Grundriß der Augenheilkunde Grundriß der Augenheilkunde Mit einem Repetitorium für Studenten Begründet von F. Schieck Fortgeführt von E. Engelking 15. völlig neu bearbeitete Auflage von W. Leydhecker Mit 280 zum Teil farbigen Abbildungen in 343 Einzeldarstellungen Springer-Verlag Berlin Heidelberg GmbH 1968 Professor Dr. WOLF GANG LEYDHECKER Direktor der Universitäts-Augenklinik Würz burg ISBN 978-3-662-41606-8 ISBN 978-3-662-41605-1 (eBook) DOI 10.1007/978-3-662-41605-1 Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Springer-Verlages übersetzt oder in irgendeiner Form vervielfältigt werden. © by Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1968. Library of Congress Catalog Card Number 68-3090l. Ursprünglich erschienen bei Springer- Verlag Berlin Heidelberg New York 1968. Softcover reprint of the hardcover 15th edition 1968 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, daß solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. - Tite1-Nr. 0209 Vorwort zur fünfzehnten Auflage Gern bin ich der Aufforderung Herrn Prof. ENGEL KINGS und des SpringerVerlages gefolgt, die neue Auflage dieses Grundrisses zu bearbeiten. Der Zweck dieses kurzen, von SCHIECK begründeten Buches, blieb unverändert: Dem Studierenden und dem praktischen Arzt soll ein Leitfaden gegeben werden, um sich mit den wichtigsten Fragen der Augenheilkunde vertraut zu machen. Was ist wichtig? Besonders wichtig sind Krankheiten, deren Verkennen eine Gefahr für das Leben oder das Sehvermögen bildet oder die durch die Übertragbarkeit andere Menschen gefährden. Wichtig sind ferner Krankheiten, die besonders häufig sind und die der Nichtaugenarzt deshalb kennen soll, oder die der praktische Arzt selbst behandeln kann, wenn kein Facharzt erreichbar ist, sowie Augenveränderungen, die dem praktischen Arzt bei dem Erkennen von Allgemeinleiden nützen können. In jedem Kapitel habe ich mich bemüht, nach einer kurzen Schilderung der normalen Anatomie das Wichtigste zuerst zu bringen, wenn es möglich war. Der Text der 15.Auflage wurde fast völlig neu geschrieben. Abbildungen steuerten die Univ.-Augenkliniken Bonn-Venusberg (Direktor Prof. Dr. SIEBECK) und Essen (Direktor Prof. Dr. MEYER-SCHWICKERATH) bei, ferner die Firmen Haag-Streit (Bielefeld bei Bern, Schweiz), Klein (Heidelberg), Möller (Wedel), üculus (Dutenhofen) und Zeiss (überkochen). Neue Zeichnungen stammen von Herrn HEINRICH (Heidelberg), einige histologische Zeichnungen von Herrn Dr. MATHYL (Würzburg). Die Abbildungen 241 und 242 sind einer Arbeit des Verfassers mit freundlicher Genehmigung des Enke -Verlages entnommen. Herr Dr. WIDDER (Graz) und Frau GREGOR-SCHIESS (Bad Godesberg) haben das Manuskript in sprachlicher Hinsicht geprüft. Herr Prof. Dr. HENSCHLER (Würzburg) hat es in pharmakologischer Hinsicht durchgesehen. Ihnen allen danke ich für die Hilfe. Dem Verlag danke ich für das bereitwillige Eingehen auf meine Wünsche bei der Ausstattung des Werkes. Würzburg, Juli 1968 W. LEYDHECKER Inhaltsverzeichnis Die Augenheilkunde . . . 1 Das Sehorgan . . . . . . . . . . . Der intraokulare Flüssigkeitswechsel 1 11 Die Untersuchungsmethoden des Auges Objektive Untersuchungsmethoden . Subjektive Untersuchungsmethoden 11 11 21 Die Refraktion. . . 36 Die Akkommodation 50 Die Erkrankungen der Lider Störungen der Stellung und Beweglichkeit Entzündungen der Lider . . . . Tumoren der Lider . . . . . . 52 54 57 60 Die Erkrankungen der Tränenorgane 62 Die Erkrankungen der Bindehaut . Entzündungen der Bindehaut . Degenerationen der Bindehaut Tumoren der Bindehaut . . 66 68 79 Die Erkrankungen der Hornhaut Verletzungen . . . . . . . Hornhautentzündungen Degenerative Veränderungen Anomalien der Größe und Wölbung der Hornhaut Die Hornhauttransplantation 81 83 80 86 97 98 99 Die Erkrankungen der Lederhaut . 100 Die Erkrankungen der Linse . Erworbene Starformen . Angeborene Starformen Star bei Jugendlichen . . Operationen. . . . . . Allgemeines zur Operation 101 104 109 109 111 113 Die Erkrankungen der Iris und des Corpus ciliare Die Entzündung der Iris (Iritis) Verletzungen der Iris. . . . Tumoren der Iris . . . . . 123 125 Die Erkrankungen der Aderhaut 125 Die Pupille. . . 130 Der Glaskörper. 133 115 117 VIII Inhaltsverzeichnis Die Erkrankungen der Netzhaut . . . . . . . Das ophthalmoskopische Bild; Lebensalter, Refraktion Ablösung der Netzhaut (Amotio oder Ablatio retinae) Tumoren . . . . . . Zirkulationsstörungen Degenerationen Entzündungen. Verletzungen . Mißbildungen . 143 146 153 155 158 158 Die Erkrankungen des Sehnerven 159 Die Erkrankungen der Sehbahn. 165 Das Glaukom Sekundäre Glaukome Primäre Glaukome Hydrophthalmie, kindliches Glaukom 169 177 177 190 Die Orbita Entzündungen. . . . . . . . . . . Endokriner Exophthalmus . . . . . 192 195 Augenmuskellähmung (Strabismus parayticus) 196 Unterschiede zwischen Begleitschielen und Augenmuskellähmung . 205 Schielen (Strabismus concomitans) 206 Entwicklungsgeschichte des Auges 213 Die Mißbildungen des Auges 216 Erbliche Augenleiden . . . 218 Die Verletzungen des Auges 218 Begutachtung und Berufskrankheiten 222 Fürsorge für Blinde und Schwachsichtige 226 Repetitorium 231 Sachverzeichnis 242 134 137 139 194 Die Augenheilkunde Die Augenheilkunde bietet einige Besonderheiten. Die Feinheit und Empfindlichkeit des Organs verbieten Derbheit bei der Untersuchung und Behandlung. Das Auge ist klein, bei vielen Operationen trägt der Arzt vergrößernde Sehhilfen oder blickt durch das Operationsmikroskop. Man könnte das Operieren mit einer Feinmechaniker-Arbeit vergleichen, wenn nicht die seelische Belastung für Patient und Arzt so groß wäre. Die Untersuchung der durchsichtigen Teile erfolgt im optischen Schnitt des Spaltlampenlichtes mit dem Untersuchungsmikroskop. Den Augenhintergrund sieht man bei der üblichen Betrachtung mit dem Augenspiegel bereits 16fach vergrößert, mit dem Untersuchungsmikroskop noch weit größer. In der Hornhaut erkennt der Arzt ohne weiteres Nerven, in der Retina Kapillaren. Diese ganz regelmäßig erhobenen Befunde im mikroskopischen Bereich kennen andere Fächer der Medizin nicht. Die Schönheit der Strukturen erfüllt den Betrachter mit Ehrfurcht vor der Schöpfung. Die Möglichkeit so klare Befunde zu erheben, veranlaßt ihn zu exaktem Beobachten und genauem ätiologischem und therapeutischem Denken. Die wertvollsten Quadratmillimeter des Körpers sind die beiden Fovex centrales. Der hohe Wert des Auges legt dem Arzt eine besonders große Verantwortung auf. Das therapeutische Risiko ist groß. Ohne angewandte Psychologie, ohne Taktgefühl kann man nicht Augenarzt sein. Mit der Gesamtmedizin ist die Augenheilkunde innig verflochten. Viele Allgemeinleiden bewirken Augenveränderungen. Diagnose und Therapie des Augenarztes führen ihn so täglich über sein Fach hinaus. Von den 12 Hirnnerven sind 6 am Auge und seinen Hilfsorganen beteiligt. Dadurch ist die Verflechtung mit der Neurologie besonders eng. Das Auge ist ja ein vorgeschobener Gehirnteil. Mit der Hals-NasenOhrenheilkunde bestehen enge Beziehungen wegen der Nebenhöhlen, die dicht an das Auge heranreichen, mit der Dermatologie wegen der häufigen Erkrankungen der Lidhaut und Bindehaut. Der Wissenschaftler wird zum Studium des Auges vieler weiterer Wissensgebiete bedürfen: Der Physiologie, Chemie, Physik, Optik, Immunologie, Histologie, Psychologie und Statistik, um nur einige zu nennen. So betrachtet, ist die Augenheilkunde ein faszinierendes, klares und ästhetisches Arbeitsgebiet im Schnittpunkt vieler Wissenschaftszweige, das man nie auslernt, das große Verantwortung und tiefe Freude bringt, wenn man dem Kranken helfen kann. Das Sehorgan Das Sehorgan besteht aus den beiden Augen mit ihren Schutz- und Hilfsorganen, aus den Sehbahnen und Sehzentren. Der Augapfel enthält als wichtigsten Teil des Sehorgans die lichtempfindliche Netzhaut. Sie ist ein nach vorn geschobener Hirnteil mit mehreren hintereinandergeschalteten Neuronen. Die adäquaten Reize sind elektromagnetische Wellen von etwa 400 bis 800 mp,. Bei jeder Blickrichtung ist den einzelnen Netzhautstellen ein be1 a Leydhecker, Grundriß der Augenheilkunde, 15. Aufl. 2 Das Sehorgan stimmter Ort im Raum zugeordnet: sie haben einen Raumwert. Die räumliche Unterscheidung und Ordnung der durch das einfallende Licht bedingten Sinneseindrücke nennen wir Sehen. Der Augapfel enthält bildentwerfende und bildaufnehmende Organe. Zu den ersteren rechnen die brechenden Medien: Hornhaut und Linse. Das bildaufnehmende Organ ist die Netzhaut (Retina). In ihr wird der plysikalische Reiz mittels photochemischer Prozesse in einen nervö'sen Reiz umgewandelt. Der ihn weiterleitende Sehnerv (Nervus opticus, anatomisch richtiger: Fasciculus opticus), das Chiasma nervorum, die Tractus optici und intracerebralen Bahnen über den Thalamus opticus und die Netzhaut unJ J.himcr AJcrh.ut K.mmcrwinkcl \ ~ "E E ""~"c . --. ---Zonub Vordere SehnervenpapIlle ---- ;:. \'. chncrvcn~ cheide Glaskörpcrraum ornca. ~~4 _ . _____ Corpus eili,," klcr. Limbus / onjunctiva bulbi Abb. 1. Waagrechter schematischer Durchschnitt durch den linken Augapfel, von oben gesehen Gratioletsche Sehstrahlung bis in die Hinterhauptsrinde bilden die nervö'se Leitung. Hier, im Sehzentrum, befinden sich die Substrate der bewußten Lichtempfindung. Eine Anzahl übergeordneter Bahnen, die von hier ausgehen und das Sehzentrum mit anderen Hirnteilen verbinden, sorgen für die weitere Verarbeitung der optischen Eindrücke und ihre Einordnung in den Gesamtkomplex der Erfahrung (p{Jchische Leitung). Jeder überschwellige Lichtreiz, der zur Hirnrinde gelangt, hinterläßt wahrscheinlich in ihren Zentren gewisse dauernde Veränderungen (Engramme). Der Augapfel erhält seine Gestalt durch eine kugelförmige Hülle festen Bindegewebes, die vorn von der durchsichtigen Hornhaut (Cornea), im übrigen von der weißen Lederhaut (Sklera) gebildet wird. Die Hornhautkrümmung hat einen etwas kürzeren Radius (8 mm = 42 dpt) als die übrige Bulbuskapsel, so daß die Cornea wie ein Uhrglas der Bulbuswandung eingefügt ist. An ihrem Rand befindet sich deshalb eine seichte Rinne (Limbus corneae). Der horizontale Durchmesser der durchsichtigen Hornhaut (nicht etwa mit dem Krümmungsdurchmesser zu verwechseln!) beträgt Der Kammerwinkel 3 etwa 11,5 mm (Normalwerte 10-13 mm), die sagittale Achse des normalen Auges etwa24mm. Das Auge des Neugeborenen, obwohl bereits relativ sehr weit entwickelt, ist gegenüber dem des Erwachsenen viel kürzer. Seine Achsenlänge beträgt nur etwa 17 mm. Hornhaut und Linse sind entsprechend stärker gewölbt. Trotzdem ist das Neugeborenenauge in der Regel hypermetrop, auch wenn es später emmetrop oder myop wird. Der Hornhautdurchmesser bei Neugeborenen beträgt 8-10 mm (wichtig für die Diagnose der Hydrophthalmie!). Hinter der Cornea liegt die vordere Augenkammer, die begrenzt wird von der Hornhauthinterfläche, dem Kammerwinkel, der Irisvorderfläche und, im Bereich der schwarzen Pupille, der Linsenvorderfläche (Abb. 1-3). Abb. 2. Temporale Hälfte des rechten Augapfels (nach einem Lehrmodell. Die Linse ist nicht durchschnitten). Lb Linsenaufhängebänder, zirkulär um den Linsenrand angeordnet; R Regenbogenhaut; L Linse; P Pupille; H Hornhaut; Vk vordere Augenkammer; G innerer, vom Glaskörper ausgefüllter Hohlraum; Lh Lederhaut; A Aderhaut; N Netzhaut (dazwischen Pigmentschicht); S Sehnerv; SE Sehnerveneintritt; F Stelle des schärfsten Sehens (Fovea) Der funktionell wichtige Kammerwinkel befindet sich dort, wo die Hornhautrückfläche zur Iris umbiegt. Er ist unseren Blicken entzogen, weil die weiße Lederhaut vorn etwas auf Kosten der durchsichtigen Hornhautoberfläche übergreift und den Kammerwinkel verdeckt. Die Umschlagstelle der Hornhaut zur Iris wird vom Trabeculum corneo-sclerale gebildet. Dem Kammerwinkel entlang und von diesem durch das Trabekelwerk getrennt zieht in den tieferen Lagen der Hornhaut-Lederhautlamellen der Schlemmsche Kanal. Er bildet einen ringförmigen Sinus. Das Kammerwasser fließt durch die schwammähnlichen Trabekel in den Schlemmschen Kanal und verläßt ihn über 20-30 Abflußkanälchen, die teils in den tiefen intraskleralen Venenplexus, teils in oberflächliche Bindehautvenen münden. 1* 4 Das Sehorgan Abb. 3. Vorderabschnitt des menschlichen Auges mit Kammerwinkel. Vergleiche das gonioskopische Bild Abb. 221! Links oben Hornhaut, deren Peripherie von Sklera überdeckt ist. Die Lücken in der Sklera sind Venen des intraskleralen Plexus, durch die das Kammerwasser abfließt. Die Hornhaut ist innen von einem Endothel ausgekleidet. Das Endothel endet zusammen mit der Descemetschen Membran in einer Verdickung, die man gonioskopisch als Schwalbesehe Linie sieht. Hierauf folgt zum Kammerwinkel hin ein im Schnitt dreieckiger spongiöser Körper, das Trabeculum corneosclerale. Durch dessen Lücken sickert das Wasser in den Schlemms ehen Kanal und von hier aus in Venen des intraskleralen Plexus. Die hintere Wand des Kammerwinkels wird von der Iris gebildet, die der Linsenvorderfläche lose aufliegt. Das Linsenepithel reicht bis in die Äquatorgegend. Die Linse ist mit den Zonulafasern an den Ziliarfortsätzen und den Tälern zwischen den Ziliarfortsätzen aufgehängt. Am Ziliarkörper unterscheidet man die meridionalen Fasern des Brückesehen Muskels und die zirkulären Fasern des Müllersehen Muskels Irishinterfläche, Processus ciliares, Zonula Zinnii und Linsenvorderfläche begrenzen die hinter der Ebene der Regenbogenhaut gelegene hintere Augenkammer. Vordere und hintere Augenkammer sind mit durchsichtigem Kammerwasser gefüllt, das von hinten durch die Pupille in die vordere Augenkammer übertritt, denn die Der Kammerwinkel 5 Abb. 4. Mikroskopischer Flachschnitt durch das Trabekelwerk, schematisiert, nach TRONcoso. Durch die Lücken des schwammähnlichen Gewebes fließt das Kammerwasser ab Sklcra-_ _ ZiIi:1dortS:irzc _ ZonulaC:lscrn _ _ 'FY:'~"" Linscnhintcrfliichc _ - , - _ Il intcrer Pol der Linse Unscn:'ic.luator _ Abb. 5. Corpus ciliare und Linse von rückwärts. (Nach ErsLER) Irisfläche liegt der Linsenkapsel nur ganz lose auf. Der Pupillenrand gleitet beim Pupillenspiel auf der Linsenvorderfläche hin und her. 1 b Leydhecker, Grundriß der Augenheilkunde, 15. Aufl. 6 Das Sehorgan Die Linse selbst liegt hinter der Pupille in der tellerförmigen Grube des Glaskörpers und ist durch die zarten Fasern der Zonula Zinnii an den Ciliarfortsätzen des Corpus ciliare befestigt. Die Zonulafasern gehen von der Pars plana sowie von den Tälern zwischen den Ziliarfortsätzen aus. Die Linse stellt einen kristallklaren Körper dar, dessen Brechungsindex größer ist als der des KamJIlerwassers und des Glaskörpers und überdies von außen nach innen zunimmt. Läßt durch Kontraktion des Ziliarmuskels der Zug der Zonulafasern auf die Linse nach, dann wölbt sich diese infolge ihrer eigenen Elastizität, und ihre Brechkraft nimmt zu. Linse und Zonula bilden die Scheidewand zwischen Glaskörperraum und Augenkammer. Die Linse hat keine Blutgefäße und keine Nerven. Der Raum hinter der Linse wird vom festflüssigen Gel des Glaskörpers eingenommen, das in ein feines Gerüstwerk eingebettet ist. Der Brechungsindex des Glaskörpers entspricht ungefähr dem des Vorderkammerwassers (1,3). Der Glaskörper (Corpus vitreum) hat folgende Begrenzungen: vorn die Linsenhinterfläche und die rückwärtigen Fasern des Aufhängebandes der Linse, weiter nach hinten zunächst ein schmales Stück Corpus ciliare, das von rudimentärer Netzhaut überzogen ist und dann die Innenfläche der Netzhaut samt Sehnervenscheibe. Die Netzhaut (Retina) ist entwicklungsgeschichtlich als eine bläschenförmige Ausstülpung des Gehirns angelegt (primäre Augenblase), die dann von vorn her einsinkt und somit zu einer Duplikatur (Augenbecher) wird. Die innere Zellage bildet später die eigentliche Netzhaut, die äußere das Pigmentepithel (Abb. 277, S. 215). Die Netzhaut entwickelt sich zu einem vielzelligen komplizierten Organ, das der Aufnahme der Lichtreize dient. Das Pigmentepithel bleibt einschichtig und haftet als Pigmentzellenbelag fest an der Innenfläche der zwischen Netzhaut und Lederhaut liegenden Aderhaut. Die beiden Blätter der Duplikatur, Netzhaut und Pigmentepithel, verwachsen nicht miteinander, sondern liegen lose aneinander. Das zu wissen ist für das Verständnis der Netzhautablösung (S. 139) wichtig. Nur nahe dem Corpus ciliare, wo die lichtempfindliche Partie der Netzhaut aufhört (Ora serrata), verschmelzen beide Blätter miteinander, indem auch die Netzhaut zu einer einschichtigen Epithellage wird, die sich mit dem Pigmentepithel verbindet. So überzieht die rudimentäre Netzhaut in doppelter Epithellage im vorderen Augenabschnitt die ganze Innenoberfläche des Corpus ciliare (pars ciliaris retinae) und die Rückfläche der Iris (pars iridica retinae). Im Gebiete des Corpus ciliare ist die als Fortsetzung der Netzhaut geltende innere Epithellage unpigmentiert, an der Irisrückfläche dagegen pigmentiert, so daß hier also zwei pigmentierte Zellagen aufeinanderliegen (von Pigment durchsetzte rudimentäre Netzhaut und Netzhautpigmentepithel); sie enthalten die radiär verlaufenden Fasern des M. dilatator pupillae. Die Netzhautnervenfasern fließen auf der Sehnervenscheibe (Papilla nervi optici) zum Sehnerven zusammen, der durch die Löcher der Siebplatte (Lamina cribrosa sderae) den Augapfel verläßt. Regenbogenhaut (Iris), Strahlenkörper (Corpus ciliare) und Aderhaut (Chorioidea) bilden eine zusammenhängende Haut (Tunica vasculosa oder Tractus uveaHs, kurz: Uvea). Am weitesten nach vorn liegt die aus Vorder- und Hinterblatt zusammengesetzte Iris; sie scheidet die vordere Augenkammer von der hinteren und bildet als Umgrenzung der Pupille die Blende des optischen Systems. Mit ihrem Pupillenrand schleift sie auf der Linsenvorderfläche, mit ihrer Wurzel, die den Kammerwinkel begrenzt, geht sie ohne scharfe Absetzung in den Strahlenkö"rper über. Dieser hat im Die Blutgefäße 7 Querschnitt annähernd dreieckige Gestalt, die sich bei eintretender Akkommodationsanspannung ändert. Seine Fortsätze (Processus ciliares) sind Erhebungen, die an der Rückfläche des Organs speichenartig angeordnet sind und nach der Linse zu vorspringen (Abb. 3). Von ihnen spannt sich das Linsenaufhängeband, die Zonula} hinüber zur Linsenkapsel, auf der es sich mit einer Faserreihe vorn, mit einer anderen hinten anheftet. Treten durch die Kontraktion der an der Basis des Dreiecks liegenden Muskulatur des Corpus ciliare die Fortsätze mit ihren Kuppen näher an den Linsenäquator heran, dann erschlafft das Aufhängeband und wölbt sich die Linse stärker (s. Abb. 64, S. 51). Die vordere Kammer wird dabei etwas flacher. Gleichzeitig zieht sich die Pupille zusammen (Naheinstellungsreaktion), und endlich werden durch die meridionalen Fasern des Ziliarmuskels auch die vorderen Teile der Aderhaut angespannt und etwas nach vorn gezogen. Außerdem sondern die Epithelzellen des Strahlenkörpers (also die Zellen der rudimentären Netzhaut) das Kammerwasser ab. Weiter rückwärts wird das Corpus ciliare flacher; seine Pars plana geht ganz allmählich in die Aderhaut über. Die Iris dient als Blende, der Strahlenkörper als Träger des Akkommodationsorganes sowie als Quelle des Kammerwassers. Die Aderhaut ist innen, zur Netzhaut hin, von einem straffen Häutchen, der Lamina vitrea} begrenzt, der das Pigmentepithel der Retina aufsitzt. An die Lamina vitrea schließt sich zunächst die Choriocapillaris an, welcher die eigentliche Aufgabe der Netzhauternährung zufällt, sodann die Schicht der mittleren und größeren Gefäße. Durch die Zellagen der Suprachorioidea mit ihren Lymphräumen ist die Aderhaut mit der Lederhaut verbunden. Die Linse ist zwischen vorderer Augenkammer und Glaskörper mit ihrem an die Fortsätze des Strahlenkörpers angehefteten Aufhängebande befestigt, das mit seinen Fasern in die Linsenkapsel übergeht. Linse samt Zonula bilden daher die Scheidewand zwischen Augenkammer und Glaskörperraum (s. Abb. 1,2 und 3). Der Augapfel ist in das orbitale Fettgewebe eingebettet, das von den Augenmuskeln und einem System feiner Bindegewebsstränge durchsetzt wird. Diese umgeben insbesondere die Lederhaut mit einer zarten Fascienhülle, die sich von der Duralscheide des Sehnerven aus als eine Art Kapsel (Tenonsehe Kapsel) nach vorn erstreckt. Hier geht sie in die Muskelscheiden über, sendet aber auch Fasern bis in die Conjunctiva bulbi, zur Fascia tarso-orbitalis und - als Ligamenta capsularia oder Retinacula oculi - zur Periorbita. Muskulatur, Fascienapparat und orbitales Fett halten den Bulbus schwebend und beweglich in seiner Lage. Während hinten und seitlich die Schädelknochen den Raum der Orbita umschließen, ist er nach vorn durch die Lider, insbesondere die Tarsusknorpel und das von ihnen zum knöchernen Orbitalrande ziehende Septum orbitale begrenzt. Über die Lage der Tränenorgane wird S. 62 berichtet. Das Blutgefäßsystem (Abb. 6). Die arterielle Gefäßversorgung der Orbita und besonders des Augapfels geschieht durch die Äste der A. ophthalmica, die aus der Carotis interna stammt und mit dem N. opticus durch das Foramen opticum des Keilbeins in die Augenhöhle gelangt. Das venöse Blut des Augapfels und der Augenhöhle wird im wesentlichen durch die v. ophthalmica abgeführt, die durch die Fissura orbitalis superior mit dem Sinus cavernosus in Verbindung steht. Nach vorn hin bestehen Anastomosen mit den 8 Das Sehorgan Gesichtsvenen, so daß ein Furunkel von Oberlippe oder Naseneingang zur Thrombose des Sinus cavernosus führen kann. Am Augapfel selbst unterscheiden wir die Bindehaut-, Ziliar- und Netzhautgefäße. Das Bindehautgefäßrystem liegt ganz oberflächlich; schon am ungereizten Auge sind einzelne Äderchen auf der weißen Lederhaut sichtbar. Sie lassen sich mitsamt der Conjunctiva bulbi auf der Lederhaut leicht verschieben. Ilindch"utgcfiiflc 1\. eil. ant. V. eil. "n! . . V. vorcicos:1 1\. ccntr. . centr. retinae .. . i\ . ci I. pus, . lon ~" . -----. _ 1\ . eil. post. brcvis Abb. 6. Blutgefäße des Auges. (Nach TH. LEBER) Demgegenüber stellt der ZiliarkreislauJ ein Netz dar, welches die tieferen Teile des Auges, vorzüglich die Uvea, versorgt. Die vorderen Ziliararterien und -venen durchbrechen die Sklera in der Höhe des Ansatzes der geraden Augenmuskeln, mit denen sie an das Auge herankommen. Sie verzweigen sich innerhalb der Iris und des Corpus ciliare. Vielfache Anastomosen bestehen zwischen ihnen und den hinteren Ziliargefäßen. Diese gliedern sich in kurze und lange Äste. Die 4-6 Aa. ciliares posteriores breves (Arteriae chorioideae) und 2 longae (Arteria iridis nasalis und temporalis) treten an der Hinterfläche des Augapfels in der Umgebung des Sehnerven durch die Sklera hindurch. Von hier aus verästeln sich die kurzen Arterien unmittelbar in die Aderhaut, wo sie in die Schicht der größeren Gefäße übergehen. Die zwei Die Blutgefäße 9 Abb.7. 2 Vortexvenen. Die Sklera ist zum Teil entfernt, so daß man die schematisch wiedergegebenen Wirbelvenen an der Außenfläche der Aderhaut sehen kann .\ l arkfrcic "crvcnf:1.scrn ::-: .. -:::-.. . ~ ~ ~ '.~ ~ ~~'-' ~ . -.. -. ~ . " L.,minn c:rihrns:I Gcf;H!richtcr I ~"'--"" ----- Pji1 m:UCr Abb. 8. Schematischer Durchschnitt durch Sehnerv und Papille langen Arterien ziehen jedoch ziemlich genau medial und lateral vorerst ungeteilt nach vorn, um sich an der Versorgung der Iris und des Corpus ciliare zu beteiligen, indem sie die schon erwähnten Verbindungen mit den vorderen Ciliargefäßen eingehen. Das venöse Blut der Aderhaut hingegen sammelt sich in den Wirbelvenen (Vv. vorticosae), deren es am oberen und unteren Augapfelumfange je zwei gibt. Sie werden von den einzelnen Stämmchen in der Schicht der größeren Aderhautgefäße so gespeist, daß überall dort, wo eine Wirbelvene die Sklera durchbohrt, sich ein radiär verlaufender Strahlenstern von zahlreichen Venen in das Hauptgefäß (s. Abb. 7) ergießt. Der Durchtritt der Wirbelvenen durch die Lederhaut erfolgt in ganz schräger Richtung (Abb. 6).