2.6. Dynamik von Populationen (1) Die zeitliche Entwicklung von

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2. Energienutzung und Stoffumsatz in Ökosystemen
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Die Bodenbildung beginnt mit Prozessen der mechanischen
Zerkleinerung (Wind, Wasser, Eissprengung u.a.) und der
Auflösung durch die von Algen bzw. Flechten ausgeschiedenen
Säuren. Diese setzen Nährstoffe frei und bilden nach ihrem
Absterben eine erste dünne Humusschicht. Unter Mitwirkung von
Bakterien, Milben, Würmern und Insekten entsteht dann ein
Rohboden. Es folgen Moose, Gräser und Kräuter, später Sträucher
und schließlich Bäume.
Die verwitternde Schicht wird tiefgründiger, die Humusschicht
mächtiger. Je mehr Pflanzenmasse sich bildet, um so mehr Humus
wird angelagert, der wieder von Pflanzen genutzt wird (= positive
Rückkopplung). Der Wald kann sich zuletzt selbst erhalten; was
er an Nährstoffen verbraucht, wird durch den Bestandsabfall und
die Streuzersetzung dem Boden wieder zugeführt (= negative
Rückkopplung).
(2) Die spezifische Nettozuwachsrate r ist der Bevölkerungszuwachs pro Zeit und Biomasse (bzw. pro
“Kopf”), d.h. die Differenz aus der spezifischen Geburtenrate b und der spezifischen Sterberate d.
mit
Die Bodenentwicklung ist damit eng mit der Sukzession der
Vegetation (von den Algen und Flechten bis hin zum Wald) verbunden.
2.6. Dynamik von Populationen
(1) Die zeitliche Entwicklung von Populationen wird
bestimmt durch
ΔP = r P(t) Δt ,
r=b-d
d.h. P(t+Δt) = P(t) + r P(t) Δt
Einheit von P: Biomasse
Einheit von r: (Biomasse/Zeit)/Biomasse = 1/Zeit
Unterscheide: absolute Reproduktionsrate = Zuwachs pro Zeit
spezifische Rate = Zuwachs pro Zeit und Biomasse =
= relativer Zuwachs pro Zeit
(3) Eine konstante spezifische Zuwachsrate bewirkt
ein exponentielles Wachstum, das durch konstante
Verdopplungszeiten (bei negativer Rate: konstante
Halbwertszeiten) gekennzeichnet ist.
- abiotische Faktoren des Biotops
- exogene Einflüsse
- Größe der eigenen Population
- Wechselwirkung mit anderen Populationen.
wichtigste abiotische Faktoren: Nährstoffe, Wasser, Boden
wichtigste exogene Einflüsse: Wetter, Jahreszeit, Schadstoffe
(2) Die wichtigste innerartliche Beziehung ist die der
Konkurrenz, hinzu kommen aber auch kooperative
Verhaltensweisen.
Die wichtigsten Wechselbeziehungen zwischen verschiedenen Arten sind die Konkurrenz (beide Partner
negativ beeinflußt; [–,–]) und die Prädation bzw. der
Parasitismus (ein Partner negativ, einer positiv
beeinflußt; [–,+]), es treten aber auch häufig beidseitig
begünstigende Beziehungen auf (Mutualismus,
Symbiose; [+,+]).
2.6.1. Wachstum einer Population
(1) Die Populationsgröße verändert sich durch Geburten und Sterbefälle sowie Ein- und Auswanderung.
Nur bei der Gleichheit von Zu- und Abgängen entsteht
Bevölkerungskonstanz (d.h. ein Fließgleichgewicht).
(4) a) Natürliche Populationen unterliegen auf Grund
begrenzter Ressourcen (Nahrung und Lebensraum)
stets der innerartlichen Konkurrenz. Als Folge nimmt
(tendenziell) die spezifische Geburten- bzw.
Wachstumsrate mit wachsender Populationsgröße ab,
während die Sterberate ansteigt.
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2. Energienutzung und Stoffumsatz in Ökosystemen
b) Durch diese Dichteregulation wächst prinzipiell jede
reale Population mit einem S-förmigen (= logistischem) zeitlichen Verlauf bis zu einer begrenzten
ökologischen Tragfähigkeit, der Umweltkapazität K.
Zeitliche Verzögerungen bei der Dichteregulation können auch zu
oszillierender Annäherung an die Kapazität führen. – Ein Fehlen
von Regulationsmechanismen läßt die Population überschießen
und anschließend zusammenbrechen.
(5) Zur Sicherung der Überlebensfähigkeit einer
Population ist eine Mindestgröße erforderlich. Diese
wird bestimmt durch die bei kleinen Populationen
auftretenden zufälligen demografischen und genetischen Abweichungen, durch Schwankungen der
Umwelt und eventuelle Katastrophen.
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die tatsächlichen Angebote der Umwelt an einem
bestimmten Ort.
b) Die fundamentale ökologische Nische ist das durch
Potenzen und Valenzen ermöglichte Existenzgebiet
einer Art im Raum der Umweltparameter.
(3) Durch Konkurrenten und Feinde wird die
fundamentale Nische aber zur realen Nische (d.h. der
tatsächlich realisierten) verkleinert.
Beispiel: Die Fichte hat in unseren Wäldern eine relativ kleine
reale Nische (natürlich kämen Eichen-Buchen-Mischwälder vor),
nur durch die Forstwirtschaft kann sie ihre fundamentale Nische
einnehmen. Auch andere Baumarten werden durch die Buche in
suboptimale Bereiche verdrängt, wie die Eiche (trockene
Standorte) oder die Esche (feuchte, kalkreiche Standorte).
Bem.: Eine Mindestgröße ist auch dann erforderlich, wenn bei
kleinen Populationsdichten die spezifische Nettoreproduktionsrate
mit der Dichte wieder sinkt (= inverse Dichteabhängigkeit), z.B.
wegen fehlenden Schutzes oder mangelnder Kooperation.
2.6.2. Konkurrenz von Populationen und ökologische Nische
(1) Wenn sich Individuen verschiedener Arten gemeinsame Ressourcen teilen müssen, tritt zwischen
ihnen zwischenartliche Konkurrenz auf. Dies kann in
Form indirekter Wechselwirkung (= Ausbeutung) oder
direkter Auseinandersetzung (= Interferenz) geschehen.
(2) a) Potenzen sind die Fähigkeiten von Organismen,
bei bestimmten abiotischen Umweltfaktoren (Klima,
Licht, Nahrung) dauerhaft zu existieren. Valenzen sind
Jeder ökologischen Nische entspricht auch eine bestimmte
Funktion (= Planstelle) im jeweiligen Ökosystem, die allerdings
durch unterschiedliche Arten besetzt sein kann.
Beispiele ökologischer Nischen bei Waldvogelarten (u.a.):
- fliegenschnappende Arten
- insektenfressende Arten auf Blättern
- insektenfressende Arten auf Zweigen
- am Boden fressende Arten
- Raubvögel
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2. Energienutzung und Stoffumsatz in Ökosystemen
(4) Konkurrenz um gemeinsame Ressourcen kann
(bei geringer Überlappung des Bedarfspektrums) zur
Koexistenz, aber auch (bei starker Überlappung) zur
Verdrängung von Arten (im Extremfall bis auf eine !)
führen.
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2.6.3. Räuber-Beute-Beziehung (Prädation)
(1) Die Prädation (im weiteren Sinne) ist eine Fraßbeziehung, in der eine Art einen Vorteil und die andere einen Nachteil erleidet.
Im engeren Sinne unterscheiden wir: die eigentliche Prädation (=
Räuber-Beute-Beziehung zwischen Tieren), die Herbivorie (=
Fraß von Pflanzen), den Parasitismus (kleine Tiere leben von
einem großen Wirt) und die Parasitoide (Parasiten, die ihren Wirt
am Ende der Larvalphase töten).
Obwohl das Beuteindividuum durch den Prädator stets einen
Nachteil erleidet, kann die Beutepopulation auch gewisse Vorteile haben (Dichteregulation, Auslese stärkerer Individuen).
Konkurrenz-Ausschluß-Prinzip (Gause, 1932): “Zwei
Arten mit gleichen ökologischen Ansprüchen können
(in konstanter Umwelt) auf Dauer nicht gemeinsam im
gleichen Gebiet leben.
(2) Räuber-Beute-Beziehungen (auch im weiteren
Sinne) wohnt stets die Tendenz zu zyklischem Verhalten inne. Normalerweise kommt es nicht zur Auslöschung der Beute, es sind aber dauerhafte zeitliche
Oszillationen möglich.
Beispiel 1: klassische Oszillationen von Schneehase und Luchs in
Kanada (Periode ca. 10-12 Jahre, Phasenverschiebung 3-4 Jahre)
Experimente von Gause mit Paramecium-Arten (Pantoffeltierchen) weisen dieses Verhalten nach: P. aurelia verdrängt P.
caudatum, wenn beide zusammen gehalten werden; P. caudatum
und P. bursaria koexistieren, aber bei geringerer Dichte als in
Alleinkultur:
Beispiel 2: Zeitliche Oszillationen des Bohnenkäfers Callosobruchus chinensis und eines Parasitoiden, der Braconide Heterospilus prosopidis
Bei zeitlich verzögerter Regulation kann es durchaus lokal zum
Verschwinden der Beute kommen, doch können meist einige der
Beuteindividuen durch Emigration entweichen und überleben.
(3) Nach Verschwinden der Räuber kann die Beute
(d.h. die Herbivoren-Population) stark anwachsen. Im
Extremfall wird deshalb durch Überweidung die
Vegetation zerstört, was dann auch die HerbivorenPopulation zusammenbrechen läßt.
Dies bedeutet: Räuber regulieren ein Ökosystem und sichern seine
Stabilität auf einer Stufe mit hoher NPP, da sie vor Überweidung
schützen !
Anmerkung: Zeitliche Schwankungen und/oder räumlich heterogene Umweltbedingungen fördern häufig Koexistenz von Arten.
Historisches Beispiel: Zusammenbruch einer Population von
Weißwedel-Hirschen nach Abschuß aller Raubtiere:
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2. Energienutzung und Stoffumsatz in Ökosystemen
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2.7. Zeitliche Dynamik von Ökosystemen
2.7.1. Sukzession von Ökosystemen
(1) Die Besiedlung eines Biotops erfolgt in Abhängigkeit von den abiotischen Faktoren in einer typischen
Reihenfolge von Arten und Artengesellschaften, der
Sukzession, und erreicht ein relativ dauerhaftes
Fließgleichgewicht, den Klimaxzustand.
- Primärsukzession: bei Neubesiedlung (erst Bodenbildung nötig)
z.B. auf nacktem emporgehobenem Gestein, nach Vulkanausbruch, auf Bergbauhalden
- Sekundärsukzession: bei Wiederbesiedlung von Flächen,
z.B. nach forstlichem Kahlschlag, Umpflügen eines Ackers,
Brachfallen von Flächen
(4) Nahrungsketten und Nahrungsnetze sind gekoppelte Prädationsbeziehungen, die (auf jeder
Trophieebene) stark durch Konkurrenz geprägt sind
und durch aktive Eingriffe (wie Abtöten, Bejagen,
Ernten) wesentlich beeinflußt werden können.
Beispiel 1: Die gemeinsame Beerntung von Räuber und Beute mit
jeweils fester spezifischer Intensität führt zur Dezimierung des
Räubers und zur Begünstigung der Beute (= Volterra-Prinzip).
Beispiel 2: Das Einsetzen von Raubfischen in eutrophierte
Gewässer veringert die Zahl der Friedfische, läßt deshalb die
Zooplankter (= Filtrierer, z.B. Wasserflöhe) wachsen und das
Phytoplankton (= Algen) zurückgehen, was als Maßnahme einer
Biomanipulation die Wasserqualität ver-bessern kann.
2.6.4. Mutualismus (Symbiose)
Viele Bäume, Sträucher und Orchideen bilden mit
ihren Wurzeln und bestimmten Pilzen eine Symbiose,
die Mykorrhiza. Wird die Mykorrhizabildung durch
Schadstoffe unterbunden, zeigen die Pflanzen
Wachstumseinbußen oder schwere Schäden.
Das Pilzgeflecht vergrößert die resorbierende Oberfläche, nimmt
mineralische Nährstoffe (N, P, K) besser auf und schützt vor
krankheitserregenden Pilzen. Dafür erhält es energiereiche
Verbindungen. Mykorrhiza-Wurzeln zeigen eine 2-4fach höhere
Atmungsintensität.
(2) In der Entwicklungsphase der Sukzession
wachsen der Biomassebestand und die Nährstoffmenge an, weil die Nettoproduktivität positiv ist. Im
Reifezustand wird ein Fließgleichgewicht erreicht, weil
sich Bruttoproduktivität und Gemeinschaftsrespiration
die Waage halten und die Nettoproduktivität den Wert
Null besitzt [Vgl. mit 2.3.2 !].
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2. Energienutzung und Stoffumsatz in Ökosystemen
Die Entwicklung ganz verschiedener Ökosysteme - ein Wald bzw.
Mikroorganismen in einem Heuaufguß - zeigen grundsätzlich das
gleiche Verhalten: Nettoüberschuß an Primärproduktion während
der Wachstumsphase (siehe obenstehendes Bild):
Entwicklungsphase:
Reifezustand:
BPP/R > 1
BPP/R = 1
(R = RA+RH)
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(5) Zwischen dem Entwicklungsstadium und dem
späteren Reifezustand eines Ökosystems bestehen
wichtige qualitative Unterschiede bezüglich der
Energetik, der Organisation, den Nährstoffkreisläufen,
den Anpassungsstrategien der Organismen und der
Stabilität des gesamten Systems.
→ Die Sukzession ist stets mit einer Nährstoffakkumulation (aus
der Atmosphäre und der Verwitterung) verbunden!
Falls in der Entwicklungsphase der Zuwachs in voller Höhe
gerntet wird, ist keine weitere Sukzession möglich (Land-,
Forstwirtschaft, Gartenbau).
Bei der heterotrophen Suzession ist das typische P/R-Verhältnis
anfänglich größer als Eins. Das ist bei starker organischer
Verschmutzung oder Stoffeintrag von außen (z.B. im Oberlauf
von Fließgewässern) der Fall.
(3) Der Klimaxzustand entspricht der ökologischen
Tragfähigkeit bzw. dem natürlichen Vegetationstyp
einer Region und ist weitgehend durch die abiotischen
Faktoren, d.h. das lokale Klima, bestimmt.
Unter gewissen Bedingungen sind auch mehrere Schlußgesellschaften möglich!
Unter den klimatischen Verhältnissen Mitteleuropas ist der
dauerhafte und stabile Endzustand der Vegetation (von extrem
trockenen oder nassen Standorten abgesehen) stets der Wald.
Durch die Tätigkeit des Menschen ist aber nur noch ein Viertel
des Bodens waldbedeckt, die Weiterentwicklung zum
Klimaxzustand wird immer wieder verhindert.
Die einzelnen Schritte der Sukzession heißen Stadien; von ihnen
zu unterscheiden sind die unterschiedlichen Aspekte, die im Laufe
einer Vegetationsperiode (!) auftreten.
(4) Ökosysteme können nur in der Wachstumsphase
dauerhaft bewirtschaftet (d.h. beerntet) werden, weil
nur dann die Nettoproduktivität positiv ist.
Land- und Forstwirtschaft halten Ökosysteme künstlich in einem
(instabilen) frühen Stadium der Sukzession mit hoher Nettoproduktivität. Dafür ist zusätzliche Energiezufuhr von außen nötig
(Feldbestellung, Unkrautbekämpfung). Nach Wegfall der
Eingriffe läuft die natürliche Sukzession weiter.
Agrarökosysteme entstehen also durch “Zurückversetzen” in eine
frühe Sukzessionsphase und durch Verhindern der natürlichen
Sekundärsukzession durch regelnde Eingriffe.
Frühe Stadien der Sukzession:
- meist lineare Nahrungsketten
- Weidekette dominiert (Herbivorie)
- Organismen sind eher Generalisten
- Vermehrungsstrategie (r-Strategie) vorherrschend
Im Klimax:
- vielfältig verknüpfte Nahrungsnetze
- Detrituskette dominiert (sehr viel Bestandsabfall!)
- Organismen sind eher Spezialisten
- Anpassungsstrategie (K-Strategie) vorherrschend
2.7.2. Wichtige Aussagen der Systemtheorie
(1) Entwicklungen in der Umwelt werden durch das
Zusammenwirken vieler Systeme auf unterschiedlichen Hierarchiestufen bestimmt: von Organismen
über Populationen und ganze Ökosysteme bis hin zur
Bio- und Klimasphäre.
Insbesondere ist ein Ökosystem das “durch Populationen von
Organismen und deren abiotischer Umwelt gebildetes Wirkungsgefüge, das offen, relativ eigenständig und zur Selbstregulation
fähig ist” (Ellenberg, 1974). Es ist die grundlegende Funktionseinheit in der Ökosphäre.
UMWELTWISSEN/ÖKOLOGIE:
2. Energienutzung und Stoffumsatz in Ökosystemen
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→ Die Folge ist: Auch für Populationen und Ökosysteme sind die
Aussagen der allgemeinen Theorie nichtlinearer dynamischer
Systeme anwendbar!
(2) Ein System ist eine relativ beständige, abgrenzbare Einheit von Elementen und Beziehungen, die
durch bestimmte Gesetzmäßigkeiten charakterisiert
ist.
Beispiele: chemisch reagierendes System, Vielteilchensystem,
Population, Ökosystem (Teich, Wald, Grasland, Forst
Distelblütenkopf)
(3) Der Zustand eines Systems ist durch die momentanen Werte aller Zustandsgrößen charakterisiert,
wobei es einen minimal notwendigen Satz von
Zustandsgrößen gibt.
(4) Die Struktur eines Systems besteht in der Art der
Anordnung, der Verknüpfung und des Zusammenwirkens der Elemente. Durch die konkreten Wirkungsbeziehungen werden bestimmte Zustände und
Verhaltensweisen bevorzugt, die damit die konkrete
Funktion (d.h. den “Zweck”) des Systems bestimmen.
(7) Ein System kann mehrere stabile Gleichgewichte
haben. Starke Störungen des Zustandes bewirken
dann das abrupte “Kippen” in ein neues Gleichgewicht.
(8) Bei Änderung von Parametern kann es an
kritischen Werten auch zur “Verzweigung” kommen,
so daß der dann (von mehreren möglichen) konkret
angestrebte Gleichgewichtszustand von kleinen
Zufälligkeiten der Entwicklung abhängt.
Es geht vorrangig um Wirkungsbeziehungen, weniger um
räumlich-geometrische Aspekte (z.B. Baum = Laub + holzige
Biomasse + Feinwurzeln + Assimilatspeicher)
“Kippen” in eine andere Qualität von Fließgleichgewicht ist auch möglich, wenn bei Änderung
von Parametern des Systems diese bestimmte
kritische Werte überschreiten. Ein Zurücknehmen des
Eingriffs ist dann häufig wirkungslos (“Hysterese”).
(5) Die Systemdynamik wird bestimmt durch die
innere Struktur, speziell die (negativen und positiven)
Rückkopplungen, und die äußeren Einwirkungen.
Autonome, also nicht explizit zeitabhängige, Systeme
besitzen je nach Struktur und Anfangszustand eine
Eigendynamik mit monotonem oder schwingendem
Verhalten (abklingend, konstant oder aufschaukelnd),
durch die langfristig ein stationärer Zustand (Fließgleichgewicht) oder eine dauerhafte Oszillation
erreicht wird (falls unbeschränktes Wachstum ausgeschlossen ist).
Beispiel: Bei allmählicher Erhöhung des Nährstoffeintrags in
einen See wird durch die einsetzende Eutrophierung der
Systemzustand zunächst allmählich geändert. Bei einem kritischen
Wert “kippt” der See in einem Zustand mit Sauerstoffmangel,
Fischsterben, Faulschlammbildung und anaerober Zersetzung um
(6) Praktisch relevant sind nur stabile Verhaltensweisen, bei denen kleine Störungen des Zustandes
(d.h. eines Gleichgewichtes oder einer streng
perioduischen Bewegung) zeitlich asymptotisch
wieder abgebaut werden.
Leitbeispiel: Kugel in einer Mulde → stabil
Kugel auf einer Kuppe → instabil
(9) Verantwortlich für Prozesse der Selbstregelung,
Selbstorganisation und Anpassung an veränderliche
UMWELTWISSEN/ÖKOLOGIE:
2. Energienutzung und Stoffumsatz in Ökosystemen
Bedingungen sind Anregungen durch positive Rückkopplungen und Stabilisierung durch negative Rückkopplungen. Dadurch werden die Stabilität, Erhaltung
und Entfaltung des Systems über weite Bereiche
gewährleistet.
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Anmerkung: Die Begriffe Stabilität, Resilienz, Elastizität und
andere werden in der ökologischen Literatur sehr unterschiedlich
(und teilweise gerade vertauscht) gehandhabt. Es ist deshalb sehr
wichtig, sich stets zu vergewissern, was der jeweilige Autor unter
Stabilität usw. versteht! Bei allen Unterschieden bleibt aber der
gemeinsame Kernpunkt die Fähigkeit eines Ökosystems, äußere
Störungen (seien sie einmalig oder permanent) ohne große
Verhaltensänderungen “abzufangen”.
(2) Falls eine zeitweise Störung das System nicht aus
dem Anziehungsbereich des stabilen Fließgleichgewichts herausgebracht hat, dauert es je nach
Schwere des Eingriffs kürzer oder länger, ehe der
ursprüngliche Zustand wieder erreicht ist.
(10) Es gibt Systeme, bei denen auch eine sehr genaue Kenntnis des Anfangszustandes nur eine zeitlich
begrenzte Prognose erlaubt (sog. “chaotische”
Systeme”).
Beispiele: Entlaubung eines Waldes durch kurzzeitige Einwirkung eines Schadstoffs (= geringe Störung), Kahlschlag des
gesamten Waldes (= schwere Störung)
Beispiele: Wetter, chem. Reaktionen, Laserimpulse;
Insektenpopulationen, Ökosysteme (?)
(3) Auch kleinere Eingriffe in ein Ökosystem können
zu irreversiblen Veränderungen (z.B. “Kippen” in
einen anderes Gleichgewicht) führen, wenn die Produktivität verändert wird oder eine für das Ökosystem
wichtige Funktion verschwindet.
Anmerkung: Typisch für chaotische Attraktoren ist die sensitive
Abhängigkeit von den Anfangsbedingungen. In der Regel ist
chaotisches Verhalten aber auch durch irreguläre zeitliche Abläufe
gekennzeichnet.
Chaotische Dynamiken scheinen auch für die Beschreibung
ökologischer Vorgänge relevant zu sein. (Allerdings ist dort die
Variabilität der Elemente und ihres Verhaltens ebenso wichtig.)
2.7.3. Stabilität von Ökosystemen
(1) Der Begriff der ökologischen Stabilität beschreibt
die Fähigkeit eines Ökoystems, nach kleinen Störungen des Zustandes in ein relativ beständiges Fließgleichgewicht (bzw. ein periodisches Regime)
zurückzukehren.
Elastizität bezeichnet meist die Fähigkeit, auch
größeren Störungen zu widerstehen. Unter Resilienz
(d.h. Widerstandsfähigkeit) wird dagegen die Belastbarkeit verstanden, die durch interne Strukturveränderungen die Integrität des ökologischen
Systems erhalten will.
Ein “Umkippen” ist in verschiedene Richtungen möglich:
- Verringerung der Tragfähigkeit, z.B. durch Schadstoffeinträge
oder Nährstoffentzug
- Erhöhung der Produktivität, z.B. durch Überdüngung
- Ausfall von Funktionen, z.B. durch Artenverlust (Blütenbestäuber, Samenverteiler, spezielle Nahrung)
(4) Vielfältige redundante Verknüpfungen (wie z.B. in
Nahrungsnetzen)
können
zur
Stabilität
von
Ökosystemen beitragen: “Vielfalt bringt Stabilität”. So
sind etwa Generalisten (falls sie sich in der
Konkurrenz durchgesetzt haben) weniger gefährdet
als Spezialisten.
Bem.: “Vielfalt”, heute unter dem Schlagwort “Biodiversität”
bekannt, umfaßt Artenvielfalt, Umweltvielfalt, Nischenvielfalt,
genetische Vielfalt, biochemische Vielfalt, vielfältige funktionelle
Verknüpfungen und Rückkopplungen.
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2. Energienutzung und Stoffumsatz in Ökosystemen
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(3) Ein Wald ist aus mehreren charakteristischen
Schichten aufgebaut: der Baumschicht (mitunter sind
auch zwei Baumschichten unterscheidbar), der
Strauchschicht, der Krautschicht, der Moosschicht,
der Pilzschicht und der Wurzelschicht. Tiefergelegene
Schichten erhalten (zumindest im Sommerhalbjahr)
deutlich weniger Licht.
(5) Spezielle Strukturen und Funktionen, die zur
Stabilität eines Ökosystems beitragen, sind:
- Selbstregulation zum Fließgleichgewicht hin
- Pufferwirkung von Bestandsklima, Boden und Biozönose
- Trägheit und Reservefunktion von Stoffkapitalen
- Autonomie durch Stoffkreisläufe
- Wechselwirkungen der verschiedenen Arten
- Risikoverteilung durch Vielfalt (Biodiversität)
Die Fähigkeit zur Selbstregulation wirkt stabilisierend, indem eine
gewisse Unabhängigkeit von den Außenbedingungen erzielt wird:
- “Puffer”wirkungen werden durch schützende Elemente bewirkt,
die wechselnde Außenbedingungen schwächer wirken lassen (z.B.
Ausgleich von Temperaturschwankungen im Inneren eines
Pflanzenbestandes).
- Stoffkapitale (im Boden) sind einige hundert Male größer als
die jährlichen Importe und Exporte, so daß deren Schwankungen
sich langfristig wenig auswirken.
- Das Kreisen immer derselben Stoffe im Ökosystem bringt
Leben ohne Gesamtwachstum des Ökosystems sich, das damit
autarker und stabiler wird.
- Negative Rückkopplungen zwischen Populationen erzeugen
stabilisierende Wechselwirkungen (z.B. Regulation der Beutedichte durch einen Räuber).
- Stabilisierung durch Risikoverteilung kann entstehen durch
vielfache Nahrungsquellen (Generalisten), durch eine genetische
Variabilität der Populationen, durch Umgehen lokaler Umweltschwankungen mit Hilfe räumliche Ausbreitung und durch
Verteilung von ökosystemaren Funktionen auf viele Arten (Biodiversität)
(4) Das Erscheinungsbild sommergrüner Laubwälder
Mitteleuropas wird stark durch den jahreszeitlich
periodischen Entwicklungsgang, die Aspekte, geprägt.
Im Winteraspekt ohne Belaubung ruhen die meisten
Lebensvorgänge auf Grund der abiotischen Bedingungen (niedrige Temperaturen, kurze Tage). Den
Frühjahrsaspekt bestimmen zahlreiche Frühblüher,
wie Märzenbecher, Goldstern, Buschwindröschen,
Lerchensporn, Bärlauch und Waldmeister, die in einer
kurzen Wachstumsphase ihre im Boden gespeicherten Reserven (Rhizome, Knollen, Zwiebeln) mobilisieren, um der späteren Konkurrenz um Licht zu
entgehen. Im Sommeraspekt dominiert die Belaubung
der Bäume, im Herbst werden Blätter und oberirdische Teile krautiger Pflanzen abgeworfen.
2.8. Beispiel: Ökosystem Wald
(1) Als Wald wird eine von Bäumen dominierte
Lebensgemeinschaft bezeichnet, bei der durch die
hohe Bestandsdichte ein eigenes Mikroklima und eine
Vielzahl von Regulationsbeziehungen entstehen.
(2) Bei ausreichendem Jahresniederschlag stellt der
Wald in vielen Vegetationszonen das Klimaxstadium
dar, weil sich Bäume auf Grund ihrer Größe in der
zwischenartlichen Konkurrenz durchsetzen.
Beispiele: tropische Regenwälder, subtropische Saisonwälder,
Lorbeerwälder, Hartlaubwälder, temperate laubwerfende Wälder,
boreale immergrüne Nadelwälder
(5)
Konkurrenzbeziehungen bestehen im Wald
sowohl zwischen Pflanzen (Konkurrenz um Licht,
Nährstoffe, Wasser) als auch zwischen den verschiedensten Tiergruppen. Fraßbeziehungen ergeben
Nahrungsketten und -netze, in denen blatt-, samenoder holzfressende („Schädlinge“) Insekten, räuberische Insekten, Vögel und Wirbeltiere den Stofftransport über mehrere Trophieebenen organisieren.
Mutualistische Beziehungen betreffen u.a. die
Bestäubung durch Insekten und die Mykorrhiza.
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2. Energienutzung und Stoffumsatz in Ökosystemen
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(der realen Nische !) unter abweichenden Verhältnissen.
Wir finden deshalb Eichen eher auf trockenen und/oder sauren
Standorten (wobei die Stieleiche bis an die Trockengrenze des
Waldes heranreicht. aber auch im Nassen zu finden ist), während
die Hainbuche auf schwach saure bis basische und (wechsel-!)
feuchte Standorte ausweicht. Die Schwarzerle finden wir dagegen
im nassen Bereich an der Feuchtegrenze des Waldes
(7) Unter mitteleuropäischen Bedingungen dominieren auf sehr vielen Standorten Buchenwälder, deren
Ausprägung von bodensauren Hainsimsen-Buchenwäldern, über mesophile Waldmeister-Buchenwälder
bis hin zu eher trockenen und basischen OrchideenBuchenwäldern reichen. Auf feuchten oder wechselfeuchten (Tonböden !) Standorten finden wir EichenHainbuchen-Wälder, auf nassen Standorten, z.B. in
den Auen großer Flüsse, Eschen-Ulmen-Wälder.
(6) Unter mittleren Bedingungen bzgl. Bodenfeuchte
und Nährstoffangebot ist die Rotbuche (Fagus
sylvatica) die konkurrenzstärkste Baumart. Andere
Baumarten finden deshalb ihr ökologisches Optimum
(8) Humus verbessert das Bodengefüge und steigert
die Fähigkeit, Wasser und Nährstoffe festzuhalten und
zu speichern.
Beim Mull als bester Humusform befindet sich eine
lockere Laubstreu über dem humosen Oberboden. Mit
Pilzhyphen durchsetzter Moder nimmt eine Zwischenstellung ein. Rohhumus besitzt eine dicke unzersetzte
Streuschicht über dem basenarmen Oberboden.
UMWELTWISSEN/ÖKOLOGIE:
2. Energienutzung und Stoffumsatz in Ökosystemen
(9) Nach dem Brachfallen von (Acker-)Flächen, oder
einem Kahlhieb im Wald läuft eine charakteristische
(Sekundär-)Sukzession von Lebensgemeinschaften
ab, die unter dem meisten mitteleuropäischen Verhältnissen in einer bestimmten, von Klima und Boden
abhängigen, Waldgesellschaft als Klimaxstadium
endet.
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Auf einem brachgefallenen Acker siedeln sich ebenfalls einjährige
Arten an, deren Samen im Boden überdauert haben, z.B. Gänsefuß, Vogelknöterich oder Berufskraut. Im nächsten Jahr bildet sich
eine geschlossenen Pflanzendecke von vorwiegend ausdauernden
Pflanzen aus (Gemeiner Beifuß, Brennessel), die zunächst an
Ausbreitungs- und Vermehrungsfähigkeit unterlegen waren, dann
aber den eroberten Raum, u.a. durch Ausläuferwachstum,
dauerhaft behaupten können. Schließlich erscheinen auch hier
Holzpflanzen und die Sukzession verläuft in Richtung Wald.
(10) Mit dem Seßhaftwerden und dem Beginn des
Ackerbaus hat der Mensch seit mehr als 2000 Jahren
die Waldlandschaft grundlegend verändert. Rodungen
zum Zwecke der Gewinnung von Ackerland,
Abholzungen (für Brennmaterial, Baustoffe, Holzkohle), Waldweide und Streuentnahme führten im
Mittelalter zu einer weitgehenden Degradierung des
Waldes und zu einem großen Flächenverlust.
Ende des 18. Jahrhunderts setzten Forderungen nach
nachhaltiger Nutzung und eine intensive Aufforstungstätigkeit ein. Allerdings wurden in vielen Fällen
raschwüchsige, doch standortsuntypische, Nadelholzforsten angelegt.
Wirtschaftswälder unterscheiden sich vom Naturwald
dadurch, daß ihre Baumartenzusammensetzung nicht
vom Standort, sondern durch waldbauliche Maßnahmen geprägt ist.
Nach einem Kahlhieb im Wald (bei dem ein Kahlschlag entsteht)
siedeln sich einjährige und ausdauernde lichtliebende Pflanzen an,
u.a. Vogelmiere, Johanniskraut, Weidenröschen und Tollkirsche.
Dann folgen erste Sträucher, wie Holunder, Himbeere,
Brombeere, die von Pionierbaumarten, wie Weide, Birke, Pappel
überwachsen werden. Sie nehmen den Schlagpflanzen das Licht
und unterdrücken diese, aber in ihrem Schatten wachsen dann
Keimlinge anderer Waldbäume (Ahorn, Eiche, Buche) heran, die
nach Entfalten ihrer Konkurrenzkraft den Bestand dominieren.
Nach rund 20-40 Jahren ist wieder ein Wald entstanden.
Bei einem Niederwald nutzte man die Fähigkeit zum Stockausschlag, z.B. von Hainbuche, Esche, Ahorn und z.T. Eiche, und
entnahm in Abständen von ca. 20 Jahren das Holz. Ein Hochwald
dient der Gewinnung großer Mengen von gleichaltrigem
Nutzholz, typische Umtriebszeiten liegen bei 80-100 (Fichte) bzw.
120-140 Jahren (Buche). Heute wird die Plenterwirtschaft
angestrebt, bei der einzelne Bäume bei Erreichen des Zielstärkendurchmessers entnommen werden und ein Gemisch unterschiedlicher Altersklassen (und Baumarten) entsteht.
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