Depression, Alter und Sucht Dr. med. Dipl.-Psych. Heike Hinz Chefärztin der AHG Kliniken Richelsdorf/Wigbertshöhe E-Mail: [email protected] Seit mehr als 10 Jahren 2 Gruppen für ältere Frauen und Männer in der AHG Klinik Wigbertshöhe 1. 55 - 65 Jahre (in der Regel Erwerbsfähige) 2. 60 – 80 Jahre (in der Regel Rentner) Zur Verfügung gestellt von Dr. Babara Schneider Depressionen sind ein besonderes Suizidrisiko für ältere Suchtkranke Zur Verfügung gestellt von Dr. Babara Schneider, Goethe Universität Frankfurt Depression - Sucht - Alter • Depression und Sucht • Alter und Sucht • Besonderheiten der Behandlung älterer Suchtkranker 1. Depression, Angst und Persönlichkeitsstörung als Folge von Suchterkrankungen 2. Depression, Angst und Persönlichkeitsstörung als Hintergrund von Suchterkrankungen 3. Angst und Depression in der erfolgreichen Abstinenz 1. Seelische Erkrankungen als Folge von Suchterkrankungen > Der regelmäßige Suchtmittelgebrauch führt in die seelische Erkrankung Zu den sich entwickelnden seelischen Störungen gehören: • Depression – Alkohol macht nach kurzer Euphorie depressiv • Angst – Im beginnenden Entzug wird man schreckhaft, bis hin zum Delir – Schwierigkeiten im Umgang mit Menschen machen soziophobisch • Persönlichkeitsstörung Suchtmittel als Heilmittel Alkohol, Medikamente, Drogen und das Glückspiel können bei Depressionen, bei unsicherer Persönlichkeit in Stresssituationen, bei Persönlichkeitsstörungen, bei Angsterkrankungen, bei Psychosen und bei Traumatisierungen zunächst relativ schnell erleichtern Suchtmittel verhindern die Wahrnehmung der unerträglichen Gefühle, beruhigen, entängstigen Die Gefühle sind in der Abstinenz aber wieder da Daher führt diese Lösung zu schneller Suchtentwicklung mit vermehrten Symptomen Ein Teufelskreis nimmt seinen Lauf Behandlung der comorbiden Störung, wenn sie Folge der Suchterkrankung ist: • Angst, Depression oder Persönlichkeitsveränderung bessern sich schon durch die Abstinenz • Die Ursprungspersönlichkeit wird durch Psychotherapie und Forderungen an das erwachsene Ich wieder ausgegraben • Dies ist Ursache für die besonderen Erfolge der Suchttherapie • Eine psychotherapeutische Behandlung ohne Abstinenz ist unsinnig 2. Seelische Erkrankung als Hintergrund einer Suchterkrankungen > Das Suchtmittel wird als Heilmittel eingesetzt und führt dann in die Sucht 2. Depressive Störung • Geringes Selbstwertgefühl • Gefühl der Hoffnungslosigkeit • Durchgehendes Empfinden abgelehnt oder missachtet zu werden • Interessenverlust (keine Freude an normalerweise angenehmen Tätigkeiten) • Teilnahmslosigkeit gegenüber anderen Menschen • Mangelnde Fähigkeit, auf freundliche Umgebung oder freudige Ereignisse angemessen zu reagieren • Konzentrationsstörung und Entscheidungserschwernis • Morgentief • Deutlicher Libidoverlust • Schlaflosigkeit oder übermäßiges Schlafbedürfnis • Antriebsmangel oder Agitiertheit • Deutlicher Appetitverlust oder übermäßiges Essbedürfnis Dr. med. Dipl.-Psych. Heike Hinz 12 Depressive Grundüberzeugungen Alles persönlich nehmen Frau K. hat mich heute Morgen nicht gegrüßt, sie mag mich also nicht. Übermäßíge Verallgemeinerung Ich habe heute morgen verschlafen. Ich kann in meinem Leben nichts richtig machen. Sich für Negatives verantwortlich fühlen Ich bin daran schuld, dass wir beim Kegeln verloren haben. Behandlung einer depressiven Störung • Bewegung • Aktivierung • Umstimmung • Klären der Hintergründe • Antidepressiva Dr. med. Dipl.-Psych. Heike Hinz 14 Übung Depressive Gedanken • „Das schaffe ich nie“ Realistische Alternative • „Es ist schwierig, aber ich versuche es“ Übung • Was sind meine Stärken? • Was schätzen andere an mir? Depression und Angst in der Abstinenz • Unsicherheit durch dramatische Veränderungen in Tagesablauf, Beziehungen und Lebensgefühl • Das Belohungssystem ist „untrainiert“ • Schamangst (führt zur Sozialen Phobie) Ist häufig noch nach langjähriger Abstinenz zu beobachten • Angst vor Rückfall Alter und Sucht Suchtmittelabhängigkeit im Alter: 1. Welche Suchtmittel spielen eine Rolle ? 2. Besonderheiten in der Behandlung Riskante tägliche Alkoholmenge für über 65- Jährige Nicht mehr als 10 g Alkohol pro Tag (0,25 Bier oder 0,1 Wein oder 0,04 Spirituosen) Empfehlung des amerikanischen National Institute of Alcohol Abuse and Alcoholism Durchschnittlicher täglicher Alkoholkonsum in Gramm/Tag Alter in Jahren Frauen Männer • • • • 18 – 19 30 – 39 40 – 49 50 – 59 3,19 3,98 5,74 5,15 12,41 15,24 16,56 16,56 • • 60 – 69 70 – 79 3,4 2,39 14,7 12,23 Quelle: Robert-Koch-Institut, Bundesgesundheitssurvey 1998 Probleme der Diagnostik von Suchterkrankungen im Alter • unspezifische Symptomatik (z.B. Schlafstörungen, Gedächtnisstörungen, Schwindel, Zittern) • Multimorbidität (Erkrankungen werden nicht mit Sucht assoziiert) • Geringe soziale Kontrolle (z.B. Arbeitsplatz) Entdeckungsrate einer Alkoholkrankheit durch Ärzte 60% bei Jüngeren 37% bei über 60-Jährigen Quelle: Curtis et al.1989 Medikamentenmissbrauch im Alter • Die Medikamentenabhängigkeit ist fast immer eine ärztlich verordnete Sucht • > 60 Jahre 3,5% der Männer 7,5 % der Frauen • > 70 Jahre 10 % der Männer 14% der Frauen Nach Remien 1994 Medikamentenmissbrauch im Alter Ursachen des Medikamentenkonsums: • Missgestimmtheit, Getriebenheit, Empfindlichkeit - keine Aufgabe, keine Bedeutung - Einsamkeit, Partnerverlust • Schlafstörung - keine Erschöpfung - lange Schlafzeiten Medikamentenmissbrauch im Alter Medikamente: • Benzodiazepine (Diazepam, Valium, Faustan, Lexothanil, Limbatril, Tavor,....) • Opioidhaltige Schmerzmittel (Tramal, Tilidin, Valoron, Katadolon, Temgesic,.....) • In zunehmendem Maße außerdem Antidepressiva und Neuroleptika Medikamentenmissbrauch im Alter Dosierung: • Meist nicht altersgerecht (überdosiert) Folgen: • • • • • • Schwindel Erhöhtes Sturzrisiko Orientierungsstörung, Verwirrtheit Depressive Verstimmtheit Antriebsstörung Überempfindlichkeit, Kläglichkeit Bei der Behandlung von Senioren ist zu berücksichtigen: Unsere älteren Suchtkranken sind meist Menschen mit einer reifen Primärpersönlichkeit und einer Lebenserfahrung, die über das von den Therapeuten erlebte hinausgeht und nach Anerkennung verlang. Primärpersönlichkeit • • • • • Strenges Gewissen Hoher Perfektionsanspruch Große Leistungsfähigkeit Großes Bedürfnis nach sozialer Akzeptanz und Integration Wenig psychische Komorbidität Bei der Behandlung von Senioren ist aber auch zu berücksichtigen: Es bestehen zu Beginn der Behandlung häufig schwere Persönlichkeitsdefizite, hirnorganische und körperliche Einschränkungen (Funktionsstörungen, Fähigkeitsstörungen, Teilhabestörungen) Veränderung der Persönlichkeit und der Leistungsfähigkeit durch die Sucht • • • • • • Depression und Ängstlichkeit Misstrauen und Projektion Geringe Frustrationstoleranz Nachlässigkeit Orientierungs- und Denkstörungen Bewegungsstörungen Ziel in der Therapie • • Wiederherstellen des schon einmal erreichten Reifungsniveaus Regeneration der Hirnleistung und der körperlichen Leistungsfähigkeit Besonderheiten der Therapie • Lebensresumee unter besonderer Würdigung der Lebensleistung • Berücksichtigung der Traumatisierungen (Kriegs- und Nachkriegszeit) • Berücksichtigung der starken Scham- und Schuldgefühle und der hohen Kränkbarkeit (sorgsame Vermeidung von Kränkung auch durch Mitpatienten, Durchschaubarkeit und Begründbarkeit der Therapie) • Wertschätzung und Nutzen der kommunikativen und sozialen Fähigkeiten • Förderung bestehender und verschütteter Interessen • Entdecken des jetzigen Leistungsvermögens (Fitnesstraining und Sport, EDV- und Internetschulung, ..... ) Besondere Angebote für Senioren: • • • • • • • • • • • • • • Tierheimbesuch (Gassi gehen) Grüne Damen in Altenheimen und Krankenhäusern Kleiderkammer des Roten Kreuzes Hersfelder Tafel Bahnhofsmission Mehrgenerationshaus Seniorenfitness Seniorentanz Hirnleistungstraining Internettraining Landfrauen und Altenkreis der Kirche Bustouren Kulturelle Veranstaltungen der Kurstadt ……….. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Dr. Heike Hinz Fachärztin für Allgemeinmedizin Fachärztin für Psychosomatik und Psychotherapie Sozialmedizin Suchtmedizin Diplom - Psychologin