Magnetische Messungen an unterkühlten Co-Basis Schmelzen Dissertation zur Erlangung des Grades eines Doktors der Naturwissenschaften in der Fakultät für Physik und Astronomie der Ruhr-Universität Bochum von Sven Reutzel aus Hanau Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt Institut für Raumsimulation Köln 2002 Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung.......................................................................................................... 1 2 Magnetismus....................................................................................................... 5 2.1 Diamagnetismus............................................................................................ 8 2.2 Paramagnetismus.......................................................................................... 9 2.3 Kollektiver Magnetismus................................................................................ 14 2.3.1 Das Heisenbergmodell..................................................................... 16 2.3.2 Das Bändermodell............................................................................ 17 2.4 Flüssige Ferromagnete.................................................................................. 20 3 Unterkühlte Metallschmelzen.............................................................................. 23 3.1 Der Phasenübergang fest-flüssig........................................................ 23 3.2 Spezifische Wärme.............................................................................. 25 3.3 Homogene Keimbildung...................................................................... 28 3.4 Heterogene Keimbildung..................................................................... 33 4 Experimentelle Methoden.................................................................................... 35 4.1 Elektromagnetische Levitation............................................................. 35 4.2 Differenz-Thermoanalyse.................................................................... 37 4.3 Faraday-Waage................................................................................... 39 4.3.1 Messprinzip............................................................................... 39 4.3.2 Magnetfeld und Feldgradient.................................................... 40 4.3.3 Kraftmessung............................................................................ 45 4.3.4 Magnetschwebekupplung......................................................... 45 4.3.5 Ofen.......................................................................................... 47 4.3.6 Messsteuerung und Datenerfassung........................................ 48 4.3.7 Aufbau der Faraday-Waage..................................................... 50 4.4 Rasterelektronenmikroskopie (REM)................................................... 51 4.5 Probenherstellung................................................................................ 53 5 Probensysteme................................................................................................... 55 5.1 Reine Übergangsmetalle..................................................................... 55 5.1.1 Eisen......................................................................................... 55 5.1.2 Kobalt........................................................................................ 57 5.2 Co-Basis Legierungen......................................................................... 58 5.2.1 Das Probensystem Co-Pd........................................................ 58 5.2.2 Das Probensystem Co-Au........................................................ 65 5.2.3 Das Probensystem Co-Cu........................................................ 68 6 Ergebnisse und Diskussion................................................................................. 73 6.1 Magnetische Messungen an Eisen...................................................... 73 6.2 Messungen an Kobalt.......................................................................... 79 6.2.1 Kalorimetrische Untersuchung.................................................. 79 6.2.2 Magnetische Untersuchung .................................................. 80 6.2.3 Strukturuntersuchung der unterkühlten Schmelze.................... 87 6.3 Messungen an Co-Pd.......................................................................... 91 6.3.1 Probengrößenabhängigkeit der Unterkühlung.......................... 91 6.3.2 Magnetische Untersuchungen.................................................. 101 6.4 Magnetische Messungen an Co-Au..................................................... 107 6.5 Magnetische Messungen an Co-Cu.................................................... 110 7 Zusammenfassung.............................................................................................. 129 8 Literaturverzeichnis.............................................................................................. 133 Danksagung......................................................................................................... 141 Lebenslauf........................................................................................................... 143 Kapitel 1 Einleitung Magnetismus ist ein vielfältiges Phänomen und auch nach langjährigen Untersuchungen immer noch im Blickpunkt aktueller Forschung. Besonders das Verhalten von Stoffen, die auch ohne ein äußeres Magnetfeld anziehende oder abstoßende Kräfte produzieren, wie das seit dem Altertum bekannte Magnetit, hat das Bild vom Magnetismus geprägt und dient aufgrund seiner eisenreichen Zusammensetzung als Namensgeber für die Stoffklasse der Ferromagnetika. Das Erscheinungsbild dieser Stoffe ist allerdings weitaus vielfältiger als es allein die Eigenschaften von Übergangsmetallen, wie z.B. Kobalt, Eisen oder Nickel vermuten lassen. Die Erscheinungsformen von Magnetismus fasst man unter dem Begriff der magnetischen Ordnung zusammen und unterscheidet dabei zwischen Ferro-, Antiferro- und Ferrimagnetismus. Es existieren kristalline und amorphe, strukturell geordnete und ungeordnete Substanzen, die hart- oder weichmagnetische Eigenschaften aufweisen. Die dabei auftretenden Kopplungsmechanismen und Spinstrukturen sind äußerst vielfältig. Magnetismus in metallischen Systemen ist nach bisher bekannter physikalischer Erkenntnis immer an den festen Zustand der Materie gebunden. Der strukturelle Zustand beeinflusst dabei zwar die magnetische Eigenschaften, kristalline Ordnung ist aber keine notwendige Bedingung für das Auftreten langreichweitiger magnetischer Ordnung. Selbst atomare Vibrationen in Schmelzen stellen prinzipiell kein Hindernis für die Einstellung magnetischer Ordnung dar, da die magnetischen Korrelationszeiten wesentlich kürzer sind als die atomaren Fluktuationen in der Schmelze. Eine magnetische Ordnung kann sich einstellen, ohne dass die Struktur der Materie betroffen ist. Die magnetischen Momente folgen einer strukturellen Änderung hingegen instantan. Bislang ist aber entgegen der Theorie nur eine einzige einphasige Flüssigkeit gefunden worden, die magnetische Ordnung aufweist: die A1-Phase von superfluidem 3He ordnet in einem externen Feld unterhalb von 2,6 mK [Leg77], [Paul78]. Dabei koppeln, ähnlich den Cooper-Paaren in Supraleitern, je zwei 3He-Atome aufgrund ihrer Kernspins im äußeren Feld zu einem Bose-EinsteinKondensat. Albrecht et al. [Al97] berichten zwar von der Existenz einer ferromagne- 1 Einleitung tischen Co-Pd Schmelze, jedoch konnte das einmalige Experiment seither nicht reproduziert werden. Mehrphasige Systeme, bestehend aus kristalliner magnetischer Materie dispergiert in einer Trägerflüssigkeit, sogenannte Ferrofluide, sind hingegen bereits seit längerem bekannt [Sti90], [Ro85] und finden immer häufiger technische Anwendungen z.B. in Dichtungen, zur Dämpfung, in Antrieben sowie in der Medizin- und Sensortechnik [Hä97]. Bei allen magnetischen Metallen und ihren Legierungen befindet sich die Schmelztemperatur TL oberhalb der magnetischen Ordnungstemperatur, die bei ferromagnetischen Metallen als Curie-Temperatur TC bezeichnet wird. Kobalt ist das Element mit der höchsten relativen Curie-Temperatur TrC = TC / TL = 0.787, wobei sich die Curie-Temperatur 376 K unterhalb des Schmelzpunktes befindet. Die geordnete Spinstruktur wird beim Aufheizen durch zunehmende thermische Unordnung zerstört, lange bevor das Material flüssig wird. Kühlt man eine Kobaltschmelze wieder ab, so kristallisiert diese unter normalen Bedingungen ebenfalls lange bevor sich eine magnetische Ordnung einstellen kann. Zieht man allerdings die Unterkühlbarkeit von Schmelzen in Betracht, ändert sich diese Überlegung. Bereits 1957 begann Nakagawa mit der Untersuchung verschiedener Eisen- und Kobaltverbindungen im flüssigen unterkühlten Zustand [Na57] auf der Suche nach ferromagnetischer Ordnung in der metastabilen Phase. Auch Urbain et al. untersuchte die magnetischen Eigenschaften unterkühlter Kobalt-Schmelzen [Ur67]. Beide Untersuchungen ergaben ein lineares Curie-Weiss-Verhalten im Temperaturbereich bis zu 200 K unterhalb der Schmelztemperatur, ein Unterkühlen in einen flüssigen ferromagnetischen Zustand gelang jedoch nicht. Letzte Messungen der Unterkühlbarkeit von Co-Pd Legierungen auf der kobaltreichen Seite des Phasendiagramms geben Hinweise auf eine mögliche Korrelation zwischen magnetischer Ordnung und maximaler Unterkühlbarkeit [He99]. Der Phasenübergang flüssig-fest ist ein Phasenübergang erster Ordnung und wird über einen Keimbildungsprozess eingeleitet. Es bedarf einer thermischen Aktivierung, um diese Keimbildungsschwelle zu überwinden. Durch die Unterkühlung der Schmelze wird eine treibende Kraft zur Keimbildung erzeugt, die mit wachsender Unterkühlung immer weiter ansteigt. Insbesondere Übergangsmetalle lassen sich aus der flüssigen Phase zum Teil einige hundert Kelvin unter ihre Schmelztemperatur abkühlen, ohne dabei zu erstarren. Dieser Zustand wird als metastabiler Zustand der unterkühlten Schmelze bezeichnet und ist neben den Mes2 1 Einleitung sungen am Festkörper und der stabilen Schmelze Hauptgegenstand der Untersuchungen, welche im Rahmen dieser Arbeit durchgeführt werden. Zielsetzung der Arbeit ist, im tief unterkühlten Zustand von Co-Basis Schmelzen magnetische Messungen durchzuführen, um Aussagen über den Einfluss der sich bildenden magnetischen Ordnung auf die Kristallkeimbildung treffen zu können. Dabei steht zunächst der Aufbau einer Faraday-Waage im Vordergrund, welche magnetisch hochauflösende Untersuchungen ermöglicht. Eine kritische Diskussion der erzielten Ergebnisse im Rahmen der bestehenden Keimbildungstheorie und erste Ansätze zu deren Weiterentwicklung schließen diese Arbeit ab. 3 1 Einleitung 4 Kapitel 2 Magnetismus Ein magnetisches Feld H erzeugt in einem Festkörper eine Magnetisierung M, woraus sich die magnetische Induktion B berechnet: B = µ0 ( H + M ). (2.1) Der Zusammenhang zwischen magnetischer Induktion B und magnetischer Feldstärke H wird durch B = µ̂r µ0 H mittels der relativen Permeabilität µ̂r beschrieben (µ0 = 1,25566·10 (2.2) -6 Vs/Am). Im all- gemeinen Fall ist µ̂r ein Tensor, der die Abweichungen der Richtungen von H und B in einem Festkörper beschreibt und sich auch durch den Tensor der magnetischen Suszeptibilität χ̂ mit B = µ0 ( 1ˆ + χ̂ ) H (2.3) beschreiben lässt. Dabei bezeichnet M = χ̂ · H (2.4) die Magnetisierung des Mediums durch den Einfluss des Magnetfeldes H. Die Magnetisierung kann sich sowohl parallel als auch antiparallel zu dem äußeren Magnetfeld ausrichten, wobei es die magnetische Induktion B im ersten Fall verstärkt und im zweiten Fall abschwächt. Mit der durch Gleichung 2.4 definierten magnetischen Suszeptibilität χ̂ r dM = r dH (2.5) 2 Magnetismus lassen sich die Stoffe in Paramagnete (χ > 0) und Diamagnete (χ < 0) unterteilen. χ̂ ist im Allgemeinen ein Tensor zweiter Stufe und kein reiner Proportionalitätsfaktor zwischen M und H. Die vielfältigen magnetischen Eigenschaften in Materie werden größtenteils durch die elektronische Struktur bestimmt, wobei para- und diamagnetische Erscheinungsformen lediglich auf den unterschiedlichen Eigenschaften der Spin- und Bahnmomente der Elektronen in Festkörpern beruhen. Das permanente magnetische Dipolmoment eines Elektrons der Ladung e und Masse me wird als Bohrsches Magneton µB bezeichnet und stellt sich aufgrund seines Spins parallel zum äusseren Feld ein: µB = eh = 9,274·10 -24 J/T. 2 me (2.6) Führt ein Elektron z.B. als Rumpfelektron in einem Atomorbital eine zusätzliche Bahnbewegung aus, so wird das resultierende magnetische Moment durch den Bahndrehimpuls l des Elektrons bestimmt: µl = µB ·l. (2.7) Die Bahnmomente werden bei Anlegen eines äusseren Feldes gemäß der Lenzschen Regel abgeschwächt, vergleichbar der Induktion bei makroskopischen Kreisströmen. µl µS e¯ ++ Abb. 2.1: Spin- und Bahnbewegung eines Elektrons im Kraftfeld eines positiv geladenen Atomkerns. Das Dipolmoment µS der Spinbewegung ist parallel zur Rotationsachse, das Dipolmoment µl der Bahnbewegung steht senkrecht auf der Elektronenbahn. 6 2 Magnetismus In Abbildung 2.1 ist die Eigenrotation eines Elektrons um eine durch ein Magnetfeld ausgezeichnete Achse und die Bahnbewegung um den positiv geladenen Atomkern schematisch dargestellt. Das mit der Eigenrotation verknüpfte magnetische Spinmoment µs ist parallel zu der durch das externe Magnetfeld ausgezeichneten z-Richtung quantisiert: µ ZS = eh SZ . m (2.8) SZ = ± ½ bezeichnet die Spinquantenzahl. Demgegenüber gilt für die magnetischen Bahnmomente der Elektronen µl, hervorgerufen durch den Bahndrehimpuls Lz = n ⋅ h , die Quantisierungsbedingung µ Zl = eh n, 2m (2.9) wobei n eine ganze Zahl ist. l=2 Sz Lz +½h 3 2 ml = 2 h 1h 0 -1 h -2 h h -½ h Abb. 2.2: L = 2( 2 + 1 ) h L Quantisierte Einstellmöglichkeiten von Spin S und Bahndrehimpulsen L Allgemein ist der Zusammenhang zwischen magnetischen Momenten µ und mechanischen Drehimpulsen L gegeben durch r µ =g µB r h L, (2.10) 7 2 Magnetismus mit dem gyromagnetischen Faktor g = 1 für Bahnbewegung (J = L) g = 1+ J(J + 1) + S(S + 1) − L(L + 1) . 2J(J + 1) (2.11) Für verschwindenden Bahndrehimpuls (L = 0) wird der Gesamtdrehimpuls allein durch den Eigendrehimpuls der Elektronen bestimmt (J = S), und aus Gleichung 2.11 folgt der gyromagnetische Faktor g = 2. In Ferromagnetika wie z.B. α-Eisen ist g ≈ 2, d.h. die magnetischen Eigenschaften werden im wesentlichen durch die Elektronenspins bestimmt. Im Falle von Isolatoren misst man hingegen Faktoren von g ≈ 1, so dass dort die Bahnmomente maßgeblich die magnetischen Eigenschaften bedingen. Bei Festkörpern kommt es nun zu bestimmten Anordnungen von Spin- und Bahnmomenten, die unter Berücksichtigung des Pauli-Prinzips Minima der freien Enthalpie entsprechen. 2.1 Diamagnetismus Die Suszeptibilität diamagnetischer Stoffe wurde zuerst von Langevin unter Berücksichtigung des Larmor-Theorems beschrieben [La05],[Kr92]. Verschwindet der Gesamtdrehimpuls eines Elektronensystems, so sind auch keine permanenten magnetischen Momente vorhanden. Ein solches Verhalten findet man beispielsweise bei Molekülkristallen mit abgeschlossenen Elektronenschalen (Edelgase, Oxide, organische Stoffe), bei Ionenbindungen, wo ebenfalls abgeschlossene Schalen gebildet werden (Salze, Säuren) und bei homöopolaren Bindungen, die durch Spinabsättigung gekennzeichnet sind (einige Halbleiter). Alle Stoffe weisen aufgrund ihres atomaren Aufbaus einen diamagnetischen Anteil auf, der allerdings oft durch paramagnetische Erscheinungen überdeckt wird. Diamagnetismus ist gekennzeichnet durch das Auftreten eines magnetischen Momentes entgegengesetzt zum äusseren Magnetfeld. Dieses Verhalten folgt der Lenzschen Regel für Induktionsströme. Das von diesen hervorgerufene Feld bewirkt, dass diamagnetische Momente sich in einem äusseren Magnetfeld antiparallel zu den Feldlinien des sie verursachenden Feldes einstellen, wodurch sich eine nahezu temperaturunabhängige negative Suszeptibilität χ < 0 ergibt. Diamagnete werden aus inhomogenen Magnetfeldern verdrängt. 8 2 Magnetismus Diamagnetische Eigenschaften lassen sich zum einen auf die Drehimpulsquantelung lokalisierter Rumpfelektronen zurückführen und zum anderen auf ein freies Elektronengas mit überwiegendem Bahnmomentanteil. Dabei werden die freien Elektronen durch die Lorentzkraft unter dem Einfluß des äusseren Feldes auf Spiralbahnen gezwungen, wodurch es zum negativen Beitrag der Suszeptibilität kommt. Ein Spezialfall des Diamagnetismus findet man bei den supraleitenden Werkstoffen. Diese besitzen die kleinstmögliche Suszeptibilität χ = -1 und stellen somit ideale Diamagnete dar. Bei ihnen wird das Eindringen des äußeren Magnetfeldes in den Festkörper verhindert; die magnetischen Flusslinien werden aus dem supraleitenden Körper herausgedrängt (Meissner-Ochsenfeld-Effekt). 2.2 Paramagnetismus Paramagnetische Stoffe besitzen eine positive Suszeptibilität χ > 0. Die Magnetisierung richtet sich parallel zum äusseren Feld aus, was dazu führt, dass ein paramagnetischer Stoff in einem inhomogenen Magnetfeld eine attraktive Wechselwirkung erfährt. Diese Eigenschaft tritt bei nicht abgeschlossener Elektronenkonfiguration auf und beruht auf der Existenz ungepaarter freier Elektronenspins, wie man sie in nicht abgeschlossenen Schalen in Atomorbitalen oder ebenfalls im freiem Elektronengas findet. Die Suszeptibilität der paramagnetischen Elektronen muss dabei die diamagnetische Suszeptibilität der Bahnmomente überwiegen. Existiert kein freies Elektronengas, sind die Spins von Rumpfelektronen für paramagnetische Erscheinungsformen verantwortlich. Die statistische Betrachtung eines Systems mit N frei drehbaren, von einander unabhängigen Dipolen, die im Festkörper alle an einem festen Gitterplatz sitzen, ergibt die Energie des Systems r r E = − ∑ µi ⋅ H , N (2.12) i =1 mit dem totalen magnetischen Moment µ= N r ∑µ i =1 i (2.13) 9 2 Magnetismus aller N Atome der Substanz. Die temperaturabhängige statistische Bewegung der Dipole wirkt dabei, dem Prinzip maximaler Entropie folgend, einer kompletten Ausrichtung aller Momente entgegen [Gr93]. Im Grenzfall hoher Temperaturen sind daher alle Dipole statistisch verteilt und das totale magnetische Moment µ verschwindet. Das magnetische Dipolmoment von Atomen ist eine quantenmechanische Größe r̂ und lässt sich mit den beiden dimensionslosen Operatoren des Bahndrehimpulses l r̂ und des Spins s als quantenmechanischer Operator darstellen: r ˆr = g l ˆl + g s ŝr ⋅ µ B . µ (2.14) Die möglichen Energiewerte eines Dipols im Magnetfeld liegen nun quantisiert vor: E = - µp·H = - g·µB·H·ji,z = - g·µB·H·m, (2.15) mit m = -j, -j +1, … ,+j als Komponente von j in Feldrichtung (z-Richtung). Für ein System mit N Dipolen folgt die Zustandssumme +j Z(T,H,N) = ∑e N β g µ H∑ mi B i =1 m1 ,m2 ,...,mN = -j , mit β = 1 . kBT (2.16) Es muss für alle N Dipole über alle möglichen Einstellungen mi summiert werden. Die Zustandssumme für nicht wechselwirkende Systeme faktorisiert, also Z(T,H,N) = Z(T,H,1)N mit +j Z(T,H,1) = ∑ e (βgµ m = -j B H ⋅m ) = e (−βgµ B H⋅ j ) ⋅ 2j ∑ e (βgµ H ⋅m ) . B m =0 Diese geometrische Reihe lässt sich summieren und ausdrücken durch 10 (2.17) 2 Magnetismus 1 sinh βgµBH ⋅ (j + ) 2 Z(T,N,1) = . 1 sinh βgµBH 2 (2.18) Für die freie Energie folgt F(T,H,N) = - kBT·ln Z(T,H,N) = - N·kBT·ln Z(T,H,1) 1 sinh βgµ BH ⋅ (j + ) 2 = − NkBT ⋅ ln 1 sinh βgµ B H 2 Mit <µz> = − (2.19) ∂ F(T, H, N) kann daraus das mittlere totale magnetische Moment be∂H rechnet werden: 1 1 1 1 < µ z > = N g µ B ( j + ) coth (j + ) ⋅ βgµB H − coth βgµB H . 2 2 2 2 (2.20) Führt man die Brillouin-Funktion Bj(x) gemäß Bj(x) = ( 1 + x 1 1 1 ) coth ( 1 + )x − coth , 2j 2j 2j 2j (2.21) mit der Substitution x = βgµB Hj ein, so folgt für das mittlere magnetische Moment <µz> = N·g·µB·j·Bj(x). (2.22) Abb. 2.3 zeigt den Verlauf der Funktion Bj(x) für verschiedene j -Werte. Für den Grenzfall j → ∞ besitzt ein quantenmechanischer Dipol quasi kontinuierlich viele Einstellungsmöglichkeiten und gleicht dem klassischen Fall eines beliebig orientierbaren Dipols. 11 2 Magnetismus Abb. 2.3: Verlauf der Brillouin-Funktionen Bj (x) mit j = ½, 1, ..., ∞ Aus der Entwicklung der Brillouin-Funktion 1 1 1 Bj(x) ≈ 1 + x − 3 j 45 2j + 1 4 1 4 3 − x + L 2 j 2 j (2.23) folgt die Sättigungsmagnetisierung MS = N·µB für große Felder und tiefe Temperaturen ( x → ∞). Wird die Sättigungsmagnetisierung eines Materials erreicht, so sind alle Momente in Feldrichtung ausgerichtet. Für hohe Temperaturen und kleine Felder ( x → 0) ist die Entwicklung der Brillouin-Funktion linear, und es ergibt sich die Beziehung von totalem magnetischen Moment und äußerem Feld <µz> ≈ N ⋅ g²µB ²J(J + 1) ⋅H , 3k BT (2.24) woraus sich das Curie-Weiss Gesetz ableitet: χ =N⋅ 12 g²µB ²J(J + 1) C = . 3k BT T (2.25) 2 Magnetismus Durch Messung der Curie-Konstanten C über die lineare Temperaturabhängigkeit der inversen Suszeptibilität χ-1 lässt sich die Anzahl der effektiven Bohrschen Magnetonen pro Atom µeff = g ⋅ J ( J + 1 ) ⋅ µ B bestimmen: χ =N⋅ µe2f f 3k BT . (2.26) In SI-Einheiten und molaren Größen folgt daraus χ = NA ⋅ µ0 ⋅ µe2f f 3k BT . (2.27) Bei den Ionen der Seltenen Erden liegen die Orbitale der 4f-Elektronen im Innern der Elektronenhülle, und es kommt zu einer Kopplung von Spin- und Bahndrehimpulsmomenten. Die magnetischen Eigenschaften werden durch den Gesamtdrehimpuls J bestimmt. Bei den Elementen der Eisengruppe mit ihren 3d-Elektronen hingegen ergibt sich eine deutliche Abweichung zu dem vom Drehimpuls J geprägten Magnetismus. Man bezeichnet die in außenliegenden Orbitalen befindlichen 3d-Elektronen aufgrund ihrer geringen Bandbreite von wenigen Elektronenvolt als itinerante Elektronen, da sie sich weder als frei noch als komplett lokalisiert beschreiben lassen. Durch die Wirkung der elektrischen Felder der angrenzenden Atomorbitale ergibt sich eine Verzerrung der 3d-Orbitale, welche sich direkt auf die magnetischen Eigenschaften auswirkt. Der Einfluss dieses sogenannten Kristallfeldes macht sich bei den Ionen der Eisengruppe besonders stark bemerkbar: der Betrag des Bahndrehimpulses bleibt zwar erhalten, der quantentheoretische Erwartungswert des Bahndrehimpulses in Bezug auf eine Achse (das Magnetfeld) verschwindet allerdings und mit ihm das verbundene magnetische Moment [Kr92]. Daher werden die magnetischen Eigenschaften dieser Elemente überwiegend vom Spin der Elektronen bestimmt, und die Zahl effektiver magnetischer Momente berechnet sich aus µeff = 2 ⋅ S(S + 1) ⋅ µ B (2.28) 13 2 Magnetismus Neben der starken Temperaturabhängigkeit der lokalisierten bzw. itineranten Elektronen in Atomorbitalen existiert noch die temperaturunabhängige Pauli-Suszeptibilität des freien Elektronengases. Durch Polarisation des Elektronengases in externen Magnetfeldern werden dabei Übertritte einzelner Spins in andere Spinzustände energetisch ermöglicht. Zusätzliche paramagnetische Erscheinungsformen findet man im van-Fleckschen Paramagnetismus, der sich durch Störungsrechnung 2. Ordnung ergibt und besonders bei Molekülen durch deren nicht kugelsymmetrischem Aufbau eine Rolle spielt, sowie bei Spingläsern, die hier jedoch nicht näher betrachtet werden sollen. 2.3 Kollektiver Magnetismus Unter kollektivem Magnetismus versteht man das Auftreten einer spontanen Magnetisierung ohne den Einfluss eines äusseren Feldes. Dabei kommt es durch eine Wechselwirkung permanenter magnetischer Momente zur Ausbildung einer langreichweitigen Ordnung. (a) (b) unmagnetisiert magnetisiert H Abb. 2.4: (a) Feldlinienverlauf eines Eindomänenteilchens (b) Räumliche Orientierung makroskopischer Domänen eines Mehrdomänenteilchen mit und ohne äußerem Magnetfeld H 14 2 Magnetismus In der Regel besteht ein magnetisches Material aus vielen einzelnen Domänen unterschiedlicher Orientierung, die sich erst durch Anlegen eines äußeren Feldes H in eine gemeinsame Vorzugsrichtung ausrichten. Durch das Bilden einer Domänenstruktur wie sie in Abbildung 2.4 dargestellt ist, reduziert sich die gespeicherte Feldenergie E = ½ µ0 ∫H²dV bei gleichzeitiger Erhöhung der Austauschenergie der zueinander verkippten Momente (Wandenergie). Die Summe von Austausch- und Feldenergie weist bei einer bestimmten mittleren Unterteilung ein Minimum auf, wobei sich die Austauschenergie aus negativen Volumenbeiträgen im Innern und positiven Wandenergien an den Domänengrenzen zusammensetzt. Eine solche Domänenstruktur ist stabil. Während für Paramagnetika immer ein linearer Zusammenhang zwischen Magnetisierung und magnetischer Feldstärke besteht, und damit die magnetische Suszeptibilität feldstärkeunabhängig ist, trifft dies bei einer kollektiven Magnetisierung, wie man sie beim Ferromagnetismus findet, nicht mehr zu. Die Abhängigkeit von Magnetisierung und Feldstärke für Temperaturen unterhalb der CurieTemperatur TC wird dabei durch eine materialspezifische Hysteresekurve dargestellt, welche durch die remanente Magnetisierung MR, die Sättigungsmagnetisierung MS und die Koerzitivfeldstärke HC gekennzeichnet ist. Anhand ihrer Hysteresekurven werden magnetische Werkstoffe in hartmagnetisch (HC ≥ 500 A/cm) und weichmagnetisch (HC ≤ 2 A/cm) unterteilt. (a) (a) Abb. 2.5: (b) (b) Hysteresekurve eines ferromagnetischen Materials mit Sättigungsmagnetisierung MS, Koerzitivfeldstärke HC und Remanenz MR für (a) eine Einzeldomäne und (b) ein Vieldomänenteilchen mit gestrichelt eingezeichneter Neumagnetisierungskurve 15 2 Magnetismus Mit wachsender Feldstärke steigt die Magnetisierungskurve wie in Abbildung 2.5 zu sehen deutlich an, und bei H → ∞ wird die maximale oder Sättigungsmagnetisierung erreicht, bei der jedes Moment die größtmögliche Komponente in Feldrichtung hat. Alle Momente sind in einer Richtung ausgerichtet und bewahren auch für H = 0 eine remanente Magnetisierung MR. Für Mehrdomänenkörper ergibt sich aufgrund der inneren Austauschenergien eine anfängliche Neukurve, die charakteristisch für die innere Ordnung des jeweiligen Festköpers ist. Je größer der Energieaufwand zur Ausrichtung der anfänglich unausgerichteten Domänen ist, desto träger verläuft der Anstieg der Magnetisierungskurve M(H) bei steigender Feldstärke H. Ferromagnetika erreichen bereits bei geringen Feldstärken eine große Magnetisierung, die bei wachsendem Feld nur noch sehr langsam ansteigt. Die Substanz verhält sich so, als sei sie bereits durch eine innere Ursache, d.h. spontan, vormagnetisiert. Die auf H → 0 extrapolierte ferromagnetische Sättigungsmagnetisierung wird als Spontanmagnetisierung bezeichnet. Sie steigt mit abnehmender Temperatur weiter an, bis sie bei T = 0 K die maximale Magnetisierung erreicht, bei der alle magnetischen Momente in Feldrichtung ausgerichtet sind. 2.3.1 Heisenberg-Modell Eine theoretische Grundlage für eine spontane Magnetisierung schuf Heisenberg mit Hilfe der Quantenmechanik. Dabei betrachtet man permanente magnetische Momente lokalisierter Elektronen aus nicht vollbesetzten Energieniveaus. Durch einen Überlapp der Wellenfunktionen der betreffenden Elektronen kommt es zu einer Austauschwechselwirkung der Spins, welche durch einen Austauschoperator HA beschrieben werden kann: Ĥ A = −2 ∑ J Aij Ŝi Ŝ j . (2.29) i ,j Si und Sj sind dabei Spinoperatoren, und JAij stellt das abstandsabhängige Austauschintegral dieser Spins dar, welches somit den Überlapp der Wellenfunktionen von Spin Si am Atom i mit Spin Sj am Atom j in definiertem Abstand repräsentiert. Ein positives Austauschintegral JAij > 0 führt zu einer Parallelausrichtung benachbarter Spins und bewirkt eine Energieabsenkung, während bei negativem Austauschintegral J Aij < 0 eine antiparallele Spinausrichtung folgt. Eine spontane antiparallele Ausrich16 2 Magnetismus tung benachbarter Spins führt zu Antiferromagnetismus. Diesen Zustand kann man sich als Kombination zweier genau gleicher, aber entgegengesetzt magnetisierter ferromagnetischer Untergitter vorstellen, die jedes N/2 Spins beinhaltet [Ne32]. Die Gesamtmagnetisierung eines antiferromagnetischen Körpers verschwindet. Eine nicht vollständige Kompensation der Magnetisierung verschiedener Untergitter im Festkörper beobachtet man immer dann, wenn das Austauschintegral JAij für benachbarte Spins zwar negativ ist, aber die Untergitter aus unterschiedlich starken magnetischen Momenten bestehen. Festkörper mit diesen Eigenschaften nennt man Ferrimagnetika [Ne48]. Für Lanthanide oder Isolatoren wie den ferromagnetischen Salzen stellt das Heisenberg-Modell eine hinreichende Beschreibung des Magnetismus dar. Die Betrachtung lokalisierter Elektronen trifft allerdings bei 3d-Übergangsmetallen wie Fe, Ni und Co, bei denen die für den Magnetismus verantwortlichen Spins im freien Elektronengas delokalisiert vorliegen, formal nicht mehr zu. Die ursprünglich scharfen Energieniveaus der Elektronen spalten auf und sind zu Energiebändern verbreitert. 2.3.2 Das Bändermodell Es kommt durch den energetisch günstigen Übergang von Elektronen zwischen Spin-Up und Spin-Down Teilbändern in der Nähe der Fermikante zur Ausbildung einer ferromagnetischen Ordnung. Dazu muss der Energiegewinn durch die reduzierte Coulombenergie aufgrund der Parallelstellung der Spins größer sein, als die Energie, die zur Besetzung der höher gelegenen Niveaus benötigt wird. Gemäß der Fermistatistik werden am absoluten Nullpunkt alle Energieniveaus bis zur Fermienergie EF mit jeweils zwei Elektronen entgegengesetzt gerichteter Spins besetzt. Dabei spalten die 3d-Bänder, wie in Abbildung 2.6 skizziert, durch die Austauschwechselwirkung in zwei gegeneinander verschobene Teilbänder auf. Aus dem höheren Band treten Elektronen in das tiefere Band über und füllen dieses bis zur Fermienergie, wodurch sich aufgrund der ungleichen Zahl von Elektronen mit Spin S = ± ½ die spontane Magnetisierung ergibt. 17 2 Magnetismus N(E) (a) 3d 4s N(E) 0 EF E up (b) EF down E N(E) up (c) down Abb. 2.6: E Elektronische Zustandsdichte N(E) der Elektronen im 3d- und 4s-Orbital (a) unmagnetischer Fall (b) und (c) spontane Magnetisierung mit verschieden starker Austauschwechselwirkung [Mar67] Bei den meisten Metallen ist der Aufwand an kinetischer Energie zum Wechsel von Elektronen in ein höher gelegenes Energieband zur Spinmaximierung jedoch zu groß, um eine magnetische Ordnung aufweisen zu können. Für die Ausbildung von magnetischer Ordnung ist ausser dem Kopplungparameter J eine hohe Zustandsdichte N(EF) von Elektronen an der Fermikante und ein entsprechendes Atomvolumen Ω0 verantwortlich [Sto38]: J · N(EF) · Ω0> 1. (2.30) Diese von Stoner und Wohlfahrt gefundene Bedingung verdeutlicht der Verlauf der in Abbildung 2.7 dargestellten Bethe-Slaver Kurve, welche eine Bilanz zwischen magnetisch geordnetem und nicht magnetischem Zustand als Funktion des Atomabstandes darstellt. Der Atomabstand ist dabei normiert auf den Radius der nicht abgeschlossenen Schale [Sla30]. 18 2 Magnetismus Fe-Ni (kfz) Austauschenergie + Mn-Ni (kfz) . .. . Fe-Fe (krz) 0 - Abb. 2.7: . . Fe-Fe (kfz) Co-Co (hcp) . Ni-Ni (kfz) a/r Mn-Mn (kfz) Energie-Bilanz zwischen nichtmagnetischem und spontan magnetisiertem Zustand als Funktion des Atomabstandes a und dem Radius r der nichtabgeschlossenen Schale nach Bethe-Slater. Für das Auftreten einer spontanen Magnetisierung ist eine große Austauschwechselwirkung erforderlich. Bei gleichzeitig hoher Zustandsdichte von Elektronen an der Fermikante ist der Übergang von Elektronen eines Spin-Teilbandes in ein höher gelegenes mit nur wenig Energieaufwand verbunden, so dass ein Zustand spontaner Magnetisierung energetisch begünstigt wird. Diese Bedingungen sind für die Übergangsmetalle Eisen, Nickel und Kobalt erfüllt, da sie im Festkörper neben teilgefüllten schmalen Energiebändern, die zu hohen Zustandsdichten N(EF) führen, einen günstigen Atomabstand aufweisen. Bei zu geringem Atomabstand kommt es zu einer antiferromagnetischen Kopplung, während bei den meisten Metallen mit deren zu grossem Abstand Paramagnetismus auftritt. Die Abhängigkeit der Niveauaufspaltung vom Atomabstand wird in Abbildung 2.8 schematisch skizziert. Horizontale Striche stellen dabei den Abstand der Energieniveaus an der Fermikante EF, vertikale Striche den Abstand der Atome dar. 19 2 Magnetismus geringer Atomabstand, starke Niveauaufspaltung hoher Energieaufwand zur Neuverteilung der Elektronen: Antiferromagnetismus Abb. 2.8: mittlerer Atomabstand, grosser Atomabstand, geringe Niveauaufspaltung, keine Kopplung: wenig Energieaufwand zur Paramagnetismus Neuverteilung der Elektronen: Ferromagnetismus Zusammenhang Austauschwechselwirkung und Niveauaufspaltung nach Shockley [Sho39] und Adler und Radeloff [Ad67] 2.4 Flüssige Ferromagnete Die Schmelzpunkte aller bekannten ferromagnetischen Metalle befinden sich mehrere hundert Kelvin oberhalb der jeweiligen Curie-Temperatur, so dass bei Erwärmen der entsprechenden Substanz deren magnetische Ordnung lange vor dem Aufschmelzen verloren geht. Die Theorie schließt jedoch auch in Flüssigkeiten die Möglichkeit der Existenz von kollektiver magnetischer Ordnung nicht aus, wenn man sich die Korrelationszeiten der einzelnen Wechselwirkungsmechanismen betrachtet. Kinetische Wechselwirkungen des Gitters im Festkörper sind vergleichsweise träge gegenüber magnetischen Wechselwirkungen. Eine Abschätzung der kinetischen Wechselwirkungen im Festkörper ergibt sich aus der Frequenz der Schallausbreitung, der Debye-Frequenz ωD. Die innere Energie U eines Festkörpers bestimmt sich dabei durch quantisierte Gitterschwingungen, sogenannte Phononen [Ge92]: U = Σ h ωj (q)(njq+ ½), (2.31) mit der Bose-Einstein-Verteilung über die Summierung aller schwingenden Gitterbausteine j und Ausbreitungsvektoren q: nj q = 20 1 hω j exp k BT − 1 . (2.32) 2 Magnetismus Debye-Frequenzen für einen metallischen Festkörper wie von Silber ωD ~ 2,8 · 1013 Hz und einen ionischen Festkörper wie von Kaliumchlorid ωD ~ 3,0 · 1013 Hz geben eine Abschätzung über die Geschwindigkeit kinetischer Wechselwirkungen. Damit sind sie um drei Größenordnungen langsamer als magnetische Wechselwirkungen, welche sich durch die Heisenbergsche Unschärferelation über die mittlere Verweildauer t0 der Elektronen von Übergangsmetallen im 3d-Band mit einer typischen Bandbreite von W ~ 10 eV bestimmen lässt: ω = 2π / t0 = W / h < 5· 1016 Hz (2.33) Magnetische Relaxationen der Spins sind demnach um drei Größenordnungen schneller als strukturelle atomare Vibrationen. Festkörperanregungen sind quasi statisch gegenüber magnetischen Anregungen. Die Austauschkopplung der Elektronen in einer Flüssigkeit sollte demnach auf die Bewegungen der Atome und damit den magnetischen Ionen instantan folgen [Ma76]. Die unterschiedlichen Zeitskalen der elektronischen Prozesse und der Atombewegungen brachte bereits 1969 Handrich anhand eines einfachen Heisenbergmodells zu dem Schluss, dass ferromagnetische Ordnung in Flüssigkeiten prinzipiell möglich sei [Han69]. Die paramagnetische Suszeptibilität von ferromagnetischen Übergangsmetallen in der flüssigen Phase und zum Teil auch in der unterkühlten Schmelze wurde bereits von Urbain und Übelacker gemessen [Ur67]. Besonders bei reinem Kobalt ändert sich die inverse Suszeptibiliät χ-1 beim Phasenübergang fest-flüssig nur wenig, so dass für flüssiges und kristallines Kobalt die paramagnetische Curie-Temperatur TC ≈ 1400 K extrapoliert wurde. Die Messungen erreichten allerdings aufgrund der angewendeten Prozesstechnik nicht die nötigen Unterkühlungen, um im flüssigen Zustand den ferromagnetischen Bereich zu erreichen und waren vergleichsweise ungenau. Die Suche nach einem flüssigen Ferromagneten an einer unterkühlten Co-AuLegierung führte Busch und Güntherodt durch das Auftreten fester Partikel zu einer falschen Interpretation ihrer Messung [Bu68]. Da es bei der Unterkühlung eutektischer Systeme häufig zur primären Erstarrung von Randphasen und deren Einfluss auf Magnetismus kommt, sind diese Systeme besonders kritisch zu analysieren. Gleichzeitig bieten sie aber interessante physikalische Aspekte, die im Rahmen dieser Arbeit erörtert werden. 21 2 Magnetismus Die Idee der späten 60er Jahre, 3d-Übergangsmetalle zu unterkühlen und gegebenenfalls bis in den ferromagnetischen Bereich der unterkühlten Schmelze abzukühlen wird hier aufgegriffen und durch den Einsatz verbesserter Experimentiertechniken zur Unterkühlung von Metallschmelzen und des in-situ Messens magnetischer Eigenschaften an diesen metastabilen Systemen gestärkt. Mittels elektromagnetischer Leviation konnten Platzek et al. eine CoPdSchmelze bis nahe an die Curie-Temperatur unterkühlen und dabei die attraktive Wechselwirkung eines Permanentmagneten auf die levitierende, unterkühlte Co80Pd20-Probe messen [Pl94]. Abbildung 2.9 zeigt die Verschiebung der flüssigen Probe aus der Symmetrieachse der Levitationsspule heraus, aufgrund der wachsenden magnetischen Wechselwirkung bei ansteigender Unterkühlung. Bei einer Unterkühlung von ∆T = 100 K befindet sich die Schmelze noch in der Mitte der Leviationsspule. Die Probe wird dann allerdings bei einer Unterkühlung von ∆T = 300 K durch die Annäherung an den magnetischen Phasenübergang von dem CoSmPermanentmagneten erkennbar angezogen. Abb. 2.9: Levitierte, unterkühlte Co80Pd20-Schmelze bei einer Temperatur weit entfernt und in näherer Umgebung von TC. Die wachsende attraktive Wechselwirkung zwischen Permanentmagnet und Probe führt zu einer Verschiebung der Probe aus der Symmetrieachse der Levitationsspule heraus [Pl94]. Die Messung verdeutlicht den wachsenden Magnetismus in der tief unterkühlten Schmelze und motiviert eingehendere Analysen des Verhaltens ferromagnetischer Probensysteme im unterkühlten Zustand. 22 Kapitel 3 Unterkühlte Metallschmelzen Chemische Elemente sowie einige Legierungen und Verbindungen besitzen in der Regel einen stoffspezifischen Schmelzpunkt TM, oberhalb dessen sie in den flüssigen Zustand übergehen. Der Schmelzprozess ist ein Phasenübergang erster Ordnung und zeichnet sich somit durch die zum Schmelzen notwendige latente Wärme oder Schmelzwärme aus. Bei den meisten Legierungen existiert kein definierter Schmelzpunkt, sondern ein Schmelzintervall, in dem eine Koexistenz zwischen fester und flüssiger Phase besteht. Dieses Zweiphasengebiet wird durch zwei charakteristische Temperaturen definiert: Die Temperatur beim Einsetzen des Schmelzprozesses, unterhalb derer die Legierung noch fest ist, wird als Solidustemperatur TS bezeichnet, während die Liquidustemperatur TL das Ende des Schmelzprozesses kennzeichnet, und die Legierung von dort ab vollständig flüssig ist. Die Erstarrung einer Flüssigkeit findet in der Regel nicht im Gleichgewicht, sondern bei einer Temperatur T < TL unterhalb der Schmelztemperatur im metastabilen, unterkühlten Zustand statt. Für Unterkühlungsexperimente an einem Legierungssystem ist die Liquidustemperatur die relevante Temperatur, da diese den Beginn der flüssigen Phase des Gesamtsystems markiert. 3.1 Der Phasenübergang fest-flüssig Zustandsänderungen thermodynamischer Systeme lassen sich durch thermodynamische Potentiale beschreiben. In einem System bei konstantem Druck p und Temperatur T lässt sich beim fest-flüssig Phasenübergang die treibende Kraft zur Erstarrung auf die Differenz der freien Enthalpie zwischen flüssiger und fester Phase zurückführen. Abbildung 3.1 zeigt schematisch den Verlauf der freien Enthalpie von fester und flüssiger Phase eines einkomponentigen Systems bei konstantem Druck in Abhängigkeit der Temperatur. Die Linie mit der niedrigsten freien Enthalpie repräsentiert den jeweiligen Gleichgewichtszustand, der Schnittpunkt beider Kurven gibt die Schmelztemperatur TL der festen Phase im thermodynamischen Gleichgewicht an, bei der beide Phasen im Gleichgewicht koexistieren. 3 Unterkühlte Metallschmelzen Bereich Bereich der der unterkühlten unterkühlten Schmelze Schmelze Bereich Bereich der der stabilen stabilen Schmelze Schmelze Freie Enthalpie G GL ∆G GS GS ∆T TN Abb. 3.1: GL TL Temperatur T Schematische Darstellung der freien Enthalpie G für flüssige (L) und feste (S) Phase als Funktion der Temperatur. TL bezeichnet die Schmelztemperatur, TN die Kristallisationstemperatur bei gegebener Unterkühlung ∆T. ∆G ist dabei die treibende Kraft zur Kristallisation. Kühlt man eine Flüssigkeit unter ihre Schmelz- bzw. Liquidustemperatur ab, so befindet sie sich in einem metastabilen Zustand, da eine Kristallisation in die energetisch günstigere feste Phase mit einer Verringerung der freien Enthalpie G verbunden ist: ∆G = GS – GL < 0. (3.1) Für Temperaturen unterhalb des Schmelzpunktes T < TL gilt die Beziehung: ∆G(T) = ∆H(T) - T∆S(T). (3.2) Unter Berücksichtigung der Definition der Wärmekapazität bei konstantem Druck 24 ∂S cp = T ,bzw. ∂T p (3.3a) ∂H cp = ∂T p (3.3b) 3 Unterkühlte Metallschmelzen folgt für die Differenz der Enthalpien ∆H und Entropien ∆S zwischen fester und flüssiger Phase ∆H(T) = ∆Hf - TL ∫ ∆c p (T) ⋅ dT (3.4) T und ∆S(T) = ∆Sf - TL ∫ T ∆c p (T) T ⋅ dT , (3.5) wobei ∆Hf die Schmelzenthalpie und ∆Sf die Schmelzentropie darstellt. ∆cp = cpS - cpL ist die Differenz der spezifischen Wärme beider Phasen. Bei der Gleichgewichtsschmelztemperatur TL verschwindet die Differenz der freie Enthalpien ∆G, so dass dort für die Schmelzenthalpie ∆Hf und die Schmelzentropie ∆Sf folgt: ∆Hf (TL) = TL ∆Sf (TL) (3.6) Im Temperaturbereich T < TL setzt die Kristallisation ein und der Energiebetrag der Schmelzwärme ∆HL,S = HS - HL wird freigesetzt. Dies führt zum Aufheizen der unterkühlten Schmelze bis maximal zur Gleichgewichtsschmelztemperatur und wird als Rekaleszenz bezeichnet. 3.2 Spezifische Wärme Wie bereits in Gleichung 3.4 und 3.5 dargestellt, sind die thermodynamischen Größen Enthalpie H und Entropie S eines Systems Funktionen der spezifischen Wärme c, so dass sich über die spezifische Wärme direkt Rückschlüsse auf den thermodynamischen Zustand des Systems ziehen lassen. Die spezifische Wärme setzt sich aus verschiedenen Beiträgen zusammen. Bei konstantem Druck p gilt: cp = cpvib + cpe + cpλ + cpxs, (3.7) mit einem Schwingungsanteil der Atome bzw. Moleküle cpvib, einem elektronischen Anteil cpe, einem Anteil von Phasenübergängen 2. Ordnung cpλ und einem verblei25 3 Unterkühlte Metallschmelzen benden Überschussanteil cpxs. Bei höheren Temperaturen überwiegt der Schwingungsanteil cpvib∼ T 3 zur spezifischen Wärme, während bei tiefen Temperaturen (T → 0) der elektronische Anteil cpe∼ T dominiert. Der Beitrag der λ-Übergänge besteht hauptsächlich aus magnetischen oder atomaren Ordnungs-Unordnungsbeiträgen cpmag und cpord und tritt lediglich in der Nähe der magnetischen bzw. strukturellen Phasenübergangstemperaturen in Erscheinung. Der verbleibende Überschussanteil cpxs ist in der Regel klein gegenüber den ersten drei Anteilen und entzieht sich einer exakten Beschreibung. Die Auswertung experimenteller Werte der spezifischen Wärme einer Substanz in der Nähe des magnetischen Phasenübergangs im festen und flüssigen Zustand ist für die Klärung der Frage eventueller magnetischer Beiträge zur Keimbildung von grundlegender Bedeutung. Es existiert bislang keine exakte mathematische Beschreibung des magnetischen Anteils der spezifischen Wärme, jedoch wurden aufgrund experimenteller Daten empirische Näherungen entwickelt [In76], [In81] und umfangreiche numerische Analysen durchgeführt [Hi78], [Su85], [Chu85], [Er90], [Da90]. Dabei bestimmt sich der magnetische Gesamtbeitrag der Entropie ∆Smag direkt aus dem magnetischen Anteil der spezifischen Wärme cpmag: ∆S mag ∞ =∫ 0 c pmag T dT = NAkB ln(<µ>+1), (3.8) mit der mittleren Anzahl magnetischer Momente <µ> in Einheiten Bohrscher Magnetonen. Am Phasenübergang zeigt der magnetische Beitrag zur spezifischen Wärme einen sprunghaften Verlauf, der wie in Abbildung 3.2 gezeigt, einen λ–förmigen Anstieg in Abhängigkeit der Temperatur aufweist und deshalb auch als λ–Übergang bezeichnet wird. 26 3 Unterkühlte Metallschmelzen Abb. 3.2: Magnetische spezifische Wärme von kristallinem fcc-Cobalt in linearer (links) und logarithmischer Darstellung (rechts). Experimentelle Werte sind gepunktet [Br64], durchgezogene Linien stellen Berechnungen dar [Hi78] Unter der Annahme, dass in der Umgebung eines magnetischen Phasenübergangs lediglich magnetische Beiträge die Differenz der spezifischen Wärme ∆cp zwischen flüssiger und fester Phase bestimmen cpmag= ∆cp = cpL - cpS, folgt: ∆S mag ∞ =∫ 0 ∆c p T dT (3.9) (3.10) Über diese Folgerung ließe sich anhand experimenteller Daten der spezifischen Wärme im kristallinen als auch im flüssigen, tief unterkühlten Zustand [Wi97] der Entropiebeitrag zur magnetischen Ordnung abschätzen und im Hinblick auf Beiträge zur Keimbildung diskutieren. Allerdings ist für Temperaturen T < TC die experimentelle Bestimmung der spezifischen Wärme einer unterkühlten Flüssigkeit cpL bislang nicht gelungen und erlaubt somit lediglich eine Diskussion für T > TC. 27 3 Unterkühlte Metallschmelzen 3.3 Homogene Keimbildung Das Auftreten der Unterkühlbarkeit von Schmelzen bis weit unter ihre Gleichgewichtsschmelztemperaturen kann allein durch makroskopische Aspekte der Thermodynamik nicht erklärt werden. Zum Verständnis der Vorgänge beim Erstarren ist es notwendig, das Verhalten der Atome beim Übergang vom flüssigen in den festen Zustand auf mikroskopischer Ebene zu betrachten. Dabei wird unterschieden zwischen der primären Keimbildung und dem anschließenden Kristallwachstum. Erste Arbeiten zur klassischen Keimbildungstheorie stammen von Volmer und Weber aus dem Jahr 1926 und beziehen sich auf die Kondensation von Tröpfchen aus einer übersättigten Dampfphase [Vo26]. Diese wurden von Becker und Döring erweitert [Be35] und von Turnbull und Fisher auf den fest-flüssig Phasenübergang angewandt [Tu49]. Man unterscheidet prinzipiell zwischen homogener Keimbildung einer einphasigen Substanz und der in der überwiegenden Anzahl der Experimente auftretenden heterogenen Keimbildung mit Beteiligung von Fremdphasen wie z.B. Tiegelwände, Oxide oder Verunreinigungen. Die homogene Keimbildung stellt einen intrinsischen Prozeß dar, an dem nur Keim und Schmelze teilnehmen. Durch strukturelle Fluktuationen werden in der flüssigen Phase ständig lokale Atomansammlungen verschiedener Größen, sogenannte Cluster gebildet. Ist die Umwandlung eines Clusters mit einer Nahordnung, welche der des Festkörper gleicht, mit einer Abnahme der freien Enthalpie verbunden, kommt es zur Keimbildung der primär erstarrenden Phase. Die freie Enthalpie ∆G eines Systems mit einem kugelförmigen Cluster setzt sich zusammen aus einem Volumenanteil L S ∆gV = G − G , Vmol (3.11) welcher die Verringerung der Enthalpie des Systems durch die Kristallisation beschreibt und einem Oberflächenanteil ∆gA(σ), der die Grenzflächenenergie σ zwischen Cluster und Schmelze berücksichtigt. Für einen kugelförmigen Cluster mit Radius r gilt: ∆G = 28 4 π r ³ ∆GV + 4 π r ² σ . 3 (3.12) 3 Unterkühlte Metallschmelzen ∆gA ∝ σ ∆gV ∝ G −G L S = ∆G V V mol r Kristall Schmelze Abb. 3.3: Sphärischer Keim mit Radius r in unterkühlter Schmelze; ∆gA freier Enthalpiebeitrag der Grenzfläche, ∆gV freier Enthalpiebeitrag des Volumens Aus der Extremalbedingung d ( ∆G ) = 0 ergibt sich ein kritischer Radius zur Bildung dr eines wachstumsfähigen Keims: r* = − 2σ . ∆GV (3.13) Cluster mit einem Radius r < r* sind instabil, da das Anlagern von Atomen an den Keim einen größeren Aufwand an Grenzflächenenergie erfordert als durch die Kristallisation des zusätzlichen Volumenanteils freigesetzt wird, während für r > r* das Wachsen des Keims energetisch begünstigt wird. Die Aktivierungsenergie ∆G*, die zur Bildung eines wachstumsfähigen Keims mit Radius r* erforderlich ist, berechnet sich daraus zu 3 ∆G∗ = 16 π σ 2 . 3 ∆GV (3.14) Die Differenz der freien Enthalpien ∆GV von fester und flüssiger Phase kann in Abhängigkeit der Unterkühlung anhand des Modells von Dubey und Ramachandrarao abgeschätzt werden [Ra87]: ∆GV = ∆Sf ∆T - ∆c p ∆T 2 ∆T 1 − . 2T 6T (3.15) 29 3 Unterkühlte Metallschmelzen ∆G 4π r ²· σ Embryo (Cluster) Keim ∆G* r rr ** r0 4/3π r ³·∆ G V Abb. 3.4: Radiusabhängigkeit der freien Energie ∆G eines sphärischen Clusters bei einer Temperatur T < TL in der unterkühlten Schmelze (durchgezogene Linie). ∆G setzt sich zusammen aus einem Anteil proportional zur Grenzflächenenergie σ und einem Volumenanteil proportional der Differenz der freien Enthalpie ∆GV (gestrichelte Linien). ∆G* ist die Aktivierungsschwelle zur Bildung eines Keimes mit dem kritischen Radius r*. Für Keimradien r > r* verringert der Cluster seine freie Energie durch weiteres Wachstum, und für r > r0 werden die wachstumsfähigen Keime stabil. In einem System mit NL Atomen stellt sich bei langsamer Prozessführung (T ~ const.) ein quasistationäres Gleichgewicht der Clusterverteilung ein. Vollmer und Weber beschreiben die Zahl Nn der Cluster mit n Atomen dabei durch die Boltzmann-Statistik: − Nn = NL e ∆ G(n) k BT (3.16) mit ∆G(n), der Enthalpieänderung während der Bildung eines Clusters der Größe n und kB der Boltzmann-Konstante [Vo26]. Allerdings führt dieser Ansatz zu einem physikalischen Widerspruch: Die Differenz der freien Enthalpie von fester und flüssiger Phase nimmt für große Radien r > r* wieder ab bzw. wird für r = r0 negativ und die Gesamtzahl der Cluster Nn übersteigt nach Gleichung 3.16 die Zahl n der Atome im System. Die Verteilungsfunktion muss bei r = r* abbrechen, womit physikalisch 30 3 Unterkühlte Metallschmelzen betrachtet alle Cluster überkritischer Größe dem System entnommen und die fehlenden Atome durch neue ersetzt werden. Nimmt man weiterhin an, dass es sich bei der Anlagerung eines Atoms aus der flüssigen Phase an den Cluster um einen diffusionskontrollierten Prozess handelt (Diffusion im Sinne von reinen Platzwechselvorgängen), bei dem die Kinetik der Keimbildung durch die ständige Bildung und den Zerfall von Clustern charakterisiert ist, lässt sich für die Keimbildungsrate im stationären Zustand folgender Ausdruck herleiten: ISShom = NL D ΓZ ⋅e a02 − ∆G ∗ kBT . (3.16) a0 entspricht dabei einem inneratomaren Abstand, und der als Zeldovich-Faktor bezeichnete Ausdruck ΓZ = (∆G* /3π kB T)1/2 berücksichtigt in der Verteilungsfunktion, dass auch wachstumsfähige Keime (Cluster mit r > r* ) wieder zerfallen können. Der Diffusionskoeffizient D kann für Flüssigkeiten über die Einstein-Stokes-Beziehung D= kB T 3 π η (T ) a0 (3.17) mit der Viskosität η verknüpft werden [Co59], deren Temperaturabhängigkeit sich oberhalb der Glasübergangstemperatur TG durch die empirische Vogel-FulcherTammann-Gleichung beschreiben lässt [Tu69]: η (T) = η0 e A T -T0 , (3.18) mit der Kauzmanntemperatur T0, sowie η0 und A als freien Parametern. Zwischen Schmelztemperatur TL und Glasübergangstemperatur TG nimmt die Viskosität um etwa 15 Größenordnungen zu und hat somit bei großen Unterkühlungen einen entscheidenden Einfluss auf die Keimbildungsrate ISShom. Bei geringeren Unterkühlungen bestimmt dagegen die Aktivierungsenergie ∆G*, welche vom Quadrat der freien Enthalpiedifferenz ∆GV(T) und in dritter Potenz 31 3 Unterkühlte Metallschmelzen von der Grenzflächenenergie σ(T) zwischen fester und flüssiger Phase abhängt das Keimbildungsverhalten (siehe Gleichung 3.14). Die Grenzflächenenergie σ(T) lässt sich experimentell allerdings nur ungenügend bestimmen. In der Modellvorstellung geht man davon aus, dass sich die Grenzflächenenergie aus einem enthalpischen und einem entropischen Anteil zusammensetzt: σ = σH + σS. Der enthalpische Beitrag σH berücksichtigt, dass Grenzflächenatome aufgrund nicht abgesättigter Bindungen eine höhere freie Enthalpie besitzen als Atome, die im Kristall allseits gebunden sind. Der entropische Anteil σS beschreibt hingegen die Entropieabnahme durch die Anlagerung von Atomen aus der Schmelze an die Grenzfläche des Clusters. Das strukturabhängige Modell von Spaepen und Thompson et al. [Spa75], [Tho79], [Ne89] basiert auf der Annahme nicht wechselwirkender harter Kugeln, wobei die entstehende Grenzschicht zwischen fester und flüssiger Phase so gewählt wird, dass eine tetraedrische Nahordnung bevorzugt, eine oktaedrische Nahordnung hingegen verboten ist. Dies führt zu einer maximalen Dichte innerhalb der Grenzschicht und einem geringen Defizit der Dichte an der Phasengrenze. Da die Enthalpie eines Systems in erster Näherung maßgeblich von seiner Dichte bestimmt wird, kann der enthalpische Beitrag σH somit vernachlässigt werden. In diesem negentro- pischen Modell beschreibt der entropische Anteil die Grenzflächenenergie: σ=α ⋅ ∆S(T) ⋅ T 2 ( N A ⋅ Vmol 1 ) 3 . (3.19) ∆S(T) stellt dabei die temperaturabhängige Entropiedifferenz zwischen Schmelze und Festkörper, Vmol das Molvolumen des Festkörpers und NA die Avogadrosche Konstante dar. Die Strukturabhängigkeit der Grenzflächenenergie wird durch den dimensionslosen Faktor α beschrieben, der die Struktur des sich bildenden Kristalls berücksichtigt: α = 0,71 für kubisch raumzentrierte Strukturen (bcc) [Tho79] oder α = 0,86 für kubisch flächenzentrierte (fcc) sowie hexagonal dichteste Strukturen (hcp) [Spa76]. 32 3 Unterkühlte Metallschmelzen 3.4 Heterogene Keimbildung Die heterogene Keimbildung stellt einen extrinsischen Prozess dar und kann durch geeignete Experimentierbedingungen beeinflusst werden. Der Keimbildungsprozess wird hierbei durch Fremdphasen wie z.B. Verunreinigungen in der Probe, hochschmelzende Metalloxide auf der Probenoberfläche oder durch Kontakt mit Tiegelwänden begünstigt. In der Praxis lässt sich der Einfluss von Fremdphasen auf den Kristallisationsprozess nicht vernachlässigen, so dass der Kristallisationsprozess in der Regel einsetzt, bevor es zur homogenen Keimbildung kommt. Durch den Kontakt des Keims mit einem Substrat wird die Aktivierungsenergie ∆G* zur Bildung eines kritischen Keimes herabgesetzt. Betrachtet man wie in Abbildung 3.5 dargestellt einen kalottenförmigen Keim [Volm29], so stabilisiert sich dieser durch das Gleichgewicht zwischen den Grenzflächenspannungen aller beteiligten Phasen: Schmelze (l), Keim (s) und Substrat (w). Der Benetzungswinkel θ zwischen Keim und Substrat leitet sich dabei aus den Grenzflächenspannungen aller beteiligten Phasen her: σ l,w = σ s,w + σ l,s cos (θ). (3.20) Das Volumen des kritischen Keims wird dabei in Abhängigkeit von θ verkleinert. Die Volumenreduktion bestimmt den katalytischen Faktor f(θ): f ( θ) = 1 ( 2 − 3 cos θ + cos 3 θ ) , 4 (3.21) mit 0 ≤ f (θ ) ≤ 1 für 0° ≤ θ ≤ 180° . Die Aktivierungsschwelle ∆G* für homogene Keim- bildung wird in diesem Fall um den katalytischen Faktor f(θ) herabgesetzt: ∗ ∆Ghet = f ( θ ) ⋅ ∆G ∗ (3.22) 33 3 Unterkühlte Metallschmelzen (l) Schmelze (l) Keim (s) σl,s f(θ) = 1 Nichtbenetzung (w) θ r σw,s σl,w Substrat (w) Abb. 3.5: (w) (l) f(θ) = 0 vollständige Benetzung Heterogener Keim (s) vom Radius r auf einem kristallinen Substrat (w) an der Grenze zu einer unterkühlten Schmelze (l). θ ist der Benetzungswinkel zwischen Substrat, Keim und Schmelze am Rand der gemeinsamen Grenzflächen. Je kleiner der Winkel θ, desto besser die Benetzung; θ = 180° bedeutet Nichtbenetzung, θ = 0° entspricht vollständiger Benetzung. Überträgt man diesen Sachverhalt nun auf die Keimbildungsrate, die bereits bei der homogenen Kristallisation angegeben wurde, so ist zu beachten, dass im heterogenen Fall nur solche Atome an der Keimbildung beteiligt sind, die sich an der Grenzfläche von Fremdphase und Schmelze befinden. Die Zahl Nn der Atome ist daher um einen Faktor ζ < 1 geringer als die Gesamtzahl NL aller Atome der Schmelze: Nn = ζNL. Damit ergibt sich die heterogene Keimbildungsrate: − het ISS = ∗ ∆Ghet k T k B T Nn Γ Z k T ζ NL Γ Z B e ⋅ = B ⋅e 3 3π η(T) a0 3π η(T) a03 − f( θ )⋅ ∆G ∗ k T B ⋅ . (3.23) Der katalytische Faktor f(θ) ist von der Art der Prozessführung sowie dem jeweiligen Probensystem abhängig und nimmt Werte zwischen 0 und 1 an (0° < θ <180°). Für den Grenzfall homogener Keimbildung gilt θ = 180° (∆G*het = ∆G*) und somit liegt Nichtbenetzung des Substrats vor. Die Fremdphase hat keine katalytische Wirkung. Für θ = 0° hingegen herrscht vollständige Benetzung, und es wird keine Aktivierungsenergie zur Bildung eines kritischen Keims benötigt. Der Kristall wächst epitaktisch auf dem Substrat auf. 34 Kapitel 4 Experimentelle Methoden 4.1 Elektromagnetische Levitation Eine berührungslose Prozessiertechnik metallischer Schmelzen stellt die elektromagnetische Levitation dar. Dabei wird heterogene Keimbildung durch den Kontakt mit Tiegelmaterialien vermieden und der flüssige Zustand lässt sich selbst bei Temperaturen weit unterhalb der Schmelztemperatur aufrecht erhalten, siehe z.B. [He91]. Dieses bereits 1952 von Okress et al. beschriebene Levitationsverfahren ist allerdings auf elektrisch leitende Materialien beschränkt [Ok52]. Bei der elektromagnetischen Levitation prozessiert man die Probe in einer mit hochfrequentem Wechselstrom durchflossenen Spule. Das innerhalb der Spule befindliche Wechselfeld induziert in elektrisch leitenden Materialien Wirbelströme und somit ein elektrisches Dipolmoment, welches gemäß der Lenzschen Regel dem äußeren Feld entgegengesetzt gerichtet ist [He84]. Bei einem ausreichend großen Strom wird die Gewichtskraft der Probe durch die auftretende Levitationskraft kompensiert. Durch eine geeignete Spulengeometrie ist die Probe im Innern der Spule frei schwebend (siehe Abbildung 4.1) und für diagnostische Methoden wie z. B. Synchrotronstrahlung frei zugänglich. Die von den induzierten Strömen übertragene elektrische Leistung, heizt die levitierende Probe aufgrund deren spezifischen elektrischen Widerstands auf. Heizleistung und Levitationskraft sind miteinander gekoppelt, so dass die heiße Schmelze durch forcierte Konvektion hochreiner Kühlgase abgekühlt wird. 4 Experimentelle Methoden Abb. 4.1: Skizze der Vakuumapparatur zur elektromagnetischen Levitation flüssiger Metallschmelzen. Vergrößert dargestellt die Aufnahme einer Levitationsspule mit schwebender Schmelze. In Abbildung 4.2 wird das Temperatur-Zeit-Profil einer mittels elektromagnetischer Levitationstechnik prozessierten Probe skizziert. Beim Aufheizen beginnt die Probe bei der Solidustemperatur TS zu schmelzen und ist nach Überschreiten der Liquidustemperatur TL vollständig flüssig. Beim Abkühlen der flüssigen Probe (typische Kühlrate 30 K/s), kann die Schmelze bis zu Temperaturen weit unter den Schmelzpunkt TL flüssig bleiben, wenn frühzeitige heterogene Keimbildung vermieden wird. Setzt schließlich bei der Nukleationstemperatur TN die Erstarrung ein, so kristallisiert ein Teil der Probe rasch, und die dabei freigesetzte Schmelzwärme heizt die Probe auf Temperaturen nahe der Schmelztemperatur auf (Rekaleszenz). In der nachfolgenden Plateauzeit tpl kristallisiert die verbleibende Restschmelze unter Gleichgewichtsbedingungen. 36 4 Experimentelle Methoden Abb. 4.2: Temperatur-Zeit-Profil einer elektromagnetisch levitierten Probe. Die Temperaturmessung erfolgt mittels Pyrometrie. Die Probe wird zunächst aufgeheizt, durchläuft den Schmelzbereich TS < T < TL und erstarrt teilweise unter Nichtgleichgewichtsbedingungen aus dem unterkühlten Zustand. Während der Plateauzeit tpl erstarrt die Restschmelze unter Gleichgewichtsbedingungen. 4.2 Differenz-Themoanalyse Bei der experimentellen Bestimmung von Phasendiagrammen wird häufig die Differenz-Thermoanalyse (DTA) zur genauen Messung von Umwandlungstemperaturen eingesetzt. Dabei befindet sich die zu untersuchende Probe innerhalb eines inerten Tiegels gemeinsam mit einem meist leeren Referenztiegel in einem homogenen Temperaturfeld. Durch zwei gegeneinander geschaltete Thermoelemente, welche sich unmittelbar unterhalb der Tiegel befinden, wird die beim Aufheizen und Abkühlen auftretende Temperaturdifferenz zwischen den Tiegeln in Abhängigkeit der Absoluttemperatur als Thermospannung gemessen. Findet in der Probe eine Phasenumwandlung statt, so wird Schmelzwärme frei (exotherme Umwandlung) bzw. absorbiert (endotherme Umwandlung), Referenztemperatur erhöht wodurch bzw. die Probentemperatur abgesenkt wird. Die gegenüber der Auftragung der Differenztemperatur zwischen Probe und Referenz gegen die Referenztemperatur liefert das DTA-Signal [Hem89]. Die im Rahmen dieser Arbeit eingesetzte DTA-Anlage (Netzsch DTA 404S) lässt sich in einem Temperaturbereich von Raumtemperatur bis 1850 K einsetzen, 37 4 Experimentelle Methoden wobei Heiz- bzw. Kühlraten von 2 bis 20 K/min verwendet wurden. Schmelztemperaturkalibrationen an den reinen Metallen Al, Ag, Au, Cu, Ni [Hu73] ergaben eine Genauigkeit der mittels Pt-Rh10/Pt Thermoelementen (Typ S) gemessenen Temperaturen von ± 1,5 K. Probentiegel Referenztiegel Ofenregler Ofentemperatur Ofen Temperaturdifferenz Abb. 4.3: 38 Prinzipskizze einer Differenz-Themoanalyse (DTA) 4 Experimentelle Methoden 4.3 Faraday-Waage Zur Messung magnetischer Eigenschaften hochschmelzender Materialien wurde im Rahmen dieser Arbeit eine Faraday-Waage aufgebaut. Dabei wird die Messung der magnetischen Suszeptibilität nach dem Faraday-Prinzip mit Hilfe einer elektronischen Mikrowaage durchgeführt [Re01]. Die wesentlichen Bestandteile der Apparatur werden im folgenden beschrieben. Den prinzipiellen Aufbau zeigt Abbildung 4.4. 4.3.1 Messprinzip Eine Möglichkeit zur Messung der Magnetisierung einer Probe ergibt sich aus der Messung der Kraft, die ein magnetischer Dipol in einem homogenen Magnetfeld erfährt (Faraday-Methode). Die Kraft F auf ein magnetisches Moment µ im homogenen Magnetfeld H ist gegeben durch F = grad (µH). (4.1) Für den Fall einer homogen magnetisierten Probe mit Magnetisierung M reduziert sich Gleichung 4.1 zu F = (M grad) H. (4.2) Bei dem gewählten Aufbau setzt sich das Magnetfeld H aus einem starken homogenen Magnetfeld H0 = H0·ex und einem rotationssymmetrischen Gradientenfeld dHz /dx = dHx /dz zusammen: H0 + H x 0 , mit H0 » Hx , Hz. H z H = (4.3) Dadurch ergibt sich mit M = µ0 ·V·χ ·H0 die magnetische Kraft in Messrichtung z: Fz = µ0·m·χm·H0·dHx /dz , (4.4) wobei µ0 die magnetische Feldkonstante, m die Masse und χm die magnetische Massensuszeptibilität der Probe ist. Die horizontale Kraftkomponente Fx führt bei gerin39 4 Experimentelle Methoden gem Feldgradient dHz/dx nur zu einer geringen Auslenkung φ des Tiegels aus dem Lot heraus (φ « 1) und kann anhand der Abschätzung sinφ = φ als magnetische Kraftkomponente vernachlässigt werden. χ ist bei konstantem Feldprodukt H0·dHx/dz proportional zur gemessenen Kraft und lässt sich in absoluten Einheiten bestimmen. z Mikrowaage y x Magnetschwebekupplung Pumpstand Gradientenspule Graphitrohr Polschuh Polschuh Kontroll- & Steuereinheit Tiegel Pumpstand Probe Thermoelement Abb. 4.4: Glasflussmittel Prinzipieller Aufbau der Messapparatur, bestehend aus Mikrowaage, Elektromagnet, Gradientenspulen, Magnetschwebekupplung, Ofen und PC-Steuereinheit. Vergrößert dargestellt der Probentiegel mit in Glasflussmittel eingebetteter Probe (näheres siehe Kapitel 4.5), welche durch das externe homogene Magnetfeld H0 eine homogene Magnetisierung M = χ⋅H0 erhält. 4.3.2 Magnetfeld und Feldgradient Das homogene Magnetfeld H0 wird durch einen Elektromagneten der Firma Bruker Typ B-MN 155/45 mit konischen, im Abstand kontinuierlich verstellbaren Polschuhen erzeugt. Um den Einbau der benötigten Gradientenspulen und des Ofens zu ermöglichen, wurde der Polschuhabstand auf 56 mm bei einer maximalen magnetischen Induktion Bmax = 1,288 T (entspricht bei µr = 1 einem magnetischen Feld Hmax = 1025 kA/m) am Ort der Probe eingestellt. Die Homogenität des Feldes über einem Volumen von 1 cm³ ist, wie in Abbildung 4.5 dargestellt, höher als 10-4 und auch die 40 4 Experimentelle Methoden Langzeitstabilität des Feldes, gemessen über mehrere Stunden, ist besser als 10-4. Die Feldstärke wird mit einem Gaussmeter der Firma Lakeshore Model 450 und einer hochsensitiven Hallsonde Typ MMT mit einer Auflösung von ± 10 µT bestimmt. Abbildung 4.6 stellt die Messwerte der magnetischen Induktion B0 zwischen den Polschuhen des Elektromagneten, in einem Volumen V(x,y,z) = 40 · 40 · 32 mm³ dar. Bei einer Stromstärke I = 36,0000 A des Elektromagneten ergibt sich eine mittlere magnetische Induktion B0 = (1,03035 ± 0,0006) T, welche in den Versuchen am häufigsten benutzt wurde. Die entsprechende Magnetfeldstärke beträgt H0 = (820 ± 0,5) kA/m. Magnetische Induktion B0 [T] 1,1 ∆z = 32 mm 1,0 0,9-20 20 10 -10 x [m Abb. 4.5: 0 0 m] -10 10 20 -20 ] mm [ y Magnetische Induktion B0 des Elektromagneten Bruker B-MN 155/45 zwischen den Polschuhen, gemessen mit dem Gaussmeter Lakeshore Modell 450 innerhalb eines Volumens V(x,y,z) = 40 x 40 x 32 mm³ ohne zusätzlichen Feldgradienten. Bei einer Stromstärke von I = 36,0000 A ergibt sich aus den Messwerten eine mittlere magnetische Induktion B0 = (1,03035 ± 6⋅10-4 )T und somit bei µr = 1 ein mittleres magnetische Feld H0 = (820 ± 0,5) kA/m. Eine Korrektur des äußeren Feldes H0 tritt durch das Entmagnetisierungsfeld auf [Ge92]: Wirkt ein äußeres Feld H0 auf eine Probe, so entsteht im Innern eine Magnetisierung, die an der Oberfläche freie Pole hervorruft. Diese erzeugen ihrerseits ein 41 4 Experimentelle Methoden Feld, das im Innern des Materials der Magnetisierung entgegengerichtet ist. Es entsteht ein inneres Feld H int, welches sich aus der Differenz des äußeren Feldes und dem selbsterzeugten entmagnetisierenden Feld berechnet [Ber81]: H int r Nˆ M = H0 − ⋅ , µ0 V (4.5) wobei N̂ den Entmagnetisierungstensor, H0 das äußere Feld und M/V das magneti- sche Moment pro Volumen darstellt. Die Suszeptibilität χ wird nun durch das innere Feld definiert, da dieses das im Innern wirkende Feld darstellt. Unter der Annahme, dass χ̂ ein symmetrischer Tensor ist, folgt H0 = (1 + Nˆ ⋅ χ̂ )⋅H int (4.6) Fallen die Achsen des Ellipsoids mit den Hauptsuszeptibilitätsachsen zusammen, so vereinfacht sich diese Gleichung für die drei Achsenrichtungen n = 1, 2, 3: H0,n = (1 + Nn⋅ χn)⋅Hnint , (4.7) mit N1 + N2 + N3 = 1. Für den Spezialfall einer kugelförmigen Probe gilt N1 = N2 = N3 = ⅓ und das innere Feld wird bestimmt durch Hint = H0 . 1+ 31 χ (4.8) Für die im Rahmen dieser Arbeit am häufigsten verwendete Feldstärke H0 = (820 ± 0,5) kA/m muss also bei einer kugelförmigen Probe die Korrektur des entmagnetisierenden Feldes beachtet werden. Die magnetische Suszeptibilität von kristallinem Kobalt oberhalb der Curie-Temperatur beträgt bei T = 1673 K etwa χ = 7,8 ⋅ 10-3 [Sm83], woraus sich ein Korrekturfaktor k= 42 1 1 + 31 χ = 0,9974 (4.9) 4 Experimentelle Methoden ergibt. Das innere Feld ist demnach bei den betrachteten Parametern geringfügig um 0,26% gegenüber dem äußeren Magnetfeld abgeschwächt. Zum unabhängigen Einstellen des Feldgradienten dHx/dz vom Hauptfeld H0 wird ein zusätzliches Feld durch auf die Polschuhe aufgesetzte Gradientenspulen erzeugt. Dieses Feld muss klein gegenüber dem Hauptfeld H0 und der Gradient über das Probenvolumen konstant sein, damit auch das Feldprodukt H0·dHx/dz konstant ist. Damit ist die gemessene Kraft gemäß Gleichung 4.4 proportional zur magnetischen Suszeptibilität der Probe. Eine geeignete Spulengeometrie wurde von Weiß [We86] beschrieben und besteht aus vier halbzylindrischen Spulen, die entsprechend Abbildung 4.6 angeordnet sind. Daraus ergibt sich dann der skizzierte Feldverlauf, welcher die gestellten Anforderungen im Bereich der Probe erfüllt. (a) (b) z z y y x Hz(x) Abb. 4.6: (a) Anordnung der Gradientenspulen (b) skizzierter Feldlinienverlauf Durch die Gradientenspulen wird ein Gleichstrom geschickt, wodurch innerhalb des vorgegebenen Polschuhabstands ein Feldgradient entsteht. Der erforderliche Strom wird von einem Gleichstromnetzgerät der Firma HewlettPackard Typ E3634A mit einer Auflösung von ± 0,5 mA geliefert. Der im Vergleich mit anderen Methoden zur Erzeugung von Feldgradienten geringe Wert von weniger als 300 kA/m² bietet den Vorteil, dass der Gradient ohne eine größere Störung des Probensystems umgepolt werden kann. Dadurch können konstante Kräfte (hervorgerufen durch Auftriebskräfte aufgrund der Restgasatmosphäre oder Feldinhomogenitäten) sowie verglichen mit der jeweiligen Messfrequenz langsam driftende Größen (beispielsweise Änderungen 43 4 Experimentelle Methoden der Auftriebskraft), die sich als systematische Fehler auf die Untersuchung auswirken, durch Differenzbildung der Messungen in ± z-Richtung beseitigt werden. Aus den in Abbildung 4.7 dargestellten Messdaten der magnetischen Induktion B(x,y,z) lässt sich sowohl die Rotationssymmetrie des Gradientenfeldes um die yAchse (dBx/dz = dBz/dx) als auch die Invarianz dBx/dy = dBz/dy = 0 ablesen. Die Probe befindet sich bei exakter Justierung im Ursprung des gewählten Koordinatensystems, wo der Beitrag des magnetischen Feldes Hx = Hz = 0 verschwindet, und der Feldgradient r r ∇B ∇ H= (4.10) µr µ0 maximal ist. Es ergibt sich bei einer gewählten Stromstärke von I = 1,000 A aus den ermittelten Daten der Gradient der magnetischen Induktion dBx /dz = (0,345 ± 0,007) T/m, woraus gemäß Gleichung 4.10 bei einer relativen Permeabilität µr = 1 der Gradient des Magnetfeldes dHx /dz = (275 ± 5) kA/m² folgt. (b) øProbe = 6 mm 100 Magnetische Induktion Bz [ 10 -4 T ] 100 50 -4 [10 T ] Magnetische Induktion Bx (a) 0 -50 50 0 -50 30 -100 -30 -100 -15 -15 -10 -5 0 z [mm] Abb. 4.7: 15 5 10 15 0 0 x [mm] -15 15 30 y [mm] -30 Magnetische Induktion B(x,y,z) zwischen den Gradientenspulen im näheren Bereich der Probe bei einer Stromstärke von I = 1,000 A. Zur besseren Übersicht ist die Probe jeweils im Koordinatenursprung (0,0,0) dimensionsgetreu skizziert. Es ergibt sich dabei (a) ein vertikaler Feldgradient in z-Richtung dBx /dz = (0,345 ± 0,007) T/m und (b) ein horizontaler Feldgradient in x-Richtung dBz /dx = (0,349 ± 0,01) T/m. 44 4 Experimentelle Methoden 4.3.3 Kraftmessung Die Kraftmessung erfolgt durch eine elektronisch ortskompensierte Mikrowaage der Firma MettlerToledo Typ AT20. Das Auflösungsvermögen der Waage beträgt 2 µg im empfindlichsten Bereich bei einer maximalen Belastbarkeit von 20 g. Die Waage befindet sich über den Polschuhen des Magneten auf einem x,y,z-Justiertisch gelagert, der es ermöglicht, die Probe in den Bereich des maximalen und konstanten Feldgradienten zu positionieren. Die Probe befindet sich in einem verschlossenen Tiegel unterhalb der Waage hängend an einem 0,2 mm starken Wolfram-Draht. Die Längenausdehnung des Wolfram-Drahtes aufgrund der thermischen Ausdehnung beträgt bei einem linearen Ausdehnungskoeffizienten µ = 4,6⋅10-6 K-1 und einer Änderung der Ofentemperatur von 500 K weniger als 2 mm und führt die Probe bei exakter Justierung nicht aus dem Bereich des konstanten Feldproduktes. 4.3.4 Magnetschwebekupplung Beim Aufbau der Faraday-Waage wurde eine Magnetschwebekupplung der Firma Rubotherm Präzisionsmesstechnik integriert, die den Messraum (Probenumgebung) von der unter normalen atmosphärischen Bedingungen betriebenen Mikrowaage abkoppelt. Abb. 4.8: links herkömmlicher Aufbau der Ofeneinheit mit Waage, rechts Konzept mit Magnetschwebekupplung 45 4 Experimentelle Methoden Die Messlast befindet sich nicht mehr direkt an der Waage, sondern an einem Schwebemagneten. Dieser Schwebemagnet besteht aus einer Messlastabkopplung, einem Sensorkern und einem Permanentmagneten wie in Abbildung 4.9 dargestellt. Über eine entsprechende PID-Regelung wird dieser Permanentmagnet von einem an der Waage aufgehängten Elektromagnet in einem frei schwebenden Zustand gehalten und die zu messende Kraft über eine Sensorspule berührungslos auf die sich außerhalb der Messraumatmosphäre befindende Mikrowaage übertragen. Turbulenzen bzw. konvektive Strömungen zwischen dem heißen Bereich des Ofens und dem kalten Bereich der Mikrowaage aufgrund der Restgasatmosphäre im Rezipienten führen in der Regel zu störenden Torsions- und Pendelschwingungen der Aufhängung. Durch die Magnetschwebekupplung gibt es eine Trennung dieser beiden Bereiche, so dass Konvektionsströmungen weitgehend reduziert werden. Abb. 4.9: Prinzipskizze einer Magnetschwebewaage Ein in situ -Tarieren der Waage verhindert den thermischen Drift der Waage. Die Messlast wird dazu in eine Nullpunktlage abgesetzt, und die Waage misst lediglich die Masse des Elektromagneten, des Permanentmagneten und der Aufhängung. Die 46 4 Experimentelle Methoden Messlast ist in dieser Lage von der Waage abgekoppelt. In der Nullpunktlage findet ein automatisiertes Tarieren des Waage statt. Weiterhin wird durch die elektronische Regelung der Magnetschwebekupplung die Position der Probe im Magnetfeld nicht verändert, so dass an jedem Messpunkt gleiche Umgebungsbedingungen vorliegen. Nähere Details der Magnetschwebetechnik werden von Lösch et al. beschrieben [Lö87],[Lö94]. 4.3.5 Ofen Das Heizen der Probe erfolgt in einem Widerstandsofen und basiert auf einem Konzept der Universität zu Köln [We86], wurde allerdings in entscheidenden Details hinsichtlich Regelungsstabilität, Vakuumtechnik und elektrischer Isolation optimiert. Abb. 4.10 skizziert den Ofenquerschnitt: ein zylindrisches Graphitrohr mit einem Innendurchmesser von Dinnen = 20 mm und einer Wandstärke von 2 mm wird von einem Gleichstrom bis zu IHeiz = 580 A durchflossen und durch den vorhandenen Spannungsabfall auf einer Länge von l = 225 mm beheizt. Dabei lassen sich Heizraten von bis zu 1000 K/min und Kühlraten von maximal 150 K/min erzielen, wobei die Temperatur von einem Pt-PtRh-Thermoelement erfasst wird, welches von unten bis auf einen Millimeter an den Tiegel heranreicht. Die Thermospannung wird über Ausgleichsleitungen an den Programmregler von Eurotherm Typ 2408 geleitet, welcher über eine Steuerspannung 0V ≤ USt ≤ 5V das Ofennetzgerät der Firma Hewlett Packard Modell HP 6681A ansteuert. Die Kühlung des Ofens erfolgt über Wasserkühlung in aufgesetzten Kupferhalbschalen (siehe Abbildung 4.10). Achtzehn 0,05 mm dünne Molybdänblech-Folien reduzieren die Strahlungsverluste nach außen, indem sie die nach Außen emittierte Strahlung zum Teil reflektieren, wodurch die Temperaturstabilität des Heizrohrs erhöht wird. In der Mitte des insgesamt 270 mm langen Heizrohres beträgt die Temperaturabweichung auf einer Länge von ± 10 mm bei konstanter Heizleistung ± 2 K. 47 4 Experimentelle Methoden Wasserkühlung Kupferschale 20 mm Graphit-Rohr Mo-Strahlenschutzbleche 55 mm Abb. 4.10: Schematischer Ofenquerschnitt Die Konstruktion des Ofens lässt sich bei einem Außendurchmesser von lediglich 55 mm bei einem Temperaturbereich von 300 K < T < 2000 K realisieren, wodurch ein möglichst kleiner Polschuhabstand für ein größtmögliches, homogenes Magnetfeld gegeben ist. Durch ein überarbeitetes Konzept der Vakuumdichtungen und der elektrischen Isolation wird das erreichbare Vakuum im Ofen von ca. 10-4 mbar auf bis zu 2·10-6 mbar gesteigert. Der Einbau einer Schiebedurchführung ermöglich nun das 1/10 mm genaue Verschieben des Thermoelements um bis zu 5 cm, wodurch der Abstand zwischen Tiegelboden und Thermoelementspitze verändert werden kann. Somit lässt sich zum einen die thermische Ausdehnung des Aufhängungsdrahts experimentell verifizieren, als auch der Versatz zwischen gemessener Temperatur und wahrer Probentemperatur durch verringern des Abstands minimieren. 4.3.6 Messsteuerung und Datenerfassung Der Messprozess wird durch den Programmregler EUROTHERM 2408 gesteuert und die anfallenden Daten wie z.B. Temperatur, Gewicht und Zeit über einen PC von der durch die Firma Rubotherm entwickelte Software MessPro erfasst. Das Auslesen der Daten erfolgt bei kontinuierlicher Messung mit einer maximalen Rate von 12 min-1 und ist durch die notwendige Beruhigungszeit der Mikrowaage vorgegeben. Bei diskontinuierlichen Messungen mit Anfahren der Nullpunktslage ist es sinnvoll, eine 48 4 Experimentelle Methoden niedrigere Abtastung von maximal 6 min-1 vorzunehmen, um Fehlmessungen aufgrund einer sich nicht im Gleichgewicht befindlichen Waage zu vermeiden. Bei Langzeitmessungen mit niedriger Heiz- und/oder Kühlrate wird in gegebenen Zeitabständen eine Kalibrierung der Waage durchgeführt, damit Fehler verursacht durch einen thermischen Drift vermieden werden. Eine Fehlerbetrachtung der Messgröße χm aus Gleichung 4.4 erfolgt mittels Gaußscher Fehlerfortpflanzung aus den Einzelfehlern ∆F/g = ∆m = ± 2 µg, ∆H0 = ± 0,5 kA/m und ∆(gradH) = ± 5 kA/m² : 2 2 2 2 ∂χ ∂χ ∂χ m ∂χ 2 ∆ (gradH ) ∆χ m = m ∆Fz 2 + m ∆m 2 + m ∆H0 2 + ∂m ∂ (gradH ) ∂Fz ∂H0 ∆F ∆m ∆H0 ∆ (gradH ) ∆χ m + = z + + χm Fz m H0 gradH 2 ⇒ 2 2 2 Daraus ergibt sich der relative Fehler der magnetischen Suszeptibilität ∆χ m χ m = ± 2 %, wobei der Messfehler dominiert wird durch den größten relativen Einzelfehler, den des Gradientenfeldes ∆(gradH). Die Messgenauigkeit der Temperaturmessung der Faraday-Waage ist aufgrund der indirekten, berührungslosen Messung mittels Thermoelement durch eine systematische Messunsicherheit auf ca. ± 5 K beschränkt. Die absoluten Temperaturen der Messungen mittels Faraday-Waage müssen aus diesem Grund jeweils mit parallel durchgeführten DTA-Messungen verglichen werden. Die durch Messungen der Faraday-Waage mittels linearer Regression ermittelten Curie-Temperaturen besitzen statistisch betrachtet allerdings eine Genauigkeit von bis zu ± 1 K, was die statistische Genauigkeit der abgeleiteten Temperaturen hervorhebt. 49 4 Experimentelle Methoden 4.3.7 Aufbau der Faraday-Waage Abbildung 4.11 zeigt den experimentellen Aufbau der konstruierten Faraday-Waage mit Elektromagnet, Mikrowaage, Magnetschwebekupplung und 19-Zoll- Einbauschrank mit Regel- und Steuereinheiten. Der Vakuumpumpstand mitsamt Vorpumpe und Turbomolekularpumpe befindet sich verdeckt hinter dem Elektromagneten. Mikrowaage Magnetschwebekupplung Regelung und Steuerung Magnet Ofen, Thermoelement und Gradientenspulen Abb. 4.11: Gesamtübersicht der konstruierten Faraday-Waage inklusive Elektromagnet, Mikrowaage und 19’’-Rack für Regel- und Steuereinheiten. 50 4 Experimentelle Methoden 4.4 Rasterelektronenmikroskopie (REM) Die prozessierten Proben wurden im Rasterelektronenmikroskop (REM) des Typs Cambridge Stereoscan 360 auf ihre Mikrostruktur hin untersucht und ihre Legierungszusammensetzung anhand energiedispersiver Röntgenanalyse mittels eines EDX-Detektors (Energy dispersive X-ray analysis) der Firma Link bestimmt. Der schematische Aufbau eines REM’s ist in Abbildung 4.12 dargestellt. Das magnetische Linsensystem dient dazu, den Elektronenstrahl auf die Probe zu fokussieren. Mit einer Ablenkeinheit wird der Elektronenstrahl zeilenweise über die Probe geführt, das gerasterte Signal von einem Detektor aufgezeichnet und als Funktion der Strahlposition aufgetragen, wodurch ein gerastertes Abbild der Probe entsteht. Der auftreffende Elektronenstrahl erzeugt Sekundärelektronen und Röntgenstrahlung, und zusätzlich wird ein Teil der auftreffenden Elektronen zurückgestreut. Die Sekundärelektronen und Rückstreuelektronen werden von zwei unterschiedlichen Detektoren registriert und deren Signal elektronisch verstärkt auf einem Bildschirm dargestellt. Somit wird jeder abgerasterte Punkt auf der Probe vergrößert, und die Summe aller Bildpunkte ergibt das zweidimensionale Abbild der Probenoberfläche. Der Sekundärelektronendetektor ist asymmetrisch über der Probe angebracht, wodurch die registrierte Intensität sensitiv vom Winkel zwischen Detektor und Probenfläche beeinflusst wird. Auf diese Weise lassen sich Oberflächenstrukturen der Probe mit hoher Auflösung darstellen. Die Intensität der rückgestreuten Elektronen hängt maßgeblich von der Ordnungszahl der rückstreuenden Atome ab. Dadurch lassen sich mit dem Rückstreudetektor Bereiche unterschiedlicher chemischer Zusammensetzungen auf dem Bildschirm darstellen [Hei70]. 51 4 Experimentelle Methoden Bildröhre Elektronenkanone 1. Kondensorlinse Stigmator Ablenkspulen (scanning) Strahlablenkung 2. Kondensorlinse Signalverstärker Elektronenkollektor und –detektor (Szintillationszähler) Probe Abb. 4.12: Sekundärelektronen Schematische Darstellung eines Rasterelektronenmikroskops nach [Hei70] Die beim Auftreffen der Elektronen auf die Probe entstehende charakteristische Röntgenstrahlung dient dazu, über das Moseleysche Gesetz die chemische Zusammensetzung der Probe zu analysieren [Bet90]. Dabei kann zur Bestimmung der nominellen Zusammensetzung sowohl über die gesamte Probenoberfläche, als auch zur Konzentrationsbestimmung einzelner Phasen selektiv an einzelnen Punkten der Probenoberfläche gemessen werden. Für rasterelektronenmikroskopische Untersuchungen sollten die Proben elektrisch leitfähig sein, um elektrostatische Aufladungen zu vermeiden, die den Elektronenstrahl beeinflussen und zu einer drastischen Verschlechterung der Abbildungsqualität führen können. Außerdem sollte die Probenoberfläche zur Gefügeanalyse möglichst glatt sein. Die Proben werden dafür zunächst mit einer Diamantfadensäge zerteilt und mit Hilfe einer Warmeinbettpresse der Firma Struers in eine elektrisch leitfähige Einbettmasse auf Acrylbasis eingebettet. Anschließend wird die Oberfläche mit SiC-Schleifpapier plangeschliffen und abschließend mit Diamantschleifmittel einer Körnigkeit von 1 µm poliert. Im Verlauf der Arbeit konnte ein Rasterelektronenmikroskop der Firma LEO Electron Microscopy Ltd vom Typ Leo 1530 VP mit Feldemissionskathode eingesetzt werden. Dieses REM bietet neben dem herkömmlichen Sekundärelektronen- (SE) und Rückstreuelektronendetektor (BSE) einen ‚Inlens’-Sekundärelektronendetektor, der die Sekundärelektronen innerhalb der Strahlfokussierungseinheit aufzeichnet [Ja96]. Der Inlens-Detektor ermöglicht aufgrund einer Energieselektion der Sekun52 4 Experimentelle Methoden därelektronen gegenüber dem herkömmlichen SE-Detektor eine höhere Auflösung der Probenoberfläche. Weiterhin besitzt der EDX-Detektor des Leo 1530 VP im Vergleich zum Cambridge Stereoscan 360 auch die Auflösung leichterer Elemente wie Sauerstoff oder Kohlenstoff und erlaubt, über die Auswertung der Röntgenlinien die Zusammensetzung der Probe mit einer Genauigkeit von ± 0,5 at.% zu bestimmen. 4.5 Probenherstellung Zur Herstellung der Legierungen werden verschieden Reinstmetalle verwendet, deren Reinheit und Herstellerfirmen in Tabelle 4.1 aufgelistet sind. Tab. 4.1: Material Reinheit [%] Hersteller Fe 99,995 AlfaAesar/Johnson Matthey Co 99,998 AlfaAesar/Johnson Matthey Pd 99,95 ChemPur/Heraeus Cu 99,999 ChemPur/Heraeus Au 99,9999 AlfaAesar/Johnson Matthey Reinheit und Hersteller der Komponenten der in dieser Arbeit untersuchten Legierungen. Die Ausgangsmaterialien werden zunächst gemäß der benötigten Stöchiometrie abgewogen, in einem Ultraschallbad unter Ethanol gereinigt und in einem Lichtbogenofen auf einer wassergekühlten Kupferplatte unter einer Argon- Schutzgasatmosphäre vorlegiert. Anschließend wird durch erneutes Abwiegen der dabei eventuell auftretende Massenverlust der Proben ermittelt. Im Rahmen dieser Arbeit finden nur Proben Verwendung, deren Masse sich im Vergleich zur Einwaage der Ausgangskomponenten um maximal 0,2 at% geändert hat. Im weiteren Verlauf werden die Proben mitsamt einem keramischen Innentiegel und Duranglas als Einbettmaterial in einen Tantal- bzw. Molybdäntiegel eingefügt. Der keramische Innentiegel ist notwendig, um den Kontakt von metallischer Probe und metallischem Tiegel zu verhindern, was bei hohen Temperaturen zu einer Legierungsbildung führen kann. Außentiegel und Tiegeldeckel werden anschließend unter einer Atmosphäre p < 10-4 mbar mit Hilfe eines Elektronenstrahls verschweißt. Damit wird einerseits ein Abdampfen des Probenmaterials und des Glases bei hohen Temperaturen verhindert 53 4 Experimentelle Methoden und andererseits ein Verschmutzen der Probe durch Unreinheiten der Restgasatmosphäre im Rezipienten vermieden. Ein Schnittbild eines prozessierten Tiegels zeigt Abbildung 4.13. Abb. 4.13: Querschnitt eines Tantal-Tiegels mit Keramik-Innentiegel, Glasflussmittel und Probe. Durch die Verwendung eines geschlossenen Tiegels bleibt das Kraftsignal der Gewichtskraft FG des Gesamtsystems Probe + Glas + Tiegel konstant und eine Kraftänderung lässt sich auf das von außen angelegte Magnetfeld H und somit auf eine magnetische Kraft Fmag gemäß Gleichung 4.2 zurückführen. Die Messung der Magnetisierung M der Probe beruht somit auf einer absoluten Kraftmessung. 54 Kapitel 5 Probensysteme 5.1 Reine Übergangsmetalle Für die 3d-Übergangsmetalle Eisen und Kobalt dient, wie in Kapitel 2.3.2 geschildert, das Bändermodell als geeigneteste Form der Beschreibung elektronischer Wechselwirkungen, da die ursprünglich scharfen Energieniveaus der Elektronen im Festkörperverbund aufspalten und zu Bändern verbreitert sind. Während bei Legierungen die chemische Ordnung der Atome einen Einfluss auf die magnetischen Eigenschaften besitzen kann, bieten sich elementare Schmelzen zum grundsätzlichen Studium der magnetischen Eigenschaften eines Elements an. 5.1.1 Eisen Eisen dient im Rahmen dieser Arbeit aufgrund seiner zahlreichen Phasenübergange als Referenzsubstanz zur Temperatureichung. Das bei tiefen Temperaturen ferromagnetische α-Eisen durchläuft bei der Curie-Temperatur TC = 1043 K einen magnetischen Phasenübergang hin zu paramagnetischem Verhalten. Bei der Temperatur Tα→γ = 1184 K ändert sich die Struktur des Festkörpers von kubisch raumzentriertem α-Eisen (krz) zu kubisch flächenzentriertem γ-Eisen (kfz), welche wiederum bei Tγ→δ = 1667 K zu kubisch raumzentriertem δ-Eisen (krz) übergeht. Die atomare Nahordnung ändert sich dabei jeweils, da bei einer kubisch raumzentrierten Struktur acht nächste Nachbaratome vorhanden sind, während bei kubisch flächenzentrierter Struktur zwölf nächste Nachbaratome auftreten. Die Schmelztemperatur von Eisen beträgt TL = 1809 K. Abbildung 5.1 zeigt Literaturdaten der inversen Suszeptibilität von reinem Eisen als Funktion der Temperatur von Nakagawa und Urbain et al. [Na56], [Na57], [Ur67]. TL = 1809 K 5 γ (fcc) 4 -1 -4 Inverse Suzeptibilität χ [10 cgs emu] 5 Systeme flüssig 3 δ (bcc) 2 1 0 1000 α (bcc) 1200 1400 1600 1800 2000 Temperatur [K] Abb. 5.1: Eisen-Suszeptibilitätsdaten von Nakagawa (∆) [Na56], [Na57] und Urbain et al. (●) [Ur67] Einen qualitativen Hinweis auf den Zusammenhang zwischen struktureller Nahordnung und magnetischer Ordnung erkennt man an dem Verlauf der magnetischen Suszeptibilität von Eisen in Abhängigkeit der Temperatur in Abbildung 5.1. Aus der Steigung der inversen Suszeptibilität als Funktion der Temperatur lässt sich gemäß Gleichung 2.25 die Curie-Konstante C der einzelnen Phasen bestimmen. Es ist ersichtlich, dass aus annähernd gleichen Steigungen ähnliche Curie-Konstanten und magnetische Momente folgen. Die Curie-Konstante der flüssigen Phase ist vergleichbar mit der Curie-Konstanten der kubisch flächenzentrierten γ-Phase, während hingegen die kubisch raumzentrierte α-Phase und die ebenfalls kubisch raumzentrierte δ-Phase eine identische, davon abweichende Curie-Konstante besitzen. Ein Erstarrungsvorgang von reinem Eisen im Gleichgewicht bei der LiquidusTemperatur TL = 1809 K ist demnach mit einer Änderung der strukturellen Nahordnung verbunden. Diese Strukturänderungen haben auch direkte Auswirkungen auf die magnetische Ordnung. Das bei Temperaturen T ≥ T α→γ in kubisch flächenzentrierter Struktur vorliegende γ-Eisen ist unmagnetisch, während die kubisch raumzentrierte α−Phase bei Temperaturen unterhalb der Curie-Temperatur T ≤ TC ferromagnetische Ordnung aufweist. 56 5 Systeme TC α T α→γ α T γ γ→δ δ TL flüssig Temperatur ferroferromagnetisch magnetisch Abb. 5.2: paraparamagnetisch magnetisch ununmagnetisch magnetisch paraparamagnetisch magnetisch Übersicht struktureller und magnetischer Phasenübergänge an reinem Fe Abbildung 5.2 gibt eine Übersicht der strukturellen und magnetischen Phasenübergänge von reinem Eisen in Abhängigkeit der Temperatur. 5.1.2 Kobalt Kobalt weist in seiner ε-Phase bis zu einer Temperatur von Tε→α = 695 K eine hexagonale Struktur auf und besitzt ferromagnetische Eigenschaften. Bei Tε→α erfolgt eine strukturelle Umwandlung hin zu kubisch flächenzentriertem α-Kobalt, welches bei einer Curie-Temperatur von TC = 1394 K paramagnetisch wird. Sowohl die hexagonale ε- als auch die kubisch flächenzentrierte α-Phase weisen zwölf nächste Nachbaratome auf. Die Koordinationszahl Z = 12, welche die Anzahl nächster Nachbarn repräsentiert, bleibt trotz der strukturellen Phasenumwandlung erhalten. Der Schmelzpunkt von Kobalt wird bei einer Temperatur TL = 1768 K erreicht, wobei die Koordinationszahl der Schmelze und deren Nahordnung anhand von Röntgenbeugungsexperimenten im Rahmen dieser Arbeit ermittelt wird [Ho02]. Der Bezug der Beugungsexperimente zu magnetischer Ordnung wird in Kapitel 6.2.1 näher erläutert. 57 5 Systeme T ε ε→α TC T C α TL α flüssig Temperatur ferroferromagnetisch magnetisch Abb. 5.3: paraparamagnetisch magnetisch Übersicht struktureller und magnetischer Phasenübergänge an reinem Kobalt 5.2 Co-Basis Legierungen 5.2.1 Das Probensystem Co-Pd Das System Co-Pd weist bei der Legierungszusammensetzung Co82Pd18 die höchste relative Curie-Temperatur TrC = TC / TL = 0,791 aller bekannten binären CoLegierungen aus, was in absoluten Einheiten einer Temperaturdifferenz ∆T = TL – TC = 340 K entspricht. Weiterhin ist das System vollständig mischbar, so dass ein Einfluss auf den Magnetismus durch die primäre Erstarrung etwaiger Randphasen, wie sie, wie bereits geschildert, in eutektischen Systemen auftreten können, ausgeschlossen werden kann [Gl85], [Ka88]. Abb. 5.4: 58 Gleichgewichtsphasendiagramm Co-Pd nach Massalski [Ma90] 5 Systeme Das Gleichgewichtsphasendiagramm des Legierungssystems nach [Ma90] ist in Abbildung 5.4 dargestellt. Abbildung 5.5 zeigt einen Ausschnitt des Phasendiagramms Co100-xPdx mit Curie-Temperaturen TC und Nukleationstemperaturen TN, die unter Verwendung verschiedener Unterkühlungstechniken gemessen wurden. Die Analyse der Erstarrungstemperaturen im Rahmen des klassischen Keimbildungsmodells für Legierungen mit Kobaltkonzentrationen x < 75 at.% deutet auf heterogene Keimbildung mit einem einheitlichen katalytischen Faktor f(θ) = 0,34 [He99] hin. Werden die Nukleationstemperaturen unter der Annahme eines konstanten katalytischen Faktors f(θ) berechnet, so skalieren diese herkömmlich über den gesamten Konzentrationsbereich mit der Liquidustemperatur, wie experimentell für das vollständig mischbare System Ni-Cu [Ce51],[Wil88] und das eutektische System Sn-Bi [Pe80] nachgewiesen werden konnte. Für das mischbare System CoPd gilt dies jedoch nur in dem Konzentrationsbereich, in dem die Curie-Temperatur TC deutlich unterhalb der Nukleationstemperatur TN liegt. Die nach dem Modell der klassischen Kristallkeimbildung berechneten Nukleationstemperaturen TNcalc(f(θ)=0.34) liegen in dem Konzentrationsbereich x > 75 at.% Kobalt um etwa 20 K unterhalb den experimentell erzielten Nukleationstemperaturen. Sobald die Unterkühlungen sich in diesem Konzentrationsbereich der Curie-Temperatur TC annähern, erstarren die Proben und die Kurve der Nukleationstemperaturen TN(x) schmiegt sich der Kurve der Curie-Temperaturen TC(x) an: TN(x) ≈ TC(x). 59 5 Systeme TN ≈ TC Co-Pd 1800 TL 1700 Temperature [K] 1600 TS 1500 1400 1300 TNcalc (f(Θ)=0.28) 1200 1100 TNcalc (f(Θ)=0.34) TC(s) 1000 50 Abb. 5.5: 55 60 65 70 75 80 85 Co concentration [at%] : TL : TS : TC(s) : TNlev : TNflux (borosilicate) : TNflux (Duran; 1 g) : TNflux (Duran; 50 µg) 90 95 100 Co-reiche Seite des Phasendiagramms von Co-Pd. Die oberen Kurven entsprechen Liquidus- (*) und Solidus-Temperaturen (x) gemessen mittels Differentieller Thermoanalyse (DTA) nach [Wi97]. Die untere Linie repräsentiert die Konzentrationsabhängigkeit der Curie-Temperatur der festen Phase (+) und wurde ebenfalls mittels DTA bestimmt. Offene Quadrate ( ) geben die durch elektromagnetische Levitation gemessenen maximalen Unterkühlungen als Funktion der Konzentration an, während geschlossene Quadrate (■), Punkte (•) und Rauten (♦) maximale Unterkühlungen aus Glaseinlagerungsexperimenten darstellen. Die mit der Liquiduslinie skalierenden Linien entsprechen den im Rahmen der klassischen Keimbildungstheorie vorhergesagten Nukleationstemperaturen für heterogene Keimbildung mit katalytischen Faktoren f(θ) = 0,28 bzw. f(θ) = 0,34 [He99]. Mittels einer modifizierten Faraday-Waage wurde an levitationsprozessierten CoPd-Proben die paramagnetische Suszeptibilität sowohl für die feste als auch für die flüssige Legierung in relativen Einheiten gemessen und daraus die CurieTemperatur TCL für die flüssige Phase extrapoliert [Res95], welche im gesamten Konzentrationsbereich 15-35 at.% Pd jeweils um etwa 20 K niedriger liegt als die Curie-Temperatur TCS der entsprechenden festen Phase [Pl96]. Abbildung 5.6 zeigt die Temperaturabhängigkeit der Magnetisierung und der inversen Suszeptibilität von festem und tief unterkühlt flüssigem Co80Pd20. 60 5 Systeme Abb. 5.6: Messungen der inversen Suszeptibilität von festem (x) und unterkühltem flüssigen (•) Co80Pd20 abgeleitet aus Messungen der Magnetisierung (▲) [Res95]. Mit der Technik der Myonen-Spin-Rotation Spektroskopie (µSR) als mikroskopische Messsonde wurden von Herlach et al. die lokalen magnetischen Felder im paramagnetischen Bereich von Co-Pd-Schmelzen untersucht [Her86]. Dabei deutet sich sowohl ein Anstieg des Magnetfeldes am Myonen-Ort knapp oberhalb der CurieTemperatur TCL der flüssigen Phase, als auch eine starke Spinfluktuation an. Aus diesen Daten konnte im Rahmen eines einfachen Modells die Suszeptibilität und damit auch TCL bestimmt werden. Die gewonnenen Werte stimmen mit denen aus magnetischen Messungen überein [Her98]. Messungen des elektrischen Widerstands von Co-Pd-Schmelzen während der NASA Spacelab Mission MSL1 weisen auf eine sich ändernde magnetische Ordnung im unterkühlten Zustand hin. Der Widerstand von Co-Pd-Schmelzen steigt im unterkühlten Zustand bei Annäherung an die Curie-Temperatur stark an, was auf ein vermehrtes Streuen der Leitungselektronen an umklappenden Spins (spin-flip scattering) zurückgeführt wird [Lo98]. Einen weiteren Hinweis für magnetische Beiträge zur Kristallkeimbildung im System Co-Pd liefert die statistische Analyse von jeweils 100 Erstarrungsereignissen verschiedener mittels elektromagnetischer Levitationstechnik prozessierter Legierungen von Schenk et al. [Sche00]. Abbildung 5.7 zeigt die Wahrscheinlichkeitsverteilung Ω(∆T/TL) der erzielten Erstarrungsereignisse als Funktion der relativen 61 5 Systeme Unterkühlung ∆T/TL. Deutlich zu erkennen ist dabei die abnehmende Halbwertsbreite der Verteilungsfunktion bei zunehmender Annäherung an die relative CurieTemperatur TrC = TC/TL mit zunehmender Kobaltkonzentration. Der klassischen Keimbildungstheorie nach Turnbull [Tu69] folgend, ergibt sich für die Keimbildungsrate gemäß Gleichung 3.22: ∆G* ISS = KV ⋅ exp− f (θ ) ⋅ , k T B (5.5) mit KV, dem Vorfaktor der Verteilungsfunktion, welcher proportional zu Nn, der Anzahl wachstumsfähiger Keime in der unterkühlten Schmelze ist. Aus dem Verlauf der Verteilungsfunktion Ω(∆T/TL) lässt sich der Vorfaktor KV bestimmen und gegen die Konzentration gemäß Abbildung 5.8 auftragen. Es leitet sich ein sprunghafter Anstieg des Vorfaktors in Abhängigkeit der Legierungszusammensetzung um bis zu neun Größenordnungen ab, der gleichbedeutend wäre mit einem drastischen Anstieg der Anzahl wachstumsfähiger Keime in der unterkühlten Schmelze. Da die Proben aus dem gleichen Material hergestellt und auf gleiche Weise prozessiert wurden, erscheint dies nicht plausibel. Verunreinigungen können einen dermaßen drastischen Anstieg von KV in Abhängigkeit der Konzentration nicht erklären, denn die Anzahl Nn der Keimstellen kann nur linear mit der Kobaltkonzentration skalieren. Für andere vollständig mischbare Systeme, wie z.B. Cu-Ni [Ce51], [Wil88] wurde keine Konzentrationsabhängigkeit der Keimbildungsrate festgestellt. Schenk et al. zeigen, dass der konzentrationsabhängige Anstieg für das vollständig mischbare System Co-Pd im Konzentrationsbereich 70 < x < 75 at.% Co einen Übergang zwischen zwei verschiedenen Nukleationsverhalten andeutet [Sche02a]. Im Bereich hoher Kobaltkonzentrationen scheint die Kristallisation der Schmelze durch die sich bildende magnetische Ordnung in der Schmelze bei Annäherung an die CurieTemperatur stimuliert zu werden. 62 5 Systeme Ω TC/TL=0,38 Co50Pd50 TC/TL =0,24 Co70Pd30 Co75Pd25 TC/TL Co82Pd18 TC/TL ∆Tr = ∆T/TL [%] Abb. 5.7: Verteilungsfunktion der relativen Unterkühlung ∆T/TL und der Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion von ∆T/TL (blaue Linien), berechnet nach einem Modell von Skripov [Sk77] für Co50Pd50, Co70Pd30, Co75Pd25 und Co82Pd18 nach Schenk et al. [Sche00] TN ≈ TC TN > TC log10 KV [m³/s] 35 30 25 20 50 60 70 80 90 100 at% Co Abb. 5.8: Aus der statistischen Analyse der Keimbildung von Co-Pd-Schmelzen ermittelte Abhängigkeit des Vorfaktors KV der Verteilungsfunktion der Keimbildungsrate ISS von der Co-Konzentration [Sche00] 63 5 Systeme Einen weiteren Hinweis auf magnetische Beiträge zur Keimbildung liefern DTAExperimente von Wilde an verschiedenen Co-Pd Legierungen [Wi97]. In Abbildung 5.9 erkennt man, dass die spezifische Wärme aller untersuchten Schmelzen bis zu tiefen Unterkühlung nur schwach temperaturabhängig sind. Erst ab einer Unterkühlung ∆T > 300 K beginnt für kobaltreiche Schmelzen ein deutlicher Anstieg mit abnehmender Temperatur bei Annäherung an die Curie-Temperatur der entsprechenden kristallinen Phase. Bei allen Untersuchungen erfolgte eine Kristallisation der Schmelze vor Erreichen der Curie-Temperatur. Die dargestellten Kurvenverläufe sind reproduzierbar: weder eine Wärmebehandlung bei hoher Temperatur von bis zu 1720 K noch eine Änderung der Kühlrate zwischen 10 K/min bis 40 K/min änderten den Verlauf oder die maximale Unterkühlung. Das Auftreten von Co-Aggregaten in der Schmelze wie in eutektischem Co-Au beobachtet [Bu68] kann daher ausgeschlossen werden. 1,0 Co82Pd18 spezifische Wärme Cp [J/gK] Co80Pd20 0,8 Co75Pd25 0,6 Co50Pd50 0,4 0,2 0,0 1000 1100 1200 1300 1400 1500 1600 1700 Temperatur [K] Abb. 5.9: Spezifische Wärme CpL von flüssigen (rot) und CpS von kristallinen (schwarz) Co-PdLegierungen. Die CpL-Kurven zeigen einen deutlichen, auf ein enges Temperaturintervall begrenzten Anstieg bei Annäherung an die entsprechende Curie-Temperatur TCS des Kristalls, welche durch das Maximum der jeweiligen CpS-Kurve gekennzeichnet ist [Wi96a]. Für Co50Pd50 lässt sich im flüssigen Zustand die Curie-Temperatur durch Unterkühlen nicht erreichen, und es findet sich im untersuchten Temperaturbereich kein Anstieg des Messsignals. Der deutlich erkennbare Anstieg der spezifischen Wärme im Bereich der tief unterkühlten Schmelze beschränkt sich auf Co-Pd-Legierungen mit hoher relativer Curie-Temperatur TrC = TC / TL und ist ein Indiz für die sich ausbildende magnetische Ordnung. 64 5 Systeme 5.2.2 Das Probensystem Co-Au Das binäre Legierungsystem Co-Au weist ein Eutektikum mit ferromagnetischer Randphase auf und bietet sich als weiteres System zur Studie magnetischer Einflüsse auf die Keimbildung an. Abbildung 5.10 zeigt das Gleichgewichtsphasendiagramm des Systems. Abb. 5.10: Gleichgewichtsphasendiagramm von Co-Au nach [Ma90] Im Konzentrationsbereich der ferromagnetischen Randphase 24,8 ≤ x ≤ 98,1 at.% Kobalt kommt es zu einer Phasentrennung mit konzentrationsunabhängiger CurieTemperatur, wie im Fall des Systems Co-Cu. Die Curie-Temperatur TCS des entstehenden Mischkristalls entspricht dabei derjenigen der Randphase bei x = 98,1 at.% Co. Verläuft die Curie-Temperatur TCL der unterkühlten Schmelze allerdings wie in Abbildung 5.11 skizziert parallel zu TCS des Mischkristalls im Löslichkeits- und im übersättigten Bereich, so sollte bei hinreichender Unterkühlung im eutektischen Bereich der magnetische Phasenübergang in der homogenen, unterkühlten Schmelze nachweisbar sein. 65 5 Systeme Temperatur TL TC der Randphase TCA hypothetisches TC des übersättigten Mischkristalls A Abb. 5.11: Atomprozent B [at%] Schematisches Phasendiagramm eines binären Eutektikums mit ferromagnetischer Randphase. Die gestrichelte Linie stellt die hypothetische Curie-Temperatur eines übersättigten Mischkristalls dar. Diese Extrapolation ist rein graphisch, allerdings deuten Messungen der spezifischen Wärme tief unterkühlter CoxAu100-x Legierungen von Wilde auf eine Anomalie magnetischen Ursprungs oberhalb der eutektischen Temperatur TEut hin. Im Konzentrationsbereich x > 85,5 at.% kommt es zu einem auf ein schmales Temperaturintervall begrenzten Anstieg der Cp(T)-Kurven der tief unterkühlten Schmelze. Der Anstieg ist ausgeprägter und beginnt bei höheren Temperaturen je höher der CoAnteil der Legierung ist [Wi97]. Ein Einfluss unterschiedlicher Haltezeiten im flüssigen Zustand oder eine Kühlratenabhängigkeit, wie in [Bu68] festgestellt, wurde nicht beobachtet. Weiterhin spricht die Konzentrationsabhängigkeit des Beginns des Anstiegs gegen eine Assoziierung in der Schmelze. In Tabelle 5.1 sind die mittels DTA-Messungen ermittelten LiquidusTemperaturen TL und die maximal erreichten Unterkühlungen ∆T zusammengestellt. 66 5 Systeme Tab. 5.1: Co [at%] TN [K] TL [K] ∆T [K] ∆T/TL 80 1283 1623 340 0,20949 81,6 1289 1638 349 0,21306 85,5 1320 1665 345 0,20721 87,3 1323 1681 358 0,21297 88,8 1332 1695 363 0,21416 90,2 1339 1708 369 0,21604 Mittels DTA-Messungen in Glasflussmittel ermittelte Liquidustemperaturen und erzielte Unterkühlungen von Co-Au-Legierungen im Konzentrationsbereich von 80 – 90 at% Co nach [Wi97]. Temperatur [K] 1700 TL 1500 TCS 1300 TEut 100 90 80 70 Co [at%] Abb. 5.12: Ausschnitt aus dem Phasendiagramm von Co-Au nach [Ha58]. Dreiecke repräsentieren die im Experiment erzielten Nukleationstemperaturen (siehe Tabelle 5.4), die gestrichelte Linie stellt die Curie-Temperatur der festen Phase dar und die gepunktete Linie die extrapolierte Kurve der Erstarrungstemperaturen TN (x). Abbildung 5.12 zeigt den Ausschnitt des Phasendiagramms von Co-Au mit den erreichten Nukleationstemperaturen TN. Die Übereinstimmung der extrapolierten Erstarrungstemperaturen TN(x) mit dem Verlauf der Curie-Temperatur TCS im Löslichkeitsbereich der Randphase legt einen magnetischen Einfluss auf die Keimbildung nahe. Messungen magnetischer Eigenschaften unterkühlter Schmelzen sind somit 67 5 Systeme zur Klärung der Fragestellung magnetischer Beiträge zur Kristallkeimbildung im System Co-Au von Bedeutung. 5.2.3 Das Probensystem Co-Cu Das Phasendiagramm des peritektischen Legierungssystems Co-Cu ist in Abbildung 5.13 dargestellt. Wie die Kupferbasis-Legierungen Fe-Cu, Nb-Cu und Ta-Cu hat es im Bereich der unterkühlten Schmelze eine metastabile Mischungslücke [Ni84]. Bei hinreichend großer Unterkühlung der Schmelze unter die Liquidustemperatur unterschreitet man die Binodale und die Schmelze zerfällt in eine kobaltreiche und eine kupferreiche Phase. Abb. 5.13: Gleichgewichtsphasendiagramm Co-Cu nach [Ma90] mit metastabiler Mischungslücke (-·-·-) nach [Ca01]. Über die Kinetik der Phasenseparation und die Morphologie der erstarrten Schmelze ist im Fall der Systeme mit metastabiler Mischungslücke noch wenig bekannt. Die bisherigen Untersuchungen zeigen große Unterschiede in der Lage des metastabilen Bereiches [Na58], [Mu92], [Mu96], [Rob99], [Ya98]. Legierungsproben im Konzentrationsbereich von 16.0 - 89.3 at% Cu von Cao et al. [Ca02] untersucht mittels Differential-Thermoanalyse liefern nähere Erkennt68 5 Systeme nisse hinsichtlich der binodalen Entmischung im metastabilen Bereich der unterkühlten Schmelze. Tabelle 5.2 gibt eine Übersicht der gemessenen Temperaturen in Abhängigkeit der Zusammensetzung. Tab. 5.2: Zusammensetzung Liquidustemperatur TL Binodaltemperatur TSep [at.% Cu] [K] [K] 16.0 1715 1415 18.8 1708 1444 30.0 1682 1521 38.2 1670 1538 48.1 1662 1546 55.1 1663 1547 58.2 1662 1547 70.0 1637 1536 78.8 1623 1507 84.0 1583 1467 87.2 1567 1433 89.3 1547 keine Entmischung Mittels DTA bestimmte Liquidus- und Binodaltemperaturen im System Cu-Co [Ca02]. Beim Abkühlen werden neben dem Entmischungssignal zwei weitere charakteristische exotherme Signale im DTA-Experiment beobachtet: Das nach der Entmischung zunächst auftretende Signal lässt sich der Erstarrung der Co-reichen Phase, das später folgende der Erstarrung der verbleibenden Cu-reichen Phase zuordnen. Letzteres Signal wird für alle untersuchten Zusammensetzungen stets im Bereich 1376 - 1378 K der peritektischen Temperatur beobachtet. Die Erstarrung der Co-reichen Phase findet dagegen jeweils bei verschiedenen Temperaturen statt. Das der Entmischung zugeordnete Signal ist für die Legierungen mit 38.2 - 87.2 at.% Cu deutlich schärfer als bei geringerem Cu-Gehalt. Daraus lässt sich schließen, dass die Phasenseparation für die Cu-reichen Legierungen schneller als für die Co-reichen vonstatten geht [Ko01]. Eine Bestimmung der Binodalen lässt sich auch durch Konzentrationsanalyse der erstarrten Legierungsproben vornehmen. Eine Probe mit gegebener Zusammensetzung separiert bei der Unterkühlung TSep in eine Co-reiche und eine Cureiche Phase wobei die jeweiligen Zusammensetzungen zwei Punkte auf der Binodalen definieren, die zur Erstarrungstemperatur TN gehören. Abbildung 5.14 zeigt 69 5 Systeme die Mikrostruktur einer typischen Probe, wie sie nach der Prozessierung in der DTA vorliegt. Die Aufnahme ist mit einem Raster-Elektronenmikroskop (REM) unter Verwendung des Detektors für Rückstreuelektronen (BSD) erstellt worden. Die Coreiche Phase (L1) wird dunkel dargestellt, die Cu-reiche Phase (L2) hell. 500 µm Abb. 5.14 : Querschnitt einer DTA-prozessierten, entmischten und bei ∆T = 161 K erstarrten Co30Cu70-Probe. Schwarze Bereiche stellen Poren dar. Die zwei Flüssigkeiten sind deutlich separiert, und durch den Einfluss der Schwerkraft sedimentiert die schwerere Co-reiche Flüssigkeit [Le01]. In beiden Phasen ist eine Substruktur zu erkennen, die folgendermaßen interpretiert wird: Während der Unterkühlung der Legierung kommt es bei Unterschreitung der Binodalen zunächst zur Separation in eine Co-reiche und eine Cu-reiche Phase. Es bilden sich räumlich weit ausgedehnte Bereiche der beiden Phasen, wodurch auf diese Weise die Grenzflächenenergie zwischen der flüssigen Cu-reichen und der Co-reichen Phase verringert wird. Bei der Temperatur TN beginnt in der Co-reichen Phase die Keimbildung und Erstarrung einer noch Co-reicheren festen Co-Phase, in den Zwischenräumen bleibt eine Cu-reiche Schmelze übrig. Auf ähnliche Weise zerfällt auch die ursprünglich Cu-reiche Schmelze im Verlauf der Erstarrung. Die Zusammensetzungen der ursprünglichen Cu-reichen und Co-reichen Schmelzen bei der Temperatur TN erhält man durch Mittelung über die mit L1 und L2 bezeichneten Bereiche. Die Konzentrationen wurden an einigen erstarrten Proben mit EDXAnalyse bestimmt (Tabelle 5.3). Die Messfläche beträgt jeweils einige 100 x 100 µm2. Die ermittelten Zusammensetzungen von L1 und L2 ergeben in Abhängigkeit der Unterkühlung eine gute Übereinstimmung zu der direkten Bestimmung der Bi70 5 Systeme nodalen. Lediglich bei der Legierung 18.8 at.% Cu findet sich bei einer Nukleationstemperatur TN = 1408 K in der L2-Phase eine Abweichung der bestimmten Konzentration zur Binodalen. Es lässt sich generell eine Aussage über die Kinetik der Entmischung aus diesem Verhalten ableiten: Bei der Kühlrate von 20 K/min, wie sie in der DTA verwendet wird, ist offensichtlich genug Zeit vorhanden, um der jeweiligen Unterkühlung entsprechende Konzentrationen der Phasen L1 und L2 zu bilden. Zusammensetzung der Nukleations- Co-reiche Phase Cu-reiche Phase Legierung [at% Cu] temperatur TN [K] L1 [at% Cu] L2 [at% Cu] 18.8 1408 14.3 74.4 38.2 1407 14.6 88.0 48,1 1404 15,4 89,3 55.1 1516 31.2 76.4 58.2 1471 19.1 82.4 84.0 1441 16.3 86.6 87.2 1400 14.9 89.7 Tab. 5.3: Zusammensetzungen der separierten Phasen L1 und L2 in Abhängigkeit von Ausgangszusammensetzung und Unterkühlung [Ca02]. Abbildung 5.15 zeigt das Phasendiagramm von Co-Cu mit DTA-Messwerten der metastabilen Binodalen von Cao et al. [Ca01]. Zusätzlich eingetragen sind die durch DTA-Messungen unterkühlten Zusammensetzungen und deren durch EDX-Analyse bestimmte Randkonzentrationen. Diese stimmen mit der direkt bestimmten Binodalen weitgehend überein. 71 5 Systeme 1800 Flüssigkeit Temperatur [K] 1700 αCo 1600 αCo + Flüssigkeit 1500 metastabiler Bereich 1400 magnetischer Übergang 1300 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 at% Cu Abb. 5.15: Phasendiagramm des Legierungssystems Co-Cu mit metastabiler Mischungslücke. Kreise repräsentieren die mittels DTA bestimmten Liquidus- (•) und Entmischungstemperaturen (•) nach [Ca01]. Die geschlossenen Dreiecke (▲ ) markieren die Nukleationstemperatur einzelner Proben und die offene Dreiecke (∆) die mittels EDX-Analyse gemittelten Konzentrationen der separierten Randphasen nach [Ko01]. Das System Co-Cu erscheint aufgrund seiner metastabilen Mischungslücke zum Erforschen magnetischer Beiträge zur Kristallkeimbildung besonders geeignet. Die Cu-reiche, schwach magnetische Flüssigkeit L2 benetzt im entmischten Zustand die Co-reiche, stark magnetische Flüssigkeit und wirkt somit als Kristallkeimreduzierendes Flussmittel. Die Co-reiche Flüssigkeit L1 sollte sich demnach unter diesen Bedingungen tief unter ihre Gleichgewichtsschmelztemperatur unterkühlen lassen und magnetische Messungen der entmischten unterkühlten Schmelze ermöglichen. 72 Kapitel 6 Ergebnisse und Diskussion 6.1 Magnetische Messungen an Eisen Messungen an Eisen sind wie bereits in Kapitel 5.1.1 geschildert aufgrund seiner vielfältigen magnetischen und strukturellen Phasenübergänge von besonderem Interesse. Den Zusammenhang zwischen struktureller und magnetischer Ordnung gilt es, näher zu betrachten. 0,2 α TC = (1057 + 16) K TL = 1811 K 2,5 2,0 3 0,0 1040 1060 -1 1080 α→γ T 6 Inverse Suszeptibilität χ [10 kg/m³] 0,1 1800 1100 T = 1174 K γ→δ 1850 = 1650 K 2 1 ∆T = 30 K 0 800 1000 1200 1400 1600 1800 2000 Temperatur [K] Abb. 6.1: Suszeptibilitätsmessung von Eisen ohne Glasflusseinbettung. Rote Punkte geben den Aufheizprozess, schwarze Punkte den Abkühlvorgang mit 5 K/min wieder. Während der Messung wurde eine Unterkühlung von ∆T = 30 K erreicht. Abbildung 6.1 gibt einen Überblick über die magnetische Suszeptibilität reinen Eisens im Temperaturbereich von 900 K < T < 2000 K bei einer Kühlrate von 5 K/min. Vergrößert dargestellt ist der Bereich des magnetischen Phasenübergangs von α-Eisen bei einer gemessenen Curie-Temperatur TCα = (1057 ± 16) K, sowie der Bereich des 6 Ergebnisse und Diskussion Schmelzpunkts bei TL = 1811 K. Aufgrund des nah gelegenen strukturellen Phasenübergangs von α- zu γ-Eisen bei Tα→γ = 1174 K gehen vergleichbar wenig Messdaten in die Bestimmung der Curie-Temperatur TCα mittels linearer Regressionsanalyse ein, was den statistischen Fehler von ± 16 K erklärt. Die Messung erzielte eine Unterkühlung von ∆T = 30 K und die Probe erstarrt in der kubisch raumzentrierten Struktur, was anhand des Abfalls der inversen Suszeptibilität auf den entsprechenden Wert von δEisen während des Aufheizvorgangs erkennbar ist. In Abbildung 6.2 ist die Suszeptibilitätsmessung einer Eisen-Probe mit einer Heiz- und Kühlrate von 10 K/min dargestellt. Die aus der Aufheizkurve gewonnene Curie-Temperatur von α-Eisen TCα = (1046 ± 5) K und die Temperatur des strukturellen Übergangs Tα→γ = 1187 K stimmen mit den Literaturwerten überein [Ma90]. 1,0 α TC = (1046 + 5) K 3 0,0 1000 T γ→δ = 1578 K TL = 1768 K 1050 1100 T 1150 α→γ = 1187 K TN = 1479 K -1 6 Inverse Suszeptibilität χ [10 kg/m³] 0,5 2 1 ∆T = 289 K 0 1000 1200 1400 1600 1800 Temperatur [K] Abb. 6.2: Suszeptibilitätsmessung von Eisen in Glasflusseinbettung. Rote Punkte geben den Aufheizprozess, schwarze Punkte den Abkühlvorgang mit 10 K/min wieder. Die Messung erzielte eine Unterkühlung von ∆T = 289 K. 74 6 Ergebnisse und Diskussion Der statistische Messfehler der Curie-Temperatur ist im Vergleich zur vorherigen Messung geringer geworden, da nun wesentlich mehr Messwerte in die Berechnung eingehen als zuvor und die Streuung der Daten geringer ist. Bei weiterem Aufheizen und anschließendem Überschreiten der Liquidustemperatur ergeben sich allerdings Abweichungen zu den Literaturangaben. Die gemessenen Temperaturen für den strukturellen Wechsel Tγ→δ = 1578 K und die Schmelztemperatur TL = 1768 K sind im Vergleich zu den Literaturwerten TLit.γ →δ = 1667 K und TLLit. = 1811 K zu deutlich niedrigeren Temperaturen verschoben, was sich nur durch eine auftretende chemische Reaktion erklären lässt. Beim Abkühlen unterkühlt die Flüssigkeit um ∆T = 289 K erstarrt in die dort eigentlich metastabile δ-Phase, bevor der Übergang in die stabile γ-Phase erfolgt. Der strukturelle Wechsel von γ- zu α-Eisen ist im Vergleich zum Aufheizvorgang über ein breites Temperaturintervall ausgedehnt. Es lässt sich aus dem Verlauf T 3 γ→δ = 1515 K TL = 1773 TN = 1478 K -1 6 Inverse Suszeptibilität χ [10 kg/m³] der Suszeptibilität keine Curie-Temperatur TCα bestimmen. 2 1 α TC = (1041 + 2) K ∆T = 295 K 0 1000 1200 1400 1600 1800 Temperatur [K] Abb. 6.3: Erneute inverse Suszeptibilitätsmessung der Eisen-Probe aus Abb. 6.2. Rote Punkte geben den Aufheizprozess, schwarze Punkte den Abkühlvorgang mit 10 K/min wieder. Die Messung erzielte eine Unterkühlung von ∆T = 295 K. Bei einem erneuten Aufheizen der Probe ist, wie Abbildung 6.3 zu entnehmen, die Übergangstemperatur des strukturellen Phasenübergangs von γ- zu δ-Eisen noch wei75 6 Ergebnisse und Diskussion ter auf Tγ→δ = 1515 K reduziert. Die Schmelztemperatur TL = 1773 K ist im Rahmen der Messgenauigkeit mit der vorherigen Messung identisch. Die Probe unterkühlt anschließend um ∆T = 295 K und erstarrt direkt in die α-Phase. Die γ-Phase von Eisen wird nicht beobachtet. Die anhand linearer Regression ermittelte Curie-Temperatur TCα = (1041 ± 2) K der α-Phase ist im Vergleich zu vorherigen Messungen geringfügig niedriger. Nach den magnetischen Untersuchungen wird der Probentiegel mittels einer Diamantfadensäge mechanisch durchtrennt und nach anschließendem Schleifen und Polieren der Schnittfläche im Rasterelektronenmikroskop analysiert. Abbildung 6.4 stellt einen Bereich der Innenseite des Tantal-Tiegels dar, der teilweise mit einer festen, schaumartigen Struktur besetzt ist. Abb. 6.4: REM-Aufnahme des beim Prozessieren verwendeten Tantal-Tiegels. Deutlich erkennbar wird die chemische Reaktion an der Tiegelinnenseite anhand der dunkelgrauen Bereiche. Die EDX-Analyse dieses Bereichs ergibt eine Zusammensetzung von 75 at.% Si, 24 at.% Ta und 1 at.% Fe. 76 6 Ergebnisse und Diskussion Eine EDX-Analyse der verschiedenen Bereiche liefert eine Interpretation für die aufgetretenen Temperaturverschiebungen und für das Verschwinden der γ-Phase: An Teilen der Tiegelwand findet bei den hohen Temperaturen eine chemische Reaktion statt, bei der als stabiles Reaktionsprodukt Tantaloxid Ta2O5 entsteht [Ma90]. Tantal ist bei hohen Temperaturen und niedrigen Sauerstoffpartialdrücken in der Lage, die SiO2-Bindungen aufzuspalten und das Silizium zu reduzieren, wodurch dieses in elementarer Form vorliegt: 4Ta + 5SiO2 → 2Ta2O5 + 5Si. Das für diese Reaktion benötigte Siliziumdioxid wird aus dem Duran®-Glas geliefert, was in seiner Zusammensetzung gemäß der Herstellerangabe einen SiO2-Anteil von 81 Gewichtsprozent aufweist. Das entstehende elementare Silizium reagiert wie aus Abbildung 6.5 ersichtlich in einer eutektischen Reaktion bei 1400 °C mit Tantal (L ↔ Si + TaSi2) und erklärt die gemessene Siliziumkonzentration im Tantal-Tiegelmaterial. Abb. 6.5: Ta-Si-Phasendiagramm nach [Ma90] Das überschüssige Silizium diffundiert in die Eisen-Probe und erklärt somit anhand der Änderung der chemischen Zusammensetzung die zwangsläufig einhergehende Änderung der magnetischen Beiträge. Wie aus dem Ta-Si-Phasendiagramm in Abbildung 6.5 ersichtlich wird der Existenzbereich des γ-Eisens bis zu einer Silizium77 6 Ergebnisse und Diskussion Konzentration x ≤ 3,8 at.% immer weiter eingeengt und verschwindet für x > 3,8 at.% völlig. Dies erklärt den gemessenen stetigen Abfall der Phasenübergangstemperatur Tγ↔δ zwischen γ- und δ-Eisen, sowie das Verschwinden der γ-Phase nach mehrmaligem Prozessieren. Ein Abfall der Curie-Temperatur TCα der α-Phase aufgrund der Silizium-Anreicherung nach Massalski [Ma90] kann ebenfalls bestätigt werden. Dieser fällt jedoch schwächer aus als die angegebenen 20 K und beschränkt sich auf etwa 5 K. Abb. 6.6: Phasendiagramm von Fe-Si nach [Ma90]. Die rotgestrichelte Linie markiert die Konzentration Fe96Si4. Liquidus-Temperatur und Curie-Temperatur sind im Vergleich zu reinem Eisen um jeweils 20 K zu niedrigeren Temperaturen verschoben. Die Messungen an Eisen bestätigen neben der hohen magnetischen Auflösung auch die gute Temperaturauflösung der Faraday-Waage hinsichtlich der statistischen Auswertung der Temperaturmessung an unterkühlten Metallschmelzen. Der bei hohen Temperaturen auftretende Reaktionsprozess des Duran®-Glases mit dem Tiegelmaterial Tantal und die damit verbundene Verunreinigung der Reineisenproben mit Silizium findet zwar lediglich im Bereich weniger Atomprozente statt, lässt sich aber durch die hohe magnetische Auflösung und die vorhandene Temperaturauflösung der Messapparatur detektieren, trotz des systematischen Messfehlers von ± 5 K aufgrund der 78 6 Ergebnisse und Diskussion kontaktlosen Messung. Elektronenmikroskopische Analysen bestätigen im Anschluss an die magnetischen Messungen die vermuteten chemischen Legierungseffekte. Als Konsequenz dieser Messungen an Eisen wurde Tantal als Tiegelmaterial ausgewechselt und durch Molybdän ersetzt. Gemäß dem Richardson-EllinghamDiagramm für Metall-Metalloxid-Reaktionen besitzt Molybdän bei hohen Temperaturen und niedrigen Sauerstoffpartialdrücken, anders als Tantal keine Affinität Sauerstoff zu binden. Somit besteht keine treibende Kraft zur Reduktion von SiO2 [Fro94], und es zeigen sich bei nachfolgenden Untersuchungen keine chemischen Reaktionen des Tiegelmaterials Molybdän mit dem Einbettmaterial Duran®. 6.2 Messungen an Kobalt Das Element Kobalt dient zunächst als Referenzsubstanz zur Eichung der FaradayWaage anhand bereits vorhandener umfangreicher magnetischer Literaturwerte von flüssigem und festen Kobalt [Sto38], [Te69], [Wij91]. Begleitende DTA-Messungen werden für jedes Probensystem durchgeführt und dienen der präzisen Bestimmung von Phasenübergangstemperaturen. 6.2.1 Kalorimetrische Untersuchung Eine differentielle Thermoanalyse von Kobalt liefert nach mehrmaligem Prozessieren im Glasflussmittel die Referenztemperaturen des Schmelzpunktes TL = 1495 K und der Curie-Temperatur TC = 1394 K, gemäß Abbildung 6.7. Es zeigt sich, dass die gemessenen Phasenübergangstemperaturen von Kobalt innerhalb einer absoluten Messgenauigkeit ∆T = ± 1,5 K den jeweiligen Literaturwerten entsprechen. 79 6 Ergebnisse und Diskussion S TC = 1394 K 15 DTA-Signal [µV] 10 5 0 -5 1200 1300 1400 1500 Temperatur [K] Abb. 6.7: DTA-Aufheizen und –Abkühlen einer kristallinen Co-Probe im Bereich der CurieTemperatur TC = 1394 K mit ± 20 K/min. Die unteren Linien stellen Aufheizvorgänge, S die oberen Abkühlvorgänge dar. Bereits eine geringe Verunreinigung mit Sauerstoff von 0,84 at.% ist ausreichend, um den Schmelzpunkt von Kobalt auf TL = 1451 K zu senken [Ma90]. Die verwendeten Co-Proben besitzen laut Herstellerangabe eine Reinheit von 99,998%, welche sich jedoch lediglich auf metallische Verunreinigungen, nicht jedoch auf Sauerstoff bezieht. Anfängliche DTA-Messungen ergeben Abweichungen zu der bekannten Schmelztemperatur von bis zu 15 K, was gemäß des binären Co-O-Phasendiagramms einer Verunreinigung von 0,4 at.% Sauerstoff entspricht. Durch die Verwendung des auf Kobaltproben reinigend wirkenden Glasflussmittels Duran® gelingt es, die geschmolzene Probe durch mehrere Aufheizvorgänge von oxidischen und anderen Verunreinigungen zu befreien und somit die Reinheit der Proben weiter zu erhöhen. 6.2.2 Magnetische Untersuchung Abbildung 6.8 zeigt den Temperaturverlauf der Magnetisierung von Kobalt als Funktion der Temperatur anhand eigener Messungen und ausgewählter Literaturwerte. Strukturelle Phasenübergänge wie der Übergang vom hexagonal dicht gepackten εKobalt (hdp) zu kubisch flächenzentriertem α-Kobalt (kfz) im ferromagnetischen Bereich oder der fest-flüssig Phasenübergang im paramagnetischen Bereich lassen sich 80 6 Ergebnisse und Diskussion in der Magnetisierungskurve auflösen und identifizieren. Vergrößert man die Auflösung im paramagnetischen Bereich, so lässt sich ein Abknicken der Magnetisierung erkennen (siehe Nebenbild in Abbildung 6.8) und die entsprechende Temperatur der Schmelztemperatur TL = 1768 K zuordnen. Somit erhält man einen ersten Kalibrationspunkt im oberen Temperaturbereich der Faraday-Waage. T 1500 ε −α = 695 K TL = 1768 K Spontane Magnetisierung [kA/m] 15,0 1250 12,5 1000 10,0 1740 1760 1780 1800 750 hdp-Co 500 kfz-Co flüssig 250 0 0 500 1000 1500 2000 Temperatur [K] Abb. 6.8: Magnetisierungskurve von Kobalt mit Daten von Crangle (▲) [Cr55], Pauthenet (●) [Pa82], Myers et al. (∆) [My51], sowie eigener Messungen (○). Vergrößert dargestellt der Bereich um den Schmelzpunkt TL = 1768 K. Abbildung 6.9 vergleicht eine Messung der spontanen Magnetisierung von Kobalt mit Berechnungen mittels der Molekularfeldnäherung M(T) = M0(T,H0+λM(T)), mit λ = TC ⋅ 3kB Ng µB J(J + 1) 2 2 . (6.1) (6.2) 81 6 Ergebnisse und Diskussion Die Messdaten reproduzieren dabei die Berechnung anhand der Literaturdaten J = S = ½, g = 2.17, N = 1.46 und TC = 1394 K nach [Te69]. Bei Temperaturen unterhalb der Curie-Temperatur nimmt die Magnetisierung der Probe um mehrere Größenordnungen zu, so dass die einwirkenden Horizontalkräfte, verursacht durch den Feldgradienten dHz/dx, zu einer Störung des Messsignals in vertikaler Richtung führen. Zur rauschärmeren Messung magnetischer Eigenschaften im ferromagnetischen Zustand, muss die Probenmasse von ca. 1 g reduziert werden, um die wirkenden Kräfte zu minimieren. Qualitativ lässt sich aber auch selbst für die verwendeten Probenmassen mCo ≈ 1 g im Bereich niedriger Temperaturen T < TC die gute Übereinstimmung der Messung mit den Literaturangaben verdeutlichen. 600 TC = 1394 K Spontane Magnetisierung [kA/m] 400 1400 200 TN 1200 TC = 1394 K 1000 0 1400 800 1600 1800 600 400 200 0 400 600 800 1000 1200 1400 1600 1800 Temperatur [K] Abb. 6.9: Messung der spontanen Magnetisierung von Kobalt. Punkte (●) stellen Messwerte im Vergleich zu gestrichelten Linien (- - -) der berechneten Molekularfeldnäherung mit H = 0, bzw. H = 1 T bei S = ½ , g = 2,17, TC = 1394 K, N = 1,46 dar [Te69]. Der spontane Abfall der Magnetisierung während der Nukleation bei TN kennzeichnet das Freisetzen der latenten Wärme. 82 6 Ergebnisse und Diskussion Die Temperaturabhängigkeit der inversen magnetischen Suszeptibilität χ-1(T) von Kobalt ist in Abbildung 6.10 dargestellt. TL = 1768 K 1,6 1,2 1725 2,0 -1 1750 1775 1800 1825 TN = 1719 K 6 Inverse Suszeptibilität χ [10 kg/m³] 1,4 1,5 1,0 S TC = 1393 K L TC = 1390 K 0,5 ∆T = 49 K 0,0 1400 1500 1600 1700 1800 1900 2000 Temperatur [K] Abb. 6.10: Suszeptibilitätsmessung an Kobalt in Zirkonoxidtiegel ohne Glasseinbettung. Rote Punkte geben den Aufheizprozess, schwarze Punkte den Abkühlvorgang mit 2,5 K/min wieder. In der Messung wird eine Unterkühlung von ∆T = 49 K erzielt [Re02]. Erste Messungen erfolgen als Referenz zunächst ohne Glassflusseinbettung in einem ZrO2-Tiegel mit einer minimalen Heiz- und Kühlrate von 2,5 K/min. Rote Punkte stellen Messwerte eines Heizzyklus, schwarze Punkte Messwerte aus einem Abkühlzyklus dar. Bei niedrigen Temperaturen ist die Probe ferromagnetisch, so dass die Werte der inversen Suszeptibilität χ -1 nahe Null sind. Bei weiterem Aufheizen wird die magnetische Ordnung durch die wachsende thermische Energie immer weiter gestört, so dass eine kollektive Ausrichtung der magnetischen Momente nur noch durch das äußere Magnetfeld erzielt wird. Die inverse Suszeptibilität χ -1 steigt in diesem paramagnetischen Bereich gemäß dem Curie-Weiss-Gesetz linear mit der Temperatur an. Beim Abkühlen zeigt sich zunächst bis zur Liquidustemperatur keine Differenz zum Messsignal des Aufheizvorgangs. Erstarrt die Probe aus dem unterkühlten Zustand heraus, so wird dabei die gesamte Schmelzwärme freigesetzt, und die Probe heizt 83 6 Ergebnisse und Diskussion sich bis zur Schmelztemperatur auf. Dadurch fällt die Suszeptibilität instantan ab, was sich im Peak des Messsignals bei TN = 1719 K bemerkbar macht. Aufgrund der reinen Umgebungsbedingungen und der Reinheit des Probenmaterials gelingt eine Unterkühlung von ∆T = 49 K auch ohne den benetzenden Effekt eines Glassflussmittels. Im paramagnetischen Bereich folgt Kobalt dem in Kapitel 2 beschriebenen Curie-Weiss-Gesetz, und die inverse Suszeptibilität weist eine lineare Temperaturabhängigkeit auf. Extrapoliert man aus dem linearen Verhalten von kristallinem Kobalt den Schnittpunkt mit der Temperaturachse, so erhält man die paramagnetische CurieS Temperatur TC = 1393 K, welche als unterer Kalibrationspunkt der Temperaturmessung dient. Vergleiche mit kalorimetrisch ermittelten Phasenumwandlungstemperatu(DTA) ren anhand von DTA-Messungen TL (DTA) = 1768 K und TC = 1394 K bestätigen die Reproduzierbarkeit der Temperaturmessung der Faraday-Waage. 1,6 TL = 1763 K 1,2 2,0 1,0 1725 -1 6 Inverse Suszeptibilität χ [10 kg/m³] 1,4 0,6 1750 1775 1800 1825 TN = 1486 K 1,5 0,4 0,2 1450 1,0 1475 1500 1525 1550 0,5 ∆T = 277 K 0,0 1300 1400 1500 1600 1700 1800 1900 Temperatur [K] Abb. 6.11: Suszeptibilitätsmessung an Kobalt mit Glasflussmittel. Rote Punkte geben den Aufheizprozess, schwarze Punkte den Abkühlvorgang mit 5 K/min wieder. In der Messung wird eine Unterkühlung von ∆T = 277 K erzielt. 84 6 Ergebnisse und Diskussion Die Verwendung von Duran® als Flussmittel verhindert den direkten Kontakt der Schmelze mit der Tiegelwand und ermöglicht trotz des Prozessierens im Tiegel ein tiefes Unterkühlen der Probe. Abbildung 6.11 zeigt eine Messung an Kobalt unter Verwendung von Glasflussmittel, wobei eine Unterkühlung von ∆T = 277 K erreicht S wird. Anhand der Messung ergeben sich nahezu identische Curie-Temperaturen TC = L 1400 K und TC = 1394 K. Aus der Steigung der inversen Suszeptibilität lässt sich gemäß Gleichung 2.22 die Curie-Konstante C bestimmen, wobei sich ein geringer Unterschied zwischen der Curie-Konstanten der festen CS = (285,7 ± 0,4) • 10-6 m³K/kg -6 und der flüssigen Phase CL = (275,5 ± 0,3) • 10 m³K/kg, sowie der effektiven magne- tischen Momente beider Phasen µeff = (3,27 ± 0,01) µB und µeff = (3,22 ± 0,01) µB S L ergibt. Die Oxidation der Kobaltprobe führt zu der bereits beschriebenen Schmelzpunkterniedrigung, wie aus dem Co-O-Phasendiagramm in Abbildung 6.12 ersichtlich wird. Bei TEut = 1724 K und einem Anteil von 0,84 at.% Sauerstoff liegt ein Eutektikum vor und führt zu einer Schmelzpunktabsenkung von 44 K. Beim Aufheizen findet ab der eutektischen Temperatur die Phasentrennung α-Co + CoO → α-Co + L statt, und die Probe durchläuft das Zweiphasengebiet α-Co + L, wobei der Anteil an α-Co bis zum Erreichen der Liquidustemperatur TL = 1768 K stetig abnimmt. Abb. 6.12: Ausschnitt aus dem eutektischen Phasendiagramm Co-O [Ma90] 85 6 Ergebnisse und Diskussion Oxidische Verunreinigungen im Probenmaterial wirken sich negativ auf die Unterkühlbarkeit der Probe aus, da sie eine katalysierende Wirkung auf die Keimbildung besitzen. Das verwendete Glasflussmittel Duran® ist gemäß Herstellerangabe in der Lage, Metalloxide in gelöster Form aufzunehmen, ohne seinen glasartigen Charakter zu verlieren [Scho00], was sich in den Experimenten bestätigt. Je stärker die Probe oxidiert ® ist, desto bläulicher färbt sich das ursprünglich farblose Duran bis hin zu einer tief- blauen Färbung (‚Kobaltblau’), was auf die Aufnahme von Kobaltoxid zurückzuführen ist. Die Reinheit der Probe wird durch das Glasflussmittel gesteigert, und bei mehrmaligem Prozessieren erhöhen sich die erreichten Unterkühlungen. TL = 1768 K TEut = 1724 K 2 1,0 1700 1750 1800 -1 6 Inverse Suszeptibilität χ [10 kg/m³] 1,5 T N = 1473 K 1 ∆T = 295 K 0 1300 1400 1500 1600 1700 1800 1900 Temperatur [K] Abb. 6.13: Suszeptibilitätsmessung an Kobalt mit Glasflussmittel. Rote Punkte geben den ersten Aufheizprozess, schwarze Punkte einen mehrere Zyklen später folgenden Abkühlvorgang der Probe mit 10 K/min wieder. In der Messung wird eine maximale Unterkühlung von ∆T = 295 K erzielt. Den reinigenden Effekt des Glases auf die Probenoberfläche veranschaulicht Abbildung 6.13. Eine zuvor in Alkohol gesäuberte Co-Probe zeigt beim ersten Aufheizen im Suszeptibilitätssignal ein stark verbreitertes Aufschmelzverhalten, vergleichbar dem einer inkongruent schmelzenden Legierung. Ein lineares Ansteigen der inversen Sus86 6 Ergebnisse und Diskussion zeptibilität tritt nach Beginn des Schmelzprozesses der geringfügig oxidierten Probe bei TEut = 1724 K erst wieder ab dem Erreichen der Liquidustemperatur von Kobalt TL = 1768 K auf. Während der ersten Abkühlzyklen lassen sich lediglich geringe Unterkühlungen erreichen. Nach mehreren Aufschmelzvorgängen und anschließenden Haltephasen bei Temperaturen T > TL ist eine wachsende Unterkühlbarkeit der Probe zu beobachten, und das jeweilige Aufschmelzen gleicht dem Schmelzverhalten aus Abbildung 6.11. Die zuvor nur schwach unterkühlende Probe erstarrt letztlich bei einer maximalen Unterkühlung von ∆T= 295 K. r̂ r̂ Zwischen der magnetischen Ordnung zweier Spins Si und S j und der Anzahl nächster Nachbaratome Z, besteht gemäß des Heisenbergmodells nach Gleichung 2.29 über das Austauschintergral JAij ein direkter Zusammenhang [Ber81]: J Aij = 3 ⋅ kB ⋅ TC . 2 ⋅ Z ⋅ S ⋅ (S + 1) (6.3) Für einen kubisch flächenzentrierten Festkörper wie α-Kobalt lässt sich die Koordinationszahl Z = 12 durch die vorgegebene Struktur berechen, während bisher für die Schmelze keine Literaturangaben über die atomare Nahordnung vorlagen. Der leichte Unterschied in den magnetischen Eigenschaften von Kobaltschmelze und Festkörper wie z.B. den Curie-Temperaturen TCS ≈ TCL ist jedoch bereits als Hinweis für die lediglich geringen Unterschiede der Koordinationszahlen von Flüssigkeit und Festkörper zu deuten. Für die experimentelle Bestimmung der Koordinationszahl einer Kobaltschmelze wurden zusätzliche Röntgenbeugungsexperimente an elektromagnetisch levitierten Proben durchgeführt. 6.3.1 Strukturuntersuchung der unterkühlten Schmelze Bereits 1952 postulierte Frank, dass in unterkühlten metallischen Schmelzen eine ikosaedrische Nahordnung die energetisch günstigste sei [Fr52]. Bei reinen Metallen und einigen metallischen Verbindungen ist die Annahme radialsymmetrischer Wechselwirkungspotentiale zwischen den einzelnen Atomen gerechtfertigt, wie sie z.B. durch Lennard-Jones Potentiale beschrieben werden. Cluster mit ikosaedrischer Struktur haben dabei eine ca. 8,4% niedrigere Energie als Cluster mit dicht gepackter Struktur, wie kfz oder hdp, bei gleicher Anzahl Z = 12 an nächsten Nachbaratomen. Die An87 6 Ergebnisse und Diskussion nahme einer ikosaedrischen Nahordnung wird weiterhin gestützt durch molekulardynamische Rechnungen an Lennard-Jones Flüssigkeiten, welche einen wachsenden Grad an ikosaedrischer Nahordnung bei steigender Unterkühlung aufzeigen [St84], [No86]. Direkte experimentelle Untersuchungen der Nahordnung in unterkühlten Schmelzen und eine Bestätigung dieser Theorie standen bisher allerdings aus. Mit energiedispersiver Röntgenbeugung (energy dispersive x-ray diffraction: EDXD) an unterkühlten Kobalt-Schmelzen wird im Rahmen dieser Arbeit die Struktur von stabilen und unterkühlten Co-Schmelzen untersucht [Ho02]. Zum tiefen Unterkühlen der Metallschmelze muss heterogene Keimbildung, verursacht durch Fremdphasen wie Tiegelwände oder Verunreinigungen, vermieden werden. Dies wird mittels tiegelfreiem Prozessieren der Schmelze unter hochreinen Bedingungen durch die Verwendung einer elektromagnetischen Levitationsanlage erreicht [He91]. Die elektromagnetische Levitationstechnik wird kombiniert mit EDXD, um den Strukturfaktor S(Q) der stabilen und der unterkühlten Kobalt-Schmelze zu bestimmen. Die Experimente wurden mit weißer Synchrotronstrahlung im Bereich von 20 keV < E < 200 keV an der Beamline ID 15A der European Synchrotron Radiation Facility (ESRF) in Grenoble, Frankreich durchgeführt. Den experimentellen Aufbau beschreiben Notthoff et al. [Not00] und Kimura et al. [Ki01], die Auswertung der Beugungsexperimente erfolgt mittels eines Monte Carlo Verfahrens gemäß Funakoshi et al. [Fu02]. Intensität S(Q) 4 3 T = 1800 K 2 T = 1670 K 1 0 2 4 6 8 10 -1 Q [Å ] Abb.6.14: Strukturfaktor S(Q) von Kobalt oberhalb und unterhalb der Schmelztemperatur TL = 1768 K. Zur besseren Übersicht ist die Kurve der stabilen Schmelze um einen konstanten S(Q)-Wert verschoben. 88 6 Ergebnisse und Diskussion Abbildung 6.14 zeigt den aus den EDXD-Messungen gewonnenen Strukturfaktor S(Q) von flüssigem Kobalt bei T = 1800 K (30 K oberhalb TL) und bei T = 1670 K (100 K Unterkühlung), wobei drei Oszillationen im untersuchten Wellenvektor-Bereich zu erkennen sind. Aus dem Strukturfaktor S(Q) im reziproken Raum der Wellenvektoren Q wird durch eine Fouriertransformation die Paarkorrelationsfunktion g(R) im Ortsraum berechnet, welche in Abbildung 6.15 dargestellt ist. g(R) 3 T = 1800 K 2 T = 1670 K 1 0 2 4 6 8 10 R [Å] Abb.6.15: Paarkorrelationsfunktion g(R) von Kobalt oberhalb und unterhalb der Schmelztemperatur TL = 1768 K. Zur besseren Übersicht ist die Kurve der stabilen Schmelze um einen konstanten g(R)-Wert verschoben. Die Wellenvektoren Q1 und Q2 der ersten beiden Maxima von S(Q) sowie die nächsten und übernächsten Nachbar-Abstände R1 und R2 der Maxima von g(R) sind zusammen mit Literaturdaten von Waseda in Tabelle 6.1 zusammengestellt. Zur Berechnung der Anzahl nächster Nachbaratome Z , der sogenannten Koordinationszahl, wird gewöhnlich die gesamte Fläche unter dem ersten Maximum von 4πρR²g(R), mit der Atomdichte ρ bestimmt. Der absolute Wert von Z ist deshalb sehr empfindlich von der Definition der Peakfläche 4πρR²g(R) abhängig [Wa80]. Weiterhin gibt ein bestimmter Z-Wert noch keinen spezifischen Hinweis auf eine spezielle Nahordnung, da eine Koordinationszahl Z ≈ 12 sowohl kompatibel mit ikosaedrischer, ku89 6 Ergebnisse und Diskussion bisch flächenzentrierter (kfz) als auch hexagonaler Nahordnung (hdp) ist. Trotz dieser Einschränkung kann die Berechnung der Koordinationszahlen wertvolle Informationen über die Nahordnung von Schmelzen liefern. S(Q) T [K] -1 G(R) -1 Z Referenz 4,6 12,5 ± 0,5 [Ho02] 2,51 4,5 12,1 ± 0,5 [Ho02] 2,56 4,7 11,4 [Wa80] Q1 [Å ] Q2 [Å ] R1 [Å] R2 [Å] 1670 3,00 5,3 2,53 1800 3,01 5,3 1823 3,02 5,6 Tab.6.1: Aus EDXD-Untersuchung abgeleitete Daten von behälterfrei prozessierten KobaltSchmelzen bei T = 1670 K und T = 1800 K, zusammen mit Literaturwerten von Waseda [Wa80] Zur Bestimmung der Z-Werte aus den gemessenen Daten wird die Integration der Fläche zwischen dem ersten und zweiten Minimum der radialen Verteilungsfunktion durchgeführt, welche die erste Oszillation von 4πρR²g(R) beschränkt. Diese Definition bietet den Vorteil, dass sie ausschließlich von den charakteristischen Eigenschaften der experimentell bestimmten g(R)-Werte abhängt, und keine Annahmen zur Symmetrie des ersten Maximums nötig sind. Es ergibt sich für die Kobaltschmelze bei den zwei untersuchten Temperaturen wie in Tabelle 6.1 aufgeführt eine Koordinationszahl Z ≈ 12, die bei abnehmender Temperatur leicht zunimmt. Damit wird die aus den magnetischen Messungen abgeleiteten Erwartung vergleichbarer Koordinationszahlen aufgrund der Verknüpfung von Koordination und magnetischer Wechselwirkung im Heisenbergmodell bestätigt. Koordinationszahlen von Z ≈ 12 wurden bereits für eine große Anzahl an geschmolzenen Metallen wie Nickel und Eisen [Ho02a], [Wa80], [Sche02a] sowie Kupfer [Wa80] bestimmt und können als typisch für metallische Flüssigleiten betrachtet werden. Die Ableitung einer speziellen Nahordnung aus dieser Koordinationszahl ist allerdings, wie bereits geschildert, nicht ohne weiteres möglich. Um gezieltere Informationen über die Nahordnung in flüssigem Kobalt zu erhalten, wird der Strukturfaktor S(Q) gemäß [Si98], [Si02] simuliert und mit den experimentellen Daten verglichen. Dabei wird die Flüssigkeit als Ansammlung fest verbundener Cluster unterschiedlicher Struktur betrachtet: hdp, kfz, ikosaedrisch oder dodekaedrisch. Wie in Referenz [Ho02] erläutert, beschreibt die Simulation mit ikosaedri90 6 Ergebnisse und Diskussion scher Nahordnung den experimentellen S(Q)-Verlauf am besten. Dies gilt sowohl für den Zustand der stabilen als auch der unterkühlten Schmelze und dient somit der experimentellen Bestätigung einer ikosaedrischen Nahordnung der unterkühlten KobaltSchmelze, gemäß der Voraussage von Frank [Fr52]. 6.3 Messungen an Co-Pd Erstes Ziel am System Co-Pd ist die Analyse der Probengrößenabhängigkeit der Unterkühlung im Rahmen des bestehenden klassischen Modells der Kristallkeimbildung. 6.3.1 Probengrößenabhängigkeit der Unterkühlung Im Laufe der DTA-Experimente von Wilde an kleinen Co80Pd20-Tröpfchen (Einzelmasse mi < 20 mg) konnte, wie in Abbildung 6.16 dargestellt, an einzelnen Proben eine Unterkühlung bis in unmittelbare Nähe der Curie-Temperatur TCS = 1264 K der festen Phase erzielt werden, bevor die Erstarrung ausgelöst wurde. DTA-Spannung [µV] 20 15 1264 K < TN < 1278 K 10 20 10 5 0 0 -5 1100 1240 1200 1300 1280 1400 1500 1320 1600 1700 Temperatur [K] Abb. 6.16: DTA-Messung von sechs Co80Pd20-Partikeln einer Gesamtmasse von m = 100 mg mit einer Kühlrate von 20 K/min. In der Vergrößerung dargestellt die Erstarrungsereignisse der einzelnen Proben im Bereich 1264 K < TN < 1278 K. Die Curie-Temperatur der fesS ten Co80Pd20-Phase liegt bei TC = 1260 K [Wi97]. 91 6 Ergebnisse und Diskussion Co-Pd-Verbindungen weisen eine geringe Schmelzwärme auf [Wi96], und die Schmelzen zeichnen sich zudem durch eine sehr gute Unterkühlbarkeit aus. Dies führt bei Unterschreiten einer gewissen Temperatur dazu, dass das Freisetzen der Schmelzwärme während der Erstarrung aus dem unterkühlten Zustand nicht ausreicht, um die gesamte Probe bis zur Liquidustemperatur TL aufzuheizen. Die Kristallisation aus dem Zustand der unterkühlten Schmelze ist in der Regel ein Prozess, in dem ein Teil der Probe während der Rekaleszenz unter Nichtgleichgewichtsbedingungen erstarrt, und die dabei freigesetzte Schmelzwärme die Probe bis zur Liquidustemperatur aufheizt. Bei kongruent schmelzenden Verbindungen erfolgt die Kristallisation der Restschmelze unter Gleichgewichtsbedingungen am Schmelzpunkt TM, bei nicht kongruent schmelzenden Verbindungen tritt die Kristallisation der Restschmelze im Temperaturintervall zwischen Liquidus- und Solidustemperatur TS < T < TL auf. Aus dem Phasendiagramm in Abbildung 5.4 geht hervor, dass Co-Pd-Legierungen mit Ausnahme von Co50Pd50 ein nicht kongruent schmelzendes Verhalten aufweisen, so dass bei dem Erstarrungsprozess zwangsläufig Seigerungseffekte auftreten. (a) (b) Temperatur T restliche Erstarrung TM ∆T Tpl < TM Rekaleszenz TN ∆T Thyp TN Zeit t Abb. 6.17: Temperatur-Zeit-Profil von Unterkühlungsexperimenten einer kongruent schmelzenden Probe für (a) eine Erstarrung oberhalb der Hypercoolingtemperatur Thyp und (b) eine Erstarrung aus dem Hypercooling-Bereich heraus mit Tpl < TM. 92 6 Ergebnisse und Diskussion Unterschreitet man die Hypercooling-Temperatur Thyp heizt sich die gesamte Probe während der Rekaleszenz aufgrund der geringen Schmelzwärme lediglich zur Temperatur Tpl < TL auf (siehe Abbildung 6.17) und erstarrt, wobei ein Aufschmelzen einer primär erstarrten Phase oder Seigerungseffekte nicht stattfinden. Der aus dem Hypercooling-Bereich erstarrende Festkörper ist homogen, was von entscheidender Bedeutung für die Betrachtung der Probengrößenabhängigkeit der Unterkühlung ist. Das Erstarren von Co-Pd-Schmelzen unter Nichtgleichgewichtsbedingungen aus dem Hypercooling-Bereich wird von Volkmann et al. ausführlich diskutiert [Vo98]. Ausgangspunkt der DTA-Untersuchung im Rahmen dieser Arbeit ist eine elektromagnetisch levitierte Co82Pd18-Probe, die aufgrund ihrer hohen Reinheit tiefe Unterkühlungen erreicht und reproduzierbar aus dem Hypercooling-Bereich homogen erstarrt. Das Beispiel einer inhomogen erstarrten Co82Pd18-Probe ist am Gefügebild in Abbildung 6.18 zu erkennen. Die Unterkühlung erreicht nicht die HypercoolingGrenze, wodurch die Probe deutlich erkennbar Seigerungseffekte aufweist. Abb. 6.18: REM-Aufnahme der Querschnittsfläche einer Co82Pd18-Probe in Rückstreuelektronendarstellung. Die Probe unterkühlte in Schmelzflusseinbettung nicht bis in den Hypercooling-Bereich, sondern erstarrte zuvor bei einer Unterkühlung von ∆T = 270 K. Hellgraue (Pd-reich) und dunkelgraue Bereiche (Co-reich) zeigen den Seigerungseffekt der nicht kongruent schmelzenden Verbindung an. 93 6 Ergebnisse und Diskussion Dieser Effekt muss im Verlauf der Untersuchung vermieden werden, da sonst beim mechanischen Zerteilen der Probe Stöchiometrieverschiebungen entstehen können und somit die Aussagen der Untersuchung verfälschen. Eine Betrachtung der freien Enthalpiebilanz einer unterkühlten Schmelze macht deutlich, dass die Aktivierungsenergie ∆G* zur Bildung eines wachstumsfähigen Keims gemäß Gleichung 3.14 bei zunehmender Unterkühlung ∆T immer geringer wird, da der kritische Radius r* der sich bildenden Cluster bei steigender Unterkühlung immer kleiner wird, bis letztlich ein wachstumsfähiger Keim die Erstarrung auslöst. Um tiefe Unterkühlungen zu erreichen, muss die Anzahl heterogener Keimstellen möglichst reduziert werden. Bei einer statistischen Verteilung der heterogenen Keimstellen innerhalb einer Substanz vermindert sich bei abnehmender Probenmasse deren Anzahl und führt somit bei konstantem katalytischen Faktor f(θ) zu einer steigenden Unterkühlung ∆T. Die Masse der untersuchten homogenen Probe wird im Verlauf der Messungen durch Zersägen mittels Diamantfadensäge und Abschleifen mit SiC-Schleifpapier um mehr als zwei Größenordnungen reduziert. Man kann davon ausgehen, dass die Probe im Verlauf der Messungen keine weiteren Keimstellen dazugewinnt, da das Glasflussmittel, wie bereits in Kapitel 6.2 beschrieben, einen reduzierenden und reinigenden Effekt auf die Probenoberfläche aufweist. Abbildung 6.19 zeigt eine elektronenmikroskopische Aufnahme der dendritischen Oberflächenstruktur der aus tiefer Unerkühlung erstarrten Probe und bestätigt deren homogene Zusammensetzung. Abb.6.19: REM-Aufnahme Aufnahme der Oberfläche einer Co82Pd18-Probe in Sekundärelektronendarstellung (SED); die Probe erstarrte zuvor in Glasflusseinbettung bei einer Unterkühlung von ∆T = 374 K aus dem Hypercooling-Bereich. 94 6 Ergebnisse und Diskussion Die elektronenmikroskopischen Untersuchungen von Oberfläche und Schnittfläche der geteilten Probe aus Abbildung 6.19 und 6.21 bestätigen im Rahmen der Messgenauigkeit der EDX-Analyse von ± 0,5 at.%, dass keine Konzentrationsänderung während des mehrmaligen Prozessierens und Teilens der Probe auftritt. Es ergibt sich eine Zusammensetzung von 82,5 at.% Co und 17,5 at.% Pd und bestätigt damit die Zusammensetzung der Einwaage. In Abbildung 6.20 ist ein typisches Spektrum der charakteristischen Röntgenstrahlung der kristallinen Co82Pd18-Probe dargestellt. Die Analyse der charakteristischen Röntgenstrahlung weisen die Reinheit der prozessierten Substanz nach. Oxidische Verunreinigungen oder sonstige Einschlüsse mit katalytischer Wirkung werden nicht detektiert. Pd-Lα 6000 Co-Kα Pd-Lβ 9000 3000 Intensität [counts] 0 2,5 3,0 3,5 6000 Co-Lα 3000 Co-Kβ 0 2 4 6 8 Energie [keV] Abb.6.20: Charakteristisches Röntgenspektrum der kristallinen Co82Pd18-Probe mit Co-Kα-, -Kβund -Lα- sowie Pd-Lα- und -Lβ-Linien. Eine exakte, auch nach mehrmaligem Prozessieren konstante Zusammensetzung der Co82Pd18-Probe ist von entscheidender Bedeutung für die folgende Überlegung zur Analyse der Keimbildung. 95 6 Ergebnisse und Diskussion Abb.6.21: REM-Aufnahme der Querschnittfläche der Co82Pd18-Probe aus Abb. 6.15 in Rückstreuelektronendarstellung (BSD). Die Probe ist vollständig einphasig erstarrt und zeigt keine Kontrastunterschiede, so dass Seigerungseffekte ausgeschlossen werden. Die dunklen Löcher stellen Lunker dar. Es gelingt im Lauf der Untersuchung lediglich, die eingebettete Co82Pd18-Probe bis zur Curie-Temperatur der festen Phase der Ausgangskonzentration TCS = 1284 K zu unterkühlen. Die sich in der unterkühlten Schmelze bildenden Keime besitzen jedoch aufgrund des Verlaufs von Liquidus- und Solidustemperatur im Phasendiagramms eine kobaltreichere Zusammensetzung als die Restschmelze. Folglich besitzt ein sich bildender Keim aufgrund seiner höheren Co-Konzentration eine höhere Magnetisierung und eine höhere Curie-Temperatur als die Schmelze. Da die Unterkühlung der Probe nicht die nach dem klassischen Keimbildungsmodell berechneten Werte erreicht, müssen zusätzliche Effekte eine Rolle spielen. Die Keimbildung kann dabei durch das Einsetzen magnetischer Ordnung die thermodynamischen Parameter ∆GV und σ beeinflussen, welches im klassischen Modell bislang keine Berücksichtigung findet. Alle Ergebnisse der Unterkühlungsexperimente wurden zunächst im Rahmen der klassischen Keimbildungstheorie analysiert und die Keimbildungsrate ISS als Funktion der Unterkühlung unter der Annahme stationärer Bedingungen berechnet. Als 96 6 Ergebnisse und Diskussion Beispiel einer solchen Rechnung zeigt Abbildung 6.22 die Keimbildungsrate einer Co80Pd20–Legierung als Funktion der Temperatur. f(θ) = 1 -3 -1 Keimbuldungsrate ISS [m s ] 1E30 1 s, 1 µg, d = 60 µm f(θ) = 0,28 1E20 Tl = 1610 K s TC = 1260 K 1E10 100 s, 1 g, d = 6 mm 100 s, 10 mg, d = 1,5 mm ∆T = 335 K ∆T = 474 K 1 800 1000 1200 1400 1600 Temperatur [K] Abb. 6.22: Homogene (f(θ)=1) und heterogene (f(θ)=0,28) Keimbildungsrate ISS von Co80Pd20 als Funktion der Temperatur. Der weiße Punkt (o) repräsentiert das Ergebnis eines Experiments an einer 6 mm großen Probe, die durch Levitation unterkühlt wurde [Sch97], der schwarze Punkt (•) stellt die hypothetisch erreichbare Unterkühlung dieser Probe bei homogener Keimbildung dar. Weiße Quadrate sind berechnete Unterkühlungen mit gleichem katalytischen Faktor f(θ)=0,28 bei unterschiedlicher Prozessdauer und Probenmasse. Die Wachstumsgeschwindigkeit tief unterkühlter Co-Pd-Schmelzen erreicht Werte bis zu 30 m/s [Vo98], so dass vorausgesetzt werden kann, dass ein Keimbildungsereignis ausreicht, um die Kristallisation der unterkühlten Schmelze einzuleiten. Dies bedeutet, dass ISS·V·t = 1, (6.4) mit der Keimbildungsrate ISS, dem Volumen V und der Experimentierzeit t. Die Experimentierzeit t = ∆T / T& ergibt sich aus Kühlrate T& und Unterkühlung ∆T und kann direkt den Temperatur-Zeit-Profilen entnommen werden. Die Gleichung ISS·V·t = 1 97 6 Ergebnisse und Diskussion lässt sich als eine horizontale Gerade in Abbildung 6.22 darstellen. Ihr Schnittpunkt mit der Keimbildungskurve definiert die maximalen Unterkühlungen. Für den Fall einer 6 mm großen Probe und t = 100 s resultiert ∆T = 474 K unter der Annahme homogener Keimbildung, markiert durch den schwarzen Punkt. Der weiße Punkt gibt den realen Unterkühlungswert des Experiments wieder. Die Curie-Temperatur der festen Co80Pd20-Phase TCs konnte in diesem Experiment nicht erreicht werden. Unter Berücksichtigung der Größe der Probe und der Experimentierzeit wird das experimentelle Resultat beschrieben, wenn heterogene Keimbildung mit einem katalytische Faktor f(θ) = 0,28 angenommen wird. Es wird auch ersichtlich, dass bei sonst gleichen Randbedingungen eine Verkleinerung der Probengröße von 6 mm auf 1,5 mm eine Ausdehnung der maximalen Unterkühlung um maximal 10 K erwarten lässt. Bei Verkleinerung der Probengröße auf 60 µm bei gleichzeitiger Reduzierung der Experimentierzeit auf t = 1 s (durch schnelle Abkühlung) wird eine Ausdehnung der Unterkühlung um bis zu 100 K abgeschätzt. Eine in-situ Messung physikalischer Größen (wie z.B. Magnetisierung, spezifische Wärme, etc.) an der unterkühlten Schmelze wird durch deutliche Verkleinerung der Probengröße bzw. Verkürzung der Experimentierzeit allerdings erschwert, wenn nicht sogar unmöglich. Eine Reduzierung der Probenmasse um zwei Größenordnungen von m = 1 g auf m = 10 mg bei gleichbleibender Experimentierzeit t = 100 s lässt eine Steigerung der Unterkühlbarkeit von Co82Pd18 um 10 K erwarten, was sich in unserem DTAExperiment bestätigt. Die Ausgangsprobe besitzt eine Masse m1 = 0,768590 g und wird mehrmals bis zu ihrer maximal erreichbaren Erstarrungstemperatur TN unterkühlt. Nach anschließendem mechanischem Zerkleinern wird die Probe erneut mittels differentieller Thermoanalyse prozessiert und mehrmals bis zur Erstarrungstemperatur unterkühlt. Die kleinste untersuchte Probenmasse beträgt dabei m5 = 5,306 mg, was bei einer Abnahme der Ausgangsmasse auf etwa 0,7 % zu einer Steigerung der absoluten Unterkühlbarkeit um 16 K führt: TN(m1) = 1300 K, TN(m5) = 1284 K. Die Probe kühlt dabei bis in den Bereich der Curie-Temperaturen von fester und flüssiger Phase ab (TCL < T < TCS). Eine Übersicht der erzielten Erstarrungstemperaturen TN in Abhängigkeit der Probenmasse m gibt Abbildung 6.23 wieder. Dabei fällt auf, dass die Nukleationstemperaturen bei abnehmender Probenmasse zwar stetig abnehmen, die Steigung der Erstarrungskurve TN(m) sich allerdings ab einer Probenmasse m < 0,1 g unerwartet ändert. 98 Erstarrungstemperatur TN [K] 6 Ergebnisse und Diskussion 1300 1290 1280 0,01 0,1 1 Masse [g] Abb. 6.23: Experimentelle Nukleationstemperaturen TN (•) und berechnete Nukleationstemperaturen (∆)anhand eines um magnetische Beiträge erweiterten Kristallkeimbildungsmodells nach Holland-Moritz et al. [Ho02a]. Die Fehlerbalken geben die Messgenauigkeit der DTA-Apparatur von ± 1,5 K an. Dieser mittels DTA-Messungen im Rahmen der Messgenauigkeit eindeutig auflösbare Effekt lässt sich anhand thermodynamischer Berechnungen von Holland-Moritz et al. auf den im Temperaturintervall TCL ≤ T ≤ TCS bei abnehmender Temperatur stark ansteigenden magnetischen Beitrag der thermodynamischen Parameter ∆GV und σ. Die Aktivierungsenergie ∆G* zur Kristallkeimbildung gemäß Gleichung 3.14 muss dazu um magnetische Beiträge ∆GV,mag und σmag erweitert werden [Ho02a]: ∆G∗ = (σ klass. + σ mag )3 16 π⋅ 3 ( ∆G V,klass. + GV,mag )2 (6.5) Betrachtet man zunächst die Grenzfläche zwischen einem sich bildendem Cluster in der (111)-Ebene der kubisch flächenzentrierten Kristallstruktur mit Koordination Z = 12 und der Schmelze, so ergibt sich aus dem ‚broken-bond’-Modell, dass im Vergleich zum Volumen drei nächste Nachbaratome an der fest-flüssig Grenzfläche fehlen. Dadurch reduziert sich der magnetische Beitrag der Grenzflächenenergie zu 99 6 Ergebnisse und Diskussion σ mag = − Vol. 3 ⋅ ∆Hmag 12 ⋅ ( N AVm2 ) 1 3 . (6.6) Dies entspricht gemäß Berechnungen von Holland-Moritz et al. lediglich etwa 1 % des Beitrags des klassischen Modells der Kristallkeimbildung gemäß Gleichung 3.19 und kann vernachlässigt werden [Ho02a]. Für den magnetischen Energiebeitrag des Volumens von Cluster und Schmelze ergibt sich folgende Abschätzung: Die freie Energie eines Festkörpers bzw. einer Flüssigkeit ist gleich der freien Enthalpie, so dass aus der Differenz der temperaturabhängigen Enthalpie und Entropie von fester und flüssiger Phase über ∆Fmag = ∆HL,S - T∆SL,S = ∆GV,mag (6.7) der magnetische Beitrag der freien Enthalpie des Volumens ∆GV,mag folgt. Die magnetischen Messungen an Co-Pd-Legierungen im Bereich x < 20 at.% Pd zeigen, dass die Curie-Temperaturen TCL von flüssiger und TCS von fester Phase mit zunehmender Palladium-Konzentration immer weiter voneinander abweichen. Dadurch ergibt sich in diesem Konzentrationsbereich für eine unterkühlte Schmelze nach Unterschreiten der Curie-Temperatur TCS der festen Phase ein wie in Abbildung 6.24 skizzierter steigender magnetischer Beitrag ∆Fmag, der bei Erreichen der Curie-Temperatur TCL der Flüssigkeit sein Maximum erreicht und bei weiter abnehmender Temperatur nahezu konstant bleibt. ∆HL,S ∆Fmag ∆SL,S Temperatur Abb. 6.24: TCL TCS Skizzierter Verlauf der Differenz der Entropie ∆S L,S (rot) und Enthalpie ∆H L,S (blau) von fester und flüssiger Phase sowie der freien Energie ∆Fmag (schwarz) in Abhängigkeit der Temperatur unterhalb der Curie-Temperatur der festen Phase T ≤ TC 100 S 6 Ergebnisse und Diskussion Der zusätzliche Energiebeitrag ∆Fmag beträgt etwa 15% der Aktivierungsenergie zur Keimbildung ∆GV(TN) des klassischen Keimbildungsmodells [Ho02a]. Dieser Beitrag erscheint vergleichsweise gering, bei relativen Unterkühlungen von ∆T/TL ≥ 0,2 sind jedoch bereits geringe zusätzliche Energiebeiträge ausreichend, um ein Kristallisationsereignis hervorzurufen. Die Steigungsänderung der Messdatenkurve TN(m) gemäß Abbildung 6.23 lässt sich anhand dieser Berechnungen durch den anwachsenden magnetischen Energiebeitrag beschreiben: Erreicht die Unterkühlung der Schmelze die Curie-Temperatur TCS des Co-reichen Clusters, so ergeben sich zusätzliche magnetische Beiträge zur Keimbildung. Gelingt aufgrund der Probengrößenverkleinerung ein Unterkühlen der Schmelze unter die Curie-Temperatur TCL des Clusters, so stagniert dessen magnetische Beitrag, und der Keimbildungsprozess wird erneut durch strukturelle Effekte dominiert. Die Steigungsänderung in Abbildung 6.23 beschreibt demnach den Unterschied zwischen magnetisch getriebener und, bei abnehmender Probenmasse, strukturell bedingter Keimbildung der Co82Pd18-Probe. Die kalorimetrischen Messungen der Probengrößenabhängigkeit der Unterkühlung geben erneut einen deutlichen Hinweis auf zusätzliche magnetische Beiträge zur Kristallkeimbildung im System Co-Pd. Zur Formulierung des Modell einer magnetisch getriebenen Keimbildung ist jedoch die genaue Kenntnis magnetischer Eigenschaften notwendig, die bisher im Bereich der unterkühlten Schmelze nicht vorlagen. 6.3.2 Magnetische Untersuchungen Magnetische Messungen an unterkühlten Co-Pd-Schmelzen sind aufgrund des geringen Abstands zwischen Liquidus- und Curie-Temperatur in diesem Probensystem von besonderem Interesse. Bereits mit Unterkühlungen von ∆T = 341 K lässt sich die Curie-Temperatur der festen Phase von Co82Pd18 erreichen und somit magnetische Eigenschaften der tief unterkühlten Schmelze studieren. Eine Übersicht der Umwandlungstemperaturen für verschiedene Co-Pd-Zusammensetzungen aus DTA-Analysen in Tabelle 6.2 angegebenen. 101 6 Ergebnisse und Diskussion Co Co90Pd10 Co82Pd18 Co80Pd20 TL [K] 1768 ± 1,5 1730 ± 1,5 1690 ± 1,5 1625 ± 1,5 1610 ± 1,5 TS [K] 1768 ± 1,5 1710 ± 1,5 1650 ± 1,5 1577 ± 1,5 1565 ± 1,5 S TC [K] Tab. 6.2: Co95Pd5 1394 ± 1,5 1372 ± 1,5 1340 ± 1,5 1284 ± 1,5 1260 ± 1,5 Thermoanalytisch bestimmte Liquidus-, Solidus- und Curie-Temperatur untersuchter CoPd-Zusammensetzungen und von reinem Co. Ergebnisse magnetischer Messungen an einzelnen Co-Pd-Legierungen sind in Abbildung 6.25 bis Abbildung 6.28 dargestellt. Die Temperaturen der verschiedenen Phasenübergänge lassen sich mit den mittels DTA-Messungen analysierten Umwandlungstemperaturen aus Tabelle 6.2 im Rahmen der Messgenauigkeit der FaradayWaage identifizieren. Abbildung 6.25 zeigt die Suszeptibilitätsmessung von Co95Pd5 mit einer Heizbzw. Kühlrate von 5 K/min. Die maximal erreichte Unterkühlung beträgt ∆T = 255 K. Das Aufschmelzen lässt sich anhand der Aufheizheizkurve charakterisieren woraus sich Solidustemperatur TS = 1690 K sowie Liquidustemperatur TL = 1730 K ableiten lassen. Die Curie-Temperaturen von fester TCS = (1381 ± 5) K und flüssiger Phase TCL = (1380 ± 1) K sind im Rahmen der Auflösung identisch, übereinstimmend zur Messung an reinem Kobalt, während die Curie-Konstanten beider Phasen voneinander abweichen, wie Tabelle 6.3 zu entnehmen ist. Wie anhand Abbildung 6.26 ersichtlich, unterkühlt die prozessierte Co90Pd10Probe bei einer Kühlrate von 5 K/min um ∆T = 246 K. Es ergibt sich eine Differenz zwischen der Curie-Temperatur von Festkörper TCS = (1368 ± 1) K und derjenigen der Flüssigkeit TCL = (1361 ± 2) K von etwa 7 K, bei erneut unterschiedlichen CurieKonstanten CS und CL (siehe Tabelle 6.3). 102 6 Ergebnisse und Diskussion TL = 1730 K 1,50 TS = 1690 K 1,0 2,0 TN = 1475 K 1,00 1650 1700 1750 -1 6 Inverse Suszeptibilität χ [10 kg/m³] 1,25 0,5 1,5 1425 T 1,0 1450 S C L 1475 1500 = (1381 + 5) K TC = (1380 + 1) K 0,5 ∆T = 255 K 0,0 1300 1400 1500 1600 1700 1800 1900 Temperatur [K] Abb. 6.25: Suszeptibilitätsmessung von Co95Pd5 mit einer Kühl- bzw. Heizrate von 5 K/min 1,5 TS = 1631 K 1,0 TN = 1432 K 0,6 2,0 1600 1650 1700 -1 6 Inverse Suszeptibilität χ [10 kg/m³] 2,5 TL = 1678 K 0,4 1,5 0,2 1400 1,0 1425 1450 1475 S TC = (1368 + 1) K L TC = (1361 + 2) K 0,5 ∆T = 246 K 0,0 1300 1400 1500 1600 1700 1800 Temperatur [K] Abb. 6.26: Suszeptibilitätsmessung von Co90Pd10 mit einer Kühl- bzw. Heizrate von 5 K/min 103 6 Ergebnisse und Diskussion In Abbildung 6.27 ist die inverse Suszeptibilität von Co82Pd18 in Abhängigkeit der Temperatur bei einer Heiz- und Kühlrate von 3 K/min dargestellt. Die Probe unterkühlte in Glaseinbettung um ∆T = 218 K. Die Curie-Temperaturen von fester TCS = (1259 ± 1) K und flüssiger Phase TCL = (1297 ± 9) K unterscheiden sich nun in Folge der gestiegenen Palladiumkonzentration um ca. 38 K. Wie die Messung aus Abbildung 6.28 zeigt, ist für Co82Pd18 auch ohne Glasflussmittel in einem Al2O3-Tiegel eine Unterkühlung ∆T > 100 K möglich. Beim Aufheizen ist das Temperaturintervall des Schmelzprozesses deutlich erkennbar durch das Abknicken der χ-1(T)-Kurve bei TS = 1565 K und bei TL = 1620 K. Die ermittelten Temperaturen sind dabei in guter Übereinstimmung mit den kaloriemetrisch bestimmten Temperaturen aus Tabelle 6.2. Die Differenz zwischen Curie-Temperatur TCS = (1296 ± 2) K von fester und flüssiger Phase TCL = (1261 ± 1) K beträgt auch bei der Messung ohne Glasflussmittel 35 K. 2,0 TL = 1620 K 1600 1620 1640 2 -1 6 Inverse Suzeptibilität χ [10 kg/m³] 1,5 TN = 1402 K 1 S TC = 1297 K L TC = 1259 K ∆T = 218 K 0 1200 1300 1400 1500 1600 1700 1800 Temperatur [K] Abb. 6.27: 104 Suszeptibilitätsmessung von Co82Pd18 mit einer Kühl- bzw. Heizrate von 3 K/min 6 Ergebnisse und Diskussion TL = 1620 K TS = 1565 K 1,0 2 1520 1560 1600 1640 -1 6 Inverse Suszeptibilität χ [10 kg/m³] 1,5 TN = 1511 K 1 S TC = (1296 + 2) K L TC = (1261 + 1) K ∆T = 109 K 0 1200 1300 1400 1500 1600 1700 1800 Temperatur [K] Abb. 6.28: Suszeptibilitätsmessung von Co82Pd18 ohne Glasflussmittel mit einer Kühl- bzw. Heizrate von 5 K/min. Rote Punkte stellen den Aufheizvorgang, schwarze Punkte den Abkühlvorgang dar. Eine Übersicht der ermittelten magnetischen Daten von in Glaseinbettung prozessiertem Kobalt und Co-Pd-Legierungen vermittelt Tabelle 6.3. Die bisher angeführten Fehler ergeben sich aus der statistischen Analyse der linearen Regression der jeweiligen Einzelmessungen. Bei den angegebenen Temperaturen muss dabei zusätzlich ein systematischer Fehler aufgrund des berührungslosen Messverfahrens mittels Thermoelement von ± 5 K berücksichtigt werden. Für verschiedene Proben wurde die Magnetfeldstärke 410 kA/m < H0 < 1025 kA/m sowie der Temperaturgradient der Heiz- bzw. Kühlrate 2,5 K/min < T& < 50 K/min variiert. Ein Einfluss der Magnetfeldstärke auf die Messergebnisse konnte dabei nicht festgestellt werden. Aufgrund der berührungslosen Temperaturmessung hängt allerdings die absolute Temperaturdifferenz zwischen Probe und detektierter Ofentemperatur vom Temperaturprofil der Messung ab: Bei langsamen Raten bis zu T& = ±10 K/min entstehen nur geringe Differenzen der gemessenen Ofentemperatur zur eigentlichen Probentemperatur, während 105 6 Ergebnisse und Diskussion bei schnelleren Raten T& ≥ 20 K/min höhere Temperaturabweichungen entstehen und in Betracht zu ziehen sind. Der Strahlungsaustausch bei Temperaturen T > 1300 K gewährleistet bei moderaten Kühlraten einen zügigen Temperaturausgleich zwischen Probe und Ofen, so dass nur marginale Temperaturabweichungen im Vergleich zur kaloriemetrischen Analyse entstehen. T& [K/min] Co95Pd5 Co90Pd10 Co82Pd18 ± 12 ±5 ±5 ±3 TC kristallin 1400 ± 3 ± 5 1381 ± 5 ± 5 1368 ± 1 ± 5 1297 ± 1 ± 5 [K] flüssig 1394 ± 2 ± 5 1380 ± 1 ± 5 1361 ± 2 ± 5 1259 ± 9 ± 5 C kristallin 285,7 ± 0,4 278,6 ± 0,6 242,1 ± 0,1 236,4 ± 0,4 [10 m³K/kg] flüssig 275,5 ± 0,3 255,7 ± 0,1 227,8 ± 0,2 216,0 ± 0,1 µ kristallin 3,27 ± 0,01 3,23 ± 0,01 3,01 ± 0,01 2,98 ± 0,01 [µB] flüssig 3,22 ± 0,01 3,10 ± 0,01 2,92 ± 0,01 2,85 ± 0,01 -6 Tab. 6.3: Co Verwendete Kühl- bzw. Heizrate T& , sowie ermittelte Curie-Temperatur TC, CurieKonstante C und magnetisches Moment µ von reinem Kobalt und der untersuchten CoPd-Legierungen. Die Fehler ergeben sich aus den statistischen Schwankungen der Messwerte sowie einem zusätzlichen systematischen Messfehler der Probentemperatur aufgrund der berührungslosen Messmethode von ± 5 K. Die magnetischen Daten der untersuchten Co-Pd-Legierungen offenbaren, dass bei steigender Palladiumkonzentration die magnetischen Eigenschaften von Festkörper und Schmelze immer weiter voneinander abweichen. Beschränkt sich dieser Effekt bei Co95Pd5 zunächst noch auf die Curie-Konstanten und magnetischen Momente von fester und flüssiger Phase, so zeigt sich bereits bei Co90Pd10 auch ein Unterschied in den Curie-Temperaturen TCS und TCL. Für Co82Pd18, der Verbindung mit dem geringsten Abstand δT = TL - TC zwischen Liquidus- und Curie-Temperatur im gesamten Phasendiagramm, ist die Differenz zwischen Curie-Temperatur von fester und flüssiger Phase für alle untersuchten Co100-xPdx-Zusammensetzungen, mit x ≤ 18 am größten. Palladiumreichere Zusammensetzungen wurden nicht untersucht, da dort die CurieTemperaturen bereits so stark absinken, dass relative Unterkühlungen ∆T/TL ≈ 0,2 nicht ausreichen, um magnetische Effekte auf die Keimbildung untersuchen zu können. 106 6 Ergebnisse und Diskussion Im Verlauf der Untersuchung ist es gelungen, Co-Pd-Proben in Schmelzflusseinbettung bis an die Curie-Temperatur der festen Phase zu unterkühlen. Eine ferromagnetische flüssige Phase konnte dabei jedoch nicht gefunden werden, da die Keimbildung bereits im paramagnetischen Bereich der tief unterkühlten Schmelze einsetzte. Das Einsetzen magnetischer Ordnung könnte die thermodynamischen Parameter ∆GV und σ in der Aktivierungsenergie beeinflussen. Solche Effekte sind in dem klassischen Modell der Kristallkeimbildung bislang nicht berücksichtigt. Gelingt es, in der Aktivierungsenergie ∆G* aus Gleichung 3.14 den magnetische Beitrag zur Entropie- und Enthalpieänderung des Phasenübergangs zu berücksichtigen, so ließe sich möglicherweise das Erstarrungsverhalten der Co-Pd-Schmelzen auch im Bereich hoher Kobaltkonzentrationen erklären, in dem die Nukleation durch das Einsetzen magnetischer Ordnung stimuliert zu werden scheint. Die magnetischen Messungen an tief unterkühlten Co-Pd-Schmelzen liefern zur Entwicklung eines erweiterten Modells der Kristallkeimbildung somit wichtige Parameter. Auch am eutektischen Probensystemen Co-Au gelingt es, Messungen an tief unterkühlten Schmelzen durchzuführen, die wichtige Rückschlüsse auf das vorliegende Keimbildungsverhalten zulassen. 6.4 Magnetische Messung an Co-Au Das eutektische System Co-Au liefert wertvolle Aufschlüsse hinsichtlich magnetischer Einflüsse auf die Kristallkeimbildung. Die Untersuchung der inversen Suszeptibilität von Co90Au10 erfolgt unter anderem zur Verifizierung der von Wilde bei thermoanalytischen Messungen berichteten Koinzidenz von Nukleationstemperatur und extrapolierter Curie-Temperatur TCS des Löslichkeitsbereich der Randphase, von der bereits in Kapitel 5.2.2 berichtet wurde. In Abbildung 6.29 ist die inversen Suszeptibilität einer Co90Au10-Probe im festen und flüssigen Zustand in Abhängigkeit der Temperatur dargestellt. Es gelingt im Verlauf der Messung eine Unterkühlung von ∆T = 250 K zu erreichen. Die aus dem linearen Verlauf der inversen Suszeptibilität während des Aufheizvorgangs abgeleitete Curie-Temperatur TCs = 1392 K ist im Rahmen der Messgenauigkeit mit der Temperatur des magnetischen Phasenübergangs von kristallinem Kobalt identisch. Das Zulegieren von 10 at.% Gold wirkt sich nicht auf die magnetische Übergangstemperatur der festen Probe aus, während die Curie-Temperatur der flüssigen Phase TCL = (1334 ± 1) K deutlich unter dem Wert von flüssigem Kobalt liegt. Die Übereinstimmung der Curie107 6 Ergebnisse und Diskussion Temperatur von kristalliner Co-Au-Mischphase und kristallinem Kobalt wird durch den geringen Löslichkeitsbereich von Gold in α-Kobalt von maximal 2,5 at.% verständlich. TL = 1665 K 1,2 1600 2 0,8 -1 6 Inverse Suszeptibilität χ [10 kg/m³] 1,6 1650 1700 TN = 1415 K 0,4 0,0 1380 1400 1420 1440 s 1 TC = (1392 + 4) K L TC = (1334 + 1) K ∆T = 250 K 0 1300 1400 1500 1600 1700 1800 Temperatur [K] Abb. 6.29: Suszeptibilitätsmessung an Co90Au10. Rote Punkte geben den Aufheizprozess, schwarze Punkte den Abkühlvorgang mit 5 K/min. Im Lauf der Messung wird eine Unterkühlung von ∆T = 250 K erzielt. Die magnetischen Eigenschaften der stabilen und der unterkühlten Schmelze unterscheiden sich nicht voneinander, so dass die inverse Suszeptibilität der Probe auch im tief unterkühlten Zustand dem Curie-Weiss-Gesetz der stabilen Schmelze folgt. Die Curie-Konstante der einphasigen Flüssigkeit CL = (213 ± 0,1) • 10-6 m³K/kg ist durch die zulegierten nichtmagnetischen Goldatome erwartungsgemäß niedriger als die der reinen Kobaltschmelze, was sich auch auf die Zahl effektiver magnetischer Momente auswirkt (siehe Tabelle 6.4). 108 6 Ergebnisse und Diskussion TC [K] CL -6 [10 m³K/kg] L eff µ [µB] Tab. 6.4: Co Co90Au10 1394 ± 2 ± 5 1334 ± 1 ± 5 275,5 ± 0,3 213,2 ± 0,1 3,22 ± 0,01 3,14 ± 0,01 L Curie-Temperatur, Curie-Konstante und effektives magnetisches Moment von reinem flüssigem Kobalt und von flüssigem Co90Au10. Die Temperaturdaten berücksichtigen den aus der jeweiligen Statistik folgenden Fehler und einen systematischen Fehler von ± 5 K. Temperatur [K] 1700 TL 1500 TCS 1300 TEut 100 90 80 70 Co [at%] Abb. 6.30: Ausschnitt aus dem Phasendiagramm von Co-Au nach [Hu73]. Braune Dreiecke (▲) kennzeichnen die von Wilde mittels DTA erreichten maximalen Unterkühlungen [Wi97]. Die blauen Rauten (♦) geben die mittels Faraday-Waage bestimmte Curie-Temperatur von kristallinem Kobalt und der kristallinen Mischphase von Co90Au10 wieder, die offenen Punkte (o) die ermittelte Curie-Temperatur der flüssigen Phasen von Kobalt und Co90Au10. Die Messfehler sind kleiner als die jeweilige Symbolgröße. Im Ausschnitt des Co-Au-Phasendiagramms in Abbildung 6.30 sind die nach [Wi97] maximal erreichten Unterkühlungen prozessierter Co-Au-Legierungen eingezeichnet. Weiterhin sind die durch Messungen mittels Faraday-Waage ermittelten Curie109 6 Ergebnisse und Diskussion Temperaturen von Kobalt und Co90Au10 eingetragen. Die gepunktete Linie stellt eine Extrapolation der Curie-Temperatur TCL(x) der unterkühlten Schmelze in Abhängigkeit der Konzentration x dar und verläuft durch die experimentell bestimmten CurieTemperaturen der flüssigen Phasen von Kobalt und Co90Au10. Die Curie-Temperatur TCL(x) der durchmischten, unterkühlten Schmelze verläuft demnach deckungsgleich mit der extrapolierten Linie TN(x) der erzielten Nukleationstemperaturen. Zusammen mit den in Messungen der spezifischen Wärme gefundenen Anomalien [Wi97] ergibt sich somit auch am Probensystem Co-Au ein gewichtiger Hinweis auf den Einfluss der sich im tief unterkühlten Zustand ausprägenden magnetischen Ordnung auf die Kristallkeimbildung. 6.5 Magnetische Messungen an Co-Cu Das peritektische System Co-Cu besitzt im Bereich der unterkühlten Schmelze eine metastabile Mischungslücke. Für hinreichend hohe Unterkühlungen wird die Binodale, welche die Grenze für vollständig mischbare und entmischende Flüssigkeit darstellt unterschritten, und die einphasige Co-Cu-Schmelze separiert in eine kobaltreiche (L1) und eine kupferreiche Flüssigkeit (L2). Dieser Prozess wurde, wie bereits in Kapitel 5.2.3 beschrieben, mittels elektromagnetischer Levitation und DTA-Messungen detailliert studiert [Ni84], [Mu92], [Mu96], [Ko01], [Ca02]. Die vorlegierten Proben werden bei den im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten DTA-Messungen bei Temperaturen zwischen 1700 - 1800 K in Al2O3-Tiegeln eingebettet in Duran®-Glas aufgeschmolzen. Es werden jeweils mehrere Heiz- und Kühlzyklen mit +10 K/min und -20 K/min durchgeführt. Ein typisches DTA-Signal einer Co70Cu30-Probe ist in Abbildung 6.34 dargestellt. In der Abkühlkurve wird die Entmischung der Flüssigkeiten durch die mit TSep bezeichnete Stufe identifiziert. Deutlich sichtbar neben dieser chemischen Entmischung bei der Separationstemperatur sind die beiden Erstarrungssignale von kobaltreicher Phase (L1) bei TN und kupferreicher Restschmelze (L2 ’) bei der peritektischen Temperatur TPer. Abbildung 6.31 zeigt das Gefügebild einer aus tiefer Unterkühlung erstarrten Co30Cu70-Probe. Die rasterelektronenmikroskopische Aufnahme der entmischten Probe verdeutlicht, dass die Mikrostruktur durch die spontane Nichtgleichgewichtserstarrung eingefroren wurde. Die höhere Dichte von flüssigem Kobalt im Vergleich zu flüssigem Kupfer bewirkt, dass die kobaltreiche Flüssigkeit im Verlauf der Messung sedimentiert. In beiden voneinander separierten Bereichen sind weitere Ausscheidungen 110 6 Ergebnisse und Diskussion deutlich erkennbar, die Rückschlüsse auf den Erstarrungsvorgang erlauben. Aus den in Tabelle 6.5 aufgeführten, mittels EDX-Analyse ermittelten chemischen Zusammensetzungen, sowie anhand durchgeführter DTA- und magnetischer Messungen bestimmten Entmischungstemperaturen lässt sich der Entstehungsprozess der Probe, wie in Abbildung 6.32 skizziert, beschreiben: Nach dem ersten Entmischungsvorgang in zwei separate Flüssigkeiten ändern beide Phasen L1 und L2 gemäß der Phasengrenze der metastabilen Binodalen mit zunehmender Unterkühlung immer weiter ihre Zusammensetzung, bis in der Flüssigkeit L1 eine kobaltreiche Phase S1 erstarrt. Durch diese Kristallisation wird eine kupferreiche Restschmelze L1’ eingeschlossen und erstarrt in einer Folgereaktion zu S1’. In der kupferreichen L2-Phase wachsen zunächst Kobaltdendriten S2. In der teilflüssigen Restschmelze koexistieren festes α-Co und eine Flüssigkeit L2’, die kupferreicher ist als die ursprüngliche L2-Phase. Die L2’-Flüssigkeit erstarrt bei weiterem Abkühlen in einer peritektischen Reaktion unter Gleichgewichtsbedingungen zu S2’. Co-Konzentration [at.%] Cu-Konzentration [at.%] Tabelle 6.5: L1 L2 83,0 ± 0,5 13,6 ± 0,5 17,0 ± 0,5 86,4 ± 0,5 EDX-Analyse der Co30Cu70-Probe aus Abbildung 6.31. Die Konzentrationen sind gemittelt über Flächen von 400 x 400 µm² (L1) bzw. 200 x 200 µm² (L2) und stellen somit Mittelungen der Mischphasen in L1 und L2 dar. 111 6 Ergebnisse und Diskussion g Abb. 6.31: REM-Aufnahme einer Co30Cu70-Probe in Rückstreuelektronendarstellung; die Probe erstarrte zuvor in Glasflusseinbettung bei einer Unterkühlung ∆T = 220 K (130 K unterhalb der Mischungslücke). Oben dunkel abgebildet ist das Phasengemisch der ursprünglichen kobaltreichen Phase L1 ummantelt von dem hell dargestellten Phasengemisch der ehemaligen kupferreichen Phase L2. Der Pfeil gibt die Richtung der Gravitation wieder. Vergrößert dargestellt sind Ausschnitte aus den Bereichen L1 und L2 mit ihren primär erstarrten kobaltreichen Phasen S1 und S2 (jeweils dunkel dargestellt), sowie den kupferreichen Restphasen (hell). Schwarze Flecken stellen Lunker dar. 112 6 Ergebnisse und Diskussion Temperatur L L1 S1 L2 L1 , S1 S2 L2 , , S2, Kobaltkonzentration Abb.6.32: Schematischer Verlauf der Entmischung einer homogenen Co-Cu-Schmelze L, die in zwei Teilflüssigkeiten L1 und L2 separiert, die ihrerseits jeweils aus dem teilflüssigen Zustand (S1+L1’) bzw. (S2+L2’) in einer Folgereaktion zu S1’ sowie S2’ erstarren. Abbildung 6.33 stellt schematisch die inverse Suszeptibilität einer Co-Cu-Probe in Abhängigkeit der Temperatur dar und zeigt exemplarisch die vielfältigen magnetischen Eigenschaften der verschiedenen Zustände. Unterschieden werden muss zwischen der kristallinen Co-Cu-Mischphase, der homogenen Schmelze und der separierten Schmelze. Beim Aufheizen durchläuft die Probe zunächst eine peritektische Umwandlung bei der Temperatur TPer, bevor sie nach Passieren der Liquidustemperatur TL vollständig flüssig ist. Da es sich bei beiden Übergängen um Phasenumwandlungen 1. Ordnung handelt, bewirkt die latente Wärme auch bei langsamen Heiz- und Kühlraten einen Temperaturversatz zwischen Proben- und Ofentemperatur, was sich im Signal der inversen Suszeptibilität jeweils durch eine Steigungsänderung wiederspiegelt. Beim Abkühlen entmischt die homogene Schmelze bei Erreichen der Separationstemperatur TSep in die beiden flüssigen Phasen L1 und L2, was sich im Signal der inversen Suszeptibilität aufgrund der unterschiedlichen magnetischen Eigenschaften durch ein plötzliches Abknicken der Messkurve bemerkbar macht. Der spontane Anstieg der inversen Suszeptibilität bei der Nukleationstemperatur TN kennzeichnet die Erwärmung der Probe durch die freigesetzte latente Wärme. Die auftretende Differenz der Temperatur der nachfolgenden peritektischen Umwandlung im Vergleich zum Heizvorgang ist als Hinweis für die verzögerte Reaktion anzusehen. Größere Hystere113 6 Ergebnisse und Diskussion se-Effekte zwischen Ofen- und Probentemperatur sind bei den niedrigen Kühlraten von ± 5 K/min und Temperaturen T > 1200 K aufgrund des raschen Wärmeaus- Inverse Suszeptibilität tauschs über Wärmestrahlung auszuschließen. TSep TN TL TCL Temperatur peritektischer Bereich Abb. 6.33: Schematische Darstellung einer Messung der inversen Suszeptibilität χ (T) einer Co-1 Cu-Probe. Rot dargestellt der Aufheizvorgang mit dem Plateau der einsetzenden peritektischen Umwandlung sowie der Liquidustemperatur TL. Die schwarze Kurve repräsentiert den Abkühlzyklus einer unterkühlenden Probe mit erkennbarem Abknicken an der Separationstemperatur TSep und dem spontanen Anstieg der inversen Suszeptibilität bei der Nukleationstemperatur TN aufgrund der Erwärmung der Probe durch die freigesetzte latente Wärme. Aus dem linearen Verlauf der flüssigen L homogenen Phase lässt sich die Curie-Temperatur TC ableiten. Im Experiment unterscheidet sich die Steigung der inversen Suszeptibilität beim Unterschreiten der Liquidustemperatur TL zunächst nicht von derjenigen der stabilen Schmelze, wie die Messung an Co70Cu30 in Abbildung 6.35 verdeutlicht. Sobald die Entmischungstemperatur TSep = 1520 K erreicht wird, ändert sich die Steigung allerdings diskontinuierlich. Von dieser Temperatur ab liegen, wie zuvor beschrieben, mehrere Mischphasen vor, die sich im Signal der inversen Suszeptibilität nicht voneinander separieren lassen. Trotz des Auftretens mehrerer Phasen lässt sich das Verhalten der Probe im entmischten Zustand nahezu durch ein lineares Curie-Weiss-Verhalten, ähnlich dem einer einphasigen Substanz beschreiben. Die Curie-Temperatur TCL1+L2 = 1360 K der separierten Flüssigkeiten L1 und L2 ist dabei in guter Übereinstimmung 114 6 Ergebnisse und Diskussion mit der Curie-Temperatur TCS+L = 1339 K der teilflüssigen Mischphase des Aufheizvorgangs. Die Curie-Temperatur TCL = 1285 K der homogenen Flüssigkeit liegt hingegen deutlich tiefer wie Tabelle 6.5 zeigt. Bei einer Unterkühlung von ∆T = 230 K erstarrt ein Teil S1 der kobaltreichen Flüssigkeit L1, und die Restschmelze kristallisiert in der nachfolgenden peritektischen Reaktion. Die kalorimetrische Messung einer Co30Cu70-Probe ist in Abbildung 6.36 zu sehen, wobei die Entmischung der Schmelze der Stufe im Signal des Abkühlvorgangs bei TSep = 1536 K zugeordnet werden kann. Die magnetische Messung einer Co30Cu70-Probe ist in Abbildung 6.37 dargestellt. Die Separation der unterkühlten Flüssigkeit zeigt sich im magnetischen Messsignal wiederum an dem Abknicken der inversen magnetischen Suszeptibilität bei der Temperatur TSep = 1544 K und stimmt in Anbetracht des in Kapitel 4.3.6 beschriebenen Messfehlers mit der kalorimetrisch bestimmten Entmischungstemperatur TSep = 1536 K überein. Die Curie-Temperatur TCL = 744 K der homogenen Flüssigkeit ist durch den hohen Kupferanteil stark abgesunken, während die Curie-Temperaturen TCL1+L2 = 1305 K der separierten Flüssigkeiten L1 und L2 sowie TCS+L = 1293 K der teilflüssigen Mischphase nur vergleichsweise schwach abgefallen und abermals nahezu identisch sind. 115 6 Ergebnisse und Diskussion TN = 1447 K TPer = 1376 K DTA-Spannung [µV] 50 0 -50 75 TSep = 1517 K 70 -100 65 60 1480 -150 1500 1520 1540 -200 1300 1400 1500 1600 1700 Temperatur [K] Abb. 6.34: DTA-Messung einer in Glasflussmittel eingebetteten Co70Cu30-Probe bei einer Kühlrate von -20 K/min 2,5 TSep = 1520 K -1 TL = 1682 K 1,5 1480 6 Inverse Suszeptibilität χ [10 kg/m³] 2,0 4 1520 1560 3 TN = 1452 K 2 TC TC 1 L1+L2 S+L = 1360 K = 1339 K L TC = 1285 K ∆T = 230 K 0 1200 1400 1600 Temperatur [K] Abb. 6.35: Suszeptibilitätsmessung an Co70Cu30. Rote Punkte geben den Aufheizprozess mit +5 K/min wieder, schwarze Punkte den Abkühlvorgang mit –5 K/min. Bei der Messung wird eine Unterkühlung von ∆T = 230 K erzielt. 116 6 Ergebnisse und Diskussion (a) (b) TPer = 1379 K TN = 1483 K 60 60 DTA-Spannung [µV] 50 40 40 TL = 1637 K 30 20 TPer = 1381 K 20 55 0 50 TSep = 1536 K 10 45 1500 -20 0 1525 1550 1575 -40 -10 1200 1300 1400 1500 1600 1700 1200 1300 1400 Temperatur [K] Abb. 6.36: 1500 1600 1700 1800 Temperatur [K] DTA-Messung einer Co30Cu70-Probe (a) Aufheizvorgang bei +10 K/min mit Schmelzbeginn des Mischkristalls bei der peritektischen Temperatur TPer und komplettem Aufschmelzen bei der Liquidustemperatur TL (b) Abkühlvorgang bei -20 K/min mit Separations-, Nukleations- und peritektischer Temperatur TSep, TN und TPer. 6 TSep = 1544 K 4 1500 1550 TL = 1637 K 1600 6 -1 6 Inverse Suszeptibilität χ [10 kg/m³] 5 TN = 1417 K 4 2 ∆T = 220 K 0 1200 1300 1400 1500 1600 1700 Temperatur [K] Abb. 6.37: Suszeptibilitätsmessung an Co30Cu70. Rote Punkte geben den Aufheizprozess, schwarze Punkte den Abkühlvorgang mit 20 K/min wieder. Bei der Messung wird eine Unterkühlung von ∆T = 220 K erzielt. 117 6 Ergebnisse und Diskussion Ein Vergleich zwischen kalorimetrischer und magnetischer Untersuchung der Zusammensetzung Co70Cu30 anhand der Abbildungen 6.34 und 6.35 sowie Abbildung 6.36 und 6.37 zeigt, dass der Entmischungsvorgang bei beiden Verfahren nahezu bei derselben Temperatur eintritt. Die Vermutung, dass die Diskrepanz der Entmischungstemperaturen von Nakagawa [Na58], dessen Separationstemperaturen um etwa 30 K höher liegen, auf die Messung der magnetischen Suszeptibilität zurückzuführen sein könnte, welche empfindlicher als die DTA auf langreichweitige Fluktuationen in der Nähe der Binodalen reagiert, kann anhand der erzielten Messergebnisse ausgeschlossen werden. Abbildung 6.38 zeigt eine Messung der inversen magnetischen Suszeptibilität von Co15Cu85, in der keine ausreichende Unterkühlung erzielt wurde, um eine Entmischung hervorzurufen. Die Probe erstarrt oberhalb der Separationstemperatur bei einer Unterkühlung von ∆T = 58 K teilweise zu α-Kobalt, und die Restschmelze wird immer kobaltärmer, bis sie in einer peritektischen Reaktion bei TPer = 1375 K kristallisiert. Auch hier tritt wieder das Phänomen auf, dass die abkühlende teilflüssige Probe einem linearen Curie-Weiss-Gesetz zu folgen scheint, obwohl sich die Zusammensetzung des Phasengemischs von festem α-Kobalt und Restschmelze temperaturabhängig ändert. TN = 1514 K 20 6 Inverse Suszeptibilität χ [10 kg/m³] TL = 1572 K -1 15 TPer = 1375 K 10 5 ∆T = 58 K 0 1300 1400 1500 1600 1700 Temperatur [K] Abb. 6.38: Suszeptibilitätsmessung an Co15Cu85. Offene Punkte geben den Aufheizprozess, volle Punkte den Abkühlvorgang mit 20 K/min wieder. In der Messung wird lediglich eine geringe Unterkühlung von ∆T = 58 K erzielt, womit keine Entmischung erreicht werden konnte. 118 6 Ergebnisse und Diskussion Eine Zusammenstellung der magnetischen Daten der flüssigen homogenen Phase verschiedener Co-Cu-Legierungen findet sich in Tabelle 6.6. TC Co30Cu70 Co25Cu75 1285 ± 3 ± 5 1197 ± 2 ± 5 744 ± 4 ± 5 501 ± 12 ± 5 1339 ± 4 ± 5 1343 ± 10 ± 5 1305 ± 6 ± 5 1284 ± 24 ± 5 128,4 ± 0,2 102,9 ± 0,1 154,3 ± 0,4 108,9 ± 0,6 2,22 ± 0,01 2,00 ± 0,01 2,47 ± 0,01 2,08 ± 0,01 L1+L2 [K] CL -6 [10 m³K/kg] L eff µ [µB] Tab. 6.6: Co50Cu50 L [K] TC Co70Cu30 Curie-Temperaturen von homogener flüssiger Phase (L) und entmischter Flüssigkeit (L1+L2) mit statistischem und systematischem Fehler, sowie Curie-Konstante und effektives magnetisches Moment der homogenen flüssigen Phase ausgewählter Co-CuLegierungen Abbildung 6.39 stellt die effektiven magnetischen Momente der flüssigen homogenen Phase verschiedener Co-Cu-Legierungen und von Kobalt dar. Deutlich erkennbar ist der im Vergleich zum Wert µeff = 3,22 µB von flüssigem Kobalt deutliche Abfall des magnetischen Moments der flüssigen homogenen Phase bei abnehmender Kobaltkonzentration, welcher jedoch im Konzentrationsbereich 70 ≤ x ≤ 25 at.% Kobalt nahezu stagniert. In diesem Bereich beträgt der mittlere Wert des effektiven magneti- 4 Effektives magnetisches Moment µ L eff µB. [µB] schen Moment pro Atom unabhängig von der Kobaltkonzentration µeff = (2,19 ± 0,2) 3 2 1 L µ eff = (2,19 + 0,2) µB 0 0 20 40 60 80 100 Co-Konzentration [at.%] Abb. 6.39: Effektives magnetisches Moment pro Atom der flüssigen homogenen Co-Cu-Proben in Abhängigkeit der Co-Konzentration. 119 6 Ergebnisse und Diskussion Aus den magnetischen Messungen in Abbildungen 6.35 und 6.37 lässt sich erkennen, dass die Umordnung innerhalb der Probe beim Entmischungsvorgang einen großen Einfluss auf die magnetischen Eigenschaften des Systems hat, während die Folgeseparationen innerhalb der Randphasen L1 und L2 keine signifikanten Auswirkungen auf die magnetischen Eigenschaften des Systems aufweisen, obwohl sich die Zusammensetzungen der sich bildenden Phasen stetig ändert. Zum näheren Verständnis dieses Sachverhalts ist eine eingehende Betrachtung erforderlich: Die Nahordnung der magnetischen Momente µL1Co von Kobalt in der L1-Phase wird dominiert von anderen Kobaltatomen, während sich deren Momente µL2Co in der L2-Phase hauptsächlich in einer Kupferumgebung befinden. In zahlreichen Arbeiten an dünnen Co-Cu-Schichten oder Co-Cu-Clustern wie z.B. der von Stepanyuk et al. [Ste01] zeigt sich, dass das magnetische Moment von Kobalt-Clustern durch das Beschichten mit Kupferatomen abgeschwächt wird. Daraus folgt als erste Annahme, dass das effektive magnetische Moment der Kobaltatome in der kobaltreichen L1Phase höher ist als in der kupferreichen L2-Phase: µL1Co > µL2Co. Das effektive magnetische Moment der entmischten Probe µeff ergibt sich zu Co Cu Co Cu µeff (T) = mL1(T)⋅ cL1 (T) ⋅ µL1 + mL1(T)⋅ cL1 (T) ⋅ µL1 Co Cu Co Cu + mL2(T)⋅ cL2 (T) ⋅ µL2 + mL2(T)⋅ cL2 (T) ⋅ µL2 , (6.8) Co Cu (T) und cL2 (T) den Temperaturverlauf der Konzentrationen von Kobalt und wobei cL1 Kupfer der Phasen L1 bzw. L2 beschreiben, die sich aus dem Verlauf der Binodalen des Phasendiagramms in Abbildung 5.13 ergeben. mL1(T) und mL2(T) stellen die Gewichtungsfaktoren der Phasen L1 sowie L2 dar und ergeben sich aus dem Hebelgesetz: mL1(T) = mL2(T) = Co (T ) − c cL2 Co cL2 (T ) 0 Co − cL1 (T ) Co (T ) c − cL1 0 Co Co cL2 (T ) − cL1 (T ) (6.9a) , (6.9b) mit c0 der Ausgangskonzentration von Kobalt in Atomprozent. Kupfer besitzt lediglich geringe magnetische Beiträge, wobei die Bahnmomente der Kupferelektronen einen schwachen diamagnetischen Beitrag aufweisen. Die Suszeptibilität von kristallinem 120 6 Ergebnisse und Diskussion Kupfer bei T = 293 K beträgt χm = -1,1 ⋅ 10-9 m³/kg [Sm83], was vom Betrag lediglich 0,2 % der gemessenen Suszeptibilität von flüssigem Kobalt bei T = 1900 K entspricht und somit vernachlässigt werden kann. Der Kobaltanteil dominiert das effektive magnetische Moment der Co-Cu-Probe: Co Co Co Cu µeff (T) = mL1(T) ⋅ cL1 (T) ⋅ µL1 + mL2(T) ⋅ [1 - cL2 (T) ] ⋅ µL2 (6.10) Betrachtet man den Konzentrationsverlauf der metastabilen Binodalen anhand der Co Co Daten von Cao et al. [Ca02], so lassen sich für die Kobaltanteile cL1 (T) und cL2 (T) der beiden separierten Phasen L1 und L2 folgende Temperaturabhängigkeiten anpassen: Co cL1 (T) Co cL2 (T) T -1445 K 27 K = 82.59 - 0.359 ⋅ e = 13.64 + 0.635 ⋅ e T -1445 K 22 K (6.11a) (6.11b) Aus Gleichungen (6.9a), (6.9b), (6.11a) sowie Gleichung (6.11b) lassen sich nun die gewichteten Konzentrationsverläufe von Kobalt und Kupfer in den separierenden Phasen L1 und L2 beschreiben. Abbildung 6.40 stellt die temperaturabhängigen mit den Massenanteilen gewichteten Konzentrationsverläufe der einzelnen Komponenten für eine Ausgangskonzentration von Co70Cu30 graphisch dar. Es zeigt sich, dass die mit Co mL1 gewichteten Kobaltkonzentration cL1 der Majoritätsphase L1 nur schwach tempe- raturabhängig ist und im Temperaturintervall 1500 K > T > 1450 K zwischen Entmischen und Erstarren der Schmelze lediglich um etwa 1 at.% ansteigt, während die mit mL2 gewichtete Kobaltkonzentration in der Minoritätsphase L2 im gleichen Temperaturintervall um etwa 4 at.% abfällt, wie in den vergrößerten Einsätzen in Abbildung 6.40 dargestellt. 121 6 Ergebnisse und Diskussion 68 (L1) 25 67 66 68 1460 1480 1500 Co mL1 cL1 (T) 20 66 64 15 Cu 62 mL1 cL1 (T) Cu-Konzentration [at.%] Co-Konzentration [at.%] 70 Co mL1 cL1 (T) 10 60 1400 1450 1500 Temperatur [K] 16 Co (L2) 25 14 mL2 cL2 (T) 70 10 20 1460 1480 1500 68 Cu mL2 cL2 (T) 15 66 Co mL2 cL2 (T) 10 1400 1420 1440 1460 1480 1500 Cu-Konzentration [at.%] Co-Konzentration [at.%] 12 1520 Temperatur [K] Abb. 6.40: Berechnete Konzentrationsverläufe der Randphasen L1 und L2 einer Co70Cu30-Probe unterhalb der Entmischungstemperatur TSep = 1520 K mit Gewichtungsfaktoren mL1 und mL2 des Hebelgesetzes gemäß des experimentell bestimmten Binodalverlaufs nach [Ca02]. Schwarze Co mL1cL1 (T) verläufe 122 und Linien Co mL2cL2 (T), Cu mL1cL1 (T) präsentieren die gewichteten Kobaltkonzentrationen während die roten Linien berechnete KupferkonzentrationsCu und mL2cL2 (T) darstellen. 6 Ergebnisse und Diskussion Für kobaltreiche Zusammensetzungen ist der Gewichtungsfaktor der separierenden Co Co (T) » cL2 (T) , wodurch das effektiPhasen mL1(T) > mL2(T) und die Konzentration cL1 ve magnetische Moment der entmischten Schmelze durch die kobaltreiche L1-Phase dominiert wird. Für kupferreiche Legierungen gilt zwar ein anderes Gewichtungsverhältnis mL2(T) > mL1(T), aber wiederum ist die Kobaltkonzentration in der L1-Phase wesentlich Co Co Co Co (T) » cL2 (T) . Zieht man nun die Annahme µL1 > µL2 höher als in der L2-Phase: cL1 in Betracht, so lässt sich auch für kupferreiche Zusammensetzungen die Schlussfolgerung ziehen, dass das effektive magnetische Moment der Probe durch die kobaltreiche L1-Phase geprägt wird, die in diesem Konzentrationsbereich die MinoritätsphaCo (T) in der se darstellt. Die schwache Temperaturabhängigkeit der Konzentration cL1 kobaltreichen Phase erklärt, dass ein lineares Curie-Weiss-Verhalten auch im Temperaturbereich TSep> T > TN gefunden wird, obwohl dort noch Umordnungsvorgänge in beiden unterkühlten flüssigen Phasen L1 und L2 stattfinden. Die Umordnungsvorgänge finden durch den gegebenen Verlauf der Binodalen hauptsächlich im ersten Entmischungsvorgang statt, und die Folgeseparationen in den Randphasen L1 und L2 verändern die Zusammensetzung nur noch geringfügig, wie die berechneten Abschätzungen anhand des Binodalverlaufs nach [Ca02] und eines einfachen Hebelgesetzes zeigen. Die Messungen der inversen Suszeptibilität bestätigen diese Abschätzung aufgrund des nahezu linearen Verlaufs der inversen Suszeptibilität im Bereich der entmischten Co-Cu-Schmelzen. 123 6 Ergebnisse und Diskussion Im Lauf der Untersuchungen an Co-Cu tritt ein erneuter Legierungseffekt zu tage. Die mittels DTA-Untersuchung gemessene Entmischungstemperatur der Zusammensetzung Co50Cu50 beträgt gemäß der kalorimetrischen Untersuchung aus Abbildung 6.41 TSep = 1546 K und bestätigt die in magnetische Messungen dieser Zusammensetzung gefundene Temperatur TSep = 1549 K. TPer = 1377 K TN = 1404 K DAT-Spannung [µV] 50 0 50 -50 TSep = 1546 K 45 -100 40 1525 -150 1550 1575 1600 -200 1200 1300 1400 1500 1600 1700 Temperatur [K] Abb. 6.41: DTA-Abkühlvorgang einer Co50Cu50-Probe mit -20 K/min. Die in Abbildung 6.42 dargestellte magnetische Messung einer Co46Cu54-Probe mit vergleichbarer Stöchiometrie ergibt jedoch eine wesentlich höhere Entmischungstemperatur TSep = 1590 K, die sich auch durch mehrmaliges Prozessieren nicht verändert. Dass es sich dabei nicht um einen grundsätzlichen Effekt der magnetischen Messmethode handelt, zeigt die kalorimetrische Nachuntersuchung derselben Probe mittels differentieller Thermoanalyse. Die Schmelze separiert auch dort bei der zuvor in der magnetischen Messung ermittelten Temperatur TSep = 1590 K. Die kobaltreiche Flüssigkeit L1 erstarrt beim letztmaligen Prozessieren der Probe bei TN = 1413 K, was einer Unterkühlung von ∆T = 250 K entspricht. 124 6 Ergebnisse und Diskussion 2 4 TSep = 1590 K 1560 1600 1640 -1 6 Inverse Suszeptibilität χ [10 kg/m³] 4 3 2 TN = 1413 K TL = 1663 K 1 ∆T = 250 K 0 1300 1400 1500 1600 1700 1800 Temperatur [K] Abb. 6.42: Suszeptibilitätsmessung an Co46Cu54. Offene Punkte geben den Aufheizprozess, volle Punkte den Abkühlvorgang mit 20 K/min wieder. Die Messung erzielt eine Unterkühlung von ∆T = 250 K Eine Untersuchung der Probe mittels EDX ergibt, dass sich in der primären kobaltreichen L1-Phase etwa 1 at.% Molybdän befindet, welches in der kupferreichen L2Phase nicht vorhanden ist (siehe Tabelle 6.7). Abbildung 6.43 präsentiert das elementspezifische Mapping einer ca. 600 x 400 µm² großen Schnittfläche der Co46Cu54-Probe. Dabei wird die, durch die auf die Probe auftreffenden Elektronen verursachte charakteristische Röntgenstrahlung analysiert und denen sie verursachenden Elementen zugeordnet. Abbildung 6.43 (b) bis (d) zeigt die einzelnen Intensitätsverteilungen der charakteristischen Röntgenstrahlung von Kobalt (Kα), Molybdän (Lα) und Kupfer (Kα). Der Röntgendetektor zeichnet jedes charakteristische Röntgenquant auf, was in der Darstellung als heller Punkt veranschaulicht wird. Deutlich zu erkennen ist die Anreicherung von Molybdän in den Bereichen der kobaltreichen Phase in Abbildung 6.43 (c). 125 6 Ergebnisse und Diskussion Abb. 6.43: (a) Rückstreuelektronenaufnahme 600x400 µm² der Schnittfläche der Co46Cu54-Probe, (b) Elementverteilungsbild (EVB) von Kobalt, (c) Elementverteilungsbild (EVB) von Molybdän, (d) Elementverteilungsbild (EVB) von Kupfer. Tab. 6.7: Co46Cu54 Co [at%] Cu [at%] Mo [at%] L1 84,99 13,86 1,15 L2 12,1 87,9 - EDX-Analyse der separierten Bereiche L1 und L2 der Co46Cu54-Probe Auch an einer Co25Cu75-Probe kann eine erhöhte Entmischungstemperatur gemessen werden. Eine Unterkühlung von ∆T = 70 K der in Abbildung 6.44 präsentierten Messung der Co25Cu75-Probe ist bereits ausreichend, um eine Entmischung bei der Temperatur TSep = 1585 K hervorzurufen, welche somit um über 50 K über dem kalorimetrisch bestimmten Referenzwert von Cao et al. liegt [Ca02]. 126 6 Ergebnisse und Diskussion TSep = 1585 K 10 T = 1555 K N -1 TL = 1625 K 8 10 6 Inverse Suszeptibilität χ [10 kg/m³] 12 6 1550 1575 1600 8 6 TPer = 1383 K 4 2 ∆T = 70 K 0 1300 1400 1500 1600 1700 1800 Temperatur [K] Abb. 6.44: Suszeptibilitätsmessung an Co25Cu75. Offene Punkte geben den Aufheizprozess, volle Punkte den Abkühlvorgang mit 5 K/min wieder. Die Messung erzielte eine geringe Unterkühlung von ∆T = 70 K, die Entmischung konnte damit aber erreicht werden. Zur Klärung der Ursache der bei beiden Proben auftretenden erhöhten Entmischungstemperatur werden die Probentiegel zerteilt und analysiert. Durch die beim Elektronenstrahlschweißen des Molybdän-Tiegels benötigten hohen Strahlströme kommt es zum Abdampfen geringer Mengen an Molybdän, die sich auf der Probe, dem Glas oder dem keramischen Innentiegel niederschlagen, wie die Rückstreuelektronenaufnahme des in Abbildung 6.45 dargestellten Keramiktiegels verdeutlicht. 127 6 Ergebnisse und Diskussion Abb. 6.45: Rückstreuelektronenaufnahme eines Keramiktiegels, der sich beim Elektronenstrahlschweißen in einem Mo-Tiegel befand; hellgrau dargestellt der Bereich der Al2O3Keramik. Weiße Flecken am oberen Rand des Tiegels sind reine Mo-Ansammlungen. Die Verunreinigung zweier Co-Cu-Proben mit dem Tiegelmaterial Molybdän ist kein Effekt, der durch das Prozessieren der Proben bei hohen Temperaturen im Glasflussmittel Duran® hervorgerufen wird. Vielmehr handelt es sich um eine herstellungstechnisch verursachte Verunreinigung einzelner Proben, die im Lauf der Arbeiten behoben werden kann. Der Effekt auf das Entmischungsverhalten der unterkühlten CoCu-Schmelze wird nur an einzelnen Proben gefunden. Zur Vermeidung der Verunreinigung durch das Elektronenstrahlschweißen des Molybdäntiegels wird der keramische Innentiegel mit einem Deckel versehen, so dass sich eventuell abdampfendes Molybdän auf der Keramik niederschlägt und nicht mit der Probe in Berührung kommt. Die Erhöhung der Entmischungstemperatur im System Co-Cu durch Zulegieren von Molybdän ist ein physikalisch beachtenswerter Effekt. Die Frage, ob es möglich ist, die metastabile Entmischung durch erhöhten Zusatz von Molybdän in eine Entmischung im Gleichgewicht zu überführen, ist von grundsätzlichem Interesse und ließe sich durch weitere Untersuchungen beantworten. 128 Kapitel 7 Zusammenfassung Im Rahmen dieser Arbeit wurde eine Faraday-Waage aufgebaut mit deren Hilfe Messungen der Magnetisierung und der magnetischen Suszeptibilität unterkühlter Metallschmelzen im Temperaturbereich von 300 - 2000 K durchgeführt werden können [Re01]. Anhand der Temperaturverläufe der inversen Suszeptibilitäten lassen sich Curie-Temperaturen TC und effektive magnetische Momente µeff einzelner kristalliner sowie flüssiger Phasen bestimmen. Die Messungen der ferromagnetischen Schmelzen oberhalb der Curie-Temperatur zeigen bei Annäherung an den magnetischen Phasenübergang den ansteigenden Magnetismus und liefern bei hohen Temperaturen präzise Messdaten der metastabilen, unterkühlten Proben [Re02]. Im Verlauf der Untersuchungen sind Unterkühlungen an Kobalt- und Co-BasisSchmelzen von bis zu 300 K gelungen, wobei im unterkühlten Zustand keine Änderung zum beobachteten Curie-Weiss-Verhalten der entsprechenden stabilen Schmelze festgestellt wurde. Unterkühlungen bis an die Temperatur des magnetischen Phasenübergangs konnten am vollständig mischbaren System Co-Pd für eine in Glaseinbettung prozessierte Co82Pd18-Probe erzielt werden. Das Keimbildungsverhalten wurde dabei in Abhängigkeit der Probengröße studiert und lässt Rückschlüsse auf den magnetischen Einfluss auf die Keimbildung im Bereich der Curie-Temperatur der flüssigen Phase zu. Das Nukleationsverhalten von Co-Pd-Schmelzen ist im Bereich hoher Kobaltkonzentrationen für ein vollständig mischbares Legierungssystem ungewöhnlich und scheint durch die einsetzende magnetische Ordnung bei Annäherung an die Curie-Temperatur TCL der Schmelze stimuliert zu werden [Sche00], [Sche02a]. Dies könnte durch das Einsetzen magnetischer Ordnung die thermodynamischen Parameter ∆GV und σ in der Aktivierungsenergie der Keimbildung beeinflussen. Diese Effekte werden durch das klassische Modell der Kristallkeimbildung bislang nicht berücksichtigt, sind jedoch Gegenstand der aktuellen Forschung [Ho02a]. Am eutektischen Legierungsystem Co-Au wurden weitere Untersuchungen hinsichtlich magnetischer Einflüsse auf die Kristallkeimbildung durchgeführt. Die Bestimmung der Curie-Temperaturen von fester und flüssiger Phase von Co90Au10 dient dabei der Einordnung der kalorimetrischen Messungen an Co-Au von Wilde 7 Zusammenfassung im Konzentrationsbereich x < 15,5 at.% Au [Wi97]. Während die ermittelte CurieTemperatur von festen Co90Au10 mit der von reinem α-Kobalt nahezu übereinstimmt, ist die Temperatur des magnetischen Phasenübergangs der flüssigen Co90Au10-Phase um über 50 K niedriger als die der Kobaltschmelze. Die von Wilde maximal erreichten Erstarrungstemperaturen befinden sich im Co-Au- Phasendiagramm alle auf der extrapolierten Verbindung zwischen den CurieTemperaturen TCL der Schmelzen von reinem Kobalt und Co90Au10. Wie am vollständig mischbaren Legierungssystem Co-Pd findet sich demnach auch am eutektischen System Co-Au ein Erstarrungsverhalten, welches von der sich bildenden magnetischen Ordnung in der Nähe der Curie-Temperatur der flüssigen Phase stimuliert zu sein scheint. Magnetische Messungen am peritektischen System Co-Cu geben einen interessanten Einblick in die physikalischen Vorgänge eines im unterkühlten Zustand entmischenden Systems. Bei Unterschreiten der Temperatur der metastabilen Binodale separiert die homogene Co-Cu-Schmelze in eine starkmagnetische, Coreiche Phase und eine schwachmagnetische, Cu-reiche Phase, welche ihrerseits bei abnehmender Temperatur weiter entmischen. Die Folgeentmischung innerhalb der separierten Randphasen hat jedoch keine merklichen Auswirkungen auf das Messsignal der Faraday-Waage, da die Konzentrationen innerhalb der Mischphasen nur noch geringe Veränderungen aufweisen. Durch den über einen weiten Konzentrationsbereich flachen Verlauf der metastabilen Binodalen ändert sich die chemische Zusammensetzung der separierenden Randphasen nach der primären Entmischung der homogenen Co-Cu-Probe nur noch marginal. Elektronenmikroskopische Analysen lassen die Folgeseparationen in der erstarrten Proben erkennen und den Entstehungsprozess weiterer Phasen nachvollziehen. Neben den magnetischen Messungen an Co-Basis-Schmelzen fanden Röntgenbeugungsexperimente an flüssigem Kobalt statt. Durch den ermittelten Strukturfaktor konnte anhand der berechneten Paarkorrelationsfunktion die Koordinationszahl für die stabile und die unterkühlte Schmelze bestimmt werden. Mit abnehmender Temperatur wurde dabei eine leichte Zunahme der Koordination Z ≈ 12 beobachtet [Ho02]. Diese Koordinationszahl ist kompatibel mit der Anzahl nächste Nachbarn Z = 12 von kristallinem α-Kobalt. Da die Anzahl nächster Nachbarn im Heisenbergmodell direkt in das Austauschintegral eingeht und damit auf die magnetische Wechselwirkungen der Spins Einfluss hat, lässt sich aus der nahezu identi130 7 Zusammenfassung schen Koordination von festem und flüssigem Kobalt auf eine annähernde Übereinstimmung der magnetische Wechselwirkung der verschiedenen Zustände schließen, da sich auch die Dichten beider Phasen am Schmelzpunkt um lediglich 1 % voneinander unterscheiden. Die Röntgenbeugungsexperimente bestätigen somit die geringen Unterschiede der magnetischen Eigenschaften von kristallinem und flüssigem Kobalt, die in den Messungen der Faraday-Waage gefunden wurden und verdeutlichen den qualitativen Zusammenhang zwischen atomarer Koordination und magnetischer Wechselwirkung. 131 7 Zusammenfassung 132 Literatur [Ad67] E. Adler, C. Radeloff, Z. angew. Phys. 26, 105 (1967) [Al97] T. Albrecht, C. Bührer, M. Fähnle, K. Maier, D. Platzek, J. Reske, Appl. Phys. A 65, 215-220 (1997) [Be35] R. Becker, W. Döring, Ann. Phys. 24, 719 (1935) [Ber81] Bergmann-Schäfer, Aufbau der Materie, Bd. 4, Teil 1 Walter de Gruyter, Berlin (1981) [Ber92] Bergmann-Schäfer, Festkörper, Bd. 6, Walter de Gruyter, Berlin (1992) [Bet90] K. Bethge, G. Gruber, Physik der Atome und Moleküle: Eine Einführung, VCH Verlagsgesellschaft Weinheim (1990) [Br64] M. Braun, Dissertation Universität zu Köln, 1964 [Bu68] G.Busch, H.J.Güntherodt, Phys.Lett.27A (1968) 110 [Ca01] C.D. Cao, T. 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Volkmann für zahlreiche fruchtbare Diskussionen und ihre tatkräftige Unterstützung, die maßgeblich zum Gelingen der Arbeit beigetragen hat. Weiter gilt mein Dank Dr. G.P. Görler für die Durchführung von DTA-Messungen, Dipl.-Ing. H. Grill und Dipl.-Ing. H. Baden für ihren technischen Einsatz, allen Mitarbeitern der Mechanik- und Elektronikwerkstatt für ihre Hilfsbereitschaft und die Unterstützung beim Aufbau der Faraday-Waage, I. Parpart, C. Müller und A. Herrmann für ihre Unterstützung bei allen administrativen Angelegenheiten und allen Kolleginnen und Kollegen der Arbeitsgruppen ‚Unterkühlung von Materialien’ und ‚Thermophysik’ für das angenehme Arbeitsklima, welches maßgeblich dafür gesorgt hat, dass mir meine Tätigkeit im Institut für Raumsimulation sehr viel Freude bereitet hat. Ganz besonderer Dank gilt meiner Familie, die mir durch ihre permanente moralische und finanzielle Unterstützung meine Ausbildung ermöglicht hat. Die Arbeit wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Schwerpunktprogramms ‚Unterkühlte Metallschmelzen’ gefördert. Lebenslauf 11.08.1972 geboren in Hanau/Main 1978-1982 Grundschule Hammersbach 1982-1984 Georg-Büchner Gesamtschule Erlensee 1984-1991 Hohe Landesschule Hanau 06/1991 Allgemeine Hochschulreife 1991-1992 Grundwehrdienst 1992-1997 Studium der Physik an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt/Main 1996-1997 Diplomarbeit am I. Physikalischen Institut im Kristall- und Materialentwicklungslabor Titel: Einkristallzüchtung und Charakterisierung von CePd2Si2 und CeCu2Ge2 09/1997 Diplom der Physik 03/1998 Beginn der Promotionsarbeit bei Prof. Dr. D.M. Herlach, Institut für Experimentalphysik IV, Fakultät für Physik und Astronomie, Ruhr-Universität Bochum & Institut für Raumsimulation, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Köln Seit 05/2002 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Experimentalphysik IV, Fakultät für Physik und Astronomie, Ruhr-Universität Bochum