IV. Märkte 2. Das kurzfristige Konkurrenzmarkt-Gleichgewicht Mikroökonomie II WS 2003/04 Version vom 03.03.04 2. Das kurzfristige Konkurrenzmarkt-Gleichgewicht a) Beschreibung von Konkurrenzmarkt-Gleichgewichten im Angebots-Nachfrage-Diagramm Es soll auf dem Markt für ein bestimmtes Gut eine große Zahl von Nachfragern geben, die unabhängig voneinander handeln. Sie besitzen also keinen Einfluss auf den Marktpreis. Sie sind somit ohne Marktmacht und müssen als passive Preisnehmer handeln. Gleiches soll für die Angebotsseite gelten, auf der es auch eine Vielzahl von Anbietern gibt, die Preisnehmer sind. Die hohe Zahl von Marktteilnehmern auf beiden Seiten des Marktes und das dadurch erzwungene Preisnehmerverhalten gilt als charakteristisch für die in diesem Abschnitt betrachtete Situation vollkommener Konkurrenz. Allgemein spricht man von einem Gleichgewichtszustand, wenn sich alle Beteiligten optimal an die jeweils gegebenen Bedingungen anpassen und die dabei individuell gewählten Handlungen miteinander verträglich ("konsistent") sind. Im speziellen Fall eines Marktgleichgewichts bei vollkommener Konkurrenz bedeutet diese Bedingung konkret das Folgende: Das Datum, an das sich die Beteiligten (Nachfrager und Anbieter) anpassen, ist der jeweils herrschende Marktpreis. Wie diese Anpassung genau geschieht, wird durch die Nachfragefunktion X D ( p) bzw. die Angebotsfunktion X S ( p) vollständig erfasst. Die dabei resultierenden Handlungen von Nachfragern und Anbietern sind miteinander verträglich (konsistent), wenn sich ein Preis p * eingestellt hat, bei dem die Nachfrager genau die Gütermenge nachfragen, die von den Anbietern bei diesem Preis produziert wird. Der Preis p * heißt Gleichgewichtspreis, die Menge X * = X D ( p *) = XS ( p *) ist dann die Gleichgewichtsmenge auf dem vollständigen Konkurrenzmarkt. Grafisch ergibt sich das Konkurrenzmarkt-Gleichgewicht als Schnittpunkt der (inversen) Nachfrage- mit der (inversen) Angebotsfunktion (vgl. Abbildung IV-2). Wir nehmen an, dass ein solcher Schnittpunkt (und somit ein KonkurrenzmarktGleichgewicht) tatsächlich existiert. Wenn, wie hier unterstellt, die Nachfragefunktion fällt und die Angebotsfunktion wächst, ist ein Konkurrenzmarkt-Gleichgewicht dann auch eindeutig bestimmt. 130 IV. Märkte Mikroökonomie II WS 2003/04 2. Das kurzfristige Konkurrenzmarkt-Gleichgewicht Version vom 03.03.04 Preis C Abbildung IV-2 pS (X ) p* D B A pD ( X ) 0 X% X* Menge Die Produzentenrente, die sich aus der Differenz zwischen dem Erlös in Höhe von p * X * und den (variablen) Kosten C ( X * ) ergibt, wird in Abbildung IV-2 durch die Fläche DAB , die Konsumentenrente durch die Fläche DBC beschrieben. Die Gesamtwohlfahrt (Konsumentenrente + Produzentenrente) ist also ABC . Die Gesamtwohlfahrt wird bei Produktion der Gleichgewichtsmenge X * maximiert. Links von X * sind die bei den Konsumenten anfallenden Grenznutzen (ausgedrückt durch die inverse Nachfragefunktion p D ( X ) ) ja größer als die Grenzkosten der Produzenten (ausgedrückt durch die inverse Angebotsfunktion p S ( X ) ), so dass sich eine Ausdehnung der Produktion aus gesamtwirtschaftlicher Sicht lohnt. Würde etwa nur die Menge X% < X * produziert, käme es gegenüber dem Wohlfahrtsmaximum zu einem Verlust in Höhe der in Abbildung IV-2 schraffierten Fläche. Rechts von X * ist hingegen der Grenznutzen kleiner als die Grenzkosten, so dass eine Einschränkung der Produktion zu einer gesamtwirtschaftlichen Verbesserung führen würde. Insgesamt wird durch diese Überlegung die Botschaft des ersten Hauptsatzes der Wohlfahrtstheorie, den wir bereits im Kapitel II kennen gelernt haben, in einem anderen Rahmen bestätigt: Bei vollkommener Konkurrenz und damit Preisnehmerverhalten aller Beteiligten führt der Marktprozess zur Realisierung der gesamtwirtschaftlich optimalen Lösung. 131 IV. Märkte Mikroökonomie II WS 2003/04 2. Das kurzfristige Konkurrenzmarkt-Gleichgewicht Version vom 03.03.04 b) Wirkungen von Veränderungen der Angebotsbedingungen auf das Marktgleichgewicht Nach den Überlegungen des vorhergehenden Abschnitts dürfte klar sein, dass der Verlauf der Nachfrage- und der Angebotsfunktion von einer Vielzahl exogener Faktoren abhängt. Wenn sich diese Faktoren ändern, verändern sich auch die das Handeln der Akteure am Markt charakterisierenden Funktionen und damit die Lage des Marktgleichgewichts. Dies lässt sich an einigen Beispielen erläutern: Wir behandeln zunächst den Fall, dass sich - im Sinne eines kostensparenden technischen Fortschritts - durch Veränderungen in der Produktionstechnik (etwa durch den verstärkten Einsatz von Computern in den vergangenen 20 Jahren) die Grenzkosten der Produktion senken, so dass sich die inverse Angebotsfunktion nach unten verlagert. In Abbildung IV-3 soll p% S ( X ) die neue (inverse) Angebotsfunktion bezeichnen. Die Nachfragefunktion soll jedoch gleich bleiben. Auf das Marktgleichgewicht wirkt sich dieser "Shift" der Angebotsfunktion in der Weise aus, dass der Gleichgewichtspreis fällt (von p * auf p% * ) und die Gleichgewichtsmenge wächst (von X * auf X% * ). Dabei ist (bei gleicher Veränderung der Angebotsfunktion) der Preiseffekt umso stärker und der Mengeneffekt umso geringer, je steiler die Nachfragefunktion verläuft, d. h. je preisunelastischer die Nachfrage reagiert. Preis pS (X ) C p D A * p% D% A% * 0 Abbildung IV-3 B B% p% S ( X ) pD ( X ) X* X% * Menge Man kann anhand der Abbildung IV-3 zudem feststellen, wie die Gesamtwohlfahrt sowie die Wohlfahrtskomponenten von Nachfragern und Anbietern (Konsumentenrente und Produze ntenrente) durch die betrachtete Veränderung der Angebotsfunktion beeinflusst werden: Die 132 IV. Märkte Mikroökonomie II WS 2003/04 2. Das kurzfristige Konkurrenzmarkt-Gleichgewicht Version vom 03.03.04 % % beschrieben. Weil der neue Gleichgeneue Konsumentenrente wird durch die Fläche DBC wichtspunkt B% auf der Nachfragefunktion rechts unterhalb des alten Gleichgewichtspunktes B liegt, ist die Fläche DBC , welche die ursprüngliche Konsumentenrente beschreibt, eine % % . Die Verschiebung der inversen Angebotsfunktion nach unten echte Teilmenge von DBC bewirkt also eine eindeutige Erhöhung der Konsumentenrente: Die Konsumenten profitieren ja sowohl von der Ausdehnung des Güterkonsums als auch vom sinkenden Güterpreis, die sich als Effekte einer Verminderung der Grenzkosten der Produktion einstellen. Die Abbildung IV-3 zeigt auch, dass sich die Gesamtwohlfahrt erhöht, und zwar von ABC % % . Im Hinblick auf die Produzentenrente hingegen lässt sich keine eindeutige Aussage auf ABC % % % kleiner als die alte treffen. Es ist im Prinzip möglich, dass die neue Produzentenrente ABD Produzentenrente ABD ist. Dieser Fall tritt umso eher dann ein, wenn • der Gleichgewichtspreis stark sinkt • die Gleichgewichtmenge nur wenig wächst • die neue Angebotsfunktion flacher verläuft als die alte, d. h. das Güterangebot infolge der neuen Technologie preiselastischer wird. Die ersten beiden hiermit beschriebenen Faktoren sind - wie zuvor schon bemerkt - dann gegeben, wenn die Güternachfrage relativ preisunelastisch ist. Wenn - im Extrem - eine völlig preisunelastische Nachfrage vorliegt und die Nachfragekurve somit eine Parallele zur Preisachse ist, wirkt nur der dritte Faktor. Dieser Spezialfall ist in Abbildung IV-4 dargestellt. Preis p* D XD pS (X ) B A D% * p% A% 0 B% X* Abbildung IV-4 p% S ( X ) Menge 133 IV. Märkte 2. Das kurzfristige Konkurrenzmarkt-Gleichgewicht Mikroökonomie II WS 2003/04 Version vom 03.03.04 % % % dort ofAufgrund des gegenüber p S ( X ) flacheren Verlaufs von p% S ( X ) ist die Fläche ABD fensichtlich kleiner als die Fläche ABD , so dass Abbildung IV-4 tatsächlich einen Fall abbildet, in dem es zu einem Rückgang der Produzentenrente kommt. Wir gelangen also zu dem auf den ersten Blick etwas überraschenden Ergebnis, dass eine technische Neuerung, die zu einer Verminderung der Grenzkosten der Produktion führt, nicht unbedingt im (kollektiven) Interesse der Produzenten liegt, von denen eine solche Innovation auszugehen hat. Deshalb kann es unter Umständen dazu kommen, dass bei vollkommener Konkurrenz die erstbeste wohlfahrtsmaximierende Lösung, welche die Wahl der kostengünstigeren Produktionstechnik voraussetzt, doch nicht verwirklicht wird. c) Die Wirkung staatlicher Eingriffe c1) Höchst- und Mindestpreise Im Rahmen des hier zugrunde liegenden Konkurrenzmarkt-Modells sind es in vielen Fällen staatliche Eingriffe, welche die Erreichung der Optimallösung mit X * als Produktionsmenge verhindern. Als erstes Beispiel für eine solche Maßnahme behandeln wir hier die Einführung eines Höchstpreises für das entsprechende Gut. Meist aus sozialen Gründen werden solche Höchstpreise insbesondere bei Grundbedarfsgütern angewendet. Verbreitet waren und sind v. a. Mietpreisbindungen, durch die der Wohnungsmarkt reguliert wird. Restbestände solcher Regelungen, die im Übrigen das Prinzip der Vertragsfreiheit einschränken, gibt es auch in Deutschland. Die Festsetzung von Höchstpreisen wird zumeist mit dem Bestreben begründet, Wucher (und damit die Ausbeutung wirtschaftlich Schwacher) zu vermeiden. So verwundert es nicht, dass es gerade in der Zeit von Hungersnöten zur Einführung von Höchstpreisen für Grundnahrungsmittel (meist ergänzt durch die Ausgabe von Lebensmittelmarken) kam. Wir wollen jetzt analysieren, wie sich die Festlegung einer Preisbegrenzung p auf die Allokation im Konkurrenzmarkt-Modell auswirkt: Wenn die Produzenten keinen höheren Güterpreis als p erzielen können, werden sie nur die Menge X S ( p) < X * anbieten. Die produzierte Menge bleibt also unter der gesamtwirtschaftlich optimalen Menge, weil bei dem zu niedrigen Preis viele potenzielle Anbieter auf ein Angebot verzichten. ("Warum soll ich in eine Mietwohnung investieren und mich mit Mietern herumärgern, wenn ich dafür doch nur 134 IV. Märkte Mikroökonomie II WS 2003/04 2. Das kurzfristige Konkurrenzmarkt-Gleichgewicht Version vom 03.03.04 eine kleine Miete bekomme?") Der durch die Preisregulierung verursachte Wohlfahrtsverlust (der "Deadweight Loss") wird in der Abbildung IV-5 durch die Fläche EBF beschrieben. Preis C Abbildung IV-5 F p D ( X S ( p )) p* D p G H pS (X ) B E A pD ( X ) X S ( p) X* Menge Bei der Angebotsmenge ist aber die Zahlungsbereitschaft der Konsumenten höher als der Preis. Formal gilt p D ( X S ( p )) > p , wobei wieder p D ( X ) die inverse Nachfrage bezeichnet. Da die Konsumenten aufgrund der bestehenden Höchstpreis-Regelung ihre höhere Zahlungsbereitschaft nicht offiziell bzw. legal in Nachfrageverhalten umsetzen, ist in dieser Situation mit der Bildung eines Schwarzmarktes zu rechnen. Auf diesem werden dann faktisch Preise bezahlt, die weit über dem offiziellen, vom Staat festgelegten Höchstpreis liegen. Damit wird die Preisbildung willkürlich - und das Preissystem büßt seine regulative Funktion ein. Da die Festsetzung von Höchstpreisen auf sozialpolitischen Motiven beruht, sind natürlich die Verteilungswirkungen einer solchen Preisregulierung von ganz besonderem Interesse. Klar ist, dass durch den Maximalpreis p die Produzentenrente von ABD auf AEG sinkt. Ob jedoch im Gegenzug die Gesamtheit der Konsumenten tatsächlich in der erwünschten Weise von der Fixierung eines Höchstpreises profitiert, lässt sich a priori nicht eindeutig beantworten. Die Konsumentenrente im ursprünglichen Konkurrenzmarkt-Gleichgewicht betrug DBC , nach Einführung von p hat sie sich zu GEFC verändert. Beiden Konsumentenrenten-Flächen ist die Teilfläche DHFC gemeinsam, so dass es für die Nettobilanz der Konsumenten nach Einführung eines Höchstpreises darauf ankommt, ob GEHD größer oder kleiner als HBF ist. GEHD beschreibt grob gesprochen den Gewinn der Konsumenten aufgrund des gegenüber dem Konkurrenzmarktpreises reduzierten Preis, HBF ihren Verlust aufgrund des eingeschränkten Angebots. Die Konsumenten gewinnen also einerseits durch den vom Staat durchgesetzten niedrigeren Güterpreis und verlieren andererseits durch die damit einher gehende 135 IV. Märkte 2. Das kurzfristige Konkurrenzmarkt-Gleichgewicht Mikroökonomie II WS 2003/04 Version vom 03.03.04 Einschränkung des Güterangebots. Im Falle von HBF > GEHD , was auch in Abbildung IV-5 dargestellt ist, überwiegt der Verlust den Gewinn. Es kommt dann zu einer Netto-Einbuße für die Konsumenten, so dass die Preisregulierung ihren verteilungspolitischen Zweck völlig verfehlt. Eine solche Konstellation tritt umso eher dann ein, wenn die inverse Nachfragefunktion steil und die inverse Angebotsfunktion flach ist, d. h. die Nachfrage relativ preisunelastisch, das Angebot aber relativ preiselastisch ist. Bei eher preiselastischer Nachfrage und eher preisunelastischem Angebot ist dies gerade umgekehrt. Hier profitieren die Konsumenten, wie es von der Politik angestrebt wird, von der Preiskontrolle. Zumindest kurzfristig dürfte ein relativ preisunelastisches Angebot auch für den wichtigsten Anwendungsfall von Höchstpreis-Regelungen, nämlich dem Mietwohnungsmarkt, in der Tat vorliegen. In ähnlicher Weise lassen sich die Wirkungen von Mindestpreisen untersuchen. Von empir ischer Bedeutung sind diese insbesondere im Zusammenhang mit Regulierungen des Arbeitsmarktes. Nicht überall existieren zwar gesetzlich fixierte Mindestlöhne, jedoch kann die Gewährung von Sozialhilfe (wie in Deutschland) faktisch wie ein Mindestlohn wirken. c2) Verbrauchsteuern Ein wichtiges Beispiel für staatliche Maßnahmen, die zu einer Veränderung von Marktgleichgewichten führen, stellen Steuern dar. In unserem Mengen-Preis-Diagramm wollen wir beschreiben, wie eine Mengensteuer, deren Bemessungsgrundlage die physische Quantität (K ilogramm, Liter, ...) des gehandelten Gutes ist, das Konkurrenzmarkt-Gleichgewicht verändert. Ein wichtiges Beispiel für eine solche Steuer ist in Deutschland die Mineralölsteuer. Wenn wir mit t den Steuersatz einer solchen Mengensteuer bezeichnen, so bedeutet die Einführung einer Mengensteuer grafisch, dass sich die inverse Angebotsfunktion um t parallel nach oben verschiebt, während die Nachfragefunktion gleich bleibt. Dabei gehen wir davon aus, dass p jetzt den von den Verbrauchern entrichteten Preis des Gutes (den Konsumentenpreis) angibt. Darin ist der Steuersatz t enthalten, so dass der Nettopreis, den die Anbieter pro verkaufter Menge bekommen (der Produzentenpreis), p − t beträgt. Die Angebotsfunktion X St ( p) nach Erhebung der Steuern bestimmt sich somit als 136 IV. Märkte Mikroökonomie II WS 2003/04 2. Das kurzfristige Konkurrenzmarkt-Gleichgewicht Version vom 03.03.04 X St ( p) = X S ( p − t ) , (VI-3) für die inverse Angebotsfunktion gilt dann p tS ( X ) = p S ( X ) + t . (IV-4) In Abbildung IV-6 liegt das neue Marktgleichgewicht in Bt , die produzierte und am Markt gehandelte Menge sinkt infolge der Erhebung der Mengensteuer von X * auf X t , der Kons umentenpreis steigt von p * auf pt und der Produzentenpreis sinkt von p * auf pt − t . Konsumentenpreis p tS ( X ) C Abbildung IV-6 t pt H p* D pt − t E Bt J B F pD ( X ) A 0 pS (X ) Xt X* Menge Die gesamte Steuerzahlung tX t (die Steuereinnahmen des Staates) wird in Abbildung IV-6 durch das Rechteck E F Bt H gemessen. Weil durch die Steuer sowohl der Konsumentenpreis erhöht als auch der Produzentenpreis gesenkt wird, trägt nicht eine der beiden Marktseiten allein die Steuerlast. Wenn die Steuer bei den Anbietern erhoben wird, gelingt es diesen also, einen Teil der Steuerlast auf die Nachfrager zu überwälzen. Das Ausmaß dieser Steuerüberwälzung wird deutlich, wenn wir in Abbildung IV-6 die Größe der Flächen D J Bt H und EFJD miteinander vergleichen, die zusammen gerade die Fläche E F Bt H der Steuerzahlung ergeben. Da (IV-5) DJBH = ( p t − p *) X t t 137 IV. Märkte 2. Das kurzfristige Konkurrenzmarkt-Gleichgewicht Mikroökonomie II WS 2003/04 Version vom 03.03.04 gilt, d. h. D J Bt H das Produkt aus der Differenz zwischen dem neuen und dem alten Kons umentenpreis und der steuerlichen Bemessungsgrundlage X t ist, lässt sich D J Bt H als denjenigen Teil der Steuerlast auffassen, der auf die Konsumenten fällt. EFJD gibt dann den Teil des gesamten Steueraufkommens wieder, den die Anbietern tragen. Das Verhältnis DJBH / EFJD ist umso größer, je steiler die inverse Nachfragefunktion t p D ( X ) und je flacher die inverse Angebotsfunktion p S ( X ) ist, d. h. je preisunelastischer die Nachfrage und je preiselastischer das Angebot ist. Dies bedeutet, dass die Konsumenten von einer Verbrauchsteuer(erhöhung) umso stärker getroffen werden, je schlechter sie das betreffende Gut durch andere Güter ersetzen können. Bei der Mineralölsteuer dürfte dies zumindest kurzfristig der Fall sein. Die von uns hier betrachtete Mengensteuer hat aber nicht nur die soeben beschriebenen Verteilungseffekte, sondern auch einen realwirtschaftlichen Allokationseffekt, d. h. das Produktionsniveau wird durch diese Steuer ebenso beeinflusst wie das gesamtwirtschaftliche Wohlfahrtsniveau: Da die Produktion ja auf das Niveau X t zurückgeht, wird das bei X * gelegene gesamtwirtschaftlich optimale Produktionsniveau nach Erhebung der Steuer nicht mehr erreicht. Der von der Steuer somit ausgelöste reale Wohlfahrtsverlust wird durch das Harberger-Dreieck FBBt gemessen ( A Fläche zwischen gesamtwirtschaftlicher Grenznutzenfunktion p D ( X ) und der gesamtwirtschaftlichen Grenzkostenfunktion p S ( X ) zwischen X t und X * ). Ein solcher steuerlich bedingter Wohlfahrtsverlust wird auch als steuerliche Zusatzlast ("Excess Burdens" der Besteuerung) bezeichnet. Sein Entstehen lässt sich dadurch erklären, dass eine Mengensteuer der beschriebenen Art das Verhalten der am Markt aktiven Produzenten und Konsumenten verändert, indem sie eine Keil zwischen Konsumenten- und Produzentenpreis treibt. Das Preissystem wird durch diese Verzerrung deshalb an der Herstellung der gesamtwirtschaftlich optimalen Lösung gehindert. Wir hatten solche steuerlichen Excess Burdens bereits im Rahmen des Haushaltsmodells (vgl. Kapitel II) beschrieben. Die zentrale Botschaft, die sich aus der Beschreibung von Excess Burdens allgemein ergibt, lautet: Steuern belasten die Bürger nicht nur mit der eigentlichen 138 IV. Märkte Mikroökonomie II WS 2003/04 2. Das kurzfristige Konkurrenzmarkt-Gleichgewicht Version vom 03.03.04 Steuerzahlung, sondern darüber hinaus noch mit realen Wohlfahrtsverlusten, die der von der Steuer verursachten Verzerrung der relativen Preise anzulasten sind. c3) Handelspolitische Maßnahmen Bisher haben wir angenommen, dass der von uns analysierte Markt von ausländischen Märkten völlig abgeschottet ist, d. h. dass das auf diesem Markt gehandelte Gut weder exportiert noch importiert wird. Jetzt hingegen wollen wir davon ausgehen, dass der betrachtete nationale/lokale Markt Teil des Weltmarktes für das betreffende Gut ist. Der Weltmarktpreis pW soll niedriger sein als der lokale Gleichgewichtspreis p * . In der Realität liegt eine solche Situation etwa bei vielen Nahrungsmitteln (wie etwa Weizen) oder aber bei der Steinkohle vor. Gibt es dann keinerlei Importbeschränkungen, können auch die Anbieter auf dem Binnenmarkt keinen höheren Preis als pW verlangen. Sie schränken dann ihr Angebot auf X S ( pW ) ein, während die Konsumenten eine im Vergleich zu X * höhere Gütermenge X D ( pW ) nachfragen (siehe Abbildung IV-7). Der Differenzbetrag X D ( pW ) − X S ( pW ) wird dann aus dem Ausland importiert. Preis C X S ( p) B p* D pW E Abbildung IV-7 F G A X D ( p) 0 X S ( pW ) X * X D ( pW ) Menge Import Gegenüber der reinen Binnenmarktlösung erhöht sich die Konsumentenrente (von DBC ) auf EGC und die Produzentenrente sinkt (von ABD ) um EFBD auf AFE . Die Erhöhung der Konsumentenrente (EGBD ) ist aber größer als die Verminderung der Produzentenrente. 139 IV. Märkte Mikroökonomie II WS 2003/04 2. Das kurzfristige Konkurrenzmarkt-Gleichgewicht Version vom 03.03.04 Durch die ungehinderte Möglichkeit zum Import des betreffenden Gutes steigt die gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt in der betrachteten nationalen Volkswirtschaft um FGB . Um die heimischen Produzenten zu schützen, wird der freie Handel aber vielfach eingeschränkt. Dies geschieht durch mengenmäßige Importbeschränkungen ("Importquoten") oder durch Zölle. Die Wirkungen dieser beiden Instrumente wollen wir jetzt untersuchen. Wir stellen uns zunächst vor, dass der Import des Gutes nur bis zur Höchstmenge X gestattet ist. Infolge dieser Quotenreglementierung stellt sich auf dem Binnenmarkt dann ein Preis p ein, bei dem X D ( p) − X S ( p) = X (IV-6) gilt (vgl. Abbildung IV-8). Preis X S ( p) D z p H pW E Abbildung IV-8 B J K G F L M A X D ( p) 0 X S ( pW ) X X D ( pW ) Menge Durch die Importquote gewinnen die heimischen Produzenten im Vergleich zum Szenario mit Freihandel EFJH , während die Konsumenten EGKH an Konsumentenrente verlieren. Durch die Beschränkung des internationalen Handels reduziert sich die Gesamtwohlfahrt im Heimatland (verglichen mit der Situation ohne Importrestriktionen) um FGKJ . Dieser Wohlfahrtsverlust lässt sich dadurch vermindern, dass der Staat anstelle einer Quotenregelung einen Zoll als handelspolitisches Instrument verwendet. Ein Mengenzoll in Höhe 140 IV. Märkte 2. Das kurzfristige Konkurrenzmarkt-Gleichgewicht Mikroökonomie II WS 2003/04 Version vom 03.03.04 von z := p − pW hat die gleichen Mengeneffekte wie die ursprüngliche Quotenregelung, jedoch erzielt der Staat jetzt Zolleinnahmen in Höhe von zX = LMKJ , die er zur Finanzierung von Staatsausgaben verwenden und somit in die nationale Ökonomie zurück führen kann. Gegenüber dem Fall mit vollkommenem Freihandel geht die Wohlfahrt im Heimatland dann um FLJ + MGK zurück - und somit um weniger als bei der Importbeschränkung auf X . Der Vorteil von Zöllen als handelspolitische Maßnahme liegt aus der Sicht des Heimatlandes darin, dass es mit ihrer Hilfe gelingt, bei den ausländischen Anbietern denjenigen Zusatzgewinn abzuschöpfen, den sie ansonsten durch den von pW auf p gestiegenen Binnenmarktpreis hätten. Für die ausländischen Unternehmen ist eine Importbeschränkung natürlich insofern von Nachteil, als diese zu einem sinkenden Güterabsatz auf dem von uns betrachteten Binnenmarkt führen. Ob sie aber insgesamt verlieren, steht bei einer Quotenregelung nicht von vornherein eindeutig fest. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass pX > p W ( X D( pW ) − X S ( pW )) gilt. Wenn anstelle der Mengenbegrenzung X jedoch der (allokationsäquivalente) Zoll z eingesetzt wird, erhalten die ausländischen Anbieter nur den Nettopreis pW . Ihr Erlös aus der Belieferung des Marktes im Heimatland sinkt dann durch die handelsbeschränkende Maßnahme (von pW ( X D( pW ) − X S ( pW )) ) auf pW X . 141