Informationen zur Diagnostik: Nephronophthise (NPH), Autosomal Dominante Medullärzystische Nierenerkrankung Typ 2 (ADMCKD2) / Familiäre Juvenile Hyperurikämische Nephropathie Typ 1 (FJHN1) Häufigkeit und Genetik: Inzidenzen: OMIM: Genorte: Gene-NPH: Gene-ADMCKD2/FJHN1: NPH: 1:50.000, autosomal rezessiv ADMCKD/FJHN: autosomal dominant #256100 (NPHP1), #602088 (NPHP2), #604387 (NPHP3), #613550 (NPHP11), #603860 (ADMCKD2), #609886 (GCKD), #162000 (FJHN1) 2q13 (NPHP1), 9q31 (NPHP2), 3q22 (NPHP3), 12q21 (NPHP6), 16q12 (NPHP8), 8q22 (NPHP11), 16p12 (UMOD) NPHP1 (OMIM *607100), NPHP2/INVERSIN (OMIM *243305), NPHP3 (OMIM *608002), NPHP6 (OMIM *610142), NPHP8 (OMIM *610937), NPHP11 (OMIM *609883), weitere Gene siehe http://omim.org/ UMOD (OMIM *191845) Klinik und Pathogenese: Nephronophthise (NPH): Die autosomal rezessive Nephronophthise zählt zu den primären Ziliopathien, bei denen eine Fehlfunktion der primären Zilien bzw. Basalkörper zu unterschiedlichen Entwicklungsstörungen führt. Viele der beteiligten Proteine interagieren miteinander und bilden somit ein komplexes Netzwerk. Mutationen in zahlreichen Ziliengenen können eine NPH verursachen. Dabei verhalten sich die verschiedenen Ziliopathien teils allelisch zueinander, ferner sind modifizierende Gene mit Einfluss auf die klinische Ausprägung beschrieben. Die NPH zählt mit ca. 10 % der Fälle zu den häufigsten erblichen Ursachen eines chronischen terminalen Nierenversagens im Kindes- und Jugendalter. Erste Symptome sind eine Polydipsie (vermehrter Durst, auch nachts) und eine Polyurie (vermehrter Harndrang). Die Ursache liegt dabei in einem verminderten Harnkonzentrierungsvermögens aufgrund einer Veränderung des Nierentubulus-Systems (histologisch: tubulo-interstitielle Nephritis). Als Folge können eine Dehydrierung, Elektrolytverschiebungen, eine Anämie und eine metabolische Azidose entstehen. Im Verlauf treten häufig ein renaler Minderwuchs, ein Hyperparathyreoidismus und ein arterieller Hypertonus auf. Im Ultraschall lassen sich Zysten am kortikomedullären Übergang der Nieren darstellen, die Größe der Nieren ist variabel. Daher stellt die NPH eine Differenzialdiagnose zu den rezessiven Zystennieren (ARPKD, siehe dort) dar. Darüber hinaus kann die NPH mit Veränderungen der Augen, der Leber und des Kleinhirns assoziiert und klinischen Übergange z. B. zum Joubert-Syndrom (siehe dort) zeigen. Es werden drei Verlaufsformen nach Zeitpunkt des terminalen Nierenversagens (ESRD) unterschieden: • Infantile NPH: ESRD im Durchschnitt im Alter von 8 Monaten (0-5 Jahren) • Juvenile NPH: ESRD im Durchschnitt im Alter von 13 Jahren (4-32 Jahren) • Adoleszente NPH: ESRD im Durchschnitt im Alter von 19 Jahren (11-47 Jahren) Autosomal Dominante Medullärzystische Nierenerkrankung Typ 2 (ADMCKD2) & Familiäre Juvenile Hyperurikämische Nephropathie Typ 1 (FJHN1): Während sich der Begriff NPH auf die autosomal rezessive Form bezieht, steht der Begriff „Medullary Cystic Kidney Disease“ (ADMCKD) für die autosomal dominante Ausprägung der Erkrankung. Beide Erkrankungen (ADMCKD und NPH) werden aufgrund des klinisch und histologisch sehr ähnlichen Bildes unter dem Begriff NPH/MCKD-Komplex zusammengefasst. Die ADMCKD2 führt i. d. R. jedoch erst im Erwachsenenalter zu einem terminalen Nierenversagen und hat eine andere genetische Ursache. Die genetischen Hintergründe der ADMCKD1 sind ungeklärt. Die FJHN1 stellt eine Ausprägung von autosomal dominanten Mutationen des UMOD-Gens dar, bei welcher neben einem fortschreitenden Nierenversagen eine Hyperurikämie sowie in der Folge auftretende GichtAnfälle im Vordergrund stehen. Als sekundäre Folgen werden außerdem eine Gicht-Arthritis, sowie Bluthochdruck beobachtet. Symptome entwickeln sich etwa zwischen dem 15. und 40. Lebensjahr. Im Gegensatz zur FJHN2 (siehe dort) wird initial keine Anämie beobachtet. Die klinische Diagnose basiert auf dem Nachweis einer Hyperurikämie und einer verminderten fraktionierten Urat-Clearance. Glomerulozystische Nierenerkrankung (GCKD): Die Bezeichnung GCKD wird vor allem im angloamerikanischen Raum für Erkrankungen unterschiedlicher Genese verwendet, denen glomeruläre Zysten gemein sind. Glomeruläre Zysten können in einer Frühphase der dominanten Zystennieren (ADPKD, siehe dort) auftreten. Im Version: 02 – 29.01.2014 engeren Sinne sollte der Terminus für Erkrankungen mit glomerulären Zysten vorbehalten bleiben, die nicht durch Mutationen in den ADPKD-Genen verursacht werden. Bei einigen Patienten mit Mutationen des UMOD-Gens werden histologisch primär glomeruläre Zysten sowie klinisch eine Hyperurikämie und Harnkonzentrierungsdefekten (Isosthenurie) beobachtet. In der Nierenbiopsie zeigt sich eine Dilatation der Bowmanschen Kapsel und der Anfangsabschnitte der proximalen Tubuli. Die Erkrankung wird daher als eigene Entität in OMIM gelistet (#609886). Bei Patienten mit einem ähnlichen klinischen Bild wurden darüber hinaus auch Mutation des HNF1ß-Gens (sieh CAKUT) beobachtet. Diagnostik: Nephronophthise (NPH): Bei etwa 20 - 25 % der Fälle mit isolierter NPH kann eine homozygote Deletion des NPHP1-Gens nachgewiesen werden, bei etwa 3 % finden sich Punktmutationen des NPHP1-Gens oder seltene Mutationen in weiteren ziliären NPHP-Genen. Mutationen des NPHP1-Gens gehen meist mit einer juvenilen NPH einher, extra-renale Manifestationen werden selten beobachtet. Mutationen des NPHP2-Gens aber auch des NPHP3-Gens werden bei der infantilen NPH beobachtet. ADMCKD/FJHN/GCKD: Ursächlich für die ADMCKD Typ 2 sind Mutationen des UMOD-Gens. Im Gegensatz zur ebenfalls dominant erblichen FJHN2, welche durch Mutationen des REN-Gens verursacht wird (siehe dort), werden für die FJHN1 ebenfalls Mutationen des UMOD-Gens verantwortlich gemacht. In einer aktuellen Studie zeigten sich bei ca. 18 % der Patienten mit ADMCKD/FJHN Mutationen im UMOD-Gen (Bollée et al. Clin J Am Soc Nephrol. 2011;6:2429-38). Bei 4-5 % der Patienten wurden Mutationen des HNF1ß-Gens (siehe CAKUT) nachgewiesen. Mutation des UMOD- und des HNF1ß-Gens verursachen außerdem GCKD mit Hyperurikämie und Isosthenurie. Material: 2 - 5 ml EDTA-Blut bei Kindern, 5 - 10 ml EDTA-Blut bei Erwachsenen, DNA-Proben oder Gewebe (nach Absprache, evtl. auch Paraffin-Material). Begleitschein/Auftrag mit klinischen Angaben und Fragestellung, Ansprechpartner und vollständiger Anschrift, unterschriebener Einverständniserklärung der untersuchten Personen bzw. bei Kindern deren Eltern oder Betreuern, Laborüberweisungsschein (Muster 10) bei ambulanten Patienten, ausgestellt von niedergelassenen Allgemeinmedizinern, Kinder- und Frauenärzten, Internisten, Humangenetikern oder Neurologen bzw. Angaben zur Kostenübernahme bei Privatpatienten. Humangenetische Leistungen sind nicht budgetiert, bei Eintrag der Ausnahmekennziffer 32010! Methodik: NPH: - Stufendiagnostik: • Stufe 1: NPHP1: Testung auf häufige homozygote Deletion mittels Multiplex-PCR • Stufe 2: PCR mit anschließender Sanger-Sequenzierung (NPHP1: 20 kodierende Exons, NPHP2: 16 kodierende Exons, NPHP3: 27 kodierende Exons, NPHP6: 53 kodierende Exons, NPHP8: 26 kodierende Exons, NPHP11: 28 kodierende Exons) nach abnehmenden Mutationsfrequenzen, Gengröße oder in Abhängigkeit von phänotypischen Besonderheiten und Manifestationszeitpunkt • Bei bekannter Blutsverwandtschaft oder mehreren Betroffenen in der Familie: HomozygotieScreening mittels SNP-Array bzw. Kopplungsanalytik mit Gen-flankierenden Mikrosatellitenmarker mit anschließender gezielter Genanalytik mittels Sanger-Sequenzierung ADMCKD2/FJHN1/GCKD: • PCR mit anschließender Sanger-Sequenzierung (UMOD: 10 kodierende Exons) Pränatale Diagnostik: Rücksprache Befundmitteilung: Die Ergebnisse werden nach GenDG dem verantwortlichen Arzt mitgeteilt. Ansprechpartner: [email protected] Dr. rer. medic. Nadina Ortiz Brüchle +49 − 0241 – 80 80281 [email protected] Prof. Dr. med. Klaus Zerres +49 − 0241 – 80 80179 Version: 02 – 29.01.2014