Macht und Gewalt Staat und Partei

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Marxistische Lesehefte 3
Michael Benjamin
Macht und Gewalt
Staat und Partei
Berlin 1998
Marxistische Lesehefte
Heft 3
ISBN 3-932725-41-7
Redaktion: Uwe-Jens Heuer, Harry Nick, Kurt Pätzold, Arnold Schölzel
Satz: Kurt Pätzold, Hans-Joachim Siegel
Herstellung: GNN Verlag Sachsen/Berlin GmbH
Badeweg 1, 04435 Schkeuditz
Tel.: (03 42 04) 6 57 11 FAX: (03 42 04) 6 58 93
Preis: 00,00 DM
Inhalt
Vorwort des Redaktionskollegiums
Macht und Gewalt. Staat und Partei
(eingeleitet und ausgewählt von Michael Benjamin)
I. Einführung
1. Macht und Gewalt
2. Staat
3. Partei
5
8
8
8
11
17
II. Texte
21
1. Karl Marx/Friedrich Engels über Rolle und Ziele der Kommunisten (1848) 21
2. Friedrich Engels über Wege und Ziele der Revolution (1847)
22
3. Friedrich Engels über den Staat als historische, vergängliche Erscheinung
und Instrument der Klassenherrschaft (1884)
24
4. Karl Marx über die Kommune als politische Form, unter der die
ökonomische Befreiung der Arbeit sich vollziehen kann (1871).
26
5. Friedrich Engels über „Staatsplunder“, Pariser Kommune und Diktatur des
Proletariats (1891)
28
6. Friedrich Engels über die Gewalt (1877)
28
7. Friedrich Engels über allgemeines Wahlrecht und Revolution (1895)
29
8. Friedrich Engels über Predigt der Gewaltlosigkeit (1895)
30
9. Wladimir I. Lenin über die revolutionäre Partei (1902)
31
10. Wladimir I. Lenin über die „Entdeckung“ der Sowjets als Keimform der
revolutionären Regierung (1906)
31
11. Wladimir I. Lenin über die „Die Aufgaben der revolutionären
proletarischen Staatsordnung“ (März 1917)
32
12. Wladimir I. Lenin „Über die Doppelherrschaft“ (1917)
33
13. Wladimir I. Lenin über Disziplin, Rechenschaftslegung und Kontrolle als
aktuelle Aufgaben der Sowjetmacht (April/Mai 1918)
34
14. Rosa Luxemburg über die Oktoberrevolution (1918)
36
15. Wladimir I. Lenin über das Fraktionsverbot in der KPR (1921)
38
16. Wladimir I. Lenin über die Gefahr der Spaltung der Partei und
persönlicher Machtkämpfe. Schwierigkeiten bei der Umgestaltung des
Apparats (Dezember 1922 - Januar 1923)
39
17. Josef W. Stalin über die „Partei neuen Typus“ (1924)
41
18. Leo Trotzki über die Fraktionen und innerparteilichen Kampf (1936)
43
19. Antonio Gramsci über Staat und Zivilgesellschaft (1930/1931)
43
20. Antonio Gramsci über die Zivilgesellschaft als Kampffeld (1932)
44
21. Antonio Gramsci über Partei und Klasse; Herrschaft, Führung und
Führungsanspruch (1932)
44
Inhaltsv erze ic hnis
3
22. Antonio Gramsci über Stabilität einer Partei und Führungsanspruch
(1932/1933)
23. Leo Trotzki über den doppelten Charakter des Arbeiterstaates (1936)
24. Josef W. Stalin über die Verschärfung des Klassenkampfes beim
fortschreitenden Aufbau des Sozialismus (1937)
25. Josef W. Stalin über Entwicklungsphasen und Funktionen des
sozialistischen Staates. Sein Fortdauern im Kommunismus (1939)
26. Möglichkeit und Voraussetzungen des friedlichen bzw. parlamentarischen
Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus (1960)
27. Palmiro Togliatti über die Einheit in Vielfalt der sozialistischen Kräfte im
Lande (1963)
28. Palmiro Togliatti über die Einheit in Vielfalt der internationalen
sozialistischen Kräfte (1964)
29. Palmiro Togliatti über "Kapitalismus und Strukturreformen" (1964)
30. Palmiro Togliatti über den parlamentarischen Weg zum Sozialismus (1964)
III.Literaturverzeichnis
IV. Personenverzeichnis
4
45
46
47
48
49
50
51
52
52
53
55
Inhaltsverzeichnis
Vorwort des Redaktionskollegiums
Im Aufruf „In großer Sorge“ hatten dessen Unterzeichner 1995 vor der Gefahr
einer Richtungsänderung der PDS gewarnt, die dem Anpassungsdruck nachgibt.
Die Unterzeichner forderten dagegen, „gemeinsam den Versuch zu unternehmen,
vernünftig, also radikal, Vergangenheit und Gegenwart zu analysieren und dabei
für unsere Strategie das, was wir bei Marx Wichtiges und Richtiges gelernt
haben, nicht leichtfertig zugunsten neuer Moden über Bord zu werfen“1. Der Prozeß hat sich nicht mit der Schnelligkeit vollzogen, wie viele von uns damals
befürchteten, aber er geht weiter. Überwiegender Pragmatismus geht mit theoretischer Bedenkenlosigkeit einher.
Eine auf radikale Veränderung der bestehenden Verhältnisse zielende Strategie
der PDS bedarf unabdingbar entsprechender Theorie. Statt dessen werden auf
unterschiedlichem Niveau Teilaussagen der Modernetheorien mit marxistischen
Aussagen und tagespolitisch begründeten Forderungen kombiniert. Viele theoretisch Interessierte innerhalb und außerhalb der PDS finden sich dabei nicht
zurecht, sind sich unsicher, was von dem früher Gelernten denn heute noch gilt,
ob und inwieweit der Marxismus helfen könne, was denn heute Marxismus sei.
Der ständige Druck, „durch den Zusammenbruch des europäischen Sozialismus
ist der Marxismus, ist Marx widerlegt“, bleibt nicht ohne Wirkung. Manche
haben auch die Sehnsucht nach der Wiederherstellung eines geschlossenen
Denksystems (übrigens ist auch die heute verbreitete Ideologie weitgehend
geschlossen, ohne daß diese Geschlossenheit etwas mit theoretischem Anspruch
zu tun hat). Links-kritisch denkende Jugendliche suchen vergeblich nach einem
Zugang zu marxistischer Theorie.
Was ist in dieser Situation möglich, was könnte vielleicht das Marxistische Forum
leisten? Viele veröffentlichen Arbeiten, auch in unserer Schriftenreihe. Das aber
genügt diesen Anforderungen nicht. Eine theoretische Antwort auf unsere heutige Gesamtsituation kann niemand geben. Sieben Jahre nach einem solchen
Zusammenbruch ist das unmöglich. Erst muß sich der Staub dieses Zusammenbruchs gelegt haben, müssen die neuen Widersprüche voll sichtbar werden, ehe
überhaupt an eine solche Antwort herangegangen werden kann. Abendroth hatte
schon 1967 resignierend gesagt: „Wir müssen unsere Situation im wesentlichen
mit der Lage vergleichen, in welcher sich am Anfang des 19. Jahrhunderts Fourier oder Sismondi und solche Leute befunden haben.“2
Eine Lösung kann auch nicht in dem einfachen Rückgriff auf Karl Marx liegen,
was er denn wirklich gesagt habe, wie dies vor Jahrzehnten Ernst Fischer und
1
Aufruf „In großer Sorge”, 1995, in: Neues Deutschland vom 18. Mai 1995
2
Wolfgang Abendroth, Gespräche mit Georg Lukàcs, Reinbek 1967, S. 93
Vorwort
5
kürzlich Wolfgang Leonhard vornahmen. Hier handelt es sich um eine Reaktion
auf die marxistisch-lenininstische Orthodoxie, die gegenwärtiges politisches
Handeln unmittelbar aus den Aussagen der „Klassiker“ ableitete, in dem wirklich oder scheinbar entgegengesetzte Zitate aufgelesen wurden, das Werk von
Marx und Engels von der anderen Seite her als Steinbruch für Zitatenschlachten
benutzt wurde.
Was also könnte geschehen, um bei der marxistischen Aneignung der Gegenwart
zu helfen?
Ein Beitrag des Marxistischen Forums soll die gemeinsame Erarbeitung eines
„Marxistischen Lesebuchs“ sein. Das kann und darf keine Zusammenstellung
„richtiger“, also auch einander nicht widersprechender, Texte sein. Andererseits
können wir uns nicht auf die Darstellung der Methode beschränken, was ja hieße,
daß es keinerlei Ergebnisse mehr gäbe. Es muß marxistisches Denken in seiner
historischen Entwicklung und Widersprüchlichkeit erscheinen. Was aber ist
eigentlich marxistisches Denken?
Marxistisches Denken im Gefolge von Marx ist immer eingreifendes materialistisch-dialektisches Denken. Wir sagen der Welt nicht, schrieb Marx 1843 an
Ruge, „Laß ab von deinen Kämpfen, sie sind dummes Zeug, wir wollen dir die
wahre Parole des Kampfes zuschrein. Wir zeigen ihr nur, worum sie eigentlich
kämpft, und das Bewußtsein ist eine Sache, die sie sich aneignen muß, wenn sie
auch nicht will.“3 Praxisrelevanz der Theorie ist damit ebenso gemeint, wie die
Sicht der Theorie als integrales Moment der Praxis. Der Marxismus enthält damit
notwendig sowohl Aussagen über die Welt, über ihre Alternativen und Möglichkeiten wie normative Aussagen über Ziele. Das Verhältnis von Theorie und Praxis, von Theorie und Politik steht im Mittelpunkt seines Interesses. Dem Marxismus wohnt damit notwendig die Frage nach dem Adressaten, nach dem Subjekt
der Veränderung inne. Das war zunächst die Arbeiterbewegung (Marx: „Wie die
Philosophie im Proletariat ihre materiellen, so findet das Proletariat in der Philosophie seine geistigen Waffen.4“, später mehr und mehr die Partei und der von
ihr dominierte Staat.
Diese Beziehung von Theorie und Subjekt hatte zwiespältige Folgen. Für den
Erfolg der Verbreitung mußte ein Preis bezahlt werden. Die Theorie wurde den
Interessen und dem Verständnis des Subjekts unterworfen. Im Dienste der Überzeugungskraft einer geschlossenen Weltanschauung (Lenin: „Die Lehre von Marx
ist allmächtig, weil sie wahr ist. Sie ist in sich geschlossen und harmonisch.“5
wurde der Marxismus immer stärker aus einem Paradigma, das stets an der sich
3
Marx-Engels-Werke (MEW), Bd. 1, Berlin 1978, S. 345
4
MEW, Bd. 1, Berlin 1978, S. 391
5
Lenin-Werke (LW), Bd. 19, Berlin 1981,S. 3
6
Vorwort
verändernden Wirklichkeit zu überprüfen war, zu einem alles erklärenden
Dogma, unterlag er den Gefahren der Ideologie. Das begann schon mit dem AntiDühring, setzte sich in den Schriften von Kautsky (dem Begründer des „Marxismus“) fort und erreichte seinen Höhepunkt unter Stalin.
Der Ausweg kann nicht sein, den Zusammenhang zwischen Theorie und gesellschaftlicher Praxis zu zerreißen. Er bleibt die Seele des Marxismus, war auch die
Grundlage seiner wissenschaftlichen Fruchtbarkeit. Der Ausweg kann nur in
einer konsequent historischen Sicht auf die eigene Geschichte und Gegenwart
liegen. Der Marxismus ist als theoretische Bewegung stets mit der sich verändernden Welt verknüpft, antwortet auf sie, korrigiert seine Antworten. Er ist zu
keinem Zeitpunkt ein geschlossenes System, sondern immer nur Antwort, besser
ein Feld von Antworten auf die Welt. Er steht nicht nur in Auseinandersetzung
mit der Welt, sondern stets auch in innerer Auseinandersetzung. Er unterliegt
damit immer auch der Gefahr irriger, unreifer und apologetischer Antworten,
bestimmt durch ungenügende Kenntnis, den Druck des Gegners, auch aber des
eigenen Dogmatismus.
Jedes neue marxistische Nachdenken muß bemüht sein, an die bisherige Gesamtentwicklung anzuknüpfen, frühere Auseinandersetzungen nicht zu wiederholen, aber fortzuführen. Ein vereinfachtes, primitives Geschichtsbild hat in vielen Fällen Kampfwillen und Kampfentschlossenheit gefördert. Es konnte aber
auch dazu führen, daß - im Vertrauen auf den ohnehin sicheren Sieg - vor dem
konkreten, immer unsicheren, Kampf zurückgewichen wurde. Es war dem
Marsch in der Kolonne dienlich, nicht aber dem eigenverantwortlichen, selbständigen Kampf. Vor allem aber, und das ist ja heute erschreckende Wirklichkeit,
führt die Niederlage dann zum ideellen Zusammenbruch. Der „Sieger der
Geschichte“ ist auf Niederlagen nicht vorbereitet, er ordnet sich der neuen
„objektiven Gesetzmäßigkeit“ unter.
Eine neue Aneignung des marxistischen Erbes könnte durch ein Marxistisches
Lesebuch unterstützt werden. Es soll auch unsere eigenen Fragen und Zweifel
widerspiegeln, die Diskussion herausfordern. Es enthält klassische Texte von
Marx ebenso wie von Engels, Texte von Kautsky, Bernstein, Luxemburg, Lenin,
Trotzki, Stalin, Lukàcs, Gramsci, Thalheimer bis zu Mandel u. a. (keine lebenden Autoren), Texte, die in ihrer Einheit und Widersprüchlichkeit den Reichtum
und die Probleme marxistischen Denkens zum Weiterdenken enthalten. Hauptkriterium der Auswahl ist theoretisches Niveau, Sprachgewalt und historische
Wirksamkeit.
Es werden zu etwa dreißig Begriffen Texte mit einer kurzen Einführung vorgelegt.
Dabei war Textzusammenstellung und Einführung Sache des jeweiligen Autors.
Sie erscheinen zunächst als Marxistische Lesehefte mit in der Regel zwei Begriffen. Später sollen sie als Buch veröffentlicht werden.
Vorwort
7
Macht und Gewalt. Staat und Partei.
Eingeleitet und ausgewählt von Michael Benjamin
I. Einführung
1. Macht und Gewalt
Ohne den Anspruch auf scharfe definitorische Abgrenzung zu erheben,
wollen wir unter „Macht“ ein gesellschaftliches Verhältnis verstehen, bei
dem Individuen oder Gruppen von Menschen andere Menschen oder
Gruppen oder die Natur zu einem bestimmten Verhalten veranlassen können oder veranlassen (Machtausübung). Macht wird auf verschiedenen
Gebieten und in unterschiedlichen Formen ausgeübt. So wird zwischen
ökonomischer, politischer und ideologischer Macht unterschieden. Unter
„Gegenmacht“ wird häufig die Formierung gesellschaftlicher Kräfte (z.B.
der Gewerkschaften, Bürgerinitiativen, in Rußland die Sowjets vor der
Oktoberrevolution - dazu Text 10) verstanden, die den herrschenden
Machtverhältnissen entgegenwirken. Unter „Herrschaft“ verstehen wir
vor allem verfestigte, institutionalisierte Formen der Machtausübung. Von
„Gewalt“ sprechen wir, wenn Macht durch physischen Zwang oder dessen
Androhung ausgeübt wird oder letztlich ausgeübt werden kann. 1 Diese
Begriffe überschneiden sich und werden in der Literatur - auch bei Marx,
Engels und den späteren Theoretikern des Marxismus - nicht scharf
unterschieden. Wenn z.B. in der juristischen und politischen Literatur
von „Gewaltenteilung“ die Rede ist, so geht es in dem hier besprochenen
Sinne um Macht. Begriffe wie „Gewaltmonopol des Staates“ beziehen sich
auf den oben umrissenen Gewaltbegriff.
Für Marx, Engels und die späteren marxistischen Theoretiker und Politiker war und ist der Kern der „Machtfrage“ die Beseitigung der Kapitalherrschaft, die Erhebung der Arbeiter zur herrschenden Klasse - ein Prozeß, der als der „Eroberung der Demokratie“ und letztlich Aufhebung jeglicher Klassenherrschaft verstanden wurde. (Text 1). In seiner Konzeption der „Zivilgesellschaft“ hob Gramsci die Rolle nichtstaatlicher,
gewerkschaftlicher, kultureller u.a. Institutionen als Arena des Kampfes
um die Hegemonie hervor (Text 19).
1
8
Ähnlich bestimmt Klenner diese Begriffe. Vgl. Hermann Klenner, Macht/Herrschaft/Gewalt, in: Europäische Enzyklopädie zu Philosophie und Wissenschaften, Bd. 3, herausgegeben von Hans Jörg Sandkühler, 1990, S. 114ff.
Einführung
Gegenwärtig sind die Auffassungen marxistischer Theoretiker und Politiker zu dieser Frage sehr unterschiedlich. Sie reichen von der unveränderten Bejahung der Notwendigkeit des Sturzes der Bourgeoisie und der
Errichtung der Herrschaft der Arbeiterklasse bis zur Forderung nach
Überwindung der Dominanz des privatkapitalistischen Eigentums und
umfassender Demokratisierung der Gesellschaft als wesentliche Bestandteile einer Sozialismuskonzeption, wie sie etwa in der Programmatik der
PDS zum Ausdruck kommt, die sich allerdings nicht als marxistische Partei versteht. 2
Die Frage der Gewalt stellte sich für Marx und Engels vor allem als Frage
nach den Wegen zur Erreichung der sozialistischen Ziele. Wie auch Lenin
waren sie weder Anbeter der Gewalt noch Apostel der Gewaltlosigkeit. Sie
wandten sich entschieden und oft mit ätzendem Spott gegen ein moralisierendes Herangehen an die Gewaltproblematik, wie auch an andere
politische Fragen (Text 6). Im Vordergrund standen für sie die grundlegende Veränderung der Eigentumsverhältnisse, die Beseitigung der Herrschaft des kapitalistischen Privateigentums, die Zerschlagung des Machtapparates des bürgerlichen Staates und seine Ersetzung durch einen
neuen Staat „vom Typ der Pariser Kommune“. In Abhängigkeit von den
konkret-historischen Voraussetzungen revolutionärer Veränderungen hielten sie verschiedene Wege zu diesem Ziel für möglich. Während Marx und
Engels z.B. 1848 den gewaltsamen Umsturz der bestehenden Gesellschaftsordnung für unvermeidlich hielten (Text 1), hielt es Engels 1895
unter dem Eindruck der Wahlerfolge der SPD für möglich, durch Wahlen
zumindest den Anstoß zu grundlegenden Veränderungen zu geben (Text
7). Fehlinterpretationen dieser Ansicht in dem Sinne, daß er zum Anbeter
der Gewaltlosigkeit geworden sei, wies er jedoch nachdrücklich zurück
(Text 8). Lenin hielt zwischen Februar und Juni 1917 den friedlichen
Übergang der Macht in Rußland in die Hände der Sowjets für möglich.
In der Zeit zwischen den Weltkriegen gingen die meisten kommunistischen Parteien zunächst von der Notwendigkeit revolutionärer Kämpfe zur
Errichtung einer Räteherrschaft aus. Mit den Beschlüssen des VII. Weltkongresses der Komintern wurde der Weg breiter, auch parlamentarischer
Volksfrontbündnisse zur Abwehr der faschistischen Gefahr eröffnet. Nach
dem zweiten Weltkrieg bildeten sich im Ergebnis der maßgeblichen Teilnahme der Kommunisten am bewaffneten antifaschistischen Widerstand
und Partisanenkrieg in vielen Ländern Europas und Asiens zunächst breite Regierungsbündnisse unter Teilnahme von Kommunisten. Mit dem Auf2
Vgl. Programm der Partei des Demokratischen Sozialismus, Abschnitt 3, in:
DISPUT, Nr. 3-4/1993, S. 39
Einführung
9
flammen des kalten Krieges zerfielen diese Bündnisse in Westeuropa
schnell, während in Osteuropa sozialistische Umwälzungen vorgenommen
wurden.
Unter dem Eindruck der Ergebnisse des politischen Kampfes in Westeuropa wurde in den Erklärungen der Beratungen von Vertretern der kommunistischen und Arbeiterparteien 1957 und 1960 die Möglichkeit des
friedlichen bzw. parlamentarischen Übergangs zum Sozialismus unter
bestimmten Voraussetzungen bejaht (Text 27), jedoch nicht von allen
kommunistischen Parteien für die eigene Praxis akzeptiert.
Auch heute sind in dieser Frage globale Aussagen kaum möglich. Zu
unterschiedlich sind die Bedingungen, ist der Grad der Unterdrückung
linker Bewegungen, in zu unterschiedlichem Maße sind bürgerliche Freiheitsrechte und eine legale sozialistische Opposition gewährleistet, unterschiedlich möglicherweise auch die Gewaltbereitschaft der Bourgeoisie,
wenn es um ihre Privilegien geht. Begründet und notwendig ist aber die
Aussage, daß in Deutschland für den historisch überschaubaren Zeitraum
Gewaltanwendung mit dem Ziel sozialer Veränderungen perspektivlos und
abzulehnen ist.
Individuellen Terror und besonders, wenn er sich gegen Unbeteiligte richtet, haben die Kommunisten stets abgelehnt und lehnen ihn ab. Allerdings
benennen sie auch die Ursachen, die hierzu führen und die fast immer in
der Unterdrückungspolitik der Herrschenden ihre Wurzeln haben.
Das praktisch auch heute bedeutendere Problem ist die rechts- und verfassungswidrige Gewaltanwendung durch die Herrschenden. Zu welchem
Verfassungsbruch, Terror und Mord diese fähig sind, wenn wirklich
gesellschaftliche Reformen in Angriff genommen werden, hat in der jüngeren Geschichte Chile demonstriert.
In einem sozialistischen Gemeinwesen kann Gewalt als Mittel der Herrschaftsausübung nur in Ausnahmesituationen wie eines Krieges oder von
der Konterrevolution angezettelten Bürgerkrieges als Antwort auf konterrevolutionäre Gewalt und Terror zeitweilig historisch erzwungen und
gerechtfertigt sein. Ihre Verabsolutierung, wie sie besonders in der Stalinschen These von der gesetzmäßigen Verschärfung des Klassenkampfes
mit dem weiteren Fortschreiten zum Sozialismus zum Ausdruck kam (Text
23), war weder gerechtfertigt noch revolutionär. Letztlich bewirkte sie die
Schwächung des Sozialismus und trug wesentlich zu seinem Scheitern bei.
10
Einführung
2. Staat
Der Staat ist in allen Klassengesellschaften die umfassendste (wenn auch
nicht die einzige) Institution zur Ausübung von Herrschaft in der Gesellschaft und über diese. Aus marxistischer Sicht ist er unabhängig von seinen Formen eine Institution und ein Instrument der Klassenherrschaft,
der Sicherung der politischen Herrschaft der ökonomisch herrschenden
Klasse.
Marx und Engels sahen den Staat als unter bestimmten historischen
Bedingungen entstandene und ebenso historisch vergängliche Erscheinung an (Text 3). Er wird als „Auswuchs“ am Körper der Gesellschaft, als
Mechanismus, der sich von dieser im Prozeß der Arbeitsteilung gelöst und
über sie erhoben hat, damit zugleich als Instrument der Klassenherrschaft
bestimmt.
Zu den wesentlichsten Elementen des „Absterbens des Staates“ gehören
nach Auffassung von Marx und Engels:
die Orientierung des staatlichen Wirkens auf die Interessen der Arbeitenden,
das „Zurückholen des Staates in die Gesellschaft“, d.h. die Beseitigung
aller Privilegien der Staatsbeamten, insbesondere ihrer Unabsetzbarkeit
und hohen Entlohnung, die Entwicklung basisdemokratischer Mechanismen der Machtausübung,
die Herstellung der Gewalteneinheit: Kontrolle der Verwaltung durch
die Vertretungskörperschaften einschließlich der Übernahme von Verwaltungsfunktionen durch Kommissionen der Vertretungskörperschaften,
Aufhebung der Unabsetzbarkeit der Richter (Text 4).
W.I. Lenin sah das „Absterben“ als einen Wesenszug des sozialistischen
Staates an. Er ging davon aus, daß die Sowjets, ursprünglich in der Revolution von 1905 und erneut während der Februarrevolution 1917 als Organe des Aufstandes entstanden, Organe gleichen Typs sind wie die Staatsorganisation der Pariser Kommune (Text 12).
Organisationsformen vom Typ der Räte bildeten sich auch in Deutschland
und anderen europäischen Ländern im Gefolge der revolutionären Bewegungen nach dem Ende des ersten Weltkrieges (z.B. Österreich, Ungarn,
der Slowakei). Überall traten sie in Konkurrenz zu den bürgerlich-parlamentarischen Formen der Organisation der Staatsmacht. Ein kurzfristig
bestehender Parallelismus der Macht („Doppelherrschaft“) erwies sich
stets als instabil. In Rußland wurde im Ergebnis der Oktoberrevolution
die Räteherrschaft errichtet. In den anderen Ländern Europas wurde die
Rätebewegung entweder gewaltsam niedergeschlagen (Ungarn, Bayern,
Slowakei, baltische Staaten, Finnland) oder unter dem dominierenden
Einführung
11
Einfluß der Sozialdemokratie in die bürgerlich-parlamentarische Staatsorganisation integriert und löste sich letztlich in dieser auf. Die Betriebsräte in Deutschland sind der letzte Nachhall der Rätebewegung von
1918/19.
Aber auch in Sowjetrußland wurde der Rätegedanke letztlich nicht realisiert. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit sind hier folgende Aspekte zu
benennen
Die angespannte Situation der Sowjetmacht in den ersten Jahren ihrer
Existenz, Bürgerkrieg, ökonomische Unterentwicklung und materielle
Not, erzwangen zunächst ein großes Gewicht von Methoden des Zwanges.
Es erwies sich weiter, daß der Ansatz der „wissenschaftlichen Leitung der
Gesellschaft“, d.h. der Steuerung der ökonomischen und sozialen, der
Produktions- wie der Reproduktionsprozesse im Maßstab der gesamten
Gesellschaft ohne einen ausgebildeten Apparat von arbeitsteilig damit
befaßten Spezialisten (Plankommission usw.) nicht realisierbar ist.
Hinzu kam, daß generell das Konzept der Leitung gesellschaftlicher Prozesse „als einheitliche Fabrik“ (d.h. insbesondere unter weitgehendem
Ausschluß von Marktmechanismen) sich nicht als tragfähig erwies. Mit
der zunehmenden Einführung von Marktmechanismen wurde in das ökonomische System ein Widerspruch gesetzt, den es nicht gelang, dialektisch, produktiv im Sinne einer Synthese zu lösen.
Auch das Konzept der Gewalteneinheit, d.h. des prinzipiell uneingeschränkten Primats der Volksvertretungen erwies sich als problematisch.
Die Praxis der staatlichen Tätigkeit des „realen Sozialismus“, um diese
unscharfe Bezeichnung einmal zu verwenden, führte nicht zur Vorherrschaft der Volksvertretungen sondern zu einer zunehmend sich verstärkenden und zuletzt fast absoluten Vorherrschaft des Apparates, der Exekutive. Hierbei wirkten mehrere Faktoren zusammen.
Zum einen wurde schnell die Notwendigkeit einer Arbeitsteilung zwischen Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung ebenso wie die
einer hierarchischen territorialen Gliederung offensichtlich und so auch
realisiert. Auf diese Weise entwickelten sich Strukturen, die jenen bürgerlicher Staaten ähnelten, insbesondere ein Staatsapparat, bestehend
aus hauptamtlichen Staatsfunktionären.
Im Unterschied zum bürgerlich-parlamentarischen System fehlte aber
wegen des Grundsatzes der „Gewalteneinheit“ eine klare Kompetenzabgrenzung zwischen Volksvertretungen und ihrem Apparat, was zur Folge
hatte, daß es nur wenige Fragen gab, deren Entscheidung ausschließlich
den Volksvertretungen vorbehalten blieb. Hinzu kam, daß der im Sinne
basisdemokratischer Prinzipien bedeutsame Grundsatz der Ehrenamtlich12
Einführung
keit der Abgeordneten und der Verbindung von Arbeit im Betrieb und in
der Volksvertretung nur realisierbar war, wenn die Volksvertretungen in
großen Abständen und nicht zu lange tagten. Das wirkte sich negativ auf
die Informiertheit und Fachkompetenz der Abgeordneten aus und engten
ihre realen Entscheidungsmöglichkeiten ein. Faktisch trafen die Exekutivorgane die weit überwiegende Zahl der staatlichen Entscheidungen. Da
aber auch die gerichtliche Kontrolle von Verwaltungsentscheidungen als
Ausdruck bürgerlichen Staatsdenkens angesehen und nicht zugelassen
wurde, war die Exekutive auf der staatlichen Ebene weitgehend unkontrolliert.
Es gab eine intensive und wirksame Kontrolle und Einwirkung auf die
Arbeit des Staatsapparates von Seiten der kommunistischen Partei. Auch
diese verlief jedoch in der Praxis von (Partei-)Apparat zu (Staats-)Apparat. Zur Durchsetzung des Rätegedankens konnte solche Arbeitsweise
nicht beitragen. Allenfalls wurden die Räte als „Transmissionen“ der Partei angesehen (Text 17).
Die Herausbildung einer Bürokratenschicht, die wie alle Bürokratien in
erster Linie an der Selbsterhaltung und eigenen erweiterten Reproduktion interessiert war, erkannte bereits Lenin als gravierendes Problem und
versuchte, dem entgegenzuwirken (Text 16). Später wurden diese Prozesse von Trotzki eingehend analysiert (Text 22).
Als Illusion erwies sich auch, daß die Aufhebung von Klassengegensätzen
gewissermaßen von allein alle anderen sozialen Widersprüche und
Gegensätze beseitigt. Die Ignoranz in dieser Hinsicht führte zu groben
Fehleinschätzungen, was z.B. die Geschlechterfrage, ethnische Differenzen oder auch die Jugend betraf.
In den Stalinschen Thesen zur Rolle des Staates, wie sie auf dem 18. Parteitag der KPdSU formuliert und lange Zeit in den sozialistischen Staaten
Dogma waren, wurde die Konzeption der faktisch völligen Rücknahme des
Gedankens der „Vergesellschaftung des Staates“ deutlich (Text 24).
Die Rücknahme des Staates in die Gesellschaft, das Absterben des Staates, die Herausbildung einer entwickelten Zivilgesellschaft, wie sie
Gramsci skizzierte3 , wurden dadurch erschwert. Mehr noch, der in den
ersten Phasen der Revolution unvermeidliche wesentlich repressive Charakter des Staates wurde nicht nur beibehalten, als hierzu keine histori-
3
Diese Begriffe sind nicht gleichbedeutend, charakterisieren aber verwandte
Prozesse: Stets geht es um Richtungen der Überwindung von Mechanismen der
bürgerlichen Staatlichkeit.
Einführung
13
sche Notwendigkeit mehr bestand; sondern ausgebaut und der Staat
immer mehr zu einem Instrument persönlicher Machtausübung gemacht.
Die Hypertrophierung eines unkontrollierten Staatsapparates schuf
wesentlich den Boden für Willkür und Verletzungen der eigenen Gesetze
des sozialistischen Staates. Diese Erscheinungen waren in sozialistischen
Ländern zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich ausgeprägt; zeitweilig
steigerten sie sich zum Massenterror und zur physischen Vernichtung
nicht zuletzt vieler Kommunisten. Immer aber fügten sie der Idee des
Sozialismus enormen Schaden zu und untergruben entscheidend die Legitimation des sozialistischen Staates
Gerade aus der Sicht künftiger sozialistischer Optionen kann jedoch die
andere Seite des, um mit Trotzki zu sprechen, doppelten Charakters des
Arbeiterstaates nicht ignoriert werden. Die sozialistischen Ideale des
Oktober, der aufklärerische Schwung der Revolution wie auch die breite
Teilnahme großer Teile der Bevölkerung an der Gestaltung der sozialistischen Verhältnisse haben trotz der dargestellten Fehlentwicklungen in der
Sowjetunion besonders in den zwanziger Jahren ebenso wie in vielen Jahren DDR-Geschichte zu einem hohen Grad der Akzeptanz des Sozialismus
bei der Bevölkerung, zu bedeutenden wirtschaftlichen Ergebnissen,
durchgehender Alphabetisierung und generell höherer Volksbildung, zur
Beseitigung regionaler Rückständigkeit geführt: Auf der Grundlage der
Sowjetmacht entstanden neue, oftmals historisch zuvor nicht oder nicht in
dieser Geschlossenheit existente Nationalstaaten bzw. Autonomien, wie
die Ukraine und Weißrußland, im Baltikum, in Zentralasien, im WolgaUral-Gebiet, im Kaukasus und im arktischen Gürtel.
Es zeigten sich bedeutende Elemente sozialer Gleichheit und von Chancengleichheit im Bildungswesen wie im sozialen Bereich und nicht unwesentlich in den Geschlechterverhältnissen. Im Vergleich zu kapitalistischen Staaten erfolgte eine wesentlich stärkere Fixierung sozialer Grundrechte bis hin z.B. zur faktischen Einklagbarkeit des Rechts auf Arbeit in
der DDR.
Bei allen Defiziten im Funktionieren der Volksvertretungen wie des
Staatsapparates gab es Ansätze von Bürgerbeteiligung und Basisdemokratie, verschiedene Mitwirkungs- und Mitgestaltungsmechanismen von den
Aktivs der örtlichen Volksvertretungen bis zur gesellschaftlichen
Gerichtsbarkeit.
Für weite Teile der Gesetzgebung und der Rechtsanwendung, so im Zivilrecht; Familienrecht und Arbeitsrecht, aber auch bei solchen Strafsachen
und Verwaltungsangelegenheiten, die das „tägliche Leben“ betrafen, war
das Streben nach Bürgernähe, Verständlichkeit und Einfachheit, Kon-
14
Einführung
fliktverhütung und -beseitigung sowie Beschleunigung kennzeichnend.
Nicht zuletzt waren die Verfahrenskosten gering.
In diesem Sinne entwickelte sich in den sozialistischen Ländern auch
eine Zivilgesellschaft im Sinne Gramscis. Zwar war sie infolge der konzeptionellen und faktischen Dominanz des Partei- und des Staatsapparates und auch deshalb, weil ihre Ansätze mit dem Wachstum der inneren
Widersprüche vielfach untergraben wurden, nicht in der Lage, die Aushöhlung und schließlich Niederlage des Sozialismus zu verhindern.
Jedoch manifestiert sich ihr Wirken deutlich in den gesellschaftlichen
und geistigen Strukturen der ehemals sozialistischen Länder, einschließlich Ostdeutschlands in der Gegenwart.
Eine Staatskonzeption für künftige sozialistische Ansätze wird die „Rücknahme des Staates in die Gesellschaft“ in den Mittelpunkt rücken müssen.
Einerseits hat die Erfahrung gezeigt, daß der Aufbau sozialistischer Verhältnisse für einen langen Zeitraum staatlich-rechtlicher Strukturen
bedarf. Gerade jene Autoren, die in Bezug auf den gescheiterten sozialistischen Versuch kritisch den Begriff „Staatssozialismus“ verwenden,
heben zugleich Kategorien wie Rechtsstaatlichkeit, pluralistische Demokratie und Markt besonders hervor und bezeichnen sie als zivilisatorische
Errungenschaften. Gerade diese Strukturen setzen staatlich-rechtliche
Steuerung voraus - auch und gerade der Markt, besonders wenn man versucht, ihn in irgendeiner Weise zum sozialverträglichen Funktionieren zu
veranlassen. Gleichermaßen erfordert die Gewährleistung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben und nicht zuletzt globaler Erfordernisse ein
bestimmtes (in der Praxis kontinuierlich neu zu bestimmendes) Maß an
Zentralisierung sowie von Planungs-, Steuerungs- und Optimierungsmechanismen und Expertenwissen, das arbeitsteilig eingesetzt werden muß.
Zugleich ist es eine grundlegende Lehre aus dem Scheitern des sozialistischen Versuchs, daß eine sozialistischen Staats- und Gesellschaftskonzeption Mechanismen enthalten muß, die einen Rückfall in Willkür und
Repression dauerhaft verhindern und den Schutz der persönlichen Freiheitsrechte, politischen und sozialen Grundrechte gewährleisten. „Vergesellschaftung“ des Staates muß als langfristiger Prozeß betrachtet werden
und, soweit sich heute sagen läßt, zumindest folgende Elemente umfassen:
Vor allem ein Maximum an Demokratismus des Staates selbst, was demokratische Kontrolle des Staatsapparates, Rechenschaftspflicht von Abgeordneten wie Staatsbeamten und Abberufungsmöglichkeiten einschließen
muß.
Einführung
15
Es ist angezeigt, über den Wesensgehalt des von Marx im Zusammenhang
mit der Pariser Kommune und von Lenin im Zusammenhang mit den
Sowjets formulierten Prinzips der Vertretungskörperschaften aller Ebenen
als arbeitender Körperschaften weiter nachzudenken. Es geht um die weitere Ausweitung ihrer Kompetenzen - bis hin zu ihren Rechten zur Entscheidung in „Verwaltungsangelegenheiten“ und zur Wählbarkeit staatlicher und kommunaler Beamter einschließlich der Richter, die ja selbst in
bürgerlichen Demokratien nichts Unerhörtes ist.
Nicht minder geht es um lebendige Formen der unmittelbaren Bürgerbeteiligung, um eine Vielzahl demokratischer Ein- und Mitwirkungsmechanismen, vor allem im Prozeß der Entscheidungsvorbereitung besonders
auch bei Verwaltungsentscheidungen. Auch plebiszitäre Formen und
Strukturen haben dort ihren Platz. Nachgedacht werden sollte aber auch
über die Entwicklungen, die in den 20er wie auch den 60er Jahren in
sozialistischen Ländern als „Übertragungen staatlicher Funktionen an
gesellschaftliche Organisationen“ bezeichnet wurden. Einige der auch in
der DDR hierbei entstandenen Formen, wie z.B. die gesellschaftlichen
Gerichte, erwiesen sich als durchaus lebensfähig.
Wesentlicher Bestandteil einer sozialistischen Zivilgesellschaft sind
gesellschaftliche Mechanismen zum Erkennen, zur Vorbeugung und
Lösung gesellschaftlicher Widersprüche. Dazu gehören parlamentarische
Mechanismen einschließlich einer gewährleisteten parlamentarischen
Opposition. Ihr Fehlen hat die Erstarrung und den Verlust der Innovationsfähigkeit des politischen Systems der sozialistischen Staaten wesentlich mitbewirkt.
Es ist aber auch darüber nachzudenken, daß sich in Ostdeutschland (und
nicht nur dort) besonders in Umbruchssituationen gesellschaftlich-staatliche Organisations- und Strukturformen entwickelten, die auf breiten
gesellschaftlichen und gesellschaftsverändernden Konsens orientiert
waren. Das war der ursprüngliche Ansatz des antifaschistisch-demokratischen Blocks. Auf einem völlig anderen politisch-sozialen Hintergrund
entwickelte sich 1989 die Form der runden Tische. Beide Organisationsformen waren nicht von langem Bestand. Es ist noch zu untersuchen, ob
solche Strukturen auf das Wirken in gesellschaftlichen Krisensituationen
beschränkt bleiben müssen, oder ob sie ohne Aufgabe der politischen
Eigenständigkeit der Partner auch stabile Organisationsformen für umfassende gesellschaftliche Veränderungen sein können.
16
Einführung
3. Partei
Politische Parteien sind und waren in vielen Klassengesellschaften politische Organisationen, welche die Interessen bestimmter Bevölkerungsgruppen (Klassen, Schichten, Ethnien, religiöse Gruppen u.a.) im Kampf
um Macht und politischen Einfluß vertreten. Oftmals überschneiden und
widersprechen sich verschiedene das Verhalten der Partei bestimmende
Kräfte - sowohl in ihrer Mitglied- wie auch in ihrer Wählerschaft. So hat
etwa die CDU der BRD, die grundsätzlich unternehmerorientiert und konservativ ist, einen „Arbeitnehmerflügel“. Die PDS hingegen wird dadurch
bestimmt, daß sie
in personeller und juristischer Hinsicht Nachfolger der ehemals in der
DDR herrschenden, marxistisch-leninistisch orientierten SED ist,
heute auf den Positionen eines weltanschaulichen Pluralismus steht,
als regional vor allem in der DDR verankerte Partei von der ostdeutschen Identität geprägt ist und ostdeutsche Interessen zum Ausdruck
bringt,
zugleich als linke Partei an die Traditionen der deutschen Arbeiterbewegung anknüpft und zunehmend Kontakt zu dieser, insbesondere den
Gewerkschaften findet,
in Westdeutschland nach Größenordnung und Einfluß vergleichbar mit
anderen Gruppen links von der SPD, insbesondere kommunistischen
Parteien ist, d.h. nur punktuell politischen Einfluß ausübt.
In den modernen kapitalistischen Ländern sind die Parteien zu den entscheidenden politischen Strukturen geworden. Verbunden mit der
Unfähigkeit der in diesen Ländern herrschenden Kräfte, die sich immer
mehr zuspitzenden sozialen Probleme zu lösen, hat das zu einer verbreiteten „Parteienmüdigkeit“ (sinkende Mitgliedzahlen, abnehmende Wahlbeteiligung u.a. geführt.
In der Arbeiterbewegung, insbesondere ihrem linken, später kommunistischen Flügel und in den sozialistischen Staaten waren das Parteiverständnis und die Praxis des Wirkens der kommunistischen Parteien von
grundlegender Bedeutung, für das Funktionieren des gesamten politischen Systems.
Marx und Engels haben der Herausbildung sozialistischer Parteien (sie
selbst sprachen von kommunistischen) große Bedeutung als wesentlichem
Element der Emanzipation der Arbeiterklasse vom Einfluß der Bourgeoisie und ihrer Konstituierung als selbständiger politischer Kraft beigemessen.
Einführung
17
Sie maßen den sozialistischen Parteien in bestimmtem Sinne eine Avantgarderolle bei, nicht im Sinne einer angemaßten „Führung“ (sie lehnten
es ausdrücklich ab, die proletarische Bewegung nach bestimmten Prinzipien zu modeln), sondern im Sinne
des Ausdrucks der allgemeinen Interessen der Klasse,
der wissenschaftichen Begründung und
der Konsequenz und Entschiedenheit des Wirkens (Text 1).
Unter den Bedingungen Rußlands, einer heranreifenden revolutionären
Situation bei scharfer politischer Unterdrückung entwickelte Lenin die
Konzeption der sozialistischen Partei als einer straff organisierten, ideologisch weitgehend einheitlichen, zugleich in vielfältiger Weise mit der
Klasse und den Massen verbundenen Organisation von Revolutionären.
Lenin war einer der ersten, der die große Bedeutung der Medien für die
Organisierung des politischen Handelns von Menschen thematisierte.
Eine große Rolle spielte bei ihm die Gegenüberstellung von Bewußtheit
und Spontaneität; die Arbeiterklasse von sich aus könne sozialistisches
Bewußtsein nicht erzeugen; dieses müsse vor allem durch marxistische
Intellektuelle in die Klasse hineingetragen werden (Text 9).
Dieses Parteiverständnis wurde später - gestützt auf die noch weitgehend
von Lenin ausgearbeiteten „Bedingungen für die Aufnahme in die Kommunistische Internationale“ 4 - bestimmend für die nach der Oktoberrevolution auch in anderen Ländern sich bildenden kommunistischen Parteien, die ihren Kampf unter den Bedingungen scharfer politischer, z.T.
bewaffneter Auseinandersetzungen und entstehender faschistischer Diktaturen führen mußten und lange Zeit von der Prämisse einer zumindest
mittelfristig bevorstehenden sozialistischen Revolution ausgingen.
Die sozialistischen und später auch die kommunistischen Parteien wiesen
immer eine Vielzahl von Strömungen und Flügeln auf. In der Mehrzahl der
kontinentaleuropäischen Länder wurden solche Strömungen vorherrschend, die sich auf Marx beriefen, wobei es stets auch andere Richtungen (z.B. anarchistische, syndikalistische, bürgerlich-demokratische)
gab.
Es waren sehr spezifische Bedingungen - innerparteiliche Auseinandersetzungen auf dem Hintergrund einer innenpolitischen, ökonomischen
und sozialen Krise und akuter äußerer Bedrohung, die Lenin 1921 dazu
veranlaßten, den Beschluß des X. Parteitages der KPdSU über das Fraktionsverbot herbeizuführen (Text 15).
4
18
Vgl. Wladimir I. Lenin, LW, Bd. 31, Berlin 1959, S. 193ff.
Einführung
In einer vereinfachten, verabsolutierenden und seinen Zielen im Machtkampf untergeordneten Darstellung entwickelte J.W.Stalin 1924 die Vorstellung von der „Partei neuen Typus“, als deren konstituierende Elementen er u.a. definierte: „höchste Form der Klassenorganisation des Proletariats“, „mit der Existenz von Fraktionen unvereinbare Einheit des Willens“, Säuberung von „opportunistischen Elementen“ (Text 17). Demgegenüber vertraten trotzkistische Richtungen des Kommunismus konsequent die Freiheit der Strömungs- und Fraktionsbildung (Text 18).
Die weit überwiegende Mehrzahl der kommunistischen Parteien entwickelte sich jedoch nach dem Schema der „Partei neuen Typus“. Das
hatte ambivalente und widersprüchliche Konsequenzen.
Ihre feste Organisation und der Massencharakter vieler kommunistischer
Parteien waren eine Quelle der Stabilität und Schlagkraft im parlamentarischen und außerparlamentarischen Kampf, in Krisensituationen, im
antifaschistischen Widerstandskampf und im Krieg. In der Sowjetunion
war die KPdSU Hauptkraft zur Organisierung der Menschen zum sozialistischen Aufbau und zur Verteidigung. Sie war treibende und bestimmende Kraft bedeutender gesellschaftlicher Errungenschaften, der Beseitigung jahrhundertealter nationaler und sozialer Ungerechtigkeit, des wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwungs, für das Aufblühen und die
Nationwerdung von der alten Gesellschafts- und Herrschaftsordnung zum
Untergang verurteilter Völker.
In dem Maße jedoch, wie die KPdSU (wie auch die kommunistischen Parteien anderer sozialistischer Länder) von der Hegemonie zur Herrschaft
(im Sinne Gramscis) nicht nur gegenüber Verbündeten, sondern zunehmend auch gegenüber der Arbeiterklasse selbst überging, wurde sie auch
zur Quelle von Stagnation und Instabilität. Die Beibehaltung des Fraktionsverbots, starker Zentralisierung und der Kommandomethoden zu einem
Zeitpunkt, wo die gesellschaftlichen Bedingungen, die einen solchen Stil
der Leitung zeitweilig erzwangen (Krieg, Bürgerkrieg), längst weggefallen
waren, die Ausschaltung abweichender Strömungen und die Nichtzulassung öffentlichen Meinungsstreits und in das sozialistische System integrierter innerparteilicher wie außerparteilicher Oppositionskräfte bewirkten gesellschaftliche Erstarrung, Einschränkung der Demokratie und
Selbsttätigkeit der Menschen. Die abstoßendste, verbrecherische und
weder durch äußere noch durch innere Umstände gerechtfertigte Erscheinung war der physische Terror, mit dem Ende der dreißiger Jahre in der
Sowjetunion wirkliche oder vermeintliche Gegner massenhaft ausgeschaltet wurden, und der Anfang der fünfziger Jahre auch in anderen sozialistischen Ländern zu Anwendung kam.
Einführung
19
Es etablierte sich eine Herrschaft des Parteiapparates, der noch weniger
der gesellschaftlichen Kontrolle unterlag als der Staatsapparat. Die kommunistischen Parteien wurden zum dominanten Faktor des Zusammenhalts
und der Einheit der politischen Organisation der Gesellschaft. Nachdem
sie aus den dargestellten Gründen zur Entwicklung und Selbsterneuerung
weitgehend unfähig geworden waren, bewirkte das nicht nur, daß diese
Parteien in Krisensituationen gerieten, gesellschaftliche Akzeptanz und
damit die soziale Grundlage der Machtausübung verloren, sondern daß
damit auch die sozialistischen Gesellschaften ihre Stabilität verloren.
Nach dem 20. Parteitag der KPdSU begannen Diskussions- und Suchprozesse (vgl. Texte 26 bis 30), die jedoch insbesondere in den kommunistischen Parteien in den sozialistischen Ländern zu keinen grundlegenden
Veränderungen führten und den Kollaps des Sozialismus in der UdSSR
und den anderen sozialistischen Ländern Europas sowie schwere Rückschläge für die kommunistische und linke Bewegung insgesamt nicht verhindern konnten.
Eine sozialistische Partei wird sich künftig stets als Teil einer umfassenden Koalition linker, parlamentarischer und vor allem außerparlamentarischer Kräfte zu begreifen und selbst eine Vielfalt unterschiedlicher linker
Konzeptionen, einschließlich kommunistischer zu verkörpern haben. Sie
wird Wege zu einer Hegemonie finden müssen, die auf der höheren Überzeugungskraft, den besseren Argumenten, der effektivsten Arbeit und
nicht zuletzt der Autorität der die Partei vertretenden Personen und der
Achtung vor ihnen beruht. Insoweit müßte sie eine Entwicklung „weg vom
Parteienstaat“ im Sinne institutionalisierter Hierarchien und die Suche
nach alternativen Wegen zur Vernetzung gesellschaftlicher Initiativen
maßgeblich unterstützen. Die umfassenden Kommunikationsmöglichkeiten der Gegenwart sind dabei ebenso zu berücksichtigen wie die enorme
Kompliziertheit der notwendigen globalen Gestaltung der grundlegenden
gesellschaftlichen Beziehungen und die zunehmenden Risiken ebenso wie
die gestiegenen technischen Möglichkeiten ihrer Beherrschung.
20
Einführung
II. Texte
1. Karl Marx/Friedrich Engels über Rolle und Ziele der Kommunisten (1848)
In welchem Verhältnis stehen die Kommunisten zu den Proletariern überhaupt?
Die Kommunísten sind keine besondere Partei gegenüber den anderen
Arbeiterparteien. ...
Sie haben keine von den Interessen des ganzen Proletariats getrennten
Interessen.
Sie stellen keine besondern Prinzipien auf, wonach sie die proletarische
Bewegung modeln wollen.
Die Kommunisten unterscheiden sich von den übrigen proletarischen Parteien nur dadurch, daß einerseits sie in den verschiedenen nationalen
Kämpfen der Proletarier die gemeinsamen, von der Nationalität unabhängigen Interessen des gesamten Proletariats hervorheben und zur Geltung
bringen, andrerseits dadurch, daß sie in den verschiedenen Entwicklungsstufen, welche der Kampf zwischen Proletariat und Bourgeoisie
durchläuft, stets das Interesse der Gesamtbewegung vertreten.
Die Kommunisten sind also praktisch der entschiedenste, immer weiter
treibende Teil der Arbeiterparteien aller Länder; sie haben theoretisch
der übrigen Masse des Proletariats die Einsicht in die Bedingungen, den
Gang und die allgemeinen Resultate der proletarischen Bewegung voraus.
Der nächste Zweck der Kommunisten ist derselbe wie der aller übrigen
proletarischen Parteien: Bildung des Proletariats zur Klasse, Sturz der
Bourgeoisherrschaft, Eroberung der politischen Macht durch das Proletariat.
... die Erhebung des Proletariats zur herrschenden Klasse, die Erkämpfung der Demokratie ...
Sind im Laufe der Entwicklung die Klassenunterschiede verschwunden
und ist alle Produktion in den Händen der assoziierten Individuen konzentriert, so verliert die öffentliche Gewalt den politischen Charakter. Die
politische Gewalt im eigentlichen Sinn ist die organisierte Gewalt einer
Klasse zur Unterdrückung einer andern. Wenn das Proletariat im Kampfe
gegen die Bourgeoisie sich notwendig zur Klasse vereint, durch eine
Revolution sich zur herrschenden Klasse macht und als herrschende
Klasse gewaltsam die alten Produktionsverhältnisse aufhebt, so hebt es
mit diesen Produktionsverhältnissen die Existenzbedingungen des Klas-
Texte
21
sengegensatzes, der Klassen überhaupt, und damit seine eigene Herrschaft als Klasse auf.
An die Stelle der alten bürgerlichen Gesellschaft mit ihren Klassen und
Klassengegensätzen tritt eine Assoziation, worin die freie Entwicklung
eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist.
(Karl Marx/Friedrich Engels, Manifest der Kommunistischen Partei, MEW, Bd. 4,
Berlin 1959, S. 474, 481 und 482)
2. Friedrich Engels über Wege und Ziele der Revolution (1847)
16. F[rage]: Wird die Aufhebung des Privateigentums auf friedlichem Wege
möglich sein?
A[ntwort]: Es wäre zu wünschen, daß dies geschehen könnte, und die
Kommunisten wären gewiß die letzten, die sich dagegen auflehnen würden. ...
Sie sehen aber auch, daß die Entwicklung des Proletariats in fast allen
zivilisierten Ländern gewaltsam unterdrückt und daß hierdurch von den
Gegnern der Kommunisten auf eine Revolution mit aller Macht hingearbeitet wird. Wird hierdurch das unterdrückte Proletariat zuletzt in eine
Revolution hineingejagt, so werden wir Kommunisten dann ebensogut in
der Tat wie jetzt mit dem Wort die Sache der Proletarier verteidigen. ...
18. F[rage]: Welchen Entwicklungsgang wird diese Revolution nehmen?
A[ntwort]: Sie wird vor allen Dingen eine demokratische Staatsverfassung
und damit direkt oder indirekt die politische Herrschaft des Proletariats
herstellen. ...
Die Demokratie würde dem Proletariat ganz nutzlos sein, wenn sie nicht
sofort als Mittel zur Durchsetzung weiterer, direkt das Privateigentum
angreifender und die Existenz des Proletariats sicherstellender Maßregeln benutzt würde. Die hauptsächlichsten dieser Maßregeln, wie sie sich
schon jetzt als notwendige Folgen der bestehenden Verhältnisse ergeben,
sind folgende:
1. Beschränkung des Privateigentums durch Progressivsteuern, starke
Erbschaftssteuern ... Zwangsanleihen pp.
2. Allmähliche Expropriation der Grundeigentümer, Fabrikanten, Eisenbahnbesitzer und Schiffsreeder, teils durch Konkurrenz der Staatsindustrie, teils direkt gegen Entschädigung in Assignaten.
3. Konfiskation der Güter aller Emigranten und Rebellen gegen die Majorität des Volks.
4. Organisation der Arbeit oder Beschäftigung der Proletarier auf den
Nationalgütern, Fabriken und Werkstätten, wodurch die Konkurrenz der
22
Te xt e
.Arbeiter unter sich beseitigt und die Fabrikanten, solange sie noch bestehen, genötigt werden, denselben erhöhten Lohn zu zahlen wie der Staat.
5. Gleicher Arbeitszwang für alle Mitglieder der Gesellschaft bis zur vollständigen Aufhebung des Privateigentums. Bildung industrieller Armeen,
besonders für die Agrikultur.
6. Zentralisierung des Kreditsystems und Geldhandels in den Händen des
Staats durch eine Nationalbank mit Staatskapital und Unterdrückung aller
Privatbanken und Bankiers.
7. Vermehrung der Nationalfabriken, Werkstätten, Eisenbahnen und
Schiffe, Urbarmachung aller Ländereien und Verbesserung der schon
urbar gemachten, in demselben Verhältnis, in welchem sich die der Nation zur Verfügung stehenden Kapitalien und Arbeiter vermehren.
8. Erziehung sämtlicher Kinder, von dem Augenblicke an, wo sie der
ersten mütterlichen Pflege entbehren können, in Nationalanstalten und
auf Nationalkosten, Erziehung und Fabrikation zusammen.
9. Errichtung großer Paläste auf den Nationalgütern als gemeinschaftliche
Wohnungen für Gemeinden von Staatsbürgern, welche sowohl Industrie
wie Ackerbau treiben und die Vorteile sowohl des städtischen wie des
Landlebens in sich vereinigen, ohne die Einseitigkeiten und Nachteile
beider Lebensweisen zu teilen.
10. Zerstörung aller ungesunden und schlecht gebauten Wohnungen und
Stadtviertel.
11. Gleiches Erbrecht für uneheliche wie für eheliche Kinder.
12. Konzentration alles Transportwesens in den Händen der Nation.
Alle diese Maßregeln können natürlich nicht mit einem Male durchgeführt werden ... . Ist einmal der erste radikale Angriff gegen das Privateigentum geschehen, wird das Proletariat sich gezwungen sehen, ... immer
mehr alles Kapital, allen Ackerbau, alle Industrie, allen Transport, allen
Austausch in den Händen des Staates zu konzentrieren. Dahin arbeiten
alle diese Maßregeln; und sie werden genau in demselben Verhältnis ausführbar werden und ihre zentralisierenden Konsequenzen entwickeln, in
welchem die Produktivkräfte des Landes durch die Arbeit des Proletariats
vervielfältigt werden. Endlich, wenn alles Kapital, alle Produktion und
aller Austausch in den Händen der Nation zusammengedrängt sind, ist
das Privateigentum von selbst weggefallen, das Geld überflüssig geworden
und die Produktion so weit vermehrt und die Menschen so weit verändert,
daß auch die letzten Verkehrsformen der alten Gesellschaft fallen können.
19. F[rage]: Wird diese Revolution in einem einzigen Lande allein vor sich
gehen können ?
Texte
23
A[ntwort]: Nein. Die große Industrie hat schon dadurch, daß sie den Weltmarkt geschaffen hat, alle Völker der Erde, und namentlich die zivilisierten, in eine solche Verbindung miteinander gebracht daß jedes einzelne
Volk davon abhängig ist, was bei einem andern geschieht. ... Die kommunistische Revolution wird daher keine bloß nationale, sie wird eine in
allen zivilisierten Ländern, d.h. wenigstens in England, Amerika, Frankreich und Deutschland gleichzeitig vor sich gehende Revolution sein. ...
Sie ist eine universelle Revolution und wird daher auch ein universelles
Terrain haben.
(Friedrich Engels, Grundsätze des Kommunismus, MEW, Bd. 4, Berlin 1959,
S. 372 bis 375)
3. Friedrich Engels über den Staat als historische, vergängliche
Erscheinung und Instrument der Klassenherrschaft (1884)
Der Staat ist also keineswegs eine der Gesellschaft von außen aufgezwungne Macht; ebensowenig ist er „die Wirklichkeit der sittlichen Idee“,
„das Bild und die Wirklichkeit der Vernunft“, wie Hegel behauptet. Er ist
vielmehr ein Produkt der Gesellschaft auf bestimmter Entwicklungsstufe;
er ist das Eingeständnis, daß diese Gesellschaft sich in einen unlösbaren
Widerspruch mit sich selbst verwickelt, sich in unversöhnliche Gegensätze gespalten hat, die zu bannen sie ohnmächtig ist. Damit aber diese
Gegensätze, Klassen mit widerstreitenden ökonomischen Interessen nicht
sich und die Gesellschaft in fruchtlosem Kampf verzehren, ist eine
scheinbar über der Gesellschaft stehende Macht nötig geworden, die den
Konflikt dämpfen, innerhalb der Schranken der „Ordnung“ halten soll;
und diese aus der Gesellschaft hervorgegangne, aber sich über sie stellende, sich ihr mehr und mehr entfremdende Macht ist der Staat. ...
Im Besitz der öffentlichen Gewalt und des Rechts der Steuereintreibung
stehn die Beamten nun da als Organe der Gesellschaft über der Gesellschaft. Die freie, willige Achtung, die den Organen der Gentilverfassung
gezollt wurde, genügt ihnen nicht, selbst wenn sie sie haben könnten; Träger einer der Gesellschaft entfremdenden Macht, müssen sie in Respekt
gesetzt werden durch Ausnahmegesetze, kraft deren sie einer besondren
Heiligkeit und Unverletzlichkeit genießen. Der lumpigste Polizeidiener
des zivilisierten Staats hat mehr „Autorität“ als alle Organe der Gentilgesellschaft zusammengenommen; aber der mächtigste Fürst und der größte
Staatsmann oder Feldherr der Zivilisation kann den geringsten Gentilvorsteher beneiden um die unerzwungne und unbestrittene Achtung, die ihm
gezollt wird ...
24
Te xt e
Da der Staat entstanden ist aus dem Bedürfnis, Klassengegensätze im
Zaum zu halten, da er aber gleichzeitig mitten im Konflikt dieser Klassen
entstanden ist, so ist er in der Regel Staat der mächtigsten, ökonomisch
herrschenden Klasse, die vermittelst seiner auch politisch herrschende
Klasse wird und so neue Mittel erwirbt zur Nìederhaltung und Ausbeutung
der unterdrückten Klasse. ...
Die höchste Staatsform, die demokratische Republik; die in unsern
modernen Gesellschaftsverhältnissen mehr und mehr unvermeidliche
Notwendigkeit wird und die Staatsform ist, in der der letzte Entscheidungskampf zwischen Proletariat und Bourgeoisie allein ausgekämpft
werden kann - die demokratische Republik weiß offiziell nichts mehr von
Besitzunterschieden. In ihr übt der Reichtum seine Macht indirekt, aber
um so sichrer aus. ...
Und endlich herrscht die besitzende Klasse direkt mittelst des allgemeinen Stimmrechts. Solange die unterdrückte Kasse, also in unserem Fall
das Proletariat, noch nicht reif ist zu seiner Selbstbefreiung, solange wird
sie, der Mehrzahl nach, die bestehende Gesellschaftsordnung als einzig
mögliche erkennen und politisch der Schwanz der Kapitalistenklasse, ihr
äußerster linker Flügel sein. In dem Maß aber, worin sie ihrer Selbstemanzipation entgegenreift, in dem Maß konstituiert sie sich als eigne Partei, wählt ihre eignen Vertreter, nicht die der Kapitalisten. Das allgemeine Stimmrecht ist so der Gradmesser der Reife der Arbeiterklasse. Mehr
kann und wird es nie sein im heutigen Staat; aber das genügt auch ...
Der Staat ist also nicht von Ewigkeit her. Es hat Gesellschaften gegeben,
die ohne ihn fertig wurden, die von Staat und Staatsgewalt keine Ahnung
hatten. Auf einer bestimmten Stufe der ökonomischen Entwicklung, die
mit Spaltung der Gesellschaft in Klassen notwendig verbunden war, wurde
durch diese Spaltung der Staat eine Notwendigkeit. Wir nähern uns jetzt
mit raschen Schritten einer Entwicklungsstufe der Produktion, auf der das
Dasein dieser Klassen nicht nur aufgehört hat, eine Notwendigkeit zu
sein, sondern ein positives Hindernis der Produktion wird. Sie werden
fallen ebenso unvermeidlich, wie sie früher entstanden sind. Mit ihnen
fällt unvermeidlich der Staat. Die Gesellschaft; die die Produktion auf
Grundlage freier und gleicher Assoziation der Produzenten neu organisiert, versetzt die ganze Staatsmaschine dahin, wohin sie dann gehören
Texte
25
wird: Ins Museum der Altertümer, neben das Spinnrad und die bronzene
Axt.
(Friedrich Engels, Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats,
MEW, Bd. 21, Berlin 1962, S. 165 bis 168)
4. Karl Marx über die Kommune als politische Form, unter der die
ökonomische Befreiung der Arbeit sich vollziehen kann (1871)
Aber die Arbeiterklasse kann nicht die fertige Staatsmaschinerie einfach
in Besitz nehmen und diese für ihre eignen Zwecke in Bewegung setzen.
...
In dem Maß, wie der Fortschritt der modernen Industrie den Klassengegensatz zwischen Kapital und Arbeit entwickelte, erweiterte, vertiefte, in
demselben Maß erhielt die Staatsmacht mehr und mehr den Charakter
einer öffentlichen Gewalt zur Unterdrückung der Arbeiterklasse, einer
Maschine der Klassenherrschaft. Nach jeder Revolution, die einen Fortschritt des Klassenkampfes bezeichnet, tritt der rein unterdrückende
Charakter der Staatsmacht offner und offner hervor. ...
Der gerade Gegensatz des Kaisertums war die Kommune. Der Ruf nach
der „sozialen Republik“, womit das Pariser Proletariat die Februarrevolution einführte, drückte nur das unbestimmte Verlangen aus nach einer
Republik, die nicht nur die rnonarchische Form der Klassenherrschaft
beseitigen sollte, sondern die Klassenherrschaft selbst. Die Kommune war
die bestimmte Form dieser Republik. ...
Die Kommune sollte nicht eine parlamentarische sondern eine arbeitende
Körperschaft sein, vollziehend und gesetzgebend zu gleicher Zeit. Die
Polizei, bisher das Werkzeug der Staatsregierung, wurde sofort aller ihrer
politischen Eigenschaften entkleidet und in das verantwortliche und
jederzeit absetzbare Werkzeug der Kommune verwandelt. Ebenso die
Beamten aller anderen Verwaltungszweige. Von den Mitgliedern der Kommune an abwärts, mußte der öffentliche Dienst für Arbeiterlohn besorgt
werden ...
Das stehende Heer und die Polizei, die Werkzeuge der materiellen Macht
der alten Regierung einmal beseitigt, ging die Kommune sofort darauf
aus, das geistliche Unterdrückungswerkzeug, die Pfaffenmacht, zu brechen; sie dekretierte die Auflösung und Enteignung aller Kirchen, soweit
sie besitzende Körperschaften waren. ... Sämtliche Unterrichtsanstalten
wurden dem Volk unentgeltlich geöffnet und gleichzeitig von aller Einmischung des Staats und der Kirche gereinigt ...
26
Te xt e
Die richterlichen Beamten verloren jene scheinbare Unabhängigkeit, die
nur dazu gedient hatte, ihre Unterwürfigkeit unter alle aufeinander folgenden Regierungen zu verdecken, deren jeder sie, der Reihe nach, den
Eid der Treue geschworen und gebrochen hatten. Wie alle übrigen öffentlichen Diener, sollten sie fernerhin gewählt, verantwortlich und absetzbar
sein ...
Sobald die kommunale Ordnung der Dinge einmal in Paris und den Mittelpunkten zweiten Ranges eingeführt war, hätte die alte zentralisierte
Regierung auch in den Provinzen der Selbstregierung der Produzenten
weichen müssen.
Die Landgemeinden eines jeden Bezirks sollten ihre gemeinsamen Angelegenheiten durch eine Versammlung von Abgeordneten in der Bezirkshauptstadt verwalten, und diese Bezirksversammlungen dann wieder
Abgeordnete zur Nationaldelegation in Paris schicken; die Abgeordneten
soIlten jederzeit absetzbar und an die bestimmten Instruktionen ihrer
Wähler gebunden sein. Die wenigen, aber wichtigen Funktionen, welche
dann noch für eine Zentralregierung übrigblieben, sollten ... an kommunale, d.h. streng verantwortliche Beamte übertragen werden. Die Einheit
der Nation sollte ... eine Wirklichkeit werden durch die Vernichtung jener
Staatsmacht, welche sich für die Verkörperung dieser Einheit ausgab,
aber unabhängig und überlegen sein wollte gegenüber der Nation, an
deren Körper sie doch nur ein Schmarotzerauswucbs war. Während es
galt, die bloß unterdrückenden Organe der alten Regierungsmacht abzuschneiden, sollten ihre berechtigten Funktionen ... den verantwortlichen
Dienern der Gesellschaft zurückgegeben werden. Statt einmal in drei oder
sechs Jahren zu entscheiden., welches Mitglied der herrschenden Klasse
das Volk im Parlament ver- und zertreten soll, sollte das allgemeine
Stimmrecht dem in Kommunen konstituierten Volk dienen, wie das individuelle Stimmrecht jedem andern Arbeitgeber dazu dient, Arbeiter, Aufseher und Buchhalter in seinem Geschäft auszusuchen. ...
Die Mannigfaltigkeit der Deutungen, denen die Kommune unterlag, und
die Mannigfaltigkeit der Interessen, die sich in ihr ausgedrückt fanden,
beweisen, daß sie eine durch und durch ausdehnungsfähige politische
Form war, während alle früheren Regierungsformen wesentlich unterdrückend gewesen waren. Ihr wahres Geheimnis war dies: Sie war wesentlich eine Regierung der Arbeiterklasse, das Resultat des Kampfs der hervorbringenden gegen die ausbeutende Klasse, die endlich entdeckte politische Form, in der die ökonomische Befreiung der Arbeit sich vollziehen
konnte.
Texte
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... die Kommune wollte jenes Klasseneigentum abschaffen, das die Arbeit
der vielen in den Reichtum der wenigen verwandelt: Sie beabsichtigte die
Enteignung der Enteigner. Sie wollte das individuelle Eigentum zu einer
Wahrheit machen, indem sie die Produktionsmittel, den Erdboden und
das Kapital, jetzt vor allem die Mittel zur Knechtung und Ausbeutung der
Arbeit, in bloße Werkzeuge der freien und assoziierten Arbeit verwandelt.
...
Wenn aber die genossenschaftliche Produktion ... das kapitalistische
System verdrängen; wenn die Gesamtheit der Genossenschaften die nationale Produktion nach einem gemeinsamen Plan regeln, sie damit unter
ihre eigne Leitung nehmen und der beständigen Anarchie und den periodisch wiederkehrenden Konvulsionen, welche das unvermeidliche
Schicksal der kapitalistischen Produktion sind, ein Ende machen soll was wäre das andres, meine Herren, als der Kommunismus, der „mögliche“ Kommunismus?
(Karl Marx, Der Bürgerkrieg in Frankreich, MEW, Bd. 17, Berlin 1962, S. 336 bis
343)
5. Friedrich Engels über „Staatsplunder“, Pariser Kommune und
Diktatur des Proletariats (1891)
In Wirklichkeit aber ist der Staat nichts als eine Maschine zur Unterdrückung einer Klasse durch eine andre, und zwar in der demokratischen
Republik nicht minder als in der Monarchie; und im besten Fall ein Übel,
das dem im Kampf um die Klassenherrschaft siegreichen Proletariat vererbt wird und dessen schlimmste Seiten es ebensowenig wie die Kommune umhin können wird, sofort zu beschneiden, bis ein in neuen, freien
Gesellschaftszuständen herangewachsenes Geschlecht imstande sein
wird; den ganzen Staatsplunder von sich abzutun.
Der deutsche Philister ist neuerdings wieder in heilsamen Schrecken
geraten bei dem Wort: Diktatur des Proletariats. Nun gut, ihr Herren,
wollt ihr wissen, wie diese Diktatur aussieht? Seht euch die Pariser Kommune an. Das war die Diktatur des Proletariats.
(Friedrich Engels, Einleitung zu Karl Marx „Bürgerkrieg in Frankreich“, MEW,
Bd. 22, Berlin 1963, S. 199)
6. Friedrich Engels über die Gewalt (1877)
Für Herrn Dühring ist die Gewalt das absolut Böse, der erste Gewaltakt
ist ihm der Sündenfall. ... Daß die Gewalt aber noch eine andre Rolle in
der Geschichte spielt, eine revolutionäre Rolle, daß sie, in Marx’ Worten,
28
Te xt e
die Geburtshelferin jeder alten Gesellschaft ist, die mit einer neuen
schwanger geht 1 , daß sie das Werkzeug ist, womit sich die gesellschaftliche Bewegung durchsetzt und erstarrte, abgestorbne politische Formen
zerbricht - davon kein Wort bei Herrn Dühring. Nur unter Seufzen und
Stöhnen gibt er die Möglichkeit zu, daß zum Sturz der Ausbeutungswirtschaft vielleicht Gewalt nötig sein werde - leider! denn jede Gewaltsanwendung demoralisiere den, der sie anwendet. Und das angesichts des
hohen moralischen und geistigen Aufschwungs, der die Folge jeder siegreichen Revolution war! Und das in, Deutschland, wo ein gewaltsamer
Zusammenstoß, der dem Volk ja aufgenötigt werden kann, wenigstens den
Vorteil hätte, die aus der Erniedrigung des Dreißigjährigen Kriegs in das
nationale Bewußtsein gedrungne Bedientenhaftigkeit auszutilgen. Und
diese matte, saft- und kraftlose Predigerdenkweise macht den Anspruch,
sich der revolutionärsten Partei aufzudrängen; die die Geschichte kennt?
(Friedrich Engels, Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft („AntiDühring“), MEW, Bd. 20, Berlin 1962, S. 172)
_______________________
1
Vgl. Karl Marx/Friedrich Engels, MEW, Bd. 23, Berlin 1963, S. 779 (Anmerkung der Herausgeber der MEW)
7. Friedrich Engels über allgemeines Wahlrecht und Revolution
(1895)
Die deutschen Arbeiter hatten aber zudem ihrer Sache noch einen zweiten großen Dienst erwiesen. ... Sie hatten ihren Genossen aller Länder
eine neue, eine der schärfsten Waffen geliefert, indem sie ihnen zeigten,
wie man das allgemeine Stimmrecht gebraucht. ...
Sie haben das Wahlrecht, in den Worten des französischen marxistischen
Programms ... verwandelt aus einem Mittel der Prellerei, was es bisher
war, in ein Werkzeug der Befreiung. Und wenn das allgemeine Wahlrecht
keinen anderen Gewinn geboten hätte, als daß es uns erlaubte, uns alle
drei Jahre zu zählen; daß es ... unser bestes Propagandamittel wurde; daß
es uns genau unterrichtete über unsere eigene Stärke wie über die aller
gegnerischen Parteien und uns dadurch einen Maßstab für die Proportionierung unserer Aktion lieferte ..., - wenn das der einzige Gewinn wäre,
den wir vom Stimmrecht haben, dann wäre es schon genug. Aber es hat
noch viel mehr getan. In der Wahlagitation lieferte es uns ein Mittel, wie
es kein zweites gibt, um mit den Volksmassen da, wo sie uns noch ferne
stehen; in Berührung zu kommen, alle Parteien zu zwingen, ihre Ansichten und Handlungen unseren Angriffen gegenüber vor allem Volk zu ver-
Texte
29
teidigen; und dazu eröffnete es unseren Vertretern im Reichstag eine
Tribüne, von der herab sie mit ganz anderer Autorität und Freiheit zu
ihren Gegnern im Parlament wie zu den Massen draußen sprechen konnten als in der Presse und in Versammlungen. ...
Selbstverständlich verzichten unsere ausländischen Genossen nicht auf
ihr Recht auf Revolution. Das Recht auf Revolution ist das einzige wirklich „historische Recht“, das einzige, worauf alle modernen Staaten ohne
Ausnahme beruhen. ...
Die Ironie der Weltgeschichte stellt alles auf den Kopf. Wir, die „Revolutionäre“, die „Umstürzler“, wir gedeihen weit besser bei den gesetzlichen
Mitteln als bei den ungesetzlichen und dem Umsturz. Die Ordnungsparteien, wie sie sich nennen, gehen zugrunde an dem von ihnen selbst
geschaffenen gesetzlichen Zustand: Sie rufen verzweifelt mit Odilon Barrot: la légalité nous tue, die Gesetzlichkeit ist unser Tod, während wir bei
dieser Gesetzlichkeit pralle Muskeln und rote Backen bekommen und aussehen wie das ewige Leben. Und wenn wir nicht so wahnsinnig sind, ihnen
zu Gefallen uns in den Straßenkampf treiben zu lassen, dann bleibt ihnen
zuletzt nichts anderes, als selbst diese ihnen so fatale Gesetzlichkeit zu
durchbrechen.
(Friedrich Engels, Einleitung zu Karl Marx „Klassenkämpfe in Frankreich 1848 1850“, MEW, Bd. 22, Berlin 1963, S. 518 bis 525)
8. Friedrich Engels über Predigt der Gewaltlosigkeit (1895)
Liebknecht hat mir gerade einen schönen Streich gespielt. Er hat meiner
Einleitung zu den Artikeln von Marx über das Frankreich von 1848 - 1850
alles das entnommen, was ihm dazu dienen konnte, die um jeden Preis
friedliche und Gewaltanwendung verwerfende Taktik zu stützen, die ihm
seit einiger Zeit, besonders in diesem Augenblick zu predigen beliebt, wo
man in Berlin Ausnahmegesetze vorbereitet. Diese Taktik aber predige ich
nur für das heutige Deutschland und dann noch mit erheblichen Vorbehalten. Für Frankreich, Belgien, Italien, Österreich eignet sich diese Taktik in ihrer Gesamtheit nicht, und für Deutschland kann sie schon morgen
unanwendbar werden. ...
Es ist bedauerlich, daß L[ie]bk[necht] nur schwarz oder weiß sieht. Die
Nuancen existieren für ihn nicht.
(Friedrich Engels, Brief an Paul Lafargue vom 3. April 1895, MEW, Bd. 39, Berlin
1968, S. 458)
30
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9. Wladimir I. Lenin über die revolutionäre Partei (1902)
1. Keine einzige revolutionäre Bewegung kann ohne eine stabile und die
Kontinuität wahrende Führerorganisation Bestand haben; 2. je breiter die
Masse ist, die spontan in den Kampf hineingezogen wird, die die Grundlage der Bewegung bildet, und an ihr teilnimmt, um so dringender ist die
Notwendigkeit einer solchen Organisation und um so fester muß diese
Organisation sein (denn um so leichter wird es für allerhand Demagogen
sein, die unentwickelten Schichten der Masse mitzureißen); 3. eine solche Organisation muß hauptsächlich aus Leuten bestehen, die sich
berufsmäßig mit revolutionärer Tätigkeit befassen; 4. je mehr wir die Mitgliedschaft einer solchen Organisation einengen, und zwar so weit, daß
sich an der Organisation nur diejenigen Mitglieder beteiligen, die sich
berufsmäßig mit revolutionärer Tätigkeit befassen und in der Kunst des
Kampfes gegen die politische Polizei berufsmäßig geschult sind, um so
schwieriger wird es in einem autokratischen Lande sein, eine solche
Organisation „zu schnappen“, und 5. Um so breiter wird der Kreis der
Personen aus der Arbeiterklasse und aus den übrigen Gesellschaftsklassen sein, die die Möglichkeit haben werden, an der Bewegung teilzunehmen und sich in ihr aktiv zu betätigen.
(Wladimir I. Lenin, Was tun? Brennende Fragen unserer Bewegung, LW, Bd. 5,
Berlin 1955, S. 480 und 481)
10. Wladimir I. Lenin über die „Entdeckung“ der Sowjets als Keimform der revolutionären Regierung (1906)
Vielleicht irre ich mich, aber mir scheint (auf Grund der in meinem Besitz
befindlichen unvollständigen und rein „papierenen“ Unterlagen), daß der
Sowjet der Arbeiterdeputierten in politischer Hinsicht als Keimform einer
provisorischen revolutionären Regierung betrachtet werden muß. ...
Gerade jetzt fehlt es an einer Zusammenfassung aller wirklich revolutionären, aller schon revolutionär tätigen Kräfte. Es fehlt ein gesamtrussisches politisches Zentrurn, das Iebendíg, frisch und stark ist durch
seine tiefen Wurzeln ím Volk, unbedíngt das Vertrauen der Massen
genießt, über eine rastlose revolutionäre Energie verfügt und mit den
organisierten revolutionären und sozialistischen Parteien eng verbunden
ist ...
Es fragt sich, warum soll der Sowjet der Arbeiterdeputierten nicht die
Keimform eines solchen Zentrums sein? ...
Der Sowjet muß sich zur provisorischen revolutionären Regierung ausrufen oder eine solche bilden und hierzu unbedíngt neue Deputierte nicht
Texte
31
nur der Arbeiter, sondern auch erstens der Matrosen und Soldaten, die
allerorts schon ihre Hand nach der Freiheit ausstrecken, zweitens der
revolutionären Bauernschaft und drittens der revolutionären bürgerlichen
Intelligenz heranziehen. Der Sowjet muß einen starken Kern für die provisorische revolutionäre Regierung auswählen und diesen Kern durch
Vertreter aller revolutionären Parteien und aller revolutionären (aber
natürlich nur der revolutionären und nicht der liberalen) Demokraten
ergänzen. Wir fürchten eine solche Breite und Buntscheckigkeit der
Zusammensetzung nicht, sondern wünschen sie, denn ohne Vereinigung
des Proletariats und der Bauernschaft, ohne Kampfgemeinschaft der Sozialdemokraten und der revolutionären Demokraten ist ein voller Erfolg der
großen russischen Revolution unmöglich.
(Wladimir I. Lenin, Unsere Aufgaben und der Sowjet der Arbeiterdeputierten, LW,
Bd.10, Berlin 1958, S. 5 bis 8)
11. Wladimir I. Lenin über „Die Aufgaben der revolutionären proletarischen Staatsordnung“ (März 1917)
In den vorhergehenden Briefen wurden die gegenwärtigen Aufgaben des
revolutionären Proletariats in Rußland folgendermaßen skizziert: 1. verstehen, auf dem richtigsten Weg zur nächsten Etappe der Revolution bzw.
zur zweiten Revolution zu gelangen, die 2. die Staatsmacht den Händen
der Gutsbesitzer- und Kapitalistenregíerung (der Gutschkow, Lwow, Miljukow und Kerenski) entreißen und sie der Regierung der Arbeiter und
der armen Bauern übergeben muß. 3. Diese Regierung muß nach dem
Muster der Sowjets der Arbeiter- und Bauerndeputierten organisiert sein,
sie muß 4. die alte, für alle bürgerlichen Staaten charakteristische Staatsmaschine, die Armee, die Polizei, die Bürokratie (das Beamtentum), zerschlagen und völlig beseitigen, indem sie 5. diese Maschine durch eine
Organisation des bewaffneten Volkes ersetzt, die nicht nur große Massen,
sondern ausnahmslos das gesamte Volk umfaßt. 6. N u r eine solche
Regierung - ;,eine solche“ in bezug auf ihre Klassenzusammensetzung
(„revolutionär-demokratische
Diktatur des Proletariats und der Bauernschaft“) und ihre Verwaltungsorgane („proletarische Miliz“) - ist imstande, die außerordentlich schwierige, absolut unaufschiebbare Aufgabe, die Hauptaufgabe des gegenwärtigen Augenblicks, erfolgreich zu lösen, nämlich den Frieden herbeizuführen, und zwar ... einen wirklich dauerhaften und demokratischen Frieden ... . 7. In Rußland ist der Sieg des Proletariats in der allernächsten
Zeit nur unter der Bedingung möglich, daß die Arbeiter von Anfang an
durch den Kampf der gewaltigen Mehrheit der Bauernschaft um die Kon32
Te xt e
fiskation des gesamten gutsherrlichen Grundbesitzes ... unterstützt werden. 8. Im Zusammenhang mit einer solchen Bauernrevolution und auf
ihrem Boden kann und muß das Proletariat im Bündnis mit dem armen
Teil der Bauernschaft weitere Schritte unternehmen, die auf die Kontrolle
der Produktion und der Verteilung der wichtigsten Produkte, auf die Einführung der „allgemeinen Arbeitspflicht“ usw. gerichtet sind: Diese
Schritte werden mit gebieterischer Notwendigkeit von den Verhältnissen
diktiert, die der Krieg geschaffen hat und die sich in der Nachkriegszeit
in vieler Beziehung sogar noch zuspitzen werden; in ihrer Gesamtheit und
in ihrer Entwicklung aber würden sie den Übergang zum Sozialismus
bedeuten, der in Rußland nicht unmittelbar, mit einem Schlag, ohne
Übergangsmaßnahmen verwirklicht werden kann, aber als Resultat solcher Übergangsmaßnahmen durchaus realisierbar und überaus notwendig
ist.
(Wladimir I. Lenin, Briefe aus der Ferne. Brief 5. Die Aufgaben der revolutionären
proletarischen Staatsordnung, LW, Bd. 23, Berlin 1957, S. 355 und 356)
12. Wladimir I. Lenin „Über die Doppelherrschaft“ (1917)
Die höchst bemerkenswerte Eigenart unserer Revolution besteht darin,
daß sie eine Doppelherrschaft geschaffen hat. ...
Worin besteht die Doppelherrschaft? Darin, daß sich neben der Provisorischen Regierung, der Regierung der Bourgeoisie, eine noch schwache,
erst in Keimform vorhandene, aber dennoch unzweifelhaft wirklich existierende und erstarkende andere Regierung herausgebildet hat: die
Sowjets der Arbeiter- und Soldatendeputierten. ...
Diese Macht ist eine Macht von demselben Typus, wie es die Pariser Kommune von 1871 war. Die Grundmerkmale dieses Typus sind: 1. Quelle der
Macht ist nicht das vorher vom Parlament beratene und beschlossene
Gesetz, sondern die direkte, von unten kommende Initiative der Volksmassen im Lande, die direkte „Machtergreifung“ ... 2. Ersetzung von Polizei und Armee als vom Volke getrennte und dem Volke entgegengestellte
Institutionen durch die direkte Bewaffnung des ganzen Volkes; die Staatsordnung wird unter einer solchen Macht von den bewaffneten Arbeitern
und Bauern selbst, vom bewaffneten Volke selbst geschützt; 3. ebenso
wird die Beamtenschaft, die Bürokratie, entweder durch die unmittelbare
Herrschaft des Volkes selbst ersetzt oder zumindest unter besondere Kontrolle gestellt; die Beamten verwandeln sich in nicht nur wählbare, sondern auch auf die erste Forderung des Volkes hin absetzbare Personen, ...
aus einer privilegierten Schicht mit hoher Bezahlung ihrer „Pöstchen“
Texte
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verwandeln sie sich in Arbeiter einer besonderen „Waffengattung“, deren
Entlohnung nicht höher ist als der übliche Lohn eines guten Arbeiters.
Um zur Staatsmacht zu werden, müssen die klassenbewußten Arbeiter die
Mehrheit für sich gewinnen: solange den Massen gegenüber keine Gewalt
angewendet wird, gibt es keinen anderen Weg zur Macht. Wir sind keine
Blanquisten, keine Anhänger der Machtergreifung durch eine Minderheit.
Wir sind Marxisten, Anhänger des proletarischen Klassenkampfes gegen
den kleinbürgerlichen Taumel, gegen den Chauvinismus und die Vaterlandsverteidigung, gegen die Phrase, gegen die Abhängigkeit von der
Bourgeoisie.
(Wladimir I. Lenin, Über die Doppelherrschaft, LW, Bd. 24, Berlin 1959, S. 20
bis 22)
13. Wladimir I. Lenin über Disziplin, Rechenschaftslegung und Kontrolle als aktuelle Aufgaben der Sowjetmacht (April/Mai 1918)
1. Die internationale Lage der Sowjetrepublik ist in höchstem Grade
schwer und kritisch, denn die tiefsten und fundamentalsten Interessen
des internationalen Kapitals und des Imperialismus veranlassen ihn nicht
nur, nach einem militärischen Überfall auf Rußland, sondern auch nach
einer Verständigung über die Aufteilung Rußlands und die Erdrosselung
der Sowjetmacht zu streben. ...
2. Auf dem Gebiet der Innenpolitik tritt gegenwärtig ... die organisatorische Aufgabe auf die Tagesordnung. Gerade diese Aufgabe, angewandt auf
die neue und höhere Organisation der Erzeugung und Verteilung der Produkte auf der Grundlage vergesellschafteter maschineller (Arbeit) Großproduktion bildet den Hauptinhalt - und die Hauptbedingung des völligen
Sieges der sozialistischen Revolution ...
3. Vom rein politischen Standpunkt aus besteht der Angelpunkt gegenwärtig darin. daß ... .als Hauptaufgabe die Frage, wie man Rußland verwalten soll, auf die Tagesordnung tritt. Die Organisierung einer richtigen
Verwaltung ... - das ist die dringendste Aufgabe der Sowjets, das ist die
Bedingung für den vollen Sieg des sowjetischen Staatstypus; ... man muß
ihn auch praktisch auf die Beine stellen und in der regelmäßigen, tagtäglichen Verwaltungsarbeit erproben.
4: Auf dem Gebiet des ökonomischen Aufbaus des Sozialismus besteht der
Angelpunkt gegenwärtig darin, daß unser Bemühen um die Organisierung
einer vom gesamten Volk ausgeübten und allumfassenden Rechnungsführung und Kontrolle über die Erzeugung und Verteilung der Produkte
und um die Einführung einer proletarischen Produktionsregulierung stark
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zurückgeblieben ist hinter der Arbeit der unmittelbaren Expropriation der
Expropriateure - der Gutsbesitzer und Kapitalisten. ...
Aus der erwähnten grundlegenden Tatsache ergibt sich anderseits die
Erklärung dafür. warum die Sowjetmacht in gewissen Fällen einen Schritt
zurück tun oder ein Kompromiß mit bürgerlichen Tendenzen eingehen
mußte. Ein solcher Schritt zurück und eine Abweichung von den Prinzipien der Pariser Kommune war beispielsweise die Einführung hoher
Gehälter für eine Reihe von bürgerlichen Spezialisten. ...
Gegenwärtig sind solche Kompromisse notwendig, denn sie bieten (bei
unserer Verspätung mit der Rechnungsführung und Kontrolle) die einzige
Garantie für einen zwar langsameren, dafür aber auch sichereren Vormarsch. Wird die Rechnungsführung und Kontrolle über die Erzeugung
und Verteilung der Produkte vollständig durchgeführt, dann werden diese
Kompromisse nicht mehr notwendig sein.
5. Auf die Tagesordnung treten insbesondere Maßnahmen zur Hebung der
Arbeitsdisziplin und der Arbeitsproduktivität ... .Dazu gehört beispielsweise die Einführung des Stücklohns, die Anwendung von vielem, was an
Wissenschaftlichem und Fortschrittlichem im Taylorsystem enthalten ist,
die Abstimmung des Verdienstes mit den gesamten Arbeitsergebnissen
der Fabrik bzw. mit dem Betriebsertrag der Eisenbahnen, der Schiffahrt
usw. Hierher gehört auch die Organisierung des Wettbewerbs zwischen
den einzelnen Produktions- und Konsumkommunen, die Auswahl von
Organisatoren usw.
6. Die Diktatur des Proletariats ist eine unbedingte Notwendigkeit beim
Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus, und in unserer Revolution
hat diese Wahrheit ihre volle praktische Bestätigung gefunden. Die Diktatur setzt jedoch bei der Niederhaltung sowohl der Ausbeuter als auch
der Rowdys eine wirklich feste und schonungslose revolutionäre Staatsgewalt voraus, und unsere Staatsgewalt ist zu mild. Die Unterordnung, und
zwar die unbedingte Unterordnung während der Arbeit, unter die einzelverantwortlichen Anordnungen der sowjetischen Leiter der Diktatoren,
seien sie nun gewählt oder von Sowjetinstitutionen ernannt. die mit diktatorischen Vollmachten ausgestattet sind (wie das beispielsweise das
Dekret über die Eisenbahnen verlangt), ist noch lange, lange nicht genügend sichergestellt. ...
Eiserne Disziplin und konsequenteste Ausübung der Diktatur des Proletariats gegen kleinbürgerliche Schwankungen - das ist die allgemeine und
zusammenfassende Losung des Augenblicks.
(Wladimir I. Lenin, Sechs Thesen über die nächsten Aufgaben der Sowjetmacht,
LW, Bd. 27, Berlin 1960, S. 306 bis 309)
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14. Rosa Luxemburg über die Oktoberrevolution (1918)
Lenin sagt: Der bürgerliche Staat sei ein Werkzeug zur Unterdrückung der
Arbeiterklasse, der sozialistische - zur Unterdrückung der Bourgeoisie.
Es sei bloß gewissermaßen der auf den Kopf gestellte kapitalistische
Staat. Diese vereinfachte Auffassung sieht von dem Wesentlichsten ab:
Die bürgerliche Klassenherrschaft braucht keine politische Schulung und
Erziehung der ganzen Volksmasse, wenigstens nicht über gewisse eng
gezogene Grenzen hinaus. Für die proletarische Diktatur ist sie das
Lebenselement, die Luft, ohne die sie nicht zu existieren vermag. ...
Gerade die riesigen Aufgaben, an die die BoIschewiki mit Mut und Entschlossenheit herantraten, erforderten die intensivste politische Schulung
der Massen und Sammlung der Erfahrung 1 ...
Die Praxis des Sozialismus erfordert eine ganze geistige Umwälzung in
den durch Jahrhunderte der bürgerlichen Klassenherrschaft degradierten
Massen. Soziale Instinkte anstelle egoistischer; Masseninitiative anstelle
der Trägheit; Idealismus, der über alle Leiden hinwegbringt usw. usw.
Niemand weiß das besser, schildert das eindringlicher wiederholt das
hartnäckiger als Lenin. Nur vergreift er sich völlig in der Wahl der Mittel. Dekret, diktatorische Gewalt der Fabrikaufseher, drakonische Strafen;
Schreckensherrschaft, das sind alles Palliative. Der einzige Weg zu dieser
Wiedergeburt: die Schule des öffentlichen Lebens selbst, uneingeschränkte breiteste Demokratie, öffentliche Meinung. Gerade die
Schreckensherrschaft demoralisiert. ...
Fällt das alles hinweg, was bleibt in: Wirklichkeit? Lenin und Trotzki
haben anstelle der aus allgemeinen Volkswahlen hervorgegangenen Vertretungskörperschaften die Sowjets als die einzige wahre Vertretung der
arbeitenden Massen hingestellt: Aber mit dem Erdrücken des politischen
Lebens im ganzen Lande muß auch das Leben in den Sowjets immer mehr
erlahmen. Ohne allgemeine Wahlen, ungehemmte Presse- und Versammlungsfreiheit, freien Meinungskampf erstirbt das Leben in jeder öffentlichen Institution, wird zum Scheinleben, in der die Bürokratie allein das
tätige Element bleibt. Das öffentliche Leben schläft allmählich ein, einige Dutzend Parteiführer von unerschöpflicher Energie und grenzenlosem
Idealismus dirigieren, unter ihnen leitet in Wirklichkeit ein Dutzend hervorragender Köpfe, und eine Elite der Arbeiterschaft wird von Zeit zu Zeit
zu Versammlungen aufgeboten, um den Reden der Führer Beifall zu klatschen, vorgelegten Resolutionen einstimmig zuzustimmen, im Grunde also
eine Cliquenwirtschaft - eine Diktatur allerdings, aber nicht die Diktatur
des Proletariats, sondern die Diktatur einer Handvoll Politiker, d.h. Diktatur im rein bürgerlichen Sinne ... Ja noch weiter: Solche Zustände müs36
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sen eine Verwilderung des öffentlichen Lebens zeitigen: Attentate; Geiselerschießungen etc. Das ist ein übermächtiges, objektives Gesetz, dem
sich keine Partei zu entziehen vermag. ...
Jawohl: Diktatur! Aber diese Diktatur besteht in der Art der Verwendung
der Demokratie, nicht in ihrer Abschaffung, in energischen, entschlossenen Eingriffen in die wohlerworbenen Rechte und wirtschaftlichen Verhältnisse der bürgerlichen Gesellschaft, ohne welche sich die sozialistische Umwälzung nicht verwirklichen läßt. Aber diese Diktatur muß das
Werk der Klasse und nicht einer kleinen, führenden Minderheit im Namen
der Klasse sein, d. h., sie muß auf Schritt und Tritt aus der aktiven Teilnahme der Massen hervorgehen, unter ihrer unmittelbaren Beeinflussung
stehen, der Kontrolle der gesamten Öffentlichkeit unterstehen, aus der
wachsenden politischen Schulung der Volksmassen hervorgehen. ...
Alles, was in Rußland vorgeht, ist begreiflich und eine unvermeidliche
Kette von Ursachen und Wirkungen, deren Ausgangspunkte und Schlußsteine: das Versagen des deutschen Proletariats und die Okkupation Rußlands durch den deutschen Imperialismus. Es hieße von Lenin und
Genossen Übermenschliches verlangen, wollte man ihnen auch noch
zumuten, unter solchen Umständen die schönste Demokratie, die vorbildlichste Diktatur des Proletariats und eine blühende sozialistische Wirtschaft hervorzuzaubern. Sie haben durch ihre entschlossene revolutionäre Haltung, ihre vorbildliche Tatkraft und ihre unverbrüchliche Treue dem
internationalen Sozialismus wahrhaftig genug geleistet, was unter so verteufelt schwierigen Verhältnissen zu leisten war. Das Gefährliche beginnt
dort, wo sie aus der Not die Tugend machen, ihre von diesen fatalen
Bedingungen aufgezwungene Taktik nunmehr theoretisch in allen Stücken
fixieren und dem internationalen [Proletariat] als das Muster der sozialistischen Taktik zur Nachahmung empfehlen wollen. ...
Worauf es ankommt, ist, in der Politik der Bolschewiki das Wesentliche
vom Unwesentlichen, den Kern von dem Zufälligen zu unterscheiden. In
dieser letzten Periode, in der wir vor entscheidenden Endkämpfen in der
ganzen Welt stehen, war und ist das wichtigste Problem des Sozialismus,
geradezu die brennende Zeitfrage nicht diese oder jene Detailfrage der
Taktik, sondern: die Aktionsfähigkeit des Proletariats, die revolutionäre
Tatkraft der Massen, der Wille zur Macht des Sozialismus überhaupt. In
dieser Beziehung waren die Lenin und Trotzki mit ihren Freunden die
ersten, die dem Weltproletariat mit dem Beispiel vorangegangen sind, sie
sind bis jetzt immer noch die einzigen, die mit Hutten ausrufen können:
Ich hab’s gewagt!
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Dies ist das Wesentliche und Bleibende der Bolschewiki-Polítik. In diesem Sinne bleibt ihnen das unsterbliche geschichtliche Verdienst, mit der
Eroberung der politischen Gewalt und der praktischen Problemstellung
der Verwirklichung des Sozialismus dem internationalen Proletariat vorangegangen zu sein und die Auseinandersetzung zwischen Kapital und
Arbeit in der ganzen Welt mächtig vorangetrieben zu haben. In Rußland
konnte das Problem nur gestellt werden. Es konnte nicht in Rußland
gelöst werden, es kann nur international gelöst werden. Und in diesem
Sinne gehört die Zukunft überall dem „Bolschewismus“.
(Rosa Luxemburg, Zur russischen Revolution, in: Gesammelte Werke, Bd. 4, Berlin 1974, S. 359 bis 365)
_______________________
1
In der zitierten Ausgabe.des Originals Bemerkung am Iinken Rand ohne Einordnungshinweis: „Freiheit nur für die Anhänger der Regierung, nur für Mitglieder einer Partei - mögen sie noch so zahlreich sein - ist keine Freiheit. Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden. Nicht wegen des Fanatismus der
,Gerechtigkeit’, sondern weil alÌ das Belebende, Heilsame ued Reinigende der
politischen Freiheit an diesem Wesen hängt und seine Wirkung versagt, wenn
die ,Freiheit’ zum Privilegium wird.“
15. Wladimir I. Lenin über das Fraktionsverbot in der KPR (1921)
1. Der Parteitag lenkt die Aufmerksamkeit aller Mitglieder der Partei darauf, daß die Einheit und Geschlossenheit ihrer Reihen, die Sicherung des
vollen Vertrauens unter den Parteimitgliedern und einer wirklich einmütigen Arbeit, die tatsächlich die Einheit des Willens der Avantgarde des
Proletariats verkörpert, im gegenwärtigen Augenblick, wo eine Reihe von
Umständen die Schwankungen unter der kleinbürgerlichen Bevölkerung
des Landes verstärkt, besonders notwendig sind.
2. ... Es ist notwendig, daß alle klassenbewußten Arbeiter die Schädlichkeit und Unzulässigkeit jeder wie immer gearteten Fraktionsbildung klar
erkennen, die selbst dann, wenn die Vertreter der einzelnen Gruppen den
besten Willen haben, die Parteieinheit zu wahren, ìn der Praxis unweigerlich dazu führt, daß die einmütige Arbeit geschwächt wird und daß die
Feinde, die sich an die Regierungspartei heranmachen, erneut verstärkte
Versuche unternehmen, die Zerklüftung zu vertiefen und sie für die
Zwecke der Konterrevolution auszunutzen. ...
4. Im praktischen Kampf gegen die Fraktionsbildung ist es notwendig, daß
jede Parteiorganisation aufs strengste darauf achtet, daß keinerlei fraktionelle Vorstöße geduldet werden. Die unbedingt notwendige Kritik an den
Mängeln der Partei muß so gehandhabt werden, daß jeder praktische Vor-
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schlag in möglichst präziser Form unverzüglich, ohne jegliche Verschleppung, an die örtlichen und zentralen leitenden Organe der Partei zur Erörterung und Entscheidung weitergeleitet wird. Jeder, der Kritik übt muß
außerdem, was die Form der Kritik betrifft, Rücksicht nehmen auf die
Lage der Partei, die von Feinden umgeben ist.. Jedwede Analyse der allgemeinen Linie der Partei oder die Auswertung ihrer praktischen Erfahrung, ... usw. dürfen auf keinen Fall vorher in Gruppen erörtert werden,
die sich auf Grund irgendeiner „Plattform“ u. ä bilden, sondern sind ausschließlich der unmittelbaren Behandlung durch alle Parteimitglieder
zuzuleiten. ...
6. Der Parteitag erklärt daher ausnahmslos alle Gruppen, die sich auf der
einen oder anderen Plattform gebildet haben (wie die Gruppen der
„ Arbeiteropposition“, des „demokratischen Zentralismus“ usw.), für aufgelöst bzw. ordnet ihre sofortige Auflösung an. Die Nichtausführung dieses Parteitagsbeschlusses hat unbedingt und sofort den Ausschluß aus der
Partei nach sich zu ziehen.
7. Um innerhalb der Partei und in der gesamten Sowjetarbeit strenge Disziplin herbeizuführen und die größte Einheit, bei Ausmerzung jeglicher
Fraktionsbildung, zu erzielen, ermächtigt der Parteitag das Zentralkomitee, in Fällen von Disziplinbruch oder von Wiederaufleben oder Duldung
der Fraktionsbildung alle Parteistrafen bis zum Ausschluß aus der Partei
und gegenüber Mitgliedern des ZK deren Überführung in den Stand von
Kandidaten des ZK, ja als äußerste Maßnahme sogar den Ausschluß aus
der Partei, in Anwendung zu bringen.
(Wladimir I. Lenin, Ursprünglicher Entwurf der Resolution des X. Parteitags der
KPR über die Einheit der Partei, LW, Bd. 32, Berlin 1961, S. 245 bis 248)
16. Wladimir I. Lenin über die Gefahr der Spaltung der Partei und
persönlicher Machtkämpfe. Schwierigkeiten bei der Umgestaltung des Apparats (Dezember 1922 - Januar 1923)
Ich würde sehr empfehlen, auf diesem Parteitag [dem XII. Parteitag der
KPR 1923 M.B.] eine Reihe von Änderungen in unserer politischen Struktur vorzunehmen. ...
Was den ersten Punkt betrifft, d. h. die Erhöhung der Zahl der Mitglieder
des ZK, so glaube ich, daß das nötig ist, sowohl um die Autorität des ZK
zu heben als auch um ernsthaft an der Verbesserung unseres Apparats zu
arbeiten und um zu verhindern, daß Konflikte kleiner Teile des ZK eine
übermäßig große Bedeutung für das ganze Schicksal der Partei erlangen
könnten.
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Ich glaube, daß unsere Partei das Recht hat, von der Arbeiterklasse 50100 Mitglieder des ZK zu verlangen, und daß sie diese von ihr ohne übermäßige Anspannung ihrer Kräfte erhalten kann.
Eine solche Reform würde unsere Partei erheblich festigen und ihren
Kampf erleichtern, den sie inmitten feindlicher Staaten zu führen hat,
und der sich meiner Meinung nach in den nächsten Jahren stark zuspitzen kann und muß. Mir scheint, daß unsere Partei durch eine solche Maßnahme tausendfach an Stabilität gewinnen würde. ...
Ich denke, ausschlaggebend sind in der Frage der Stabilität unter diesem
Gesichtspunkt solche Mitglieder des ZK wie Stalin und Trotzki. Die
Beziehungen zwischen ihnen stellen meines Erachtens die größere Hälfte
der Gefahr jener Spaltung dar, die vermieden werden könnte und zu deren
Vermeidung meiner Meinung nach unter anderem die Erhöhung der Zahl
der Mitglieder des ZK auf 50, auf 100 Personen dienen soll.
Gen. Stalin hat, nachdem er Generalsekretär geworden ist eine unermeßliche Macht in seinen Händen konzentriert, und ich bin nicht überzeugt,
daß er es immer verstehen wird, von dieser Macht vorsichtig genug
Gebrauch zu machen. Anderseits zeichnet sich Gen. Trotzki, wie schon
sein Kampf gegen das ZK in der Frage des Volkskornmissariats für Verkehrswesen bewiesen hat, nicht nur durch hervorragende Fähigkeiten aus.
Persönlich ist er wohl der fähigste Mann im gegenwärtigen ZK, aber auch
ein Mensch, der ein Übermaß von Selbstbewußtsein und eine übermäßige
Vorliebe für rein administrative Maßnahmen hat.
Diese zwei Eigenschaften zweier hervorragender Führer des gegenwärtigen ZK können unbeabsichtigt zu einer Spaltung führen und wenn unsere
Partei nicht Maßnahmen ergreift, um das zu verhindern, so kann die Spaltung überraschend kommen. ...
Stalin ist zu grob, und dieser Mangel, der in unserer Mitte und im Verkehr
zwischen uns Kommunisten durchaus erträglich ist, kann in der Funktion
des Generalsekretärs nicht geduldet werden. Deshalb schlage ich den
Genossen vor, sich zu überlegen, wie man Stalin ablösen könnte, und
jemand anderen an diese Stelle zu setzen, der sich in jeder Hinsicht von
Gen. Stalin nur durch einen Vorzug unterscheidet; nämlich dadurch, daß
er toleranter, loyaler, höflicher und den Genossen gegenüber aufmerksamer, weniger launenhaft usw. ist. ...
Es genügt, daß wir in fünf Jahren einen Staat von neuem Typus geschaffen haben, in dem die Arbeiter, gefolgt von den Bauern, gegen die Bourgeoisie vorgehen, auch das ist angesichts der feindlichen internationalen
Umgebung eine gigantische Leistung. Aber dieses Bewußtsein darf uns
den Blick nicht dafür trüben, daß wir im Grunde den alten Apparat vom
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Zaren und von der Bourgeoisié übernommen haben und daß jetzt, nachdem der Frieden gekommen und der minimale Bedarf zur Stillung des
Hungers gesichert ist, alle Arbeit darauf gerichtet sein muß, den Apparat
zu verbessern. ...
Arbeitermitglieder des ZK sollen vorwiegend Arbeiter sein, die unter
jener Schicht stehen, welche bei uns in den fünf Jahren in die Reihen der
Sowjetangestellten aufgerückt ist, und mehr zu den einfachen Arbeitern
und zu den Bauern gehören, die jedoch nicht direkt oder indirekt unter
die Kategorie der Ausbeuter fallen. Ich glaube, daß solche Arbeiter, in
allen Sitzungen des ZK, in allen Sitzungen des Politbüros anwesend sind
und alle Dokumente des ZK lesen, einen Stamm ergebener Anhänger der
Sowjetordnung bilden können, die erstens fähig sind, dem ZK selbst Stabilität zu verleihen, und die zweitens imstande sind, wirklich an der
Erneuerung und Verbesserung des Apparats zu arbeiten.
(Wladimir I. Lenin, Brief an den Parteitag, LW, Bd. 36, Berlin 1962, S. 577 bis
582)
17. Josef W. Stalin über die „Partei neuen Typus“ (1924)
Daraus [aus der neuen Periode des Klassenkampfes M.B.] folgt die Notwendigkeit einer neuen Partei, einer Kampfpartei, einer revolutionären
Partei. ...
1. ... Die Partei muß vor allem der Vortrupp der Arbeiterklasse sein. ...
2. ... Will sie wirklich den Kampf der Klasse leiten, so muß sie zugleich
auch der organisierte Trupp ihrer Klasse sein. ...
Die Partei ist ... das einheitliche System dieser Organisationen, ihre Vereinigung in aller Form zu einem einheitlichen Ganzen, mit oberen und
unteren Organen der Führung, mit der Unterordnung der Minderheit unter
die Mehrheit, mit praktischen Beschlüssen, die für alle Parteimitglieder
bindend sind. ...
3. (…)Aber die Partei ist nicht die einzige Organisation der Arbeiterklasse. Das Proletariat hat noch eine ganze Reihe anderer Organisationen,
ohne die es keinen erfolgreichen Kampf gegen das Kapital führen kann:
Gewerkschaften; Genossenschaften, Betriebsorganisationen, Parlamentsfraktionen, parteilose Frauenvereinigungen, die Presse, Kultur- und Aufklärungsorganisationen, Jugendverbände, revolutionäre Kampforganisationen (zur Zeit offener revolutionärer Aktionen) , Deputiertensowjets als
staatliche Organisationsform (wenn sich das Proletariat an der Macht
befindet) usw. In ihrer übergroßen Mehrheit sind es parteilose Organisationen ... .Aber richtig ist auch, daß alle diese Organisationen in einer
Richtung tätig sein müssen, denn sie dienen einer Klasse, der Klasse der
Texte
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Proletarier. Es fragt sich nun: Wer bestimmt die Linie, die allgemeine
Richtung, in der alle diese Organisationen ihre Arbeit ausführen sollen?
Wo ist jene zentrale Organisation, die dank der notwendigen Erfahrungen
nicht nur fähig ist, diese allgemeine Linie auszuarbeiten, sondern dank
der hierzu ausreichenden Autorität auch die Möglichkeit hat, alle diese
Organisationen zu veranlassen, diese Linie zu verwirklichen, um eine
Einheitlichkeit in der Führung zu erzielen und Stockungen unmöglich zu
machen?
Eine solche Organisation ist die Partei des Proletariats ...
4. Die Partei als Instrument der Diktatur des Proletariats. ... Die Partei ist
nicht nur die höchste Form der Klassenvereinigung der Proletarier - sie
ist zugleich das Instrument in der Hand des Proletariats zur Eroberung
der Diktatur, solange diese noch nicht erobert ist, zur Festigung und zum
Ausbau der Diktatur, nachdem sie erobert ist. ...
Das heißt, die Millionenmassen der Proletarier mit dem Geist der Disziplin und Organisiertheit beseelen; das heißt, in den proletarischen Massen eine Schutzwehr und ein Bollwerk gegen die zerfressenden Einflüsse
der kleinbürgerlichen Elementargewalt und der kleinbürgerlichen
Gewohnheiten schaffen; das heißt, die organisatorische Arbeit der Proletarier zur Umerziehung und Ummodelung der kleinbürgerlichen Schichten
unterstützen; das heißt, den proletarischen Massen helfen, sich selbst zu
erziehen, als die Kraft, die fähig ist, die Klassen aufzuheben und die
Bedingungen für die Organisierung der sozialistischen Produktion vorzubereiten. ...
Daraus folgt aber, daß mit dem Verschwinden der Klassen, mit dem
Absterben der Diktatur des Proletariats auch die Partei absterben muß.
5. Die Partei als eine mit der Existenz von Fraktionen unvereinbare Einheit
des Willens. Die Diktatur des Proletariats zu erobern und zu behaupten ist
unmöglich ohne eine Partei, die durch ihre Geschlossenheit und eiserne
Disziplin stark ist. ...
Die Partei ist eine Einheit des Willens, die jegliche Fraktionsmacherei
und Machtzersplitterung in der Partei ausschließt.
Daher Lenins Hinweis auf die „Gefährlichkeit der Fraktionsmacherei vom
Standpunkt der Parteieinheit und der Verwirklichung der Willenseinheit
der Avantgarde des Proletariats als der Grundbedingung für den Erfolg
der Diktatur des Proletariats“, der in einer speziellen Resolution des X.
Parteitags „Über die Einheit der Partei“ verankert wurde.
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6. Die Partei wird dadurch gestärkt, daß sie sich von opportunistischen
Elementen säubert.
(Josef W. Stalin, Über die Grundlagen des Leninismus, Werke, Bd. 6, Berlin 1952,
S. 150 bis 162)
18. Leo Trotzki über die Fraktionen und innerparteilichen Kampf
(1936)
Wie könnte eine echte revolutionäre Organisation ... leben und sich entwickeln ohne Ringen der Ideen, ohne Gruppierungen und zeitweilige
Fraktionsbildungen? Auf diese ständig siedende demokratische Grundlage stützte sich das Zentralkomitee, aus ihr schöpfte es die Kühnheit zur
Entscheidung und zum Befehl. ...
Ursprünglich wünschte und hoffte die Partei, im Rahmen der Sowjets die
Freiheit des politischen Kampfes beizubehalten. Der Bürgerkrieg nahm an
diesen Absichten eine harte Korrektur vor. Die Oppositionsparteien wurden eine nach der anderen verboten. In dieser Maßnahme, die deutlich
dem Geist der Sowjetdemokratie widersprach, sahen die Führer des Bolschewismus nicht ein Prinzip, sondern einen episodischen Akt der Selbstverteidigung. ...
Das [auf dem X- Parteitag der KPR beschlossene M. B.] Fraktionsverbot
war ebenfalls nur als außerordentliche Maßregel gedacht, die bei erster
ernstlicher Besserung der Lage hinfällig werden sollte. Gleichzeitig
wandte das Zentralkomitee das neue Gesetz mit größter Vorsicht an und
war vor allen Dingen darum besorgt, daß es nicht zur Erstickung des inneren Lebens der Partei führe.
(Leo D. Trotzki, Verratene Revolution. Was ist die Sowjetunion und wohin treibt
sie? Essen 1990, S. 108 bis 109)
19. Antonio Gramsci über Staat und Zivilgesellschaft (1930/1931)
Im Osten war der Staat alles, die Zivilgesellschaft war in ihren Anfängen
und gallertenhaft. im Westen bestand zwischen Staat und Zivilgesellschaft
ein richtiges Verhältnis, und beim Wanken des Staates gewahrte man
sogleich eine robuste Struktur der Zivilgesellschaft. Der Staat war nur ein
vorgeschobener Schützengraben, hinter welchem sich eine robuste Kette
von Festungen und Kasematten befand; von Staat zu Staat mehr oder weniger, versteht sich, aber gerade dies verlangte eine genaue Erkundung
nationaler Art.
(Antonio Gramsci, Notizen zur Philosophie. Materialismus und Idealismus, in:
Gefängnishefte, Bd. 4, Hamburg/Berlin 1992, S. 874)
Texte
43
20. Antonio Gramsci über die Zivilgesellschaft als Kampffeld (1932)
Dieselbe Reduzierung [der Rolle des Bewegungskrieges gegenüber dem
Stellungskrieg M.B.] muß in der Kunst und der Wissenschaft der Politik
erfolgen, zumindest was die fortgeschrittensten Staaten angeht, wo die
„Zivilgesellschaft“ eine sehr komplexe und gegenüber den katastrophenhaften „Durchbrüchen“ des unmittelbaren ökonomischen Elements
(Krise, Depressionen usw.) widerstandsfähige Struktur geworden ist; die
Superstrukturen der Zivilgesellschaft sind wie das Grabensystem im
modernen Krieg. ... Die Dinge bleiben gewiß nicht beim alten, aber es ist
sicher, daß das Element der Schnelligkeit, des beschleunigten Tempos
fehlt, des definitiven Vorwärtsschreitens, wie es die Strategen des politischen Cadornismus erwarten würden. Die letzte derartige Tatsache in der
Geschichte sind die Ereignisse von 1917 gewesen. Sie haben eine entscheidende Wende in der Geschichte der Kunst und Wissenschaft von der
Politik dargestellt. Es geht folglich darum, „gründlich“ zu untersuchen,
welches die Elemente der Zivilgesellschaft sind, die den Verteidigungssystemen im Stellungskrieg entsprechen.
(Antonio Gramsci, Anmerkungen zur Politik Macchiavellis, in: Gefängnishefte,
Bd. 7, Hamburg/Berlin 1996, S. 1589 und 1590)
21. Antonio Gramsci über Partei und Klasse. Herrschaft, Führung
und Führungsanspruch (1932)
Eine soziale Gruppe ist herrschend gegenüber gegnerischen Gruppen, die
sie selbst mit bewaffneter Gewalt zu „liquidieren“ oder zu unterwerfen
sucht, und sie
ist führend gegenüber benachbarten und verbündeten Gruppen. Eine
soziale Gruppe kann, ja, sie muß führend sein, bevor sie die Regierungsmacht erobert (dies ist eine der grundsätzlichen Bedingungen für die
Eroberung der Macht); danach, wenn sie die Macht ausübt, und auch,
wenn sie sie fest in den Händen hält, wird sie herrschen, aber sie muß
auch weiterhin „führend“ bleiben.
(Antonio Gramsci, Das Problem der politischen Führung bei der Bildung und Entwicklung der Nation und des modernen Staates in Italien, in: Harald Neubert
(Hrsg.), Antonio Gramsci - vergessener Humanist? Eine Anthologie 1917 - 1936,
Berlin 1991, S. 78 und 79)
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22. Antonio Gramsci über Stabilität einer Partei und Führungsanspruch (1932/1933)
So ist es offenkundig, da jede Partei nur eine Nomenklatur einer Klasse
ist, daß für die Partei, die sich die Überwindung der Klassentrennung vornimmt, ihre Vervollkommnung und Vollendung darin besteht, nicht mehr
zu existieren, weil es Klassen und folglich ihren Ausdruck nicht mehr
gibt. ...
Wann kann man ... ..sagen, daß eine ... Partei nicht mit normalen Mitteln
zerstört werden kann? ... Damit eine Partei existiert, ist es erforderlich,
daß drei Grundelemente ... .zusammenkommen. 1. Ein verbreitetes Element gewöhnlicher, durchschnittlicher Menschen, deren Beteiligung sich
durch Disziplin und Treue anbietet, nicht durch schöpferischen und in
hohem Maße organisatorischen Geist. Ohne sie würde es die Partei nicht
geben, das ist wohl wahr, aber es ist ebenso wahr, daß es die Partei mit
ihnen allein auch nicht geben würde. Sie sind eine Kraft, sofern es jemanden gibt, der sie zentralisiert, organisiert, diszipliniert, aber beim Fehlen
dieser Kohäsivkraft würden sie auseinanderlaufen und sich in einer
machtlosen Staubwolke auflösen. ... 2. Das hauptsächliche Kohäsivelement, das im nationalen Maßstab zentralisiert und ein Ensemble von
Kräften wirksam und mächtig werden läßt, die, sich selbst überlassen,
nichts oder kaum etwas zählen würden; dieses Element ist mit einer in
hohem Maße kohäsiv wirkenden, zentralisierenden, disziplinierenden und
(vielleicht gerade deshalb) erfinderischen Kraft begabt ... 3. Ein mittleres Element, welches das erste mit dem dritten Element` verknüpft, sie
nicht nur in „physischen“, sondern moralischen und intellektuellen Kontakt miteinander bringt. ...
Angesichts dieser Überlegungen kann man sagen, daß eine Partei mit normalen Mitteln nicht zerstört werden kann, wenn bei notwendigem Vorhandensein des zweiten Elements, dessen Entstehung an das Vorhandensein
der objektiven materiellen Bedingungen, sei es auch im zerstreuten und
vagabundierenden Zustand, geknüpft ist ... , die beiden anderen gar nicht
anders können, als sich zu bilden, das heißt das erste, das notwendigerweise das dritte als seine Fortsetzung und sein Ausdrucksmittel bildet.
Damit dies eintritt, muß die eiserne Überzeugung ausgebildet sein, daß
eine bestimmte Lösung der lebenswichtigen Probleme notwendig ist. Ohne
diese Überzeugung wird sich das zweite Element nicht bilden, dessen
Zerstörung wegen seiner geringen Zahl am leichtesten ist; es ist aber
nötig, daß dieses zweite Element im Falle seiner Zerstörung ein Ferment
als sein Erbe hinterlassen hat, aus dem es sich wieder bilden kann. Und
wo wird dieses Ferment besser fortbestehen und sich besser bilden könTexte
45
nen als im ersten und dritt Element, die dem zweiten offenkundig am
homogensten sind? ... Das Kriterium für die Beurteilung dieses zweiten
Elements wird zu suchen sein: 1. in dem, was es wirklich tut; 2. in dem,
was es für den hypothetischen Fall seiner Zerstörung vorbereitet. Es ist
schwer zu sagen. welche der beiden Tatsachen wichtiger ist. Da man im
Kampf immer Niederlage in Betracht ziehen muß, ist die Vorbereitung der
eigenen Nachfolger ein ebenso wichtiges Element wie der Einsatz für den
Sieg. ...
Hinsichtlich der „Anmaßung“ der Partei kann man sagen, daß sie schlimmer ist als die Anmaßung der Nationen, von der Vico spricht. ...
Auf jeden Fall ist es nötig, die „Anmaßung“ der Partei der Verachtung
preiszugeben und an die Stelle der Anmaßung die konkreten Tatsachen zu
setzen. Wer an Stelle der konkreten Tatsachen die Anmaßung setzt oder
die Politik der Anmaßung betreibt, ist ohne weiteres zu verdächtigen,
nicht besonders seriös zu sein. Unnötig hinzuzufügen, daß für die Parteien auch nur der „berechtigte“ Anschein vermieden werden muß, jemandes Spiel zu spielen, besonders wenn der Jemand ein fremder Staat ist:
daß dann spekuliert wird, kann keiner vermeiden.
(Antonio Gramsci, Gefängnishefte, Heft 14, in: Gefängnishefte, Bd. 7, Hamburg
1997, S. 1695 bis 1698)
23. Leo Trotzki über den doppelten Charakter des Arbeiterstaates
(1936)
Wie immer man auch die Natur des heutigen Sowjetstaats erklärt, eines
ist unbestreitbar: Am Ende des zweiten Jahrzehnts seines Bestehens ist er
weder abgestorben noch auch nur ím „Absterben“ begriffen, schlimmer:
Er wucherte zu einem in der Geschichte noch nicht dagewesenen Zwangsapparat aus; die Bürokratie hat nicht nur keine Anstalten gemacht, zu
verschwinden und den Massen ihren Platz abzutreten, sondern ist zu einer
unkontrollierten, die Massen beherrschenden Kraft geworden; die Armee
ist nicht nur nicht durch das bewaffnete Volk ersetzt worden, sondern es
bildete sich eine privilegierte Offizierskaste heraus mit Marschällen an
der Spitze, während dem Volk, dem „bewaffneten Träger der Diktatur“ in
der UdSSR sogar das Tragen von Hieb- und Stichwaffen verboten ist. ...
Damit der Staat verschwindet, muß die „KIassenherrschaft und der ...
Kampf ums Einzeldasein“ verschwinden ... .Aber die Sache ist eben die,
daß die Vergesellschaftung der Produktionsmittel noch nicht automatisch
den „Kampf ums Einzeldasein“ beseitigt. ...
Sofern der Staat, der sich die sozialistische Umgestaltung der Gesellschaft zur Aufgabe macht, gezwungen ist, mit Zwangsmethoden Ungleich46
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heit, d.h. materielle Vorteile einer Minderheit zu beschützen, bleibt er
immer noch in gewissem
Grade ein „bürgerlicher“ Staat, wenn auch ohne Bourgeoisie. Diese Worte
enthalten weder Lob noch Tadel, sie nennen das Ding einfach beim
Namen ...
„Der bürgerliche Staat ohne Bourgeoisie“ erwies sich als unvereinbar mit
echter Sowjetdemokratie ... . Was die Verteidigung des vergesellschafteten Eigentums gegen die bürgerliche Konterrevolution anbelangt, so entspricht der „Staat der bewaffneten Arbeiter“ vollauf seinem Zweck, aber
mit der Regulierung der Ungleichheit in der Sphäre des Verbrauchs verhält es sich ganz anders. Vorrechte zu schaffen und sie zu verteidigen,
sind nicht diejenigen bereit, denen sie abgehen. ...
Was den Sowjetstaat daran hindert, abzusterben oder sich auch nur von
bürokratischen Parasiten zu befreien, sind nicht, wie es in Stalins reiner
Polizistendoktrin heißt, die an sich ohnmächtigen „Überreste“ der früheren herrschenden KIassen, sondern weitaus mächtigere Faktoren wie
materielle Armut, kulturelle Rückständigkeit und eine daraus hervorgehende Herrschaft „bürgerlichen Rechts“ auf einem Gebiet, das jeden
Menschen am unmittelbarsten und lebhaftesten berührt: auf dem Gebiet
der Selbsterhaltung.
(Leo Trotzki, Verratene Revolution. Was ist die Sowjetunion und wohin treibt sie?,
Essen 1990, S. 67 bis 72)
24. Josef W. Stalin über die Verschärfung des Klassenkampfes beim
fortschreitenden Aufbau des Sozialismus (1937)
Es ist notwendig, die faule Theorie zu zerschlagen und beiseite zu werfen;
daß der Klassenkampf bei uns mit jedem Schritt unseres Vormarsches
mehr und mehr erlöschen müsse, daß der Klassenfeind in dem Maße, wie
wir Erfolge erzielen, immer zahmer werde.
Das ist nicht nur eine faule Theorie, sondern auch eine gefährliche Theorie, denn sie schläfert unsere Leute ein, lockt sie in die Falle, während sie
dem Klassenfeind die Möglichkeit gibt, für den Kampf gegen die Sowjetmacht Kräfte zu sammeln.
Im Gegenteil, je weiter wir vorwärtsschreiten, ,je mehr Erfolge wir erzielen werden, um so größer wird die Wut der Überreste der zerschlagenen
Ausbeuterklassen werden, um so eher werden sie zu schärferen Kampfformen übergehen, um so mehr Niederträchtigkeiten werden sie gegen den
Sowjetstaat begehen, um so mehr werden sie zu den verzweifeltsten
Kampfmitteln greifen als den letzten Mitteln zum Untergang Verurteilter.
Texte
47
Man muß im Auge behalten, daß die Reste der zerschlagenen Klassen in
der UdSSR nicht allein dastehen. Sie genießen die direkte Unterstützung
unserer Feinde jenseits der Grenze.
(Josef W. Stalin, Über die Mängel der Parteiarbeit und die Maßnahmen zur Liquidierung der trotzkistischen und sonstigen Doppelzüngler. Referat und Schlußwort
auf dem Plenum des ZK der KPdSU(B). 3. und 5. März 1937, Berlin 1954, S. 22
und 23)
25. Josef W. Stalin über Entwicklungsphasen und Funktionen des
sozialistischen Staates. Sein Fortdauern im Kommunismus
(1939)
Seit der Oktoberrevolution hat unser sozialistischer Staat in seiner Entwicklung zwei Hauptphasen durchgemacht.
Die erste Phase ist die Periode von der Oktoberrevolution bis zur Liquidierung der Ausbeuterklassen. ... Dementsprechend erfüllte unser Staat
in dieser Periode zwei Hauptfunktionen. Die erste Funktion war die
Unterdrückung der gestürzten Klassen innerhalb des Landes. Darin erinnerte unser Staat äußerlich an die früheren Staaten, ... jedoch mit dem
grundsätzlichen Unterschied, daß unser Staat die ausbeutende Minderheit
im Interesse der werktätigen Mehrheit unterdrückte, während die früheren Staaten die ausgebeutete Mehrheit im Interesse der ausbeutenden
Minderheit unterdrückten. Die zweite Funktion war die Verteidigung des
Landes gegen Überfälle von außen. Darin erinnerte er ebenfalls äußerlich
an die früheren Staaten, ... jedoch mit dem grundsätzlichen Unterschied,
daß unser Staat die Errungenschaften der werktätigen Mehrheit vor Überfällen von außen schützte, während die früheren Staaten in solchen Fällen die Reichtümer und Privilegien der ausbeutenden Minderheit schützten. Es gab auch eine dritte Funktion, und zwar die wirtschaftlich-organisatorische und kulturell-erzieherische Arbeit der Organe unseres Staates,
die die Entwicklung der Keime der neuen, der sozialistischen Wirtschaft
und die Umerziehung der Menschen im Geiste des Sozialismus bezweckte. Doch erfuhr diese neue Funktion in dieser Periode keine erhebliche
Entwicklung.
Die zweite Phase ist die Periode von der Liquidierung der kapitalistischen
Elemente in Stadt und Land bis zum vollen Siege des sozialistischen
Wirtschaftssystems und der Annahme der neuen Verfassung. ... Dementsprechend veränderten sich ... die Funktionen unseres sozialistischen
Staates. Die Funktion der militärischen Unterdrückung innerhalb des
Landes kam in Wegfall - starb ab. ... An Stelle der Funktion der Unterdrückung erhielt der Staat die Funktion, das sozialistische Eigentum vor
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Dieben und Plünderern des Volksguts zu schützen. ... Die Funktion des
militärischen Schutzes des Landes vor Überfällen von außen blieb völlig
erhalten, es blieben folglich auch die Rote Armee, die Kriegsmarine,
ebenso wie die Straforgane und der Abwehrdienst. ... Die Funktion der
wirtschaftlich - organisatorischen und kulturelI-erzieherischen Arbeit der
Staatsorgane blieb erhalten und kam vollauf zur Entfaltung. ...
Doch kann die Entwicklung dabei nicht stehenbleiben. Wir schreiten weiter, vorwärts, zum Kommunismus. Wird bei uns der Staat auch in der Periode des Kommunismus erhalten bleiben? Ja, er wird erhalten bleiben
wenn die kapitalistische Umkreisung nicht beseitigt, die Gefahr kriegerischer Überfälle von außen nicht überwunden wird; dabei ist klar; daß
sich die Formen unseres Staates neuerlich verändern werden, entsprechend den Veränderungen der inneren und äußeren Situation:
Nein, er wird nicht erhalten bleiben, sondern absterben, wenn die kapitalistische Umkreisung beseitigt, wenn sie durch eine sozialistische Umwelt
abgelöst wird.
(Josef W. Stalin, Rechenschaftsbericht an den XVIll. Parteitag der KPdSU, in: Josef
W. Stalin, Fragen des Leninismus, Berlin 1955, S. 807 bis 811)
26. Möglichkeit und Voraussetzungen des friedlichen bzw. parlamentarischen Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus (1960)
Die kommunistischen Parteien bekräftigen die Feststellungen der
Erklärung von 1957 über die Formen des Übergangs verschiedener Länder vom Kapitalismus zum Sozialismus. Die Arbeiterklasse und ihre Vorhut, die marxistisch-leninistische Partei, heißt es in der Erklärung, sind
bestrebt, die sozialistische Revolution mit friedlichen Mitteln durchzuführen. ...
Unter den heutigen Verhältnissen hat die Arbeiterklasse mit ihrer Vorhut
an der Spitze in einer Reihe von kapitalistischen Ländern die Möglichkeit, auf der Grundlage der Arbeitereinheit und der Volksfront und anderer möglicher Formen des Bündnisses und der politischen Zusammenarbeit verschiedener Parteien und gesellschaftlicher Organisationen die
Mehrheit des Volkes zu vereinen, die Staatsmacht ohne Bürgerkrieg zu
erobern und den Übergang der wichtigsten Produktionsmittel in die
Hände des Volkes zu sichern. Indem sie sich auf die Mehrheit des Volkes
stützt und einen entschlossenen Kampf gegen die opportunistischen Elemente führt, ... hat die Arbeiterklasse die Möglichkeit, den reaktionären,
volksfeindlichen Kräften eine Niederlage beizubringen, eine stabile Parlamentsmehrheit zu erringen, das Parlament aus einem Werkzeug, das den
Klasseninteressen der Bourgeoisie dient, in ein Instrument zu verwanTexte
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deln, das dem schaffenden Volk dient, einen umfassenden außerparlamentarischen Massenkampf zu entfalten; den Widerstand der reaktionären Kräfte zu brechen und die notwendigen Voraussetzungen für die
friedliche Verwirklichung der sozialistischen Revolution zu schaffen. ...
Für den Fall; daß die Ausbeuterklassen dem Volke gegenüber Gewalt
brauchen sollten, muß man eine andere Möglichkeit im Auge haben: die
des nichtfriedlichen Übergangs zum Sozialismus. Der Leninismus lehrt,
und die historische Erfahrung bestätigt; daß die herrschenden Klassen
die Macht nicht freiwillig abtreten. Der Grad der Erbitterung und die Formen des KIassenkampfes werden unter diesen Bedingungen nicht so sehr
vom Proletariat abhängen als vielmehr von der Stärke des Widerstandes,
den die reaktionären Kreise dem Willen der überwältigenden Mehrheit
des Volkes entgegensetzen, davon, ob diese Kreise in dieser oder jener
Phase des Kampfes für den Sozialismus Gewalt anwenden werden.
(Erklärung der Beratung von Vertretern der kommunistischen und Arbeiterparteien. November 1960, Referat Walter Ulbrichts und Entschließung der 11. Tagung
des ZK der SED, 12. - 17. Dezember 1960, Berlin o.J. [1960], S. 56 und 57)
27. Palmiro Togliatti über die Einheit in Vielfalt der sozialistischen
Kräfte im Lande (1963)
Bereits in der Vergangenheit, und zwar im Zusammenhang mit der Erfahrung der Einheitsfront und der Volksfront, ist das Problem des politischen
Zusammenschlusses von uns angeschnitten worden. ... Es geht darum,
unter den gegebenen Umständen ein System von Kontakten und spezifischen Gliederungen zwischen solchen Kräften zu finden, die eine gewisse gemeinsame Basis akzeptieren, auch wenn jede ihre eigene Tradition,
Organisation und ihren eigenen Charakter besitzt und beibehält. Es versteht sich, daß eine derartige gemeinsame Basis nicht das geistige Produkt der Führer einer einzigen Partei sein kann. Sie müßte das Ergebnis
einer breit angelegten Erarbeitung von Grundsätzen und einer politischen
Linie sein, die in Verbindung und unter der unmittelbaren Beteiligung der
werktätigen Massen, der Arbeiter und der Avantgarde der Intellektuellen,
d. h. all jener vorgenommen werden muß, die es für notwendig erachten,
sich dem spätkapitalistischen Entwicklungsprozeß, also dem Prozeß der
Stärkung der Macht der Monopole, zu widersetzen, um den Übergang zu
einer Gesellschaft in Angriff zu nehmen, die auf neuen Prinzipien aufgebaut ist.
(Palmiro Togliatti, Die marxistische Konzeption der politischen Partei der Arbeiterklasse, in: Reden und Schriften. Eine Auswahl, herausgegeben von Claudio Pozzoli mit einem Vorwort von Franco Ferri, Frankfurt am Main 1967, S. 203)
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Te xt e
28. Palmiro Togliatti über die Einheit in Vielfalt der internationalen
sozialistischen Kräfte (1964)
Die Einheit aller sozialistischen Kräfte in einer gemeinsamen Aktion
gegen die reaktionärsten Gruppen des Imperialismus, auch über die ideologischen Divergenzen hinweg, ist eine unabdingbare Notwendigkeit. ...
Wir müßten also in Zukunft so vorgehen, daß wir die Verwirklichung dieses Zieles nicht erschweren, sondern sie im Gegenteil erleichtern. Wir
dürfen auf keinen Fall in der Polemik innehalten, müssen dabei aber stets
von der Argumentation ausgehen, daß auf Grund der gegenwärtigen Situation die Einheit der ganzen sozialistischen Weit und der gesamten kornmunistischen und Arbeiterbewegung notwendig und realisierbar ist. ...
Die Autonomie der Parteien, die wir entschieden befürworten, ist nicht
nur eine innere Notwendigkeit unserer Bewegung, sondern sie stellt eine
wesentliche Voraussetzung für unsere Weiterentwicklung unter den derzeitigen Bedingungen dar. Wir würden uns also jedem Vorschlag, erneut
eine zentralisierte internationale Organisation zu schaffen, widersetzen.
Wir sind stete Verfechter der Einheit unserer Bewegung, aber diese Einheit muß in der Vielfalt konkreter politischer Positionen verwirklicht werden, die der Situation und der Entwicklungsstufe eines jeden Landes entsprechen. Es besteht dabei natürlich die Gefahr, daß die Parteien sich
voneinander isolieren und daher eine gewisse Verwirrung entsteht. Diese
Gefahren müssen bekämpft werden, und dazu muß man sich unserer
Ansicht nach folgender Mittel bedienen: Sehr häufige Kontakte und
Erfahrungsaustausch zwischen den Parteien auf breiter Ebene; Einberufung von kollektiven Tagungen zur Untersuchung von Problemen, die
einer bestimmten Gruppe von Parteien gemeinsam sind; internationale
Arbeitstagungen über allgemeine Probleme der Wirtschaft, Philosophie,
Geschichte usw.
Außerdem treten wir dafür ein, daß zwischen den einzelnen Parteien und
über Themen vom allgemeinem Interesse auch in der Öffentlichkeit diskutiert wird, um die gesamte öffentliche Meinung daran zu interessieren.
(Palmiro Togliatti, Memorandum über Fragen der internationalen Arbeiterbewegung
und ihrer Einheit, in: Reden und Schriften. Eine Auswahl, herausgegeben von
Claudio Pozzoli mit einem Vorwort von Franco Ferri, Frankfurt am Main 1967,
S. 215 und 221)
Texte
51
29. Palmiro Togliatti über „Kapitalismus und Strukturreformen“
(1964)
Strukturreformen als Weg zur Entfaltung der Demokratie und als Übergang zum Aufbau einer neuen Gesellschaft sind weder unsere Erfindung
noch die Erfindung der sozialistischen Genossen oder der Aktionspartei
oder irgendeiner anderen politischen Gruppe im besonderen. Sie waren
und sind ein wesentlicher Bestandteil der programmatischen Forderungen
der großen Einheitsbewegung des Widerstands. Der Widerstand hatte es
sich nämlich nicht nur zum Ziel gesetzt, Italien vom Faschismus zu
befreien, sondern war bestrebt, das Wiederaufleben eines eindeutig reaktionären Regimes ein für allemal unmöglich zu machen und zu diesem
Zweck eine Gesellschaftsordnung zu schaffen, in der die Reaktion und
der soziale Konservatismus mit der Wurzel ausgerottet sind. Dazu bedurfte es einer tiefgreifenden Umwandlung der ökonomischen und politischen
Struktur des Landes, und diese Umwandlung war in großen Zügen in der
Verfassung des Staates selbst vorgezeichnet. Das Neue an dieser politischen Konzeption liegt in der Verbindung eines Programms der wirtschaftlichen und sozialen Erneuerung mit dem Bekenntnis zu den
Grundsätzen der Demokratie als unerschütterlichem Fundament des republikanischen Staates und als Norm, die in seiner gesamten weiteren Entwicklung einzuhalten ist. ...
Eine echte und tiefgreifende Strukturreform läßt sich nicht ohne politischen Kampf erreichen, der der alten kapitalistischen Führungsschicht
ihre wirtschaftliche Vormachtstellung streitig macht. Das heißt, daß es,
um Fortschritte zu erzielen, notwendig ist, einen politischen Kampf und
die Mobilisierung der öffentlichen Meinung entschlossen und auf breiter
Front zu betreiben.
(Palmiro Togliatti, Kapitalismus und Strukturreformen, in: Reden und Schriften.
Eine Auswahl, herausgegeben von Claudio Pozzoli mit einem Vorwort von Franco
Ferri, Frankfurt am Main 1967, S. 173)
30. Palmiro Togliatti über den parlamentarischen Weg zum Sozialismus (1964)
So erhebt sich die Frage, ob es den werktätigen Klassen möglich ist, im
Rahmen eines Staates, der seinen bürgerlichen Charakter beibehalten
hat, Machtpositionen zu erringen, und ob dementsprechend der Kampf um
eine allmähliche Umgestaltung dieses Charakters von innen heraus denkbar ist. In Ländern, in denen die kommunistische Bewegung stark geworden ist, wie bei uns (und in Frankreich), ist das die Kernfrage, die sich
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Te xt e
heute im politischen Kampf stellt. Das bringt natürlich eine Radikalisierung dieses Kampfes mit sich, und von dieser Radikalisierung wiederum
hängen die weiteren Perspektiven ab.
(Palmiro Togliatti, Memorandum über Fragen der internationalen Arbeiterbewegung
und ihrer Einheit, in: Reden und Schriften. Eine Auswahl, herausgegeben von
Claudio Pozzoli mit einem Vorwort von Franco Ferri, Frankfurt am Main 1967,
S. 220)
III. Literaturverzeichnis
Friedrich Engels, Grundsätze des Kommunismus, MEW, Bd. 4, Berlin
1959
Friedrich Engels, Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des
Staats, MEW, Bd. 21, Berlin 1962
Friedrich Engels, Einleitung zu Karl Marx „Bürgerkrieg in Frankreich“,
MEW, Bd. 22, Berlin 1963
Friedrich Engels, Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft
(„Anti-Dühring“), MEW, Bd. 20, Berlin 1962
Friedrich Engels, Einleitung zu Karl Marx „Klassenkämpfe in Frankreich
1848 - 1850“, MEW, Bd. 22, Berlin 1963
Friedrich Engels, Brief an Paul Lafargue vom 3. April 1895, MEW, Bd. 39,
Berlin 1968
Antonio Gramsci, Notizen zur Philosophie. Materialismus und Idealismus,
in: Gefängnishefte, Bd. 4, Hamburg/Berlin 1992
Antonio Gramsci, Anmerkungen zur Politik Macchiavellis, in: Gefängnishefte, Bd. 7, Hamburg/Berlin 1996
Antonio Gramsci, Das Problem der politischen Führung bei der Bildung
und Entwicklung der Nation und des modernen Staates in Italien, in: Harald Neubert (Hrsg.), Antonio Gramsci - vergessener Humanist? Eine Anthologie 1917 - 1936, Berlin 1991
Antonio Gramsci, Gefängnishefte, Heft 14, in: Gefängnishefte, Bd. 7,
Hamburg 1997
Hermann Klenner, Macht/Herrschaft/Gewalt, in: Europäische Enzyklopädie zu Philosophie und Wissenschaften, Bd. 3, herausgegeben von Hans
Jörg Sandkühler, 1990
Wladimir I. Lenin, Was tun? Brennende Fragen unserer Bewegung, LW,
Bd. 5, Berlin 1955
Wladimir I. Lenin, Unsere Aufgaben und der Sowjet der Arbeiterdeputierten, LW, Bd.10, Berlin 1958
Literaturverzeichnis
53
Wladimir I. Lenin, Briefe aus der Ferne. Brief 5. Die Aufgaben der revolutionären proletarischen Staatsordnung, LW, Bd. 23, Berlin 1957
Wladimir I. Lenin, Über die Doppelherrschaft, LW, Bd. 24, Berlin 1959
Wladimir I. Lenin, Sechs Thesen über die nächsten Aufgaben der Sowjetmacht, LW, Bd. 27, Berlin 1960
Wladimir I. Lenin, Bedingungen für die Aufnahme in die Kommunistische
Internationale, LW, Bd. 31, Berlin 1959
Wladimir I. Lenin, Ursprünglicher Entwurf der Resolution des X. Parteitags der KPR über die Einheit der Partei, LW, Bd. 32, Berlin 1961
Wladimir I. Lenin, Brief an den Parteitag, LW, Bd. 36, Berlin 1962
Rosa Luxemburg, Zur russischen Revolution, in: Gesammelte Werke,
Bd. 4, Berlin 1974
Karl Marx, Der Bürgerkrieg in Frankreich, MEW, Bd. 17, Berlin 1962
Karl Marx, Das Kapital. Band I, in: MEW, Bd. 23, Berlin 1963
Karl Marx/Friedrich Engels, Manifest der Kommunistischen Partei, MEW,
Bd. 4, Berlin 1959
Josef W. Stalin, Über die Grundlagen des Leninismus, Werke, Bd. 6, Berlin 1952
Josef W. Stalin, Über die Mängel der Parteiarbeit und die Maßnahmen zur
Liquidierung der trotzkistischen und sonstigen Doppelzüngler. Referat
und Schlußwort auf dem Plenum des ZK der KPdSU(B). 3. und 5. März
1937, Berlin 1954
Josef W. Stalin, Rechenschaftsbericht an den XVIll. Parteitag der KPdSU,
in: Josef W. Stalin, Fragen des Leninismus, Berlin 1955
Leo Trotzki, Verratene Revolution. Was ist die Sowjetunion und wohin
treibt sie?, Essen 1990
Erklärung der Beratung von Vertretern der kommunistischen und Arbeiterparteien. November 1960, Referat Walter Ulbrichts und Entschließung
der 11. Tagung des ZK der SED, 12. - 17. Dezember 1960, Berlin o.J.
[1960]
54
Literaturverzeichnis
IV. Personenverzeichnis
Barrot, Camille-Hyacinthe-Odilon (1791 - 1873) liberaler, später monarchistischer französischer Politiker, 1848/1849 Ministerpräsident.
Cadorna, Luigi Graf (1850 - 1928) Generalstabschef des italienischen
Heeres und verantwortlich für schwere Verluste und Niederlagen der italienischen Truppen im 1. Weltkrig, die Folge einer „Durchbruchsstrategie“ waren. Der Ausdruck „politischer Cadornismus“ dient in den
„Gefängnisheften“ Gramscis als Verschlüsselung für die Revolutionskonzeption Trotzkis.
Engels, Friedrich (1820 - 1895) Mitbegründer des wissenschaftlichen
Sozialismus, Freund und enger Mitarbeiter von Karl Marx.
Gramsci, Antonio (1891 - 1937) 1921 Mitbegründer, später Generalsekretär der Kommunistischen Partei Italiens. 1928-1936 im faschistischen
Kerker. Seine nach dem Krieg herausgegebenen Schriften beeinflußten
stark das marxistische Denken.
Hegel, Georg Wilhelm Friedrich (1770 - 1831), bedeutender Vertreter der
klassischen deutschen Philosophie, einer der Begründer der modernen
dialektischen Methode und des objektiven Idealismus.
Lafargue, Paul (1842-1911) Arzt, französischer Sozialist, Theoretiker und
Propagandist des Marxismus. Verheiratet mit Marx’ Tochter Laura.
Lenin, Wladimir Iljitsch [Lenin, Vladimir Il’i ; Ul’ânov, Vladimir Il’i ]
(1870 - 1924) bedeutender russischer Vertreter des Marxismus und
revolutionärer Politiker. Initiator der Gründung der Kommunistischen
Partei Rußlands (Bolschewiki). Führer der russischen Oktoberrevolution
1917 und Begründer des Sowjetstaates.
Liebknecht, Wilhelm (1826-1900) führender Politiker der deutschen und
internationalen Arbeiterbewegung, gründete 1869 mit August Bebel die
Sozialdemokratische Arbeiterpartei.
Luxemburg, Rosa [Luksemburg, Ró a] (1870 [1871?]) - 1919) hervorragende sozialistische Theoretikerin und Politikerin. Wirkte in der polnischen, deutschen und russischen Arbeiterbewegung. Mitbegründerin
der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei des Königreichs Polen und
Litauens (1894) und der KPD (1918). Am 15. Januar 1919 von den Freikorpsangehörigen Vogel und Runge ermordet.
Macchiavelli, Niccolo (1469 - 1527) bedeutender italienischer Philosoph,
Begründer der neuzeitlichen Politikwissenschaft. Mit seinen Werken setzte sich Gramsci während seiner Kerkerhaft auseinander.
Personenverzeichnis
55
Marx, Karl Heinrich (1818 - 1888), Begründer der wissenschaftlichen
Sozialismus (gemeinsam mit F. Engels).
Stalin, Josef Wissarionowitsch [Stalin, Iosif Visarionovi ; D ugašvili,
Iosif Visarionovi ] (1879 - 1953) bedeutender Politiker der Bolschewiki
und des Sowjetstaates. In Gori (Georgien) geboren. Beteiligt an der
Organisierung der Oktoberrevolution. 1922 Generalsekretär des ZK der
KPdSU, 1941 Vorsitzender des Ministerrats der UdSSR.
Togliatti, Palmiro (1893 - 1994) Mitbegründer der Italienischen Kommunistischen Partei, einer der Führer, seit 1947 Generalsekretär der IKP.
Mitglied der Volksfrontregierungen Italiens 1944 - 1946.
Trotzki, Leo [Trockij Lev Davidovi ; Bronštejn, Lejb] (1879 - 1940) revolutionärer sozialistischer Politiker Rußlands und der Sowjetunion. Mitorganisator der Oktoberrevolution. Seit 1929 aus der Sowjetunion ausgewiesen. Begründer der IV. Internationale. Auf Veranlassung Stalins im
mexikanischen Exil ermordet.
Ulbricht, Walter (1893 - 1973) führender Funktionär der KPD und der
SED. 1950-1971 Generalsekretär bzw. 1. Sekretär des ZK der SED, 19601973 Vorsitzender des Staatsrates der DDR
Vico, Giovanni Battista (Giambattista) (1668 - 1744) italienischer
Geschichts- und Rechtsphilosoph. Mit Vicos Werken setzte sich Gramsci
während seiner Haft im faschistischen Kerker auseinander.
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Personenverzeichnis
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