1 Lernen und Entwicklung Behaviorismus versus Kognitivismus

Werbung
Vorlesung Psychologie
Ralph Hansmann, 2.10.2012
[vgl. Zimbardo (1995)., Kap. 2.1, 2.3, 6 oder
Zimbardo (1999), Kap.5.1-5.4, 6.1, 6.4, 10.1.1, 10.1.2, 10.3.
Zimbardo (2004), Kap.7]
Lernen und Entwicklung
Behaviorismus versus Kognitivismus, Einstieg in das kognitive Modell des Menschen
Grundmechanismen des Lernens (Assoziationsprinzipien, Aristoteles)
• Kontiguität (zeitliche, räumliche)
• Ähnlichkeit (Personen, Situationen, etc.)
• Kontrast
Behaviorismus
• John Locke (1632): Mensch ist eine „Tabula Rasa“. Die Entwicklung findet durch Assoziationen
statt.
• Problem: Zu viel Wissen wird im Laufe des Lebens erworben
• John Watson (1930): Formbarkeit des Menschen durch Umweltkontingenzen
Kognitivismus
• Kant (1742): Mensch hat angeborene Fähigkeiten oder Strukturen. Die Entwicklung hängt von
diesen Strukturen und nicht in erster Linie von der Erfahrung ab.
• Albert Bandura, Sozial-Kognitive Lerntheorie (1976), Reziproker Determinismus
1. klassische Theorien des Lernens
Lernen
• Führt zu stabilen (relativ stabil, Vergessen) Änderungen im Verhalten oder Verhaltenspotential
(Prüfungsangst, Unterschied zwischen Kompetenz und Performance)
• Aus Erfahrungen aufgebaut (Interaktion mit der Umwelt): Gegensatz zu biologischer Entwicklung
(Lernen Laufen Lernen?)
• Muss aus den Veränderungen des beobachtbaren Verhaltens geschlossen werden
Behaviorismus
• Kenntnis über den Menschen durch Anwendung von Methoden der Naturwissenschaften.
Entdeckung von regelhaften Prinzipien
• Untersucht wird das objektive Verhalten und die Rolle der Umwelt bei der Verursachung des
Verhaltens und keine nicht beobachtbaren Dinge.
• Man fragt nicht, warum jemand etwas getan hat, sondern untersucht mögliche Ursachen in der
Umwelt (Gesellschaft: das Sein prägt das Bewusstsein)
A klassisches Konditionieren
„Was-ist-das?„-Reflex, zeitliches Konditionieren (siehe Abb.1)
unkonditionierter Stimulus, konditionierter Stimulus, konditionierte Reaktionen, bedingter Reflex
Bekräftigung, Löschung, „little Albert“, Watson (1913), Behaviorismus, alltägliche Beispiele für
klassisches Konditionieren
Pawlow (1849-1936)
• Prinzipien der klassischen Konditionierung (Nobelpreis 1904)
• Klassische Konditionierung: Lernen einer neuen Assoziation zwischen zwei Reizen (Stimuli)
• Zufallsentdeckung bei der Untersuchung von Verdauungsprozessen
• Sekretion bei einem Reiz, welcher dem Futter regelmässig vorausgeht
• Automatische Reflexe, die biologisch wichtig sind (biologische Adaption)
Arten der Konditionierung
• Vorwärtsgerichtete Konditionierung: konditionierter Reiz vor unkonditioniertem Reiz
• Gleichzeitiges Konditionieren
• Rückwirkendes Konditionieren
• Löschung durch Ausbleiben des konditionierten Stimulus.
1
• Aversive Konditionierung (Armeebeispiel)
• Konditionierung zweiter Ordnung
• Konditionierung des menschlichen Immunsystems
Abbildung 1:
konditionierte Stimuli
unkonditionierte Stimuli
konditionierte Reaktion
?
gleichzeitig
verzögert
Spur
rückwärts
überlappend
nicht überlappend
Konditionieren funktioniert schlecht bei simultaner oder Rückwärtskondition
Alltägliche Beispiele für klassisches Konditionieren
Grundlegendes Muster
KS
UKS
Nach einem Autounfall erregt der Anblick eines
Autos Angst
Anblick des Autos
Autounfall und Verletzung
Kind weint beim Anblick des Babysitter, ehe
Eltern fortgehen
(KR)
UKR
Angst
Babysitter kommt
Eltern verlassen das Kind
Weinen
Anblick einer Katze
Anblick einer Katze ruft Keuchen hervor, noch
ehe ein Haar den Körper berühren kann
Katzenhaar
Ständige Sorgen um die Arbeit, auch in der
Freizeit, führen zu Magengeschwüren
allergische
Reaktion, z.B.
Keuchen
an die Arbeit denken,
sich Sorgen machen
Anspannung oder Angst
(bei der Arbeit)
Produktion von
Säure im Magen
B Operantes Konditionieren
Verstärkung (reinforcement), Skinner-Box, Verstärkungspläne
Skinner: Operantes Konditionieren
• Verknüpfung zwischen einem Stimulus und einem operanten Verhalten (z.B. Picken, Weinen)
• Verhaltenskontingenz; konsistente Beziehung zwischen einer Reaktion und den Reizbedingungen
“wenn X, dann Y” (immer Korn nach dem picken)
• Komplexe Verhaltensweisen sind das Produkt von Kontingenzen (Delphindressur)
• Verstärker erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer Wirkreaktion
• Diskriminative Reize: Lernen, wann etwas zu tun ist (z.B. jedes 5. Mal Futter, Futter bei rotem und
grünem Licht)
• Operante Konditionierung abergläubischen Verhaltens bei Tauben
Verstärkungsmuster, Quotenpläne
• Quotenplan: Verstärkung nach bestimmter Anzahl von Reaktionen (besser lange Abstände)
• Intervallplan: Verstärkung nach einem bestimmten Zeitplan (besser kurze Abstände)
• Besonders hohe Reaktionsraten z.B. bei Zufallsquotenplan
UV’s und AV’s
2
• UV’s: Situationsmerkmale (Anzahl der Durchgänge, zeitlicher Abstand, Intensität und Qualität)
• AV’s: Verhalten, Stärke der Reaktion, Schnelligkeit, Erwerbsrate, Dauerhaftigkeit.
C
Zu Physiologischen Grundlagen
• Lokalisationen von Lernen
• Umgebungseinflüsse beeinflussen nicht nur Lernen, sondern auch biologische Reifung
Wichtig für Erinnerung:
• u.a. Hippocampus, umfassende Amnesien für neue Eindrücke bei funktionierendem
Langzeitgedächtnis (LZG) und Kurzzeitgedächtnis (KZG)
• Bedeutend für Übergang von Informationen vom KZG ins LZG
• Limbisches System für Erleben von Emotionen – Belohnung/Lust und Bestrafung – und somit
ebenfalls für Lernen wichtig
2. Sozial-kognitive Lerntheorie von Albert Bandura (1976)
•
•
•
•
•
„Bobo-Doll“ Studien (1963, 1965) zum Lernen am Modell Bedeutend für Übergang von
Informationen vom KZG ins LZG
Unterscheidung zwischen Aneignungsprozessen und Ausführungsprozessen beim Lernen am
Modell
Bowling-Studie (Bandura & Kupers, 1964) zu Leistungsmotivation
Stellvertretende vs. Direkte / externe Verstärkung vs. Selbstbekräftigung
Was kann alles von Modellen bzw. im sozialen Kontext gelernt werden?
Exkurs zu weiteren Lernmechanismen:
• Lernen durch Instruktion
• Lernen durch mentale Operationen (mentales Probehandeln), Einsicht
• Problemlösen, deduktives, induktives Denken
• Prägung („Tierpsychologie“, Verhaltensbiologie; sensible Phasen; Konrad Lorenz)
→ Ergebnisse von Tierstudien geben nur Hinweise auf mögliche Zusammenhänge beim Menschen.
→ Untersuchungen am Menschen sind notwendig zur Erklärung menschlichen Verhaltens.
→ Grosse Flexibilität des Menschen durch Reflexivität, Einsichtsfähigkeit
3. Theorien kognitiver Entwicklung
„Cogito ergo sum“
R. Descartes (1596-1650)
J. Piagets (1896-1980) Theorie der geistigen Entwicklung
• Demonstrationen, Interviews mit eigenen Kindern. Daraus folgten komplexe Schlüsse.
• Wie überführt ein Kind spezifische, konkrete Informationen in allgemeine, abstrakte Begriffe
• Wie denken Kinder? Keine Reiz-Reaktions Modelle.
Konzepte bzw. drei grundlegende Prozesse:
• Äquilibration; Grundtendenz des Organismus, implizites Motivationskonstrukt
• Assimilation; Anpassung/ Integration aufgenommener Information in vorhandene
Wissensstrukturen, Schemata
• Akkomodation; Anpassung bei der alte Strukturen bzw. Schemata modifiziert oder neu gebildet
werden, um Umweltreize zu erklären und/oder zu absorbieren
Begriffe der Entwicklungspsychologie
• Phylogenese; Die Phylogenese ist die Entwicklung der Arten (z.B. der Menschheit)
• Ontogenese; Die Ontogenese ist die Individualentwicklung des Organismus
• Genetische Epistemologie; Die Genetische Epistemologie ist eine Theorie von Jean Piaget, die
einen Zusammenhang zwischen der phylogenetischen und der ontogenetischen Entwickung
herstellt. Es wird angenommen, dass die Stufen der kindlichen Entwicklung gestützt durch soziale
und schulische Prozesse Erkenntnisstufen der Menschheitsentwicklung durchlaufen.
• Entwicklung wird nach Piaget durch Reifung, Erfahrung, soziale Vermittlung und Äquilibration
bestimmt
• Genetische Epistemologie, Ontogenese, Phylogenese
3
Stufen der Entwicklung:
Œ Sensomotorische Phase (Geburt - 2 Jahre)
• Angepasste Reaktion: Wiedererkennen und Antizipieren von vertrauten Objekten und der
Umgang mit ihnen (aus den Augen aus dem Sinn)
• Objektpermanenz: Die Existenz von Objekten ist nicht von deren Wahrnehmung abhängig
(nachsehen, was hinter der Hand ist)
Modifikation der Reflexe
(Geburt - 1. Monat)
Primäre Wechselwirkungen
(1. - 4. Mt.)
Sekundäre Wechselwirkungen
(4. - 8. Mt.)
Koordination Sekundärer Reaktionen
(8. - 12. Mt.)
Tertiäre Wechselwirkungen
(12. - 18. Mt.)
Beginn des Denkens in Repräsentationen
(18. - 24. Monat)
 Präoperative Phase (2 - 6 Jahre)
• Naiver Realist, keine mentalen/kognitiven Operationen, Zentrierung auf eine Dimension
• Invarianz von Objekten (Ein Junge ist auch in Mädchenkleidern ein Junge, eine Katze bleibt
auch mit Hundemaske eine Katze)
• Egozentriert: Die Sicht eines anderen kann nicht
nachvollzogen werden (Was sieht der
Teddybär gegenüber?). Nur ein Gesichtspunkt kann gleichzeitig betrachtet werden.
• Umschüttversuche: Ist im hohen Glas mehr als im niedrigen?
Ž Konkret Operative Phase (7 - 11 Jahre)
• Lernen des Erhaltungssatzes. Geistiges Transformieren, symbolisches Denken. Arbeit mit
Begriffen anstatt mit Wahrnehmungen.
• Mentale Operationen mit konkreten Objekten
Bsp. 2:2 vs. 4:5
 Formal Operative Phase
• Selbständiges Strukturieren von Aufgaben, Hypothesentestung
Bsp. x < y and x > z
How is the relation between z:y
• Wenn ein Glink grösser ist als ein Zuv und kleiner als ein Blam ist, welcher ist dann der grösste
von allen?
• Was ist grösser, n/(n+1) oder (n+1)/(n+2)
4. Theorien der moralischen Entwicklung
Stufenmodell von Piaget
• Von heteronomer zu autonomer Moral?
• Von Schadensorientierung zu Absichtsorientierung
• Fähigkeit zur Perspektivübernahme als Voraussetzung
Stufenmodell von Kohlberg
• Moralentwicklung ist lebenslanger Prozess, nicht alle erreichen höchste Stufe
• Präkonventionelles Niveau des moralischen Urteils,
• Konventionelles Niveau
• Postkonventionelles Niveau
Kritik von Bandura
• Moralentwicklung, moralisches Verhalten als Lernprozess, Stufenmodell nur z.T. angemessen
5. Methoden zur Untersuchung von Lernen und Entwicklung
1. Deskriptive Untersuchungen (zur Erfassung von Entwicklungsnormen)
2. Retrospektive Untersuchungen
3. Experiment
4. Querschnittsuntersuchungen
5. Längsschnittuntersuchungen
4
Herunterladen