Traumaanamnese in einigen Studien ein stärker ausgeprägtes sexuelles
Risikoverhalten (Craine et al., 1988; Goodman & Fallot, 1998). In einer Studie
über ein Arbeitstraining mit schizophrenen Patienten beteiligten sich Patienten
mit Traumatisierungen im Kindesalter schlechter, sie waren im Vergleich zu
Patienten ohne diese Erlebnisse weniger in der Lage Nähe auszuhalten und
zeigten eher emotionale Instabilität (Lysaker, Nees et al., 2004; Lysaker, Wickett
et al., 2004; Lysaker et al., 2005). In einer weiteren Studie (Read et al., 2001)
erwies sich eine Traumatisierung im Kindesalter bei erwachsenen, ambulant
behandelten Patienten als stärkerer prädiktiver Faktor für Suizidalität als die
depressive Symptomatik. Weiter wurde in mehreren Untersuchungen ein
Zusammenhang zwischen dem Grad der Traumatisierung und der allgemeinen
Erkrankungsschwere festgestellt (Goodman et al., 1997; Read et al., 2001).
1.2.3.1 Psychotische „Positivsymptome“
In mehreren Studien ließ sich ein charakteristisches Verhältnis psychotischer
Positiv- und Negativsymptome bei traumatisierten Patienten feststellen.
So fanden Ross et al. (1994) bei einer Stichprobe von 83 Schizophreniepatienten
(stationär und ambulant) heraus, dass diejenigen, welche eine kindliche sexuelle
oder physische Traumatisierung erlebt hatten (43%) signifikant häufiger so
genannte Positivsymptome wie kommentierende Stimmen, Wahneinfälle und
Beziehungserleben, Ich-Störungen und optische Halluzinationen zeigten und
weniger Negativsymptomatik aufwiesen im Vergleich zu Patienten ohne
Missbrauchserfahrungen. Eine Studie von Read et al. (2003) untersuchte 200
konsekutiv behandelte stationär-psychiatrische Patienten mit verschiedenen
Diagnosen. Hierbei wurde festgestellt, dass bei den 60 Patienten mit
dokumentiertem kindlichem sexuellem Missbrauch oder physischer
Misshandlung verschiedene Formen von Halluzinationen signifikant häufiger
auftraten als bei der restlichen Stichprobe. Die stärksten Zusammenhänge
zeigten sich dabei wie auch in der Studie von Ross et al. (1994) mit
kommentierenden Stimmen.
15
In einer Studie in der Allgemeinbevölkerung von Ross & Joshi (1992) hatten 46%
derjenigen, die drei oder mehr der „Symptome ersten Ranges“ der Schizophrenie
nach Kurt Schneider (Schneider, 2007) aufwiesen, in der Kindheit eine sexuelle
oder physische Traumatisierung erfahren, während bei den befragten Personen
ohne entsprechende Symptome lediglich 8% traumatisierende
Kindheitserlebnisse aufwiesen. Eine 1999 veröffentlichte Studie (Read & Argyle,
1999) untersuchte den Zusammenhang zwischen drei Bereichen von
Positivsymptomen der Schizophrenie (Halluzinationen, Wahn und formale
Denkstörungen) und kindlichem sexuellem Missbrauch bzw. physischer
Misshandlung bei psychiatrischen Patienten. Ein hoher Anteil der traumatisierten
Patienten (77%) zeigte Symptome aus einem oder mehreren der genannten
Bereiche. Eine Analyse des Zusammenhangs zwischen der Form des
Missbrauchs und den einzelnen Symptomen ergab, dass das Auftreten von
Halluzinationen signifikant mit sexuellem Missbrauch in der Vergangenheit,
insbesondere mit inzestuösem Missbrauch, zusammenhing. Das Auftreten von
Wahn zeigte hingegen einen signifikanten Zusammenhang mit physischer
Misshandlung in der Kindheit. Ähnliche Zusammenhänge zwischen erlebter
kindlicher Traumatisierung und dem Auftreten schizophrener Positivsymptome
fanden sich darüber hinaus in verschiedenen weiteren Studien bei ambulant wie
stationär behandelten psychiatrischen Patienten (Ensink, 1992; Muenzenmaier
et al., 1993; Read et al., 2001).
Es gibt Hinweise darauf, dass psychotische Positivsymptome nicht nur bei
Patienten mit Erkrankungen aus dem schizophrenen Formenkreis mit frühen
Traumatisierungen assoziiert ist, sondern auch bei anderen psychiatrischen
Krankheitsbildern. So fanden Hammersley et al. (2003) bei Patienten mit
bipolarer Störung, dass diejenigen, die eine sexuelle Traumatisierung im
Kindesalter erlebten, ein signifikant häufigeres Auftreten von akustischen
Halluzinationen zeigten im Vergleich zu den Patienten ohne eine solche
Traumatisierung in der Vorgeschichte. Diese Beziehungen scheinen also über
diagnostische Grenzen hinaus zu bestehen (Read & Argyle, 1999; Read et al.,
2003; Lysaker et al., 2005). Sogar bei Nichtpatientenpopulationen konnte das
Auftreten psychotischer Positivsymptomatik, insbesondere von akustischen
Halluzinationen, bei Menschen mit frühen Traumatisierungen beobachtet werden
(Ross & Joshi; 1992; Morrison & Petersen, 2003; Whitfield et al., 2005; Shevlin
16
et al., 2007).
Einige Autoren schlugen aufgrund der beobachteten Zusammenhänge bezüglich
Symptomatik und Verlauf vor, dass „traumaassoziierte Subtypen“ psychotischer
Erkrankungen existieren könnten, die typischerweise eine ausgeprägte
Positivsymptomatik bei weitgehend fehlender Negativsymptomatik aufweisen
(Ross et al., 1994; Ellason & Ross, 1997). Unter den Positivsymptomen scheinen
bei Psychosepatienten mit kindlicher Traumatisierung akustische
Halluzinationen, insbesondere kommentierende Stimmen, eine besondere Rolle
zu spielen. In der bereits genannten Studie von Read et al. (2003) stand das
Auftreten von kommentierenden Stimmen in signifikantem Zusammenhang mit
physischer Misshandlung und/oder sexuellem Missbrauch im Kindes- oder
Erwachsenenalter. Auch die Studie von Ross et al. (1994) fand die höchste
Prävalenzrate kommentierender Stimmen bei Patienten mit sowohl sexuellem als
auch körperlichem Missbrauch (sexuelle und physische Misshandlung: 36%; nur
sexueller Missbrauch: 27%; nur physische Misshandlung: 21%; kein Missbrauch:
5%). Ein ähnliches Muster wurde für Stimmen gefunden, die aufforderten sich
selbst oder anderen Schaden zuzufügen (sexuelle und physische Misshandlung:
29%; nur sexueller Missbrauch: 15%; nur physische Misshandlung: 18%; kein
Missbrauch: 2%). Hammersley et al. (2003) beobachteten bei 96 Patienten mit
einer bipolaren Störung, dass Patienten mit sexuellem Missbrauch insgesamt
doppelt so häufig akustische Halluzinationen und mit einer sechsfach erhöhten
Wahrscheinlichkeit kommentierende Stimmen aufwiesen. Auch für andere Typen
von Halluzinationen (optisch, olfaktorisch und taktil) wurden Zusammenhänge
mit frühen Traumatisierungen gefunden. Shevlin et al. (2007) verwendeten Daten
des amerikanischen „National Comorbidity Survey“, um Zusammenhänge
zwischen Traumatisierungen im Kindesalter und verschiedenen Formen von
Halluzinationen zu untersuchen. Nach Kontrolle verschiedener potenziell
konfundierender Variablen war kindlicher sexueller Missbrauch assoziiert mit
einer erhöhten Wahrscheinlichkeit, visuelle Halluzinationen (Adj. OR bei
Vergewaltigung: 2,37; Adj. OR bei sexueller Belästigung: 1,62), akustische
Halluzinationen (Adj. OR bei Vergewaltigung: 1,75; Adj. OR bei sexueller
Belästigung:1,93) und taktile Halluzinationen (Adj. OR bei Vergewaltigung: 1,75;
Adj. OR bei sexueller Belästigung: 1,85) zu erleben. Körperliche Misshandlung
im Kindesalter war dagegen nur mit taktilen Halluzinationen (Adj. OR 1,93) und
17
kindliche Vernachlässigung nur mit optischen Halluzinationen assoziiert (Adj. OR
1,65).
1.2.3.2 Inhalte von Halluzinationen und Wahn
Verschiedene Arbeiten setzten sich mit Zusammenhängen zwischen
traumatischen Erfahrungen und psychotischen Inhalten auseinander (Beck & van
der Kolk, 1987; Heins et al. 1990; Ensink, 1992; Ross et al., 1994; Read &
Argyle, 1999; Fowler, 2000; Offen et al., 2003; Hardy et al., 2005). In
verschiedenen Studien zeigte sich dabei, dass Wahninhalte, optische oder
akustische Halluzinationen inhaltlich mit konkreten Details traumatischer
Erfahrungen zusammenhingen und dass die akustischen Halluzinationen der
Patienten mit Traumatisierungen in der Anamnese häufiger bedrohliche oder
entwertende Inhalte aufweisen.
Beck & van der Kolk (1987) fanden in ihrer Studie, dass schizophrene
Patientinnen mit Inzesterfahrungen signifikant häufiger Wahninhalte mit sexueller
Tönung zeigten. So berichtete eine Frau, sie glaube, dass ihr Körper mit Ejakulat
bedeckt wäre, eine andere hatte die Wahnvorstellung, sexuelle Beziehungen mit
prominenten Personen zu haben.
In einer Studie von Heins et al. (1990) zeigten die akustischen Halluzinationen
von Patienten mit sexuellen Traumatisierungen zum einen direkte inhaltliche
Bezüge zu den traumatischen Ereignissen, zum anderen besaßen sie
entwertenden und feindseligen Charakter. So hörte ein Mann, der im Alter von
sieben Jahren wiederholt von seinem Onkel sexuell missbraucht worden war,
Stimmen, die ihn als „schäbig“ bezeichneten und ihn zum Suizid aufforderten.
Eine Frau, die in jungem Alter von ihrem Vater vergewaltigt wurde, hatte die
Wahnvorstellung, dass Leute sie ständig beobachten würden, da sie eine
Perverse sei. Akustische Halluzinationen beschuldigten sie außerdem
unanständige sexuelle Dinge zu tun. Eine andere Frau, die regelmäßig von
ihrem Vater seit ihrem achten Lebensjahr vergewaltigt wurde und später auch
wiederholte Male von ihrem Cousin, hörte Stimmen, die sie als „Schlampe“ und
„Hure“ beschimpften.
Offen et al. (2003) berichteten, dass Patienten mit kindlichen
Missbrauchserfahrungen eher an Stimmen mit bedrohlichem und feindseligem
Charakter leiden würden als Patienten ohne Traumatisierungen in der
18
Anamnese. Ensink (1992) fand, dass die Inhalte der Halluzinationen von Frauen
mit sexuellem Missbrauch in der Anamnese sowohl offensichtliche FlashbackElemente, im Sinne der Symptome einer Posttraumatischen Belastungsstörung,
als auch symbolische Repräsentationen der traumatischen Erfahrungen
enthielten. In dieser niederländischen Studie wurden Frauen, bei denen eine
sexuelle Misshandlung im Kindesalter bekannt war, befragt, ob sie schon einmal
außergewöhnliche Wahrnehmungen wie visuelle oder akustische Halluzinationen
erlebt hätten. Insgesamt 43% der knapp hundert Frauen berichteten Stimmen zu
hören. Acht von ihnen beschrieben akustische Halluzinationen, die zumindest
teilweise mit dem sexuellen Missbrauch zusammenhingen. Weitere vier
erzählten, dass sie sich nicht unmittelbar an ihre Kindheit erinnern würden, ihnen
jedoch Stimmen von ihrer Kindheit berichteten. Ähnlich viele
Interviewpartnerinnen erzählten von visuellen Halluzinationen, von denen viele
im unmittelbaren Zusammenhang zu ihren traumatischen Erlebnissen standen.
Read & Argyle (1999) fanden bei einer Stichprobe von stationären Patientinnen
mit kindlichen Traumatisierungen, dass der Inhalt der Hälfte der schizophrenen
Symptome deutlich in Zusammenhang stand mit den Missbrauchserfahrungen.
So handelte es sich etwa bei imperativen, zu Suizid oder selbstverletzendem
Verhalten auffordernden Stimmen um die der Täter. Eine Patientin dieser Studie,
die seit ihrem fünften Lebensjahr von ihrem Vater sexuell missbraucht worden
war, hörte männliche Stimmen, die sie außerhalb ihres Kopfes lokalisierte und
schreiende Kinderstimmen innerhalb ihres Kopfes. Etwa die Hälfte der Patienten
mit sexueller kindlicher Traumatisierung dieser Studie zeigte sexuell getönte
Wahninhalte. Auch die neuseeländische Studie von Read et al. (2003), die
gemischtpsychiatrische Patienten auf Traumatisierungen und
Halluzinationsinhalte untersuchte, zeigte, dass Wahninhalte, optische und
akustische Halluzinationen von traumatisierten Patienten in Zusammenhang
standen mit konkreten Details traumatischer Erfahrungen. Halluzinationsinhalte
wie „das Böse“ oder „der Teufel“ waren dabei unter denjenigen Patienten
üblicher, die sexuell missbraucht worden waren. Eine Studie von Ellenson (1986)
ergab, dass Patienten, die Inzestopfer waren, häufiger unter zu Suizid oder
selbstverletzendem Verhalten auffordernden Stimmen litten. Diese Patienten
wiesen außerdem signifikant mehr der untersuchten psychotischen
Positivsymptome auf im Vergleich zu Patienten mit nicht zur Familie gehörigen
19
Tätern. In einer Studie von Honig et al. (1998) wurde Form und Inhalt der
akustischen Halluzinationen bei schizophrenen Patienten, Patienten mit
dissoziativen Störungen und Menschen der Allgemeinbevölkerung ohne
psychiatrische Diagnose, die jedoch Stimmen hörten, untersucht. Signifikante
Unterschiede zwischen den Gruppen ergaben sich vor allem in Hinblick auf
Inhalt, emotionale Qualität und Kontrollierbarkeit der akustischen
Halluzinationen. Die Menschen ohne psychiatrische Diagnose erlebten ihre
Stimmen als vorwiegend positiv und für sie kontrollierbar, während sich in den
beiden anderen Gruppen die Patienten durch ihre Stimmen eher gestört und
kritisiert fühlten, sie als angstauslösend empfanden und wenig Kontrolle über
diese besaßen. Interessanterweise besaßen die akustischen Halluzinationen für
einige Probanden der ersten Gruppe sogar eine „positive Funktionalität“. So
berichtete eine Frau, die in ihrer Kindheit regelmäßig physisch und sexuell
missbraucht worden war und seitdem Stimmen hörte, dass sie mit diesen
kommuniziere und sie im alltäglichen Leben als beschützend empfinde. Die
Stimmen hätten sie durch schwere Zeiten begleitet und aus ihrer Sicht sogar
eine psychische Dekompensation verhindert. Obwohl ihr bewusst gewesen sei,
dass das Hören von Stimmen kein „normales“ Phänomen sei, habe sie nie
psychiatrische Hilfe in Anspruch genommen. Ein weiteres interessantes Ergebnis
dieser Studie ist, dass bei den meisten Patienten dem Beginn der akustischen
Halluzinationen ein traumatisches Ereignis oder ein Ereignis vorausging, dass
die Erinnerungen an eine frühere Traumatisierung aktivierte.
In einer Studie von Hardy et al. (2005) wurden verschiedene Formen der
Zusammenhänge zwischen Halluzinationsinhalten und erlebten traumatischen
Erfahrungen bei Patienten mit nicht-affektiven Psychosen untersucht und dazu
jeweils verschiedene kognitive Entstehungsmodelle vorgestellt. Hierbei wurde
zwischen einem „direkten“ (Inhalt der Halluzinationen bezieht sich direkt auf
traumatische Erlebnisse), „indirekten“ (emotionale Tönung der Halluzinationen
entspricht der traumatischen Situation) und „auslösenden“ (keine direkte
Entsprechung) Zusammenhang zwischen Traumatisierung und Inhalt der
Halluzinationen unterschieden. Insgesamt konnte bei 12,5% der traumatisierten
Patienten ein „direkter“ Zusammenhang festgestellt werden und bei 45% ein
„indirekter“ Zusammenhang. Bei den Patienten dieser Studie standen demnach
weniger der exakte Inhalt als vielmehr die Themen der Halluzinationen (z.B.
20
Schuld, Bedrohung und Demütigung) in Beziehung zu vergangenen
traumatischen Erfahrungen. Die häufigsten Missbrauchsformen, bei denen die
entsprechenden Zusammenhänge festgestellt wurden, waren sexueller
Missbrauch und physische Misshandlung. Bei 42,5% der untersuchten
traumatisierten Patienten konnte kein konkreter Zusammenhang zwischen der
traumatischen Erfahrung und auftretenden Halluzinationen identifiziert werden.
Dass traumatische Ereignisse als Triggerfaktor für schizophrene Psychosen
wirken können, beschreibt eine Studie von Romme & Escher (1989). In einer
Stichprobe von Stimmenhörern zeigte sich hier, dass sich bei 70% der Befragten
akustische Halluzinationen unmittelbar nach einem traumatischen Ereignis
entwickelt hatten. Morrison et al. (2003) gaben zu bedenken, dass diese
offensichtlichen Zusammenhänge zwischen traumatischen Erfahrungen und
Positivsymptomen nur bedingt einen Beitrag zur Diskussion um die Bedeutung
von Traumatisierungen für die Ätiologie psychotischer Störungen liefern können,
da der Inhalt psychotischer Symptome nicht nur im Falle traumatischer
Erlebnisse in deutlicher Verbindung zu persönlichen Erfahrungen stehe.
Insgesamt sprechen die genannten Studien jedoch dafür, dass traumatische
Erfahrungen zumindest von einem Teil der betroffenen Personen halluzinatorisch
und wahnhaft verarbeitet werden.
1.2.3.3 Positivsymptomatik oder intrusives Wiedererleben?
Im Zusammenhang mit traumatischen Erlebnissen ist die posttraumatische
Belastungsstörung (PTBS) eine der meistuntersuchten psychiatrischen Störung
und es existieren für diese Erkrankung allgemein akzeptierte Definitionen
(Maercker et al., 2003). Eine Reihe von Studien (Craine et al., 1988; Mueser et
al., 1998) berichten von signifikant höheren Lebenszeitprävalenzen
posttraumatischer Belastungsstörungen bei Patienten mit schweren psychischen
Erkrankungen gegenüber der Allgemeinbevölkerung, insbesondere bei Patienten
mit psychotischen Erkrankungen (Frame & Morrison, 2001). In
Bevölkerungsstichproben in den Vereinigten Staaten wurde jeweils eine PTBSRate von ca. 8% gefunden (z.B. Kessler et al., 1995), die Prävalenzraten bei
schwer psychiatrisch Erkrankten lagen dagegen zwischen 29% und 53%
(Mueser et al., 2002; Kilcommons & Morrison, 2005). Neria et al. (2002) fanden
21
bei einer gemischt-geschlechtlichen Stichprobe von 426 erstmalig stationär
behandelten Patienten mit psychotischer Erkrankung eine Punktprävalenz der
Störung von ca. 14%. Hierbei berichteten ca. 70% der Gesamtstichprobe von
traumatisierenden Ereignissen in der Vorgeschichte, 26,5% davon erfüllten die
Kriterien für die Diagnose einer PTBS.
In den meisten Untersuchungen fand sich als häufigste Missbrauchsform unter
psychiatrisch Erkrankten mit einer zusätzlichen PTBS-Diagnose kindlicher
sexueller Missbrauch (Neria et al., 2002; Mueser et al., 1998). Obwohl die PTBS
in Studien bei allgemein-psychiatrischen Stichproben mit einer hohen Prävalenz
auftritt, scheint sie in Kliniken häufig unterdiagnostiziert zu werden (Escalona et
al., 1997; Kilcommons & Morrison, 2005). Dies bestätigt sich auch in den oben
genannten Studien von Cascardi et al. (1996) und Craine et al. (1988), wo bei
keinem Patienten mit einer PTBS diese Diagnose in den Krankenhausakten
dokumentiert war.
Zwischen psychotischen Störungen und der PTBS lassen sich in Hinblick auf die
Psychopathologie Ähnlichkeiten bzw. Symptomüberlappungen feststellen. So
gehören zum einen auch psychotische Symptome wie Wahn (Oruc & Bell, 1995)
und Halluzinationen zum Reaktionsspektrum auf traumatische Erfahrungen.
Außerdem können bei PTBS-Patienten auch psychotische Symptome vorliegen
(Waldvogel & Mueser, 1988; Butler et al., 1996). In diesem Zusammenhang
beschrieb Carmen (1994) auch amnestische bzw. dissoziative Symptome.
Nachhallerinnerungen („Flashbacks“), Bilder und intrusive Gedanken sind
oftmals kaum von halluzinatorischen Symptomen zu unterscheiden und treten
bei einem Teil der PTBS-Patienten begleitet von wahnhaften Symptomen auf,
wie Beobachtungen an Kriegsveteranen und auch anderen Gruppen von
Patienten zeigten (Allen et al., 1997; Butler et al., 1996).
Die Unterscheidung akustischer Halluzinationen von intrusiven Phänomenen ist
oftmals äußerst schwierig. David et al. (1999) sahen akustische Phänomene
schon als „halluzinatorisch“ an, wenn sie nicht vom Gefühl begleitet waren, sich
erneut in der traumatischen Situation zu befinden und diagnostizierten nach
dieser Definition bei 40% einer Stichprobe von chronischen PTBS-Patienten
akustische Halluzinationen. Als differentialdiagnostisches
Unterscheidungskriterium wurde oft genannt, dass halluzinatorisches Erleben bei
PTBS, im Gegensatz zu schizophrenen Patienten, stets in engem
22
Zusammenhang zu realen traumatischen Erfahrungen stünde (Chan & Silove,
2000), während die Halluzinationen schizophrener Patienten oft nicht mit
persönlichen Erfahrungen in Zusammenhang zu bringen seien. Dagegen
berichteten verschiedene Autoren, dass sogar Intrusionen bei PTBS-Patienten
Elemente beinhalten, die keine Details der traumatischen Erfahrung
widerspiegeln (Butler et al., 1996). Allerdings zeigten, wie in Kapitel 1.2.3.2
bereits erläutert, einige klinische Studien, dass bei schizophrenen Patienten mit
positiver Traumanamnese die Halluzinationen gerade in deutlichem
Zusammenhang zu den traumatischen Erfahrungen stehen können (Hardy et al.,
2005; Ellenson, 1985; Heins et al., 1990; Read & Argyle, 1999).
Weitere Symptomüberlappungen zwischen der PTBS und psychotischen
Erkrankungen sind vegetative Übererregbarkeit, Schlafstörungen und erhöhte
Wachsamkeit (Stampfer, 1990; Pinto & Gregory, 1995). Diese
Symptomüberlappungen bzw.– ähnlichkeiten können zu Schwierigkeiten bei der
Unterscheidung bzw. Differenzierung zwischen den Diagnosen einer PTBS und
einer psychotischen Störung führen. Verschiedene Autoren sind der Ansicht,
dass es aufgrund dieser Symptomüberlappungen bei psychotischen Patienten
häufig zur Fehldiagnose einer psychotischen Störung statt einer
posttraumatischen Belastungsstörung kommt (Briere et al., 1997; Goodman et
al., 1997). Sautter et al. (1999) gingen davon aus, dass psychotische
Positivsymptome und PTBS-Symptome zusammen zu einem sehr viel
schwereren psychopathologischen Erscheinungsbild führen würden. Die
einzelnen Symptombereiche würden dabei miteinander interagieren, PTBSSymptome wahnhaft verarbeitet und es komme zur vermehrten Entstehung von
aggressiven Gedanken. Spezifische PTBS-Symptome und begleitende Faktoren
wie z.B. Substanzmissbrauch würden die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass es
zum Ausbruch der psychotischen Störung komme, die Symptomschwere und die
Rate der Wiedererkrankungen werde erhöht und es komme zu einem
schwierigeren Verlauf und höheren Behandlungskosten (Mueser et al., 2002).
In einem Literaturüberblick von Morrison et al. (2003) wurden solche
Beziehungen zwischen Traumatisierung, PTBS und Psychose untersucht.
Diskutiert wurde von diesen Autoren, inwiefern eine Traumatisierung eine
Psychose auslösen kann, ob einer Traumatisierung sowohl eine PTBS als auch
23
eine Psychose folgen kann und ob eine Psychose selbst für den Betroffenen
solch ein traumatisches Ereignis darstellen kann, dass dieser in der Folge an
einer PTBS erkrankt. Dabei wurden von Morrison et al. (2003) Hinweise für alle
drei Theorien gefunden und vermutet, dass sowohl die PTBS als auch
psychotische Erkrankungen Teil eines Reaktionsspektrums auf traumatische
Lebensereignisse bilden, die durch die genannten Symptomüberlappungen nicht
immer klar voneinander diagnostisch getrennt werden können.
1.2.3.4 „Pseudohalluzinationen“ bei psychotischen Patienten
In der aktuellen Literatur ist der Begriff der „Pseudohalluzinationen“ umstritten
(z.B. Berrios & Dening, 1996) und es wird eine Vielzahl unterschiedlicher Begriffe
verwendet, um diese besondere Form der akustischen Halluzinationen zu
beschreiben, z.B. dissoziative Halluzinationen, nicht-psychotische
Halluzinationen, isolierte Halluzinationen (ohne zusätzliche Psychopathologie),
partielle Halluzinationen oder auch Halluzinationen mit intakter Realitätsprüfung
und Einsicht. Obwohl manche dieser Begriffe in der klinischen Praxis häufig
benutzt werden, fehlen für sie bisher eindeutige Definitionen.
Zum ersten Mal wurde der Begriff „Pseudohalluzination“ von dem deutschen
Psychiater Hagen (1868) verwendet. Er verwendete den Begriff um
Erlebnisweisen zu beschreiben, von denen man fälschlicherweise glauben
könnte, es seien Halluzinationen. Damit hatte Hagen lediglich einen Ausdruck für
mögliche diagnostische Fehlerquellen geschaffen, jedoch keine positive
Definition für den Begriff. Zum Beginn des 20. Jahrhunderts wandten sich
Jaspers und Goldstein dem Konzept zu. Jaspers (1913; 1962) unterschied
„echte“ Halluzinationen, die im äußeren Raum wahrgenommen werden, von
Pseudohalluzinationen, die von den Betroffenen im Inneren des Körpers
lokalisiert werden. Er betrachtete „echte“ Halluzinationen als Wahrnehmungen im
Gegensatz zu Pseudohalluzinationen, die seiner Ansicht nach mentale Abbilder
darstellten. Goldstein (1908) beschrieb das erhaltene Realitätsurteil des
Patienten als ausschlaggebendes Unterscheidungskriterium dafür, ob es sich um
„Pseudohalluzinationen“ handele. Sedman (1966) fand in einer empirischen
Studie, dass das Auftreten von Pseudohalluzinationen, hier definiert als
sensorische Wahrnehmung mit intaktem Realitätsurteil, stärker mit
24
Persönlichkeitsstörungen assoziiert war, als mit psychotischen Krankheitsbildern.
Hamilton (1974) beschrieb Pseudohalluzinationen als unechte Wahrnehmungen,
die im subjektiven inneren Raum lokalisiert seien und stellte die Behauptung auf,
dass Pseudohalluzinationen keinen prognostischen oder diagnostischen Wert für
schizophrene Erkrankungen besitzen würden. Gelder et al. (1985) wiesen darauf
hin, dass der Begriff Pseudohalluzinationen zwei Bedeutungen erlangt habe.
Eine basiere wie auch die Definition von Hamilton (1974) darauf, dass die
Wahrnehmungen von den Betroffenen im inneren, „subjektiven“ Raum lokalisiert
seien, und die andere auf der Wahrnehmung des Patienten, dass die
Halluzination kein Korrelat in der äußeren Welt besäße, was grob als
Einsichtsfähigkeit verstanden werden könne. In vielen psychiatrischen Texten
wurde die erste dieser Definitionen für den Begriff „Pseudohalluzination“ benutzt.
Das am weitesten akzeptierte Kennzeichen von Pseudohalluzinationen stellt
demnach also dar, dass sie von den Patienten im Körperinneren, z.B. im Kopf,
„gehört“ werden, während „echte“ (psychotische) akustische Halluzinationen von
den Betroffenen außerhalb des Kopfes wahrgenommen werden.
Berrios & Dening (1996) kritisierten allerdings, dass der Begriff
„Pseudohalluzination“ für begriffliche Verwirrung sorge und wenig klinischen
Nutzen besitze. In einer Studie fanden sie heraus, dass 87% einer Gruppe
psychiatrischer Chefärzte an die Existenz von Pseudohalluzinationen glaubten,
jedoch die Mehrheit den Begriff als verwirrend bewerteten. Auch das DSM-IV
liefert keine klare Definition für den Begriff Pseudohalluzination, er wird lediglich
einmal im Zusammenhang mit den Kriterien der „Konversionsstörung“ genannt
(APA; American Psychiatric Association, 1994). Auch Zwaard & Polak (2001)
beschreiben die Schwierigkeit, Pseudohalluzinationen von ähnlichen
psychopathologischen Symptomen wie Halluzinationen, „Nachhallerinnerungen“
(„re-experiencing“) und dissoziativen Phänomenen klar abzugrenzen. Sowohl
Pseudohalluzinationen als auch „echte“ Halluzinationen können demnach im
Inneren des Körpers und unfreiwillig wahrgenommenen werden. Laut Zwaard &
Polak (2001) bleibt unklar, ob Pseudohalluzinationen einen ebenso realen
Charakter wie echte Halluzinationen besitzen. Pseudohalluzinationen seien
charakterisiert durch das Vorhandensein von Einsichtsfähigkeit des Individuums
und der Lokalisation im Inneren des Körpers und wiesen häufig Ähnlichkeiten zu
dissoziativen Symptomen auf. Nachhallerinnerungen, wie etwa „Flashbacks“,
25
könnten von Pseudohalluzinationen abgegrenzt werden durch das
Vorhandensein von traumatischen Ereignissen in der Vergangenheit und
entsprechende auslösende Reize. Laut Adityanjee et al. (2001) würden
Patienten mit Pseudohalluzinationen häufig irrtümlich als schizophren
diagnostiziert, da die Behandler die Symptome der Patienten für klassische
psychotische Symptome hielten. Umgekehrt wies Read (1997) darauf hin, dass
die Autoren verschiedener Studien zur Beziehung zwischen psychiatrischen
Erkrankungen und Traumatisierungen (z.B. Kluft, 1990; Herman, 1992; Heins et
al., 1990) psychotische oder spezifische Schizophreniesymptome wie
Halluzinationen und Stimmenphänomene nicht als solche interpretierten,
sondern diese z.B. als „symptoms of traumatic stress“, „psychotic like“, „pseudopsychotic“, „probably dissociative symptoms“ oder „post incest syndrome“
bezeichnet haben.
1.3 Ziele der Arbeit
In den letzten Jahren wurde die Rolle von Traumatisierungen bei psychotischen
Erkrankungen verstärkt untersucht. Dabei standen bisher insbesondere der
sexuelle Missbrauch sowie die physische Misshandlung in der Kindheit im Fokus
der Forschung (Übersichten bei Read et al., 2005; Morgan & Fisher 2007). Durch
eine bisher fehlende einheitliche Definition, insbesondere von sexuellem
Missbrauch aber auch physischer Misshandlung wird jedoch die Vergleichbarkeit
existierender Studien erschwert. Im Falle des sexuellen Missbrauchs fehlen
sogar häufig Angaben zu den zugrunde liegenden Definitionen (Neria et al.,
2002; Ross et al., 1994; Read et al., 2003). Bei der Erhebung kindlicher
Traumatisierungen und der psychotischen Symptomatik bezog man sich häufig
auf gemischtdiagnostische Stichproben (Read et al., 2003; Muenzenmaier et al.,
1993; Read & Argyle, 1999; Read et al., 2003), wobei zum Teil auch Angaben zu
den Diagnosen gänzlich fehlen (Briere et al., 1997).
Die Erhebungsmethoden gestalten sich ebenso variabel. Die psychotische
Symptomatik der traumatisierten Patienten wurde auf unterschiedlichste Weise
untersucht, zum Teil in detaillierter Form mit gängigen Instrumenten (Offen et
al., 2003; Ross et al., 1994) oder aber anhand von Fallbeispielen (Heins et al.,
1990). In einigen Studien wurde eine Durchsicht der Krankenakten durchgeführt
(Read et al., 2003; Beck & van der Kolk, 1987). Wiederum andere Studien
26
schlossen in ihre Untersuchungen sowohl Halluzinationsinhalte von Patienten als
auch von Nicht-Patienten-Populationen ein (Honig et al., 1998) oder führten
diesbezüglich Untersuchungen in der Allgemeinbevölkerung durch (Lataster et
al., 2006; Scott et al., 2007). Es liegt somit nur eine begrenzte Anzahl von
Studien vor, die in homogenen Stichproben von Patienten mit schizophrenen
Psychosen den Zusammenhang zwischen kindlicher Traumatisierung und der
qualitativen psychotischen Symptomatik, insbesondere Wahninhalte und
akustische Halluzinationen, mit klaren Definitionen und anhand standardisierter
Instrumente untersuchte (Ross et al., 1994; Offen et al., 2003; Hardy et al.,
2005). Die vorliegende Arbeit soll aufgrund der bislang schlechten Befundlage
dazu dienen, Unterschiede zwischen Patienten, die sexuellen Missbrauch oder
körperliche Misshandlung in der Kindheit erlebten und Patienten ohne
Traumatisierungen in der Kindheit bezüglich Häufigkeit, Art und Inhalt
psychotischer „Positivsymptome“ bei einer homogenen Stichprobe von Personen
mit „F2- Störungen“ (nach ICD-10) zu untersuchen.
1.4 Fragestellungen und Hypothesen
Fragestellungen
1. Unterscheiden sich Patienten mit F2-Störungen (nach ICD-10), die sexuellen
Missbrauch und/oder körperliche Misshandlungen in der Kindheit berichten, in
Hinblick auf die Lokalisation, Ich-Nähe und emotionaler Qualität von
Stimmenphänomenen von Patienten ohne Traumatisierungen in der
Vorgeschichte?
2. Unterscheiden sich Patienten mit F2-Störungen (nach ICD-10), die sexuellen
Missbrauch und/oder körperliche Misshandlungen in der Kindheit berichten, in
Hinblick auf andere Halluzinationen von Patienten ohne Traumatisierungen in
der Vorgeschichte?
3. Unterscheiden sich Patienten mit F2-Störungen (nach ICD-10), die sexuellen
Missbrauch und/oder körperliche Misshandlungen in der Kindheit berichten, in
Hinblick auf die Wahninhalte von Patienten ohne Traumatisierungen in der
Vorgeschichte?
27
4. Wie beurteilen Patienten mit F2-Störungen (nach ICD-10), die sexuellen
Missbrauch und/oder körperliche Misshandlungen in der Kindheit berichten,
subjektiv Zusammenhänge zwischen diesen Erlebnissen und der psychotischen
Erkrankung?
Hypothesen
zu Fragestellung 1:
Patienten mit sexuellem Missbrauch und/oder körperlicher Misshandlung in der
Kindheit nehmen Stimmen signifikant häufiger innerhalb des Kopfes wahr,
erleben diese als „Ich-näher“ und berichten signifikant häufiger akustische
Halluzinationen mit bedrohlichen oder entwertenden Inhalten.
zu Fragestellung 2:
Patienten mit sexuellem Missbrauch und/oder körperlicher Misshandlung in der
Kindheit unterscheiden sich nicht in Bezug auf die Häufigkeit anderer
Halluzinationen von Patienten ohne diese Erlebnisse.
zu Fragestellung 3:
Patienten mit sexuellem Missbrauch und/oder körperlicher Misshandlung in der
Kindheit weisen mehr Verfolgungserleben und mehr sexualisierte Wahninhalte
auf als Patienten ohne diese Erlebnisse.
zu Fragestellung 4:
Der Stand der Forschung ließ keine Ableitung gut begründbarer spezifischer
Hypothesen zu der Fragestellung 4 zu. Dieser Teil der Studie hatte explorativen
Charakter.
28
2. Methode
2.1 Wahl des Forschungsdesigns
Es handelte sich um eine klinische hypothesenprüfende Querschnittstudie. Die
Datenerhebung erfolgte zu zwei Erhebungszeitpunkten (vgl. 2.7). Dadurch bot
sich die Möglichkeit, traumabezogene Variablen zu einem Zeitpunkt zu erfassen,
zu dem die Patienten klinisch stabilisiert waren. Zudem konnte eine Veränderung
relevanter Merkmale im Verlauf erhoben werden. Der erste
Untersuchungszeitpunkt (t1) wurde innerhalb der ersten sieben Tage der
stationären Aufnahme angestrebt, der zweite (t2) zu einem Zeitpunkt, zu dem die
Patienten vom betreuenden Behandlungsteam als stabil genug eingeschätzt
wurden (vgl. Kapitel 2.7). Ergänzend wurde angestrebt, ein Abschlussgespräch
in den letzten Tage vor der Entlassung der Patienten aus dem stationären
Rahmen durchzuführen. Dies wurde denjenigen Patienten angeboten, die in der
Hauptuntersuchung über eine kindliche Traumatisierung berichteten und in
Einzelfällen auch bei Patienten ohne Traumaanamnese durchgeführt, die ein
Abschlussgespräch ausdrücklich wünschten.
2.2 Wahl des Datenerhebungsverfahrens
Als Instrument der Datenerhebung wurde die wissenschaftliche Methode der
Befragung gewählt. Neben bereits etablierten Instrumenten, die den größten
Anteil bildeten, kamen dabei einzelne Instrumente zum Einsatz, die im Rahmen
einer Pilotuntersuchung entwickelt worden waren (Lehmann, 2004). Dadurch
wurde eine differenziertere Erfassung qualitativer Merkmale, etwa Wahninhalte
und Art der Halluzinationen, ermöglicht. Zusätzlich zur Technik des Interviews
wurden Selbstbeurteilungsfragebögen verwendet. Die Wahl vorwiegend
quantitativer Verfahren mit einem möglichst hohen Grad an Standardisierung
sollte dabei die statistische Datenanalyse erleichtern und eine bessere
Vergleichbarkeit mit anderen Studien herstellen.
29
2.3 Konzeptualisierung der Merkmalsbereiche
Im Rahmen der Studie wurden Daten zu verschiedenen Merkmalsbereichen
erhoben, die für die vorliegende Auswertung nicht relevant sind. Dies betrifft
insbesondere speziellere psychopathologische Symptombereiche, etwa
dissoziative Symptome und Symptome der Posttraumatischen
Belastungsstörung. Auf die Darstellung der jeweiligen Instrumente, etwa den
„Fragebogen zu dissoziativen Symptomen“ (FDS; Freyberger et al., 1999), das
„Strukturierte Klinische Interview für Dissoziative Störungen“ (SKID-D; Gast et
al., 2000), das PTBS-Modul des „Strukturierten Klinischen Interview für
Psychische Störungen“ (SKID- PTBS; Wittchen et al. 1994), das „Parental
Bonding Instrument“ (PBI; Parker et al., 1979) und das „Childhood Trauma
Questionnaire“ (CTQ; Bernstein & Fink, 1998) wird deshalb an dieser Stelle
verzichtet. Bezüglich dieser Anteile der Studie wird auf die zugehörigen
Publikationen verwiesen (Schäfer et al., 2006; Schäfer et al., in Vorbereitung).
Die für diese Arbeit relevanten Merkmalsbereiche wurden in drei Abschnitte
untergliedert. Im ersten Teil wurden zunächst soziodemographische Daten
erhoben.
1. Soziodemographische Daten
(2.4.1)
Im zweiten Abschnitt wurden potentiell traumatische Ereignisse erfasst.
Besonders detailliert wurden dabei kindliche sexuelle Missbrauchserlebnisse und
körperliche Misshandlung bis zum 16. Lebensjahr durch Eltern oder andere
Erziehungspersonen erfragt.
2. Potentiell traumatische Erlebnisse im Kindesalter
(2.4.2.)
Entsprechend dem Ziel der vorliegenden Arbeit lag ein Schwerpunkt auf der
Erfassung von vorherrschenden Symptombildern. Insbesondere wurde dabei die
Positivsymptomatik bei traumatisierten Patienten im Vergleich zu nichttraumatisierten Patienten (in Bezug auf Art und Inhalt) untersucht.
3. Psychopathologie
(2.4.3)
- Diagnose nach ICD-10
(2.4.3.1)
- Psychosesymptomatik
(2.4.3.2)
30
2.4 Operationalisierungen
Bei der Wahl der Erhebungsinstrumente wurde darauf geachtet, dass es sich,
falls möglich, um standardisierte Instrumente mit dokumentierten
psychometrischen Eigenschaften handelte. Zu manchen Variablen, z.B. der
qualitativen Psychosesymptomatik, waren in einer Pilotstudie eigene
Fragebögen erstellt worden. Der folgende Abschnitt dient der Beschreibung der
verwendeten Instrumente.
2.4.1 Soziodemographische Daten
Soziodemographisches Interview (SGI)
Bei diesem Instrument handelte es sich um ein halbstandardisiertes Interview,
das in acht Abschnitte untergliedert war: „Sozialstatus“ (Alter, Geschlecht,
Partnerschaft, Familienstand, Schul- und Berufsbildung, Berufstätigkeit),
„Suizidanamnese“ (Anzahl und Beschreibungen der Suizidversuche),
„Vorbehandlung“ (Anzahl bisheriger stationärer psychiatrischer Aufenthalte und
das Alter bei Auftreten erster psychotischer Symptome), „Medizinische Daten“
(Derzeitige Medikation und die Medikamenteneinstellung vor Aufnahme sowie
die medizinische Vorgeschichte), „Familienanamnese“ (Angaben zum Auftreten
psychiatrischer Erkrankungen bei Verwandten der/des Patienten/-in),
„Substanzgebrauch“ (Angaben zum Alter bei Erstgebrauch, zum aktuellen
Gebrauch und zur Dauer des Gebrauches von Alkohol, Nikotin und Drogen) und
„Behandlungsfragebogen“ (Angaben zu Einstellung und Umgang mit
Medikamenten).
2.4.2 Potentiell traumatische Erlebnisse im Kindesalter
Strukturiertes Trauma Interview (STI)
Das Strukturierte Trauma Interview ist eine für klinischen Gebrauch adaptierte
Version eines strukturierten Interviews, das für eine nationale Untersuchung zu
Häufigkeit und Folgen von sexuellem und körperlichen Missbrauch sowie
Vernachlässigung in der Kindheit entwickelt wurde (Draijer, 1988 & 1990) und in
einer deutschen Version vorliegt (Schäfer, 2004). Der Schwerpunkt des STI liegt
31
auf sexuellem Missbrauch und körperlicher Misshandlung. Dieses Instrument ist
dazu konzipiert, Informationen über Erlebnisse zu gewinnen, die vor dem Alter
von 16 Jahren stattgefunden haben und bildete ein Kerninstrument der
vorliegenden Studie. Hauptziel des Interviews ist es, einen Eindruck über den
Schweregrad der potentiell traumatischen Kindheitserlebnisse zu gewinnen
(Draijer & Boon, 1989; 1995). Das STI deckt folgende Bereiche traumatischer
Kindheitserlebnisse ab: Früher Verlust oder Trennung von den Eltern; Zeuge von
Gewalt zwischen den Eltern oder elternähnlichen Personen zu sein; sexueller
Missbrauch; körperliche Misshandlung durch Eltern oder elternähnliche
Personen; Vernachlässigung und andere für den Patienten erschütternde
Erlebnisse. Besonders in Bezug auf sexuellen Missbrauch und körperliche
Misshandlung werden zudem weitere Merkmale erhoben. So erhält man
Informationen zum Alter bei ihrem Auftreten, zur Häufigkeit und Dauer des
Missbrauchs (einmalig/chronisch), zur Beziehung zu dem/n Täter(n) (inner/außerfamiliär), zu Reviktimisierungsmustern, zu Wahrnehmungen bezüglich des
Erlebten und zur Verfügbarkeit von Unterstützung. Darüber hinaus schließt das
Interview vertiefende Fragen zu elterlicher „Dysfunktion“ und Vernachlässigung
ein. Durch eine Mischung aus offenen Fragen und Nominal- bzw. OrdinalSkalen im STI wird ein für den Patienten möglichst angenehmer Interviewstil
angestrebt. Es gibt Hinweise dafür, dass bei retrospektiven Berichten von
belastenden Kindheitserlebnissen eher zu geringe als übertriebene Angaben zu
diesen Erfahrungen gemacht werden. Dies trifft insbesondere auf den Einsatz
von Selbstbeurteilungsinstrumenten zu (z.B. Draijer, 1988; Williams, 1994;
Widom & Shepard, 1996; Widom & Morris, 1997). Das Interview als
Erhebungsmethode wurde deshalb gegenüber Fragebögen bevorzugt, um die
Reliabilität und Validität der Daten zu verbessern. Um möglichst genaue
Informationen zu Schweregrad und Art der körperlichen Misshandlung und des
sexuellen Missbrauchs zu bekommen, enthält das STI eine Liste mit konkreten
Formen von Gewaltanwendungen von „einen Klaps geben/schlagen“ über „heftig
schlagen“ bis „Kleider vom Körper reißen“ und „über den Boden schleifen“ und in
Bezug auf sexuellen Missbrauch von „Berührungen“ über
„Vergewaltigung/Geschlechtsverkehr“ bis hin zu „sadistischen Handlungen“. Die
Fragen zum Missbrauch sind dabei in einen größeren Kontext von Fragen zu
Herkunftsfamilie, Beziehung zu den Eltern und Kindheitserlebnissen eingebettet.
32
Den Abschnitten zu physischer Misshandlung und sexuellem Missbrauch gehen
Einleitungen voraus, die den Kontext für die nachfolgende Erhebung der
Ereignisse herstellen. Statt einer einzigen Frage dienen mehrere Fragen dazu,
Vorfälle von kindlicher Misshandlung zu erheben, wobei Begriffe wie
„Missbrauch“ oder „Inzest“ vermieden und statt subjektiven eher
verhaltensbezogene Informationen erfragt werden.
Obwohl das STI in erster Linie dazu entwickelt wurde Kindheitserlebnisse zu
erfassen, beinhaltet ein Abschnitt auch Fragen zu sexueller oder körperlicher
Viktimisierung sowie zu anderen erschütternden Erlebnissen im späteren Leben,
d.h. nach dem Alter von 16 Jahren. Dadurch erhält der Interviewer einen
umfassenden Eindruck von der Lebenszeitprävalenz traumatischer Erlebnisse
der interviewten Person .
Vor der Datenerhebung durchliefen die Interviewerinnen ein ausführliches
Training um mit der Exploration sensibler Themen und möglichen
Gegenübertragungsreaktionen möglichst angemessen umgehen zu können und
die Interviews flexibel und in einem angenehmen Konversationsstil zu gestalten.
Das Wohlergehen der Patienten in der Interviewsituation war von höchster
Priorität. Falls Interviewpartner sehr „durcheinander“ oder aufgeregt waren,
wurde es als ratsam angesehen, das Interview abzubrechen. Dies war allerdings
nur bei vier Interviews notwendig. Am Ende des Interviews wird vom Interviewer
eine zusammenfassende Auswertung vorgenommen. Anhand einer dichotomen
Variable (1=“nein“ und 2=“ja“) werden dabei jeweils frühe Verlusterlebnisse (<
12. Lebensjahr), miterlebte Gewalt zwischen den Eltern, körperliche
Misshandlung durch eine (oder beide) Elternfiguren und sexueller Missbrauch
festgehalten. Außerdem wird die Chronizität und der Schweregrad der
körperlichen Misshandlung und des sexuellen Missbrauchs bewertet. Bei
sexuellem Missbrauch wird zusätzlich codiert, ob dieser intra- oder extrafamiliär
auftrat und ob es sich um einen oder mehrere Täter handelte. Durch diese
Bewertung ist es möglich, Traumagruppen verschiedener Schweregrade zu
bilden und diese in Hinblick auf unterschiedliche Fragestellungen auszuwerten.
In der vorliegenden Arbeit wurde die Bewertung unterschiedlicher Schweregrade
der Traumatisierungen bei der Datenauswertung nicht berücksichtigt. Es wurde
lediglich eingehend geprüft, ob definitionsgemäß eine sexuelle bzw. physische
Traumatisierung in der Kindheit vorlag (vgl. folgender Abschnitt).
33
Definition von sexuellem Missbrauch und physischer Misshandlung in der
Kindheit
Zur Auswertung der durch das STI erhobenen Daten bezüglich kindlicher
sexueller Erlebnisse wurde in der vorliegenden Untersuchung eine relativ eng
gefasste Definition von kindlichem sexuellem Missbrauch benutzt, die sexuellen
Körperkontakt vor dem Alter von 16 Jahren beinhaltete,. Dies betraf alle
sexuellen Berührungen, welche am eigenen Körper erfahren oder am Körper
einer anderen Person vorgenommen worden sind. Wichtig war dabei, dass die
betroffene Person keine Ablehnung bezüglich der vorgenommenen Handlungen
geäußert haben musste, da ein Kind kognitiv nicht in der Lage ist, sich wissend
für eine sexuelle Handlung zu entscheiden oder diese abzulehnen. Ebenso
stellte die Anwendung von Gewalt kein Definitionskriterium dar. Wenn eine
Person von mehr als einem Täter zu verschiedenen Zeiten sexuell missbraucht
wurde, wählte die Person das wichtigste Ereignis für die detaillierte Exploration
aus (Art des Missbrauchs, Alter bei Beginn, Beziehung zum Täter, Häufigkeit und
Dauer). Physische Misshandlung wurde als Kombination mehrerer
schwerwiegender aggressiver Handlungen durch die Eltern oder eine andere
Erziehungsperson definiert (z.B. getreten, geboxt, verbrüht oder mit
Gegenständen geschlagen werden). Weiter wurden in diese Kombinationen
auch Items zu so genannten „merkwürdigen Formen der Bestrafung“
einbezogen, wie festbinden, an den Haaren ziehen, die Kleider vom Körper
reißen, über den Fußboden schleifen und die Treppe hinunter werfen.
2.4.3 Psychopathologie
2.4.3.1 Diagnose nach ICD-10
Mini International Neuropsychiatric Interview (M.I.N.I.) und Strukturiertes
klinisches Interview für das DSM-IV (SKID-I)
Zur diagnostischen Einschätzung kam zunächst das „Mini International
Neuropsychiatric Interview“ (M.I.N.I.; Lecrubier et al., 1992) zum Einsatz.
Ergänzend wurde der Psychoseteil (Sektion B) des „Strukturierten klinischen
Interview für das DSM-IV“ (SKID-I; Wittchen et al., 1994) durchgeführt. Das
34
SKID-I bildet ein bewährtes standardisiertes Instrument für die Erfassung und
Diagnose von Achse-I-Störungen gemäß DSM-IV (APA; American Psychiatric
Association, 1994) und den Forschungskriterien der ICD-10 (WHO, 1999). Das
gesamte Interview dauerte in der Durchführung zwischen 30 und 60 Minuten und
folgte dem jeweiligen Explorationsleitfaden. Dieser enthält überwiegend offene
Fragen vom Interviewer, die durch Zusatzfragen und Ratingskalen, z.B. zur
Schwere einer Erkrankung, ergänzt werden. Je nach Relevanz können mittels
Sprungregeln bestimmte Diagnosekriterien übersprungen werden. Es erfolgt eine
Gesamtbeurteilung der Haupt- und Nebendiagnosen, die in eine
Kodierungsübersicht eingetragen werden. Für die vorliegende Untersuchung
wurden ausschließlich aktuelle Diagnosen erfasst (während der vier Wochen vor
der Befragung, aktuelle Episode). Abschließend erfolgte eine Zuordnung der
Diagnose aus dem SKID-I sowie dem M.I.N.I. zu den entsprechenden ICD-10
Diagnosen.
2.4.3.2 Psychosesymptomatik
Positive and Negative Syndrome Scale for Schizophrenia (PANSS)
Die „Positive and Negative Syndrom Scale for Schizophrenia“ (PANSS; Kay et
al., 1987) gehört zu den international am häufigsten eingesetzten Instrumenten
zur standardisierten Erfassung schizophrener Kernsymptome.
Die PANSS wurde entwickelt um schizophrene Positiv- und Negativsymptomatik
bzw. verschiedene Funktionsbereiche (affektiv, kognitiv, kommunikativ, sozial) zu
erfassen und zu quantifizieren. Das Instrument ermöglicht die Beurteilung von
jeweils sieben positiven und negativen Symptomen, sowie 16 allgemeinen
psychopathologischen Symptomen, die nicht eindeutig zugeordnet werden
können und basiert auf der „Brief Psychiatric Rating Scale“ (BPRS) und der
„Psychopathology Rating Schedule“ (PRS; Bell et al., 1992). Alle 30 PANSSItems werden nach ihrem Schweregrad durch eine 7-stufige Skala von „nicht
vorhanden“ bis „extrem“ beurteilt, wobei zu den einzelnen Skalenstufen eines
jeweiligen Symptoms detailliert formulierte Beispiele im dazugehörigen Manual
genannt werden. Die bei der vorliegenden Untersuchung eingesetzte Version der
PANSS enthielt zusätzlich fünf Items, die unter anderem
Assoziationslockerungen, inadäquaten Affekt, akustische und andere
35
Halluzinationen erfassten. Diese Items wurden bei der Bildung der
Originalscores der PANSS nicht berücksichtigt. Vor der Durchführung erhielten
die Interviewer eine Schulung durch externe Experten.
Interview zur Qualitativen Psychosesymptomatik (IQP)
Unter Berücksichtigung der allgemeinen Literatur zu qualitativen
Psychosesymptomen und der existierenden Literatur zu Traumatisierung bei
psychotischen Patienten wurde ein umfassendes halbstandardisiertes Interview
zusammengestellt, das der detaillierten Erhebung der psychotischen
Symptomatik dient (Aderhold et al., 2003).
Bei dem Entwurf des Interviews wurden zusätzlich Expertenbefragungen
durchgeführt (J. Read, Auckland; C. Ross, Dallas). Das Interview wurde im
Anschluss an das „Strukturierte Traumainterview (STI)“ durchgeführt und beginnt
mit der Erhebung von ergänzenden Informationen zu traumatischen
Erfahrungen. Diese betreffen z.B. die Frage, ob der Patient bisher über seine
Missbrauchserfahrungen mit anderen Menschen gesprochen hat und ob noch
Kontakt zum Täter besteht. Bei Durchführung des Interviews wird unterschieden
zwischen Patienten, die eine positive Traumanamnese aufwiesen und Patienten,
die nicht von traumatischen Erfahrungen berichten. Bei Letzteren werden die
entsprechenden Items übersprungen, die sich auf Missbrauch bzw.
Traumatisierung beziehen. Alle Patienten werden zu Beginn des Interviews in
einer offenen Fragestellung gebeten, in eigenen Worten zu beschreiben, warum
sie aus ihrer Sicht psychotisch geworden sind. Patienten mit einer positiven
Traumaanamnese werden zudem gebeten, auf einer vierstufigen Skala („gar
nicht“, „etwas“, „ziemlich“ oder „sehr“) einzuschätzen, inwiefern sie einen
Zusammenhang zwischen ihren belastenden Kindheitserlebnissen und ihrer
späteren psychotischen Erkrankung sehen. In Anlehnung an das
Stimmenhörerinterview (Romme & Escher, 2008) werden im darauf folgenden
Abschnitt Stimmenphänomene detailliert erhoben. Dabei wird zunächst erhoben,
ob der Patient überhaupt an Stimmenphänomenen leidet. Diesbezüglich erfolgte
bei der Auswertung zusätzlich ein Abgleich mit der PANSS. Der Patient wird
daraufhin gebeten, die gehörten Stimmen möglichst genau zu beschreiben
(Identität, Alter, Geschlecht und Tonfall) und sie einer Lokalisation zuzuordnen
(im Kopf, in den Ohren, anderswo im Körper oder im Raum). Weiter wird der
36
Patient gebeten, zwischen dem aktuellen Zeitpunkt („Wo hörten sie die Stimmen
zuletzt?“) und dem Beginn seiner Erkrankung zu differenzieren („Wo hörten Sie
die Stimmen zu Beginn der Erkrankung?“). Bei der späteren Auswertung dieser
Items erfolgte in Anlehnung an die Literatur zu „Pseudohalluzinationen“ eine
Dichotomisierung der Antwortmöglichkeiten („Stimmen werden im Kopf gehört“
vs. „Stimmen werden außerhalb des Kopfes gehört“).
Im nachfolgenden Abschnitt werden verschiedene Eigenschaften der Stimmen
(z.B. „Nicht unterscheidbar von den eigenen Gedanken“, „Traumartig“, „Sehr
real“) mit dichotomer Antwortmöglichkeit erfragt („Ja“ vs. „Nein“). Weiter wird
erhoben, ob der Patient die Stimmen im Augenblick der Wahrnehmung als ihm
eher „zugehörig“ oder „fremd“ erlebt und ob er sie als eher positiv (bzw.
„freundlich“) oder negativ (bzw. „unfreundlich“) empfindet. Zusätzlich wird in einer
Frage auf Themen eingegangen, über die die Stimmen sprechen. Der Patient
wird diesbezüglich aufgefordert auch konkrete Beispiele zu nennen.
In einem weiteren Abschnitt wird der Patient gebeten zu beurteilen, inwiefern
er/sie die Stimmen in irgendeiner Weise positiv beeinflussen kann, ob er/sie sich
den Stimmen gegenüber machtlos fühlt, bzw. inwiefern die Stimmen Kontrolle
über den Patienten haben. Die vierstufige Antwortskala („gar nicht“/ „etwas“/
„ziemlich“/„sehr“) wurde in der Auswertung dichotomisiert. Die Patienten, die als
traumatisiert eingestuft wurden, wurden zudem dazu befragt, inwiefern die von
ihnen gehörten Stimmen Ähnlichkeiten zu den Stimmen der entsprechenden
Täter aufwiesen.
Das Interview enthält weiterhin Abschnitte zu anderen besonderen
Sinneswahrnehmungen (optisch, haptisch, olfaktorisch), zu Wahninhalten
(Beziehungswahn, Verfolgungswahn, religiöser Wahn, sexuelle Wahninhalte,
Größenwahn) und Ich-Störungen (Gedankenlautwerden, Gedankenausbreitung,
Gedankenentzug, Gedankeneingebung/-übertragung und
Fremdbeeinflussungserlebnisse). Dabei gibt der Patient zunächst an, ob er diese
Form von Sinneswahrnehmungen erlebt und hat gegebenenfalls die Möglichkeit,
diese anschließend in seinen eigenen Worten zu beschreiben.
37
2.5 Stichprobenansatz
Es wurden Patientinnen und Patienten untersucht, die konsekutiv auf der offenen
Psychosestation der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der
Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf (UKE) aufgenommen wurden.
Einschlusskriterien
•
Alter von 18-65 Jahren
•
„F2-Diagnose“ nach ICD-10 (F 20-F 29)
Ausschlusskriterien
•
Organische, alkohol- oder drogenbedingte psychotische Störungen
•
Keine ausreichenden Deutschkenntnisse, um eine zuverlässige Befragung
durchzuführen
•
Thematisierung des Missbrauchs erscheint klinisch kontraindiziert
(z.B. bei akuter Suizidalität)
•
Stationärer Aufenthalt umfasste < vier Tage
•
Kognitive Einschränkungen durch Intelligenzminderung oder dementielles
Syndrom
•
Keine ausreichende psychische Stabilität vorhanden
2.6 Ethische Aspekte
Durch die Ethikkommission der Hamburger Ärztekammer wurde die vorliegende
Untersuchung begutachtet und ein positives Votum erteilt. Die teilnehmenden
Patientinnen und Patienten wurden ausführlich über die Ziele der Studie, die
Vorgehensweisen und potentiellen Belastungen im Rahmen der Untersuchung
informiert. Vor der Durchführung wurde von allen Teilnehmerinnen und
Teilnehmern ein schriftliches Einverständnis eingeholt.
38
2.7 Vorgehen bei der Datenerhebung
Die Erhebung der Daten gliederte sich in zwei Abschnitte, die
„Aufnahmeuntersuchung“ (t1) und die „Hauptuntersuchung“ (t2), wenn der
Patient ausreichend stabil erschien. Gegebenenfalls erfolgte zusätzlich ein
Abschlussgespräch zum Entlassungszeitpunkt. Die Reihenfolge der einzelnen
Instrumente findet sich in Tabelle 1.
Aufnahme-Untersuchung (t1)
Es wurde angestrebt, das initiale Interview während der ersten sieben Tage der
stationären Aufnahme durchzuführen. Zuerst wurde die „Positive and Negative
Syndrome Scale for Schizophrenia“ (PANSS, vgl. 2.4.3.2) und das
„Soziodemographische Interview“ (SGI, vgl. 2.4.1) durchgeführt. Der Patient
wurde außerdem gebeten, den „Fragebogen zu dissoziativen Symptomen“ (FDS,
vgl. 2.3) auszufüllen. Dieser Zeitpunkt lag im Mittel 5,4 Tage (SD=6,04) nach
Aufnahme. Der oder die Untersucher/in stand während des Ausfüllens des
Fragebogens für eventuelle Fragen zur Verfügung. Weiter wurden „Mini
International Neuropsychiatric Interview“ und „Strukturiertes Klinisches Interview
für DSM-IV“ (M.I.N.I.,vgl. 2.4.3.1; bzw. SKID-I, vgl. 2.4.3.1) von einem geschulten
Mitarbeiter durchgeführt.
Hauptuntersuchung (t2)
Wenn der Patient nach Abstimmung mit dem Behandlungsteam eine
ausreichende Stabilität erreicht hatte, wurde der zweite Abschnitt der Befragung
durchgeführt. Dieser Zeitpunkt lag im Mittel 19,4 Tage (SD=10,11) nach
Aufnahme. Für diesen Termin wurde besonders darauf geachtet, dass
ausreichend Zeit zur Verfügung stand und es wurde eine möglichst entspannte
Interview-Atmosphäre angestrebt. Zunächst wurde dann erneut der „Fragebogen
zu dissoziativen Symptomen“ (FDS), sowie das „Parental Bonding Instrument“
(PBI) und das „Childhood Trauma Questionnaire“ (CTQ) (FDS, PBI und CTQ,
vgl. 2.3) vorgelegt. Anschließend folgte das Kerninstrument der
Hauptuntersuchung, das „Strukturierte Trauma Interview“ (STI, vgl. 2.4.2), zur
Exploration potentiell traumatisierender Erfahrungen in der Kindheit. Falls der
Patient über eine Traumatisierung im Kindesalter berichtet hatte, wurde danach
39
ein Modul des Strukturierten Klinischen Interviews für DSM-IV zur Diagnostik der
Posttraumatischen Belastungsstörung durchgeführt (SKID-PTBS, vgl. 2.3.).
Anschließend folgte das „Interview zur qualitativen Psychosesymptomatik“ (IQP,
vgl. 2.4.3.2). Nach Beendigung des Interviews wurde der Patient zu seiner
emotionalen Lage befragt und ihm angeboten, bei Bedarf jederzeit Hilfe durch
Mitglieder des Behandlungsteams in Anspruch zu nehmen. Hierbei zeigte sich,
dass das Interview auf zwölf aller befragten Patienten (10,8%) einen „großen“
oder „sehr großen“ emotionalen Eindruck gehabt hatte. Der hauptsächliche Teil
der Patienten wurde als „mäßig“ bis „gar nicht“ emotional beeindruckt
eingeschätzt. Insgesamt zeigte sich bei der Hauptuntersuchung, dass die
vorgelegten selbstauszufüllenden Fragebögen von allen Patienten bearbeitet
werden konnten, wobei in einigen Fällen gemeinsame Durchsicht und
Unterstützung durch den Interviewer notwendig war.
Abschlussinterview (t3)
In zeitlicher Nähe zum Entlassungstermin diente ein halbstandardisiertes, 10 bis
20 Minuten dauerndes Einzelinterview dazu, eine abschließende Einschätzung
zur Erhebung durch den Patienten und den Behandler zu erhalten. Dabei wurden
lediglich die Patienten befragt, die in der Hauptuntersuchung über sexuellen
Missbrauch und/oder physische Misshandlung berichtet hatten bzw. als
„traumatisiert“ eingestuft wurden (N=37) und diejenigen, die explizit ein
abschließendes Gespräch wünschten, auch wenn keine kindliche
Traumatisierung berichtet wurde. Insgesamt wurde mit 20 der traumatisierten
Patienten ein Abschlussgespräch geführt, mit den weiteren 17 Patienten der
Traumagruppe wurden vergleichbare Gespräche mit Personen des
Behandlungsteams geführt, die nicht in die Datenauswertung eingeflossen sind.
Insgesamt gaben 15 der traumatisierten Patienten (75,0%) mit denen ein
Abschlussgespräch geführt wurde an, dass ihnen das Interview geholfen habe,
lediglich fünf dieser Patienten (25,0%) empfanden keine Hilfe durch das
Interview. Auf die Frage, wie belastend das Interview für die Betroffenen war,
gaben elf Patienten (55,0%) „gar nicht“ oder „etwas“ an. Dagegen empfanden
neun Patienten (45,0%) die Befragung als „ziemlich“ oder „sehr“ belastend.
Insgesamt fühlten jedoch 17 dieser Patienten (85,0%) zu dem Zeitpunkt des
Abschlussgespräches eine gewisse Entlastung durch das Interview, lediglich drei
40
der Patienten (15,0%) gaben zu dem entsprechenden Zeitpunkt an, dass das
Interview sie durch die wiederkehrenden Erinnerungen eher belastet hätte. Ein
Patient berichtet direkt, dass es gut gewesen sei, „sich die Erinnerungen von der
Seele zu reden“, eine weitere Patientin entdeckte Zusammenhänge zwischen
ihren Stimmenphänomenen und den traumatischen Erlebnissen in ihrer Kindheit.
Bei acht Patienten der Traumagruppe (21,6 %) wurden Themen, vorwiegend
resultierend aus dem Traumainterview oder aus den anderen
Studieninstrumenten der Hauptuntersuchung mit Mitgliedern des stationären
Behandlungsteams weiter bearbeitet und in die stationäre Behandlung integriert.
Außerdem erfolgte bei acht dieser Patienten (21,6%) die Vermittlung in eine
geeignete ambulante Psychotherapie.
Tabelle 1: Reihenfolge der eingesetzten Instrumente
Patient
Untersucher/in
Aufnahme-Untersuchung (t1)
1. Fragebogen zu dissoziativen
Symptomen (FDS)
1.
Positive and Negative Syndrome
Scale (PANSS)
2. Strukturiertes Klinisches Interview für
das DSM-IV (SKID-I) bzw. Mini
Neuropsychiatric Interview (MINI)
3. Soziodemographisches Interview
(SGI)
Hauptuntersuchung (t2)
1.
4.
2.
3.
Fragebogen zu dissoziativen
Symptomen (FDS)
Parental Bonding Interview (PBI)
Childhood Trauma Questionnaire
(CTQ)
5.
6.
7.
Positive and Negative Syndrome Scale
(PANSS)
Strukturiertes Trauma Interview (STI)
SKID-Modul zur Posttraumatischen
Belastungsstörung (SKID-PTBS)
Interview zur Qualitativen
Psychosesymptomatik (IQP)
Abschlussgespräch (t3)
2.8 Auswertungsverfahren
Zur Beantwortung der Fragestellungen kamen zunächst die Methoden der
deskriptiven Statistik zur Anwendung (statistische Kennwerte, Tabellen). Die
Fragen nach Gruppenunterschieden wurden mittels Chi-Quadrat-Test, Fisher’s
Exact Test und mit t-Tests für unabhängige Stichproben überprüft. Nach den
allgemeinen Konventionen wurden Gruppenunterschiede dann als signifikant
41
bewertet, wenn die Irrtumswahrscheinlichkeit 5% und weniger betrug (p<0,05), pWerte zwischen 0,05 und 0,1 wurden als Trend bewertet.
Zur Auswertung wurde das „Statistical Package for the Social Sciences“ (SPSS,
Version 13.0) eingesetzt.
42
3. Ergebnisse
3.1 Art der Ergebnisdarstellung
Zunächst werden die Stichprobe und Teilnehmerquote präsentiert. Anschließend
erfolgt die Darstellung der Ergebnisse zu den einzelnen drei Merkmalsbereichen
entsprechend der unter „Konzeptualisierung der Merkmalsbereiche“ (s.2.3)
vorgenommenen Gliederung.
Nach den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGP,
1997) werden für statistische Kennwerte die englischen Symbole benutzt.
Prozentzahlen werden zur besseren Übersicht gerundet. Die verschiedenen
Untersuchungszeitpunkte sind folgendermaßen benannt: „t1“ bezeichnet die
Aufnahme-Untersuchung und „t2“ die Hauptuntersuchung.
3.2 Darstellung der Stichprobe
3.2.1 Stichprobengröße und Teilnehmerquote
Die Rekrutierungszeit der vorliegenden Studie begann am 05.05.2004 und
endete am 05.05.2007. In diesem Zeitraum wurden 510 verschiedene Patienten
aufgenommen, von denen 215 (42,2 %) die Einschlusskriterien erfüllten. Von
diesen 215 Patienten konnten 119 (55,3%) zunächst in die Studie
eingeschlossen werden. Es mussten insgesamt acht Patienten später
ausgeschlossen werden, da sie extrem widersprüchliche Angaben gemacht
hatten bzw. im Nachhinein andere Diagnosen erhielten. Es wurden also
letztendlich 111 Interviews für den entsprechenden Zeitraum ausgewertet.
Von den 96 (44,7%) Patienten, die trotz erfüllter Einschlusskriterien nicht
teilnahmen, lehnten 74 (77,1%) die Teilnahme an der Studie ab. Dabei war bei
drei dieser Patienten ein traumatisches Erlebnis im Kindes- bzw.
Erwachsenenalter bekannt und die Betroffenen wünschten keine erneute
Exploration. Bei sechs Patienten kam es zu einem kurzfristigen Therapieabbruch
(Entlassung gegen ärztlichen Rat) und zwölf Patienten erreichten während ihres
43
Aufenthalts keine ausreichende psychische Stabilität um das umfangreiche
Interview durchzuführen. Bei vier Patienten wurde das Interview im Verlauf
abgebrochen. Dies geschah in drei Fällen auf Wunsch des interviewten
Patienten und einmal entschied sich der Interviewer für einen Abbruch des
Gespräches, da der Patient zunehmend unruhig wurde und letztlich kaum mehr
in der Lage war die Fragen zu beantworten.
Tabelle 2: Teilnehmerquote und Dropout-Rate
N
%
Einschlusskriterien erfüllt
215
100,0
Studienteilnahme abgelehnt
74
34,4
Keine ausreichende Stabilität
12
5,6
Kurzfristiger Therapieabbruch
6
2,8
Abbruch des Interviews
4
1,9
Teilnahme an der Studie
119
55,3
Gewertete Interviews
111
51,6
erreicht
3.3 Ergebnisse der einzelnen Merkmalsbereiche
3.3.1 Soziodemographische Daten
Das Durchschnittsalter der Stichprobe betrug M=34,1 Jahre (SD=11,4; Range=
18-65), wobei 59,5% der befragten Patienten zwischen 18 und 35 Jahre alt
waren.
Insgesamt waren 35 (31,5%) der teilnehmenden Patienten weiblichen
Geschlechts und 76 (68,5%) männlichen Geschlechts. Diese unterschiedliche
Geschlechterverteilung lässt sich zumindest teilweise durch die Pilotstudie zur
vorliegenden Untersuchung erklären, in die lediglich weibliche Patienten
eingeschlossen wurden. Viele Teilnehmerinnen der Pilotstudie waren im
Zeitraum der aktuellen Studie erneut auf der Station in Behandlung, wurden
jedoch kein weiteres Mal befragt. Im Folgenden werden die im
soziodemographischen Interview erhobenen Daten dargestellt (Tabelle 3).
44
Tabelle 3: Familien- und Wohnsituation
Nationalität
Partnerschaft
Familienstand
Kinder
Wohnsituation
N
%
Deutsch
101
91,0
Andere
10
9,0
Ja
28
25,2
Nein
81
73,0
Unklar
2
1,8
Ledig
91
82,0
Verheiratet
10
9,0
Geschieden
7
6,3
Getrennt lebend
2
1,8
Verwitwet
1
0,9
Ja
22
19,8
Nein
89
80,2
Eigene Wohnung
69
62,2
Wohnung der Eltern
22
19,8
Übergangswohnheim
6
5,4
Betreutes Wohnen
4
3,6
Obdachlos
2
1,8
Anderes
8
7,2
Anmerkung. N=111
Es zeigte sich, dass der überwiegende Teil der Patienten die deutsche
Nationalität hatte (91,0%). Ein großer Teil war ledig (82,0%) und hatte keine
Kinder (80,2%). Die beiden häufigsten Wohnformen waren eine eigene Wohnung
oder die Wohnung der Eltern (82,0%).
Die Daten der Stichprobe bezüglich Bildungsstand und beruflicher Situation sind
in Tabelle 4 dargestellt.
45
Tabelle 4: Bildungs- und berufliche Situation
Schulabschluss
N
%
Sonderschule
1
0,9
Hauptschule
23
20,7
Realschule
36
32,4
Abitur
42
37,8
Kein Abschluss
2
1,8
7
4,5
Lehre
37
33,3
Meister
1
0,9
Universität
14
12,6
ohne Abschluss
45
40,5
14
12,6
Wehr/Zivildienst/FSJ
1
0,9
Ausbildung
12
10,8
Feste Beschäftigung
14
12,6
Gelegentlich beschäftigt
6
5,4
Beschützt beschäftigt
1
0,9
Arbeitslos gemeldet
39
35,1
Ohne berufliche Beschäftigung
7
6,3
22
19,8
9
8,1
Sonstiges
Berufsabschluss
Sonstiges
Aktuelle berufliche Situation
Rente
1
2
3
Unbekannt
1
2
3
z.B. noch in der Schule. z.B. noch in der Ausbildung. z.B. Berufsunfähigkeitsrente, Frührente/ Altersrente/Pension
oder Witwenrente. Anmerkung. N=111.
Der überwiegende Teil der Patienten hat einen abgeschlossenen
Realschulabschluss oder das Abitur (70,2%). Bezüglich eines Berufsabschlusses
zeigte sich, dass die meisten Patienten eine Lehre absolviert hatten (33,3%)
oder ohne Berufsabschluss waren (40,5%). Es zeigte sich, dass mehr als ein
Drittel der Patienten zum Befragungszeitpunkt arbeitslos gemeldet war (35,1%)
und nur ein geringer Anteil der Patienten (12,6%) befand sich in einem festen
Arbeitsverhältnis.
46
3.3.2 Potentiell traumatische Erlebnisse im Kindesalter
Anhand der Daten des Strukturierten Trauma Interviews (STI, siehe 2.4.2)
wurden verschiedene Gruppen im Hinblick auf kindliche traumatische Ereignisse
gebildet. Wie im Methodenteil erläutert, erfolgte zunächst eine sorgfältige
Überprüfung der Daten auf die geforderte Definition für sexuellen Missbrauch
und körperliche Misshandlung. Anschließend wurden die Patienten mit positiver
Missbrauchsanamnese noch einmal genauer bezüglich Schweregrad und
Chronizität der traumatischen Ereignisse anhand der zusammenfassenden
Auswertung im „Strukturierten Trauma Interview“ untersucht und gegebenenfalls
als „traumatisiert“ eingestuft. Es ergibt sich eine Einteilung der kindlichen
traumatischen Erlebnisse in die vier Gruppen: Keine Traumatisierung,
Traumatisierung durch physische Misshandlung, Traumatisierung durch sexuelle
Misshandlung und Traumatisierung sowohl durch körperliche als auch durch
sexuelle Misshandlung.
Nach sorgfältiger Überprüfung der Daten konnte bei insgesamt 30 der
interviewten Patienten (27%) eine physische Misshandlung im Kindesalter
festgestellt werden (davon weibliche Patienten: N=10, 33,3%; männliche
Patienten: N=20, 66,6%). Hierbei handelte es sich zumeist um körperliche
Bestrafung durch die Eltern aber auch andere Elternfiguren (N=28, 93,3%). So
berichtete ein Patient von schwerster physischer Gewalt durch Erzieher im
Internat, wobei er vor anderen Kindern bis zur Bewusstlosigkeit „ausgepeitscht“
worden sei. Ein weiterer Patient erlebte schwere körperliche Misshandlungen
durch die eigene Großmutter, die ihn regelmäßig so brutal mit Gegenständen
geschlagen habe, dass dies körperliche Verletzungen zur Folge gehabt habe.
Insgesamt gaben 27 Patienten (24,3%) an, negative sexuelle Erfahrungen vor
dem Alter von 16 Jahren gemacht zu haben. Die Gruppe der Patienten mit einem
sexuellen Missbrauch mit Körperkontakt beinhaltete insgesamt 18 Patienten
(16,2%; davon weibliche Patienten: N=7, 38,9%; männliche Patienten: N=11,
61,1%), wobei sich darunter vier Patienten befanden, bei denen ein kindlicher
sexueller Missbrauch zum Interviewzeitpunkt bereits bekannt war und die explizit
keine erneute Exploration wünschten. Insgesamt kam es bei vier (22,2%) dieser
Patienten im Rahmen des Missbrauchs zur Berührung der eigenen
Geschlechtsteile durch den Täter. Weitere vier (22,2%) Patienten wurden dazu
47
genötigt die Geschlechtsteile des Täters zu berühren. Insgesamt berichteten drei
(16,6%) Patienten von einer Vergewaltigung, die in zwei Fällen oralen Sex mit
einschloss und in einem Fall zusätzlich eine Penetration mit Gegenständen. Zwei
(11,1%) Patienten berichteten von oralem Sex und eine (5,5%) Patientin von
einer Penetration mit Gegenständen. Dabei gaben vier (22,2%) Patienten an,
dass im Rahmen des Missbrauchs Gewalt gegen sie angewendet wurde und
weitere drei Patienten wurden in der entsprechenden Situation mit einer Waffe
bedroht. Bezüglich der genannten Täter zeigte sich, dass es sich in zwei (16,6%)
Fällen um eine intrafamiliäre Person und in elf Fällen (44,4%) um eine
extrafamiliäre Person handelte. Ein Patient (5,5%) gab mehrere Erlebnisse an,
wobei es sich um Täter aus beiden Bereichen handelte. Innerhalb der Gruppe
der Patienten mit sexuellem Missbrauch handelte es sich in acht (44,4%) Fällen
um einmalige Ereignisse und in sechs (33,3%) Fällen um wiederholte Ereignisse.
Nach den geforderten Definitionen für kindliche Traumatisierungen konnte bei 11
Patienten (9,9%) sowohl ein sexueller Missbrauch als auch eine körperliche
Misshandlung im Kindesalter festgestellt werden. Insgesamt erlebten 37 (33,3%)
Patienten demnach entweder eine körperliche und/oder eine sexuelle
Traumatisierung vor dem 16. Lebensjahr.
Tabelle 5: Häufigkeiten von sexuellem und physischem Missbrauch im
Kindesalter
N
%
Kein Missbrauch
70
63,1
Nur sexueller Missbrauch
7
6,3
Nur physische Misshandlung
19
17,1
Sowohl physischer als auch sexueller Missbrauch
11
9,9
Unklar
4
3,6
Anmerkung. N= 111
48
3.3.3 Psychopathologie
3.3.3.1 Diagnose nach ICD-10
Anhand des SKID-I (siehe 2.4.3.1.) erhielten über zwei Drittel der
Gesamtstichprobe (N=83, 74,8%) die Diagnose einer Schizophrenie und über ein
Fünftel (N=26, 23,4%) die Diagnose einer schizoaffektiven Störung (Tabelle 6).
Tabelle 6: Diagnosen der Gesamtstichprobe nach ICD-10
N
%
Schizophrenie (F20)
83
74,8%
Schizoaffektive Störung (F25)
26
23,4%
Nicht näher bezeichnete nichtorganische Psychose (F29)
1
0,9%
Wahnhafte Störung (F22)
1
0,9%
Anmerkung. N= 111
3.3.3.2 Psychotische Symptome
3.3.3.2.1 Symptomatik anhand der PANSS
Die Mittelwerte der Subskalen sowie die Summenscores der PANSS (vgl.
2.4.3.2) der Gesamtstichprobe zu den beiden Untersuchungszeitpunkten finden
sich in Tabelle 7.
Tabelle 7: PANSS-Werte der Gesamtstichprobe zu T1 und T2
PANSS
T1
T2
M (SD)
Min - Max
M (SD)
Min-Max
Positivsymptomatik
18,3 (5,3)
8 - 32
14,4 (4,5)
7-30
Negativsymptomatik
20,8 (6,0)
7 - 36
18,3 (4,9)
7-28
Globale Symptomatik
41,8 (8,6)
20 - 61
35,1 (7,5)
18-53
Summenscore
80.9 (15,5)
39 - 121
67,8 (13,9)
34-101
Anmerkungen. PANSS t1: N=79, PANSS t2: N=82.
Zu beiden Untersuchungszeitpunkten (T1, T2) wurden die Mittelwerte der
einzelnen Symptombereiche (Positiv-, Negativ- und Globalsymptomatik sowie
49
Summenscore) zwischen der Traumagruppe und Nicht-Traumagruppe
verglichen. Die Ergebnisse sind in Tabelle 8 und 9 dargestellt. Hierbei zeigt sich,
dass die entsprechenden Mittelwerte der Traumagruppe stets höher lagen als
die Werte der Nicht-Traumagruppe. Als statistisch signifikant kann der
Unterschied zwischen Trauma- und Nicht-Traumagruppe bezüglich des
Summenscores zum Zeitpunkt T1 bewertet werden (df=70, p= 0,04). Zum
Zeitpunkt T2 kann der Mittelwertsunterschied im Bereich Positivsymptomatik
zwischen den beiden Gruppen als Trend bewertet werden (df= 78, p=0,07).
Tabelle 8: PANSS (T1) bei Patienten mit und ohne Traumatisierungen
Trauma
Nicht Trauma
M (SD)
M (SD)
df/p
Positivsymptomatik
18,9 (5,5)
17,6 (5,0)
74/0,65
Negativsymptomatik
20,5 (5,8)
20,8 (6,0)
74/0,73
Globale Symptomatik
43,6 (7,4)
40,5 (8,9)
74/0,45
Summenscore
83,0 (12,5)
78,8 (6,6)
70/0,04
Anmerkungen. N=76, davon „Trauma vorhanden“: N=27, „kein Trauma“: N= 49.
Tabelle 9: PANSS (T2) bei Patienten mit und ohne Traumatisierungen
Trauma
Nicht Trauma
M (SD)
M (SD)
df/p
Positivsymptomatik
14,6 (5,7)
14,1 (3,9)
78/0,07
Negativsymptomatik
18,4 (5,3)
18,2 (4,8)
78/0,36
Globale Symptomatik
36,3 (8,3)
34,9 (7,0)
78/0,21
Summenscore
69,3 (15,9)
66,8 (12,9)
78/0,33
Anmerkungen. N=80, davon „Trauma vorhanden“: N=26, „kein Trauma“: N= 54.
3.3.3.2.2 Stimmenphänomene
Insgesamt gaben über die Hälfte aller befragten Patienten an, Stimmen zu
hören. Dies betraf 57,1% (N=20) der Patienten mit kindlicher Traumatisierung
und 58,0% (N=40) ohne solche Erlebnisse. Dieser Gruppenunterschied erwies
sich nicht als statistisch signifikant (df=1, p=0,94). Dabei konnte ein Teil der
Patienten zu verschiedenen Fragen keine genaueren Angaben machen. Dies
50
betraf insbesondere den Abschnitt zu Lokalisation und emotionaler Qualität von
Stimmenphänomenen. Bezüglich der Lokalisation der Stimmen zum aktuellen
Zeitpunkt gaben 78,9% (N=15) der Patienten mit traumatischen
Kindheitserlebnissen an, diese aktuell „im Kopf“ wahrzunehmen, während dies
lediglich die Hälfte der Patienten ohne kindliche Traumatisierung betraf (N=21,
55,3%). Dieser Gruppenunterschied erwies sich ebenfalls nicht als statistisch
signifikant, konnte jedoch als Trend gewertet werden (df=1, p=0,08). Auch auf
die Frage „Wo hörten Sie die Stimmen zu Beginn ihrer Erkrankung“ ergaben sich
keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen den Patienten mit und
ohne kindlicher Traumatisierung (63,2% vs. 60%; df=1, p=0,82).
Tabelle 10: Lokalisation der Stimmen bei Patienten mit und ohne
Traumatisierungen
Trauma Nicht
Trauma
(N/%)
(N/%)
Gesamt
(N/%)
χ2/df/p
Ja
20/57,1
40/58,0
60/54,1
0,007/1/0,94
Nein
15/42,9
29/42,0
44/39,6
Innerhalb des Kopfes
15/78,9
21/55,3
36/63,2
Außerhalb des Kopfes
4 /21,4
17/44,7
21/36,8
Innerhalb des Kopfes
12/63,2
21/60,0
33/61,1
Außerhalb des Kopfes
7 /36,8
14/40,0
21/38,9
Werden Stimmen gehört
Lokalisation Stimmen aktuell
3.054/1/0,08
Lokalisation Stimmen zu Beginn
0,052/1/0,82
Anmerkungen. „Werden Stimmen gehört“: N=104, davon „Trauma vorhanden“: N= 35, „kein Trauma“: N=69; „Lokalisation
Stimmen aktuell“: N=57, davon „Trauma vorhanden“: N=19, „kein Trauma“: N= 38; „Lokalisation Stimmen zu Beginn“:
N=54, davon „Trauma vorhanden“: N=19,„ kein Trauma“: N=35.
In Bezug auf die Qualität der Stimmen empfanden zwei Drittel (N=14, 66,7%) der
Patienten mit positiver Traumanamnese die Stimmen als „nicht unterscheidbar
von den eigenen Gedanken“ gegenüber etwa einem Drittel (N=11, 28,9%) der
Patienten ohne Traumatisierung. Dieser Gruppenunterschied erwies sich als
statistisch signifikant (df=1, p<0,01). Alle Patienten mit kindlicher
Traumatisierung empfanden sich als „machtlos“ gegenüber ihren Stimmen
51
(N=20, 100%), wobei dies drei Viertel (N=29, 78,4%) der Patienten ohne
kindliche Traumatisierungen betraf. Auch dieser Gruppenunterschied erwies sich
damit als statistisch signifikant (df=1, p=0,03, Fisher’s Exact Test: p=0,04).
Bezüglich der Eigenschaften „traumartig“, „sehr real“ und “zugehörig vs. fremd“
konnten keine Gruppenunterschiede gefunden werden (Tabelle 11).
Tabelle 11: Ich-Nähe der Stimmen bei Patienten mit und ohne
Traumatisierungen
Trauma
Gesamt
(N/%)
Nicht
Trauma
(N/%)
(N/%)
χ2/df/p
Ja
(14/66,7)
(11/28,9)
(25/42,4)
7,881/1/<0,01
Nein
(7 /33,3)
(27/71,1)
(34/57,6)
Ja
(9 /45,0)
(10/27,0)
(19/33,3)
Nein
(11/55,0)
(27/73,0)
(38/66,7)
Ja
(16/80,0)
(31/79,5)
(47/79,7)
Nein
(4 /20,0)
8 /20,5)
(12/20,3)
Zugehörig
(4 /20,0)
(10/26,3)
(14/24,1)
Fremd
(16/80,0)
(28/73,7)
(44/75,9)
Ja
(10/50,0)
(17/47,2)
(27/48,2)
Nein
(10/50,0)
(19/52,8)
(29/51,8)
Ja
(20/100,0)
(29/78,4)
(49/86,0)
Nein
(0 /0,0)
(8/21,6)
(8 /14)
Nicht unterscheidbar von den
eigenen Gedanken
Traumartig
1,887/1/0,17
Sehr real
0,002/1/0,96
Zugehörig oder fremd
0,285/1/0,59
Positive Beeinflussung möglich
0,040/1/0,84
Machtlosigkeit gegenüber
Stimmen
5.030/1/0,03*
52
Anmerkungen. “Nicht unterscheidbar von den eigenen Gedanken”: N=59, davon „Trauma vorhanden“ : N= 21, „kein
Trauma“ :N= 38; „Traumartig“: N= 57, davon „Trauma vorhanden“: N=20, „kein Trauma“: N=37; „Sehr real“: N= 59, davon
„Trauma vorhanden“: N=20, „kein Trauma“: N=39; „Zugehörig oder fremd“: N= 58, davon “Trauma vorhanden: N=20,
„kein Trauma“: N= 38; „Positive Beeinflussung möglich“: N= 58, davon „Trauma vorhanden“: N=20, „kein Trauma“: N= 36;
„Machtlosigkeit gegenüber Stimmen“: N= 57, davon „Trauma vorhanden“: N= 20, „kein Trauma“: N= 37. * Fisher’s Exact
Test p=0,041.
Bezüglich der emotionalen Qualität der Stimmenphänomene berichteten 85%
(N=17) der Patienten mit kindlicher Traumatisierung, dass diese einen
ausschließlich negativen Charakter aufweisen würden gegenüber 51,3% (N=20)
der Patienten ohne kindliche Traumatisierung. Dieser Gruppenunterschied war
damit statistisch signifikant (df=1, p=0,01). Keine Unterschiede zeigten sich in
Bezug auf positive Stimmen oder das Vorhandensein von Stimmen mit sowohl
positiver als auch negativer Qualität (Tabelle 12).
Tabelle 12: Emotionale Qualität der Stimmen bei Patienten mit und ohne
Traumatisierungen
Trauma
Gesamt
(N/%)
Nicht
Trauma
(N/%)
(N/%)
χ2/df/p
Ja
(12/40,0)
(18/50,0)
(30/53,6)
0,517/1/0,47
Nein
(8 /60,0)
(18/50,0)
(26/46,4)
Ja
(17/85,0)
(20/51,3)
(37/62,7)
Nein
(3 /85)
(19/48,7)
(22/37,3)
(9 /45,0)
(11/29,7)
(20/35,1)
(11/55,0)
(26/70,3)
(37/64,9)
Positive Stimmen vorhanden
Negative Stimmen vorhanden
6,428/1/0,01
Positive und Negative
Ja
Stimmen vorhanden
Nein
1,329/1/0,25
Anmerkungen. „Positive Stimmen vorhanden“: N=56, davon „Trauma vorhanden“: N=20, „kein Trauma“: N=36; „Negative
Stimmen vorhanden“: N= 59, davon „Trauma vorhanden“: N= 20, „kein Trauma“: N= 39; „Positive und negative Stimmen
vorhanden“: N= 57, davon „Trauma vorhanden“: N= 20, „kein Trauma“: N= 37.
Nach konkreteren Inhalten befragt, berichtete über die Hälfte der Patienten mit
positiver Traumaanamnese von entwertenden und beschimpfenden
Stimmeninhalten. So berichtete eine Patientin, die im Alter von sechs Jahren von
zwei fremden Männern sexuell missbraucht wurde, über mehrere Stimmen, die
sie in bedrohlicher Weise vor einer Vergewaltigung warnten. Ein männlicher
53
Patient, der im Alter von sechs Jahren von seinem Bruder sexuell missbraucht
worden war, berichtet über Stimmen, die ihn als „Schwuchtel“ und „schwulen
Sack“ bezeichnen. Ein weiterer männlicher Patient, der in der Kindheit von
seinen Eltern aufs schwerste physisch misshandelt wurde, hört die Stimmen der
Eltern, die ihn u.a. als „wertlos“ bezeichneten. Insgesamt berichteten fünf (N=22,
22,7%,) derjenigen Patienten, die Stimmen hören und als traumatisiert eingestuft
wurden, zeitweise die Stimme des entsprechenden Täters zu hören. Im
Gegensatz dazu berichteten Patienten ohne Traumaanamnese eher von
„telepathischen Stimmen“, Stimmen „aus dem Fernseher“ oder „aus dem Radio“.
In beiden Gruppen berichteten die Patienten gleichermaßen von imperativen und
entwertenden Stimmeninhalten, die dazu aufforderten sich das Leben zu
nehmen oder Dinge zu zerstören.
3.3.3.2.3 Weitere Halluzinationen
Weitere besondere Sinneswahrnehmungen im Sinne optischer, haptischer,
olfaktorischer oder gustatorischer Halluzinationen traten bei über der Hälfte der
Gesamtstichprobe auf (N= 59, 58,4%; siehe Tabelle 13). Dies betraf die Hälfte
der Patienten mit kindlicher Traumatisierung (N=17, 50,0%) und ca. zwei Drittel
der Patienten ohne kindliche Traumatisierung (N=42, 62,7%). Dieser
Gruppenunterschied erwies sich nicht als statistisch signifikant (df=1, p=0,22).
Lediglich in Bezug auf haptische Halluzinationen zeigten sich signifikante
Unterschiede. Hier gaben 15,6% (N=5) der Patienten mit kindlicher
Traumatisierung an haptische Halluzinationen zu erleben gegenüber einem
Drittel (N=23, 34,8%) der Patienten ohne kindliche Traumatisierung (df=1,
p=0,048; siehe Tabelle 13). Gleichwohl schienen sich auch im Falle anderer
Sinneswahrnehmungen bei verschiedenen Patienten mit traumatischen
Erfahrungen diese in den entsprechenden Halluzinationen wider zu spiegeln. So
beschrieb eine Patientin, die in ihrer Kindheit sowohl eine sexuelle
Traumatisierung als auch eine physische Misshandlung erlebte, ihre optischen
Halluzinationen als große Figuren, die für sie den Teufel und den Tod darstellen.
Eine weitere Patientin, die während ihrer Kindheit von ihrer Mutter aufs
schwerste physisch misshandelt worden war, sah eine blutverschmierte
Jogginghose und eine verweste Frau.
54
Tabelle 13: Weitere Halluzinationen bei Patienten mit und ohne
Traumatisierungen
Trauma
Gesamt
(N/%)
Nicht
Trauma
(N/%)
(N/%)
χ2/df/p
(17/50,0)
(42/62,7)
(59/58,4)
1,494/1/0,22
(17/50,0)
(25/37,3)
(42/41,6)
Ja
(12/35,3)
(30/44,8)
(42/41,6)
Nein
(22/64,7)
(37/55,2)
(59/58,4)
Ja
(5 /15,6)
(23/34,8)
(28/28,6)
Nein
(27/84,4)
(43/65,2)
(70/71,4)
Ja
(9 /26,5)
(24/36,4)
(33/33,0)
Nein
(25/73,5)
(42/63,6)
(67/67,0)
Weitere Sinneswahrnehmungen
Ja
überhaupt vorhanden
Nein
Optische Halluzinationen
0,835/1/0,36
Haptische Halluzinationen
3,902/1/0,05
Olfaktorische/Gustatorische
Halluzinationen
0,993/1/0,32
Anmerkungen. „Weitere Sinneswahrnehmungen vorhanden“: N=101, davon „Trauma vorhanden“: N=34, „kein Trauma“:
N= 67; „Optische Halluzinationen“: N= 101, davon „Trauma vorhanden“: N= 34, „kein Trauma: N=67; „Haptische
Halluzinationen“: N= 98, davon „Trauma vorhanden“: N= 32, „kein Trauma“: N= 66; „Olfaktorisch/Gustatorische
Halluzinationen“: N= 100; davon „Trauma vorhanden“: N= 34; „kein Trauma“: N= 66.
3.3.3.2.4 Wahnerleben
Wahnphänomene lagen bei einem Großteil der Gesamtstichprobe vor (N=91,
89,2%), wobei in Bezug auf das generelle Auftreten kein Gruppenunterschied
zwischen Patienten mit und ohne Traumatisierungen in der Vorgeschichte
erkennbar war (Tabelle 14). Größenwahn und religiöser Wahn lagen in der
Traumagruppe häufiger vor, wobei lediglich ein Trend zur statistischen
Signifikanz bestand (Größenwahn: df=1, p=0,07; religiöser Wahn: df=1,
p=0,098). Für das Auftreten von Beziehungswahn, Verfolgungswahn und
sexuellem Wahn konnten keine Gruppenunterschiede zwischen den Patienten
mit und ohne kindliche Traumatisierung festgestellt werden (Tabelle 14).
55
Tabelle 14: Wahnerleben bei Patienten mit und ohne Traumatisierungen
Trauma
Gesamt
(N/%)
Nicht
Trauma
(N/%)
(N/%)
χ2/df/p
Ja
(33/91,7)
(58/87,9)
(91/89,2)
0,347/1/0,56
Nein
(3 /8,3)
(8 /12,1)
(11/10,8)
Ja
(18/51,4)
39/59,1)
(57/56,4)
Nein
(17/48,6)
27/40,9)
(44/43,6)
Ja
(27/75,0)
(52/78,8)
(79/77,5)
Nein
(9 /25,0)
(14/21,2)
(23/22,5)
Ja
(17/48,6)
(21/31,8)
(38/37,6)
Nein
(18/51,4)
(45/68,2)
(63/62,4)
Ja
(6 /17,1)
(12/19,0)
(18/18,4)
Nein
(29/82,9)
(51/81,0)
(80/81,6)
Ja
(15/41,7)
(16/24,2)
(31/30,4)
Nein
(21/58,3)
(50/75,8)
(71/69,6)
Wahn generell vorhanden
Beziehungswahn
0,564/1/0,46
Verfolgungswahn
0,191/1/0,66
Religiöser Wahn
2,735/1/0,098
Sexueller Wahn
0,054/1/0,82
Größenwahn
3,343/1/0,07
Anmerkungen. „Wahn generell vorhanden“: N= 102, davon „Trauma vorhanden“: N= 36, „kein Trauma: N= 66;
„Beziehungswahn“: N= 101, davon „Trauma vorhanden“: N= 35, „kein Trauma“: N=66; „Verfolgungswahn“: N= 102, davon
„Trauma vorhanden“: N=36, „kein Trauma“: N= 66; „Religiöser Wahn“: N= 101, davon „Trauma vorhanden“: N= 35, „kein
Trauma“: N= 66; „Sexueller Wahn“: N=98, davon „Trauma vorhanden“: N= 35, „kein Trauma“: N= 63; „ Größenwahn“: N=
102, davon „Trauma vorhanden“: N= 36, „kein Trauma“: N= 66.
3.3.3.2.5 Subjektiver Zusammenhang zwischen Psychose und Traumatisierung
im Kindesalter
Weiter wurden subjektive Zusammenhänge zwischen traumatischen
Erfahrungen und der psychotischen Erkrankung erhoben. Dabei gaben auf die
56
offene Frage „Warum meinen Sie, sind sie psychotisch geworden?“ sechs
(16,2%) der Patienten mit positiver Traumaanamnese spontan an,
Zusammenhänge zwischen ihrer psychischen Erkrankung und ihren
traumatischen Kindheitserfahrungen zu sehen. Auf die folgende geschlossene
Frage, inwiefern ein direkter Zusammenhang bestehe zwischen den erlebten
traumatisierenden Kindheitserlebnissen und der späteren Psychose gaben über
ein Drittel (N=13, 35,1%) der betroffenen Patienten an, dass sie einen solchen
Zusammenhang „ziemlich“ oder „sehr“ annähmen. Lediglich sieben (N=7, 18,9%)
Patienten sahen diesbezüglich keinen Zusammenhang (Tabelle 15).
Tabelle 15: Subjektiver Zusammenhang zwischen Traumatisierung und
psychotischer Erkrankung
N
%
Sehr
11
29,7
Ziemlich
2
5,4
Etwas
15
40,5
Gar nicht
7
18,9
Unklar
2
5,4
Anmerkung. N=37
3.4 Exkurs
Die meisten Studien, die sich mit traumatischen Erlebnissen und psychotischen
Inhalten beschäftigten, konnten aufzeigen, dass optische oder akustische
Halluzinationen sowie Wahninhalte inhaltlich mit konkreten Details traumatischer
Erfahrungen im Zusammenhang stehen (Ross et al., 1994; Read & Argyle, 1999;
Fowler, 2000; Offen et al., 2003; Hardy et al., 2005). Auch die vorliegende Studie
lieferte einige Beispiele, wie Patienten traumatische Kindheitserlebnisse
halluzinatorisch und wahnhaft verarbeiten. Hierzu werden im Folgenden zwei
Fallbeispiele beschrieben.
Fallbeispiel 1
Eine Patientin (Frau B.), die zum Untersuchungszeitpunkt 24 Jahre alt war,
erlebte während ihrer Kindheit eine extreme physische Misshandlung durch die
57
eigenen Eltern. Im Alter von acht Jahren wurde sie zudem von einer Gruppe von
Jungen in einem Raum festgehalten und musste sexuelle Berührungen über sich
ergehen lassen. Im Alter von 16 Jahren erkrankte Frau B. an ihrer ersten
Psychose und hörte seitdem während ihrer psychotischen Episoden vier bis acht
männliche Stimmen unklarer Identität, die sie zunächst außerhalb und
inzwischen auch innerhalb des Kopfes wahrnahm. Die Stimmen redeten dabei
untereinander und mit der Patientin, zumeist äußerten sie dabei beleidigende
Dinge, würden sie „fertig machen“ wollen. Die Patientin fühlte sich den Stimmen
gegenüber machtlos und ausgeliefert. Zusätzlich leidet Frau B. unter optischen
Halluzinationen („große Figuren“, Teufel“). Während ihrer Psychose zeigte Frau
B. auch somatoforme Symptome (sie litt unter Schmerzattacken und fühlte sich
dabei bewegungsunfähig).
Fallbeispiel 2
Ein weiterer Patient (Herr K.), der heute 26 Jahre alt ist, wurde seit seinem
dritten Lebensjahr von seinen Eltern aufs schwerste körperlich misshandelt.
Außerdem wurde er in seinem sechsten Lebensjahr von seinem eigenen Bruder
gezwungen ihn sexuell zu befriedigen. Diese Erlebnisse belasten ihn bis heute
stark. Der Patient erkrankte im Alter von 22 Jahren, kurze Zeit nach sexuellem
Kontakt mit einem Mann, an seiner ersten Psychose. Während psychotischer
Episoden hört er zahlreiche männliche Stimmen. Zumeist handelt es sich dabei
um beschimpfende Stimmen. Am belastendsten empfindet er Stimmen, die ihm
vorwerfen homosexuell zu sein. Der Patient empfindet eine gewisse
Machtlosigkeit den Stimmen gegenüber, allerdings gibt er an, mit diesen im
Geiste kommunizieren zu können. Zusätzlich leidet Herr K. unter optischen
Halluzinationen mit thematischem Bezug zur Traumatisierung (er sieht „kleine
Kinder“), Verfolgungserleben und sexuellen Wahninhalten.
3.5 Zusammenfassung der Ergebnisse
Insgesamt war es möglich 51,6% (N=111) der Patienten, welche die
Einschlusskriterien erfüllten, in die Studie einzuschließen. Ein relativ großer
Anteil der 96 nicht eingeschlossenen Patienten (N=74, 77,1%) lehnte dabei die
58
Teilnahme an der Studie ab. Trotz des umfangreichen Interviews kam es nur bei
vier (3,4%) der teilnehmenden Patienten zum Abbruch.
Bei der untersuchten Stichprobe konnte eine Prävalenzrate von sexuellem
Missbrauch in der Kindheit von 16,2 % (N=18) und von physischer Misshandlung
von 27,0% (N=30) festgestellt werden. Insgesamt ergab sich damit ein Anteil von
33,3% (N=37) der interviewten Patienten, die nach den entsprechenden Kriterien
mindestens eine dieser Formen von Traumatisierungen im Kindesalter erlebt
hatten.
In Hinblick auf psychotische Symptome konnte anhand der „Positive and
Negative Syndrom Scale“ (PANSS) gezeigt werden, dass die Gruppe der
traumatisierten Patienten in den einzelnen Kategorien (Positiv-, Negativ- und
Globalsymptomatik, Summenscore) im Vergleich zur Nicht-Traumagruppe
höhere Mittelwerte aufwies, wobei dieser Unterschied allerdings lediglich in
Bezug auf den Gesamtscore zum Aufnahmezeitpunkt (T1) einen Trend zur
statistischen Signifikanz aufwies. Bei der untersuchten Stichprobe ließ sich kein
Unterschied bezüglich der generellen Häufigkeit des Auftretens von
Stimmenphänomenen zwischen Trauma- und Nicht-Traumagruppe feststellen.
Allerdings ließen sich Unterschiede feststellen bezüglich der Lokalisation der
Stimmen, der Ich-Nähe und der emotionalen Qualität. Die Traumagruppe
berichtete, die Stimmen häufiger innerhalb des Kopfes wahrzunehmen, mit
einem Trend zur statistischen Signifikanz (p=0,08). Außerdem empfanden die
Patienten mit positiver Traumaanamnese ihre Stimmen signifikant häufiger als
„Nicht unterscheidbar von den eigenen Gedanken“ (p<0,01) und fühlten sich
ebenfalls signifikant häufiger „machtlos“ gegenüber ihren Stimmen als Patienten
ohne solche Erfahrungen (p= 0,04). Bezüglich der emotionalen Qualität der
Stimmen ließ sich feststellen, dass traumatisierte Patienten signifikant mehr
negative Stimmen erleben als die Patienten der Nicht-Traumagruppe (p=0,01).
Weiter zeigte sich, dass Stimmenphänomene bei einigen betroffenen Patienten
inhaltlich mit den traumatischen Erfahrungen zusammenhingen bzw. die Stimme
der der entsprechenden Täter ähnelte. In Hinblick auf weitere Halluzinationen
(optisch, haptisch, olfaktorisch) und Wahnsymptome zeigte sich lediglich ein
signifikanter Unterschied der beiden Gruppen beim Erleben von haptischen
Halluzinationen, mit einer größeren Häufigkeit dieser Halluzinationen in der
59
Nicht-Traumagruppe (df=1, p=0,05). Zudem bestand ein Trend zu mehr
religiösen Wahninhalten und mehr Größenwahn in der Traumagruppe (p=0,09
bzw. p=0,07).
Ein Großteil der Patienten mit frühen Traumatisierungen (N=28, 75,7%,) war der
Ansicht, dass diese Erlebnisse zumindest „Etwas“ mit ihrer aktuellen Psychose in
Zusammenhang standen, knapp ein Drittel (N=11, 29,7%) war der Ansicht, dass
dies „sehr“ der Fall sei.
60
4. Diskussion
4.1 Diskussion der gewählten Methodik
4.1.1 Vorgehen bei der Datenerhebung
In der vorliegenden Studie zeigte sich, dass eine Befragung zu traumatischen
Erlebnissen im Kindesalter auch bei psychotischen Patienten gut praktikabel ist.
Die Bearbeitung der traumaspezifischen Fragebögen sowie die Durchführung
des darauf folgenden „Strukturierten Traumainterviews“ waren bei der Mehrheit
der Patienten ohne Unterbrechung oder Zwischenfälle möglich. Lediglich bei
zwei Patienten mit traumatischen Kindheitserfahrungen schätzte der Interviewer
den emotionalen Eindruck des Interviews auf den betroffenen Patienten als
erheblich ein.
Bei der Interpretation der Ergebnisse müssen allerdings einige methodische
Aspekte kritisch diskutiert werden. Um möglichst vollständige und korrekte
Informationen zu erhalten wurde, wie im Methodenteil erläutert, eine
halbstandardisierte Interviewform gewählt, so dass unklare Antworten durch
Rückfragen des Interviewers überprüft werden konnten. Da es sich insbesondere
bei der Erhebung der Daten zu kindlichen Traumatisierungen um teilweise
mehrere Jahre oder Jahrzehnte zurückliegende Erlebnisse handelte, lassen sich
trotzdem ungenaue oder unvollständige Erlebnisberichte von betroffenen
Patienten nicht ganz ausschließen. Bei der Erhebung der Daten ist außerdem
eine Beeinflussung durch die vorhandenen Erkrankungssymptome denkbar. So
schienen bei einigen Patienten beim Ausfüllen von Fragebögen Konzentrationsoder Motivationsschwierigkeiten vorzuliegen, was sich in einem erhöhten
Zeitaufwand bei der Bearbeitung oder fehlenden Angaben zu einzelnen Fragen
zeigte. Außerdem schienen manche Fragen oder Antwortkategorien
missverständlich oder zu komplex formuliert, so dass einige Patienten mehrere
Antwortmöglichkeiten ankreuzten oder auch eine Beantwortung in Textform
stattfand. Des Weiteren ist die Länge der Hauptuntersuchung kritisch zu
betrachten, die im Schnitt etwa eineinhalb Stunden in Anspruch nahm und eine
61
entsprechende Konzentrationsfähigkeit seitens der Patienten erforderte.
Allerdings wurde versucht, entsprechende Einflüsse durch verschiedene
Maßnahmen zu minimieren. So wurden besonders kritische Daten, etwa zur
Traumaanamnese, erst nach einer ausreichenden Stabilisierung der Patienten
erhoben. Weiter stand der Untersucher den Patienten auch bei den Selbstratings
unterstützend zur Seite um eine möglichst vollständige Beantwortung der
einzelnen Items zu gewährleisten.
Weiteren Einfluss auf die Ergebnisse der Studie könnte die Interaktion zwischen
Patient und Untersucher sowie die Untersuchungssituation gehabt haben. Um
entsprechende Einflüsse zu vermeiden, erfolgten umfangreiche
Interviewertrainings und es die Interviewumstände wurden möglichst im
konstanten Rahmen gehalten. So wurde die Befragung möglichst immer in den
gleichen Räumlichkeiten durchgeführt, es wurden identische Instruktionen
gegeben und auch die Reihenfolge der Instrumente war stets dieselbe. Aufgrund
der sensiblen Thematik wurde versucht, eine möglichst vertrauensvolle
Beziehung zum Patienten aufzubauen und eine angenehme
Interviewatmosphäre zu schaffen. Es erfolgte diesbezüglich eine enge
Kommunikation mit den entsprechenden behandelnden Personen auf Station,
die in Einzelfällen bei der Hauptuntersuchung ebenfalls anwesend waren. Zur
Erfassung psychotischer Symptome wurde unter Berücksichtigung der
existierenden Literatur ein spezifisches halbstandardisiertes Interview erstellt
(„Interview zur Qualitativen Psychosesymptomatik“, vgl. 2.4.3.2), das sich in
einer Pilotstudie bei einer kleineren Stichprobe von psychotischen Patientinnen
bereits bewährt hatte (Schäfer et al., 2006). Während dies eine differenzierte
Erfassung relevanter Symptombereiche ermöglichte, kann aufgrund fehlender
Daten zu den psychometrischen Eigenschaften des Instruments dessen
Reliabilität und Validität nicht abschließend beurteilt werden.
4.1.2 Untersuchte Stichprobe
Es wurden alle Patienten, die auf der offenen Psychosestation der Klinik für
Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf
(UKE) stationär aufgenommen wurden und entsprechende Einschlusskriterien
erfüllten, konsekutiv untersucht, um eine möglichst repräsentative Stichprobe
62
von Patienten mit einer „F2-Störung“ nach ICD-10 zu erhalten. Dabei sind
mehrere Punkte kritisch anzumerken. Zum einen konnte rund die Hälfte (N=96,
44,7%,) der Patienten, welche die Einschlusskriterien erfüllten, nicht in die Studie
eingeschlossen werden. Bei anderen vergleichbaren Studien lagen die Quoten
der eingeschlossenen Patienten jedoch zwischen 33% (Horen et al., 1995) und
64% (Saxe et al., 1993), so dass diese Einschlussrate akzeptabel erscheint.
Zudem konnte mit 111 eingeschlossenen Patienten verglichen mit anderen
Studien zu dieser Thematik (z.B. Offen et al., 2002; Hardy et al., 2005) eine
verhältnismäßig große Stichprobe untersucht werden. Dennoch könnten sich
durch den Anteil der Patienten, die eine Teilnahme ablehnten, Verzerrungen in
Bezug auf die Rate von Traumatisierungen ergeben haben. So lehnten
verschiedene Patienten die Teilnahme mit der Begründung ab, dass sie nicht an
bekannte Traumatisierungen erinnert werden wollten. Andererseits könnten
Patienten mit Traumatisierungen auch ein besonderes Interesse an einer
Teilnahme gehabt haben. Weiter muss die hohe Anzahl männlicher Patienten in
der vorliegenden Untersuchung berücksichtigt werden (68,5%). Dies lässt sich
dadurch erklären, dass in der Pilotstudie, die 2001 bis 2002 auf derselben
Station durchgeführt wurde, ausschließlich weibliche Patientinnen
eingeschlossen wurden, die – bei einer verhältnismäßig großen Zahl von
wiederholten Aufnahmen dieser Patientinnen –nicht erneut eingeschlossen
wurden. Weiter muss bei der Interpretation der Ergebnisse berücksichtigt
werden, dass die untersuchte Stichprobe lediglich Patienten einer offenen
Psychosestation umfasste, die aus dem von der Universitätsklinik HamburgEppendorf versorgten Sektor stammten. Dies könnte sich sowohl auf die
Prävalenzraten von Traumatisierungen als auch auf die vorliegende
Symptomatik ausgewirkt haben. So kann nicht ausgeschlossen werden, dass die
Ergebnisse beim Einschluss von Patienten, die auf geschlossenen Stationen
behandelt werden bzw. aus sozial schwächeren Stadtteilen stammen, anders
ausgefallen wären.
63
4.2 Diskussion der Befunde
4.2.1 Potentiell traumatische Erlebnisse im Kindesalter
Insgesamt ergab die vorliegende Studie, dass bei einem Drittel der
Gesamtstichprobe (N=37, 33,3%) eine kindliche Traumatisierung vorlag. Dies
betraf bei 16,2% sexuellen Missbrauch und bei 27,0% physische Misshandlung.
Verglichen mit anderen Untersuchungen bei psychotischen Patienten sind diese
Zahlen als eher niedrig zu bewerten. So ergab die Übersicht von Morgan &
Fischer (2007), dass über 20 Untersuchungen hinweg sexueller Missbrauch im
Schnitt von 35% und physische Misshandlung von 36,5% der Patienten berichtet
wurde. Mindestens eine Form des Missbrauchs (sexuell oder körperlich) wurde
unabhängig vom Geschlecht bei 50% der befragten Patienten gefunden. Die
geringere Rate früher Traumatisierungen in der vorliegenden Studie könnte sich
zum einen dadurch erklären lassen, dass anteilig deutlich weniger Patientinnen
befragt wurden, und Frauen im Vergleich häufiger Opfer sexuellen Missbrauchs
werden. Weiter wurden vergleichsweise enge Definitionen für sexuellen
Missbrauch und physische Misshandlung gewählt und die Erlebnisse
handlungsbezogen erfragt, während sie in anderen Untersuchungen teilweise
nur anhand einzelner globaler Items erhoben wurden. Weiter zeigten sich
Hinweise darauf, dass entsprechende Erlebnisse von verschiedenen Patienten
nicht erwähnt wurden. So wurde von den Interviewern im STI dokumentiert, dass
bei 12,6 % (N=14) aller befragten Patienten Hinweise dafür vorlagen, dass
traumatisierende Kindheitserlebnisse nicht angesprochen wurden. So beschrieb
eine Patientin ihre Kindheit als übertrieben positiv und andere Patienten (N=8,
7,2%) berichteten von bestehenden Erinnerungslücken.
4.2.2 Psychosesymptomatik
Bei der Auswertung der „Positive and Negative Syndrome Scale für
Schizophrenia“ (PANSS) konnte der Mittelwertsunterschied zum
Befragungszeitpunkt (T2) im Bereich Positivsymptomatik zwischen den beiden
Gruppen als Trend bewertet werden (df=78, p=0,07). Statistisch signifikant war
der Unterschied zwischen Trauma- und Nicht-Traumagruppe bezüglich des
Summenscores zum Aufnahmezeitpunkt (T1) (df=70, p=0,04). Somit konnten die
64
in der Literatur beschriebenen Befunde (Ross et al., 1994; Read et al., 2003)
bezüglich des Zusammenhangs zwischen sexuellem Missbrauch und physischer
Misshandlung in der Kindheit und einer ausgeprägteren psychotischen
Symptomatik, insbesondere der Positivsymptomatik, durch die vorliegende
Studie zumindest tendenziell repliziert werden. Wahrscheinlich ließen sich durch
eine größere Stichprobe wie bei z.B. bei Read et al. (2003; N=200) deutlichere
Gruppenunterschiede darstellen. Es muss außerdem angemerkt werden, dass
es sich bei der Studie von Read et al. (2003) lediglich um eine
Krankenaktenauswertung handelte und die Studie von Ross et al. (1994) eine
Stichprobe von langzeit-psychiatrisch erkrankten Patienten untersuchte, wodurch
die Vergleichbarkeit mit der vorliegenden Studie eingeschränkt wird. Auch
weitere methodische Unterschiede wie unterschiedliche Missbrauchsdefinitionen
und Unterschiede bezüglich des Zeitpunktes der Traumatisierung müssen
berücksichtigt werden.
Bezüglich des Auftretens von akustischen Halluzinationen konnte in dieser
Studie kein Gruppenunterschied zwischen den Patienten mit positiver
Traumanamnese und Patienten ohne solche Erlebnisse festgestellt werden.
Allerdings ließen sich Unterschiede feststellen bezüglich der Lokalisation der
Stimmen, der Ich-Nähe und der emotionalen Qualität. So lokalisierten Patienten
mit positiver Traumanamnese zum aktuellen Befragungszeitpunkt die gehörten
Stimmen eher innerhalb des Kopfes. Dies scheint die Befunde zum häufigeren
Auftreten von „Pseudohalluzinationen“ bei traumatisierten Patienten (Heins et al.,
1990; Ellenson, 1986) zu unterstützen. Zur gleichen Fragestellung konnte
bezüglich des Zeitpunktes zu Beginn der Erkrankung kein Gruppenunterschied
festgestellt werden. Diese unterschiedlichen Ergebnisse könnten dadurch zu
erklären sein, dass die Patienten durch die psychotische Symptomatik bedingt
oftmals kaum verwertbare Erinnerungen an den Beginn ihrer Erkrankung haben
bzw. es sich meist um einen längeren Prozess handelt, der zum ersten Auftreten
psychotischer Symptome führt und sich somit kein genauer Zeitpunkt als
Erkrankungsbeginn von den Betroffenen feststellen lässt. Bezüglich der „IchNähe“ der Stimmen empfanden Patienten mit positiver Traumanamnese die
Stimmen signifikant häufiger als „nicht unterscheidbar von den eigenen
Gedanken“ als Patienten ohne Traumatisierung. Auch dies scheint die
Annahmen anderer Autoren zu bestätigen. So gehen Heins et al. (1990) davon
65
aus, dass es sich bei den akustischen Halluzinationen von Patienten mit positiver
Missbrauchsanamnese nicht um echte „schizophrene“ Halluzinationen handele,
sondern um „Pseudohalluzinationen“, die von den Patienten als vom „Gehirn
ausgehend“ beschrieben werden und weniger als „von außerhalb kommend“.
Diese Beobachtung könnte wichtige Implikationen für die Zuordnung der
entsprechenden psychopathologischen Phänomene haben. Morrison et al.
(2003) wiesen darauf hin, dass sowohl die posttraumatische Belastungsstörung
als auch psychotische Erkrankungen Teil eines Reaktionsspektrums auf
traumatische Lebensereignisse bilden, die durch vorhandene
Symptomüberlappungen (Intrusionen, Flashback-Erlebnisse, Halluzinationen,
Wahn) nicht immer klar diagnostisch voneinander getrennt werden können (vgl.
Abschnitt 1.2.3.3). Die stärkere „Ich-Nähe“ und Lokalisation der
Stimmenphänomene bei traumatisierten Patienten in der vorliegenden Studie
könnte in diesem Zusammenhang Hinweise auf eine eher posttraumatische
Genese der entsprechenden Symptome haben. Einschränkend muss dabei
gesagt werden, dass in der vorliegenden Untersuchung nur eine begrenzte Zahl
von Eigenschaften der Stimmenphänomene erhoben wurde und eine weitere
Differenzierung in künftigen Studien wünschenswert erscheint. Zudem sollten
zusätzlich Patienten mit anderen psychischen Störungsbildern, wie z.B. der
Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) oder dissoziativen Störungen in
entsprechende Studien eingeschlossen werden.
Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung bestätigen auch die Befunde
anderer Studien, dass die akustischen Halluzinationen der Patienten mit
Traumatisierungen in der Anamnese häufiger bedrohliche oder entwertende
Inhalte aufweisen als Patienten ohne solche Erlebnisse (z.B. Heins et al., 1990;
Honig et al., 1998; Offen et al., 2003). So litten Patienten mit traumatischen
Kindheitserfahrungen signifikant häufiger unter negativen Stimmen mit
entwertenden Inhalten und fühlten sich diesen gegenüber signifikant häufiger
„machtlos“ als Patienten ohne solche Erlebnisse. Allerdings existieren zu dieser
Fragestellung zum aktuellen Zeitpunkt bislang nur wenige Studien, die bezüglich
Stichprobengröße, Stichprobenbeschaffenheit und Erhebungsmethoden mit der
vorliegenden Studie vergleichbar wären. So schilderten etwa Heins et al. (1990)
lediglich drei Fallbeispiele von Patienten mit traumatischen Erfahrungen und
akustischen Halluzinationen.
66
Bezüglich des Auftretens weiterer Sinneswahrnehmungen und der
unterschiedlichen Formen von Wahn fanden sich in der vorliegenden Studie
lediglich bezüglich des Auftretens von taktilen Halluzinationen ein
Zusammenhang mit dem Traumastatus, allerdings nicht in der erwarteten
Richtung. Dies steht im Widerspruch zu einigen Studien (z.B. Shevlin et al.,
2007; Janssen et al., 2004; Ross et al., 1994) die ein erhöhtes Auftreten von
Halluzinationen und Wahn bei Personen mit physischer und/oder sexueller
Traumatisierung im Kindesalter fanden. Es handelte sich hier jedoch um Studien
an der Allgemeinbevölkerung, was die Vergleichbarkeit zur vorliegenden Studie
deutlich einschränkt. Read et al. (2003) untersuchten ebenfalls eine klinische
Stichprobe von 200 konsekutiv behandelten stationär psychiatrischen Patienten
mit verschiedenen Diagnosen und fanden, dass bei den 60 Fällen mit
dokumentiertem kindlichen sexuellen oder physischen Missbrauch
Halluzinationen aller Sinnesmodalitäten signifikant häufiger auftraten als bei der
restlichen Stichprobe. Bezüglich des Auftretens von Wahn ergab sich auch in
dieser Studie jedoch kein signifikanter Unterschied. Bezüglich der Erhebung der
Daten bei der vorliegenden Studie muss kritisch erwähnt werden, dass die
untersuchten Patienten gefragt wurden, ob sie bestimmte Halluzinationen bzw.
Wahn erleben, d.h. nicht der Untersucher entschied, ob bestimmte Symptome
vorlagen sondern die Patienten selbst. Dies könnte in einigen Fällen zu einer
Fehleinschätzung seitens des Patienten geführt haben.
Die meisten Studien, die Zusammenhänge zwischen traumatischen Erfahrungen
und psychotischen Inhalten untersuchten, zeigten auf, dass Wahninhalte,
optische oder akustische Halluzinationen inhaltlich häufig mit konkreten Details
traumatischer Erfahrungen zusammenhingen (Ross et al., 1994; Read & Argyle,
1999; Fowler, 2000; Offen et al., 2003; Hardy et al., 2005). Auch die vorliegende
Studie lieferte einige Beispiele (siehe 3.4), wie Patienten traumatische
Kindheitserlebnisse halluzinatorisch und wahnhaft verarbeiten. Die oben
geschilderten Fallbeispiele zeigen dabei, dass nicht nur das reine Auftreten von
Halluzinationen und Wahn eine Rolle spielt, sondern das Symptombild in seiner
Gesamtheit und der Inhalt von Halluzinationen und Wahn erfasst werden
müssen, um im Klinikalltag mögliche traumatische Erlebnisse zu explorieren.
67
4.3 Zusammenfassende Diskussion und Ausblick
In der vorliegenden Studie lag die ermittelte Prävalenzrate von kindlichem
sexuellen Missbrauch (16,2 %) bzw. kindlicher physischer Misshandlung (27,0
%) deutlich über den aus der Allgemeinbevölkerung bekannten Raten und
entsprach weitgehend den Prävalenzraten anderer Studien mit psychiatrischen
Stichproben. Es konnte somit gezeigt werden, dass ein hoher Prozentsatz von
Patienten mit F2-Störungen eine sexuelle oder physische Traumatisierung in der
Kindheit erlebt hat.
Die in der Literatur beschriebenen Befunde einer ausgeprägteren
Positivsymptomatik bei Patienten mit kindlichen Missbrauchserfahrungen (Ross
et al., 1994; Read et al., 2003; Janssen et al., 2004) konnte in der vorliegenden
Studie teilweise repliziert werden. Ein wichtiges Ergebnis dieser Studie war, dass
Patienten mit traumatischen Kindheitserfahrungen signifikant häufiger unter
negativen Stimmen mit entwertenden Inhalten litten und sich diesen gegenüber
signifikant häufiger „machtlos“ fühlten. Künftige Studien sollten den klinischen
Auswirkungen dieser Zusammenhänge bei psychotischen Patienten weiter
nachgehen. Verschiedene Studien weisen darauf hin, dass frühe
Traumatisierungen bei psychiatrischen Patienten einen bestimmenden Faktor für
den Therapieerfolg darstellen (Nemeroff et al., 2003; Pirard et al., 2005). Auch
bei psychotischen Patienten erscheint es deshalb erstrebenswert, traumatische
Erlebnisse systematisch zu explorieren und bei der Formulierung individueller
Therapiepläne routinemäßig zu berücksichtigen.
68
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6. Anhang
Danksagung
Diese Dissertation ist sicherlich nur durch die Unterstützung zahlreicher
Menschen zustande gekommen. Ein besonderes Dankeswort gilt Dr. I. Schäfer,
meinem Betreuer, der immer ein offenes Ohr für mich hatte und mich in
schwierigen Situationen zum Durchhalten motiviert hat. Seine wertvollen
Ratschläge und seine unendliche Geduld haben mir immer sehr weitergeholfen.
Die kompetente Betreuung durch Dr. I Schäfer sehe ich als entscheidend für die
Fertigstellung dieser Doktorarbeit an.
Besonders danken möchte ich außerdem meinen Eltern, ohne deren
Unterstützung das Studium der Medizin und somit diese Dissertation nicht
möglich gewesen wäre.
Weiterhin möchte ich allen Mitarbeitern (sowohl Ärzten als auch Pflegepersonal)
der Psychosestation des Universitätsklinikums Hamburg- Eppendorf danken, die
mich und andere Doktoranden /-innen bei der Datenerhebung sehr unterstützt
haben. Ein weiteres Dankeschön möchte ich auch an die Patienten richten, die
trotz der belastenden Thematik der Studie und ihrer Krankheitssituation an der
zeitintensiven Befragung teilgenommen haben.
Außerdem möchte ich mich bei den Doktorandinnen, die ebenfalls an der
Datenerhebung für diese Studie beteiligt waren, für die offene und unkomplizierte
Zusammenarbeit bedanken. Ich hoffe dass ich sie durch die Fertigstellung dieser
Doktorarbeit zum Weitermachen motivieren kann.
Großen Dank schulde ich außerdem Peter Neese, der mich bei der Formatierung
dieser Arbeit geduldig und kompetent unterstützt hat.
Auf keinen Fall zu vergessen ist mein privates Umfeld, d.h. die Unterstützung
durch mir nahe stehende Personen, insbesondere Till Burkhardt, die mir
geduldig zuhörten und mich immer wieder bestärkten diese Dissertation fertig zu
stellen.
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Lebenslauf
22. August 1980
Geboren in Hamburg als Tochter von Burghard
Ehlers und Heidemarie Ehlers, geb. Ahlers
Schule
1987-1991
Grundschule Schwarzenbek Nordost
1991-2000
Gymnasium Schwarzenbek, Europaschule
Juli 2000
Erwerb der allgemeinen Hochschulreife
Studium
Oktober 2000- April 2007 Medizinstudium, Universität Hamburg
August 2002 Ärztliche Vorprüfung
September 2003 Erster Abschnitt der Ärztlichen
Prüfung
März 2006 Zweiter Abschnitt der Ärztlichen Prüfung
April 2006- April 2007 Praktisches Jahr
April 2007 Dritter Abschnitt der Ärztlichen Prüfung
Beruf
Oktober 2007 bis jetzt
Assistenzärztin in der Abteilung für Anästhesie und
Intensivmedizin, Asklepios Klinik Nord Heidberg
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Eidesstattliche Versicherung:
Ich versichere ausdrücklich, dass ich die Arbeit selbständig und ohne fremde
Hilfe verfasst, andere als die von mir angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht
benutzt und die aus den benutzten Werken wörtlich oder inhaltlich entnommenen
Stellen einzeln nach Ausgabe (Auflage und Jahr des Erscheinens), Band und
Seite des benutzten Werkes kenntlich gemacht habe.
Ferner versichere ich, dass ich die Dissertation bisher nicht einem Fachvertreter
an einer anderen Hochschule zur Überprüfung vorgelegt oder mich anderweitig
um Zulassung zur Promotion beworben habe.
Unterschrift: ......................................................................
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