Programmheft Mit Morden zum Erfolg Niemand verdiente je so gut an Morden wie Agatha Christie. Die Engländerin erledigte das Planen und das Lösen der Verbrechen in Personalunion und wurde nie bestraft, da alles nur in ihrer Fantasie geschah. Einer Fantasie, die unzählige Bewunderer fand. Einige Quellen wollen wissen, dass alleine die Bibel und Shakespeares Werke sich häufiger verkauften als die Kriminalromane von Agatha Christie. Auch das Rampenlicht verdankt einige seiner Erfolge (fiktiven) Morden: Unser erstes Stück „Der unerwartete Gast" stammte ebenfalls aus Christies Feder, und im Herbst 2000 feierten wir gar eine „Party für eine Leiche". Mit dem Opfer in „Zeugin der Anklage" haben wir nun sechs TheaterLeichen „auf dem Gewissen" (doch, wir haben richtig gezählt!). Darin nicht mitgerechnet sind die „Opfer" in unserem diesjährigen Open-Air-Erfolg „Tatort Kiste", der beim Tag der Niedersachsen zehn Aufführungen erlebte. Dabei wollen wir es aber nicht bewenden lassen. In unserem nächsten abendfüllenden Stück wird es um Menschen gehen, die zusammen für nicht weniger als zwei Dutzend Tode verantwortlich sind. Und eine neue Methode wollen wir auch testen: nach Erschießen, Erwürgen, Erschlagen und Erstechen werden wir uns Giftmorden zuwenden. Doch bevor Sie sich nach Ostern 2002 auf „Arsen und Spitzenhäubchen" freuen können, wünsche ich Ihnen nun zunächst spannende Unterhaltung bei Agatha Christie's „Zeugin der Anklage"! (Witness for the Prosecution) Uraufführung am 28. Oktober 1953 am The Winter Garden Theatre, London Deutsch von Charles Regnier, für das Rampenlicht eingerichtet von Christian Baumgarten Aufführungsrechte: Theaterverlag Desch, München Auf der Bühne (in der Reihenfolge des Auftritts) : Jane Mayhew, Anwältin..............Lilli Hauswaldt Leonard Vole ............... Christian Baumgarten Sir Wilfried Robarts.......... Jürgen Baumgarten Miss Plimsel ................................ Anke Eggers Inspector Hearne .................... Jochen Zachow Romaine ................................ Melanie Wragge Gerichtsdiener ...................... Alexander Köpp Im Verborgenen : Kulissenbau ................................... Harri Schulz Kostüme ............... Sandra Schulz, Silke Meyer Maske ...............Kirstin Rechten, Tatjana Meyer Requisite, Ausstattung.........Helga Baumgarten Beleuchtung ............................. Alexander Köpp Soufflie ..................................Helga Baumgarten Regie................................Christian Baumgarten Meyers, Staatsanwalt ........... Michael Bischof Gerichtsschreiberin ......... Helga Baumgarten Richterin .................................... Edith Steuber Polizist ........................................ Jörg Heinrich Miss MacKenzie ...... Evelyn SchellerWenzel eine Frau ................................ Carmen Blunck Agatha Christie Die kleine Agatha Miller wurde stark von ihrer konservativen Mutter beeinflusst. Diese ließ die Tochter von Privatlehrern unterrichten und setzte sich auch später mit dem Wunsch durch, dass Agatha in Paris Musik studieren sollte. Als sie im 1. Weltkrieg, frisch verheiratet mit dem Kampfpiloten Archie Christie, in einem La-zarett arbeitete, entwickelte die 25jährige erste Ideen für Kriminalgeschichten. Es sollte aber noch fünf Jahre bis zur ersten Veröffentlichung und dann noch einmal sechs bis zu ihrem Durchbruch dauern: 1926 wurde sie eine Berühmtheit! Im selben Jahr ereilten Agatha Christie aber auch zwei schwere Schläge: erst starb ihre Mutter, dann bat ihr Mann um die Scheidung. Was nun folgte, hätte aus einer ihrer Geschichten stammen können: die jetzt berühmte Autorin verschwand spurlos und sorgte so drei Wochen lang für Schlagzeilen in der britischen Presse. Als man sie fand, in einem kleinen Hotel, wo sie unter dem Namen der neuen Frau in Archies Leben abgestiegen war, sagte sie nur, sie hätte ihr Gedächtnis verloren gehabt. Weitere Erklärungen gab sie Zeit ihres Lebens nicht ab. Zwei von ihr erdachte Charaktere erlangten mit Agatha Christie zusammen Weltruhm. Am bekanntesten ist wohl Miss Marple, die 1930 das literarische Licht der Welt erblickte - im selben Jahr, als Christie ihre neue Liebe Sir Max Mallowan heiratete, einen Archäologen. Miss Marple tauchte in 12 Romanen auf, und damit weit seltener als jener fiktive Detektiv, der Agatha Christie durch ihr ganzes schriftstellerisches Leben begleitete: Der exzentrische Belgier Hercule Poirot löste bereits in ihrem Debutroman „Die geheimnisvolle Affäre von Styles" seinen ersten Fall und sollte noch in über 30 Romanen und zahlreichen Kurzgeschichten auftreten, bis die Autorin ihn 1975 in „Curtain" („Vorhang") sterben ließ. Sein literarischer Tod nahm den seiner Schöpferin um nur ein Jahr voraus. Dame Agatha Mary Clarissa Christie starb am 12. Januar 1976 im Alter von 85 Jahren. Dem Täter auf der Spur Glaubt man der Bibel, so gehört der Mord zu den ältesten Verbrechen der Welt. Gleichzeitig hatte die Gesellschaft natürlich auch schon immer ein Interesse daran, Mörder zu finden und zu bestrafen. War es aber im Fall Kain und Abel noch einfach, den Täter zu ermitteln, wurde dies mit zunehmender Zahl der Menschen immer schwieriger. Aussagen von Zeugen, oft genug aber auch nur üble Nachrede, sorgten dafür, Verdächtige zu finden. Aber wie überführt man sie zweifelsfrei? In unserem Stück bedient sich die Anklage zweier Verfahren: dem Vergleich von Fingerabdrücken und dem von von Blutgruppen. Schon bei den Babyloniern, Assyrern sowie den alten Chinesen und Japanern war der individualisierende Wert von Fingerabdrücken bekannt. Die Finger wurden daher als Abdruck zur Signierung von Verträgen verwendet. Doch dieses Wissen ging verloren und musste so später wieder neu gewonnen werden. Der in Japan lebende Engländer Henry Faulds machte 1880 als erster den Vorschlag, die Fingerabdrücke am Tatort zur Überprüfung von Verbrechern zu nutzen (Daktyloskopie). Wirklich eingeführt wurde das Verfahren aber erst 1897 durch den Generalinspekteur der Polizei in Kalkutta, Edward Henry. Nachdem dieser 1901 Polizeipräsident von London wurde, verfolgte man auch in England und Wales Verbrecher mit dieser Methode. In Deutschland erfolgte die Einführung der Daktyloskopie am 01.04.1903 in Dresden auf den Vorschlag von Robert Heindl, dem damaligen Leiter der Dresdner Kriminalpolizei. Aber erst seit 1914 übernahmen die meisten Länder der Welt die Daktyloskopie in die Polizei. Für die Rechtsfindung und Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof den Beweiswert der Daktyloskopie uneingeschränkt anerkannt (Urteil vom 11.06.1952). Die Entdeckung der Blutgruppen verdanken wir Karl Landsteiner. Der Österreicher untersuchte im Jahre 1900, warum es immer wieder vorkam, dass Menschen infolge von Bluttransfusionen starben. Er stellte eine Reihe von Blutgemischen her und beobachtete Vermischungen, aber auch Verklumpungen. Von diesen Ergebnissen schloß Landsteiner auf die Existenz der Blutgruppen A, B und 0. Erst 1902 stellte sich nach weiteren Experimenten heraus, dass es noch eine vierte Blutgruppe gibt: AB. Zur weiteren Unterscheidung kennt man seit 1939 den Rhesusfaktor. Heute sind mindestens 14 verschiedene Blutgruppensysteme bekannt. In „unserem" Fall spielen Blutflecken der Gruppe AB eine wichtige Rolle. Wäre Agatha Christie eine heute zur Verfügung stehende Technik bekannt gewesen, hätte sie ihre Geschichte um die „Zeugin der Anklage" aber sicher anders angelegt. Mit Hilfe des genetischen Fingerabdrucks wäre nämlich zweifelsfrei zu klären gewesen, von wem das Blut an Leonard Voles Jacke stammte. Dem Engländer Alec Jeffries gelang aber erst im Jahre 1985 mittels einer neuen Methode die Herstellung eines genetischen Daktylogramms, des sogenannten "genetischen Fingerabdrucks". Er erkannte, dass man aus dem menschlichen Gen-Material DNA ein Strichmuster erzeugen kann, das eine für jeden Menschen absolut charakteristische und unverwechselbare Struktur aufweist (außer bei eineiigen Zwillingen). Dieses Verfahren ist auch in Deutschland als Beweismittel vor Gericht anerkannt. Damit gelingt es heute, Morde aufzuklären, bei denen die Täter früher noch straffrei ausgegangen wären, oder auch Menschen von einem unbegründeten Tatverdacht zu entlasten. Eines konnte aber noch keine noch so gute neue Untersuchungsmethode bewirken: dass die Anzahl von Morden gesenkt wird. Auch die Androhung der Todesstrafe wirkt keinesfalls abschreckend: Statistiken aus den USA zeigen, dass in Staaten, die Hinrichtungen zulassen, die Mordquote auch nicht geringer ist als in ihren weniger drakonisch urteilenden Nachbarstaaten. Das liegt daran, dass erwiesenermaßen kein Täter damit rechnet, überhaupt gefasst zu werden. Das Morden geht also weiter... Jürgen Baumgarten Quellen: Landeskriminalamt Thüringen Todesstrafe.de