Lernen: Themen der Vorlesung I Geschichte und Gegenstand der Lernpsychologie II III Habituation Klassisches Konditionieren I – Grundlegende Phänomene, Prinzipien, Anwendungsbeispiele IV Klassisches Konditionieren II – Komplexitäten und mathematische Erklärungsmodelle V Klassisches Konditionieren III – Evaluative Konditionierung VI Operante Konditionierung I – Grundlegende Phänomene, Prinzipien, Anwendungsbeispiele VII Operante Konditionierung II – Verstärkerpläne VIII Operante Konditionierung III – Vermeidung, Bestrafung, Löschung IX Operante Konditionierung IV – Theorien X Relation von operanter und klassischer Konditionierung 1 Übersicht • Historische Wurzeln der Verhaltensforschung • Varianten des Behaviorismus • Ziele, Methoden und Implikationen der Lernpsychologie 2 Historische Wurzeln der Verhaltensforschung • Bis ins 19. Jh. - Erklärung menschlichen Verhaltens durch rationales Kalkül • Darwinismus, Entwicklungsgedanke - Fließender Übergang von tierischem (Instinkte, Reflexe) zu menschlichem Verhalten - Implikation: gemeinsame Gesetzmäßigkeiten, gleiche Forschungsmethoden - Funktionalistische Betrachtung aus der Außenperspektive: Bedeutung für Leben und Überleben, für Phylo- und Ontogenese • Gesellschaftliche Nachfrage relevanter Forschungsergebnisse - Aufbau von erwünschtem Verhalten in Erziehung und Bildung - Erklärung und Modifikation abnormalen Verhaltens 3 Behaviorismus I • Klassischer S-R-Behaviorismus - John Broadhus Watson, 1913: Psychology as the behaviorist views it („Behavioral Manifesto“); 1919: Psychology from the standpoint of a behaviorist - Psychologie als Naturwissenschaft: Forschungsgegenstand sind Zusammenhänge zwischen beobachtbaren Umweltbedingungen (S) und beobachtbarem Verhalten (R); Kritik am Introspektionismus - S-R-Modell der Reflexologie: Welcher Reiz produziert welches Verhalten? Wie lassen sich S-R-Verbindungen modifizieren? - Ontologie: Mentale Ereignisse gibt es nicht bzw. sie werden auf beobachtbares Verhalten reduziert („black box“ Modell) - Operationismus: mentale Konzepte bezeichnen meßbares Verhalten und Verhaltensdispositionen oder manipulierbare situative Bedingungen („operationale Definitionen“) 4 John. B. Watson, 1913, Psych Review – die ersten 4 Sätze: (1) Psychology as the behaviorist views it is a purely objective, experimental branch of natural science. (2) Its theoretical goal is the prediction and control of behavior. (3) Introspection forms no essential part of its methods, nor is the scientific value of its data dependent upon the readiness with which they lend themselves to interpretation in terms of consciousness. (4) The behaviorist, in his efforts to get a unitary scheme of animal response, recognizes no dividing line between man and brute. 5 Behaviorismus II • Neobehaviorismus, S-O-R Behaviorismus - Benutzung „mentaler“ Konzepte in der Theoriebildung (30‘er Jahre des 20. Jh.; Clark Hull, Neal Miller) - innerorganismische Variablen (O) als Vermittler und Moderatoren zwischen Auslösereizen und Reaktionen (hypothetische Konstrukte innerhalb der „black box“: z.B. Motive, Emotionen, Triebzustände, Erwartungen, Überzeugungen, …) - O-Variablen werden durch theoretische Zusammenhänge mit beobachtbaren Daten in Verbindung gesetzt - Vorläufer der heutigen Kognitiven Psychologie S Stimulus O R Reaktion 6 Abbildung 1.3: (a) Schematische Darstellung einer einfachen Verhaltenstheorie ohne intervenierende Variable. (b) Dieselbe Theorie mit einer intervenierenden Variablen. In diesem Beispiel ist die intervenierende Variable Durst überflüssig, denn sie verkompliziert die Theorie. a) Stunden ohne Wasser b) Stunden ohne Wasser Häufigkeit, mit der der Hebel gedrückt wird Durst Häufigkeit, mit der der Hebel gedrückt wird 7 © James E. Mazur, Lernen und Gedächtnis, Pearson Studium Verlag 2004. Abbildung 1.4: (a) Die Pfeile repräsentieren die neun Beziehungen zwischen unabhängigen und abhängigen Variablen, die durch eine Theorie ohne intervenierende Variable definiert werden müssen. (b) Die Pfeile repräsentieren die sechs Beziehungen, die von der Theorie definiert werden müssen, wenn die intervenierende Variable Durst aufgenommen wird. Neal Miller argumentierte dafür, dass die zweite Theorie besser, weil knapper sei. (Nach N.E. Miller, 1959) a. Stunden ohne Wasser Häufigkeit mit der der Hebel gedrückt wird Trockenes Futter Konsumierte Wassermenge Injektion von Salzlösung Tolerierte Chininmenge b. Stunden ohne Wasser Trockenes Futter Injektion von Salzlösung Häufigkeit mit der der Hebel gedrückt wird Durst konsumierte Wassermenge Tolerierte Chininmenge 8 © James E. Mazur, Lernen und Gedächtnis, Pearson Studium Verlag 2004. Behaviorismus III • Radikaler Behaviorismus, Verhaltensanalyse - Burrhus Frederick Skinner (1938, The behavior of organisms) - Kernthese: „environment selects behavior“ - Selektion von Verhalten auf der Basis der Adaptivität für Überleben und Fortpflanzung („selection by consequences“) - Drei Ebenen der Verhaltensselektion und -modifikation - Phylogenese: Entwicklung der Art durch „survival of the fittest“ - Soziogenese: Tradierung/Modifikation von kulturellen Regeln/Techniken - Ontogenese: Fähigkeit, auf veränderte Umweltgegebenheiten durch verändertes Verhalten zu reagieren („Lernen“; Mechanismen des Lernen als Errungenschaft der phylogenetischen Selektion) - Was ist daran radikal? - Verhaltensgesetze gelten für jedes Verhalten gleich: mentale Phänomene/Prozesse sind auch (verdecktes) Verhalten, unterliegen denselben Gesetzen der Steuerung und Selektion durch die Umgebung; kein Sonderstatus als (hypothetisches) Erklärungskonstrukt - Relativierung von Freiheit, Moral, Würde, durch übergreifende biologische9 Perspektive (Optimierung von Adaptivität, Vermeidung von Leid) Methoden und Implikationen der Lernpsychologie • Methode: Tierversuche – Pro • Ausschaltung von Placebo- und demand-Effekten • Bessere Kontrolle von Vorerfahrung und experimentellen Bedingungen • Geringere Komplexität im Vgl. zum Menschen, dennoch prinzipielle Ähnlichkeit • Geringere ethische Einschränkungen – Contra • Eingeschränktes Verhaltensrepertoire (kein Sprechen, Lesen, Problemlösen) • Qualitativer Unterschied zum menschlichen Verhalten (Reflektion, Ziele, Überzeugungen, Werte etc.) • Ethische Bedenken 10 Methoden und Implikationen der Lernpsychologie • Implikationen – Verhaltenserklärung durch Ursachen vs. Gründe – Implizieren Kausalgesetze Determinismus? • Physikalischer Indeterminismus (ist keine Freiheit) • Kausalgesetze als Tendenzen „wenn nichts dazwischen kommt“ 11 Literatur Mazur, J. E. (20066). Lernen und Verhalten (Kap. 1 und 2 in Auszügen). München: Pearson Studium. Schwartz, B., Wasserman, E.A., & Robbins, S.J. (20025). Psychology of learning and behavior (Kap. 1 in Auszügen). New York: Norton. Online-Tutorium zum Behaviorismus von Dr. Jay Moore: http://psych.athabascau.ca/html/Behaviorism/ 12